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Programm-Magazin Nr. 8 Saison 14/15 Monumentum DONNERSTAG, 30. APRIL 2015

Programm-Magazin Monumentum

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Programm-Magazin Nr. 8 Saison 14/15

MonumentumDonnerstag, 30. april 2015

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Sinfoniekonzert ‹Monumentum›

3Programm

4 Interview mit Isabelle Faust

7 Ivor Bolton

10 Ludwig van Beethoven :

Konzert für Violine und Orchester D-Dur

14 Igor Strawinsky:

Monumentum pro Gesualdo di Venosa ad CD annum

18 Robert Schumann :

Sinfonie Nr. 4 d-Moll

Intermezzo

22 Vorlaut – Eine Serie

von Alain Claude Sulzer

24 Casino-Geschichte(n), Teil 8

26 Annemarie Kappus und

Markus Forrer im Gespräch

Vorschau

29 Cube Session #11: Finding Florence

29 Promenade :

Frühlingsserenade

32 Agenda

Liebes Konzertpublikum

N eulich sagte eine hochgeschätzte Musiker-persönlichkeit den bedeutungsvollen Satz: «Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik».

Doch woran erkennt man schlechte Musik? Heute kann man kaum glauben, dass die Urauf-

führung von Beethovens Violinkonzert bei einigen Zeitgenossen für heftige Kritik sorgte. Man stellte damals fest, dass im Violinkonzert «der Zusammen-hang oft ganz zerrissen scheine und dass die unend-lichen Wiederholungen einiger gemeiner Stellen leicht ermüden». Beet hoven wurde empfohlen, «bes-sere» Musik zu komponieren. Vielleicht lag es ja da-ran, dass der Komponist erst am Tag der Urauffüh-rung dem Geiger Franz Clement die Solostimme in die Hand drückte und dieser ohne Probe das Werk zur Aufführung brachte. Ausserdem gab der Solist zwischen den Sätzen noch eigene Fantasien zum Besten in der festen Überzeugung, dass diese Beet-hovens Konzert aufwerten würden.

Auch im Falle von Robert Schumanns 4. Sinfonie hat man erst in jüngster Zeit deren Modernität und Schönheit entdeckt. Lange Zeit stand auch diese Mu-sik im Verruf, «schlecht» zu sein.

Keine Zweifel gibt es darüber, dass Isabelle Faust zu den grössten Geigerinnen unserer Zeit gehört. Wir sind sehr glücklich, dass wir sie für dieses Konzert ge-winnen konnten. Ganz besonders freuen wir uns auch auf das Basler Konzertdebüt von Ivor Bolton. Vor we-nigen Wochen hat der renommierte britische Dirigent und höchst erfolgreiche Spezialist der historischen Aufführungspraxis zusammen mit Vesselina Kasarova und unserem Orchester eine CD mit Werken von Ber-lioz aufgenommen, die in diesen Tagen erscheint.

Ich wünsche Ihnen bei der Lektüre unseres Pro-gramm-Magazins viel Vergnügen und freue mich auf Ihren Konzertbesuch.

Dr. Hans-Georg HofmannKünstlerische Planung, Dramaturgie und Vermittlung

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Sinfoniekonzert SOBMonumentum

Donnerstag, 30. april 2015

19.30 Uhr, Musiksaal des Stadtcasinos Basel18.45 Uhr: Einführung durch Roland Fleig

Ludwig van Beethoven (1770–1827)Konzert für Violine und Orchester D-Dur, op. 61 (1806)

1. Allegro ma non troppo2. Larghetto – attaca

3. Rondo (Allegro)

Pause

Igor Strawinsky (1882–1971)Monumentum pro Gesualdo di Venosa ad CD annum (1960)

1. Asciugate i begli occhi, Madrigal XIV aus den Madrigali a cinque voci, Libro quinto2. Ma tu, cagion di quella, Madrigal XVIII aus den Madrigali a cinque voci, Libro quinto

3. Beltà, poi che t'assenti, Madrigal II aus den Madrigali a cinque voci, Libro sesto

Robert Schumann (1810–1856)Sinfonie Nr. 4 d-Moll, op. 120 (1. Fassung 1841)

1. Andante con moto – Allegro di molto2. Romanza: Andante

3. Scherzo: Presto4. Largo – Finale: Allegro vivace

Konzertende ca. 21.45 Uhr

Sinfonieorchester BaselIsabelle Faust, ViolineIvor Bolton, Leitung

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Wie kamen Sie zum Geigenspiel? Stammen Sie aus einer musikalischen Familie?

Meine Mutter war Schulmusikerin und mein Vater ein begeisterter Hobbybratscher. Meine Mutter lernte als Hobby das Cellospiel für unser familiä-res Streichquartett. Einmal im Monat wurde mit dem Geigenlehrer meines Vaters Streichquartett gespielt. Die Kammermusik war schon sehr prä-sent bei uns zu Hause.

Waren Sie ein Wunderkind?Nein, eher ein musikalisch begabtes Kind, das das Glück hatte, das richtige Instrument in die Hand gedrückt zu bekommen. Die Geige hat mir von Anfang an sehr gut gelegen. Ich bin deshalb bei diesem Instrument geblieben. Ich würde gerne besser Klavier spielen können, aber die Geige stand von Anfang an im Zentrum. Ich wurde zu-erst sehr von der Kammermusik geprägt und ging dann später den Weg als Solistin weiter. Das hat sich alles sehr unspektakulär und schrittweise entwickelt, ohne dass ich die Schule hätte ver-nachlässigen müssen – ich war also kein Wunder-kind.

Zu Ihren Geigenlehrern gehörte lange Zeit Christoph Poppen. Was war das Besondere an ihm?

Christoph Poppen habe ich genau im richtigen Moment kennengelernt. Ich war sechzehn Jahre alt, also in einem Alter, wo man mit Begabung und

Hans-Georg Hofmann: Ihre Stradivari trägt den Bei­namen Dornröschen, weil sie lange als verschollen galt und nicht gespielt wurde. 1996 wurde sie Ihnen von der Lan­desbank Baden­Württemberg geliehen. Wie kam es dazu?

Ich spielte ursprünglich auf einer sehr schönen Guadagnini, die mir eine Stiftung zur Verfügung gestellt hatte. Allerdings musste ich jedes Jahr vorspielen, um sie behalten zu dürfen. Ein Be-kannter gab mir den Tipp mit Dornröschen, einer Stradivari aus dem Jahre 1704, die erst kurze Zeit vorher wiederentdeckt worden war. Hundertfünf-zig Jahre lag sie versteckt auf einem Dachboden.

Wie lange dauerte es, bis Dornröschen aus diesem langen Schlaf erwachte?

Das war schon Liebe auf den ersten Blick, als ich sie bei einem Geigenbauer zum ersten Mal in die Hand nahm und spielen durfte. Danach folgte al-lerdings eine längere Phase harter Arbeit, bis Dornröschen richtig aufwachte und ihre volle Schönheit zum Ausdruck bringen konnte.

Der Geiger Frank Peter Zimmermann musste seine Stradi­vari Lady Inchiquin zurückgeben, weil die Bank, der das Instrument gehört, die Geige verkaufen möchte. Müssen Sie auch besorgt sein?

Die ungeklärte Situation von Frank Peter Zimmer-manns Instrument ist beunruhigend. Meine Geige gehört allerdings einer Stiftung, die einen Kultur-auftrag hat.

Interview mit Isabelle Faust«In Bezug auf Beethovens Violinkonzert habe ich

keine Berührungsängste»

Isabelle Faust erzählt von ihrer Geige Dornröschen, der Zusammenarbeit mit Claudio Abbado und dem Kurort Badenweiler.

aufgezeichnet von Hans-Georg Hofmann

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Sie haben mit Claudio Abbado kurz vor dessen Tod Beet­hovens Violinkonzert, das wir auch in Basel hören werden, eingespielt. Was war das für eine Erfahrung für Sie?

Das war ein grosses Erlebnis. Beethovens Violin-konzert stand tatsächlich schon damals auf dem Programm, als wir zum ersten Mal zusammenge-arbeitet haben. Ich war zu Beginn sehr aufgeregt, ob wir wirklich die gleichen künstlerischen Auf-fassungen dieses Meisterwerks haben. Aber als die Orchestereinleitung mit dem Mahler Chamber Orchestra erklang, war ich sofort beruhigt, weil ich spürte, dass wir die gleichen Vorstellungen hatten. Ich konnte auf einen Zug aufspringen, von dem ich

purem Instinkt nicht mehr viel ausrichten kann. Er hat das sofort erkannt und mich intellektuell gefordert. Christoph Poppen fing an, bestimmte Gewohnheiten von mir zu hinterfragen und den Prozess des Nachdenkens über Musik in Bezug auf meine Interpretation zu fördern. Er zeigte mir, wo man sich Inspiration und Wissen holen kann.

Christoph Poppen macht inzwischen als Dirigent Karriere. Ist das für Sie auch eine Option für die Zukunft?

Man soll ja niemals nie sagen. Aber ich glaube, dass das Dirigieren nicht meiner Persönlichkeit entspricht.

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Was für eine Kadenz erwartet uns in Basel?Ich werde die Kadenz spielen, die Beethoven für die Klavierfassung seines Violinkonzerts ge-schrieben hat. Ich habe sie bearbeitet, für die Gei-ge spielbar gemacht und auch gekürzt. Auf der Aufnahme mit Claudio Abbado habe ich auch die-se Kadenz gespielt.

Wie ist Ihr Verhältnis zur Gegenwartsmusik?Sehr gut. Ich bekomme immer wieder Auftrags-werke, die für mich geschrieben wurden. Aller-dings muss ich aufpassen, dass ich mich nicht überfordere. Auftragskompositionen bedeuten einen grossen Zeitaufwand, und mein Kalender ist dicht gefüllt mit Konzerten. Gerade letzthin habe ich die Uraufführung dreier kleiner Stücke für Solo-Geige von Heinz Holliger gespielt. Als nächstes freue ich mich auf die Uraufführung ei-nes Violinkonzerts des tschechischen Komponis-ten Ondřej Adámek.

Sie sind Ehrengast von Badenweiler – was verbindet Sie mit dem Kurort?

Ich war früher häufig bei den Musiktagen im Römerbad bei Klaus Lauer. Das war einer der we-nigen wunderbaren Orte, wo man gewagte Pro-jekte zur Aufführung bringen konnte. Ich bin ihm immer treu geblieben und jetzt vom Bürgermeis-ter zum Ehrengast gekürt worden. Glücklicher-weise konnten wir den Bürgermeister überzeu-gen, die Musiktage weiterzuführen. Leider finden die Konzerte nicht mehr im Römerbad, sondern in der Stadthalle statt – aber es geht weiter. ●

wusste, dass er in die Richtung fuhr, in die ich auch wollte. Diese Begegnung war für mich ein unglaublicher Glücksfall, ich habe mich in seiner Interpretation sofort zuhause gefühlt. Ich gehe davon aus, dass es ihm auch so ging. Er hat mich immer wieder angefragt, und wir haben dann eben auch die Aufnahme zusammen eingespielt.

In Basel wird Ivor Bolton am Pult zu erleben sein, mit dem Sie auch schon mehrfach zusammengearbeitet haben. Er kommt aus der historischen Aufführungspraxis. Erwartet uns eine komplett andere Herangehensweise an Beetho­vens Violinkonzert als mit Abbado?

Ich habe dieses Konzert inzwischen mit so vielen unterschiedlichen Orchestern und Dirigenten ge-spielt, dass ich keine Berührungsängste mehr habe. Die historisch orientierte Richtung, aus der Ivor Bolton kommt, ist mir nicht unbekannt und liegt mir sehr. Die Begegnung mit Abbado baute auch auf meinen Erfahrungen mit der Alten Mu-sik auf. Abbado suchte bei Beethoven immer die Leichtigkeit, Eleganz und Grazie und weniger das romantische Pathos. Für mich ist Beethovens Violinkonzert immer eine erfrischende Erfahrung, um ein Orchester kennenzulernen. Das hat in die-sem Konzert auch einiges zu sagen. In Bezug auf das Violinkonzert habe ich die unterschiedlichs-ten Erfahrungen gesammelt.

Die Orchestereinleitung ist, ähnlich wie beim 3. Klavier­konzert, ziemlich lang – woran denken Sie in der Zeit, bis Sie den ersten Ton spielen dürfen?

Die Einleitung ist so schön, dass man mit Vergnü-gen zuhört.

Die Uraufführung war ja nicht unbedingt ein durchschla­gender Erfolg. Es gab auch heftige Kritiken. Was war der Grund?

Das Stück ist kein Feuerwerk für den Solisten, son-dern hat auch viele lyrische Momente. Der erste Satz ist in seiner monumentalen Länge ein Kon-zert für sich. Der Geiger der Uraufführung spielte dazu noch sein eigenes Show-Stück auf umge-kehrter Geige um das Publikum zu beeindrucken, was wiederum Beethoven sehr ärgerte.

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und Schwerfälligkeit und verhilft so der Musik zu einem neuen Leben.

Wir hören das beispielsweise auf der neuen Ber-lioz-CD des Sinfonieorchesters Basel Of Madness and Love mit der Mezzosopranistin Vesselina Kasarova, der Konzertmeisterin Soyoung Yoon und Ivor Bolton am Pult. Der Engländer denkt die Musik aus ihrer Zeit heraus, malt sie aufregend und so, dass wir das damals Neue, Verblüffende in dem genialen Früh-werk La Mort de Cléopatre, der Scène lyrique für Sopran und Orchester, entdecken. Dank der Naturhörner, -trompeten und -posaunen entfaltet das Blech gera-de in der Arie der sich selbst tötenden Cleopatra ei-nen dunklen, bedrohlichen Klang, der so mit mo-dernen Instrumenten nicht erreicht werden kann. Das packt und geht unter die Haut. Das Orchester und eine grossartige Vesselina Kasarova schaffen unter Boltons Leitung ein wahres Schauerstück. Hier wird Musik nicht klangschön gespielt, sie wird plastisch erzählt.

Musik für uns lebendig zu machen, das ist die Idee der historisch informierten Aufführungspraxis, die Bolton so geprägt hat. Das gilt für den Barock

D er junge Ivor Bolton stand vor der Ent-scheidung, Mathematik oder Musik zu studieren. Glücklicherweise wählte er die

Musik. Er stürzte sich an der University of Cam-bridge also nicht in die Wissenschaft der Zahlen son-dern studierte Partituren und beschäftigte sich mit Intervallen, Harmonien und mit dem, was Musik uns erzählt. Am Royal College of Music und an der Scho-la Cantorum von Oxford studierte er Dirigieren und Cembalo – entdeckte seine Begeisterung für die Alte Musik und den Rückgriff auf die Quellen. Danach widmete er sich dem Theaterleben und lernte als Korrepetitor am National Opera Studio. Bolton ist nicht nur ein begnadeter Dirigent, er ist auch ein passionierter Theatermensch.

Der heute 56-jährige Engländer hat sich als aus-gewiesener Kenner der historisch informierten Auf-führungspraxis aber nicht nur auf Barock und Klas-sik spezialisiert. Sein historisch informierter Ansatz wirkt sich auch fruchtbar auf Interpretationen ro-mantischer und spätromantischer Musik oder auch von Stücken des 20. Jahrhunderts aus. Bolton gestal-tet romantische Werke jenseits jeglicher Behäbigkeit

Ivor BoltonGenauer Musik-Denker

und Genussmenschvon Christian Fluri

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ebenso wie für Benjamin Britten, den bedeutenden englischen Komponisten der klassizistischen Mo-derne, für Robert Schumann, dessen 4. Sinfonie Bolton in Basel dirigiert, und auch für Anton Bruck-ner. Dabei spielt es keine Rolle, ob Bolton ein Orches-ter mit historischen Instrumenten oder eines mit modernen Instrumenten dirigiert.

Bolton ist ein Dirigent, der ganz in der Musik auf-geht. Das zeigen Proben mit dem Mozarteum Or-chester Salzburg, das er seit 2004 und noch bis zur Saison 2015/16 als Chefdirigent leitet. Das Verhältnis zwischen den Musikerinnen und Musikern und ihrem Chefdirigenten ist schon fast familiär. Den-noch: Bolton verlangt dem Orchester alles ab – auch wenn er es auf eine sehr höfliche, menschliche, aber bestimmte Weise tut. Und die Musiker folgen ihm aufmerksam und begeistert. Beginnt die Musik unter seinen Händen zu leben, lächelt er, seine Augen strahlen, er wirkt beglückt. «Man muss die Musik über die Musiker zum Leben erwecken», sagt Bolton in einem Fernsehinterview in Salzburg. Das Lob für die hohe Qualität seiner zahlreichen CD-Einspielun-gen und der Konzerte gibt er an das Orchester wei-ter. Verantwortlich dafür sei sein herausragendes Spiel. «Natürlich nehme ich grossen Einfluss», sagt der Dirigent schon fast bescheiden und bezeichnet sich als «Primus inter Pares.»

Man spürt förmlich, da lebt einer die Musik. «Nach meiner Frau und meinem Sohn ist die Musik das Zentrum meines Lebens», merkt er an. Und er-wähnt nebenbei, dass er zudem ein gutes Essen sehr schätze und sich für Fussball begeistere. So gibt er sich ganz als der geniessende Gentleman.

International bekannt wurde Bolton zuerst als Operndirigent. Der Theatermensch lässt sich gern auf ungewohnte, spannende Regieansätze ein. Er entdeckte für die Bayerische Staatsoper in München die Werke Georg Friedrich Händels, Claudio Monte-verdis und anderer Barockkomponisten. Und er setzt sich weltweit für Brittens Opern ein. Zum Dank für seine Opernarbeit wurde er 1998 mit dem renom-mierten Bayerischen Theaterpreis geehrt. Längst ist er ein gefragter Mann an allen grossen Opernhäu-sern und zum Beispiel auch an den Salzburger Fest-spielen. Ab September 2015 wird er als Musikdirektor am Teatro Real in Madrid wirken. ●

ab dem 13. April 2015 im Fachhandel erhältlich

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A ls Franz Clement, der 26-jährige Konzert-meister und Orchesterdirektor des Thea-ters an der Wien, am 23. Dezember 1806

Beethovens Violinkonzert uraufführte, war dieses Werk so kurzfristig vollendet und buchstäblich in letzter Minute fertiggestellt worden, dass Clement nicht einmal mehr die Zeit zu einer Probe blieb und er sich gezwungen sah, den anspruchsvollen Solo-part vom Blatt zu spielen! Aber der Wiener Geiger (1780–1842) galt als einer der überragenden Virtuo-sen seiner Epoche: Bereits als siebenjähriges Wun-derkind hatte er dem staunenden Publikum seine frühreifen Künste auf der Diminutiv-Geige demons-triert. In den Jahren danach war er in Begleitung sei-nes Vaters durch Europa gereist, hatte in London gemeinsam mit Joseph Haydn musiziert und sich in Windsor vor dem britischen König hören lassen. Beethoven lernte ihn 1794 in Wien kennen, und er verewigte sich damals in Clements Stammbuch mit den Worten: «Wandle fort den Weg, den Du bisher so schön, so herrlich betreten. Natur und Kunst wett-eifern, Dich zu einem der grössten Künstler zu ma-chen. Folge beyden, und Du darfst nicht fürchten das grosse – grösste Ziel zu erreichen, das dem Künstler hienieden möglich ist.» Am 7. April 1805 dirigierte Beethoven die offizielle Uraufführung seiner 3. Sinfo-nie, der Eroica, als Gast einer Akademie, die Franz Clement im Theater an der Wien bestritt. Am Ende des folgenden Jahres liess sich der gefeierte Geiger dann am selben Ort auf das Wagnis ein, das für ihn geschriebene und ihm gleichwohl bis zum Augen-blick des Auftritts vollständig unbekannte Violin-konzert D-Dur, op. 61, von Beethoven aus der Taufe

zu heben. Im Autograph seines – sieht man von ei-nem fragmentarischen Kopfsatz aus Bonner Jugend-tagen ab – einzigen Konzerts für die Violine vermerk-te Beethoven die mit einem Wortspiel formulierte Widmung: «par Clemenza pour Clement primo Vio-lino / e direttore al theatro a vienna / Dal L V Bthvn / 1806» («aus Milde für Clement …»).

Ludwig van Beethoven: Konzert für Violine und Orchester D-Dur

Im Innersten der Weltvon Wolfgang Stähr

KoNzert für VIolINe uNd orcheSter d-dur, oP. 61Besetzung: Solovioline, Flöte, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, Pauken, Streicher

Entstehung: Vorbereitungen im September und Oktober 1806, Niederschrift des Autographs im November, die zweite Fassung des Soloparts entstand im Sommer 1807

Widmung: Das Partiturautograph ist mit einem Wortspiel Franz Clement, dem Solisten der Uraufführung, zugeeignet. Die 1808 erschienene Originalausgabe widmete Beethoven einem Bonner Jugendfreund, dem Juristen Stephan von Breuning.

Uraufführung: 23. Dezember 1806, Wien (Violine: Franz Clement)

Dauer: ca. 40 Minuten

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Ludwig van Beethoven (Ausschnitt aus einem Gemälde von Josef Mähler, 1804)

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überhäufter Ideen und einen fortwährenden Tumult einiger Instrumente, die den Eingang charakterisie-ren sollten, zu Boden gedrückt, nur mit einem unan-genehmen Gefühl der Ermattung das Koncert verlas-se.» Es steht uns nicht zu, diese Zeilen aus dem Abstand von über zweihundert Jahren mit überlege-nem Lächeln zu betrachten, als hätten wir den histo-rischen Ausnahmerang des Beethoven’schen Violin-konzerts auf Anhieb erkannt. Rückwärtsgewandte Prophetie ist keine Kunst! Immerhin mussten nach der Uraufführung im Dezember 1806 noch fast vier-zig Jahre ins Land gehen, ehe sich Beethovens Opus 61 – dank der kongenialen Interpretation des jungen Joseph Joachim – im Repertoire durchsetzen konnte.

Sinfonie mit obligater Violine

In Anlehnung an E.T.A. Hoffmann liesse sich Beet-hovens D-Dur-Konzert als ‹ Sinfonie mit obligater Violine› bezeichnen. Die völlige Integration des Solis-ten in das kompositorische Gesamtgefüge, der Ver-zicht – nicht auf Virtuosität, wohl aber auf virtuose Zurschaustellung mag ein Grund für die auffallend langlebige Reserviertheit der Kenner, Kritiker und Musiker gegenüber diesem Werk gewesen sein. In der Wiener Theater­Zeitung aber wurde ausdrücklich die «Menge unzusammenhängender und überhäufter Ideen» beanstandet. Zieht man den Tonfall vorwurfs-voller Belehrung ab, trifft diese Aussage im Kern durchaus etwas Wahres. Denn tatsächlich durch-bricht Beethoven im einleitenden Allegro ma non trop­po seines Violinkonzerts den gewohnten Themendu-alismus des Sonatenhauptsatzes. Nicht weniger als fünf thematische Gedanken lösen einander in der Orchester-Exposition ab, und dass Beethoven ihre Reihenfolge in der anschliessenden Solo-Exposition und in der Reprise zum Teil kaleidoskopartig ver-tauscht, dürfte nicht nur den zitierten Kritiker in Ver-wirrung gestürzt haben. Überdies verschleiert Beet-hoven den Eintritt in die Durchführung; und diese selbst unterläuft die herkömmliche Erwartung an ei-nen aktiven, vorwärtsdrängenden Verwandlungspro-zess und öffnet sich stattdessen einer eigentümlich statischen, passiven, bis an den Rand des Stillstands

Schöne Stellen

Franz Clement scheint das riskante Unternehmen der unvorbereiteten Uraufführung gemeistert zu ha-ben. Die Leipziger Allgemeine musikalische Zeitung lob-te jedenfalls die «Eleganz und Zierlichkeit» seines Vortrags. Ausführlicher und detailfreudiger äusserte sich der Rezensent der Wiener Theater­Zeitung: «Der vortreffliche Violinspieler Klement spielte unter an-dern vorzüglichen Stücken auch ein Violinconzert von Beethhofen, das seiner Originalität und mannig-faltigen schönen Stellen wegen mit ausnehmendem Beyfall aufgenommen wurde. Man empfieng beson-ders Klements bewährte Kunst und Anmuth, seine Stärke und Sicherheit auf der Violin, die sein Sclave ist, mit lärmendem Bravo.» Demnach galt der Jubel wohl eher dem Virtuosen Clement als dem Kompo-nisten Beethoven. Wenn der Kritiker jedoch von dem «ausnehmenden Beyfall» für die «mannigfaltigen schönen Stellen» der Komposition spricht, dürfen wir dies durchaus wörtlich nehmen, denn damals waren die Hörer noch längst nicht so zurückhaltend, erst am Ende einer Darbietung zu applaudieren. Es wurde auch zwischen den Sätzen geklatscht, ja selbst während der Musik konnte Beifall aufbranden und der eine oder andere Bravoruf laut werden – ein für unsere heutige Gewohnheit störendes, allerdings höchst spontanes Publikumsverhalten.

Fortwährender Tumult

Dem Rezensenten der Wiener Theater­Zeitung aber waren «schöne Stellen» für ein bedeutendes Kunst-werk zu wenig. Er berief sich auf das «Urtheil von Kennern», als er bedauerte, dass in Beethovens Kon-zert «der Zusammenhang oft ganz zerrissen scheine und dass die unendlichen Wiederholungen einiger gemeiner Stellen leicht ermüden könnten. […] Man fürchtet aber zugleich, wenn Beethhofen auf diesen Weg fortwandelt, so werden er und das Publikum übel dabey fahren. Die Musik könne sobald dahin kommen, dass jeder, der nicht genau mit den Regeln und Schwierigkeiten der Kunst vertraut ist, schlech-terdings gar keinen Genuss bey ihr finde, sondern durch eine Menge unzusammenhängender und

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der Ideen – so nachvollziehbar er aus der Sicht eines Zeitgenossen Ludwig van Beethovens auch erschei-nen mag – hält einer Überprüfung folglich nicht stand. In Hinblick auf den langsamen Satz, das Lar­ghetto, mit seinen ebenso schlichten wie anrühren-den Kantilenen, und das Finale, ein Rondo wie aus dem Lehrbuch, ergäbe dieser Vorwurf ohnehin kei-nen Sinn.

Der «vermischte Geschmack»

Beethovens Affinität zur französischen Revolutions-musik, für die Namen wie Cherubini, Gossec oder Méhul stehen, ist oft und eingehend erörtert worden. Sein D-Dur-Konzert zeigt nun, dass Beethoven auch die französische Violinmusik genauestens studiert und als modellhaft und fortschrittlich anerkannt hatte: namentlich die Konzerte von Giovanni Battis-ta Viotti, dem Gründervater der modernen französi-schen Violinschule, von Rodolphe Kreutzer (dem Beethoven seine A-Dur-Violinsonate op. 47 widme-te) und Pierre Rode (für den er seine G-Dur-Sonate op. 96 schuf). Auch in Beethovens Opus 61 verrät der Kopfsatz (wie in vielen Konzerten Viottis) Züge ei-nes stilisierten Marsches, das Larghetto ist dem fran-zösischen Romanzentypus verpflichtet, und das Fi-nale nähert sich den in Frankreich populären Jagdstücken an. Aber vor allem die Behandlung des Soloparts verweist in manchen Details – etwa der Umspielung einer Melodie in Triolen, der um eine oder zwei Oktaven versetzten Wiederholung eines Themas, den Trillerketten am Ende eines solisti-schen Abschnitts – auf die französischen Vorbilder. Wussten es nicht schon die Theoretiker des 18. Jahr-hunderts? Der «vermischte Geschmack» ist der wahrhaft «deutsche». ●

treibenden Musik. Von der reichen Vielfalt der the-matischen Gestalten macht Beethoven in dieser Durchführung fast keinen Gebrauch.

Die innere Einheit

Trotz alledem lässt sich der Vorwurf der Zusammen-hanglosigkeit, den der Rezensent der Wiener Theater­Zeitung und andere Kenner erhoben, nicht aufrecht-erhalten. «Wie ist es aber, wenn nur Eurem schwachen Blick der innere tiefe Zusammenhang jeder Beet-hovenschen Komposition entgeht?», müssen wir mit E.T.A. Hoffmann fragen. «Ästhetische Messkünstler haben oft im Shakespeare über gänzlichen Mangel innerer Einheit und inneren Zusammenhanges ge-klagt, indem dem tieferen Blick ein schöner Baum, Blätter, Blüten und Früchte aus einem Keim treibend, erwächst; so entfaltet sich auch nur durch ein sehr tiefes Eingehen in Beethovens Instrumental-Musik die hohe Besonnenheit, welche vom wahren Genie unzertrennlich ist und von dem Studium der Kunst genährt wird.» Der Einleitungssatz des Violinkon-zerts bildet da keine Ausnahme. Auch dieser blüten-reiche Baum erwächst aus einem musikalischen Keim, den Beethoven sogleich in den ersten beiden Takten offenlegt: fünf Schläge der Pauke, ein elemen-tares rhythmisches Motiv, jenseits von Melodie und Harmonie, wie es sich unspektakulärer nicht denken liesse. Und doch ist es jenes scheinbar so nichtssa-gende Grundmotiv, das den Zusammenhang des Sat-zes stiftet, das Beethovens «Welt im Innersten zusam-menhält». Und das nicht nur, weil diese rhythmische Formel fast allgegenwärtig ist, sondern auch, weil sie als Impuls in den melodischen Hauptgedanken fort-wirkt: Man höre unter diesem Aspekt beispielsweise den dritten Takt des ersten Themas! Der Einwand gegen die Vielzahl angeblich unzusammenhängen-

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esse befeuert hatte, dessen Gesualdo-Begeisterung 1958 in eine Schallplatteneinspielung mit einer Aus-wahl von Madrigals and Sacred Music mündete, darun-ter das 1957 von Strawinsky vervollständigte Illumina nos. Trotz der auf einem erhaltenen Widmungsex-emplar des Monumentum pro Gesualdo notierten Danksagung – «To Bob, who forced me to do it, and I did it» – wies Craft jedoch eine Verantwortung für dessen Entstehung zurück. Auch George Balanchine, der bereits knapp zwei Monate nach der Urauffüh-rung des Monumentum (Venedig, 27. September 1960, unter Strawinskys Leitung) eine Choreographie der drei Sätze mit dem New York City Ballet präsentierte, hatte keinen Auftrag erteilt. Er hatte auf die fertige Partitur zurückgegriffen, da sie ausgezeichnet in den Italien-Schwerpunkt seines Ballettprogramms passte.

So verdanken sich die Instrumentierungen der Gesualdo’schen Madrigale wohl in erster Linie Stra-winskys anhaltendem musikalischen Interesse an dessen Satzkunst, das sich 1956 und 1959 auch in Pil-gerreisen nach Gesualdo manifestierte, dem namens-gleichen Rückzugsort des tragischen, mit dem Mord an seiner Gattin belasteten Italieners, und das von intensiver Lektüre zu dessen Leben und Wirken begleitet wurde. Vor allem die späten Madrigale, in denen die Grenzen des harmonischen Spielraums zuweilen durch kunstvoll vorangetriebene Chro mati-

S trawinskys Interesse an der Musik des Renaissance-Komponisten Carlo Gesualdo (ca. 1560–1613) fand in den späten 1950er-

Jahren in mehreren Bearbeitungen Niederschlag. Nach der 1957–1959 realisierten Ergänzung und Be-arbeitung dreier Sacrae cantiones erschien 1960 das dreiteilige Monumentum pro Gesualdo, mit Instrumen-tierungen von Stücken aus den Madrigalbüchern V und VI ( beide 1611). Es mag sein, dass der Strawinsky-Mitarbeiter und -Vertraute Robert Craft dieses Inter-

Igor Strawinsky: Monumentum pro Gesualdo di Venosa ad CD annum

Überraschend moderne Klangwelten eines jahrhundertealten Tonsatzes

von Matthias Kassel, Paul Sacher Stiftung

MoNuMeNtuM Pro GeSualdo dI VeNoSa ad cd aNNuMBesetzung: 2 Oboen, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Streicher ohne Kontrabässe

Entstehung: Hollywood 1960

Uraufführung: 27. September 1960, Biennale Venedig

Dauer: ca. 7 Minuten

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reichten die Eingriffe des Bearbeiters um einiges wei-ter als bei den Sacrae cantiones, wo es in erster Linie um die Ergänzung nicht überlieferter Stimmen ging; doch liess Strawinsky das Gefüge der Vorlagen auch hier im Grossen und Ganzen unangetastet. Es sind zurückhaltend, aber zielgenau gesetzte Details, die eine erstaunliche Wirkung entfalten und aus einem jahrhundertealten Tonsatz überraschend moderne Klangwelten hervorzaubern. Als satztechnische Fi-nessen von Strawinskys Hand finden sich Einschübe von Wiederholungstakten und kleineren Erweiterun-gen, insbesondere in der ersten Hälfte des ersten Stücks; auch arbeitete er mit Stimmvertauschungen, harmonischen Doppelungen und dissonanzver-schärfenden Durchgangsnoten. Entscheidend war jedoch Strawinskys Instrumentierung, die den ur-sprünglich vokalen Satz mit modernen Farben über-malte. Im ersten Stück gelang dies insbesondere durch die auffallende, nur gelegentlich von Holzblä-sern modulierte Gegenüberstellung des viergeteilten

sierung der Gesangsstimmen unter Druck geraten – damals als Komplizierung einer überholten Satz-kunst und nicht als fortschrittlich beurteilt –, hatten es Strawinsky wohl angetan. Nicht ohne Eigennutz, denn auch im eigenen Schaffen beschäftigte er sich in jener Zeit ausführlich mit Vokalmusik: Die Cantata war im November 1952 in Los Angeles uraufgeführt worden, Canticum Sacrum war erstmals im September 1956 in Venedig zu hören, wo zwei Jahre später auch die Uraufführung von Threni stattfand. Und die im Anschluss an die Gesualdo-Studien für Paul Sacher entstandene Kantate A Sermon, A Narrative, and a Prayer (UA in Basel am 23. Februar 1962 mit dem Bas-ler Kammerorchester unter Sachers Leitung) zählt ebenso zu diesem Werkkomplex wie die im Juni 1962 erstmals ausgestrahlte Fernsehkantate The Flood.

Naturgemäss behält die musikalische Struktur der drei dem Monumentum zugrunde gelegten Madrigale, im Unterschied zu Strawinskys eigenen Kompositio-nen, unverkennbar die fremde Handschrift. Zwar

Igor Strawinsky, Monumentum pro Gesualdo di Venosa ad CD annum (1960), Particell zu Nr. II

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sitz der Library of Congress Washington), die als Vor-lage für die noch im Bearbeitungsjahr 1960 erschie-nene Druckausgabe diente.

Hier zeigt sich das eigentlich Bedeutsame an Strawinskys Bearbeitung: Der ursprüngliche Vokal-satz wurde mithilfe instrumentaler Klangfarben so umgedeutet und umstrukturiert, dass vor allem im Hörerlebnis eine Neuinterpretation der Vorlage an die Oberfläche tritt. Während der Tonsatz nur gele-gentlich angetastet wurde, fasste Strawinsky die drei unverbundenen Madrigale insbesondere auf der klanglichen Ebene mithilfe der Instrumentenzuwei-sungen in einen neuen Rahmen. «Recomposed for instruments» notierte Strawinsky als Erläuterung über die Partitur des Monumentum und ersetzte die Madrigaltitel durch eine neutrale Satznummerie-rung in römischen Ziffern – äusseres Zeichen einer nun als Ganzes erlebbaren Form. ●

Streichersatzes und der vierstimmig besetzten Hör-ner; kontrastierend dazu wirkt das zweite Stück, des-sen Wechsel zwischen triumphaler Geste und Stim-menverflechtung unter völligem Verzicht auf die Streichersektion absolviert wird; im Schlussstück kehren all diese Klangmodi wieder und führen, bei dosiertem Einsatz nun aller Instumentalfarben, zu einer Art klanglicher Synthese des Vorangehenden.

Anhand der erhaltenen Arbeitsdokumente lässt sich dies nachvollziehen. Bereits die eigenhändige Abschrift, die wohl auf den Bänden der Leipziger Gesualdo-Ausgabe beruhte, zeigt erste Hinweise auf Instrumentierungsideen. Nach einigen kleineren Skizzen fertigte Strawinsky ein Particell der drei Sätze an, das sämtliche Modifikationen des Tonsatzes und die ausgeführte Instrumentierung in konzentrierter Notation zeigt (siehe Abbildung). Von hier aus wurde direkt eine Partiturreinschrift erstellt (heute im Be-

Impressum

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Geschäftsleitung : Franziskus Theurillat Künstlerische Planung, Dramaturgie und Vermittlung : Dr. Hans-Georg Hofmann Konzeption und Redaktion Programm-Magazin : Simone Staehelin Korrektorat: Ulrich Hechtfischer Gestaltung : Neeser & Müller, Basel Druck : Schwabe AG, Basel/Muttenz Auflage : 5500 Exemplare

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SINfoNIe Nr. 4 d-Moll, oP. 120Besetzung: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Pauken, Streicher

Entstehung: 1841

Uraufführung: 6. Dezember 1841, Leipzig (Gewandhausorchester, Leitung: Ferdinand David)

Dauer: ca. 30 Minuten

S chuberts C-Dur-Sinfonie und Clara Wieck sind zwei wichtige Momente bei der Entste-hung von Schumanns 4. Sinfonie. «Ich war

ganz glücklich», schrieb er Clara im März 1839 nach einem Probenbesuch für die Uraufführung eben je-ner Schubert-Sinfonie durch Mendelssohn, die er massgeblich betrieben hatte, «und wünschte nichts, als Du wärest meine Frau und ich könnte solche Sin-fonien schreiben».

Am 12. September 1840 heirateten sie. Und das darauffolgende Jahr, ging nicht zufällig als das ‹sin-fonische Jahr› in Schumanns Biografie ein. In diesem Jahr entstand rund die Hälfte seines sinfonischen Werks, angefangen mit dem Versuch einer Sinfonie in c-Moll; danach schrieb er die überaus erfolgreiche Frühlingssinfonie, dann Ouvertüre, Scherzo und Finale, op. 52, sowie die Phantasie für Klavier und Orchester (später der erste Satz im Klavierkonzert, op. 54) und schliesslich die d-Moll-Sinfonie, op. 120. In einem fulminanten Schaffensrausch war Schumann ins sinfonische Fach gewechselt.

Schumann begann die Arbeit an der Sinfonie Ende Mai, am 7. Juni machte er sich an ihre Instrumentie-rung, ohne mit der Skizze schon ganz fertig gewesen zu sein. Am 9. September war die Arbeit dann weitest-gehend abgeschlossen: «Früh. d. Symphonie vollendet geschrieben»; im September und Oktober folgten noch abschliessende Feinarbeiten mit der «Feile»– wie er sich ausdrückte. Das wichtigste Datum freilich in diesem Prozess war der Geburtstag seiner Frau am 13. September: «Die d-Moll-Symphonie, die ich im stil-len fertig gemacht zu Claras Ge burtstag.»

Die Uraufführung am 6. Dezember 1841 im Leip-ziger Gewandhaus unter Leitung von Ferdinand

David, bei der auch Ouvertüre, Scherzo und Finale, op. 52, erstmals zur öffentlichen Aufführung kam, galt als nicht gelungen. Allein an der Kühnheit der Sinfonie, konnte es nicht gelegen haben. «Es war eigentlich zu viel auf einmal – glaube ich – und dann fehlte Men-delssohn als Dirigent», befand Robert Schumann. Clara gab äusseren Umstanden – «manch kleine Fatalitäten» – die Schuld. Tatsächlich war sie am mässigen Erfolg der Sinfonie an diesem Abend nicht ganz unschuldig, indirekt allerdings, denn ihr ge-meinsamer Auftritt mit dem grossen Franz Liszt an zwei Klavieren war der eigentliche glanzvolle Höhe-punkt des Konzerts. Dieser Start war kein gutes Omen; Schumann brachte die Sinfonie weder im Dezember 1841 beim Verlag Breitkopf & Härtel unter noch im Oktober 1842 bei C.F. Peters.

Danach liess er sie liegen, bis er sich Ende 1851 zu einer «Reinstrumentation d. alten 2ten Symphonie» entschloss , die er vom 12. bis 19. Dezember ausführte, wahrscheinlich ermutigt durch den Erfolg mit der 3. Sinfonie, der Rheinischen. Die folgende alte/neue

Robert Schumann : Sinfonie Nr. 4 d-Moll«Im stillen fertig gemacht zu

Claras Geburtstag»von Hans-Peter Graf

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Robert Schumann (Litographie von Josef Kriehuber, Wien 1839)

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Sinfonie ging 1853/54 als Nr. 4 in Druck. Die Numme-rierung und die hohe Opuszahl 120 täuschen, denn was hier veröffentlicht wurde, war im Kern die 2. Sin-fonie von 1841, wenn auch in einer stark überarbei-teten Instrumentierung.

Während der Umarbeitungsphase hatte Schu-mann die Bezeichnung Symphonische Phantasie ver-wendet und wieder verworfen. Offensichtlich fürch-tete er ein Zuviel an Fantasie. Aber dass es sich nicht um ein klassisches Stück ihrer Gattung handeln würde, darauf verwies schon der vollständige Titel: Symphonie / Nr. IV.D­moll / Introduktion, Allegro, Romanze, Scherzo und Finale / in einem Satz / für / grosses Orchester. Als Sinfonie in einem Satz (ohne Pause) brach Schu-mann mit der üblichen Behandlung der Formen. So ist diese Sinfonie charakteristisch in ihren formalen Verrückungen und Verkürzungen. Mit Ausnahme des Finalsatzes hat keiner der Sätze einen auskom-ponierten Schluss; was in dieser offenen Form an einer Stelle fehlt (z.B. die Reprise im Kopfsatz),

taucht an anderer Stelle der Sinfonie – oft überra-schend – über die Satzgrenzen hinweg wieder auf. Alle Sätze sind untereinander mit einem melodisch-thematischen Netz verbunden. Aufgehängt ist dieses Beziehungsnetz in der Introduktion, die deshalb nicht grundlos als eigenständiger und vom Kopfsatz separierter Formteil genannt ist: Hier sind die wich-tigsten Motive der Sinfonie vorgestellt.

Das Überleben der 1. Fassung von 1841 entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Ausgerechnet diese Fas-sung, das Geburtstagsgeschenk 1841, mochte Clara als Herausgeberin nicht in Robert Schumanns Werke (1891–1893) aufgenommen wissen. Sie akzeptierte nur die 2. Fassung von 1851. Wohingegen ihr Co-He-rausgeber Johannes Brahms für die 1. Fassung plä-dierte – und die Partitur mithilfe von Franz Wüllner als Anhang in diese erste Schumann Gesamtausgabe (Serie I, No. 4a) einschmuggelte. Es dauerte lange, bis Clara Schumann dem Freund Brahms diese Intrige verziehen hatte. ●

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Vorlaut – Eine SerieHabaneravon Alain Claude Sulzer

Geiger (und Geigerinnen) sind mutige Menschen. Der Mann, der sich nicht scheute, Mendelssohns e-moll-Violinkonzert zum ersten Mal in London aufzu-führen, fürchtete auch keine unberechenbaren Ein-geborenen. Was allerdings geschehen wäre, wenn es Sivori ausser an Kühnheit und Cleverness auch an Menschenkenntnis gefehlt hätte, möchten wir uns lieber nicht vorstellen; der damals zweiunddreissig-jährige Genuese, den Paganini als seinen einzigen Schüler anerkannte, wäre aufgrund eines gewaltsa-men frühen Todes der Vergessenheit noch schneller anheimgefallen als es später ohnehin der Fall war. So aber fand der Freund Verdis und Liszts den Tod nicht als junger Mann in einem panamaischen Flussbett, sondern im Alter von achtzig Jahren in Genua.

Dass ihn nicht sein betörendes Geigenspiel, son-dern die Aussicht auf die betäubende Wirkung des Tabaks gerettet hatte, mit dem die «Neger» offenbar vertrauter waren als mit den «Variations sur un thème du Pirate (Bellini)», die aus Sivoris Feder stammten, lässt darauf schliessen, dass die Geige in den Tropen

– zumal auf dem schmalen Landweg zwischen den beiden Amerika – zu jener Zeit noch wenig bekannt war. Dass Streichinstrumente nicht zum traditionel-len Instrumentarium gehörten, hatte seinen Grund sicher darin, dass ihnen die hohe Luftfeuchtigkeit

I m Jahr 1846 geriet der berühmte Geiger Ernes-to Camillo Sivori während seiner ausgedehn-ten Konzertreise von Nord- nach Südamerika

in grösste Bedrängnis. Es passierte, als er auf dem Isthmus von Panama in einem von vier Einheimi-schen gelenkten Boot einen Fluss überqueren muss-te. Um sich die Strapazen der Reise zu versüssen, wie es im Conteur Vaudois vom 12. Dezember 1874 heisst, der sich wiederum auf eine Marseiller Zei-tung beruft, «vielleicht aber auch, um zu sehen, ob die Neger für die Musik empfänglich waren, nahm er seine Violine und begann, die brillantesten Vari-ationen zu spielen. Die vier Dunkelhäutigen hörten augenblicklich zu rudern auf und begannen vor Ver-gnügen zu schreien. Doch plötzlich glaubten sie es mit einem Zauberer zu tun zu haben und nahmen eine bedrohliche Haltung an. Ihre Bewegungen lie-ssen keinen Zweifel daran, dass sie vorhatten, den Musiker in den Fluss zu werfen.

Sivori erkennt die Gefahr: Er legt die Violine in den Geigenkasten zurück und wühlt mit vollen Hän-den in einer Kiste voller kubanischer Zigarren, die er immer bei sich hat. Grosszügig verteilt er die Zigar-ren unter den vier Negern, die – von so viel Freige-bigkeit überwältigt – ruhig weiter rudern. Dies ge-schah 1846.»

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Der Isthmus von Panama auf der Höhe des Chagres River (Gemälde von Charles Christian Nahl, 1850)

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von rund 80 % im Sommer mindesten so unzuträglich war wie zu grosse Trockenheit, die zu Rissen am Gei-genkörper führen kann. Dass der Leim dem feuchten Klima nicht standhalten würde, wusste natürlich auch Sivori, der deshalb vermutlich mit einer für tropische Verhältnisse verdübelten Geige reiste. An-dernfalls hätte er damit rechnen müssen, dass sich sein Instrument – er besass unter anderem eine Ber-gonzi, eine Amati und Vuillaumes identischen Nach-bau von Paganinis Canone – unter seinen flinken Fingern bald in seine wertvollen, aber unbrauchba-ren Einzelteile auflöste.

Es hätte eines auf 50 % Luftfeuchtigkeit einge-stellten Humidors bedurft, um der Violine – jeden-falls für die Zeit, in der sie darin ruhte – eine ideale Umgebung zu verschaffen. Ein Humidor war für die Zigarren, die er bei sich führte, nicht nötig, denn de-ren ideale Lagerung verlangt Luftfeuchtigkeit von 70 %. Doch gleichgültig, wie sachgerecht diese gela-gert wurden, auf ihre Wirkung konnte sich Sivori zu 100 % verlassen. So brachten ihn nicht die Klänge seiner Geige, sondern die Havannas, die ja von vielen nicht weniger geschätzt werden als eine Stradivari, ans rettende Ufer. ●

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Archiv. «Die neue Bemalung ist von ausserordentli-cher Wirkung; sie gibt dem Saal die Atmosphäre einer extravertierten Festlichkeit, die für Basler Ver-hältnisse einzigartig ist», schrieb Peter Hagmann im Basler Stadtbuch 1989.

Aus Rücksicht auf die viel gepriesene Akustik des Musiksaals verzichtete man damals auf den Einbau einer Klimatisierung. Schliesslich galt der Saal als einer der besten der Erde – der amerikanische Akus-tiker und Architekt Leo L. Beranek zählte ihn in sei-nem Buch Music, Acoustic, Architecture zu den vier weltbesten Konzertsälen (neben dem Wiener Musik-vereinssaal, dem Amsterdamer Concertgebouw und der Symphony Hall in Boston). Da war äusserste Be-hutsamkeit bei der Renovation angebracht.

Aber nicht alle teilten die Begeisterung vieler Bas-ler über den ‹neuen› Saal, und nicht alle Experten wa-ren der Meinung, dass man bei der Renovation mit genügender Sorgfalt vorgegangen war. Messungen der Nachhallzeiten im Musiksaal ergaben nämlich eine Veränderung gegenüber dem Zustand vor der Renovation. Die tiefen Frequenzen, etwa die Kontra-bässe, hallten etwas kürzer nach und klangen leicht stumpfer, während die Nachhallzeiten im hohen Fre-quenzbereich (etwa bei einer Piccolo-Flöte) etwas län-ger waren. Während der durchschnittliche Konzert-besucher von diesen Veränderungen kaum etwas bemerkte, schlug der Radio-Tonmeister und Akusti-ker Jürg Jecklin Alarm. Der Saal sei durch die Verände-rungen «kaputtrenoviert» worden, und ein akusti-sches Kulturdenkmal sei «irreparabel zerstört»

K ürzlich krachte im Musiksaal des Basler Stadtcasinos unmittelbar vor mir ein Stuhl zusammen, weil sich ein Konzert-

besucher in seiner Vorfreude auf das Konzert etwas zu heftig darauf niederliess. Glücklicherweise ver-letzte er sich dabei nicht und fand bald einen ande-ren Sitzplatz. Mir aber schoss blitzartig die Erinne-rung an die alte Bestuhlung dieses Prachtsaals durch den Kopf. Bis Ende der Achtzigerjahre waren Holz-stühle im Saal aufgestellt, die einen Vorteil und zwei Nachteile hatten: Sie waren mobil, was eine Verände-rung der Bestuhlung etwa für moderne Konzertfor-men wie Wandelkonzerte ermöglichte. Aber sie knarrten unangenehm und störten den Musikge-nuss. Überdies entsprachen sie nicht den Vorschrif-ten der Feuerpolizei. Im Zuge der Casino-Renovation zwischen 1987 und 1989 wurden neue Stühle von Thonet nach dem Muster der Bestuhlung in der Al-ten Oper Frankfurt in den Musiksaal eingebaut. Im Unterschied zur bisherigen Bestuhlung waren sie fest am Boden verschraubt.

Dies war bei Weitem nicht die einzige Verände-rung. Die Heizung und die Toiletten wurden erneu-ert, ein Publikumslift wurde eingebaut, ausserdem wurden die Stimmzimmer der Musikerinnen und Musiker ebenso wie der Musiksaal selbst neu gestri-chen. Das bisherige Grau wich einer wärmeren Farb-gebung in Rosa, Rot und Beige. Ausserdem wurde die Säulen-Marmorierung erneuert. Für diese Verände-rungen stützte sich Casino-Architekt Markus Ritter auf Skizzen und Entwürfe im Johann-Jacob-Stehlin-

Casino-Geschichte(n), Teil 8Eine umstrittene Renovation

von Sigfried Schibli

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dere hatten keine Veränderung bemerkt. Ein Musiker mutmasste, hauptverantwortlich für die veränderten Nachhallzeiten sei das neue Podium, das einige Jahre vor der grossen Renovation aufgestellt worden sei – eine Meinung, die auch Jürg Jecklin teilte.

Die Zeit ist über diesen lokalen Streit hinweg-gegangen. Jürg Jecklins Zorn verrauchte nicht so schnell, aber die Aufregung in der Öffentlichkeit legte sich allmählich. Das mag daran gelegen haben, dass die Messungen im leeren Saal stattgefunden hatten und auch sensible Konzertbesucher im vollen Saal gar keine Veränderung und damit auch keine Verschlechterung feststellen konnten. Ob es anläss-lich der von 2016 bis 2019 anstehenden nächsten Re-novation, bei der die Bestuhlung erneuert werden soll, wieder zu einem Schlagabtausch über die Akus-tik kommen wird? ●

worden. In einem offenen Brief an den Regierungsrat forderte Jecklin: «Basel braucht unbedingt und drin-gend einen neuen Konzertsaal.» Und dies wenige Mo-nate nach der 8 Millionen Franken teuren Renovation!

Die veränderten Nachhallzeiten wurden von nie-mandem bestritten; schliesslich waren sie vom offizi-ellen Casino-Akustiker Dr. Karl Trefzer gemessen worden. Über die Ursachen der Veränderung aber wurde öffentlich debattiert. Lag es an der chemischen Zusammensetzung der Farben, mit denen der Musik-saal gestrichen wurde? Oder hatten die neuen Stüh-le eine, wie Jecklin vermutete, «katastrophale» Aus-wirkung auf die Akustik, auch weil sie am Boden angeschraubt waren? Die von Journalisten befrag-ten Orchestermusiker gaben kein einheitliches Mei-nungsbild ab. Einige räumten ein, dass die Akustik leicht anders sei als vorher, aber nicht schlechter. An-

Der Musiksaal vor der Renovation 1987

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len wie vor fünfzig Jahren! Aber wie dem auch sei, selbstver­ständlich gibt es auch gegenwärtig grossartige Musiker, je­doch wandeln sich die Zeiten, und die junge Generation hat zwangsläufig eine andere Herangehensweise an die Musik …

Siehst du denn in Zukunft überhaupt noch eine Not-wendigkeit für das, was wir tun?

Also für mich selbst auf jeden Fall, denn ich liebe die Musik, und ich liebe es, Geige zu spielen! Und darüber hinaus sehe ich auch sonst eine Notwendigkeit, nämlich die, mit gross­artiger Musik Schönheit und Wahrhaftigkeit in die Welt zu setzen! Der Versuch, schöne Musik gut zu spielen, verliert nie an Notwendigkeit. Aber manchmal bin ich schon auch etwas besorgt, wenn ich sehe, in welche Richtung sich die klassische Musik beziehungsweise. der klassische Musikbe­trieb bewegt.

Warum denn?

Wir leben in einer sehr visuellen Zeit. Dem Äusseren wird heute tendenziell mehr Aufmerksamkeit gegeben als dem Inneren. Inhalte werden vermehrt äusseren Aspekten un­tergeordnet – anstatt umgekehrt – und verlieren so an Wichtigkeit, an Bedeutung und somit auch an Tiefe.

Aber gerade da sehe ich die Chance klassischer Kon-zerte: Wenn in einer Zeit, in der alles – Sprache,

Annemarie Kappus: Markus, wenn du noch einmal ein Leben zur Verfügung hättest, würdest du wieder als Klari­nettist im Orchester spielen, oder würdest du etwas ande­res machen?

Markus Forrer: Ich weiss nur, wie es ist, Musiker zu sein, alles andere wäre Spekulation. Ich habe früher den Beruf mehr infrage gestellt, inzwischen weiss ich aber, dass die Musik für mich eine gewisse Not-wendigkeit hat. Ich würde also wieder Musiker wer-den, und wenn ich wählen könnte, am liebsten vor hundert Jahren. Eine Strauss-Oper uraufzuführen, das wäre toll!

Ja, das wäre natürlich grossartig! Man wäre dann sozusa­gen direkt an der Quelle, jedenfalls was bestimmte Kompo­nisten angeht. In der entfernteren Vergangenheit Musiker gewesen zu sein, hätte auch bedeutet, mit vielen der heute legendären Dirigenten und Solisten arbeiten zu dürfen. Vie­le von ihnen sind heute leider zum grössten Teil nicht mehr da. Dafür haben wir im Moment das Glück, mit einem wun­derbaren Dirigenten der alten Generation, Hans Drewanz, die Oper Daphne von Strauss zu spielen! Und ebenso erleb­ten wir Anfang März ein unvergessliches Bruckner­Konzert mit dem 92­jährigen Stanisław Skrowaczewski. Was ich je­doch heutzutage sehr schätze, ist der moderne, beziehungs­weise historische Zugang zum Barock und zur Klassik – ich möchte Bach, Mozart oder auch Beethoven nicht mehr spie­

Annemarie Kappus und Markus Forrer im Gespräch

«Der Versuch, schöne Musik gut zu spielen, verliert nie an Notwendigkeit»

Annemarie Kappus, 1. Violine tutti, und der Klarinettist Markus Forrer unterhalten sich über Interpretationen im Wandel

der Zeit, über ihre Interessen neben der Musik und die ganz individuelle Konzertvorbereitung

aufgezeichnet von Simone Staehelin

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Annemarie Kappus wurde in Basel geboren und stu-dierte an den Musikakademien in Basel und Bern. Sie ist seit 1989 Tutti-Mitglied der ersten Violinen des Sinfonieorchesters Basel.

der Musik, jetzt sind es immer mehr auch die Wei-ten, wo die Musik aus den Grenzen des Menschli-chen austritt. Man darf die Musik, die wir spielen, darum nicht reduzieren, weder in ihrer Länge noch in ihrem Inhalt.

Aber dieses generelle Reduzieren geht ja mit der Schnell­lebigkeit und dem Effizienzdenken unserer Zeit einher. Das alles wiederum führt dazu, dass man den Dingen nicht mehr die ihnen angemessene Zeit gewährt – glaubst du

Nachrichten etc. – aufs Kürzeste reduziert wird, Men-schen nach wie vor freiwillig zwei Stunden auf einem Stuhl sitzen, um Musik zu hören, dann ist das doch fast schon eine Revolution. Ich ziehe den Hut vor un-serem Publikum. Ein Konzert funktioniert nicht wie ein Blockbuster im Kino, wo man hingeht, um die Zeit zu vergessen. In einem Konzert spürt man die Zeit: Das beginnt mit der Stille vor dem ersten Ton. Früher interessierte mich vor allem das direkt Emotionale an

Markus Forrer und Annemarie Kappus

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Markus Forrer studierte an der Musik Akademie Ba-sel und vervollständigte seine Studien in Amsterdam. Gleich nach dem Studium trat er als 2. Klarinettist und Es-Klarinettist ins Sinfonieorchester Basel ein. Dane-ben beschäftigt er sich mit historischen Klarinetten und tritt gerne als Kammermusiker in Erscheinung.

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len würde, würde ich singen. Aber auch die Schauspielerei­würde mir gefallen. Und dann faszinieren mich die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, diese in vielerlei Hinsicht schwindelerregende Zeit mit ihren vielfältige Stilrichtun­gen in Kunst, Architektur, Dekor, Mode und so weiter. Und da wären natürlich noch all die interessanten Dinge, die man studieren könnte ...

Deine Wohnung ist ja eigentlich eine wunderschöne Antiquitätensammlung. Ist das eine grosse Leiden-schaft von dir ist?

Ja, ich liebe es, auf Floh­ und Antikmärkten zu stöbern, und ich habe meine Wohnung eigentlich ausschliesslich mit die­sen alten Sachen, die ja auch alle eine Geschichte erzählen, ausgestattet. Und zum Glück ist das eine Vorliebe, die auch noch neben dem Geigenspielen Platz hat, da ansonsten für Vieles die Zeit fehlt …

Leider ist der handwerkliche Aspekt bei unserem Be-ruf sehr gross. Das Üben nimmt sehr viel Zeit in An-spruch. Wie bereitest du dich auf die Proben vor, hörst du dir manchmal auch Aufnahmen an?

Wenn ein Stück besonders kompliziert ist, kann das schon mal vorkommen. Aber wenn ich zum Beispiel etwas Kam­mermusikalisches vorbereite, dann möchte ich das erst einmal tun, ohne mich im Voraus allzu sehr beeinflussen zu lassen. Erst wenn ich mir einigermassen im Klaren darüber bin, wie ich etwas spielen will, höre ich mir Aufnahmen an. Auf diese Weise kann ich mir auch besser ein Bild von an­deren Interpretationen machen und gegebenenfalls etwas davon ‹übernehmen›. Aber ich muss das Werk zuerst ein­mal sozusagen aus mir heraus spielen.

Das hast Du schön gesagt, man spielt aus sich heraus. Das lässt sich nicht vermeiden, bei allem Willen zur Werktreue schwingt halt trotzdem immer auch et-was Eigenes mit.

Und das ist doch gut so, nicht wahr? ●

nicht, dass das auch einen Einfluss auf die Musik hat und dass dadurch musikalische Interpretationen womöglich verflachen und an Aussagekraft verlieren?

Das ist eine sehr interessante Frage! Als Musiker ist man ja vielen Einflüssen ausgesetzt, und einer davon ist die Gegenwart, in der man lebt. Wir sollten uns ja einzig dem Werk verpflichten, aber dieses wurde meist vor langer Zeit geschrieben. Viele Linien, die zurück in die Zeit seines Ursprungs führen, sind in-zwischen unwiderruflich abgeschnitten, es gibt eine Distanz. Ist eine Aufführung noch machbar oder ein-fach nur noch spekulative Schauspielerei? Sind wir letztlich nur noch Touristen in einer vergangenen Zeit? In letzter Zeit höre ich mir oft alte Aufnahmen grosser Dirigenten an. Ich spürte dabei sehr bald ein-mal: Die sind einfach noch näher dran. Die letzten dreissig Jahre haben viel Wichtiges hervorgebracht, man denke an die historische Aufführungspraxis. Aber bei den Werken ab Mitte des 19. Jahrhunderts ist es nicht einfacher geworden. Lass uns zu deiner An-fangsfrage zurückkehren: Warum bist denn du, Annemarie, Geigerin geworden?

In meiner Familie machen alle in irgendeiner Form Musik, und damals hat mir meine Mutter irgendwann mal mei­nen ersten Geigenunterricht gegeben. So hat sich das ein­fach ergeben, und ich habe es ehrlich gesagt auch nie wirk­lich infrage gestellt, und ich bin bis heute davon überzeugt, dass es auch das Richtige für mich war! Aber mit meiner zu Beginn gestellten Frage, wollte ich eigentlich auch wissen, was du sonst noch gerne machen würdest, was dich neben dem Klarinettenspielen sonst noch interessiert?

Ich habe als Kind immer lieber gezeichnet als Klari-nette gespielt. Mein Traumberuf war erst einmal Architekt, und das wäre ich auch um ein Haar ge-worden. Ich habe mich nur an einer Musikakademie – hier in Basel – beworben, und falls das nicht ge-klappt hätte, hätte ich Architektur studiert. Wie sieht das bei dir aus?

Also, wie gesagt, für mich stand ein anderer Beruf nie wirk­lich zur Debatte, aber ungeachtet dessen bräuchte ich wohl mindestens fünf weitere Leben, um all das zu machen oder zu lernen, was mich interessiert. Wenn ich nicht Geige spie­

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Cube Session #11: Finding Florence

Promenade: Frühlingsserenade

Die Cube Sessions sind ein Konzertformat, das Ex-perimente und Ungewöhnliches zulässt. Phoebe Lin und Benjamin Gregor-Smith, Cellistin und Cellist des Sinfonieorchesters Basel, und die zwei DJs Nik Frankenberg und Eskimo* bilden die Band Amped & Wired. Sie kombinieren klassische und elektroni-sche Musik zu einem neuen Ganzen und komponie-ren so ihre eigenen Tracks. In der 11. Session stehen Tschaikowskis Streichsextett Souvenir de Florence sowie Werke von Bartók auf dem Programm.

Donnerstag, 23. april 201521.00 Uhr, Kuppel Basel

Die zweite Sonntagsmatinee dieser Saison lädt zum musikalischen Lustwandeln ein: Mitglieder des Sin-fonieorchesters Basel spielen die 1. Serenade von Johannes Brahms. Das Konzert steht in thematischer Verbindung zum Sinfoniekonzert ‹Cléopâtre› vom 6. Mai. Während des Konzerts werden Kinder kos-tenlos betreut, im Anschluss an das Konzert findet in der Bar du Nord ein Brunch statt. Es wird um Anmel-dung gebeten: für den Brunch [email protected], für die Kinderbetreuung 061 683 13 13 (bis 25. April 2015).

sonntag, 3. Mai 201511.00 Uhr, Gare du Nord

Explosiver Mix aus Klassik und Elektronik Kammermusik im Gare du Nord

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Impressionen vom Ersten Schulkonzert am 5. Februar 2015 mit dem Pianisten Francesco Piemontesi und dem Dirigenten David Afkham.

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Über tausend Schülerinnen und Schüler besuchten an diesem Morgen das neue Konzertformat des Sinfonieorchesters Basel.

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Stadtcasino, Grosser Festsaal

Stadtcasino, Musiksaal

Kuppel Basel VVK: starticket

Stadtcasino, Musiksaal Eintritt frei

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Gare du Nord

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Basler Papiermühle

sa 28.03.16.00

Do 16.04.20.00

Do 23.04.21.00

Di 28.04.12.00–12.30

Do 30.04.19.30

so 03.05.11.00

Di 05.05.12.00–12.30

Mi 06.05.19.30

Do 07.05.18.15

so 10.05.17.00

mini.musik: im MuseumMitglieder des SOB / Irena Müller-Brozovic / Norbert Steinwarz

Jazzfestival Basel: e.s.t. symphonySOB / Mitglieder von E.S.T. / Hans Ek

Cube session #11: Finding FlorencePjotr Iljitsch Tschaikowski: Streichsextett Souvenir de FlorenceBéla Bartók: Rumänische VolkstänzeMitglieder des SOB / Amped & Wired

punkt 12: offene orchesterprobeSOB / Ivor Bolton

sinfoniekonzert soB: MonumentumLudwig van Beethoven: Violinkonzert D-Dur, op. 61 Igor Strawinsky: Monumentum pro Gesualdo di Venosa ad CD annumRobert Schumann: Sinfonie Nr. 4 d-Moll, op. 120 (Urfassung)SOB / Isabelle Faust / Ivor Bolton

promenade: FrühlingsserenadeJohannes Brahms: Serenade Nr. 1 D-Dur, op. 11 (Nonett-Fassung von Jorge Rotter)Mitglieder des SOB

punkt 12: offene orchesterprobeSOB / Enrique Mazzola

sinfoniekonzert soB: CléopâtreGyörgy Ligeti: Concert RomânescHector Berlioz: La mort de Cléopâtre, Scène lyriqueJohannes Brahms: Sinfonie Nr. 3 F-Dur, op. 90SOB / Vesselina Kasarova / Enrique Mazzola

Drittes Cocktailkonzert: salon rossiniMitglieder des SOB / Vesselina Kasarova / Alain Claude Sulzer u.a.

schwarz auf Weiss: Von musicalischen Menschen …Johannes Brahms: Klarinettenquintett h-Moll, op. 115Texte von Charles Darwin und Fredrik SjöbergMitglieder des SOB / Christian Sutter

Agenda

Vorverkauf ( falls nicht anders angegeben ) : Bider & Tanner, Ihr Kulturhaus in Basel, Aeschenvorstadt 2, 4010 Basel, 061 206 99 96 Detaillierte Informationen und Online-Verkauf : www.sinfonieorchesterbasel.ch

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