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Workshop Abstracts und Kurzviten Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur Leibniz Universität Hanover Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege In Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Historische Gärten in der DGGL Géza Hajós und Joachim Wolschke-Bulmahn (Hg.) 7. Dezember 2007

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege · 2018-05-08 · Forschungen zum Einfluss der in China tätigen Jesuiten im 17. und 18. Jahrhundert auf Gartenkunst und Gartenkultur in

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Rekonstruktionin der

Gartendenkmalpflege

In Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Historische Gärten in der DGGL

Géza Hajós und Joachim Wolschke-Bulmahn (Hg.)

7. Dezember 2007

Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur (CGL)Leibniz Universität Hannover

Arbeitskreis Historische Gärten in der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur (DGGL)

Prof. Dr. Geza Hajos

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

7. Dezember 2007

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

Impressum

Herausgeber: Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur (CGL)Leibniz Universität Hannover

Prof. Dr. Géza Hajós

Redaktion:Prof. Dr. Joachim Wolschke-Bulmahncand.-Ing. Cindy Wittek

Satz&Layout: cand.-Ing. Cindy Wittek

Cover: Blick über den rekonstruierten Neuwerk-Garten auf das Globushaus, Schloss Gottorf (Foto: Frank Schalaster, 2007)

Druck:Druckerei Hartmann, Hannover

Hannover, 2007

Finanziert aus Mitteln der Sektion CGLim Freundeskreis der Leibniz Universität Hannover

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Grußwort

Grußwort

Im Vorwort des für den Gartendenkmalpflege-Gedanken ganz grundlegenden Werkes „Gartendenkmalpflege-Grundlagen der Erhaltung historischer Gärten und Grünanlagen“ beschreibt Dieter Hennebo mit wenigen Worten den großen Spannungsbogen von Garten-denkmalpflege. Nach seinen Aussagen steht dieser Begriff für das „Bemühen, historische Gärten, Anlagen und Anlagenreste von geschichtlicher, künstlerischer, wissenschaftlicher oder städtebaulicher Bedeutung durch administrative, planerische und gartentechnische Maßnahmen zu erhalten bzw. wiederherzustellen.“

In der Tat ist es das große Anliegen der seit dem Europäischen Denkmalschutzjahr 1975 sich entwickelnden Gartendenkmalpflege, historische Gärten und Parks nicht nur sorgfältig zu erfassen und wo irgend möglich auch unter Denkmalschutz zu stellen, sondern dieses hochempfindliche und leicht vergängliche Schutzgut auch angemessen zu erhalten und zu unterhalten, also zu konservieren. Gleichwohl bedingt das im hohen Maße den biolo-gischen Prozessen des Werdens und Vergehens unterworfene Schutzgut Garten, sehr viel mehr noch als das klassische Baudenkmal, der laufenden Reparatur, der Replantation und Instandsetzung, mithin der Restaurierung und - wie leider oft zu beobachten ist – bei völ-liger Verwahrlosung auch der Wiederherstellung und damit der Teilrekonstruktion.

Unbestritten gehört damit die denkmalpflegerische Trias konservieren, restaurieren und rekonstruieren zum grundlegenden Handwerkszeug auch der Gartendenkmalpflege und – wie auch in der Bau- und Kunstdenkmalpflege – sind weniger das beschriebene Vorge-hen an sich, sondern das wie die große Frage. Das, was der große Schinkel-Kenner, Goerd Peschken, einmal sagte, „Rekonstruktionen in der Denkmalpflege sollte keine Glaubens- sondern eine Frage der Qualität sein“, scheint mir hier einen Weg aufzuzeigen.Lange Zeit durch den Begriff der „schöpferischen Gartendenkmalpflege“, aber auch durch manchen fachlichen Irrweg in der Anfangsphase der Gartendenkmalpflege belastet, ist doch erfreulicherweise heute ein wiss. konservatorisch verbindlicher und wohl auch weit-hin akzeptierter Standard erzielt, der es nunmehr möglich macht, das bisher erreichte zu gewichten und damit vorurteilsfrei auch das Reizwort „Rekonstruktion“ zu diskutieren. Als inzwischen schon älterer Gärtner und Gartendenkmalpfleger wohl wissend, dass auch und gerade in der Denkmalpflege Vorgehensweisen, Arbeitsmethoden und Theorien einem ständigen Wandel unterworfen sind, macht es nach über einer Generation einer mehr als Ernst zu nehmenden Gartendenkmalpflege Sinn, sich dem von Géza Hajós und Joachim Wolschke-Bulmahn dankenswerterweise angeregten „Rekonstruktions-Seminar“ anzuneh-men und mit der großen Kollegenschar der im AK Historische Gärten der DGGL vereinten Fachkollegen vorurteilsfrei zu diskutieren. Ich wünsche daher diesem Seminar eine breite Resonanz und gute Arbeitserfolge.

Gartenbaudirektor Dr.-Ing. Klaus-Henning v. Krosigk Vorsitzender des Arbeitskreises Historische Gärten in der DGGL

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Inhalt

Inhalt

1. Einführung in den Workshop

Klaus-Henning von Krosigk (Vorsitzender des Arbeitskreises Historische Gärten in der DGGL)Grußwort

Joachim Wolschke-BulmahnEinführung in den Workshop

Géza HajósRekonstruktion in der Gartendenkmalpflege, eine Problemstellung

2. Theorie und allgemeine Überlegungen

Sigrid Thielking„Zum Augenblicke dürft‘ ich sagen: Verweile doch, du bist so schön“. Gedanken aus einem anderen Fach

Rainer SchomannDer Versuch, sich ein Bild von etwas nicht mehr Vorhandenem zu machen

Harald BlankeInterpretation und Neufassung. Zur Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege und anderswo

Clemens Alexander WimmerDrei Hauptkomponenten in der Behandlung von historischen Gärten

Sylvia ButenschönGedanken zum Thema „Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege“

Alfred SchelterExzerpt Gartendenkmalpflege – Umgang mit bestehenden Anlagen, mit verfal-lenen Anlagen und mit abgegangenen Anlagen

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Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Andreas von HoerenIst die Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege ein fachlicher Widerspruch?

Hans-Wilhelm HeineRekonstruktion und Archäologische Denkmalpflege – Unbehagen oder Chance?

Lei Gao und Jan WoudstraKeeping Yuanmingyuan: A mirror of attitudes and approaches to garden heritage in China (1900s-2007)

Joachim GanzertRekonstruktionen als mehrfach bedingte „AugenBlicke“ auf Geschichte

Christian HlavacDas Bild von Rekonstruktionen in den Köpfen oder „Landschaft entsteht im Kopf“

Hartmut TrollRekonstruktion in der Gartendenkmalpflege. Annäherungen

Stefan RhotertFragen an die Gartendenkmalpflege

Jens BeckZum Thema „Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege“

Margita Marion Meyer Zwischen Scylla und Charybdis. Plädoyer für einen konservatorischen Umgang mit dem gartenkulturellen Erbe

3. Gegensätzliche Meinungen - Das Beispiel Gottorf

Frank Schalaster und Rose WörnerDer heutige Stellenwert von Rekonstruktionen und die gartendenkmalpflege-rische Praxis der Wuppertaler Landschaftsarchitekten Rose und Gustav Wörner

Peter Fischer-ColbrieDer Gottorfer Neuwerk-Garten 2007 – Rekonstruktion, Nachbildung, Wieder-aufführung?

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4. Eine bekannte Rekonstruktion

Thomas BaumgartnerDie Orangerieanlage von Schloss Hof in Niederösterreich

Yvonne KumlehnBarocke Blumenbepflanzungen

5. Methodische Überlegungen in konkreten Fallbeispielen

Brigitte MangGartendenkmalpflege in den Österreichischen Bundesgärten

Claudia Gröschel und Jochen MartzDer Maria Theresien-Platz in Wien . Theoretische Überlegungen zu einer Rekon-struktion nach einem geplanten Tiefgaragen-Projekt

Anita DrexelRestaurierung für den Gebrauch. Am Beispiel der Wiederherstellung der Kiesel-Mosaikpflasterung im Stadtpark von Graz im Jahre 200�

Andreas PahlDie Wiedergewinnung verlorener Orte im Branitzer Park – ein Erfahrungsbericht

Michael KellerRichtig erinnern? Geschichts-Inszenierungen am Beispiel der ehemaligen Bastion Cleve in Magdeburg

Heiko LieskeZwischen den Mauern. Bildschutz versus Substanzschutz am Beispiel der Ertüchtigung der Stadtmauer zur Hochwasserschutz-Wand in Grimma

Katharina SteudtnerDie Schlossanlage von Charlottenburg: Geschichte und Denkmalpflege

Horst BeckerZur Frage von Rekonstruktionen im Park Wilhelmshöhe Kassel

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Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Maren Brechmacher-IhnenÜberlegungen zum Thema Rekonstruktion am Beispiel der Parkarchitekturen im Schlosspark in Kassel-Wilhelmshöhe

Ronald ClarkAlles schon mal erlebt – die Geschichte der Gartendenkmalpflege in den Herren-häuser Gärten

Christhard EhrigRekonstruktion des Barockgartens von Paderborn – Schloss Neuhaus

�. Kurzviten der Teilnehmenden

Kurzviten der Teilnehmenden in alphabetischer Reihenfolge

7. Call for Papers Workshop „Rekonstruktion in der Gartendenkmal-pflege”

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Inhalt

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Einführung in den Workshop

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Einführung in den Workshop

Joachim Wolschke-Bulmahn

Der Weg zum Workshop „Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege“

Das Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur (CGL) der Leibniz Universität Hannover wurde im Juni 2002 durch Beschluss des Senats der Universität als fachbe-reichsübergreifendes Forschungszentrum gegründet. Seitdem hat es sich vor allem „der Forschung und Forschungsförderung in den Bereichen der Geschichte der Gartenkunst und Gartendenkmalpflege, auf dem Gebiet zeitgenössischer Landschaftsarchitektur und an den Schnittstellen zwischen Landschaftsarchitektur, Städtebau und Architektur“, so die Ordnung des CGL vom 24. Juli 2002, und der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit entsprechenden Fragestellungen gewidmet.

Auf dem Gebiet der fachspezifischen Geschichtsforschung wurden in den vergangenen Jahren unter anderem Tagungen zu Themen wie „Naturschutz und Demokratie!?“ (No-vember 2004) sowie „Gärten und Parks im Leben der jüdischen Bevölkerung nach 1933“ (September 200�) veranstaltet. Im Rahmen von zwei Promotionsstipendien, die dem CGL durch die Klosterkammer Hannover zur Verfügung gestellt wurden, konnten wichtige Forschungen zum Einfluss der in China tätigen Jesuiten im 17. und 18. Jahrhundert auf Gartenkunst und Gartenkultur in Europa sowie zur Gartenkultur der norddeutschen Frau-enklöster durchgeführt werden.1

Bereits der Vorläufer des CGL, die seinerzeit dem Institut für Grünplanung und Garten-architektur angegliederte Forschungsstelle für Gartenkunst und experimentelle Land-schaftsarchitektur, hatte sich dezidiert mit gartenhistorischen und gartendenkmalpfle-gerischen Fragestellungen befasst. So wurde am 10. Juli 1988 ein „Roundtable-Gespräch Parkpflegewerke – bewährt oder verjährt?“ durchgeführt, an dem sich zahlreiche Mit-glieder des Arbeitskreises Historische Gärten beteiligten und in dem u. a. interessante Meinungsunterschiede zum Instrument Parkpflegewerk von KollegInnen aus West- und Ostdeutschland sichtbar wurden.

Am 8. November 2003 führte das CGL in Zusammenarbeit mit dem Direktor der Stiftung „Fürst-Pückler-Park Bad Muskau“, Cord Panning, in Muskau einen Workshop zu Fragen der Ausbildung in den Fächern Geschichte der Gartenkunst/Landschaftsarchi-tektur und Gartendenkmalpflege an universitären Ausbildungsstätten in Deutschland durch. Am 30. Oktober 200� organisierte das CGL in Zusammenarbeit mit der Kloster-kammer Hannover, der Arbeitsgruppe Regional- und Lokalgeschichte der Leibniz Univer-sität Hannover und der Cistercienser-Chronik einen Workshop zum Thema „Klösterliche Kulturlandschaftsforschung“.

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Solche Workshops scheinen eine beachtliche Lücke in der fachlichen Diskussionskultur auszufüllen. Zwar kann und soll diese Veranstaltungsform wissenschaftliche Tagungen nicht ersetzen, sie hat sich aber in Bezug auf die oben genannten Workshops zu den The-men Parkpflegewerke, Ausbildung und Klösterliche Kulturlandschaftsforschung als ausge-sprochen ertragreich erwiesen. Auf solch eher informellen Treffen, zu denen thesenartige Abstracts eingereicht werden, legen viele der Teilnehmenden eine größere Bereitschaft an den Tag , Fragen offen zu diskutieren und eigene Hypothesen zur Diskussion zu stellen, als auf einer Tagung, auf der sich mancher eher „druckreif“ meint ausdrücken zu sollen. Zudem ist auf Tagungen häufig nur unzureichend Raum für die eigentliche Diskussion.

Auch die Treffen des Arbeitskreises Historische Gärten können zwangsläufig, aufgrund der zahlreichen anfallenden dringlichen Aufgaben, nur recht eingeschränkt einer intensiven Diskussion entsprechender Themenstellungen gewidmet werden. Es scheint also durchaus noch Raum für ein entsprechendes regelmäßiges Diskussionsforum zu Fragen der Theorie und Praxis der Gartendenkmalpflege zu existieren. Es ist daher geplant, in Zusammenarbeit mit dem Direktor der Stiftung „Fürst-Pückler-Park Bad Muskau“, Cord Panning, gleichzeitig Mitglied im Beirat des CGL, zukünftig einmal im Jahr einen Workshop zu Fragen der Theo-rie und Praxis der Gartendenkmalpflege durchzuführen.

Die Idee zu einem Workshop Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege entstand anläss-lich eines Besuchs von Prof. Dr. Géza Hajós im April 200� zu Vorträgen über Gartendenk-malpflege in Österreich am Institut für Landschaftsarchitektur sowie am Zentrum für Gar-tenkunst und Landschaftsarchitektur der Leibniz Universität Hannover. Bei einem Besuch des Großen Gartens in Herrenhausen und einem Gespräch mit ihm und Andrea Koenecke über dessen Erneuerung vor 70 Jahren kam das Gespräch auf „schöpferische Gartendenk-malpflege“, auf Rekonstruktionen und andere Begrifflichkeiten. Daraus resultierte dann die Überlegung, zur Frage der Rekonstruktion eine Diskussionsveranstaltung in Kooperation mit ihm an der Leibniz Universität zu organisieren. Dieses Vorhaben wurde auf der Sitzung des Arbeitskreises Historische Gärten am 2�. Juni 2007 in Kassel vorgestellt und der Vor-sitzende des Arbeitskreises, Dr. Klaus-Henning von Krosigk, sagte gerne die Unterstützung zu.

Zur Vorbereitung des Workshops wurde ein Call for Papers verschickt. Die Reaktion auf diesen Call for Papers war ausgesprochen erfreulich. Dreißig Abstracts von Fachleuten aus Österreich, England und Deutschland wurden eingesandt. Diese Abstracts lassen eine ähn-lich produktive Diskussion wie auf den früheren Workshops zu Fragen der fachspezifischen Geschichtsforschung und der Gartendenkmalpflege erhoffen.

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Fragen der „Rekonstruktion“ in der Gartendenkmalpflege sind in den vergangenen Jahr-zehnten immer wieder thematisiert und diskutiert worden. Im von Prof. Dr. Dieter Hennebo 1985 herausgegebenen Handbuch Gartendenkmalpflege. Grundlagen der Erhaltung hi-storischer Gärten und Grünanlagen finden sich dazu z. B. kritische Reflektionen von Prof. Dr. Erika Schmidt zum Thema „Verlorengegangenes nachbilden“ (S.71ff.). Dipl.-Ing. Hubert Wolfgang Wertz diskutiert im selben Band die Frage der Rekonstruktion am Beispiel des Schwetzinger Parterres (S. 174ff.). 1997 erschien in der Schriftenreihe des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz als Band 57 Rekonstruktion in der Denkmalpflege. Überlegungen – Definitionen – Erfahrungsberichte, in welchem Rekonstruktion aus Sicht der unterschiedlichen beteiligten Disziplinen beleuchtet wurde, so von der Präsidentin des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege, Dr. Christiane Segers-Glocke, die Frage eines Wiederaufbaues des Schlosses im Großen Garten von Hannover-Herrenhausen (S. 135ff.). Erst kürzlich hat sich u. a. Géza Hajós mit seinem Beitrag „Der historische Garten – Ein Ort des Wandels oder ein Ort der Erinnerung? Gefährliche Perspektiven für die Denk-malpflege“ sehr differenziert mit der Thematik Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege auseinandergesetzt.2

In der jüngsten Vergangenheit allerdings scheint das Interesse an Rekonstruktionen erheb-lich gewachsen zu sein. Dafür mag es unterschiedliche Gründe und Interessenlagen geben. Wenn in einem Abstract in dieser Workshop-Broschüre festgestellt wird, „Der Wunsch nach Rekonstruktionen geht regelmäßig von der betroffenen Region aus. Finanziert wer-den sie meist aus Wirtschaftsförderungsmitteln (Tourismus) unter Einsatz von EU-Mit-teln“3, dann weist dies deutlich auf Wirtschaftsinteressen und die Marketing-Euphorie der vergangenen Jahre, die auch die historischen Gärten erfasst hat, als einen Faktor hin.4

In Hannover hat es mittlerweile Tradition, dass in regelmäßigen Abständen von vier bis fünf Jahren die Diskussion um eine Rekonstruktion des Schlosses im Großen Garten wie-der aufflackert, mal als Staatskanzlei geplant, mal als Hotel oder um ein Museum für Gartenkunst zu beherbergen. Immerhin bestehen mittlerweile sogar Pläne, eine der he-rausragenden Gartenanlagen in der Geschichte der europäischen Gartenkunst, den Hortus Palatinus „bis zum Jahre 2017 in seiner einstigen Pracht erstrahlen“ 5 zu lassen. Gemein-sam, so die Ankündigung auf der entsprechenden Homepage, „werden das Land Baden Württemberg, Unternehmer und Persönlichkeiten das ehemalige 8. Weltwunder zu neuem Leben erwecken“.

Solche Vorhaben werfen zahlreiche Fragen auf, u. a. auch in Bezug auf ihre Eignung, histo-risches Wissen zu vermitteln. Einige solcher Fragen hatte ich 2002 anlässlich einer Tagung der Nord/LB in Zusammenarbeit mit dem Institut für Grünplanung und Gartenarchitektur der Universität Hannover gestellt, so u. a.: Was sind die Folgen für historische Gärten, wenn zunehmend mehr und mehr Kommunen, Bundesländer, Unternehmen etc. historische

Einführung in den Workshop

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Gärten mit ihren Marketing-Qualitäten entdecken, wenn sie auf einem begrenzten Markt in Wettbewerb treten mit ihren Gärten? Wird das ein flächendeckendes gartendenkmal-pflegerisches Bewusstsein in der Bundesrepublik hervorrufen? Oder wird es gegebenenfalls eine zunehmende Inanspruchnahme von historischen Gärten für andere Zwecke, wird es eher Eingriffe in die historische Substanz, die zu unersetzlichen Substanzverlusten führen können, mit sich bringen? Welche Risiken bringt ein gartenhistorischer Vermarktungs-wettbewerb eventuell mit sich? � Bisweilen scheinen der Abriss von Vorhandenem und die Rekonstruktion von längst Vergangenem auch für ein m. E. fragwürdiges „Entsorgen“ von Geschichte zu stehe, so beim Abriss des Palastes der Republik in Berlin und der Rekon-struktion des Berliner Stadtschlosses.

In anderen Regionen Europas scheint es andere Motivationen für den Drang nach Rekon-struktion historischer Zeugnisse der Bau- und Gartenkultur zu geben. So könnte nach dem Auseinanderbrechen der früheren Sowjetunion die Suche nach nationaler Identität der wieder entstandenen alten Staaten verstärkt auch das Sehnen nach dem Wiedererstehen-lassen vergangenen baulicher Zeugnisse aus der Zeit vor der Eingliederung in die Sowjetunion befördern.

Die Themenschwerpunkte der in dieser Broschüre präsentierten Abstracts reichen von theoretischen Fragen zur Rekonstruktion, angefangen bei Fragen der Definition, über den Disput um die Gottorfer Gartenanlage bis hin zu zahlreichen anderen Fallbeispielen. Verschiedene der Abstracts spiegeln gleichzeitig eine recht beachtliche Bandbreite an Meinungen zum Thema Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege wider. Das ist in keiner Weise bedauerlich, sondern legt es nahe, von einer doktrinären Herangehensweise an diese und andere Themenstellungen Abstand zu nehmen.

Es ist besonders zu begrüßen, dass sehr anregende Abstracts aus Disziplinen wie der Bau-geschichte, der Archäologie und sogar der Literaturwissenschaft eingereicht wurden.

Die Broschüre ist in die folgenden thematischen Kapitel untergliedert: Nach einführenden Beiträgen folgen Abstracts zu „Theorie und allgemeinen Überlegungen“, „Gegensätzliche Meinungen – Das Beispiel Gottorf“ sowie Ausführungen zum Beispiel zur Anlage von Schloss Hof. In einem zweiten größeren Kapitel werden Abstracts zu „Methodischen Über-legungen in konkreten Fallbeispielen“ präsentiert.

Wir würden uns freuen, wenn dieser Workshop zu einer Kultur der wissenschaftlichen Dis-kussion und Auseinandersetzung zu Fragen der Gartendenkmalpflege beitragen könnte, die von Respekt vor der Meinung Anderer geprägt ist und gleichzeitig die deutliche Ausformu-lierung eigener, evtl. gegensätzlicher Positionen befördert und damit zu einer fachlichen Auseinandersetzung, die einer demokratischen Gesellschaft angemessen ist, beiträgt.

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Cindy Wittek, Studentin der Landschaftsarchitektur an der Fakultät für Architektur und Landschaft, sei für ihre sachkundige Arbeit am Layout dieser Broschüre gedankt. Der Druck der Broschüre wurde ermöglicht durch die Sektion CGL im Freundeskreis der Leibniz Uni-versität Hannover. Dafür ein herzlicher Dank an die Mitglieder der Sektion.

1 Die Ergebnisse dieser Forschungen wurden in der Schriftenreihe CGL-Studies publiziert: Inken Formann, „Vom Gartenlandt so den Conventualinnen gehört“. Die Gartenkultur der evangelischen Frauenklöster und Damenstifte in Norddeutschland, CGL-Studies, Band 1, Martin Meidenbauer, München 200�; Bianca Rinaldi, The „Chinese Garden in Good Taste“. Jesuits and Europe´s Knowledge of Chinese Flora and Art of the Garden in the 17th and 18th Centuries, CGL-Studies, Band 2, Martin Meidenbauer, München 200�; Gert Gröning und Joachim Wolschke-Bulmahn (Hg.), Naturschutz und Demokratie!?, CGL-Studies, Band 3, Martin Meiden-bauer, München 200�; Hubertus Fischer und Joachim Wolschke-Bulmahn (Hg.), Gärten und Parks im Leben der jüdischen Bevölkerung nach 1933, CGL-Studies, Band 5, Martin Meidenbauer, München (im Druck). 2 Géza Hajós, Der historische Garten – Ein Ort des Wandels oder ein Ort der Erinnerung? Gefährliche Per-spektiven für die Denkmalpflege, in: Die Gartenkunst, 18 (2007), 2, 385-394. 3 Hans Wilhelm Heine, „Rekonstruktion und Archäologische Denkmalpflege–Unbehagen oder Chance?“, S.50 4 Siehe dazu ähnlich die Einführung zum Abstract in dieser Broschüre von Frank Schalaster und Rose Wör-ner, „Der heutige Stellenwert von Rekonstruktionen und die gartendenkmalpflegerische Praxis der Wupperta-ler Landschaftsarchitekten Rose und Gustav Wörner“, (S. 75). 5 http://hortus-palatinus.ahorngmbh.eu/zukunft.html (Abruf 8.11.2007, 14:24). � Siehe dazu ausführlich Joachim Wolschke-Bulmahn, Marketing und historische Gärten – Einige Fragen und Anmerkungen, in: Arno Brandt, Wilken von Bothmer und Michael Rohde (Hg.), Marketing für Gärten und Schlösser. Touristische Nutzungskonzepte für Gärten, Parks, Herrenhäuser und Schlösser, Hinstorff Verlag, Rostock, 2004, 119-122.

Einführung in den Workshop

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Prof. Dr. Géza Hajós

„Rekonstruktion“ in der Gartendenkmalpflegeeine Problemstellung

I. Allgemeine Gedanken zur Denkmal-Konservierungsphilosophie

Es ist ein erstaunliches Phänomen in der Baudenkmalpflege, dass seit etwa zwei Jahr-zehnten mehr rekonstruiert wird, als noch früher in den �0-er oder 70-er Jahren des vori-gen Jahrhunderts. Damals galt sowohl in der Baukunst als auch in der Denkmalpflege die „Ehrlichkeit“, d. h. die radikale Unterscheidung zwischen „alt“ und „neu“.

Schon in der beginnenden Moderne propagierten z. B. die Wiener Architekten Otto Wag-ner oder Adolph Loos, die sich vom „Historismus“ des 19. Jahrhunderts um 1900 eindeutig distanzierten, die Sichtbarmachung der neuen Konstruktionstechniken sowie die „Ma-terialechtheit“ als oberste Prinzipien der Architektur. Der Aufruf lautete: Weg von den falschen Fassaden, die im 19. Jahrhundert selbst in den bescheidensten Objekten „große Geschichte“ vorgetäuscht, aber das häufig armselige Innere des Gebäudes durch eine aufgesetzte „Maskierung“ verschwiegen haben (vgl. die Zinskasernen der damaligen Zeit). Der Historismus wurde scharf bekämpft, in dem u. a. auch die Methode des sog. „Stilpu-rismus“ in der Denkmalpflege etabliert wurde. Diese Methode bezweckte die Revision der im Verlauf der Geschichte „unregelmäßig“ veränderten Bauwerke und verlangte die Redu-zierung ihrer Erscheinungsformen auf eine oder mehrere ausgeprägte ideale Stilformen, die manchmal neu erfunden wurden (wie z. B. bei den Restaurierungen von Viollet-le-Duc in Frankreich oder von Gilbert Scott in Großbritannien). Dieser Historismus wurde ab dem späten 19. Jahrhundert als verlogen und falsch empfunden.

Nach der Lehre der modernen Denkmalpflege (in den Schriften von Georg Dehio oder Alois Riegl, beide um 1900) sollte dagegen hauptsächlich das konserviert werden, was tatsäch-lich von der Geschichte hinterlassen wurde. Man sollte das Widersprüchliche in der Ent-wicklung der Vergangenheit respektieren und dieses ja nicht verbessern zu wollen. Man sollte akzeptieren, was die Vorfahren vermeintlich „falsch“ oder „bruchstückhaft“ geschaf-fen haben. In diesem Geiste wurde letztendlich die „Charta von Venedig“ (19�4) für die Baudenkmalpflege verfasst. Jede materielle Ergänzung sollte klar gekennzeichnet und vom Altbestand deutlich abgegrenzt werden.

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Diese Theorie, wo in der Rangordnung an erster Stelle die Konservierung stand, zweitens die Restaurierung schon als eine notgedrungene Verwässerung empfunden und drittens die Rekonstruktion nur ausnahmsweise geduldet wurde, war ethisch sehr anspruchsvoll und intellektuell hoch stehend. Noch heute gibt man Riegls Werk „Der moderne Denkmalkul-tus“ (1903) heraus und anerkennt seine philosophische Tiefe sowie seine visionären Be-hauptungen, die die ästhetischen Haltungen im 20. Jahrhundert vorausgesehen haben. In der Praxis war diese strenge Denkmalphilosophie freilich häufig zum Scheitern verur-teilt: Man konnte die Bauwerke als Denkmale der Vergangenheit nicht wie anschauliche Ruinen im Sinne von John Ruskin erhalten und behandeln, denn sie waren in einem leben-digen und zukunftsorientierten Kontext eingebettet und sollten vor allem benützt werden. Technische und zivilisatorische Forderungen widersprachen der „modernen“ Denkmalthe-orie, die konsequente Beachtung der strengen Musealität der historischen Anlagen hatte viele Hindernisse.

Riegl wollte – richtig! – das Nationalbewusstsein als obersten Motor der Denkmalschutz-idee abschwächen und den sog. Alterswert des Denkmals als Stimmung erzeugenden moralischen Faktor in Respektierung des universellen Kreislaufs der Natur und als Zeugnis der (von Hegel besonders ausgearbeiteten) Entwicklungsidee der menschlichen Kulturen in den Vordergrund stellen. Diese Faszination hätte seiner Meinung nach die ganze zivilisierte Sozietät erfassen müssen, ohne Rücksicht auf Bildungsstufe oder Abstammung. Nicht der Egoismus der Nationen, sondern der Altruismus des befreiten bürgerlichen Subjektes sollte (wie er es schon 1903 feststellte) die Existenz eines demokratisierten Denkmalschutzes sichern, eine sinnliche Freude an der Wahrnehmung der Veränderungen verursachen und einen (fast religiösen) Respekt gegenüber dem „Alten an sich“ auslösen.

Er rechnete aber nicht damit, dass sehr viele soziale Schichten nicht die gesellschaftliche Fähigkeit hatten, diese Gefühle nachzuempfinden. Er rechnete nicht damit, dass statt einem allgemein faszinierten Überblick der universellen Entwicklung von Natur und Ge-schichte, in Wahrheit die Sorge um den zivilisatorischen Fortschritt im Vordergrund stand und statt Idealismus leider Materialismus herrschte. Die Konservierungsphilosophie der Denkmalpflege war außerdem labil sowie etwas elitär und bot keinen Schutz gegen die ideologischen Verdrehungen, wie z. B. gegen die spätere Heimatschutzbewegung mit der „Blut und Boden Ideologie“ im Dritten Reich. In einem hauptsächlich auf das Subjekt bezo-genen Denkmalschutzbedürfnis wurde nicht die Vielfalt der Ansprüche einer heterogenen Gesellschaft, nicht ihre spezifischen sowie unterschiedlichen Entwicklungszustände und nicht ihre Aufnahmefähigkeit analysiert.

Einführung in den Workshop

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Auch in der Denkmalpflege geht es immer um kulturelle Identitäten, die nicht homogen sind und in mehreren Stufen gegliedert werden müssen. Bald kam man darauf, dass eine konsequente Denkmalkonservierungstheorie nur in den seltensten Fällen durchführbar ist. Relativ spät begriff man, dass wenn die Authentizität des Denkmals nur oder haupt-sächlich in seiner Materie definiert wird, dann kann diese viele kulturelle Bedürfnisse nicht befriedigen. Manchmal besteht die Authentizität in einer alten und noch immer existierenden traditionellen Funktion (wie z. B. in den asiatischen Kultobjekten), oder in der symbolischen Kraft der ursprünglichen Idee (wie z. B. im politisch beschlossenen Wiederaufbau von Polens Hauptstadt Warschau nach dem Zweiten Weltkrieg), oder in der kontinuierlichen Verwendung von historischen Handwerkstechniken (wo nicht das Material der Objekte, sondern das herkömmliche Verfahren mit ihnen im Vordergrund steht). Alles in Allem, seit der Nara-Konferenz des ICOMOS 1993 in Japan formuliert man den Begriff der Authentizität nicht mehr so homogen wie noch in der Blütezeit der Moderne zwischen etwa 1900 und 19�0, als Vergangenheit und Zukunft in der Gegenwart nach der radikalen Ablehnung des als verlogen empfundenen Historismus sauber getrennt werden konnten.

Was die drei hierarchisch angeordneten Grundbegriffe der Denkmalpflege betrifft – Kon-servierung, Restaurierung und Rekonstruktion – gilt es heute nicht mehr die Überbetonung des einen oder des anderen, sondern ihre gleichwertige vernünftige Vernetzung. („Kon-servieren“ für museale Lernzwecke wo es möglich ist, „restaurieren“ für neue Nutzungen wo es notwendig ist und „rekonstruieren“, wo historische Bedeutung und Anschaulichkeit bewahrt bleiben müssen).

Man wird die heute vorhandenen grundsätzlichen methodischen Fragen der Gartendenk-malpflege nicht richtig verstehen, wenn man diese von der Geschichte der gesamten – und lange Zeit hauptsächlich baulichen – Denkmalpflege abtrennt und quasi in einem „luft-leeren“ Raum betrachtet. Baudenkmalpflege und Gartendenkmalpflege sind grundsätzlich eins, wenn auch mit speziellen Problemen. Außerdem besteht jeder Garten immer aus einem Ensemble von raumschöpfenden toten Materialien (Architektur) und pflanzlichen Lebewesen (Vegetationskunde), die man in der methodischen Behandlung nie auseinander dividieren darf. Die Gartendenkmalpflege ist kein unabhängiges Mitglied der Gesamt-denkmalpflege. Überdies scheinen manche Argumente für eine strenge Konservierung der Pflanzenbestände in der Gartendenkmalpflege sehr ähnlich wie diese in der Baudenkmal-pflege um 1900. Allein schon deshalb musste man auf die Wurzeln der ersten modernen methodischen Diskussion bzw. auf ihre Folgen hinweisen, um heute nicht in dieselben Fehler zu fallen.

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II. Die speziellen Aspekte der Gartendenkmalpflege

Jahrzehnte lang zögerten die Denkmalbehörden Gartendenkmalschutz in den entspre-chenden Gesetzen zu verankern und Gartendenkmalpflege in Theorie und Praxis zu disku-tieren. Hauptursache war für dieses Misstrauen die Pflanze. Ihre relativ schnellere Ver-gänglichkeit, ihre Labilität in der Wahrnehmung der historischen Authentizität und ihre jahrzehntelange ungerechte Unterordnung gegenüber der aus toten Materialien bestehen-den baulichen Architektur. Diese Komponenten erschwerten den Weg zu den längst schon notwendigen Schutzmaßnahmen.

Man vergisst freilich, dass die Idee der Denkmalpflege im 18. Jahrhundert ausgerechnet in der Neubewertung der schon malerisch gesehenen Natur durch den Landschaftsgarten er-möglicht wurde. Dort war die Vergänglichkeit und deren ästhetische Wirkung ein zentrales Problem, dort war die Entwicklung statt stabiler göttlicher Ordnung eine große roman-tisch-aufklärerische Herausforderung. Auch die Idee des Ensembles – nämlich was passt oder passt nicht in der Umwelt zusammen, wurde hier erstmals diskutiert (H. Repton). Auch die Stilpluralität – dass nämlich neben der Antike auch andere und exotische Stile eine Gleichberechtigung in der „Ruhmeshalle der Künste“ haben und daher das wissen-schaftliche Interesse einem breiten Spektrum von Denkmalen gelten muss – wurde zuerst in den „toleranten“ Landschaftsgärten im Gegensatz zu den „absoluten“ Barockgärten akzeptiert und demonstriert. Denkmale und Gärten sind also ein sehr altes gemeinsames Spannungsfeld.

Die zeitliche und räumliche kulturelle Vielfalt der Umwelt authentisch, aber auch ver-ständlich sowie akzeptabel in differenzierter Form für die unterschiedlichsten sozialen Schichten der Erde auch in der Zukunft zu sichern, das ist nicht nur die Hauptaufgabe der Bau-, sondern auch der Gartendenkmalpflege. Dass dieses Ziel in den beiden Bereichen mit verschiedenen Mitteln erreicht werden kann, ist begreiflich.

In der letzten Zeit tritt eine Auffassung mit dem Anschein zu Tage, dass die Gartendenk-malpflege grundsätzlich etwas anderes als die Baudenkmalpflege sein könnte. (Lange Zeit fühlten sich die Gartendenkmalpfleger von den Baudenkmalpflegern nicht genug akzep-tiert.) Diese Tendenz ist vielleicht ein guter Antrieb für die Emanzipation der Landschafts-gestalter gegenüber den Kunsthistorikern, sie ist aber grundsätzlich falsch, denn ohne eine interdisziplinäre Annäherung, in der die verschiedenen Wissenschaften gleichrangig sind, lässt sich das Problem „Pflege und Schutz der Gartendenkmale“ nicht richtig bewältigen.

Einführung in den Workshop

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Gartendenkmal als „opera aperta“?

Die italienische Architektin Lionella Scazzosi in Mailand definierte den Garten und in der Folge auch den historischen Garten als ein offenes, ständig sich dynamisch veränderndes Werk, dessen Erhaltung dieser Prozessualität des Bestandes Rechnung tragen muss. Die sturen Grenzen zur Epochenzugehörigkeit wurden geöffnet und es sollte auch eine räum-liche Vernetzbarkeit mit der gesamten Landschaft ermöglicht werden.

Es ist zweifellos richtig, dass sich die Umwelt ständig ändert… aber wo sind die Schranken, ohne die die Bewahrung unmöglich ist? Wenn man Geschichte hauptsächlich (auch in einem Garten) in der permanenten Veränderung sieht, wie die Pflanzen dies insbesondere kräftig suggerieren, wo liegen dann die Möglichkeiten, die Erinnerung oder besser gesagt das notwendige soziale Gedächtnis für historische Gärten, die immer Ensembles von Bau-werken und Pflanzen sind, greifbar zu ermöglichen? Wenn man in einem großen Park die Veränderung der Natur (Wachstum, Absterben) als den obersten qualitätsbestimmenden Faktor der Geschichtlichkeit sieht und nicht mehr die ursprünglichen Intentionen sichtbar erhalten möchte, wo liegen dann die Möglichkeiten des Denkmalschutzes? Wozu dann die erneute Öffnung der Sichtachsen, wozu dann das „conjectural replanting“ aufgrund von Analogieschlüssen, wie dies in England mit Erfolg praktiziert wird.

Dass der prozessuale Charakter eines historischen Gartens einen großen Respekt gegen-über dem Lebewesen Pflanze abverlangt, ist klar und in den letzten Jahren mehr akzep-tiert, als bis zu den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Zu dieser Zeit erdrückte die höhere Wertschätzung der „stabilen“ Architektur den Schutz des „labilen“ sich verän-dernden historischen Gartens und führte häufig zu leichtfertigen Rekonstruktionen – diese Tatsache darf uns nicht dazu verleiten, den Begriff „Wandel“ als oberste Wertkategorie der Gartendenkmalpflege zu definieren (vgl. dazu E. A. de Jong – E. Schmidt – B. Sigel [Hg.]. Der Garten – ein Ort des Wandels, Perspektiven für die Denkmalpflege, Zürich 200� [die theoretischen Aussagen der Einleitungen] und die Gegenposition von G. Hajós, Der histo-rische Garten – ein Ort des Wandels oder ein Ort der Erinnerung? [Gefährliche Perspektiven für die Denkmalpflege], in: Die Gartenkunst (18) 2/200�, 385 - 394).

Die polarisierende Reduzierung der denkmalpflegerischen Methoden auf eine möglichst lang hinauszuzögernde „Konservierung“ (bis zum Zusammenbruch der Vegetation) einer-seits und auf eine großzügig rasch ermöglichte „künstlerische Fortsetzung“ der Gesamtan-lage andererseits (wo jede Art einer Rekonstruktion heftig abgelehnt wird) ist eine Gefahr, die sogar die Idee der gesamten Denkmalpflege bedrohen könnte.

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All das was im ersten Teil dieser Problemstellung über die Baudenkmalpflege gesagt wurde, gilt auch für die Gartendenkmalpflege: großer Respekt gegenüber der materiellen Substanz (Konservierung), aber nicht ihre grenzenlose Überbetonung in einer Gesamt-anlage – auch wenn diese sich in den lebendigen Wesen wie Pflanzen äußert – denn der historische Garten als Gesamtes ist kein Naturwerk, sondern Menschenwerk. Es zu erhalten bedeutet, nicht nur den überkommenen Bestand, sondern auch die menschlichen Zielset-zungen der Vergangenheit (die häufig verschüttet sind) für die Zukunft freizulegen und zu sichern.

Die künstlerische Fortsetzung eines Gartendenkmals

Soeben ist ein interessanter Aufsatz von Clemens Alexander Wimmer in der Zeitschrift „Die Gartenkunst“ (Heft 2/2007) mit dem Titel „Das Kreative in der Denkmalpflege“ erschie-nen, wo der Autor den schöpferischen Charakter des wissenschaftlichen Umgangs mit der Gartendenkmalpflege in den Vordergrund stellt und in seiner Bewertung feinfühlig drei Faktoren nennt: 1. den streng wissenschaftlich analytischen Weg, 2. die häufig versteckte oder verleugnete ästhetische Subjektivität der Qualitätsbestimmung und schließlich 3. die Verpflichtung, zwischen „Gut“ und „Bös“ auf einer ethischen Ebene zu unterscheiden.

Auch wenn man die (Garten)Denkmalpflege nicht mehr nur als eine pure wissenschaftliche Angelegenheit definiert, sondern sich eigentlich auf ein gesellschaftspolitisch relevantes Wertkategoriensystem beruft, darf und muss der Gegenstand „Gartendenkmal“ die Aussa-ge des Historischen nicht aus den Augen verlieren. Auch dann, wenn Vergangenheit und Zukunft in der Gegenwart unzertrennlich vernetzt sind, auch dann, wenn der Anspruch der wissenschaftlichen Objektivität auf einer ästhetischen Basis der Beurteilung vollzogen wird und schließlich auch dann, wenn ethisch-moralische Zielsetzungen von den jeweils gegenwärtigen Bedürfnissen der Gesellschaft abhängig sind – die Gartendenkmalpflege soll und muss in erster Linie eine Beschäftigung mit der Vergangenheit bleiben.

Mag Vergangenheit als abgeschlossenes Epochenkonglomerat eine Fiktion sein, muss sie doch als Erhaltungsziel im Vordergrund der (Garten)Denkmalpflege stehen. Wenn man diese Grenze ablehnt, dann sind Türen und Tore für einen Missbrauch geöffnet. So kann auch eine künstlerische Fortsetzung der Gesamtanlage (wie im Rechberggarten in Zürich) zum Erdrücken der historischen Aussagen führen und die als analytisch-objektiv dekla-rierten, auf historischen Quellen basierenden Grundlagen der Neuplanung die Rezeption des Vergangenheitscharakters letzten Endes jedoch nicht nur verfälschen, sondern auch verunmöglichen. Neuplanungen – d. h. die Fortsetzung einer historisch wertvollen Garten-anlage – müssen sich auf solche Teilbereiche beschränken, wo sie den Vergangenheitscha-rakter der Gesamtanlage nicht überspielen. Das gilt aber auch für die Konservierung: sie darf ebenso nicht wichtige Aussagen verhindern, die für die Freilegung der vergangenen Epochen unentbehrlich sind.

Einführung in den Workshop

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Zusammenfassung: die Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

Die Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege bleibt daher – neben Konservierung und Restaurierung – ein Grundpfeiler der Methodik, die in zahlreichen Bereichen sowieso respektiert und praktiziert wird: Im Mähen der Rasen- oder Wiesenflächen, in der Aus-wechslung der Blumendekorationen, im Zurückdrängen der Verwilderungen, in der Öff-nung der verstellten Sichtachsen, im Ersatz von abgegangenen Hecken und Bäumen. Aber Rekonstruktion kann ebenso wenig wie Konservierung oder Restaurierung ein Ziel für eine historische Gesamtanlage sein, sondern jeweils nur ein Ziel für die historische Verständ-lichkeit der Teilbereiche. Diese drei Vorgangsweisen müssen daher im Sinne der Gesamt-anlage historisch-wissenschaftlich, ästhetisch und ethisch von Fall zu Fall beurteilt und realisiert werden. Die höchste Ebene der Beurteilung bleibt aber in der Denkmalpflege, die Erinnerung an die Vergangenheit durch ausgewählte historische Gegenstände zu ermögli-chen und die Existenz dieser Gegenstände für die Zukunft zu gewährleisten.

Diskussionsthesen

1. Jede methodische die Denkmalpflege betreffende Überlegung muss immer ganz-heitlich unter der gleichwertigen Berücksichtigung von Bau- und Gartendenkmalpflege geführt werden. Das Zusammenspiel der toten und lebenden Materialien ist nämlich der grundsätzliche und erhaltenswerte Charakterzug jedes historischen Gartens.

2. Die drei methodischen Vorgangsweisen der Denkmalpflege: Konservieren, Restau-rieren und Rekonstruieren dürfen nie unabhängig voneinander betrachtet oder verwendet werden. Eine differenzierte komplexe Methodik ist zu wünschen und jeder Problemfall muss individuell gelöst werden.

3. Manche Formen der „Rekonstruktion“ in der Gartendenkmalpflege lösen in den meisten Fällen keine Diskussionen aus: wie die Wiederherstellung von originalen Wegefüh-rungen, die Pflanzung von epochenspezifischen Blumendekorationen („conjectural replan-ting“), oder, wie meistens begrüßt, die Öffnung der historischen Sichtachsen, etc.

4. „Rekonstruktionen“ können aber dann gefährlich werden, wenn sie ganze Anlagen betreffen und ohne vertiefte Analyse der vorhandenen Grundlagen sowie ohne kritische Quellenforschung für oberflächliche Effekte betrieben werden.

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5. Die Authentizität einer historischen Gartenanlage darf nicht nur in der Materie, sondern auch in der ursprünglichen Idee, in den traditionellen Funktionen, etc. gesehen werden (Nara Konferenz des ICOMOS 1993).

�. In der denkmalpflegerischen Behandlung von historischen Gärten muss immer auf die Vielfalt der sozialen Rezepienten (also auf die breite Gesellschaft) Rücksicht genom-men und es darf nicht angenommen werden, dass die Erhaltung dieses Kulturgutes nur für ein als homogen betrachtetes Subjekt notwendig ist. Denkmalpflege ist also nicht nur für Fachleute gedacht. Denkmalpflege betrifft überdies nicht nur die Betrachter (Touristen), sondern auch die betroffenen Benützer, Eigentümer, etc.

7. Wirtschaftliche Nutzung und ethisch einwandfreie Gartendenkmalpflege müssen nicht unbedingt gegensätzlich oder feindschaftlich sein. Kontrolliertes Marketing sichert die Erhaltungskosten.

8. Der historische Garten – als Kunst- und Kulturprodukt der Vergangenheit, also als Denkmal – ist nicht in erster Linie ein Ort des Wandels, sondern ein Ort des sozialen Gedächtnisses. Die Respektierung des Lebewesens Pflanze darf nicht dazu führen, dass ursprüngliche künstlerische oder kulturelle Intentionen der Schöpfer verunklärt bzw. zer-stört werden (vgl. „Schönbrunner Heckenstreit“). Die lange andauernde Nicht-Pflege oder falsche Behandlung (Verwahrlosung) – auch wenn sie manchmal zu neuen ökologischen Wertigkeiten führt – muss in der Gartendenkmalpflege kritisch betrachtet und im Interesse der Erhaltung des Kultur- und nicht Naturgutes korrigiert werden.

9. Die Denkmalpflege für historische Gärten verlangt daher – wie zur Zeit ihrer Entstehung – weiterhin nach einer klaren Abgrenzung zum Naturschutz, auch wenn eine Zusammenarbeit notwendig und wünschenswert ist.

10. Die künstlerische Fortsetzung einer historischen Gartenanlage ist nicht Denkmal-pflege, sondern ein Zwiegespräch zwischen Vergangenheit und Zukunft, das in Teilbe-reichen manchmal möglich oder wünschenswert sein kann. Neue Schöpfungen dürfen aber den „Vergangenheitscharakter“ des Denkmals nicht überspielen und dadurch gefährden (Rechberggarten in Zürich).

Einführung in den Workshop

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Theorie und allgemeine Überlegungen

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Sigrid Thielking

„Zum Augenblicke dürft’ ich sagen: Verweile doch, du bist so schön.“ 1

Gedanken aus einem anderen Fach

0. Vorbemerkung Da in dem vom CGL verschickten „Call for papers“ ausdrücklich der Blick auf Ansätze aus benachbarten Disziplinen erbeten worden ist, nehme ich das als Lizenz hier im Blick auf Schnittstellen zu meiner Disziplin der Literaturwissenschaft, genauer der Literaturge-schichte und der ‚öffentlichen Didaktik’, ein paar Anregungen zum Thema „Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege“ beizutragen.

1. Darstellungstreue versus „permanente Umbaulandschaft“ 2

In meinem Bezugsfach würde der Diskurs über Dauer und Wandel zwischen den Positi-onen von Werk- und Darstellungstreue (Historisch-kritische Ausgaben/ Ausgaben letzter Hand) einerseits und den Optionen notwendiger Bearbeitungen hinsichtlich zu schaffender Spielräume und flexibler Leser-Navigationen (Leseausgaben, Bearbeitungen, Kürzungen) andererseits3 anzusiedeln sein; die Literaturwissenschaft spricht im letzteren Fall vom ‚Heer der Kommentare’, das die Kommunikate ergänzt und zuliefert, gerade um litera-rische Werke vital und anschlussfähig zu halten.4 In den Debatten um die Sinnhaftigkeit von Kanones und ihrer Veränderbarkeit spielt die Frage, wann und wodurch überhaupt Authentizität gewährleistet ist, eine bestimmende, freilich mit Kategorien wie Aktualität, Exemplarität oder Wirkungsmächtigkeit bis dato ungeklärte Rolle.5 Wichtiger scheint die Unterscheidung von materialen Kanonbeständen (Was gehört der Grundsicherung halber hinein?) und variablen Deutungskanones (Wie gelangen welche hinein/hinaus und welche funktionalen Modellierungen von Kultur setzen sich damit durch).� Literaturgeschichtlich – und vermutlich auch hortikulturgeschichtlich - betrachtet fasziniert dabei gerade letzte-res: das Wechselspiel von De- und Rekanonisierung, in seiner signifikant unabschließbaren Prozesshaftigkeit und Teilhabe.

2. Verschiebung zu Freiraumkomponenten Der jetzigen Kontroverse entnehme ich einen deutlichen Nachholbedarf in der Vermittlung einer genuinen Gartendenkmalpflege, die hier u.a. auf einer angemessenen Akzentuierung und Wiederentdeckung verschollener bzw. von Vergessenheit bedrohter Pflanzenbestände und einer Kenntnis und Akzeptanz der entsprechenden Behandlungstechniken bestehen muss. Mit der Stärkung einer „vegetabilen Architektur“7 kann möglichen Ungleichzei-tigkeiten und Schieflagen, die etwa traditionell vom Gebäudeerhalt ausging und ihn vor eine Bedeutung von Pflanzenrekonstruktionen setzte, begegnet und ggf. eine umkehrende Akzentverschiebung erreicht werden.

Theorie und allgemeine Überlegungen

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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So können schließlich in integrativer Absicht die rekonstruierte Pflanzenverwendung und die zugehörige Sukzession der Pflegemaßnahmen, Praktiken, Kulturtechniken zugleich auch wieder essentiell wahrgenommene Teile der künstlerischen Fortsetzung im Rahmen ganzheitlicher Erinnerungspflege werden. Erst durch diese Wahrnehmung von Beidem, Bepflanzung und Gebäude im Ensemble, wird der Habitus als Gesamtbestand wahrgenom-men und als Zusammenklang optimal nutz- und erforschbar. Bis das der Regelfall ist, sollte die vegetabile Architektur einen besonderen Stellenwert im „Prozess der denkmalgerechten Revitalisierung“8 einnehmen.

3. Paradoxon: Präpariertheit jeder DenkmalpflegesituationHistorische Gärten stellen sich als ‚dichte Denkmalskonvolute’ insofern der besonderen Herausforderung ihrer offenen, prozessualen Dokumentations- und Kommentierungs-bedürftigkeit wegen (darin den „Supertexten“ in meinem Fach vergleichbar). Sie werden dabei nicht allein als abgeschlossene, museale Orte des sozialen Gedächtnisses gegenüber vergangenen Epochen und ihren Distinktionsmustern aufgefasst, sondern müssen darüber hinaus immer neue Vermittlungsqualitäten aufweisen. Die Tatsachen der fortwährenden Überschreibungen, Palimpsestbefunde9 und auch ständigen Verluste verwischen das ein-deutige Rekonstruktionsergebnis und bewahren das Denkmalsensemble nicht per se schon vor der Ignoranz des jeweils scheinbar temporär Gegenwärtigen, auch wenn Robert Musils ketzerische Anspielung trösten mag, dass nichts dem Passanten letztlich so unauffällig und ephemer bleibt wie ein noch so prononciert platziertes Denkmal.10 Das lenkt m.E. den Blick auf die Mechanismen und die Relevanz der Rezeptionsgeschichte(n) von Gärten und Parks.

4. Nutz(ge)nießer oder Plädoyer für eine literaturgestützte Gartendenkmalpflege Interessant wäre nicht nur aus Sicht der Literatur eine Untersuchung der heterogenen Zielhorizonte und Interessengruppen in ihren mannigfachen Adressatenbezügen. Wie die Befragung Lieskes11 nach dem unterschiedlichen Rollenverständnis aller Beteiligten am Prozess andeutet, gilt sicher auch: Wer weiß von wem und fragt den/die Nutzer bzw. verschiedenen Nutzergruppen, die eine viel zu wenig bekannte, angehörte und dokumen-tierte Größe darstellen? Es bedarf dazu m. E. auch einer Einbeziehung des nicht unerheb-lichen Wandels von Rezipienten und deren Vermittlereigenschaften gegenüber Gärten und Parks.12 Hier könnte ein weiterer Teilbereich einer Wirksamkeitsforschung seinen Platz finden, und historisch wie aktuell ein Desiderat füllen helfen. Hier könnte sogar im Sinne der Markierung von Schnittstellen ein Nachdenken über Formen und Wirkungsweisen einer ‚Öffentlichen Didaktik’, etwa in der Vermittlung zwischen Hortikultur und literarischer Überlieferung, ansetzen, letztere zählt immerhin zu den ältesten und erfolgreichsten Wis-sensformationen. Wenn die m. E. zutreffende These aufgestellt wurde, Gartendenkmäler dürften „nicht nur für wissenschaftliche Untersuchungen zur Verfügung stehen, sondern müssen auch der breiten Gesellschaft dienen, die diese akzeptieren und verstehen muss“, 13 dann gilt es, gerade auf das sich ändernde Verständnis, das produktive Spannungsverhält-

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nis von Geschichtlichkeit und Gegenwärtigkeit, auch in der Freiraumbenutzung einzu-gehen. Über deren Strategien einer ‚Anverwandlung’ oder auch deren Ausbleiben könnte mehr gewusst werden. Flankierend könnte hier die Überlieferung durch Literatur (samt ihrer Kommunikate) zu verschiedenen Verweilaspekten, zum Verständnis von Begehdispo-sitionen und Genießerlagen sowie von didaktischer Vorspurung, Gebrauchsfunktion und Verstehen von Anlagen sicher auch für Gartendenkmalkonzepte selbst wiederum dienlich sein.

5. Die anderen Mitrekonstrukteure - Atlas der literarischen GärtenAuch die Vorstellungen und Imaginationen zu komplexen Gartenwahrnehmungen inner-halb der Literatur, die in Kenntnis (Befürwortung wie Reibung) der realen entstanden sind, wären kartierbar und - wie die tatsächlich vorhandenen - in ihren Geschichten rekonstru-ierbar. Für ein vergleichbares Projekt, wie es etwa der ‚Atlas der Literatur’ darstellt, hat sich Ingeborg Bachmann bereits Ende der 50er Jahre in ihrer Frankfurter Poetik-Vorlesung stark gemacht:

„Weil der Dichtung in Glücksfällen Namen gelungen sind und die Taufe möglich war, ist für die Schriftsteller das Namensproblem und die Namensfrage etwas sehr Bewegendes, und zwar nicht nur in bezug auf Gestalten, sondern auch auf Orte, auf Straßen, die auf dieser außerordentlichen Landkarte eingetragen werden müssen, in diesen Atlas, den nur die Literatur sichtbar macht. Diese Landkarte deckt sich nur an wenigen Stellen mit den Karten der Geographen. […] und alle zusammen ergeben sie ein Netzwerk, das reicht von Delphi und Aulis bis Dublin und Combray, von der Rue Morgue bis zum Alexanderplatz und vom Bois de Bologne bis in den Prater: die Wüste von T.E. Lawrence und der Himmel, den Saint-Exupéry beflogen hat, [….]“. 14

So gesehen ginge es, zugespitzt gesagt, sogar um die Entwicklung und Erweiterung ge-meinsamer Pflegeabsichten von Literaturgeschichte, öffentlicher Didaktik und Garten-denkmalpflege! Gerade berühmte Gärten und ihre „Namentlichkeit“, also die Verselb-ständigungen, der durch sie ausgelösten und in Literatur aufbewahrten und Ausdruck gefundenen Assoziationen, und auch die Verfestigungen hinsichtlich von Legendenbil-dungen in der Literaturgeschichtsvermittlung wie der Gartenkulturgeographie gehören zusammen und erzeugen verbindende, wenn auch variable kulturelle Vorstellungsgehalte. Da gibt es diejenigen, die man ihres Namens oder besonderen medialen Präsenz wegen zu kennen glaubt und die, die die besuchsweise als Vorbilder autopsiert wurden, da gibt es die, die gänzlich unaufgesucht, ‚übersehen’ und unerkannt bleiben, bis sie verschollen sind. Mit welchem Fall könnte sich die Gartendenkmalpflege im Verbund mit einer einschlä-gigen Praxis öffentlicher, literaturgestützter Kulturvermittlung befassen? Mit allen!

Theorie und allgemeine Überlegungen

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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5. Mitrekonstrukteure en passantAuch die Berücksichtigung der Gartenbesucher, Reisenden und kulturellen Spaziergänger sollte nicht, wie derzeit häufig der Fall, den Incentives der Tourismusexperten und Eventaustattern vorbehalten und überlassen bleiben. Die fortgesetzten ‚Erzählungen’ einer Gartenkunst - denn nichts anderes als eine ‚Große Erzählung’ in Permanenz und Wandel ist ja Kultur -, die verborgenen, mitzudenkenden, zu komplettierenden Geschichten der re-alen Wahrnehmung und der Imaginationsräume sichtbar zu machen; das spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle für die gelingende Vermittlung und Vergewisserung eines anhal-tenden Interesses an Gärten und Parks. Ein kleines Beispiel pro domo: wenn im 19. Jh. der spätere Herausgeber der „Neuen Rundschau“, Julius Rodenberg, wiederholt durch die Her-renhäuser Alleen schlendert und darüber schreibt, gehört er ebenso zum Gesamtensemble, das diese sich wandelnde Gartenformation kulturell mitprägte und zu rekonstruieren wäre.

Wenn er als Mehrfach-Besucher die frischen mit den alten Eindrücken in dem Reisebüch-lein „In deutschen Landen. Skizzen und Ferienreisen“ zu dem Kapitel „Wanderungen im Lande der Welfen“ amalgamiert15, dann verknüpft er darin gewandelte Sichtweisen und rekonstruiert diese wiederum im Medium der Literatur demjenigen, der nun Text und Gar-tenansicht am Schauplatz heute – etwa in einem Seminar - zugänglich gemacht findet. So ergibt sich ein GEFLECHT, das typisch ist für die dynamische Entwicklung von literarischem Lernen am Kulturgegenstand Gärten/Parks.1� Und es ergibt sich daraus eine zu leistende lebendige und anhaltend eröffnete, weil eigene verknüpfende Rekonstruktionsarbeit! Auch solche Aspekte einer authentischen Triangulation von Literaturwissen, Öffentlichkeitsar-beit und Erfahrung von Hortikultur als Teil der gegenwärtigen, mitschreibbaren Kulturge-schichte mit einzubeziehen, mag sich eine Gartendenkmalpflege, die über ‚Rekonstruktion’ diskutiert und Erfahrungsräume der Gartenkunstkultur würdigt, nicht entgehen lassen.

-*Nota bene

Beeindruckt hat mich bei der Lektüre der Perspektivschrift „Der Garten – ein Ort des Wandels“ gerade Cord Pannings Plädoyer für mehr „Gelassenheit“.17 Sein Beitrag über die „gärtnerische Auseinandersetzung mit dem Wandel“18 zeigt das Bündel der nicht leicht vermittelbaren Aspekte einer wenig bekannten Gartendenkmalpflege (unpopuläres, aber notwendiges Kappen, Plentern, Auf-den-Stock-setzen, Fällen für den Erhalt und das Fort-leben eines gartenkulturellen Bestandes) - und dies auch und gerade im Sinne des (s.o.) literaturförmig vermittelten Wissens über diesen Park und darüber, dass der schöne Au-genblick (weder in der Gartendenkmalpflege noch in der „Literaturvermittlungspflege“) auf Dauer, durch Rekonstruktion welcher Art auch immer, ganz festzuhalten ist.

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1 Johann Wolfgang von Goethe: Faust, 2. Teil, Akt V. 2 Vgl. Sigrid Thielking: „Didaktik einer Literaturgeschichte als permanente Umbaulandschaft. Das Beispiel ‚Poetischer Realismus’“. In: Der Deutschunterricht [Themenheft: Literaturgeschichte entdecken] 55. Jg. (2003) �, S. 44-53. 3 Vgl. Sigrid Thielking: „Klassiker-Navigationen? Literaturerwerb mit Kompromissen“. In: Literatur im Unter-richt. Texte der Moderne und Postmoderne im Unterricht. 5. Jg. (2004) 2, S. 102-114. 4 Vgl. Karlheinz Fingerhut: „Die Herrschaft der Kommentare. Über das Verhältnis literarischer und literatur-wissenschaftlicher Texte im Deutschunterricht“. In: Bodo Lecke (Hg.): Literaturstudium und Deutschunter-richt auf neuen Wegen. Frankfurt am Main: Lang, 199�, S. 51-�9. 5 Vgl. Harro Müller-Michaels: „Kanon – Denkbilder für das Gespräch zwischen den Generationen und Kul-turen“. In: Mitteilungen des deutschen Germanistenverbandes (199�) 3, S. 44-51. � Vgl. stellvertretend für eine Fülle von Titeln hier Renate von Heydebrand (Hg.): Kanon Macht Kultur. Theoretische, historische und soziale Aspekte ästhetischer Kanonbildungen. Stuttgart Weimar: Metzler, 1998. – Vgl. Hermann Korte: Historische Kanonforschung und Verfahren der Textauswahl. In: Ders./ Klaus Bogdal (Hg.): Grundzüge der Literaturdidaktik. München: dtv, 2002, S. �1-77. 7 Géza Hajós: „Der historische Garten – Ein Ort des Wandels oder ein Ort der Erinnerung? Gefährliche Per-spektiven für die Denkmalpflege“. In: Die Gartenkunst 18. Jg. (200�) 2, S. 394. 8 Cord Panning: „Gärtnerische Auseinandersetzung mit dem Wandel“. In: Erik A. de Jong/ Erika Schmidt/ Brigitt Sigel (Hg.): Der Garten – ein Ort des Wandels. Perspektiven für die Denkmalpflege. Zürich: vdf Hoch-schulverlag, 200�, S. �5. 9 Vgl. Erika Schmidt: „Wandel und Erhaltung von Denkmalwerten“. In: Der Garten – ein Ort des Wandels…, S. 49. 10 Vgl. Robert Musil: „Denkmale“. In: Gesammelte Werke. Bd. 7. Hg. von Adolf Frisé. Hamburg: Rowohlt, 1981, S. 50�. 11 Heiko Lieske: „Wandel im Garten und Denkmalpraxis. Die Meinung der Akteure“. In: Der Garten – ein Ort des Wandels…, S. 7�ff. 12 Vgl. John Dixon Hunt: „Pädoyer für eine Rezeptionsgeschichte von Gärten“. In: Michael Rohde/ Rainer Schomann (Hg.): Historische Gärten heute. Leipzig: Seemann Henschel [2003], 2. Aufl. 2004, S. 38-41. 13 Géza Hajós: Der historische Garten…, S. 392. 14 Ingeborg Bachmann: „Der Umgang mit Namen“. In: Werke. Bd. 4. Hg. von Christine Koschel/ Inge von Weidenbaum/ Clemens Münster. München Zürich: Piper, 1993, S. 239. 15 Vgl. Julius Rodenberg: „Wanderungen im Lande der Welfen“ (1871). In: Ders.: In deutschen Landen. Skizzen und Ferienreisen. Leipzig: Brockhaus, 1874, S. 187-215. 1� Vgl. Sigrid Thielking: „Gartenlust zwischen Skulpturenkunst und literarisierter Hortikultur. Von Fantasie- und Lernorten im Stadtpark Lahr“. In: Kunstfreude Lahr e.V.: „Genius loci“ – Kunst und Garten. Katalog zu einem Projekt im Stadtpark Lahr/Schwarzwald. Eggingen: Edition Isele, 2003, S. �3-77. 17 Cord Panning: „Gärtnerische Auseinandersetzung…“, S. �5. 18 Vgl. ebd., S. 57ff.

Theorie und allgemeine Überlegungen

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Rainer Schomann

Der Versuch, sich ein Bild von etwas nicht mehr Vorhandenem zu machen

In der heutigen fachlichen Diskussion über Rekonstruktionen in der Gartendenkmalpflege werden diese eher als etwas Verbotenes behandelt und mit dem Hinweis auf Artikel 17 der Charta von Florenz der Gedanke an eine Rekonstruktion nahezu erstickt. Obwohl mit Artikel 15 dieser Charta eine kleine Hintertür offen gehalten wurde, indem man ein-schränkend formulierte: „Jede Restaurierung und mehr noch jede Rekonstruktion eines historischen Gartens darf erst nach Abschluß einer gründlichen Untersuchung, die von Durchsicht und Sammlung aller diesen Garten und vergleichbare Anlagen betreffenden Dokumente ausgeht, in Angriff genommen werden, so daß der wissenschaftliche Charakter des Eingriffes sichergestellt ist“1 , wird das Rekonstruieren tabuisiert. Sehen wir jedoch die Realität im heutigen Umgang mit historischen Gärten, so können wir allerorten zumin-dest Teilrekonstruktionen finden, die nur schwerlich unter dem Begriff Restaurierung als zurückhaltende Ergänzung gerechtfertigt werden können und schon gar nicht als Instand-haltungs- oder Konservierungsmaßnahmen zu bezeichnen wären. Gerne wird auch heute noch die angebliche geringe Lebensdauer des Pflanzenmaterials als Rechtfertigung für die Wiederbepflanzung angegeben und gleichzeitig vieles Nichtpflanzliche in die Vertikale erhoben. Es besteht insofern ein Widerspruch zwischen der Theorie und der Praxis, dem sich Verpflichten, nicht zu rekonstruieren und dem Umstand, doch offensichtlich immer wieder rekonstruieren zu müssen. Die Gründe hierfür wären nicht nur zu erfragen, sondern verpflichtend dem theoretischen Versagen von Rekonstruktionen gegenüberzustellen, um die Ursachen für diesen Widerspruch untersuchen, erklären und vielleicht lösen zu können. Die Charta von Florenz hat die Rekonstruktion nicht untersagt, sie hat sie relativiert und das Ergebnis benannt, indem es als nicht authentisch erkannt wurde und somit nicht als historisch zu bezeichnen wäre .2

Wo liegt nun eigentlich das Problem unserer derzeitigen Haltung gegenüber der Rekon-struktion? Können wir Ursachen für einen Widerspruch finden, der ganz offensichtlich ist? Kann tatsächlich eine dogmatische Ablehnung von Rekonstruktionen, wie sie vielfach geäußert wird, gerechtfertigt werden? Viele Aspekte wären hier zu klären, um diese Fragen einigermaßen gründlich beantworten zu können. Mir erscheint in der ganzen Diskussion vor allem die Frage nach einer Definition des Begriffes Rekonstruktion von Bedeutung zu sein und damit zusammenhängend die Frage, was unter Rekonstruktion überhaupt ver-standen wird, wenn sie im historischen Garten zur Anwendung kommt. Man mag hier entgegnen, dass dieses doch klar sei, aber schon die parallele Nennung von Begriffen wie Wiederherstellung und Wiederaufbau oder Rückverwandeln und Nachbilden zeigt, dass heute differenziert wird und unterschieden werden soll. Interessanterweise erklärt der Du-

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Theorie und allgemeine Überlegungen

den die Rekonstruktion mit „das Wiederherstellen, Wiederaufbauen, Nachbilden3“ . Brock-haus’ Konversationslexikon von 1894 nennt auch lediglich die Entsprechungen „Wieder-aufbau“ und „Wiederherstellung“ und beschreibt das Rekonstruieren als „etwas nicht mehr Vorhandenes wiederherstellen, neu errichten“ .4

In Brockhaus’ Enzyklopädie von 1992 ist die Rekonstruktion in der Denkmalpflege als „die Wiederherstellung des ursprüngl(ichen) Zustandes untergegangener oder nur in wenigen Teilen erhaltener Kulturdenkmäler“5 erklärt. Ein gewisser Wandel in der Definition bzw. in dem, was unter Rekonstruktion verstanden wird, ist hier zu bemerken. Im Lexikon der Kunst wird der Begriff auf das lateinische reconstruktio, die Wiederzusammenfügung, zurückgeführt und mit „die tatsächl(iche) oder auch nur zeichner(ische) Wiederherstel-lung eines verlorengegangenen ursprüngl(ichen) Zustandes von Werken der bild(enden) Kunst, der Architektur, der Garten- und der Stadtbaukunst oder eines techn(ischen) oder hist(orischen) Denkmals“� erläutert. Ganz offensichtlich war man hier bemüht, auch noch Methoden zu nennen und damit deutlich zu machen, dass es Formen von Rekonstrukti-onen gibt, zwischen denen zu unterscheiden ist. Diese wenigen Erläuterungen zeigen, dass im Grunde unter Rekonstruktion etwas Ähnliches verstanden wird, doch kommt ebenfalls sehr gut zum Ausdruck, dass dieser Begriff nicht mehr einfach mittels einer Übersetzung erklärt werden kann. Gerade jene Begriffe, die in der Fachliteratur zur Gartendenkmal-pflege zur Differenzierung oder in der Praxis der Gartendenkmalpflege zur Abgrenzung verwendet werden, sind hier zur Beschreibung herangezogen worden. Auch wird deutlich, dass sich mit der Entwicklung der Anwendung des Begriffes in der Kunstgeschichte und Denkmalpflege der Versuch einer erläuternden Beschreibung verstärkt. Meinem Erachten nach ist Rekonstruktion letztendlich als Vorgang zu bezeichnen, der einen Versuch dar-stellt, sich von etwas nicht mehr Vorhandenem ein Bild zu machen, es in geeigneter Form und Weise darzustellen. Mehr kann es nicht sein und aus diesem Grunde trifft es vermut-lich auch auf Kritik.

Die Verfasser der Charta von Venedig haben den Begriff Rekonstruktion außer im Zusam-menhang mit Ausgrabungen in Artikel 15 nicht genannt. Für sie vermitteln die Denkmäler als lebendige Zeugnisse jahrhundertelanger Traditionen der Völker der Gegenwart eine geistige Botschaft der Vergangenheit. Die Menschheit habe die Verpflichtung, kommenden Generationen die Denkmäler im ganzen Reichtum ihrer Authentizität weiterzugeben.7 In diesem Rahmen hat die Rekonstruktion tatsächlich keinen Platz, wenn sie das Überkom-mene ersetzen sollte, also für die definierte historische Substanz etwas materiell Neues und gestalterisch Anderes stellt. Es geht letztendlich darum, dass die Rekonstruktion als Mittel des Erhalts nicht funktioniert. Die Rekonstruktion befriedigt andere Interessen, die im Zusammenhang mit Denkmalpflege stehen können, doch häufig mit ihr auch gar nicht mehr in Verbindung zu bringen sind. Wenn es tatsächlich um die Zeugnisse der Vergan-genheit geht, dann sollte Rekonstruktion als Methode in ihrer Vielfältigkeit von Vermitt-lungsmöglichkeiten, aber auch in ihrer Begrenztheit gesehen werden. Eine Verteufelung

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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erschließt sich daraus nicht. Vielmehr sollten die Möglichkeiten der Anwendung bezeich-net und damit die Rekonstruktion als Methode gerade in diesen Möglichkeiten legalisiert werden.

Das Für und Wider die Rekonstruktion ergibt sich aus unterschiedlichen Zielen des Um-gangs mit dem Denkmal und vor allem einer unterschiedlichen Definition des Denkmals. Solange die Reste eines Objektes als ein Ganzes, ein Vollständiges, und als das Ehemalige gedacht und definiert werden und nicht als das, was sie sind, nämlich etwas Überkom-menes mit Dokumenteigenschaften und ein Potential an Informationen, wird die Rekon-struktion etwas Problematisches bleiben. Das Dilemma ergibt sich aus dem Umstand, dass die Qualität letztendlich in dem Rekonstruierten gesehen wird und dem Bedauern über den Verlust von Substanz oder die mangelnde Vollständigkeit des Objektes mit einem Ersatz begegnet werden muss. Wenn es jedoch gelingt, die Qualitäten des Überkommenen zu ver-mitteln, auch indem zwischen Erhaltenswertem und nicht Erhaltenswertem differenziert wird, bedarf es nicht mehr der Absicht, ein Bild von einem vermutlich ehemaligen Zustand an Ort und Stelle anbieten zu müssen.

1 ICOMOS/IFLA: Charta von Florenz – Charta der historischen Gärten, in: Deutsches Nationalkommitee für Denkmalschutz (Hg.), Denkmalschutz – Texte zum Denkmalschutz und zur Denkmalpflege, (Schriftenreihe des Deutschen Nationalkommitees für Denkmalschutz Bd. 52), Bonn 199�, S. 152. 2 Wie 2, doch S. 150 – 152. 3 Duden, Bd. 5 1974, S. �24. 4 Brockhaus’ Konversationslexikon in 1� Bänden, 13. Bd. Leipzig, Berlin und Wien 1894, S. 755. 5 Brockhaus Enzyklopädie in vierundzwanzig Bänden, 19. Aufl., Bd. 18, Mannheim 1992, S. 254. � Lexikon der Kunst, Bd. �, Leipzig 2004, S. 98. 7 ICOMOS: Charta von Venedig – Internationale Charta über die Konservierung und Restaurierung von Denkmälern und Ensembles, in: Deutsches Nationalkommitee für Denkmalschutz (Hg.), Denkmalschutz – Texte zum Denkmalschutz und zur Denkmalpflege, (Schriftenreihe des Deutschen Nationalkommitees für Denkmalschutz Bd. 52), Bonn 199�, S. 55.

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Theorie und allgemeine Überlegungen

Harald Blanke

Interpretation und NeufassungZur Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege und anderswo

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege sei im Folgenden die Bezeichnung für den teilweisen oder gänzlichen Wiederaufbau einer untergegangenen Gartenanlage an ihrem historischen Standort zum Zweck der Neuinszenierung der ihr zugrundeliegenden Gestal-tung. Eine Rekonstruktion nach obiger Definition ist keine Denkmalpflege im Sinne reiner Substanzpflege. Wenn sich der Umgang mit einem Kulturdenkmal allein auf Substanzpfle-ge beschränken würde, wäre sie als denkmalpflegerische Methode unzulässig. Die Diskus-sion ihrer Zulässigkeit ist abhängig von grundsätzlichen Fragen der Denkmalpflege wie a) der Frage nach der Abhängigkeit des Denkmals von der Originalsubstanz bzw. der Möglich-keit einer Wertträgertransformation und b) von der parallelen Bewertung eines Denkmals z.B. als Kunstwerk und der Frage nach der Zulässigkeit einer Wiederholung im Sinne einer Neuinszenierung.

Die wissenschaftlichen wie auch juristischen Definitionen eines Kulturdenkmals bemü-hen in aller Regel eine Reihe sogenannter Denkmalwerte, deren gedankliche Verbindung mit einem konkreten Objekt diesem Denkmaleigenschaft zuwachsen lassen. Das Objekt selbst verändert sich nicht, wenn es als Denkmal erkannt oder zum Denkmal erklärt wird. Der Denkmalschutz ist dennoch ein aktiver Eingriff auf der planerischen Ebene, da in aller Regel bestimmte Entwicklungsmöglichkeiten des Objekts für die Zukunft ausgeschlossen werden. Wird das Objekt wider Erwarten vernichtet, verschwindet jedoch nicht automa-tisch das mit den Denkmalwerten verknüpfte Bild des Objekts im kollektiven Gedächtnis, vielmehr kann der Wunsch entstehen, eine Rekonstruktion durchzuführen.

Die Frage, die sich hinsichtlich einer Rekonstruktion stellt, ist, ob die vorhandene Überlie-ferung eines untergegangenen Objekts allein eine neuerliche Verdinglichung rechtfertigen kann. Hermann Wirth benutzt in diesem Zusammenhang den bereits genannten Begriff der Wertträgertransformation.1 Dieser Begriff ist aus der Frage abgeleitet, ob bestimmte Denkmalwerte substanzgebunden sind oder nicht. Die hier berührte Thematik findet sich in verwandter Form auch in der Klassifizierung verschiedener Kunstgattungen wie sie Egon Fridell in der Kulturgeschichte der Neuzeit oder z.B. Thurston Dart im Anfangskapitel seiner PRACTICA MUSICA bietet:Die Künste können eingeteilt werden in eine Anzahl verschiedenartiger Richtungen. Eine zutreffende Unterscheidung möchte etwa die sein zwischen visuellen Künsten: Malerei, Bildhauerei, Architektur, Mimik-, akustischen Künsten, Musik, gesprochene Dichtung - und

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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denjenigen Künsten, die aus einer Vereinigung dieser beiden hervorgehen: Rhetorik, The-ater, Oper, Ballett. Andererseits können die Künste auch eingeteilt werden in solche, die durch einen einmaligen Schöpfungsakt entstehen: Bildhauerei, Architektur, Film - und solche, die stets wieder neu zu erfolgender Nach-Schöpfung (re-creation) rufen. So ergibt sich, daß jede Wiedergabe, sei es eines Theaterstückes, eines Tanzes oder eines musika-lischen Werkes, eine unverwechselbare Erscheinung für sich selbst darstellt. Sie mag dabei zwar einer anderen Interpretation ähnlich sehen, ist aber mit dieser niemals indentisch.2

Die zweite Einteilung der Kunstgattungen ist für die Frage nach der Zulässigkeit einer Rekonstruktion von besonderem Interesse. Wenn tatsächlich ein einmaliger Schöpfungsakt konstituierend für ein Objekt ist, dann verbietet sich eine Wiederholung von selbst. Die hierzu von Dart vorgenommene Abgrenzung entlang der Gattungsgrenzen erscheint jedoch nicht ausreichend durchdacht und soll daher durch die folgende Überlegung ergänzt wer-den:

Ein einmaliger Schöpfungsakt liegt vor, wenn Planung und Ausführung in einer Hand liegen und die Ausführung zum Zeitpunkt der Entstehung wesentlichen Anteil an der künstlerischen Aussage des Objektes hat. Einleuchtende Beispiele finden sich hier auf dem Gebiet der Bildhauerei und der Malerei. In der Architektur und auch in der Gartenkunst sind diese Prozesse in aller Regel voneinander getrennt, was die Reproduzierbarkeit einer Planungsidee prinzipiell ermöglicht.

In der Regel wird davon bloß kein Gebrauch gemacht, weil die Idee und die hierzu notwen-dige Überlieferung nicht mehr vollständig sind, die äußeren Umstände dies nicht ermög-lichen (der Standort ist besetzt) oder exorbitante Kosten ebenso wie der zu betreibende technische Aufwand dies verhindern. Daß im Bereich der Architektur generell in beliebigen Reproduktionszahlen gearbeitet werden kann, zeigt jedes aus dem Katalog bestellbare Fer-tighaus im Ganzen und jedes seit dem Beginn der frühen Hochkulturen in Serie gefertigtes Bauelement im Detail.

Eine Rekonstruktion eines Bauwerks oder eines Gartens ist natürlich eine sich vom Original unterscheidende Interpretation ganz in dem von Dart oben für Musik, Tanz und Theater gebrauchten Sinn. Das Interpretatorische ergibt sich aus dem immer vorhandenen zeit-lichen Abstand ebenso wie aus dem in aller Regel vorhandenen hypothetischen Anteil in der Neuausführung.

Dem Verdikt, daß man auf Rekonstruktionen zu verzichten habe, weil damit die Geschichte verfälscht werde und man ja ohnehin gefälligst zeitgemäß modern bauen solle - bzw. der Stilisierung des Entwurfs im Denkmal zur neuerdings anspruchsvollsten gestalterischen Herausforderung infolge des Rückgangs anderer Möglichkeiten ist Folgendes zu entgegnen:

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Theorie und allgemeine Überlegungen

Zunächst einmal zur Fälschung von Geschichte. Der eigentliche Ablauf der Geschich-te kann nicht gefälscht werden. Geschichtsschreibung hingegen ist im glücklichen Fall wissenschaftlich geleitete Auswahl und Deutung. Denkmalschutz ist darauf folgend eine Form des aktiv deutenden Eingriffs in die Zeugnisse der Geschichtschreibung. Geschichts-fälschung im Sinne ideologisch motivierter Umdeutung der Geschichte bzw. ihrer Sach-zeugnisse setzt meinem Verständnis nach zu ihrem Gelingen die Abwesenheit der Debatte voraus. Wie das Beispiel des Großen Gartens in Hannover-Herrenhausen oder des Parterres von Augustusburg in Brühl zeigen, ist es in unserer Gesellschaft auch nach Jahrzehnten sehr wohl möglich, Maßnahmen der Rekonstruktion und Instandsetzung als solche zu tra-dieren und aktuell zu bewerten.

Nun die Moderne: Muß man modern sein? Muß man an sinnvollen Fortschritt in der Stilgeschichte glauben und von wem, warum und seit wann ist jeder abgelegte Stil mit einem Tabu belegt? Letztlich doch von der Moderne und ihren Apologeten selbst, die sich auf dieses Weise das prae ihrer eigenen elitären Vorstellungen gesichert haben. Dies ist am vollständigsten in der Baukunst gelungen, moderne Musik hört längst nicht jeder. Hier existiert ungefähr seit Anbruch der Moderne ein Gemisch von alter, neuer, E- und U-Musik in verschiedensten Ausprägungen nebeneinander. Beethovens Neunte wird frei von allen Verdächtigungen aufgeführt, ob werkgetreu oder nicht ist eine Frage der Interpretation und des Geschmacks. Warum soll man also in der Denkmalpflege in Grabenkämpfe verfal-len und bestimmte Herangehensweisen - so sie denn möglich erscheinen - von vornherein ausschließen? Letztlich ist es eine Frage des Diskurses, ob man bei einem Denkmal eine Rekonstruktion und damit eine Interpretation einer modernen Neufassung vorzieht oder nicht. Wenn die Moderne überzeugen kann, wäre ich der letzte, der in solch einem Fall rekonstruieren wollte.

1) Vgl. Hermann Wirth: Rekonstruktion, Wiederaufbau, Nachbau, Kopie - Infragestellung und Rechtfertigung Denkmalpflegerischer Anliegen, in: Hausbau in Belgien (Jahrbuch für Hausforschung, Band 44), Marburg 1998, S.253.2) Thurston Dart: PRACTICA MUSICA - Vom Umgang mit alter Musik, Bern und München 1959, S.7.

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Clemens Alexander Wimmer

Drei Hauptkomponenten in der Behandlung von historischen Gärten

Die Behandlung historischer Gärten erfolgt, obwohl dies gern verschwiegen wird, nicht allein nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten. Sie hat vielmehr drei Hauptkomponenten, die getrennt zu bewerten sind:

1) Der wissenschaftlich-technische Teil. Er soll wissenschaftlich-technisch bewertet werden. Hier ist ein Richtig und Falsch möglich. Maßgeblich ist der Stand der Forschung.2) Der künstlerische Teil soll mit ästhetischen Methoden bewertet werden. Hier ist ein Gut und Schlecht möglich. Dieser Teil der Bewertung ist der schwierigste und individuellste.3) Eine ethische Bewertung nach Gut und Böse soll nach den Grundsätzen der Denk-malethik erfolgen. Diese sind in einer Ergänzung der Charta von Florenz in verfeinerter Form festzulegen.

Für die eigene Entscheidungsfindung wie für die Überzeugung der Öffentlichkeit ist es bes-ser, die wissenschaftlichen, ästhetischen und ethischen Argumente analytisch zu trennen, als sie zu vermischen. Dies kann dazu beitragen, die Positionen zu klären und unnötigen Streit vermeiden.

Der Denkmalschutz muss sich der Aufgabe der ästhetischen Analyse und Diskussion stellen. Die Beurteilung und den Schutz von herausragender Kunst kann der Denkmalschutz nur wahrnehmen, wenn er sich die Instrumente der Ästhetik in Sinne von Kunstanalyse und die Instrumente der Kunst selbst zu eigen macht. Mit ihren Argumenten hat er die Wirkungs-weise (traditionell das „Gute“ und „Schlechte“, das „Originelle“ und „Durchschnittliche“) eines Entwurfs zu begründen. Um die künstlerische Leistung der Urheber eines Denkmals beurteilen zu können, ist dieser Person einerseits eigene künstlerische Begabung, anderer-seits ein hohes Maß an ästhetischer Schulung und verbaler Ausdrucksfähigkeit von Nöten. Da die praktische Arbeit am Denkmal Künstlerisches einschließt, gelten die gleichen Anfor-derungen auch für die Denkmalpflege. Denkmalpflege kommt nicht ohne Kreativität aus, künstlerische Betätigung ist sogar ein integraler Bestandteil ihres Wirkens.

Eine ungebundene Kreativität, die ihre Belange über die des Denkmals stellt, ist dem Denkmal selbstverständlich schädlich. Anders eine gebundene Kreativität, die nicht wi-der besseres Wissen oder Wissenkönnen ändert, sondern unterstützt und ergänzt, wo die vorausgegangene Forschung versagt.

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Theorie und allgemeine Überlegungen

Kreative Arbeit ist erforderlich auf allen Ebenen der Denkmalpflege:

1. bei der Instandhaltung2. bei der Interpretation3. beim Analogieschluss4. bei der Nachschöpfung und5. beim gebundenen Neuentwurf

Erst wenn auf hohem Niveau ästhetisch argumentiert wird, wäre jene Wissenschaftlichkeit erreicht, die die Denkmalpflege beansprucht und beanspruchen muss.

Denkmalethische Forderungen sind bislang wenig differenziert. Die Aussagen der Charten von Venedig und Florenz konzentrieren sich auf Aussagen zum Umgang mit der Substanz. Zum Umgang mit Lücken und damit zum Umgang mit Kreativität mangelt es ihnen an Präzision. Aufgabe der Denkmalethik sollte es aber auch sein, für die Fälle, die über das Konservieren hinausgehen, „gutes“ und „böses“, das heißt „ehrliches“ und „unehrliches“ Handeln zu definieren und Präferenzen festzulegen. Solche Präferenzen festzulegen und die Anwendungsfälle weiter zu differenzieren, wäre Aufgabe einer überarbeiteten Charta.

Vorgeschlagen werden folgende denkmalethischen Präferenzen:

1. Präferenz: die Interpretation einer vorliegenden Dokumentation2. Präferenz: der Neuentwurf3. Präferenz: die Nachschöpfung

Es versteht sich, dass bevor über irgendeine Gestaltung nachgedacht wird, eine fachlich einwandfreie und gründliche Untersuchung der Geschichte des Gartens und eine Analyse seiner Gestaltung zu erfolgen haben. Es versteht sich ebenso, dass alle gestalterischen Maßnahmen die Substanz ungeschoren lassen müssen.

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Ausführlich zu dieser Thematik:Clemens Alexander Wimmer: Das Kreative in der Denkmalpflege. Die Gartenkunst 2007,Nr. 2, S. 3�3-373

Weitere Literatur:Sigrid Brandt: Schöpferische Denkmalpflege? Anmerkungen zu einem Schimpfwort. Kunst-texte.de 1/2003 Wenzel Bratner: Lebendige Substanz - Bild und Original in der Gartendenkmalpflege, in: Kunsttexte 2002, Nr. 3Wybe Kuitert: De la création de jardins dans les lieux historiques. In: Le Jardin, art et lieu de mémoire. Besancon 1995, S. 419-27Michael Rohde: Von der Konservierung bis zu Rekonstruktion: Aktuelle Tendenzen der Methodik der Gartendenkmalpflege. In: Gartenkunst und Gartendenkmale: Zur aktuellen Situation der Gartendenkmalpflege im Land Brandenburg, Petersberg 2004, S. 84-92Eckart Rüsch: Das Denkmal zwischen Original-Substanz und immateriellen Denkmal-werten. Ein Vorschlag für die Praktische Denkmalpflege, in: Kunsttexte.de 2003, Nr 1Erika Schmidt: Gartendenkmalpflegerische Maßnahmen, In: Gartendenkmalpflege, Stuttg-art 1985, S. 49-80Johannes Stoffler: „Den Faden der Zeit weiterspinnen.“ In: Historische Gärten heute, Leip-zig 2003, S.72-77Andrzej Tomasczewski: Im Blumengarten der Denkmalpflege. In: Historische Gärten heute, Leipzig 2003, S. 292-295

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Theorie und allgemeine Überlegungen

Sylvia Butenschön

Gedanken zum Thema „Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege“

Ein Gartendenkmal ist kein Museum.Museen und Denkmale dienen unterschiedlichen Zielen. In einem Museum möchte man zu Recht bestimmte Beispiele von Stilen und Stilentwicklung zeigen und anschaulich machen, was zu einer bestimmten Zeit wie gewesen ist. Insofern macht es Sinn, in einem Garten, der musealen Charakter haben soll, eine Stilreinheit anzustreben (z. B. Het Loo, Gottorf). Ein Denkmal dagegen soll an den Ablauf der Zeit erinnern, das echte und wahre Leben erkennbar halten und die Möglichkeit bieten, darüber nachdenken und sprechen zu können. Insofern ist hier jede Wegnahme von Entwicklungsschichten schädlich. Eine Rekonstruktion mag daher ein legitimes Mittel für einen „Museumsgarten“ sein, für ein Gartendenkmal ist sie es nicht.

Ein Gartendenkmal ist mehr als ein rein materielles Kulturerbe.Natürlich ist die Substanz eines Gartens materiell. Auch ist die wesentliche Substanz, die pflanzliche, nicht geschichtslos. Je nach Lebensdauer können Pflanzen eine Menge Zeit in sich anhäufen und Aufschluss geben über Klima und Wetter ihrer Lebenszeit, über Schnittbehandlungen oder sonstiges, was ihnen widerfahren ist. Trotzdem ist ein Garten auch nicht nur materiell. Weil ein Garten eine immerwährende Zuwendung von Menschen erfordert, die säen, pflanzen, schneiden, düngen, wässern, ernten usw., bildet sein Sein über eine bestimmte Dauer auch eine Kultur- und Kunstleistung – ähnlich einer Tradition, die auch nur dann Tradition bleibt, wenn sie regelmäßig ausgeübt wird.

Bei Gartendenkmalen handelt es sich in der Regel, entsprechend den Schutzkriterien der Gesetze, um Gartenkunst, d. h. es geht um Gärten, die einen Anspruch an Gestaltung und Ästhetik haben, der über das rein Zweckgebundene hinausgeht. Wenn ein solches Kunst-werk nicht nur einmal geschaffen wurde, sondern auch über Jahre, Jahrzehnte oder Gene-rationen durch pflegende Zuwendung weiter erhalten worden ist, erhöht sich dann nicht die Bedeutung dieses Kunstwerks? Die Arbeit aller derjenigen, die sich um den Erhalt und die Weiterentwicklung des Gartens gekümmert haben, lagert sich als eine Bedeutungs-schicht auf diesem Ort ab. Das ist ein durch soziale bzw. gesellschaftliche Wertschätzung gebildeter Denkmalwert, der durch Rekonstruktionen vernichtet wird, denn dadurch wird ein Kontinuum abgebrochen und ein neuer Anfang gesetzt.

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Ein Gartendenkmal entsteht durch Bedeutungssetzung.Ein Denkmal ist nicht aus sich heraus ein Denkmal, es ist etwas, dem Bedeutung beige-messen wird und diese Bedeutung wird in der Jetztzeit gesetzt, konstruiert oder ausdisku-tiert. Für mich ergibt sich die Bedeutung, weil das Ding (der Garten) aus der Vergangenheit in die Gegenwart hinüber gekommen ist und durch seine Gegenwart, sein Da-Sein die Vergangenheit bezeugt und befragbar macht. Unwesentlich für die Denkmalbedeutung ist dagegen die stilistische Einheitlichkeit oder die künstlerische Vollkommenheit.

Nun ist ein Garten aber darüber hinaus in der Regel auch etwas sehr Schönes. Wenn man diese Schönheit bei der Bedeutungszuweisung in den Vordergrund stellt, kann man dazu neigen, sie optimieren zu wollen – Unschönes zu beseitigen, Fehlstellen zu flicken, even-tuell zu rekonstruieren. Auch wenn Schönheit nicht als Kriterium in den Denkmalgesetzen auftaucht, sollte sie nicht unterschätzt werden als Motivation, sich für Gärten zu begei-stern und für ihren Erhalt und ihre Pflege einzusetzen. Da Schönheit ja bekanntlich im Auge des Betrachters liegt, ist es wichtig, die Betrachter für die Schönheiten von Garten-denkmalen zu sensibilisieren – gerade weil diese Schönheiten vielleicht etwas versteckter sind als diejenigen von „rekonstruierten“ Gärten, die in neuer Pracht erstrahlen. Garten-denkmalpfleger sollten dazu beitragen, Bedeutungen zu setzen, auch unter Ausnutzung der Ästhetik und Sinnlichkeit von Gärten. Sie sollten dies aber für die alten Gärten tun und die Optimierung ihrer Schönheit nur unter Respektierung des Bestandes betreiben.

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Theorie und allgemeine Überlegungen

Alfred Schelter

Exzerpt Gartendenkmalpflege - Umgang mit bestehenden Anlagen, mit verfallenen Anla-gen und mit abgegangenen Anlagen

Prolog

Auch die gut erhaltenen und gepflegten Gartenanlagen stellen immer nur eine Moment-aufnahme des gegenwärtigen Verständnis zum Aussehen eines vom Gartenmeister oder Konservator vorgestellten Bildes eines, oder des von ihm erdachten historischen Zustandes dar.Wegeführung, Gehölzbestand, einzelne Kompartimente haben sich im Verlauf der Jahr-zehnte oder gar Jahrhunderte verändert, erst recht natürlich die Sträucher, Stauden und Blumen. Dies gilt sowohl für den Klostergarten, Küchengarten, formalen Garten als auch für den Landschaftspark, Stadt- oder Volkspark.Die dem Garten zugeordneten Architekturen haben sich ebenfalls verändert, wurden erweitert, erhöht, vermehrt oder verringert, die Innenausstattungen, Wandoberflächen, Decken, Böden und vor allem das Mobiliar wurden erneuert, modernisiert, dem Zeitge-schmack angepasst.Das Zusammenspiel von Außen- und Innenraum aber ist wesentlicher Bestandteil der zu betrachtenden Kunstgattung, dies gilt gleichermaßen für die Architektur als auch für die umgebende Natur, den Garten.Also auch noch so gut erhaltene und gepflegte Gartenanlagen haben eine Geschichte, eine Geschichte, die weder 1772, 1890, 1950 eingefroren wurde, noch 2007 einzufrieren sein wird. Dennoch machen wir uns, die Gartendenkmalpfleger, die Gartenmeister, die Historiker, ein Bild vom Garten, wie er zu sein hätte. Wir können den momentanen Zustand akzeptieren, was nicht geht, weil der Garten ein lebendes Kunstwerk ist, nicht vergleichbar mit einem Bild, Skulptur oder Buch, was zwar auch altert, von Würmern oder Salzen zerfressen werden kann, aber in Zeiträumen, die oft unmerkbar sind, im Gegensatz zum Garten, der ja allein im jahreszeitlichem Wandel sein Aussehen täglich ändert.

Aber das ist ja das spannende an der Gartendenkmalpflege oder der Gartenpflege über-haupt, dass der Betroffene ein immer Handelnder ist, will er auch nur annähernd einen Zustand, welchen auch immer, erhalten.Grundsätzlich ist in der Charta von Florenz eigentlich alles geschrieben, was zum Umgang mit den historischen Gärten zu diskutieren wäre; dennoch:

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Zu den bestehenden Anlagen

Gleich wie, das bestehende Gartendenkmal, und darauf sollten wir uns beschränken, wird sich nicht in der ursprünglichen (bauzeitlichen) Gestalt darstellen. Je nach Alter werden sich mehr oder weniger grundsätzliche Änderungen eingestellt haben, sei es den Garten einem (historischen) gartenkünstlerischen Geschmack anzupassen, einer neuen Stilrichtung folgen zu wollen, sei es einfach durch die immerwährende oder zeitweise vernachlässigte Pflege.

Denken wir beispielsweise an die Umwandlungen von Broderieparterres der Barockzeit in Rasenparterres der ausgehenden Rokokozeit, ohne dass dabei die Schlossposition oder die der Nebengebäude verändert worden wäre. Weitere Umgestaltungen im 19. und 20 Jahrhundert wären ja keine Seltenheit. Aber selbst der im späten 19. Jahrhundert ange-legte Landschaftspark entspricht nicht mehr seinem ursprünglichen Aussehen, Bäume und Sträucher sind gewachsen, Wege haben sich verschoben, Exoten sind einfach ausgefallen.Wenn die Park- oder Gartenanlage dann aber über die letzten 50 – 100 Jahre entspre-chend dem Vorgefundenen gepflegt wurde, müsste sich doch eigentlich ein akzeptabler Zustand eingestellt haben.

Aber natürlich darf auch hier über die einst schöpferische Idee, über den Bestand, über andere Zustände nachgedacht und selbstverständlich erst recht geforscht werden.Stellt sich heraus, dass zur „Erbauungszeit“ ein anderer Garten vorhanden war, rechtfer-tigt dies erst einmal nicht, selbst bei genauesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, einen anderen Zustand wieder herzustellen.

Im Einzelfall mögen dennoch andere Entscheidungen getroffen werden, diese aber können in der Regel nicht als das Ergebnis wissenschaftlicher Gartendenkmalpflege gewichtet werden, sondern immer nur eine Option zur momentanen Befriedigung gesellschaftlicher Zwänge sein. Denkmalpflegerisch schwer begründbar sind dann solche Rekonstrukti-onsentscheidungen, wenn die Option aus der Gartendenkmalpflege selbst, ohne Anstoß öffentlicher oder politischer Aufforderungen entwickelt und durchgesetzt wird. Die Akzep-tanz eines überkommenen Zustandes sollte immer die erste denkmalpflegerische Option sein, so zumindest nach unseren „Denkmalvätern“ und auch nach der Charta von Florenz. Dass einzelne vernachlässigte Gartenpartien aus gartenkünstlerischen Gründen und zum besseren Verständnis, oder im Sinne des Gartenkunstwerkes wiederhergestellt oder ver-bessert werden, ist im Sinne der Denkmalpflege grundsätzlich zu akzeptieren.

Als Option aber sollte auch die Möglichkeit einer zeitgenössischen Gestaltung nicht au-ßer Acht gelassen werden, vor allem dann, wenn das wieder zu gestaltende Quartier nicht mehr in seiner Gänze vorhanden, also eingekürzt oder durch Gebäude teilweise zugebaut wurde, und die eigentliche Gartenanlage selbst weiterhin in ihrer ursprünglichen Aussage-kraft nicht eingeschränkt wird.

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Theorie und allgemeine Überlegungen

Zu den verfallenen Anlagen

Ich möchte hier von Gartenanlagen sprechen, die aufgrund ihrer Topographie, vielleicht auch noch durch Reste ursprünglicher Gehölze und Architekturen Garten- oder Kultur-denkmale sind. In diesen Fällen muss natürlich verstärkt die ganze Palette wissenschaft-licher Forschung zur Vorbereitung einer Entscheidung in Einsatz gebracht werden. Das Instrumentarium des Parkpflegewerkes, wie es von der DGGL AK Hist. Gärten erarbeitet wurde, darf als die Grundlage schlechthin genannt werden.

Eine grundsätzliche Empfehlung wird nicht gegeben werden können, nur soviel zu den Trends. Je weniger archäologisch und archivarisch exakte Erkenntnisse vorliegen, umso mehr sollte der Gartendenkmalpfleger von einer Wiederherstellung, die vielleicht nur auf der Grundlage einer briefmarkengroßen Vorlage basiert, Abstand nehmen; selbst ein Ideal-plan allein rechtfertigt noch nicht die Rekonstruktion.

Auch in diesem Fall mögen andere gesellschaftsrelevante Kräfte den Denkmalpfleger zu rekonstruierenden Entscheidungen zwingen, sie sollten aber grundsätzlich nicht das Ziel des wissenschaftlich tätigen Gartendenkmalpflegers sein.

Zu den abgegangenen Anlagen

Abgegangene Anlagen können archäologische Denkmäler sein, Ort, Lage und sogar Pläne über einen vielleicht einst bedeutenden Garten mögen bekannt sein. Vielleicht ist auch das Areal des Garten selbst durch Verkehrs- oder sonstige Gebäude eingeschränkt oder durch nahe herangerückte Bauten beeinträchtigt. Zur Vorbereitung jeglichen Tun gehört es sich wieder selbstverständlich seinen Wissenstand durch Forschung zu erweitern und zu kom-plettieren. Natürlich sind die Umstände, warum es zu dem gegenwärtigen Zustand gekom-men ist, zu erforschen und auszuwerten.Dass solches schützenswertes Areal nicht weiter eingeschränkt werden darf, versteht sich von selbst. Um es auch nachhaltig vor Begehrlichkeiten, gleich welcher Art zu schützen, ist die Wiedergewinnung eines Gartens oft die einzige Chance.

In solch einem Fall allerdings sollte auf der Grundlage des historischen Gartens einer zeit-genössischen Gestaltung Vorrang eingeräumt werden, alles andere wäre eine Geschichts-verkittung und denkmalpflegerisch nicht zu rechtfertigen.

Erklärung

Die vor getragenen Gedanken sind meine persönliche Auffassung und sind nicht mit der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, dem Landesamt für Denkmalpflege oder dem AK Hist. Gärten in der DGGL abgestimmt.

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Andreas von Hoeren

Ist die Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege ein fachlicher Widerspruch?

Das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz erläutert unter dem Grundsatz des §1 (ND-SchG), dass Kulturdenkmale zu schützen, zu pflegen und wissenschaftlich zu erforschen sind. In § � NDSchG stellt der Gesetzgeber den Schutz und die Pflege des Objektes in den Vordergrund, die mit der „ Pflicht zur Erhaltung“ konkretisiert wird. Die Kommentatoren des Nds. Denkmalschutzgesetzes, Schmaltz und Wiechert, benennen sogar konkretere Aspekte, in dem sie den Passus „wenn nötig, instandzusetzen“ dahin gehend interpretie-ren, dass unabhängig von Bauwerk oder Grünanlage nur solche Maßnahmen durchzufüh-ren sind, die einen sichernden, konservierenden Status besitzen (s. § �, B Rand Nr. 8.) Bei Gartenanlagen gehöre hierzu auch der Ersatz abgestorbener Bäume oder die Wiederher-stellung der Raumkomposition, (siehe hierzu auch Artikel 2 und 11 der Charta von Florenz). Nicht nötig nach ihrer Aussage sind hingegen die Verbesserung oder Verschönerung im Sinne der Restaurierung oder Renovierung bzw. die Wiederherstellung (Rekonstruktion), die auch in der Charta von Florenz in ihrer Notwendigkeit stark eingeschränkt wird. „Insbe-sondere kommt Rekonstruktion gelegentlich bei Partien in Frage, die in unmittelbarer Nähe eines Gebäudes liegen, so dass die Zusammengehörigkeit von Gebäude und Garten deutlich wird“ (Artikel 1�; Charta von Florenz).

Berücksichtigt man die Fülle historischer Anlagen, egal ob Bauwerk oder Grünanlage, erscheint dieser rechtliche bzw. empfehlende Anspruch besonders unter ökonomischen Gesichtpunkten äußerst sinnvoll. Die bisher unter Schutz gestellten Objekte können sich bundesweit überwiegend in keinem optimalen Erscheinungsbild präsentieren, da die Fach-behörden und Eigner ausreichend mit der Instandhaltung oder Instandsetzung vorhandener historischer Substanz beschäftigt sind.

Allerdings gibt es auch einige herausragende Objekte und Anlagen, die aufgrund ih-rer Bedeutung unter Umständen eine andere Herangehensweise erfordern. Sinnvoll und gleichermaßen pragmatisch erscheint als einfachster Schutzstatus die Sicherung der überkommenen Substanz und sei es als Bodendenkmal. Exemplarisch sei auf die Residenz Salzdahlum der Braunschweiger Herzöge verwiesen, die im späten 18. Jahrhundert an Bedeutung verlor und fortwährend aufgelöst wurde, so dass sich dem Betrachter heute nur noch die Grundfassung als Rechteck mit Apsis erschließt, während die übrige Fläche ackerbaulich genutzt wird.

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Theorie und allgemeine Überlegungen

Rein von ihrer Bedeutung und ihrem Stellenwert betrachtet, wäre das Bedürfnis einer Rekonstruktion nachvollziehbar. Da der überkommene Bestand jedoch so gering ist, dass er die geschichtliche Bedeutung vernachlässigt, würde die Rekonstruktion dieses Objektes eine beliebig projizierbare Neuschöpfung bewirken, die an jeder Stelle des Erdballs mit vergleichbarer Qualität errichtet werden kann. Somit ist die Ausweisung als Bodendenk-mal und dem Schutz vor baulicher Überformung eine richtige und wichtige Schlussfolge-rung (siehe hierzu auch Artikel 17 der Charta von Florenz).

Etwas differenzierter sollte man allerdings bei Einzelelementen oder Bruchstücken ver-fahren. Während der Ersatz vegetativer Elemente in Parkanlagen als rekonstruktiver Part überwiegend als unproblematisch zu werten ist, zumal er sich bei richtiger Anwendung unauffällig einfügen wird, sollte eine intensive Auseinandersetzung mit der baulichen und figürlichen Ausstattung erfolgen. Diverse Gebäude, Kleinarchitekturen, Ausstattungsele-mente aber auch Wege, zählen oftmals zu den ersten Opfern nachlassender Pflege und Interesses. Zerstörung, Veräußerung, Verfall setzen hierbei oftmals nachhaltig ein und reduzieren die Qualität der Gesamtkomposition, wodurch die Erlebnisqualität unterschied-lich stark beeinträchtigt wird.

Doch sollten wir bei dem ggf. sinnvoll erscheinenden Ersatz solcher Bauwerke und Aus-stattungselemente deutlich zwischen Rekonstruktion und Neuschöpfung bzw. Nachah-mung unterscheiden. Die klassische Rekonstruktion bedeutet eine Rückführung. Dies setzt voraus, dass wir gesicherte und eindeutige Unterlagen, etwa in Form von Bauplänen zur Verfügung haben. Die Erfahrung zeigt aber, dass gerade dieses Maß an Exaktheit nicht zur Verfügung steht. Häufig gibt es ein oder einige Fotos, wenn die Quellenlage es zulässt sogar einen Entwurfsplan. Rechnungsbücher geben außerdem Hinweise über Erwerb oder Durchführung. Gesicherte Informationen über die tatsächlich vollzogene Ausführung gibt es jedoch häufig nicht, so dass man sich beispielsweise bei der bloßen Wiederherstellung des Raumgefüges bereits in ausreichend unsicheren Fahrwassern bewegt.

Dennoch kann die Rekonstruktion oder besser Nachahmung bestimmter Elemente und Bereiche sinnvoll sein, da die Sichtachse künftig wieder bei einer Kleinarchitektur endet und nicht mehr im Leeren verschwindet, oder das schlichte, nachempfundene Brückenge-länder der Bedeutung des Ortes unter Berücksichtigung baurechtlicher Auflagen entgegen kommt.

Erschwerend kommt hinzu, dass wir bei der Rekonstruktion kleiner oder vollständiger Bereiche lediglich in der Lage sind die Fassade wieder herzustellen. Hierbei arbeiten wir mit Materialien, die dem Stand der Technik entsprechen. Hinzu kommt, dass wir aus den bereits angesprochenen ökonomischen Gründen auch gern das Objekt für die Ewigkeit suchen, welches nach der Wiederherstellung nie wieder Kosten und Mühen verursacht. Die Auseinandersetzung mit der historischen Literatur, insbesondere mit konstruktivem

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Hintergrund, macht deutlich, dass insbesondere Parkanlagen der stetigen Erneuerung bedürfen, da die Natur als unkalkulierbares Element kontinuierlich Einfluss auf das schöp-ferische Werk nimmt.

Somit wird in der Rekonstruktion bzw. Nachahmung oftmals auch nach einer zeitgemäßen Formensprache gesucht, die erkennen lässt, dass das 21. Jahrhundert auch in dieses Objekt endlich Einzug gehalten hat. In wie weit derartige Eingriffe noch der Authentizität und dem denkmalpflegerischen Anspruch bzw. dem rechtlichen Auftrag gerecht werden, ist sehr fragwürdig.

Rekonstruktionen können somit lediglich eine Hilfestellung zum Verständnis des Objektes geben, werden aber besonders bei Gartendenkmalen nicht in der Lage sein, die gewach-sene, bildnerische Qualität des Objektes zu ersetzen.

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Theorie und allgemeine Überlegungen

Hans Wilhelm Heine

Rekonstruktion und Archäologische Denkmalpflege – Unbehagen oder Chance?

Einleitend ist kurz darzustellen, mit welchen Denkmalgattungen sich die Archäologische Denkmalpflege Niedersachsens beschäftigt. Anhand ausgewählter Beispiele aus ihrer aktuellen Praxis werden Vorgehensweisen bei der Rekonstruktion archäologischer Befunde dargestellt und bewertet.

Die Archäologische Denkmalpflege zielt auf Erhaltung der Substanz, also des Originals. Re-konstruierende Eingriffe in bestehende archäologische Denkmale oder Fundstellen haben regelmäßig Schäden oder gar Zerstörungen zur Folge (Beispiel Hünenburg bei Stötting-hausen). Als Ergebnis einer erfolgreichen Grabung wird häufig der Wunsch laut, Original-substanz für eine Rekonstruktion zu verwenden, entweder am Ursprungsort oder, wenn dort nicht möglich, an anderer Stelle. Bei reinen Erdverfärbungen kann nur auf Grundlage einer sorgfältigen Befundanalyse unter Einbeziehung von Parallelen eine Rekonstruktion versucht werden (bronzezeitliche Häuser Hitzacker). Sind Mauerbefunde vorhanden, kann man diese restaurieren, ergänzen und den Oberbau nach wissenschaftlichen Kriterien – sofern man sich daran hält - rekonstruieren (Nienover, mittelalterliche Stadtwüstung). Beim Oldenburger Heidenwall, der im Sommer 2007 zu großen Teilen ausgegraben werden musste, soll ein Segment der ausgegrabenen Holz-Erde-Befestigung konserviert und mu-seal aufbereitet werden. An Stelle großflächiger Rekonstruktionen werden Modelle herge-stellt. Eine Erhaltung vor Ort war nicht möglich.

Eine neue Entwicklung, wie sie sich jetzt auch in Hermannsburg, Ldkr. Celle abzeichnet, sind komponierte bzw. „erfundene“ Rekonstruktionen oder besser Nachbauten. Darunter verstehe ich idealtypische Konstrukte, die sich verschiedener, auch räumlich auseinander liegender Grabungsbefunde bedienen (Kanzach, Oberschwaben; Lütjenburg, Ldkr. Plön – Holzburgen). Damit bilden sie sozusagen Denkmalsurrogatextrakte, die eine Wirklichkeit widerspiegeln, wie so nie vorhanden war, obgleich man – was anerkennenswert ist - die Annäherung sucht. Es besteht aber die Gefahr, dass die Surrogate an Stelle der Originale treten, da sie im Sinne von Axthelm-Hoffmann aktuellen ästhetischen Ansprüchen eher genügen und ökonomisch verwertbar erscheinen. Die Originale können damit an ideellem Wert verlieren und umso schneller zu Disposition stehen.

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Zu diskutieren bleibt neben der Frage nach dem Vorrang des archäologischen Originals vor der Rekonstruktion, welche Stellung die Archäologische Denkmalpflege in Zukunft zum einen gegenüber befundgetreuen Rekonstruktionen bezieht, zum anderen wie sie sich mit idealtypischen, „erfundenen“ Rekonstruktionen bzw. Nachbauten auseinandersetzt. Muse-ale oder touristische Projekte mit Rekonstruktionen von archäologischen Befunden gehö-ren m. E. nicht mehr zu den Kernaufgaben der Denkmalpflege, insbesondere wenn es sich um „erfundene“ Nachschöpfungen handelt.

Der Wunsch nach Rekonstruktionen geht regelmäßig von der betroffenen Region aus. Finanziert werden sie meist aus Wirtschaftsförderungsmittel (Tourismus) unter Einsatz von EU-Mitteln.

Abbildungen

1 Hünenburg bei Stöttingenhausen, Ldkr. Diepholz. Rekonstruktion im Befund. Trotz Rücksichtnah-me wurden Profile freigelegt und sind Rückschnitte vorgekommen, die allesamt undokumentiert blieben.

2 Hitzacker, Ldkr. Lüchow-Danneberg. Archäologisches Zentrum. Nachbau eines bronzezeitlichen Hauses.

3 Heidenwall bei Oldenburg. Blick in die Holz-Erde -Befunde, datiert 1032d bzw. 1042d.

4 Kanzach, Kr. Biberach. Sog. Bachritterburg neben einer Originalburg vom Typ Motte. Nachbau nach Befunden aus Eschelbronn (Kraichgau) und anderen Orten.

5 Lütjenburg, Ldkr. Plön. Erfundener Nachbau einer Turmhügelburg auf der Grundlage verschie-dener in- und ausländischer Grabungsbefunde, wobei Regionalbezug angestrebt wurde.

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Theorie und allgemeine Überlegungen

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Lei Gao und Jan Woudstra

Keeping Yuanmingyuan:A mirror of attitudes and approaches to garden heritage in China (1900s-2007)

During the 20th century, China has become known for its cavalier attitude towards its heritage, with the Cultural Revolution—which rejected the past—still within living me-mory. Although China’s attempts to catch up with modern conservation philosophy first appeared in 1920s, it was undone by various wars and revolutions that followed.1 It was not until the early 1980s, when the Economic Reform was launched, that China found that its surviving heritage became of international interest, and a more coherent policy was required. The Principles for the Conservation of Heritage Sites in China (China Principles, 2000) was the first such a policy published under the auspices of the State Administration for Cultural Heritage (SACH) of China, with the help of the Getty Conservation Institute and Australia ICOMOS. This document for the first time defined theoretical standards and practical guidance for conservation of heritage sites in China, but as a result of its inter-national roots was soon nicknamed ‘China’s Burra Charter’.2

Then in 2007, as a response to increasing issues raised on standards of restoration work on key heritage sites in Beijing, some �0 professionals from ICCROM, ICOMOS, UNESCO, and SACH, met in Beijing and promulgated Beijing Document on the Conservation and Restoration of Historic Buildings in East Asia as a further elaboration of the China Princip-les. This Document addressed the differences between Chinese and European approaches, and verified certain conservation treatments as appropriate in order to retain authenticity and integrity of heritage. Both the China Principles and Beijing Document establish the concepts of authenticity as the key issue for conservation, and both claim to incorporate historic gardens as part of their remit. However their emphases are very much on built features rather than on designed landscapes, as a result of which many issues in garden conservation remain unresolved.

As a result of the turmoil during the 20th century many gardens have suffered and much of the garden heritage today has been subject to restoration and reconstruction. The tribu-lations of the debate surrounding historic gardens and their reconstruction are perhaps best illustrated with the example of Yuanmingyuan, the Garden of Perfect Brightness, and ‘Garden of Gardens’.3 This early 18th century imperial garden, now located in a western suburb of Beijing, covered well over 350 hectares, and comprised a collection of hundreds of exquisite building groups and gardens. Five generations of Chinese emperors during the 18th and early 19th centuries developed these gardens into the best known garden and symbol of oriental power. It was for the latter reason that it was destroyed by the English and French troops during the Opium Wars in 18�0.

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Theorie und allgemeine Überlegungen

A few years after the destruction, the Imperial family commenced restoration of Yuanmin-gyuan, but this soon halted due to a lack of resources. In 1912, as revolution ended the Imperial China and gave birth to Republican China, surviving garden features were largely removed from Yuanmingyuan, and re-erected in private gardens and public parks, despitethis site remaining the private property of the abdicated Emperor until 1924. During the Sino-Japanese war in 1930s and ‘40s, parts of the garden were used to grow wheat, while water bodies were used as fish ponds to feed the starving population.

Between 1949 and 197�, the early decades of the People’s Republic of China, a different attitude was brought to the garden heritage altogether, since Chairman Mao Zedong claimed that traditional gardens belonged to the ‘exploiter class’, thus needed a revolu-tion in order to prepare them for the working class. Numerous gardens were levelled for residential buildings and factories; some were turned into public parks. During this period, the Yuanmingyuan site was partly planted with fast-growing trees as part of the ‘Forestry the Motherland’ decree, and cultivated in terraced fields under the ‘In Agriculture lear-ning from Dazhai’ slogan, and as the city grew this land was redistributed to built various factories and small farms.4

As the Cultural Revolution ended in 197�, the necessity to regain an economic and cul-tural base for China required new impetus. The site of Yuanmingyuan was therefore gra-dually cleared of its recent occupants. Remaining fragments of Xiyanglou, the 7 hectares’ European style palace complex within the grounds, were collected and re-assembled as a memorial place for patriotic education. 5 Soon after, other parts of Yuanmingyuan were cleared and converted into parkland with boating lakes, lawns, and entertainment facili-ties. By the late 1990s, Yuanmingyuan existed as a recreational ground, with an additional educational mission for the Chinese youth. However there was very little to enable the visitor either to trace or understand the past.

There were continuous calls to restore—or indeed reconstruct—Yuanmingyuan from the early 1980s, but the officially approved master plan proposes the future for this site as a ‘Relics Park’. � Written in 2000 and reviewed in 200�, this plan values Yuanmingyuan for its archaeological remains first, and then as a patriotic education base, as well as a public recreational space. Therefore, building relics are to be preserved, which allies to positivist scientific disciplines as well as patriotic sentiments of history; landscape contours and plantings are to be ‘restored’, which responds to public expectation of experiencing the former reputation of Yuanmingyuan. This is seen as fitting in well with the latest conser-vation principles that recommend that authenticity of remaining elements must be pre-served. However, this remarkably uncoordinated approach makes no sense in the Chinese context where building and landscape form such an integral part of designed landscape. The result here is that of an anonymous renovated green space, which does not even begin to reveal the original character of the site. Anyone desiring to physically experience

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Yuanmingyuan as a garden is therefore relegated to one of two reconstructions. In 1998, a partial reconstruction of 10 selected building groups of Yuanmingyuan was built in Zhuhai; and in 200�, a private enterprise claimed a full reconstruction of Yuanmingyuan in Zhejiang. Both locations are thousands of kilometres removed from Beijing and provide a theme-park-like fantasy with little sense of history and ‘grounded-ness’ (of how the site relates to its surroundings).

These deliberations bring us back to some fundamental issues: Is authenticity the core issue for garden conservation? And what are the criteria by which we judge authenticity in gardens?

From the evidence of its use in various subjects, authenticity appears to be a cultural phe-nomenon rather than a universal and constant term. Within traditional Chinese context of gardens, authenticity is not only reflected in the surviving fabric, but also, if not more, in form and design, use and function, space and time, and other internal and external factors. This has been observed in the Nara Document on Authenticity (Japan, 1994), and was also highlighted by the Beijing Document for historic buildings7. However, little consideration has ever been given from this point in the instance of Yuanmingyuan.

The example of Yuanmingyuan indicates that current Chinese conservation philosophy has a bias towards authenticity, which addresses future generations, rather than the present. In showing reluctance to change it also does not reflect the diverse nature of heritage sites, which is potentially counterproductive when dealing with a landscape that by its nature always changes. As a result, when dealing with a damaged garden of historical importance, it is far from enough to make it an ‘authentic’ fossil. More than often, they are the physical and sensual experiences that constantly attract people to visit and help them understand the garden. This unavoidably raises the requirement for reconstruction or renovation, even though this is not always ‘authentic’.

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Theorie und allgemeine Überlegungen

1 See Wang Shijie (王世杰), “Contemporary Laws on Preserving Art and Historic Property in France”(法国新近保护美术物与古物之法律), in Sequel to Collection of Laws and Regulati-ons on Historic Property in Different Countries(各国古物保管法规续编), translated and edi-ted by the Central Committee for Historic Property Preservation of China (中央古物保管委员会编译), (Nanjing, 1935). The paper was first published in the Social Science Quarterly of Peking University in 1923 and is probably the earliest paper in China introducing foreign experiences on heritage conservation. By mid 1930s, various modern conservation philosophies from both Europe and other Asian countries have been translated and referenced by Chinese government. China in this decade also produced its own Law on Preserving Historic Property (1930). 2 See Fengqi Qian, “China’s Burra Charter: the Formation and Implementation of the China Prin-ciples”, International Journal of Heritage Studies, 13:3 (2007), pp. 255-2�4. 3 See F. Attiret, Translated from the French, by Sir Harry Beaumont, A Particular Account of the Emperor of China’s Gardens near Pekin: In a Letter from F. Attiret, a French Missionary, now employ’d by that Emperor to paint the Apartments in those Gardens, to his Friend at Paris. (Lon-don: R. Dodsley, 1752). Original letter was written in Pekin on 1st November, 1743. 4 The Forestry Movement was launched in 1958, aiming to gardenise the landscapes and build the new image of a socialist China. The Dazhai model was popularised in early 1970s during Cultural Revolution. It calls for a painstaking work and an economical use of land such as terra-cing hillside to make it into agriculture field. Both movements promote an ideology of conquering nature with human’s power. For further reading, see Jijun Zhao and Jan Woudstra, ‘“In Agriculture, Learn from Dazhai”, Mao Zedong’s revolutionary model village and the battle against nature’, Landscape Research, 32:2 (2007), pp.171-205. 5 The values of Yuanmingyuan as a patriotic education base largely rest in its history of being destroyed by ‘the European invaders’. This was seen as the symbol of a weak China being defea-ted by its powerful enemies. From this interpretation, the lesson is said to be learned as ‘only the socialism can save China’. � Yuanmingyuan: its History, Present and Debates (圆明园—历史现状论争),edited by D. C. Wang (王道成), Y. P. Fang (方玉萍). (Beijing: Beijing Press, 1999). 7 The Nara Document on Authenticity (Nara, 1994), see http://www.international.icomos.org/char-ters/nara_e.htm (accessed on 3rd March, 2007).

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Joachim Ganzert

Rekonstruktionen als mehrfach bedingte „AugenBlicke“ auf Geschichte

Architektur-Rekonstruktionen (als Zeichnungen, Gemälde, Modelle, aber auch tatsächlich gebaute)

- spiegeln nicht nur jeweils objektiv erreichten, sondern auch jeweils nur interessierenden, historischen Erkenntnisstand - im Sinne des Verhältnisses von Erkenntnis und Interesse;

- sind nicht nur fundierte Versuche, Geschichte abzubilden, sondern auch oder nur Zeug-nisse herrschender Zeitgeistvorstellungen, ideologischer Vereinnahmungen, angesagter Architekturmoden;

- zeichnen Zeit bedingte GeschichtsBilder u. U. auch nur innerhalb der ‚Reichweite’ zur Verfügung stehender Darstellungsinstrumente/-modi/-techniken;

- sind (statt Re-Konstruktionen) „tempoRär-Konstruktionen“ von Geschichte, ‚eingefrorene AugenBlicke auf Geschichte’;

- sie sind aber nicht nur Trans-Formationen von Geschichte durch Zeitgeist bedingte Wahrnehmung, sondern auch Ergebnis transformierter (Architektur-)Wahrnehmung durch Geschichtsbilder - auch durch schon einmal Zeitgeist transformierte Geschichtsbilder, etc. etc.

Es gibt da kaum Grenzen an/zwischen Bedingtheiten; Rekonstruktion und Wahrnehmung / Zeitgeist / Wissensstand stehen in einem sehr komplexen, reziproken Trans-Formations-verhältnis.Der Turmbau zu Babel - aber nicht nur er - dürfte ein Beispiel par excellence für solches Verhältnis sein, das in seiner Vielfältigkeit faszinierende Auskunft gibt über jeweilige Aneignung bzw. Vereinnahmung von Geschichte/Legende oder/und Beeinflussung historischer bzw. architektonischer Wahrnehmung in/durch Rekonstruktionen.

Wahrnehmung heißt Ästhetik; je differenzierter/undifferenzierter die Wahrnehmung, desto differenzierter/undifferenzierter die Ästhetik.

B. Hrouda, Der Alte Orient (1991)O. Reuther, Die Innenstadt von Babylon (Merkez) (19�8; Neudruck der Ausgabe 192�)H. Minkowski, Vermutungen über den Turm zu Babel (1991)J. Ganzert u.a., Der Turmbau zu Babel. Maßstab oder Anmaßung? (1997)

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Theorie und allgemeine Überlegungen

Hatschepsut - Tempel

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Christian Hlavac

Das Bild von Rekonstruktionen in den Köpfen oder „Landschaft entsteht im Kopf“

Verschiedene Ansprüche und Funktionen historischer Gartenanlagen

Bei historischen Gärten und Parks liegen die Interessen der Besucher/innen, Denkmalpfle-ger/innen, Erhalter und der lokalen und regionalen Wirtschaft und Politik oftmals weit auseinander. Vielfältig sind die Ansprüche an historische Gartenanlagen: Besucher/innen erwarten sich Gartenanlagen in einem ansprechenden Zustand, z.B. ohne Baustellen oder laufende Arbeiten am pflanzlichen Bestand, mit entsprechend gesicherten Wegen und einem Informationsangebot. Anwohner/innen wollen die Garten- und Parkanlagen zu jeder Zeit betreten dürfen, um sich ungestört erholen zu können. Denkmalpfleger/innen versu-chen, die verschiedenen zeitlichen Schichten einer Anlage im Bestand darzustellen und die historischen Konzeptionen zu erhalten. Der Erhalter steht im Spannungsfeld zwischen ökonomisch gerechtfertigter Erhaltung und den Ansprüchen der Denkmalpflege mit ent-sprechenden Finanzierungsnotwendigkeiten. Lokale und regionale Unternehmen haben ein Interesse, aus dem Gartentourismus wirtschaftliche Vorteile zu ziehen.

Die Wechselwirkung zwischen Schein und Sein oder Das Wechselspiel zwischen Produkti-on, Reproduktion und Transformation touristischer Bilder

Die Rekonstruktionen von Het Loo und Herrenhausen, um zwei der bekanntesten Fälle aufzuzählen, zeigen die immanente Problematik von Rekonstruktionen auf: Zahlreiche populärwissenschaftliche Bücher, Reisebeiträge und Reiseführer beschreiben mit Wor-ten und Bildern die beiden Anlagen als barock. In einigen Publikationen wird zumindest hingewiesen, dass es sich um Neuschöpfungen aus der Nachkriegszeit handelt. Vor allem in den 19�0er und 1970er Jahren wurden in Mitteleuropa zahlreiche Rekonstruktionen im (teils vermeintlichen) Namen der Gartendenkmalpflege umgesetzt, die das Bild in den Köpfen der Besucher/innen (Nutzer/innen) wesentlich geprägt haben. Interessant wäre es, Besucher/innen dieser Anlagen zu fragen, in welchem Stil die Anlagen errichtet wurden und aus welcher Zeit die Anlagen stammen. Zu befürchten ist, dass die Antworten für die Gartendenkmalpflege irritierend ausfallen. Schönbrunn darf als Beispiel für die fehlende Verknüpfung von zeitlichen Schichten einer Gartenanlage und deren Rezeptionsgeschichte durch die Besucher/innen (Nutzer/innen) gelten: Nur Fachleute würden das um 1900 neu-gestaltete barockisierende Schlossparterre als neuzeitliche Schöpfung ansprechen. Die von Tausenden Urlaubs-, Katalog- und Reiseführerbildern geprägten Besucher/innen würden die Parterregestaltung mit sehr großer Wahrscheinlichkeit als typisch barock bezeichnen: „Es handelt sich ja um ein Barockschloss“, so würde wohl die Antwort lauten.

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Theorie und allgemeine Überlegungen

Die Rekonstruktionen der Schönbrunner Parterres „Am Keller“, des Prinzengartens im Bel-vedere und in Schloss Hof sind neue Rekonstruktionswegweiser und -beispiele in der Gar-tendenkmalpflege. Es wird jedoch Jahre und Jahrzehnte dauern, bis sich das typische Bild von barocken Parterres im Kopf der Besucher/innen geändert hat. Die Conclusio daraus ist: Rekonstruierte Landschaften, und damit Gartenanlagen, setzen sich als Bilder langsam in den Köpfen fest und sind nur schwer und langfristig im Kopf veränderbar. Dieser Rahmen-bedingung muss sich die Gartendenkmalpflege im Bereich der „Rekonstruktion“ bewusst sein. Umso mehr als die öffentliche und veröffentlichte Meinung über die „typische“ Ge-staltung historischer Gärten die Politik und die Verwaltung massiv beeinflusst.

Aus Sicht einer denkmalgerechten touristischen Aufbereitung ist es daher notwendig, die Frage nach Authentizität des konkreten historischen Gartens offensiv mit den Besuchern/innen zu diskutieren. Im Aufruf zum Workshop heißt es: „Liegt diese [die Authentizität, Anm.] in seiner materiellen Beschaffenheit oder auch in seinen ursprünglichen Ideen, Funktionen und handwerklichen Techniken?“. Diese Fragestellung muss aufbauend auf oben Gesagtem ergänzt werden: „Welche Bilder im Kopf der Besucher/innen und Nutzer/innen sollen Authentizität vermitteln und wie können wir die bisher in den Köpfen einge-brannte (oft scheinbare) Authentizität verändern?“

Aufgaben für die Zukunft

Da die Produktion, Reproduktion und Transformation touristischer Bilder im Bereich „hi-storischer“ Gärten und Parks in einem langfristigen Zeitraum gefangen ist, stellt sich die Frage: Soll sich die Gartendenkmalpflege – auch im Hinblick auf fehlende Gelder für die mittel- bis langfristige Pflege– nicht zuerst der Vermittlung von Wissen über die zeitlichen Schichten und deren Geschichten und Gestaltungen widmen und erst dann an neue Re-konstruktionen heranwagen? Oder sind beide Prozesse gleichzeitig zu führen? Diese Fragen sind immer in Bezug auf die geringen Finanzmittel für das Gros historischer Gärten zu sehen. Es gibt zu viele Beispiele für unbekannte, im Dornröschenschlaf liegende historische Garten- und Parkanlagen in Mitteleuropa, die es Wert sind, besucht und wiederentdeckt, vielleicht auch revitalisiert oder teils rekonstruiert, jedenfalls aber erhalten zu werden.

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Hartmut Troll

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege. Annäherungen

Der wissenschaftlichen konservatorischen Betreuung der historischen Gärten innerhalb der staatlichen Schlösserverwaltung Baden-Württembergs ist mit der Agenda Erforschung, Präsentation und Vermittlung ihrer Geschichte latent ein Verständnis eingeschrieben, dass die Gärten in der Begrifflichkeit und mit der gesellschaftlichen Bestimmung eines Kultur-denkmals als einen Ort sozialen und kulturellen Gedächtnisses begreift und damit diesen Aspekt vor jenem des offenen Wandels betont. Der dokumentarische Aussagewert gehört mithin zur Kernleistung eines solchen Gartens. Die Charta von Florenz dient der garten-denkmalpflegerischen Arbeit als allgemeiner Maßstab. Diese explizit pragmatische Grund-haltung akzeptiert eine im fachlichen Austausch auf der Grundlage von Disziplingeschichte und länderübergreifenden Erfahrungen zustande gekommene internationale Übereinkunft, u.a. weil damit eine der Entstehungsgeschichte analoge Perspektive eingenommen wird. Darüber hinaus sind dort Ermessungsspielräume formuliert, die eine angemessene Annähe-rung an die konkreten Objekte erlauben, die dann fallbezogen in einer gründlichen Abwä-gung eine plausible Wahl der Mittel zwischen Instandhaltung, Konservierung und eben auch Restaurierung und Rekonstruktion treffen kann.

Wichtig sind dabei zwei Gedanken, zum einen, dass jede Abwägung die Gesamtheit der Elemente in Betracht ziehen muss, und zum anderen das Paradigma, dass die pflanzliche Ausstattung der Gärten, also deren Grundstruktur, vergänglich wie auch erneuerbar sei. Mit diesem Abwägungsprinzip bleibt die Welt verhandelbar. Darin ist ein Gebot der Ver-hältnismäßigkeit, man könnte auch sagen der Geschichtlichkeit, eingeschrieben. Solch ein treuhänderisches Amtsverständnis geht ja auf die Altvorderen einer streng konservierenden Denkmalphilosophie, John Ruskin oder Georg Dehio, zurück. Je größer die Entfernung von einem konservierenden Eingriff, desto zurückhaltender und entsagungsvoller, wie Dehio es formuliert, ist notwendig der Einsatz der Mittel. Der Mut zur Auslassung und ein Verbot einer falschen Perfektion, die über das, was der konkrete Ort verlangt und die Erkenntnis erlaubt, hinausgeht. Der Wiederinstandsetzung gerade vegetatibler Elemente wohnt die Gefahr einer Verflachung und problematischen Vereinfachung inne, wenn sie das Raum-ergebnis der wechselvollen Pflegegeschichte und der unterschiedlichen Ausstattungsher-künfte nicht angemessen berücksichtigt, wie es Jörg Gamer für den Schwetzinger Schloss-garten in den 80er Jahren problematisiert hat.

Das Paradigma des ‘opera aperta’, gewissermaßen die Gegenposition, basiert auf der Ein-sicht der Vergänglichkeit, inkludiert aber eine kategorische Ablehnung einer Erneuerbar-keit aufgrund der generellen Unwiederholbarkeit vergangener Zustände. In einem zweiten Schritt wird dieses Verständnis zu einer ethischen Kategorie erklärt, indem einerseits jede

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Theorie und allgemeine Überlegungen

Form der Wiedersichtbarmachung vergangener Gartenelemente und Raumschöpfungen als selbstverleugnerisch beschrieben, während andererseits eine künstlerische bzw. schöp-ferische Fortschreibung zu einer ehrlichen Haltung deklariert wird. Die auf diesem Denk-malverständnis fußende künstlerische Fortführung mit modernen Mitteln, gewissermaßen eine gestaltgebende Interpretation, wie am Beispiel des Rechberggartens kritisiert, birgt dort, wo sie die Gestalt sehr grundlegend mitprägt, die Problematik der Überhöhung und Stilisierung dessen, was man an Bedeutung in der Geschichte findet und das ist ja not-wendig immer vorläufig. Da ist es möglich, um nicht zu sagen wahrscheinlich, dass es zu einer nivellierenden Anpassung der regional überkommenen Typologie/Ikonographie der Gartenkulturdenkmale kommt. Man könnte mit dem Kunstgeschichtler Erwin Panofsky for-mulieren, es handelt sich im Grundsatz um gebaute Ikonologie, die ikonographische, also typengeschichtliche Prüfebenen weitgehend ausklammert.

Ein immanenter Arbeitsauftrag innerhalb der Schlösserverwaltung ist es, einer regional ge-leiteten Typologie der Gartengeschichte, gewissermaßen als lokales Ergebnis der Überlage-rungen vielfältiger (europäischer) Einflüsse, forschend verpflichtet zu sein und damit einer Förderung des Unterscheidungswissens, was vom Erkenntnisansatz her ein problematisches Verhältnis zum Paradigma der ‚opera aperta’ skizziert.

Zwei Punkte scheinen mir wesentlich zur Pointierung der dogmatischen Seite/Auslegung dieser Theorie, die, das ist wichtig zu betonen, als gedanklicher Ansatz, als eine Denkmög-lichkeit für die gartendenkmalpflegerische Arbeit wichtig und fruchtbar ist. Zum einen steht die Betonung des Wandels (der äußeren Welt) in einem eklatanten Widerspruch zu der strikten Festlegung eines Status Quo innerhalb der Erkenntnisgeschichte, wo jede Form der Dynamik und Differenzierung, sagen wir des Wandels, für sakrosankt erklärt wird, eine eher ahistorische Position. Zum zweiten wird in der begründenden Ausführung mit m.E. unzulässigen Zuschreibungen und Vereinfachungen argumentiert, die den Unterschieden in der konkreten gartendenkmalpflegerischen Praxis nicht gerecht und als Kritik deshalb nicht fruchtbar werden kann. Weder läuft eine – auch rekonstruierende – Annäherung an die Denkmalsubstanz zwangsläufig darauf hinaus, den Garten auf diese eine Form zu fixieren, weil u.a. immer mehrere Zeithorizonte berücksichtigt werden in einem komplexen Verstän-digungsprozess darüber, was das Denkmal und dessen Authentizität ausmacht, noch auf eine zwangsläufige Missachtung des Alterwertes der vegetatiblen Architektur, noch wird der gärtnerische Prozess unterbunden, er wird ja nur neu justiert, noch werden moderne Nutzungskontexte ausgeklammert.

Überspitzt formuliert dient eine dogmatische Auslegung dieses Paradigmas als Legitimati-on, um sich mit einem (moralisch) sehr hehren und fallunabhängigen Generalargument aus der Notwendigkeit konkreter Gewichtung und Abwägung von unterschiedlichen Bedeu-tungen der überkommenen Geschichte fein heraushalten zu können.

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Ein kleines aktuelles Beispiel zum Schluss, indem für die Entwicklung des südl. Bosketts im Schwetzinger Schlossgarten eine partielle Rücknahme der Artenentwicklung der letzten 80 Jahre vorgesehen ist. 200� konnten bei gartenarchäologischen Grabungen Fundamente von Vasen nachgewiesen werden, die kurz davor in Karlsruhe sichergestellt wurden. Im selben Jahr wurde in der Mitte des Bosketts das so genannte Oval mit einer Buchenpflan-zung, die als ‘Palissades percée en arcades’ ausgebildet werden sollen, gerahmt und so der ursprüngliche Kolonnadenrand des zentralen Saals als Initial wieder hergestellt. Die Grabungsnachweise bieten die Chance, das ‘schönste Stück’ eines jeden Bosketts auf der Grundlage neuer Erkenntnisse mit der ehemaligen figürlichen Ausstattung (Kopien) zu ergänzen und den Vegetationsbestand im ummittelbaren Umfeld adäquat zu entwickeln.

Die Bedeutung der Boskette für den spätbarocken Gartenentwurf, und das war für den Ab-wägungsprozess wichtig, muss hoch veranschlagt werden. Nicolas de Pigage verwendete die klassische Form kleiner Lustwäldchen mit hohen Spalieren. Die Mitte, Prunkstück jeden Bosketts, wird nicht nur als einfacher Saal ausgebildet, sondern gewissermaßen als typolo-gische Variation, als Boskett im Boskett, im nördlichen Boskett als Quincunx, im südlichen – wie in einer Untersuchung gezeigt werden konnte – als Typus des immergrünen Wäld-chens, das als das schönste seiner Gattung galt. Mit der Herstellung der schmalen Wege (in der ursprünglichen Entwurfsgeometrie als Typus analog zu den nicht mehr vorhandenen Schlängelwegen) zu den Vasenstandorten kann die formale Vielfalt auch auf der Ebene der Wege in ihrer ganzen Breite sozusagen im Kleinen wieder sicht- und erlebbar gemacht werden. Zeitgenössische Beschreibungen, Archivrecherchen und die Analyse älterer Baum-kataster konnten zweifelsfrei eine ursprüngliche auf Sckell zurückgehende Bepflanzung des inneren Quadrats mit Fichten und Lärchen belegen, die historisch um 18�0 nach einem Zusammenbruch des Bestandes im Sinne dieser Gestaltungsidee erneuert wurde. Der Baumbestand wird heute von Arten bestimmt, die durch die lange Periode der Waldbewirt-schaftung und -entwicklung unverhältnismäßig gefördert wurden, wie Buche oder Eibe. Anhand der aktuellen Pflanzenzusammensetzung lässt sich das ursprüngliche Konzept, heimische Laubbäume in den Randbereichen des Ovals und Gruppen von Nadelgehölzen im inneren Quadrat, als räumliche Verschränkung zweier Boskettformen nicht nachvollziehen. Insbesondere wurden Eiben trotz eines historisch anderen Verwendungszusammenhanges zur - in jüngerer Zeit beliebten - Rahmung von Skulpturen und einer vagen Idee einer Rokokofüllung mit immergrünen Gehölzen folgend gepflanzt. Der noch nicht endgültig abgestimmte Entwurf sieht im inneren Quadrat ein Zurückdrängen von Eibe und Buche vor und gleichzeitig die Pflanzung von Fichte und Lärche. Dadurch wird durch eine im Maß-stab des Boskettganzen kleine, im Kleinen aber gewichtige und umfangreiche Korrektur die typologische Variation als zentrales Entwurfsprinzip wieder wahrnehmbar. In der Stärkung des Unterschieds liegt so etwas wie ein Glaubwürdigkeitsbeweis für die Wirklichkeit des Denkmals.

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Theorie und allgemeine Überlegungen

Stefan Rhotert

Fragen an die Gartendenkmalpflege

Die Beschäftigung mit gartendenkmalpflegerischen Fragen hat in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Ausgehend von der Lehrtätigkeit der Professoren Hennebo, Gamer, Schmidt, Seiler, Goecke, Köhler und anderer haben sich die Absolventen der deutschen Hochschulen beim Kontakt mit Gartendenkmalen in ihrer beruflichen Tätigkeit an den ver-mittelten Grundsätzen der Gartendenkmalpflege orientiert. Durch die jeweils individuelle Problemstellung und unterschiedliche Auslegung des Erlernten bei der Behandlung, meist Sanierung, eines historischen Gartens, wurden viele Fragen aufgeworfen, die wohl nie generell geklärt, vielleicht aber doch etwas geordnet werden können:Was muss man, was soll man, was darf man, was kann man und was darf man unter kei-nen Umständen bei der Sanierung oder Pflege eines Gartendenkmals veranlassen?

Für den Betreuer eines historischen Gartens, der vor Ort den Unterhalt eines privaten oder öffentlich zugänglichen Gartens besorgen muss, braucht man aus den grundsätz-lichen Forderungen entwickelte praktikable Vorgaben. Diese hängen in erster Linie von den Zielvorstellungen, die der Verfügungsberechtigte in Abstimmung mit der Denkmal-schutzbehörde verfolgt, ab. Soll ein Garten in seinem Verfall präsentiert werden, wobei der Alterswert der einzelnen Bausteine hervorgehoben und auf die „Wiederherstellung“ untergegangener Elemente verzichtet wird? Oder soll bei einer Anlage das ursprüngliche Erscheinungsbild des Gartenkunstwerks visuell wieder erkennbar werden um es den Be-suchern präsentieren zu können? Oder soll die Anlagengeschichte eines untergegangenen Gartens zu Dokumentationszwecken wissenschaftlich erforscht werden, ohne dass an eine Wiederbelebung des Gartens gedacht wird?

Es gibt wohl kein Gartenkunstwerk des 17., 18. oder 19. Jh., das von seiner Entstehung bis heute durch ununterbrochene kontinuierliche Pflege im Originalzustand erhalten ist. Will man dem Originalzustand, so er denn bekannt ist, möglichst nahe kommen, sind Restau-rierung oder Rekonstruktion unausweichlich. Folgt der Betreuer der Anlage der grundsätz-lichen Forderung, nur das unverändert zu erhalten, was original vorhanden ist und nur das zu restaurieren oder zu ergänzen, was detailgenau dokumentiert ist, stößt er wohl bald an seine Grenzen. Auch bei der Suche nach der letzten, durch eine künstlerische Überarbei-tung gekennzeichneten Zeitebene in der Entwicklung eines Gartens kann die Bewertung unterschiedlich ausfallen.

Wenn der Verfall des Gartens schon zu weit fortgeschritten ist und die Wiedergewinnung der ursprünglichen Ausformung nur über eine Rekonstruktion von wesentlichen Gartenpar-

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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tien möglich ist, gerät das denkmalpflegerische Gewissen in Turbulenzen. Darf man rekon-struieren oder soll die halbverfallene Substanz gesichert und erhalten werden? Die Maßnahmen müssen individuell an jedem Objekt beurteilt werden, eindeutige Regeln kann man nicht aufstellen. Fehlende Bauteile, deren originale Ausformung belegt ist und deren Existenz für das Verständnis des Denkmals unabdingbar ist, sollten nach gewissen-hafter Recherche rekonstruiert werden. Immer muss der Gartenbesucher aber über Rekon-struktionen ehrlich informiert werden.

Schöpferische Gartendenkmalpflege ist strikt abzulehnen. Gartenpartien nach eigenem Ge-schmack historisierend nachzubauen und als Wiederherstellung des historischen Zustands zu bezeichnen, ist nicht zulässig. (Art. 17). Historische Befunde und besonderen Alterswert dokumentierende Elemente dürfen niemals beseitigt werden. Das wäre Urkundenfälschung!

Bei den lebenden Baustoffen, den Pflanzen, wird es nicht möglich sein, etwa die Artenzu-sammensetzung einer Sommerblumenbepflanzung zu erkennen oder ehemals verwendete Rosen- oder Obstsorten heute aufzuspüren. Bevor man in solchen Fällen ein leeres Feld zeigt, scheint es mir richtiger, die Fläche mit verfügbaren zeittypischen Pflanzen zu be-setzen, diese aber zu modifizieren, wenn weitere Forschungen eine andere Ausstattung belegen.

Für eine als Gartendenkmal festgestellte Anlage wird häufig ein Parkpflegewerk oder eine denkmalpflegerische Zielstellung erarbeitet, die die auftretenden Fragen lösen soll, was wohl nicht generell möglich ist, sondern Spielraum für weitere Erkenntnisse lassen muss.Für die Betreuung jeden historischen Gartens, besonders aber bei der Aufgabe, ein unter-gegangenes oder ein in der Pflege stark vernachlässigtes oder verfremdetes oder einen untypisch genutztes Gartenkunstwerk aus vergangener Zeit wieder erlebbar zu machen, sollten nach meiner Erfahrung folgende Schritte eingehalten werden:

1. Erforschung• Intensive Erforschung der Anlagengeschichte: Auswertung allen verfügbaren Archivmaterials, Pläne, Bauakten, Rechnungsbücher Reiseberichte, Darstellungen aus verschiedenen Zeitebenen, archäologische Grabungen etc.• Kartierung der vorgefundenen Topographie und der Vegetation einschl. Baum- stöcken, Feststellung von früheren Schnittebenen bei Bäumen oder Hecken• Überlagerung von historischen Plänen mit aktuellen Bestandsplänen• Aufdecken von untergegangenen Wegen und Entwässerungsanlagen• Aufdecken von Uferlinien und Uferbefestigungen bei Gewässern• Aufdecken von Skulpturenstandorten• Zuordnung der festgestellten Bestandskriterien zu evtl. unterschiedlichen Zeitebe nen der Entstehung

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Theorie und allgemeine Überlegungen

2. Zielstellung• Vor dem Hintergrund dieses Wissens erfolgt eine Bewertung als Grundlage für die Erarbeitung einer denkmalpflegerischen Zielstellung. Dabei werden Sanierungs- und Pflegemaßnahmen formuliert, die – oft in langen Zeiträumen – zu einem „Idealzustand“ der Parkanlage führen sollen. • Einordnung der vorgeschlagenen Maßnahmen gemäß den Kriterien der Charta von Florenz in Instandhaltung, Konservierung, Restaurierung und Rekonstruktion• Abwägung der Zulässigkeit vorgeschlagener Schritte gemäß den Vorgaben der Charta von Florenz, der Denkmalschutzgesetze, der Naturschutzgesetze und der öffentlichen Meinung• Zeitliche Vorgaben für mögliche Schritte• Darstellung der Aufwendungen für den kontinuierlichen Unterhalt• Aussonderung von theoretischen Forderungen, die in der Praxis nicht machbar sind

3. Umsetzung• Von „sachkundigen Fachleuten“ (Art. 21) gemäß der erarbeiteten Zielstellung mit der Möglichkeit zur Fortschreibung nach der Gewinnung neuer Erkenntnisse.

Da jeder zu bearbeitende Garten individuelle Charakterzüge trägt, kann man über die Charta von Florenz hinaus wohl keine grundsätzlichen Festlegungen treffen, was bei der Betreuung erlaubt oder verboten ist.Was wäre beispielsweise beim Neuwerck-Garten in Gottorf die Alternative für die Wieder-herstellung gewesen -

• eine kaum noch erkennbare Geländeterrassierung unter einem dichten Wald?• oder nach archäologischen Grabungen wiederhergestellte Terrassen mit leeren und unzugänglichen Rasenfeldern und Böschungen, evtl. mit zum Schutz abgedeckten Grabungsbefunden an den Kaskaden?• oder eine komplette Neuanlage ohne Anlehnung an historische Vorgaben?

Alles sicher legitime Möglichkeiten. Ob aber der Genius loci allein im Stande gewesen wäre, dem Besucher neben dem im Museum Schloss Gottorf vermittelten Stand des künstlerischen Schaffens von Malern, Bildhauern, Baumeistern und anderen im 17./18. Jh. auch die Leistungen der Gartenkunst zu vermitteln, muss doch bezweifelt werden. Der wiederhergestellte Garten in Gottorf kann als Freilandexponat des Museums betrachtet werden, sicher ein Sonderfall – wie fast jeder historische Garten.

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Jens Beck

Zum Thema „Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege“

Abseits der in der Öffentlichkeit diskutierten Wiederherstellung von zerstörten historischen Gärten oder einzelner Gartenelemente spielt das Thema „Rekonstruktion“ eher eine un-tergeordnete Rolle. Ausschlaggebend dafür sind die hohen Kosten, die mit einem solchen Vorhaben in der Regel verbundnen sind. Auch die Frage der späteren Erhaltung von ganzen rekonstruierten Anlagen oder auch nur eines einzelnen Blumenbeetes lässt die Besitzer historischer Gärten davor zurückschrecken. In der täglichen Praxis kehren drei Aspekte regelmäßig wieder:

1. Rekonstruktionen überfordern die Besitzer historischer Gärten finanziell und ideell.Die Pflege eines historischen Gartens ist mit Kosten und Aufwand verbunden. Die Besitzer – private wie öffentliche – haben im allgemeinen die Pflege ihren finanziellen, technischen und organisatorischen Möglichkeiten angepasst. Nicht immer ist dies ausreichend, um einen Garten auf lange Sicht zu erhalten. Oft werden Pflegearbeiten vereinfacht und Teile von Anlagen oder einzelne Elemente, beispielsweise die Wege, aufgegeben, um wenig-stens eine Grundpflege zu gewährleisten. In dieser Situation über die Rekonstruktion einer verschwundenen Staffage, eines nicht mehr vorhandenen und vielleicht nicht mehr in allen Teilen nachvollziehbaren Gewässersystems oder eines seit Jahrzehnten nicht mehr erneuerten Teppichbeetes nachzudenken, liegt den meisten Besitzern fern. Bereits Maß-nahmen, die noch als Instandsetzung bezeichnet werden können (Entschlammung eines Teichs, Wiederherstellung früherer Aussichten, Freischlagen zugewachsener Wiesenflächen etc.) scheinen die Besitzer zu überfordern. Dabei spielen nicht nur die Kosten eine Rolle. Oft werden Rekonstruktionen auch aus anderen Gründen abgelehnt: Das Fehlen von festen Wegen wird als „Befreiung“ von vermeintlicher Gängelung erlebt, die Wiederherstellung hingegen als Maßregelung; der Gedanke an die Neupflanzung einer nicht mehr vorhan-dene Zufahrtallee wird als „herrschaftlich“ verworfen; die Neuanlage von Beeten wird als „kleinlich“ und unvereinbar mit der geschätzten Großzügigkeit einer Parkpartie empfun-den. Nachvollziehbar ist eine solche Argumentation durchaus, denn im täglich Umgang und in der Nutzung der Gärten werden diese von ihren Besitzern meist als stimmig in der Form gesehen, in der sie vorgefunden oder hergerichtet wurden.

Das bedeutet nicht, dass frühere Qualitäten den Besitzern nicht vermittelt werden können, im Gegenteil: Gerade die Reize einer landschaftlichen Anlage – die Ausblicke in die Um-gebung, das Zusammenspiel der einzelnen Kompositionselemente, die gekonnte Führung eines Weges – sind von den meisten Besitzern sofort nachvollziehbar. Die Bereitschaft, da-für auch den Pflegestandard zu erhöhen oder eine Kostensteigerung in Kauf zu nehmen, ist jedoch sehr gering. In der Regel gelingt die Wiederherstellung nur dann, wenn glaubhaft

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versichert werden kann, dass die vorgeschlagene Maßnahme keine höheren Kosten nach sich zieht oder der Pflegeaufwand nur unwesentlich erhöht wird. Dem Freischlagen einer Aussicht wird beispielsweise meist zugestimmt, weil der Gewinn an Qualität sich unmit- telbar einstellt und das Freihalten einer Öffnung keine große zusätzliche Arbeit bedeutet. Auch die Freilegung von ehemaligen Rasenflächen, die aus Gründen der Pflegeökonomie mit Fichten bepflanzt wurden, wird begrüßt, da die folgende Rasenmahd mit einer ent-sprechenden Maschine kein großes Problem darstellt. Hingegen wird die Wiederherstellung von Wegen meist abgelehnt mit dem Hinweis auf den hohen Aufwand der Unterhaltung. Die Wiedererrichtung zerstörter Gebäude, Brücken oder Mauern liegt meist außerhalb der Möglichkeiten.

Die zweite Argumentationsebene, bei der Rekonstruktionen als Beschwörung vergangener Zeiten abgelehnt werden, ist weniger stark ausgeprägt, spielt aber im Selbstverständnis vieler Besitzer eine Rolle. Denn gerade die Rekonstruktion barocker Elemente und Struk-turen wird als Wiederbelebung einer gesellschaftlichen Hierarchie verstanden, von denen sich beispielsweise viele Guts- und Gutsgartenbesitzer distanzieren. Andererseits wird die Wiederbepflanzung verschwundener Obstgärten mit dem Argument abgelehnt, dass ein an die frühere Versorgungsfunktion erinnernder Obstgarten sich nicht mit dem Erscheinungs-bild einer herrschaftlichen Anlage verbinden lasse.

2. Rekonstruierte Gärten werten oft die erhaltene Originalsubstanz und damit auch das unspektakuläre Bemühen um deren Erhaltung ab. Die sehr wirkungsvoll dargestellten Rekonstruktionen von Anlagen führen bei vielen Besitzern zu einer Geringschätzung ihrer eigenen Gärten. Darunter leidet zwar weniger die eigene Wahrnehmung der Besitzer, die sich ihren Gärten als überkommenem Erbe verpflichtet fühlen und sich ihrer Qualitäten bewusst sind. Nach außen hin wird die eigene Anlage jedoch häufig mit den fotogenen, ein vermeintlich höheres Niveau darstellenden Gärten verglichen, die umfassend instand gesetzt oder rekonstruiert worden sind. Der Vergleich fällt in der Regel zu Gunsten dieser Anlagen aus. Die Bitte um eine Besichtigung wird daher oft von vielen Besitzern mit der ungläubigen Frage „Was wollen Sie bei uns denn ansehen?“ beantwortet.

Die Eigenarten einer Anlage und die spezifischen Qualitäten eines Gartendenkmals werden weniger geschätzt als diejenigen einer Neuanlage. Dem entspricht auch die Darstellung in den Medien, die sich auf rekonstruierte oder zumindest weitgehend restaurierte Anlagen beschränkt. Dadurch wiederum werden beispielsweise Fördergelder von bestimmten Pro-grammen wieder in die Anlagen geleitet, die sich bereits einer gewissen Aufmerksamkeit erfreuen. So führen die weniger stark restaurierten Anlagen ein Schattendasein, obwohl sie oft interessant und Geschichtsdokumente von hohem Wert sind. Die Bemühungen der Besitzer werden nur selten ausreichend gewürdigt, obwohl die Mehrheit der historischen Gärten zu dieser Gruppe von weniger spektakulären Anlagen zu zählen ist. Die Forderung nach medienwirksamen Rekonstruktionen wird diese Tendenz noch verstärken. Hinzu

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kommt, dass gegenwärtig das Thema Fremdenverkehr und Veranstaltung in historischen Gärten sehr stark im Vordergrund steht und damit auch wieder die Anlagen mit einem populären Schauwert. Der Druck, sich diesen Anlagen optisch anzupassen nimmt weiter zu.

3. Das Ergebnis von Rekonstruktionen oder auch nur umfassenden Instandsetzungen stellt ein großes Problem für die weitere Erhaltung dar.In vielen Anlagen, in denen in den vergangenen Jahren Rekonstruktionen durchgeführt wurden, ist der damit verbundene Mehraufwand an Pflege ein Problem. Auch wenn bereits bei der Entscheidung für eine Rekonstruktion die Frage der Nachsorge bedacht und gelöst wurde, sind langfristig Probleme zu beobachten. Nicht selten führt die Konzentration der Pflege (und der Aufmerksamkeit) auf die rekonstruierten Teile zu einer Vernachlässigung anderer Teile (beispielsweise in Nordkirchen, auch im Georgengarten Hannover zu beobachten). Die Anlage zerfällt in Bereiche mit unterschiedlichem Pflegestandart.

In kleineren Anlagen führt der erhöhte Pflegebedarf mittelfristig nicht selten dazu, dass das Ergebnis von Maßnahmen wieder zunichte gemacht wird. In Henneckenrode ist nach der Rekonstruktion der formalen Partie am Schloss die Unterhaltung der erhaltenen land-schaftlichen Teile ganz eingestellt worden, da die Pflege sich nur noch auf die neue Pflan-zung konzentriert hat. Gegenwärtig kann auch diese nicht mehr vom Eigentümer gewähr-leistet werden und wird von einem neu gegründeten Verein übernommen. In Walshausen kann der nach der umfassenden Instandsetzung geschaffene Zustand nicht durch den Besitzer gehalten werden, so dass bereits wieder ein Verfall eintritt und wichtige Nach-pflanzungen unterbleiben. Auch in Eckerde hat die Besitzerin nach eigenen Angaben kaum noch die Möglichkeit, die rekonstruierten Wege zu halten und denkt über eine teilweise Aufgabe der Pflege nach. Gerade dies Beispiel hält viele andere Eigentümer davon ab, die Wege in ihren Gärten wieder anzulegen.

Rekonstruktionen in privaten historischen Gärten werden sich immer auf das durch den Besitzer vorgegebene Maß beschränken. Durch die Förderpraxis der vergangenen Jahre sind allerdings nicht nur in den oben genannten Anlagen Maßnahmen durchgeführt wor-den, deren Ergebnis einen erhöhten Pflegeaufwand bedeuten und für den Besitzer häufig ein langfristiges Problem bedeuten. Die Finanzierung einmaliger Maßnahmen, die sich gut in der Öffentlichkeit darstellen lassen, ist in vielen Fällen durch öffentliche und private Gelder unterstützt worden. Die kontinuierliche Pflege ist hingegen für die meisten Besit-zer weiterhin ein drängendes Problem, für das bisher nur in einigen europäischen Ländern Lösungen gefunden wurden.

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Margita Marion Meyer

Zwischen Scylla und Charybdis.Plädoyer für einen konservatorischen Umgang mit dem Gartenkulturerbe

Der nachfolgende Text ist ein Ausschnitt aus dem von M. Meyer in der Zeitschrift Denk-mal. Zeitschrift für Denkmalpflege in Schleswig-Holstein (2005, H. 12, S. 20-2�) publi-zierten Artikel „Zwischen Scylla und Charybdis. Plädoyer für einen konservatorischen Umgang mit dem Gartenkulturerbe“.

(Die Herausgeber)

Vergleiche der Ziele und Methoden der Bau- und Gartendenkmalpflege

Wie bereits dargelegt, sind Denkmaltheorie und konservatorisches Grundverständnis in der Bau- und Gartendenkmalpflege gleich, auch wenn es in der Praxis methodische Unter-schiede gibt. Das soll eingehender unter vier Gesichtspunkten diskutiert werden.

1. Viele historische Gärten ähneln historischen Produktionsstätten, die nicht mehr in Betrieb sind und vom Personal verlassen wurden. Sie stellen den praktischen Denkmalpfle-ger vor genau so große Probleme wie eine stillgelegte Tuchfabrik oder ein aufgelassenes Bergwerk. Mit ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung, die sich wirtschaftlich nicht mehr aufrecht erhalten ließ, wurden Pflege und Anzucht der Pflanzen aufgegeben. Doch wie kann ein Bergwerk ohne Bergbauarbeiter, kann ein historischer Garten ohne Pflegepersonal erhalten werden? Zweifel scheinen angebracht, doch für die Denkmalbewertung darf das zunächst keine Rolle spielen: Der Denkmalwert besteht ja unabhängig von der Nutzbarkeit.

Doch für die Erhaltung und Zukunftssicherung muss eine aktuelle, tragfähige Nutzung gefunden und für die ursprüngliche Zweckbestimmung (das Anpflanzen und Pflegen von bestimmten Pflanzen und das Erleben des Gartens als utopischer Ort) neues Interesse geweckt werden. Wiederbelebung der einstigen Funktionen und touristische Inwertset-zung, aber auch museale Präsentationen bieten sich an. Sie bestimmen die gartendenk-malpflegerischen Erhaltungsstrategien. Dazu braucht und sollte freilich nicht die Totalre-konstruktion gehören. Die Zerstörung der Authentizität beraubt das Gartendenkmal seiner Geschichtlichkeit und damit auch der Bedeutung für eine Kulturlandschaft oder Stadt.

Langfristig betrachtet wird dem neu inszenierten Surrogat sogar eine geringere Haltbarkeit (Nachhaltigkeit) vorausgesagt werden müssen als dem konservatorisch versorgten Original.

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Wirtschaftlich können beide ohne öffentliche Förderung nicht betrieben werden.

Die Grenzen zwischen rein konservatorischer, musealer und touristischer Herrichtung sind keinesfalls starr: Wenn z. B. in einem Schloss ein Museum eingerichtet wurde, wird es in dem dazugehörigen Garten auch die eine oder andere museale Inszenierung geben dürfen. Stets sind ja bei allen denkmalpflegerischen Entscheidungen die Bedürfnisse des Nutzers angemessen zu berücksichtigen. Wichtig ist freilich, dass Zugeständnisse an museale oder touristische Nutzungen den Denkmalcharakter nicht dominieren .1

2. Der eigentliche Unterschied zwischen Bau- und Gartendenkmalpflege liegt im Wesen der Denkmalsubstanz. Das Gartendenkmal ist nicht nur als eine „Sache aus ver-gangener Zeit“ zu begreifen, sondern jede ursprüngliche Anpflanzung, wenn sie noch erhalten ist, stellt eine „Entwicklungseinheit“ dar, die eine offene Gestalt hat. Anders als ein Bauwerk „können Pflanzungen im allgemeinen nicht sofort die Funktion oder Wirkung erfüllen, die ihnen zugedacht ist.“2 Das heißt, jeder Garten, der einst kunstvoll angelegt wurde, verweist auf ein „Kunstwollen“, dass sich zu seiner Anlage- oder auch Blütezeit, (noch) nicht realisiert hat oder haben muss. Der Gestaltwert und der historische Wert kön-nen also bei einem von der Pflege vernachlässigten Gartendenkmal nicht alleine ausrei-chend sein für die Denkmal-Bewertung.

Hinzu kommt der von Alois Riegl als Denkmalwert eingeführte „Alterswert“, der der Be-deutung der Spuren von Zeit und Vergänglichkeit für das gefühlsmäßige Denkmalerlebnis Rechnung trägt. Mehr noch als ein Baudenkmal kann der natürliche Prozess des Werdens und Vergehens seinem Wesen nach viel stärker ausgelieferte Garten dieses Denkmalerleb-nis vermitteln, das Riegl als das primäre und elementare, von jedem Menschen unmittel-bar erfahrbare erkannt hat. Seit Riegl ist es zentrale Aufgabe der Baudenkmalpflege die Patina der Denkmale, ihre Alters- und Gebrauchsspuren zu erhalten und nicht stilgerechter Erneuerung zu opfern. Die Gartendenkmalpflege muss jedoch noch einen Schritt weitergehen: Die Natur des Gar-tens verlangt, das Gartendenkmal auch als Symbol zu verteidigen. Dieser Symbolwert hat mit Stilen oder akademischen Normen nichts zu tun; er geht aber auch über Vergänglich-keitsassoziationen hinaus. Der Symbolwert beinhaltet auch nicht nur „Erinnerungswerte“, sondern er verweist in der offenen Form des Gartenkunstwerks auf die utopische Funktion aller Gärten. Dieses Wesensmerkmal hebt die Gartendenkmale über alle anderen Denkmal-gruppen hinaus.

3. Die Schöpfer von Gartenkunstwerken hinterlassen offene Formen (selbst wenn sie ihr Werk vollenden konnten), deren Wert und Bedeutung mit der Zeit vergehen, aber auch wachsen können! Darin liegt gegenüber dem architektonischen Bauen ein entscheidender Vorteil. Er gereichte dem Gartendenkmal aus Sicht der Baudenkmalpflege jedoch bisher immer zum Nachteil. Der Vorteil liegt darin, dass ein Gartenkunstwerk im Laufe seines

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Alterns nicht zwangläufig nur zu einer „Wildnisruine“ mutieren muss, wie die ehemalige Burg, die zur Ruine wird. Sondern aufgrund des wachsenden Materials kann er sich auch zu ganz neuen Schönheiten und Qualitäten entwickeln: etwa in den alten Platanenalleen der seitlichen Bosketts in Versailles, die sich zu wahren Pflanzendomen herausgebildet ha-ben, ein einzigartiges Naturerlebnis beim Durchwandern; oder in den lila Blütenteppichen der Krokuspflanzen im Husumer Schlossgarten, die sich durch Versamung und Verwilde-rung zu einem Bild von Naturleben entwickelt haben, das zweifellos wichtiger Bestandteil des Gartendenkmals geworden ist.

Der Nachteil des Gartendenkmals gegenüber dem Baudenkmal liegt darin, dass es als un-stabiles Kunstwerk mit unvollendetem Programm der ständigen (Neu-)Aufführung bewusst inszenierter Vegetationsbilder bedarf, um im Sinne seines Schöpfers für die heutigen Rezipienten sinnlich erlebbar und verstehbar zu bleiben. Wie ein Kompo-nist in seiner handschriftlichen Partitur festlegt, welche Töne auf welchen Instrumenten in bestimmten Takten zu spielen sind, hinterlässt der Gärtner mit seinen Pflanzungen der Nachwelt eine Gartenpartitur, die es zu pflegen gilt. Der Rückgriff auf erhaltene histo-rische Quellen, Inventarlisten und Pflegeanweisungen für die Nachfolgenden, wie das ursprüngliche Werk immer wieder neu zu inszenieren sei, liegt also auf der Hand. Doch stehen die Originalpartituren von J.S. Bach bekanntlich nicht unter Denkmalschutz. Das originalgetreue Abspielen seiner Noten mit originalgetreuen Instrumenten ist kein Aufga-benfeld der Denkmalpflege3 , sondern fällt in den Bereich enthusiastischer Musikhistoriker.

Das rekonstruierende Erneuern sollte sich auf den kopierenden Ersatz von Gartenskulp-turen und die baukonservatorische Herrichtung von Staffagebauwerken und sonstigen architektonischen Elemente beschränken. Das originalgetreue Nachpflanzen und rege-nerierende Eingriffe in die Gehölzsubstanz sowie Lücken- und Ersatzanpflanzungen von bestimmten Gehölzstrukturen stellt jedoch eine legitime Aufgabe der Gartendenkmalpflege dar. Dadurch wird nicht zuletzt der historische und wissenschaftliche Wert des Garten-denkmals tradiert. Die Pflanzenzusammenstellungen in den Parterrebereichen bezeugen nicht nur den Stil ihrer einstigen repräsentativen Funktion (schöne Blühaspekte und nach bestimmten Farb- und Harmonielehren), sie verweisen auch auf den jeweiligen Stand der botanischen Wissenschaft, sie erzählen beispielsweise, wann welche Gattungen aufgrund von Forschungsreisen, Handelsbeziehungen oder kolonialer Eroberungen Einzug in unsere Gärten hielten.

4. Schließlich muss man sich klar machen, dass sich die denkmalpflegerische Instand-setzung eines Gartens unter einem viel weiteren Zeithorizont vollzieht als die Sanierung eines Baudenkmals. Kann ein Haus innerhalb eines Jahres (je nach Bauaufgabe oft in ein paar Monaten) zügig saniert werden, erfordern denkmalpflegerische Maßnahmen in Gärten ein mehrjähriges Planen, Anpflanzen und nachfolgende Pflege zum stabilen Aufbau oder Umbau der Pflanzung. Deshalb sollte für jeden bedeutsamen Garten ein eigener

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Regiebetrieb zuständig sein, wie z.B. die Schlösser- und Gärtenverwaltungen, die die not-wendige kontinuierliche Betreuung gewährleisten. „Je professioneller die Betreuung, desto mehr ist sie gekennzeichnet durch ein Gleichgewicht von pflegerischem Bewahren, rekon-struierendem Erneuern und neuem Gestalten – eine Betreuung, die nicht nur die materielle Existenz, sondern auch die gestalterische Weiterentwicklung und die künstlerische Einheit eines Gartens im Auge hat.“4 Nur diese kontinuierliche fachkundige Pflege wird der „gei-stig-körperlichen Doppelnatur“ (Dehio) des Gartens als Denkmal gerecht. Doch meist fehlt ein institutionalisierter Pflegebetrieb und die Arbeiten werden von Fall zu Fall an private Garten- und Landschaftsbaubetrieb vergeben.

Dann wirkt sich aus, dass die Haushaltsgesetze, die oft zu kurzen Ausführungsfristen und die meist nur im Jahr darauf vergebene Fertigstellungspflege einen zeitlichen Rahmen setzen, in dem eine Erfolgskontrolle der Neuanpflanzung nicht stattfinden kann. So wird z. B. eine Neuanpflanzung im Frühjahr im anschließend heißen und trockenen Sommer nicht durch einen gießenden Gärtner betreut, dessen Lohnkosten höher als das Pflanzenmaterial sind. Der private Garten – und Landschaftsbaubetrieb wird vielmehr die Neuanpflanzung vertrocknen lassen (was nichts kostet), um sie innerhalb der Gewährleistungsfrist im näch-sten Frühjahr einfach noch einmal anzupflanzen. 5

Der Neuaufbau einer Pflanzung, die Neuanlage oder Ergänzung einer Allee, ja selbst die Anlage eines benutzbaren und betretbaren Rasens können je nach dem erfolgreich nur zu bestimmten Jahreszeiten angelegt werden und sind extrem abhängig von den Witterungs-verhältnissen. Ist dieser Zeitpunkt erst einmal verpasst, muss oft ein ganzes Jahr gewartet werden, bis man von neuem beginnen kann. Gärten wurden früher meist über Jahrzehnte angelegt,� eine kontinuierliche Pflege und ein immer wieder erforderliches Lenken und Eingreifen in die Pflanzungen ist erforderlich, wenn ein Ergebnis erzielt werden soll, das längerfristig Bestand hat.

Die wichtigste Wirkung der Gartendenkmale wie aller Denkmalgattungen auch auf und in die Gesellschaft hinein beruht darauf, dass Denkmale einen eigenen, einmaligen Anteil an der Geschichte haben. Deshalb sind sie nicht beliebig ersetzbar und nicht durch Nach- und Neubauen reproduzierbar. Im Umgang mit dem Denkmal werden „emotionale und intellek-tuelle Erinnerungsleistungen verlangt, die das Denkmal zum Anlass von Weltverbesserung machen. Zu diesen Leistungen dem Denkmal gegenüber gehört in letzter Konsequenz auch die Hinnahme seines Untergangs. Denn: Das Nicht-Annehmen des Untergangs und die Flucht in die Denkmalwiederholung erscheint uns als die radikalste Form von Denkmalzer-störung, weil sie dem Denkmal die Einmaligkeit seiner Existenz nimmt. Dass dies dennoch immer wieder geschieht, ist kein Beweis für die Obsolenz dieser Norm.“ 7

Die Kostbarkeit des Denkmals wird nur konkret in unserer Sorge um den materiellen Fort-bestand seiner unwiederholbaren und endlichen Existenz. Und dafür hat man sich Rechen-schaft abzulegen: über jeden Baum, den man fällt, über jeden Weg, den man verlegt und

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neu anlegt. Jedes Freistellen einer einstmaligen Sichtachse erfordert Bewertung und Ab-wägung. Es genügt keineswegs das Freiroden einer Blickachse damit zu begründen, dass man dort einst einen freien Blick hatte: Die inzwischen aufgewachsenen Gehölze – ihre Art und ihr Wuchs sind jeweils exakt zu benennen und ihr Wert zu erkennen, um dann erst zu entscheiden, ob die Axt ansetzt werden kann.

Der denkmalpflegerische Weg liegt zwischen „in Schönheit sterben lassen“ und „in neuem Glanz wieder auferstehen“ – zwischen Scylla und Carybdis. Diese Gratwanderung muss bei der Aufstellung von zukünftigen Leitbildern bei jedem Gartendenkmal im Detail neu ausgelotet werden. Gartendenkmalpflege ist im Unterschied zur historischen oder aktu-ellen Gartenkunst keine wie auch immer zu definierende „Konzeptionskunst“; sie hat keine „Kochrezepte“ anzubieten und ihr kommt auch nicht die Aufgabe zu, eine Zutatenliste für solche Kochrezepte zusammenzustellen.

Kompromisswege können erst eingeschlagen werden, nachdem wir uns mit ganzer Kraft für den Erhalt der überlieferten Substanz und Spuren eingesetzt haben. „Lösungen“ kön-nen nur im Austragen von Zielkonflikten entwickelt werden, nicht dadurch, dass wir in „vorauseilendem Gehorsam“ oder aus Angst vor scheinbar persönlichen Niederlagen uns bestimmten politischen oder populären Bedürfnissen unterordnen.

1 Die Zulässigkeit solch musealer Ertüchtigung von historischen Gärten ist in letzter Instanz also eine denk-malrechtliche Entscheidung. 2 Erika Schmidt: Spezifische Probleme der Erhaltung von Gartendenkmalen. In: Gartenkunst, Jg. 5, 1993, Heft 2, S. 283- 292 und diess.: Erhaltung historischer Pflanzenbestände – Möglichkeiten und Grenzen. In: Die Gartenkunst, Jg. 9, 1997, H. 2, S. 270-277. 3 Peter Stephans Plädoyer für den Nachbau des Pöppelmannschen Gartenplans im Dresdner Zwinger, indem er barocke Gartenkunst grundsätzlich als „Konzeptionskunst“ definiert, was den Nachbau Pöppelmannscher „Vorstellungen“ legitimiere, sei hier entschieden widersprochen.Der historische Wert eines Kulturdenkmals ist entgegen Stephans Behauptung in der Denkmalpflegetheorie sehr wohl hinreichend definiert und bezieht sich keinesfalls nur auf geistige Prozesse und ästhetische Nor-men. Der bloße Nachbau eines überlieferten Gartenplans von einem berühmten Gartenkünstlers scheidet aus denkmalpflegerischer Position auf jeden Fall aus: Nicht nur, dass der Zwingergarten auch zu Pöppelmanns Zeit so nie bestanden hat, wie sein Idealplan zeigt, es befindet sich heute ein Gartendenkmal im Zwinger, das nach den Zerstörungen des „Bombenterror“ des Zweiten Weltkrieges in den Jahrzehnten der DDR-Geschichte wiederaufgebaut wurde. Die geschichtliche (Wiederaufbau-) Leistung der DDR-Gärtner ist heute sowohl aus historischer als auch aus denkmalpflegerischer Perspektive anzuerkennen. Im Pöppelmannschen Nachbau würde sie untergehen. Vgl.: Peter Stephan: Wie historisch angemessen ist die (Wieder-)herstellung verloren gegangener oder unausgeführter Gärten des Barock? In: Historische Gärten heute, a.a.O., S. 12�- 133. 4 Brigitt Sigel: Denkmalpflege im Garten. In: Naturschutz und Denkmalpflege, a.a.O., S. 143. 5 Ein Problem auch bei der Anlage neuer Gärten. Es ist ein spezifisch gärtnerisches Problem, dass leider viel zu oft außer Acht gelassen wird, vor allem wenn Nicht-Gärtner den Gesamtprozess der Wiederherstellungs-arbeiten steuern. � Das Gottorfer Neuwerk in Schleswig brauchte immerhin zwei Generationen (von 1�37-1�99), um zu dem zu werden, was es bis heute noch als zentralen historischen Wert beanspruchen kann: Der bedeutendeste manieristische Terrassengarten im nordeuropäischen Raum zu sein, der bis nach Skandinavien ausstrahlte und Modell für viele Gärten der Nachfolgezeit abgab. 7 Georg Mörsch: Denkmalbegriff und Denkmalwerte, a.a.O., S. 102.

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Gegensätzliche Meinungen - Das Beispiel Gottorf

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Frank Schalaster und Rose Wörner

Der heutige Stellenwert von Rekonstruktionen und die gartendenkmalpflegerische Praxis der Wuppertaler Landschaftsarchitekten Rose und Gustav Wörner

Rekonstruktion – ein aktuelles Marketingbedürfnis?Die Aktualität einer Diskussion über die Rekonstruktion historischer Gärten bzw. Garten-partien wird gerade in diesen Tagen wieder besonders deutlich. Bemühungen um die Neu-anlage des Heidelberger Schlossgartens, des berühmten „Hortus Palatinus“, sind in vollem Gange. Die Wiedererrichtung einer der bedeutendsten Gartenschöpfungen aus der Zeit der Renaissance nördlich der Alpen, die bizarrer Weise nie zur Vollendung geführt werden konnte, dessen detailgetreue Dokumentation durch historische Pläne und Zeichnungen jedoch ein Aufleben des nie Dagewesenen zuzulassen imstande scheint.

Bereits mit dieser Ankündigung wird klar: Im Zuge immer stärker konkurrierender Marke-tinginteressen nimmt die Inszenierung eines leichter zugänglichen Gartenverständnisses einen größeren Stellenwert ein. Die Oberflächlichkeit prächtig ausstaffierter Blumen-parterres ist schließlich augenscheinlich erlebbar, während sich dem zwar eventgela-denen, ansonsten doch eher gartenneutral gestimmten Laien bloße ‚Andeutungen’ des Historischen kaum mehr erschließen dürften. Im Falle des Schönbrunner Kammergartens ‚Am Keller’ erfolgte nach dessen Rekonstruktion eine bewusste „Vermarktung dieses An-blickes“.1 Aus gartendenkmalpflegerischer Sicht stellt sich hier allerdings die Frage, ob der Rekon-struktionswille der Sache dienlich ist oder ob historische Gartenanlagen nicht vielmehr zu einer Art „Mode“ degradiert werden? Welche Verantwortung kommt einem Gartendenk-mal zu und welche Funktion wird einer Rekonstruktion auferlegt? Die Authentizität eines Gartendenkmals weicht mit dessen Nachbildung einer sichtbar gewordenen Interpretation objektbezogener Quellen, führt bestenfalls zu einer Kopie am selben Ort, die einen mög-lichen historischen Zustand beschreibt. Eine Steigerung des Denkmalwerts wird jedoch zu Gunsten eines erhöhten Erlebniswerts, im Idealfall eines pädagogischen Effekts, ausge-schlossen.

Rekonstruktion – Ausnahme oder Regel?So individuell die historischen Gartenanlagen als Teil unseres kulturellen Erbes ausgeprägt sind, so beruht ihre gartendenkmalpflegerische Betrachtung und Bearbeitung auf Einzel-fallentscheidungen. Gartendenkmalpflege gibt als Abwägungsprozess eine Vielzahl von Maßnahmenoptionen vor, unter denen neben Instandhaltung, Konservierung und Instand-setzung die Rekonstruktion bislang als Ausnahmeverfahren gewertet wurde. Rekonstrukti-onen gehen über die Prämisse des Substanzerhalts weit hinaus, konterkarieren sie zuwei-len sogar. 2

Gegensätzliche Meinungen - Das Beispiel Gottorf

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Die Wuppertaler Landschaftsarchitekten Rose und Gustav Wörner haben sich während der Phase ihrer aktiven Bürotätigkeit von 19�2 bis 1997 intensiv mit dem gartendenkmalpfle-gerischen Planungsfeld auseinandergesetzt. Rose Wörner tut dies auch heute noch mit Hingabe. Über vierzig gartendenkmalpflegerische Gutachten und Parkpflegewerke sind von den Büroinhabern erarbeitet worden. Grundlegende Gartenrekonstruktionen waren zu keinem Zeitpunkt das Ziel ihrer Empfehlungen. Vielleicht war die damalige Zeit (noch) nicht reif für solche Entscheidungen. Möglicher Weise lag es an der Auffassung der Land-schaftsarchitekten selbst, an ihrem Verhältnis zur Kultur- und Kunstgeschichte. Die fol-genden Beispiele dokumentieren die gartendenkmalpflegerische Auffassung der Büroinhaber:

Klevesche Gartenanlagen am NiederrheinBei den historischen Gartenanlagen zu Kleve handelt es sich um ein Ensemble, welches Moritz von Nassau-Siegen (1�04-1�79) in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts anle-gen ließ und das in späteren Jahrhunderten u.a. durch Maximilian Friedrich Weyhe (1775-184�) überzeichnet und erweitert wurde. Bei der denkmalpflegerischen Betrachtung der Anlagen wurde besonderer Wert auf ihre Genese gelegt: Welche Schichtungen weisen die größtmögliche Substanz auf bzw. sind durch Quellenmaterial derart belegbar, dass die Wiederherstellung des jeweils letzten bedeutenden historischen Zustands möglich ist.Die gartendenkmalpflegerischen Untersuchungen3 ergaben, dass die verschiedenen Gärten – namentlich Amphitheater und Forstgarten – im Sinne des Substanzerhaltes jeweils in Zustände unterschiedlicher Entwicklungsphasen gebracht werden sollten. Der Bestandssi-cherung wurde gegenüber weiteren denkmalpflegerischen Maßnahmen Priorität beigemes-sen. 4 Wesentliche gestalterische Elemente, insbesondere die der Sichtbezüge und Wege-verläufe, wurden seit den frühen 1980er Jahren wiederhergestellt. Neben der Auswertung umfassender historischer Planmaterialien wurden hierzu auch Grabungen veranlasst sowie eine detaillierte Bestandsaufnahme durchgeführt.

Einzelne Strukturen, die im Zuge späterer Überzeichnungen und mangelnder Pflege ver-loren gegangen waren und die für das heutige Verständnis der Anlage notwendig sind, wurden rekonstruiert. Hierbei handelte es sich vorwiegend um Wegeverläufe und Ge-wässerlinien. Entscheidend hierfür war das überkommene Gefüge der weiteren Substanz jener Entstehungszeit, wie beispielsweise der Gehölzbestand. Sofern die Quellenlage eine Instandsetzung oder Rekonstruktion nicht zuließ, dennoch ein früherer Gesamtzusammen-hang wiederentwickelt werden sollte, entschied man sich in Ausnahmefällen für Interpre-tationen auf der Grundlage umfassender Archivalien und Stiche, wie bei der Andeutung der Parterres auf den Kanalinselköpfen. „Verbessert“ im Sinne eines schöpferischen An-satzes wurde eine Anlage hierdurch nicht.

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Gegensätzliche Meinungen - Das Beispiel Gottorf

1 Klevesche Gartenanlagen: Blick über die östliche Insel am Kopf des Prinz Moritz-Kanals

2 Neuwerk-Garten, Schloss Gottorf bei Schleswig: Blick über die Terrassenanlage entlang der zentralen Mittelachsein Richtung Norden (Foto: Schalaster 2007)

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Neuwerk-Garten (Fürstengarten) in Gottorf/SchleswigIm Falle des im Jahre 1991 vorgelegten Parkpflegewerks zum Schlossgarten Gottorf be-schränkten sich die Empfehlungen der Gutachter Wörner zunächst darauf, „Möglichkeiten der Erhaltung und Sicherung der noch vorhandenen historischen Strukturen aufzuzeigen und Vorschläge auszuarbeiten, dieses Ziel mit der Wiederherstellung der wesentlichen Be-standteile des Parkes und der Schloßinsel zu erreichen.“5 Hierzu gehörte die „behutsame“ Wiedergewinnung wesentlicher Raum prägender Strukturen, wie Sichtbeziehungen, Wege-und Terrassenstrukturen unter Berücksichtigung denkmalpflegerischer und naturschutz-fachlicher Aspekte.

Die Aussagen des Gutachtens wurden damals von den beteiligten Gremien und vom Bau-träger, der schleswig-holsteinischen Museumsverwaltung im Einvernehmen gebilligt. Über das erste Entwicklungskonzept hinaus wurde 1994 der zweite Entwicklungsplan aufge-stellt. Mit der Freilegung und Entschlammung des Herkulesteichs wurden gleichzeitig die Fragmente der 5,5 Meter hohen Herkulesstatue geborgen. 1997 konnte ein Abguss dieser Skulptur auf dem noch vorhandenen Fundamentsockel aufgestellt werden, und wenig später wurden die Grundzüge des um das bekannte Globushaus gelegenen Gartenteils nach einer Konzeption der Landschaftsarchitekten Wörner instand gesetzt.

Ein Führungswechsel der Museumsverwaltung im Jahre 1999 bewirkte in den Folgejahren weitere grundlegende Veränderungen: Nachdem das Globushaus in moderner Formgebung erneuert war, ist der über sechs Terrassen verlaufende Neuwerkgarten bis 2007 weitestge-hend rekonstruiert worden.

Erklärtes Ziel war es, die „Parterrebereiche in ihrer größten Prachtentfaltung der Jahre um 1�90 wiederentstehen zu lassen“�. Als Grundlage hierfür diente einer der so genannten Dallin-Pläne aus dem Jahre 1707, der in einem hochskalierten Ausschnitt die Ausgestal-tung des Neuwerk-Gartens dokumentiert. Außerdem wurden zahlreiche Grabungskampa-gnen veranlasst, die es ermöglichen sollten, die Inhalte des ausgewählten Dallin-Plans in dem zu Tage gebrachten Bestand rückzukoppeln und zu verorten, um diese entsprechend auf die heutige Situation projizieren zu können. Die Bemühungen um die Rückverwandlung des Neuwerkgartens verlangten trotz aller Bekenntnisse nach Interpretationen, was zahl-reiche Mängel hervorbrachte. Bei der Neuauflage des Neuwerkgartens führte man garten-archäologische Grabungen durch, eine Maßnahme, die in dem Wörner-Gutachten bereits vorgeschlagen wurde.7 In den zahlreichen Grabungskampagnen des wahrscheinlich „am ausführlichsten ergrabenen Gartenareal[s] der Neuzeit“8 ging originale Denkmalsubstanz verloren, so auch z.B. bei der Fundamentierung im Zuge der Neuanlage.

Die zurückhaltende Zielsetzung des Wörner-Gutachtens wurde mit aus dem Zusammen-hang gegriffenen Textpassagen als „hinfällig“ widerlegt 9, um schließlich die nahezu voll-ständige Rekonstruktion des neuerdings als „Gottorfer Barockgarten“ 10 bezeichneten Ortes

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rechtfertigen zu können und „Garten und Globushaus zu einer international beachteten Attraktion“ ausbauen zu können. 11

In der Veröffentlichung „Der Gottorfer Barockgarten“ wird die Wörnersche Entwicklungs-planung anhand einer aus dem Parkpflegewerk entnommenen Abbildung mit den Worten zitiert, der geplante Garten habe „eher einer englischen Parklandschaft denn einem früh-barocken Garten geglichen […]. Besonders schmerzlich sind die nur marginalen Eingriffe im Herkulesteich und Globusgarten, die die Architekten als wildbewachsene Fläche erhal-ten wollten.“ 12 Dabei wurden insbesondere die erwähnten Bereiche des Herkulesteichs und des Globusgartens der in Gang gesetzten weiteren Entwicklung über die anfänglichen Forderungen des Parkpflegewerks hinaus im Einvernehmen mit den damaligen Planungs-trägern durch das Büro wiederhergestellt. Gemäß dieser abwertenden Grundhaltung wurde dem Wörner-Gutachten bei den folgenden Bearbeitungsschritten keine weitere Beach-tung beigemessen, selbst die umfassende Dokumentation von Geschichte und Bestand fand seitdem keine Erwähnung. Vielmehr wurden die Ziele des Parkpflegewerks als „stark reduzierte, abstrahierte Wiederbelebung des Gartens“ bewertet, „die der wertvollen Struk-tur und Aussage der herzöglichen Komposition nicht gerecht wird.“ 13 Ob die wertvolle Struktur und gartendenkmalpflegerische Aussage des ‚Neuen Werks’ allerdings durch die durchgeführte Rekonstruktion in einem angemessenen Rahmen gewürdigt wird, bleibt abzuwarten. Der Marketingerfolg ist wohl sicher.

1 Hajós, Géza (2004): Marketing in Schönbrunn und in anderen historischen Gärten Österreichs. In: Marke-ting für Gärten und Schlösser. Hg. von Arno Brand, Wilken von Bothmer und Michael Rohde. Hinstorff, 2004. S.153 2 vgl. Schmidt, Erika (1985): Gartendenkmalpflegerische Maßnahmen – Übersicht und Begriffserläute-rungen. In: Gartendenkmalpflege (1985): Grundlagen der Erhaltung historischer Gärten und Grünanlagen. Hg. von Dieter Hennebo. Ulmer. Stuttgart. S.49-80 3 Wörner, Rose & Wörner, Gustav (1979): Der „Neue Tiergarten“ und das „Amphitheater“ in Kleve. Planungs-vorschläge zur Erhaltung, Regenerierung und Neugestaltung der Parkanlagen. Im Auftrag der Stadt Kleve. Hrsg. von Stadt Kleve. Kleve 1979; Wörner, Rose & Wörner, Gustav (1983): Die Erhaltung und Wiederherstel-lung der historischen Parkanlagen des „Neuen Tiergartens“ und des „Amphitheaters“ in Kleve. Im Auftrag der Stadt Kleve. Hrsg. von Stadt Kleve. Kleve 1983 4 Anlage des Amphitheaters und des Prinz Moritz Kanals durch Moritz v. Nassau-Siegen, Gestaltung des Forstgartens durch M. F. Weyhe. 5 Wörner, Rose & Wörner, Gustav (1991): Erläuterungen zum Gartendenkmalpflegerischen Gutachten Schloss Gottorf in Schleswig – Fürstengarten und Schlossinsel. Im Auftrag des Finanzministeriums des Landes Schleswig-Holstein. Unveröffentl. S.95 � Schneider, Ulrich (200�): Der Gottorfer Neuwerkgarten in Schleswig. Jahresheft der DGGL Hamburg/Schleswig-Holstein 200�. Hg. von Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur. S.11;identischer Wortlaut in www.schloss-gottorf.de/gh/perspektiven.php (Stand: Sept. 2007) 7 siehe Fußnote 5; S.84 8 Guratzsch, Herwig (200�): Abschlußbericht zur Gartenrestitution des Neuwerkgartens von Schloß Gottorf gegenüber den beiden Förderern Deutsche Bundesstiftung Umwelt und ZEIT-Stiftung. Hg. von Landesmuse-um Gottorf. S.18

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9 siehe Fußnote 8; S.2�. Anstelle hier möglicher vorzubringender Aussagen zum Wörnerschen Entwicklungs-konzept des Gartens wurde eine Passage der Bestandsbeschreibung wiedergegeben. 10 Guratzsch, Herwig (2007): Der Gottorfer Barockgarten, Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen, Schleswig 11 www.schloss-gottorf.de/gh/index.php (Stand: Sept. 2007) 12 Schneider, Ulrich (2007): Das Neue Werk – die Wiederherstellung des Barockgartens von Schloss Gottorf. In: siehe Fußnote 11; S.44f 13 siehe Fußnote 11; S.97

3 Neuwerk-Garten, Schloss Gottorf bei Schleswig: Vergleich der Zielkonzeptionen zur Wiederherstellung historischer Grundstrukturen in den Entwicklungsplänen 1 (1991, Stand des Parkpflegewerks) und 2 (199�, Folgeplanung). Gustav und Rose Wörner

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4 Klevesche Gartenanlagen: Wiederherstellungskonzept der unterschiedlichen Gartenkompartimente im Hinblick auf den jeweils letzten bedeutenden historischen Zustand. Gustav und Rose Wörner

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Peter Fischer-Colbrie

Der Gottorfer Neuwerk-Garten 2007 – Rekonstruktion, Nachbildung, Wiederaufführung?

Die 370jährige Geschichte des Gottorfer Neuwerk-Gartens ist durch schriftliche Quellen (Oleariuus, A. 1656, Pechlin, J. 1709), verschiedene ausführliche Inventarlisten, sowie Pläne (Mejer, J. 1641, Dallin, R.M. 1707, Anonymus, 1712, Fritzsch, C. 1743), Prospekte (Lönborg, H.C. 1732) und botanische Abbildungen („Gottorfer Codex“ von Holtzbecker, H.S. 1649-1659) gut dokumentiert.

Mit Beginn der ersten Ausbaustufe des Neuen Werkes um 1637 im Auftrag von Herzog Friedrich III durch den damals berühmten holländischen Gärtner Johannes Clodius und der Herstellung der eigentlichen Terrassenanlage wahrscheinlich noch nach seinen Plänen durch den Gärtner M.G. Tatter unter Herzog Christian Albrecht in der zweiten Ausbau-stufe ab 1660 bis zur Vollendung der Anlage um 1700 entstand ein reich ausgestatteter frühbarocker Terrassengarten in ansteigendem Gelände mit den typischen Merkmalen einer streng axialen Ausrichtung, einer perspektivischen Verjüngung nach oben und einem kombinierten Blick- und Aussichtspunkt auf der obersten Terrasse. In einem Grundrissplan von R.M. Dallin um 1707 und in einem kurze Zeit später erstellten Inventar des Gartens wurde die Blütezeit der fertig gestellten Gartenanlage vom Herkulesteich über den Glo-busgarten mit dem Globushaus, die weiteren 5 Terrassen mit den Fontänenbecken und den unterschiedlichen prachtvollen Parterres, den 5 Kaskaden mit begleitenden Treppen in der Mittelachse und den perspektivisch wirksamen schräg nach oben zulaufenden Seitentrep-penanlagen bis zur Amalienburg als Blick- und Aussichtspunkt und einer großen Orangerie mit Sommerstellplatz und einem Ringelhaus jeweils auf der obersten Terrasse festgehalten.

Die Garten-Hochzeit war kurz. 1713 wurde der Riesenglobus für Peter den Großen ab-transportiert und ab 1721 regierten die Dänen von Kopenhagen aus über das Gottorfer Herzogtum. Das Globushaus und auch die Amalienburg wurden abgebrochen. Die riesige Herkulesstatue brach unter ihrem eigenen Gewicht zusammen, der Teich verlandete und der ehemals reiche Skulpturenschmuck verschwand bis auf wenige Bruchstücke. Mit der Nutzung des Schlosses als Kaserne ab 1853 wurden auf den Terrassen Reitplätze angelegt, später verwaldeten sie.

Die Wiederherstellung des Gottorfer Neuwerk-Gartens wurde erstmals im Jahre 1981 durch die Schrift der Autoren H. Behling und M. Paarmann „Schloss Gottorf – Glanz und Elend des Fürstengartens“ in einer Veröffentlichung des Landesamtes für Denkmalpflege mit der Feststellung der Autoren: „Eine Rekonstruktion des historischen Neuwerk-Gartens ist möglich“ und darauf folgende Pläne des Landesamtes, die Terrassen auszulichten um die Grundstruktur des Gartens wieder erlebbar zu machen, eingeleitet.

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Gegensätzliche Meinungen - Das Beispiel Gottorf

Im Jahre 1987 begannen erste archäologische Grabungen im Areal des Neuen Werkes. In der Folge traten die Gartenarchitekten Gustaf und Rose Werner in einem Gutachten zwar vehement für die Wiederherstellung des Neuwerk-Gartens ein, regten jedoch eine Wie-derbelebung in vereinfachten Formen mit Erhaltung eines Teiles des Baumbestandes aus dem 19. und 20. Jahrhundert in Form einer englischen Parklandschaft und Erhaltung des verlandeten Herkulesteiches als wildbewachsene Fläche an.

Mit Hilfe des Landesamtes für Denkmalpflege, der Stadt Schleswig und EU-Fördermitteln gelang es ab 1993 im Rahmen eines Entwicklungsplanes „Neues Werk“ den Herkulesteich zu entschlammen, aus den zahlreichen, überraschend vorgefunden repräsentativen Fund-stücken die Herkulesstatue zu rekonstruieren und die erhaltene Globusgartenmauer in ver-fremdender Art zu sanieren. Im Juli 1997 konnte mit Hilfe von privaten und institutionalen Spendern eine Replik der imposanten Statue im Rahmen eines Volksfestes wieder inmitten des bereits 1994 fertig gestellten Teiches aufgestellt werden.

Nicht zu letzt auf Grund dieser erfolgreichen ersten Schritte zur gewünschten Wieder-herstellung des gesamten Neuwerk-Gartens konnte der neue Leiter der 1999 gegründeten Stiftung „Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf“, Prof. Dr. Herwig Gu-ratzsch die Zeit-Stiftung, die Hermann Reemtsma-Stiftung, die deutsche Bundesstiftung Umwelt, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, das Land Schleswig-Holstein und den Freundeskreis Schloss Gottorf als Sponsoren für die Wiederherstellung des Gartens samt Globushaus und Replik des Gottorfer Globus gewinnen.

Im September des Jahres 2000 erfolgte im Rahmen einer konstituierenden Sitzung die Gründung des „Gremiums zur Restitution des Gottorfer Neuwerk-Gartens“, an der ne-ben der Leitung der Stiftung Landesmuseen Schloss Gottorf, Vertreter einiger beteiligter Sponsoren und des Landesdenkmalamtes auch Prof.Dr.Michael Seiler als Gartendirektor der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten, Dipl.Ing.Stefan Rhotert als Gartendirektor der Bayerischen Verwaltung der Staatlichen Schlösser, Gärten und Seen sowie der Autor als Leiter der Österreichischen Bundesgärten teilnahmen. Nach einer gemeinsamen Begehung des Gartengeländes wurde von den Teilnehmern als nächster Schritt der Wiederherstel-lungsmaßnahmen die schonende Rodung der Terrassen sowie im Einklang mit Artikel 15 der Charta der historischen Gärten (1981) deren nachfolgende archäologische Untersu-chung noch vor Beginn weiterer Baumaßnahmen empfohlen. Weiters wurde die ehest mögliche Überführung des gesamten Gartenareals in das Eigentum der Stiftung sowie insbesondere von den drei Gartenleitern bereits zu diesem Zeitpunkt die künftige Gewähr-leistung einer ausreichenden, fachlich kompetenten gärtnerischen Pflege angeregt.

Mit Hilfe der mit hohem zeitlichen und finanziellen Aufwand erzielten Grabungsergebnisse konnten neben den bereits vorhandenen Funden aus vorangegangen Grabungen im Glo-busgarten nicht nur Grundrisse, Situierung und Ausmaß der Kaskaden, Fontänenbecken,

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Dallin-PLan

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Gegensätzliche Meinungen - Das Beispiel Gottorf

Stiegenanlagen sowie Be- und Entwässerungseinrichtungen gefunden und wissenschaft-lich dokumentiert, sondern auch wichtige Geländemerkmale wie Terrassen- und Bö-schungsneigungen ermittelt und Unschärfen aus den historischen Plan- und Archivunter-lagen ausgeglichen werden.

Im Verlaufe weiterer Treffen des Gremiums in zumindest jährlichen Abständen konnte insbesondere von den Gartenleitern nicht nur ihre langjährige praktische Erfahrung bei der Revitalisierung historischer Gartenobjekte eingebracht, sondern auch als Pragmatiker so mancher Interessenskonflikt zwischen verständlichen Bestrebungen der Sponsoren nach zügigen, kostensparenden und publikumswirksamen Wiederherstellungsmaßnahmen, der Zielvorstellung der Gottorfer Stiftungsleitung, die Restitution an die Hochblüte des Ba-rockgartens nahekommend nachzugestalten, und den berechtigten denkmalschützerischen Forderungen der zuständigen Einrichtungen andererseits immer wieder ausgeglichen werden.

Bei allen bisherigen Entscheidungen und Vorgangsweisen zur Wiederherstellung der einzelnen Gartenpartien und Bauwerken wurde vorrangig Wert auf die Forderungen der relevanten Artikel der Charta gelegt.

Das bisherige Ergebnis der Wiederherstellungsmaßnahmen des Gottorfer Neuwerk-Gartens ist nicht nur wegen seiner baulichen und finanziellen Dimension, sondern auch bezüglich seiner denkmalpflegerischen Vielschichtigkeit eines der herausragendsten Beispiele in der Gartendenkmalpflege der letzten Jahrzehnte. Reicht doch der Bogen der gesetzten Wieder-herstellungsmaßnahmen von der Rekonstruktion (Beispiele: Herkulesteich, Herkulesstatue, Terrassen und Böschungen, Buchs- und Hainbuchenbepflanzungen an den Böschungs-kanten und Kaskaden) über die maßstabsgerechte Nachbildung in einfacher Form und Material nach Original-Fundstücken (Beispiele: Fontänenbecken, Kaskaden, Treppenanla-gen) oder bei ungenügender Dokumentation der Aufrisse funktionell in zeitgemäßer Form und Material (Beispiele: Globushaus, geplante Amalienburg) bis zur Wiederaufführung der durch den Gottorfer Codex und wieder gefundener zahlreicher Stinzenpflanzen botanisch bestens dokumentierten Beetbepflanzungen.

Obwohl bei der Eröffnung am 26. August 2007 noch nicht gänzlich fertig gestellt, hat sich der Gottorfer Neuwerk-Garten bereits als besonders öffentlichkeitswirksam erwiesen und damit die in ihn gesetzten Erwartungen einer Steigerung der Attraktivität der Stiftung Landesmuseen sowie des touristischen Angebots der Region erfüllt.

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Literatur

Asmussen-Stratmann, Karen: Die Gottorfer Gärten. In: Gottorf im Glanz des Barock. Kunst und Kultur am Schleswiger Hof 1544-1713. Ausstellungskatalog Schleswig 1997, Bd.1, S.223-228.Asmussen-Stratmann, Karen: Zur Geschichte des Gartens. Der Gottorfer Barockgarten. Festschrift zur Garteneröffnung 2007. S.26-35.Behling, Holger/Paarmann, Michael:Schloss Gottorf. Glanz und Elend des Fürstengartens. Kiel 1981. (Baudenkmale in Gefahr, Bd.5, hrsg. V. Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein).Guratzsch, Herwig (Hrsg.): Der neue Gottorfer Globus, mit Beiträgen von Thomas Albrecht, Ulrich Schneider, Rudolf Schmidt und Matthias Gretzschel, Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf, Berlin/Köln 2005.Guratzsch, Herwig (Hrsg.): Archäologische Erforschung des Gottorfer Barockgartens, mit Beiträgen von Hans Joachim Kühn und Nina Lau, Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf, Neumünster 2006.Paarmann, Michael: Denkmalpflege im Gottorfer Neuwerk-Garten. Ein Zwischenbericht. In: Jahrbuch des Schleswig-Holsteinischen Landesmuseums Schloss Gottorf, Neue Folge, Bd.1, 1986/87, S. 19-28.Schneider, Ulrich: Das Neue-Werk - die Wiederherstellung des Barockgartens von Schloss Gottorf. Der Gottorfer Barockgarten. Festschrift zur Garteneröffnung 2007. S. 42-59.

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Gerodete Terrasse

Bassin mit Kaskade

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Blick vom Globushaus Globus

Grabungsbefund Kaskade

Globushaus mit Herkulesteich

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Eine bekannte Rekonstruktion

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Eine bekannte Rekonstruktion

Thomas Baumgartner

Die Orangerieanlage von Schloss Hof in Niederösterreich

Die Wiederherstellung des östlichen Glashauses und Orangeriegartens im barocken Ur-zustand als Beispiel für eine Kombination von Rekonstruktion und Restaurierung in der Bau- und Gartendenkmalpflege

Die an der Grenze zur Slowakei im östlichen Niederösterreich gelegene Anlage von Schloss Hof (Schlosshof) 1 wird seit 2002 durch die Marchfeldschlösser Revitalisierungs- und Betriebsges. m.b.H. (MRB) im Rahmen eines kulturtourismusorientierten Nutzungskon-zeptes umfangreichen Restaurierungs-, Rekonstruktions- und Renovierungsmaßnahmen unterzogen. Im Rahmen dieser Maßnahmen kommt der Rekonstruktion des barocken Er-scheinungsbildes der, strukturell stark reduzierten jedoch nie überformten, Gartenanlagen besonderes Gewicht zu. 2

Bestandteil des Nutzungskonzeptes waren auch Überlegungen zu künftigen Verwen-dungsmöglichkeiten der außerhalb des eigentliche barocken Gartenareals situierten, dem nördlich des Schlosses gelegenen Gutshofareal (Meierhof) zugeordneten beiden spiegel-bildlich angeordneten ehemaligen barocken Glashäuser und ihre vorgelagerten Orange-riegärten. Da beide um 1730 errichteten Gebäude bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jhdts. in Wohngebäude umgewandelt wurden und damit in ihre bauliche Gestaltung massiv eingegriffen worden war, sollte ein 2002 beauftragtes bauanalytisches und denk-malpflegerisches Gutachten3 klären, inwieweit sich ursprüngliche Substanz erhalten hat. Dazu wurden an beiden Gebäuden umfangreiche Bauuntersuchungen und Freilegungen vorgenommen, die Decken- und Dachstuhlkonstruktion dendrochronologisch befundet, die historischen Plan-, Abbildungs- und Archivmaterialien zu beiden Gebäuden wie auch zu relevanten Vergleichsanlagen untersucht (wobei die gleichzeitig erfolgte Aufarbeitung der Archivalien zum nahezu zeit- und baugleichen Glashaus im ehem. Harrach’schen Gartens in Wien durch Dora Skamperls wesentliche Erkenntnisse ermöglichte), und die Anlage insbesondere hinsichtlich ihrer Stellung im Ensemble, ihrer Einordnung in der architektur- und technikgeschichtlichen Entwicklung des Orangeriebaues und innerhalb des Werks des Architekten analysiert.

Die vorgenommenen Untersuchungen konnten die ursprüngliche Baukonfiguration und die nachfolgenden Umbauphasen in unerwartet hoher Detailgenauigkeit klären. Insbesondere konnten wesentliche Bauteile, wie ein Teil des ursprünglichen Holzrahmens der südseitigen Verglasungskonstruktion sowie wesentliche Teile des erbauungszeitlichen Warmluftheizsy-stems freigelegt und untersucht werden. Innerhalb des Gesamtensembles stellten Glashäu-ser einen integralen Bestandteile des Gutshofkomplexes dar und fungierten als wesent-liche Teile der zum Schloss orientierten Schaufront des Meierhofes.

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Die, typologisch als große Orangerie-Glashäuser einzuordnenden Glashäuser, gehören zu den frühesten erhaltenen Beispielen der Bauform des barocken Glashauses in Österreich und Europa, und sind damit auch Beispiel für den ersten Höhepunkt in der Entwicklung des Bautypus des Glashauses. Aufgrund ihrer hochwertigen Bauausführung und Größe zählten sie auch zu den schönsten Beispielen dieser Bauform. Die Anlage konnte eindeutig Johann Lucas von Hildebrandts zugeschrieben werden, in dessen Werk sie den Abschluss und End-punkt der architektonischen Entwicklung seiner Orangeriebauten darstellen.

Um die Bestandssituation der mit Auflassung der Glashäuser umgenutzten, und stark verwahrlosten Gärten zu untersuchen, wurden 2003 und 2004 gartenarchäologische Gra-bungen durchgeführt, die die barocke Gestaltung ebenfalls detailgenau freilegen konnten.Aufgrund der Wertigkeit der Anlage, auch im Vergleich zum überkommenen Zustand, vor allem aber durch den hohen Erhaltungsgrad ursprünglicher Baudetails, insbesondere der bei anderen Bauten nicht erhaltenen typusbestimmenden und technischen Ausstattung, die eine wesentliche Voraussetzung für eine Rekonstruktion darstellten, wurde zugunsten einer Wiedererstellung des barocken Urzustandes des östlichen Glashauses und Orangerie-gartens entschieden, mit dem Ziel Gebäude und Garten auch wieder ihrer ursprünglichen Funktion zuzuführen.

2004/05 wurde eine von weiteren Bauuntersuchungen und archäologischen Grabungen begleitete detaillierte Bauaufnahme des damaligen4 , und planliche Rekonstruktion des ur-sprünglichen Zustandes durchgeführt 5. Bei der darauf basierenden Ausschreibung6 , wurde besonderer Wert auf die Freilegung, Erhaltung und Restaurierung erhaltener Substanz sowie den Nachvollzug historischen Techniken und Verwendung historischer Materialien bei der Rekonstruktion der fehlenden Teile entsprechend den durchgeführten Befundungen und historischen Recherchen gelegt. Dazu wurden Spezialisten in den Gebieten der Holz-technologie,7 Kalktechnologie, hist. Anstrichsysteme, hist. Fenster & Gläser, Schmiedetech-nik etc. beigezogen und für die Bereiche Holztechnologie und Kalktechnologie/Putzre-staurierung8 baubegleitende Betreuung festgelegt.

Die Bauausführung erfolgte vom Herbst 2005 bis Frühjahr 2006 durch Arbeitsgemein-schaften für den Bereich Hochbau9 , Holz- und Fensterbau10 , Garten- und Landschaftsbau 11 unter Bauaufsicht durch die ausführenden Planerbüros für Hochbau12 und Garten 13 unter organisatorischer und wissenschaftlicher Betreuung durch die MRB14 . Eine besondere Bedeutung kam der Rekonstruktion der etwa 200m2 großen, südseitigen Verglasungskonstruktion zu. Die hölzernen Tragkonstruktion wurde entsprechend des einschließlich der Farbfassung erhaltenen Teils der ursprünglichen Konstruktion, wieder in Kiefer in Vollholz in genauem Nachvollzug der erbauungszeitlichen Konfiguration ein-schließlich der hist. Holzverbindungen rekonstruiert. Die für die großen Querschnitte und Stücklängen notwendigen 150 – 200 jährigen Kiefern konnten durch die Mithilfe der Ös-terr. Bundesforste durch die sehr engagierte Fa. Kroneis in niederösterreichischen Wälder gefunden werden.

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Zustand 2005

Eine bekannte Rekonstruktion

Zustand Mai 2007

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Die Fensterflügel wurden nach Vergleichsanalysen wieder in Bleiverglasung mit Restaurier-glas15 ausgeführt.

Ein ebenfalls wesentlicher Punkt war die Wiederherstellung des Warmluftheizung. Die er-haltenen Teile des unterirdischen Kanalsystems konnten freigelegt und restauriert werden. Die abgebrochenen Teile wurde in historischer Bautechnik ergänzt. Die nicht erhaltenen Warmluftöfen wurden in moderner Form, jedoch wieder in der ursprünglichen Beheizungs-form als holzbefeuerte Öfen wiederhergestellt, sodass das Heizsystem wieder in seiner ursprünglichen Form besteht und auch wieder in Funktion gesetzt werden konnte. Bei der Wiedererstellung des Garten wurden die nur mehr fragmentarisch erhaltenen Terrassenmauern, die abgebrochene Treppen und Balustraden sowie der ebenfalls abgebro-chene zentrale Brunnen gemäß den Befunden und Grabungen, jedoch in moderner Technik wiederhergestellt, wobei die Steinteile in Kunststein ausgeführt wurden.Parallel mit den Arbeiten an Glashaus und Garten wurde anhand der historischen Pflan-zeninventare auch mit dem Wiederaufbau eines historischen Orangeriesortiments begon-nen, das nun wieder im Glashaus überwintert und im Sommer in Orangeriegarten aufge-stellt wird.

Mit der Wiedereröffnung des Orangerieglashauses und –Gartens im Frühsommer 2007 wurde die Anlage dem Publikum wieder in ihrer ursprünglichen Funktion erlebbar gemacht und soll als ‚technik- und kulturgeschichtliches Fenster’ den Einblick in die sonst in die-ser Form in Österreich kaum mehr erfahrbare barocke Orangeriekultur und damit in einen wichtigen Teil der Gartengeschichte ermöglichen.

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1 Die 1725 von Prinz Eugen von Savoyen erworbenen Liegenschaft wurde in dessen Auftrag zwischen 1726 und 1736 durch Johann Lucas von Hildebrandt und den Gartenarchitekten Anton Zinner zu einer der bedeu-tendsten barocken Schloss-, Garten- und Gutshofanlagen Österreichs ausgebaut. 1766 wurde die Anlage von Maria Theresia für ihren Gemahl Kaiser Franz I. erworben und blieb bis 1898 in habsburg-lothringischem Privatbesitz. 2 Géza Hajós: Schlosshof – ein großartiger Barockgarten wird rekonstruiert, in: Historische Gärten – Mittei-lungsblatt der österreichischen Gesellschaft für historische Gärten, Heft 1/2003, Wien 2003, S. 3-5; Gerhard Rennhofer, Stefan Schmidt, Werner Sellinger: Niederösterreich, Schloss Hof, Gärten, in: Historische Gärten – Mitteilungsblatt der österreichischen Gesellschaft für historische Gärten, Heft 1/2006, Wien 2006, S. 31-33; Siehe auch den Beitrag von Yvonne Kumlehn in diesem Band. 3 Thomas Baumgartner: Die Orangerieanlage von Schlosshof, NÖ – Gutachten über die barocken Glashäuser „Orangerie“ und „Jägerstöckel“, ARGE FREIRAUM DI Schmidt und Ing. Sellinger GesbR., im Auftrag der Mar-chfeldschlösser Revitalisierungs- und Betriebsges.m.b.H., 2003 4 besonders auch zur Dokumentation der im Zuge der Rückführung entfernten späteren Verbauung 5 Bauanalytische Bestandsaufnahme und planliche Rekonstruktion des erbauungszeitlichen Zustandes des östlichen Glashauses (‚Orangerie’) der Orangerieanlage des Meierhofes von Schlosshof, Marchfeldschlösser Revitalisierungs- und Betriebsges.m.b.H., erstellt durch Thomas Baumgartner & Felix Reinicke, Planverfasser: Felix Reinicke (2004/05) 6 durch Platzer & Partner Unternehmensbetreuungsges. m.b.H., Wehdorn Architekten ZT GmbH, fachl. Be-treuung Th. Baumgartner/MRB 7 Johannes Pöckl, Kompetenzzentrum Holz; DI Dr. Manfred Vanek, ger. beeid. Sachverst. & Gutachter 8 Michael Podbelsek, freier Restaurator 9 Arge Schloss Hof / Fa. Porr + Fa. Pittel Brausewetter 10 Arge Orangerie / Fa. Kroneis GmbH, Fa. Kranz 11 Arge Niederweiden /Fa. Jakel, Fa. Richter & Fa. ISS 12 Wehdorn Architekten ZT GmbH – Architekt Univ.-Prof. DI Dr. Manfred Wehdorn 12 Arge Freiraum – DI Stefan Schmidt & Ing. Werner Sellinger 14 Ing. Günther Kvapil ,Organisatorische Projektleitung; Thomas Baumgartner, Wissenschaftliche Leitung, Bauforschung & Rekonstruktionsplanung; Felix Reinicke, Planerstellung Bauaufnahme und Rekonstruktion, Bauforschung 15 zur Ausbildung der hist. Oberflächenstruktur nachbearbeitetes Floatglas. Aus Kostengründen musste wegen der großen Fläche auf mundgeblasenes Zylinderglas verzichtet werden.

Eine bekannte Rekonstruktion

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Yvonne Kumlehn

Barocke Blumenbepflanzungen

Das Spannungsfeld zwischen dem heutigen Besucheranspruch und der Authentizität von barocken Blumenbepflanzungen wird anhand der Parterrebepflanzung von Schloss Hof immer wieder diskutiert.

Die Gärten von Schloss Hof wurden in den vergangen drei Jahren mit hohem finanziellem und denkmalpflegerischem Aufwand rekonstruiert. Zur Wiederherstellung der Grund-strukturen der Parterreflächen gibt es archäologische Funde und historische Pläne. Für die Blumenbepflanzung der Plate bande liegen leider – wie bei den meisten barocken Gärten - keine Detailpläne vor. Prof. Mark Laird wurde mit der Recherche zur Parterrebepflanzung beauftragt und hat für die Ausführenden vor Ort grobe gestalterische Vorgaben, die sich ohne Probleme verwirklichen lassen, gegeben: emailleartige Bepflanzung, am Rand die niedrigen und zur Mitte die höheren Pflanzen, rasterförmige Anordnung etc.. Des Weiteren hat Prof. Mark Laird eine umfangreiche Pflanzliste mit Blumen, die im 18. Jahrhundert in den Gärten von Prinz Eugen verwendet wurden, zusammengestellt. Die Saatgutbeschaf-fung von den speziellen barocken Blumen ist mühsam, aber im Zeitalter des Internet kein ernsthaftes Problem. Im Jahr 2005 wurde entsprechend der Vorgaben von Mark Laird ein Probebeet in Schlosshof angelegt. Nach einer kurzen intensiven Blühphase im Juni und Juli erschien das Beet im Herbst braun-grün und struppig. Die züchterisch nicht bearbeiteten Arten der Barockzeit blühen i.d.R. kürzer, bzw. es sind Arten von kurzer Blühzeit (Mohnblu-me). Nur wenige der Pflanzen, die im 18. Jahrhundert im Parterre verwendet wurden, sind so robust und blühfreudig, dass sie den heutigen optischen Ansprüchen für das Gesamt-bild einer Rabatte gerecht werden. Die Anzucht dieser Pflanzen ist in der Regel teurer. Die Pflege dieser Rabatte ist aufwendiger, insbesondere in der Folge von mehreren Jahren, weil sich die Wildblumen (Stechapfel, Wiesensalbei etc.) stark aussamen.

In den Gärten von Schloss Hof wird versucht, einen Kompromiss zwischen heutigem Besu-cheranspruch, denkmalpflegerischer Authentizität, Kosten und Pflegeaufwand zu finden. Die zahlenden Besucher erwarten von Mai bis Ende Oktober blühende und gepflegt aus-sehende Sommerblumenbeete. Der finanzielle und pflegetechnische Aufwand für 31.000 Sommerblumen pro Jahr ist extrem hoch und kann nicht noch höher angelegt werden.

Im kleinräumigen Orangerieparterre von Schloss Hof wurde eine Bepflanzung mit den barocken Pflanzenarten durchgeführt. Ausgewählt wurden die robusten, standhaften und blühfreudigsten Arten der Pflanzliste von Prof. Mark Laird. In Bezug auf die Sorte wurden aber zum Teil moderne Formen ausgewählt. So ist eine „barocke“ Bepflanzung entstanden, die von Mai bis Oktober blüht und ca. 1,5 mal teurer ist, als die anderen Parterrebepflan-

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Eine bekannte Rekonstruktion

zungen. Bei den drei großen Gartenterrassen werden die Parterres nach den groben Ge-staltungsvorgaben bepflanzt (Raster). Es werden einige Arten eingesetzt, die z. Z. von Prinz Eugen verwendet wurden. Außerdem werden Arten dazu genommen, die für einen durch-gängigen Blühaspekt notwendig sind (z.B. Dahlie). Es wird im Sinne der heutigen Besucher auf einen üppigen und bunt blühenden Eindruck geachtet, der in einem finanzierbaren Rahmen bleibt.

Die Grundidee im 18. Jahrhundert, möglichst bunt und üppig zu bepflanzen, ergibt auf die heutige Zeit übertragen durch die modernen Züchtungen ein anderes Erscheinungsbild. Es kann diskutiert werden ob das als Rechtfertigung gelten kann. Der Gesamteindruck des Denkmals wird durch eine moderne Blumenbepflanzung insofern verändert, dass der Blick zu stark auf die Blumen, anstatt auf die Buchsbaumornamente gelenkt wird.

Gärten befinden sich immer in einem wandelnden Prozess, der heutzutage mehr denn je vom Geld bestimmt wird. Stark wechselnde Bepflanzungen (Plate bande) hängen stark vom Interesse an der Denkmalpflege und dem subjektiven Geschmack des jeweils Zustän-digen ab. Geld wird für die extrem kosten- und pflegeaufwendigen Sommerblumenra-batten meistens nur gegeben, weil ein schöner Garten erwartet wird. Die Bereitschaft für „unschöne“ aber denkmalgerechte Blumenbeete Geld zu bekommen, erscheint eher unre-alistisch. Allgemein fällt auf, dass die Besucher heutzutage einen extrem hohen Anspruch an die Pflegequalität haben. Unkraut auf den Wegen oder wiesenartiger Charakter von Flächen (wie es auf historischen Bildern zu sehen ist) wird sofort bemängelt.

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Eine bekannte Rekonstruktion

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Methodische Überlegungen in konkreten Fallbeispielen

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Brigitte Mang

Gartendenkmalpflege in den Österreichischen Bundesgärten

Gartendenkmalpflege Status quo- Gartendenkmalpflege in den Österreichischen Bundesgärten ab den späten 1980er Jah-ren - Revitalisierungen auf Basis der in den späten 1980er und in den frühen 1990er Jahren für alle sieben Gärten erstellten und in Folge je nach aktuellem Forschungsstand aktuali-sierten Parkpflegewerke sowie auf Basis der Gutachten zu den Unterschutzstellungen un-ter den Denkmalschutz und unter Berücksichtigung der Ernennungen zum Weltkulturerbe - Gartendenkmalpflege heute als Status quo des Gartenmanagements und der Gartenpfle-ge implementiert- Revitalisierungen generell entsprechend den historischen Leitzuständen aus und mit dem historischen Bestand der Gärten; über 40 Revitalisierungsprojekte umgesetzt- Von drei Ausnahmen abgesehen keine Rekonstruktionen, diese siehe unten; eine funkti-onell und zwei wirtschaftlich begründete Neugestaltungen unter teilweiser Berücksichti-gung der historischen Strukturen- Gartendenkmalpflegeprojekte bereichsweise (Gartenräume, Bosketts, Gartenpartien, Allee- und Heckenpartien, etc.) unter Einbindung in die Revitalisierungsleitlinien des jeweiligen Gartens; Akzeptanz der Überlagerung(en) der Entstehungs- und Entwicklungs-schichten der Gärten bzw. der einzelnen Gartenräume, Bosketts und Gartenpartien; im Regelfall keine Rückführungen - Gartendenkmalpflegerische Entscheidungen generell unter Berücksichtigung denkmal-pflegerischer, gärtnerischer, gartentechnischer, funktioneller und wirtschaftlicher Kriterien- Projektausführungen durch die Bundesgärten; Projektfinanzierungen aus den laufenden Budgets, keine Sonderbudgets; Pflege der erneuerten Partien im Rahmen der laufenden Gartenpflege- Bauliche Sanierungen und baudenkmalpflegerische Restaurierungen der Gartenarchi-tekturen sowie der architektonischen und künstlerischen Gartenausstattungen durch die Baudienststellten

RekonstruktionenRekonstruktionen in drei Einzelfällen unter Berücksichtigung spezieller Fragestellungen – Keuchengarten_Schlosspark Ambras, Garten Am Keller_Schlosspark Schönbrunn, Kom-partimente Oberer Belvederegarten

Keuchengarten_Schlosspark AmbrasVorlage: Musterbuch von Hans Puechfeldner von 1592Projektausführung: 1997

Methodische Überlegungen in konkreten Fallbeispielen

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Projekt aus Anlass der Ausstellung „Irdische Paradiese – Historische Gartenarchitektur in Tirol“, Darstellung eines Teils der Gestaltung des Keuchengartens im 17. Jahrhundert als Renaissance-Parterre

Garten Am Keller_Schlosspark SchönbrunnLeitplan: Plan der Meidlinger Kammergärten um 1750/55Projektausführung: 1999 – 2002Darstellung der barocken Gestaltung des Kammergarten-Parterres der Mitte des 18. Jahr-hunderts; als Präsentation im Vergleich mit dem Grossen Parterre (Ende 19. Jahrhundert), dem Rosenparterre (Anfang 20. Jahrhundert) und dem in den nächsten Jahren zu revitali-sierenden Parterre des Kronprinzengartens (1780); zeitgemäße Neugestaltung des mittle-ren Pavillons in den historischen Strukturen

Kompartimente Oberer BelvederegartenLeitplan: „Stuttgarter Plan“ des Belvederegartens, um 1720/26Projektausführung: 2005 (Südliche Kompartimente), 2007_08 (Mittlere Komparti-mente)Rückführung der Gestaltung der vier Kompartimente nördlich des Oberen Schlosses auf die Zeit der Gestaltung des Belvederegartens in Bezug auf die Bedeutung von Schloss und Garten Belvedere als Gesamtkunstwerk

FragestellungenKünftiger Umgang mit Partien ohne historischen Bestand bzw. mit allfälligen Rekon-struktionen ist aktuell zu diskutieren und neu festzusetzen; Notwendigkeit der Berück-sichtigung heutiger Sichtweisen ist jedenfalls gegeben; gärtnerische Fragestellungen sind aktuell miteinzubeziehen; Rekonstruktionen sind künftig nicht mehr vorgesehen.

Die Österreichischen BundesgärtenDie Bundesgärten umfassen sieben der wertvollsten historischen Gärten und Gartendenk-male Österreichs mit einer Gesamtfläche von rund 290 ha – die ehemaligen habsbur-gischen Anlagen in Wien und Innsbruck. Die Gärten sind bedeutende öffentliche Grün- und Erholungsräume und beliebte Tourismusziele. Die kaiserlichen Hofgärten sind 1918 mit dem Ende der Monarchie in das Eigentum der Republik Österreich übergegangen. Die Institution ist heute dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zugeordnet. Die Zuständigkeiten der Dienststelle liegen im Management der historischen Parks bezüglich der Bewahrung und Revitalisierung der Gärten, in der Pflege und Erhaltung der Botanischen Pflanzensammlungen sowie im Betrieb der Palmen-häuser als Pflanzenschauhäuser.

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Die Gärten in Wien und in Innsbruck umfassen einen Bogen von über 400 Jahren österrei-chischer Gartengeschichte, beginnend mit der Renaissance, in der Hofgarten und Schlosspark Ambras in Innsbruck angelegt wurden, über das Barock mit den Umgestal-tungen der beiden Innsbrucker Gärten und den Gestaltungen des Augartens, des Belvede-regartens und des Schlossparks Schönbrunn in Wien bis in das 19. und 20. Jahrhundert, in denen diese fünf Anlagen partiell modifiziert und die beiden Wiener innerstädtischen Gärten Burggarten und Volksgarten gestaltet wurden. Die historisch und botanisch hoch-wertigen Pflanzensammlungen werden in den Glashäusern im Schlosspark Schönbrunn und im Belvederegarten kultiviert. Die Sammlungen gehen auf die Forschungsreisen der Habsburger und deren Sammlungstätigkeiten im 18. und 19. Jahrhundert zurück. Aufgaben und Ziele der Pflanzensammlungen heute sind die Erhaltung der historischen Pflanzen, der Artenschutz, die Kultivierung vom Aussterben bedrohter Arten und die Sicherung der genetischen Artenvielfalt.

Die Bundesgärten sind heute in Praxis und Ausbildung Leitbetrieb der Gartendenkmal-pflege in Österreich. Die Forcierung der wissenschaftlichen Arbeit und von Forschungen ist Ziel der Tätigkeitsperiode 2008 bis 2012.

Methodische Überlegungen in konkreten Fallbeispielen

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Claudia Gröschel und Jochen Martz

Der Maria Theresien-Platz in Wien. Theoretische Überlegungen zu einer Rekonstruktion nach einem geplanten Tiefgaragen-Projekt

Geschichte des Platzes

Der Maria Theresien-Platz entstand im Zusammenhang mit dem Ausbau der Wiener Hof-burg zum Semper-Hasenauerschen Kaiserforum und liegt zwischen dem Kunst- und dem Naturhistorischen Museum an der Wiener Ringstraße. Im Zentrum der Anlage befindet sich das von Caspar Zumbusch ausgeführte monumentale Maria Theresien-Denkmal. Die Grunddisposition entstammt einem Entwurf des Architekten Carl von Hasenauer aus dem Jahre 1879. Die detaillierte Ausgestaltung, Anlage und Bepflanzung des 1884-1888 ausge-führten Schmuckplatzes oblag dem Schönbrunner Hofgarteninspektor Adolph Vetter. Bei dem Platz handelt es sich um einen historistischen Schmuckplatz mit barockisierenden Elementen in besonders aufwändiger Form mit einer reichen Ausstattung aus Brunnen und Skulpturen. In der ursprünglichen Planung und Ausführung lag der Platz mit seinen ver-tieften Rasenparterres und der Bepflanzung aus kleinen, geschnittenen Formgehölzen als Horizontale zwischen den Vertikalen der beiden Museen.

Ab 1919 wurde aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse die Feinpflege vernachlässigt. Dies führte neben einem Teilverlust der Gehölze und einem Verschleifen der ursprünglichen harten Hangkanten zu einem Auswachsen der topiarischen Gehölze zu überdimensionaler Größe. Die schwerste optische wie gestalterische Maßnahme stellt allerdings das in den 1950er Jahren vorgenommene Aufbringen der bituminösen Schwarz-decken auf die ursprünglich wassergebundenen Decken dar.

Das Parkpflegewerk sieht eine Wiederherstellung des ursprünglich intendierten und aus-geführten Zustandes des Platzes um 1888 mit seinen differenzierten Formpflanzungen vor. Dabei könnten die völlig ausgewachsenen Taxuskegel ebenso wie die Schwarzkiefern vor den Museen wohl nicht erhalten werden. Zwar wäre ein Heruntersetzen der Taxus gärt-nerisch möglich, der Neuaufbau der Kegelform wäre jedoch sehr aufwändig. Ebenso sind die Stammdurchmesser für die benötigte niedrige Kegelform mittlerweile zu groß. Die aus einer ausgefallenen Kulturform bestehenden Thujenkugeln (Thuja occidentalis ’Wareana’) müssten aus dem vorhandenen Pflanzenmaterial herangezogen und geformt werden. Fer-ner müssten zahlreiche Ergänzungspflanzungen vorgenommen werden.

Im Jahr 2000 wurde von Martz im Auftrag des Bundesdenkmalamtes, Abt. für Historische Gartenanlagen (Prof. Dr. Gezá Hajós), ein Gutachten zur Unterschutzstellung des Platzes verfasst. 2001 folgte ein umfassendes Parkpflegewerk, das ebenfalls im Auftrag des Bun-

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Methodische Überlegungen in konkreten Fallbeispielen

desdenkmalamtes von Martz erstellt wurde. Ebenfalls 2001 erfolgte die Unterschutz-stellung des Platzes als einer der ersten Gartenanlagen in Österreich zusammen mit den anderen Gartenanlagen des Hofburgkomplexes und der Hofburg selbst. Ferner ist die Gar-tenanlage des Maria Theresien-Platzes explizit auch Bestandteil der Kernzone des Unesco-Weltkulturerbes „Innere Stadt Wien“ (Verleihung 2004).

Planungen zum Bau einer Tiefgarage

Seit etwa 1999 existiert ein Projekt zur Anlage einer Tiefgarage unter dem Maria There-sien-Platz. Diese Tiefgarage soll zur Aufnahme von Reisebussen dienen, die bislang au-ßerhalb der Stadt parken müssen und die Touristen bislang nur in einer Nebenfahrbahn der Ringstraße absetzen und wieder aufnehmen können. Genaue Pläne wurden bislang nicht publiziert. Um 2000 entstand im Auftrag der Stadt Wien eine „Machbarkeitsstudie“ zum Bau der Tiefgarage, deren genauer Inhalt ebenfalls bislang nicht öffentlich bekannt wurde. Nach Presseberichten ist eine offene Bauweise vorgesehen, die eine Teilzerstörung des Maria Theresien-Platzes zur Folge haben würde. Abgetragen werden müsste dazu der gesamte Zentralbereich des Platzes. Das Maria-Theresien-Denkmal würde stehen bleiben. Randstreifen zur Ringstraße, zur Lastenstraße sowie entlang den beiden Museen würden erhalten bleiben. Zwar sind die Auffahrtsrampen außerhalb des Platzes vorgesehen, doch würden Aufgänge (wie etwa am Denkmal), Entlüftungen etc. die Gestalt des Platzes auch nach einer Wiederherstellung der Oberfläche deutlich beeinträchtigen.

Rekonstruktion des Maria Theresien-Platzes?

Der Bau einer Tiefgarage mit offener Baugrube hätte die Zerstörung großer Teile des Maria Theresien-Platzes zur Folge. Ein Argument für die Rekonstruktion der Parterreflächen wäre der kurze zeitliche Abstand zwischen Zerstörung und Rekonstruktion, die Möglichkeit zur Befunderhebung während des Abtragens und eine wohl relativ unproblematische Finanzie-rung der gärtnerischen Anlage im Rahmen des Baubudgets für das Gesamtprojekt. Darüber hinaus könnten die originalen baulichen Ausstattungselemente wie Brunnen, Skulpturen, Kandelaber und die Kanalroste erhalten und wieder eingebaut werden. Erhalt und Wieder-einbau der vorhandenen Rinnen sowie der alten Kanäle dürfte technisch schwierig sein. Die vorhandene vegetabile Ausstattung würde ebenso wie die Topographie und damit im Boden vorhandene Zeugnisse wie Modellierungen, Wegeaufbau, Fundamente, Leitungen verloren gehen.

Eine weitere Möglichkeit für die Wiederanlage des Platzes wäre eine so genannte zeitge-nössische Interpretation der historischen Situation. Aufgrund der Vielzahl der noch vor-handenen baulichen Ausstattungselemente würde sich eine solche zeitgenössische Inter-pretation nur auf die vegetabile Ausstattung beschränken und käme einer halbherzigen Rekonstruktion sehr nahe. Eine grundsätzliche Neugestaltung des Platzes verbietet sich aufgrund der noch vorhandenen baulichen Ausstattungselemente und dem Kontext zu den Museen im Sinne eines gartenkünstlerisch-städtebaulichen Gesamtkunstwerkes. Der Maria

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Theresien-Platz hat wichtige städtebauliche und infrastrukturelle Funktionen. Aufgrund der europaweit einzigartigen denkmalrechtlichen Situation in Österreich kommt dem Platz als eingetragenes Gartendenkmal besondere Bedeutung zu.

Im österreichischen Denkmalschutzgesetz in der Novelle von 2000 ist in §4 Abs. 1.1 die „faktische Vernichtung“ eines Denkmales als dessen Zerstörung definiert. Nach §4 Abs. 3 liegt eine Zerstörung von Park- und Gartendenkmalen vor, „wenn a) hinsichtlich der gebauten Teile die Zerstörung einen Umfang gemäß Ziffer 1 [faktische Vernichtung, d. A.] erreicht hat oder b) wenn bei Anlagen, bei denen (auch) die gestaltete Natur geschützt ist, die Zerstörung auch hinsichtlich der gestalteten Natur so weit erfolgt ist, dass die Wieder-richtung faktisch einer Neuanlage gleichkommen würde [...].“ Eine Rekonstruktion wäre ein Neubau des Platzes mit zum Teil historischen Ausstattungsstücken. Der Bau der Tiefgarage mit offener Baugrube erfordert die Genehmigung durch das Bundesdenkmalamt auf der Grundlage von § 5 „Bewilligung der Zerstörung oder Veränderung von Denkmalen – Denk-malschutzaufhebungsverfahren“.

Auch wenn aus oben angeführten Gründen eine anschließende Rekonstruktion theoretisch möglich wäre, muss diese in vorliegendem Fall aus Sicht der Autoren verhindert werden.Im Unterschied zu anderen (spektakulären) Rekonstruktionen der vergangenen Jahre wie zum Beispiel die Frauenkirche in Dresden oder der Pariser Platz in Berlin liegt hier eine an-dere Ausgangssituation vor. Bei den angeführten Beispielen waren die Gründe für die Zer-störung Krieg und/oder die politische Situation. Beim Maria Theresien-Platz würde jedoch eine bewusste Zerstörung mit der Option der nachfolgenden Rekonstruktion gebilligt. Mit dem Bau der Tiefgarage, der Zerstörung des Platzes und der nachfolgenden Rekonstruktion würde in Österreich ein Präzedenzfall geschaffen werden, der die Position der Gartendenk-malpflege unnötig schwächen und ihre Glaubwürdigkeit in Frage stellen würde. An erster Stelle müssen in jedem Fall Erhalt und Schutz des (Garten)denkmals stehen.

Conclusio

Eine Genehmigung zum Bau einer Tiefgarage mit offener Baugrube durch das Bundes-denkmalamt darf nicht erfolgen. Dieser bisher singuläre Fall einer bewussten Zerstörung, die aufgrund einer implizierten Rekonstruktion genehmigt würde, ist nicht konform mit dem Denkmalschutzgesetz. Darüber hinaus würde ein Präzedenzfall geschaffen, auf den sich spätere, ähnlich gelagerte Vorhaben berufen können. Unter Schutz gestellte Denk-male müssen weit möglichst in ihrer Originalsubstanz erhalten werden und dürfen nicht aufgrund infrastruktureller Begehrlichkeiten zerstört und nachgebaut werden. In diesem speziellen Fall wäre eine Rekonstruktion lediglich Bildschutz und kein Denkmalschutz. Statt dessen muss eine behutsame Restaurierung auf der Grundlage des vorliegenden Parkpflegewerkes erfolgen. Ziel dieser Restaurierung muss unter größtmöglicher Wahrung der Originalsubstanz eine Rückführung auf den Zustand Ende des 19. Jahrhunderts sein, der durch vernachlässigte Pflege stufenweise ab 1919 verloren gegangen ist.

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Methodische Überlegungen in konkreten Fallbeispielen

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Anita Drexel

Restaurierung für den Gebrauch. Am Beispiel der Wiederherstellung der Kiesel-Mosaikpfla-sterung im Stadtpark von Graz im Jahre 2006

Zwischen Gartendenkmalpflege und Bauforschung angesiedelt liefert dieses Beispiel einen Beitrag aus Sicht der Praxis zu Fragen der Entscheidungsgrundlagen und Ausschreibungs-verfahren, der angewandten Technik, des Umfangs und der Art heutige bautechnische Kenntnisse und maschinelle Hilfsmittel behutsam einzusetzen.

Mit dem Entscheid der Wiederherstellung einer 75 Jahre alten Mosaikpflasterung aus Rundkiesel auf einer Promenade des Stadtparks in Graz war klar, dass die historischen Reste vollständig vor Ort verbleiben und ergänzt durch neue Teile auch in Zukunft ihre Funktion als Fußweg erfüllen sollen. Die im Jahre 2006 durchgeführte Restaurierung zeigt deutlich, dass eine Instandsetzung für den heutigen Gebrauch möglich ist, aber auch zur Berücksichtung der Art des heutigen Unterhaltungsmanagements, in diesem Fall eines städtischen Wirtschaftsbetriebes und weiterer Infrastruktur- oder Sicherheitsorgane und ihrer Einsatzpflichten in einem Stadtpark, zwingt.

Bautechnische Lösungen können heutige Anforderungen teils berücksichtigen. Die histo-risch überkommenen handwerklichen Prinzipien und materielle Ausstattung sowie der ge-stalterische Gehalt und die intendierte Funktion sollen jedoch Grundsatz der Restaurierung sein. Traditionelle Handwerkstechniken beizubehalten zwingt zur Wahrnehmung und damit zur Diskussion und Kommunikation der „Verletzbarkeit“ und der spezifischen Art und Weise einer Unterhaltung solcher Objekte.

23 Prozent der 300 Quadratmeter großen Mosaikpflasterung aus den 30er Jahren des 20. Jh. waren nicht mehr vorhanden oder zerstört, große Abschnitte in unterschiedlichster Weise instand gesetzt worden. Da keine Dokumente oder Unterlagen zur Materialwahl und Ausführung des Pflasters im Stadtpark von Graz vorhanden waren, musste die damalige Ausführungspraxis aus den noch originär vorliegenden Abschnitten nachvollzogen und für die Wiederherstellung in Teilstücken getestet werden. Eine Sondage lieferte Aussagen über den wegebautechnischen Aufbau und die verwendeten Tragschichtmaterialien. Auf Basis einer gesteinstechnischen Untersuchung der historischen Pflastersteine sowie der Bet-tungs- und Fugenmaterialen wurde dem ursprünglichen entsprechendes Ergänzungsmate-rial aus der Region erschlossen.

Die sehr zurückhaltende Restaurierung folgte dem Prinzip des kleinstmöglichen Eingriffs bei größtmöglicher Wiederherstellung eines gebrauchsfähigen, dem ursprünglichen Pfla-sterprinzips entsprechenden Mosaiks. Sofern es ihr Zustand erlaubte, wurden ältere Aus-

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Methodische Überlegungen in konkreten Fallbeispielen

besserungen, die nicht dem Original entsprechend ausgeführt, jedoch optisch harmonisch und bautechnisch noch stabil waren, nicht angetastet. Sie sollen im Zuge der laufenden-Unterhaltung sukzessive ersetzt werden.

Heutige Geräte und Maschinen erleichtern die Pflasterarbeit und helfen Kosten zu sparen. Hier ist findige und sensible Hilfestellung durch die Gartendenkmalpflege / Landschafts-planerIn notwendig, denn selbst hervorragende Pflasterer sind selten gefordert in histo-rischen Handwerkstechniken, sie können weder auf Ausbildung noch Praxis zurückgreifen.Die Evaluierung der vor einem Jahr restaurierten Kiesel-Mosaikpflasterung im Stadtpark von Graz bestätigt die getroffene Wahl der Technik und Baustoffe. Ergänzte Fehlstellen zeigen sehr gute Festigkeit und fügen sich homogen in den historischen Bestand. Bestätigt werden auch die vorhergesehenen Gefahren durch heutige Abläufe und ihre maschinellen und organisatorischen Bedingungen. Eine gute Nachbetreuung und Bemühungen um den Wissenstransfer von der Restaurierung zum Unterhalt sind entscheidend für die Erhaltung historischer Pflasterungen unter Gebrauch.

Literatur

Drexel Anita, Pitha Uli: Historische Kiesel-Mosaikpflasterung der Maria-Theresia-Allee im Stadtpark von Graz. Gartendenkmalpflegerisches und landschaftsbauliches Gutachten und Restaurierungskonzept. Im Auftrag der Stadt Graz, Abteilung Grünraum und Gewässer, Wien 2005; 171 S.

Drexel Anita: Wege in formalen historischen Gartenanlagen Österreichs. Typologie, Ent-wicklung und Erhaltung einer Baukunst; in: Gartenkunst 18.Jg. Heft 2, 2006, S.283-296.

Willim M., Buhl R.: Pflastermosaiken in Freiburg. Ein uraltes Handwerk, eine Kunst beson-derer Art. Promo Verlag, Freiburg 1999; S.

Wimmer Clemens Alexander: Pflastermosaiken in Berlin/West. Entwicklung eines für das Stadtbild bedeutsamen Handwerks von 1825 bis 1982; in: Das Gartenamt, Jg. 32 Nr. 7, 1983, S.451-453.

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Andreas Pahl

Die Wiedergewinnung verlorener Orte im Branitzer Park - ein Erfahrungsbericht -

EinführungDer Branitz Park präsentiert sich heute als überregional bekanntes Gartenkunstwerk und als wichtiges touristisches Ziel. Umfangreiche Wiederherstellungsarbeiten, bereits vor der Wende begonnen und nach 1990 mit einem Millionenaufwand verstärkt, sind nahezu abgeschlossen. Heute stellt sich die Frage, ob und wie auch kleinere Objekte, die materiell nicht mehr erhalten sind, zurückgewonnen werden können.

Zur Person Pücklers und seines WerkesSeit dem Ende des 17. Jahrhunderts war Branitz im Besitz der Grafen von Pückler. Fürst Pückler-Muskau zog sich jedoch erst nach dem Verkauf Muskaus im Jahre 1845 auf den väterlichen Besitz zurück, um hier erneut einen Park anzulegen. Für den Fürsten Pückler bestand in Branitz die große Herausforderung darin, aus einer nahezu ebenen und ausge-räumten Agrarlandschaft eine abwechslungsreiche und sehr individuell ausgeprägte Park-anlage zu schaffen. Branitz gilt dabei als das Alterswerk Pücklers und steht gleichzeitig am Ende der Entwicklungslinie des Landschaftsgartens in Deutschland.

Während sich im so genannten Außenpark die Gestaltung Pücklers im Wesentlichen auf die geschickte Anordnung der Wald-, Wiesen-, Hutungs-, und Ackerflächen und deren Ausschmückung reduziert, wird die Gestaltung im Inneren Park sehr viel intensiver. Künst-lich geschaffenen Hügelketten und Wasserläufe wechseln sich mit akzentuierten Baum-pflanzungen ab.

Das Schloss, bereits 1771 auf den Resten eines Vorgängerbaus errichtet, wurde zwischen 1847 und 1849 mit einer zwischen Architektur und Garten vermittelnden Terrasse verse-hen. Neben der gärtnerischen Bepflanzung mit zahlreichen Schmuckbeeten gehört auch eine reiche skulpturale Ausstattung zum umliegenden Pleasureground. Von den ursprüng-lich diversen Pavillonstandorten ist jedoch nur der Henriette Sontag Kiosk mit einer Büste der Sängerin erhalten geblieben. Der Bereich westlich des Schlosses, der auch als Kernpark bezeichnet wird, ist durch Erdbewegungen und mehrere Seen geprägt. Insbesondere der Schilfsee zeigt deutlich die Handschrift Pücklers. Die malerisch und naturhaft gestalteten Hügelketten wurden mit dem Aushub der Seen angelegt. Den westlichen Abschluss des In-neren Parks bildet die Pyramidenebene. Die Wasserpyramide, die inmitten des Tumulussees liegt und in der Fürst Pückler begraben ist, und eine ursprünglich als Stufenpyramide angelegte Landpyramide gehören zu den Besonderheiten von Branitz.

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Methodische Überlegungen in konkreten Fallbeispielen

Idee des ParksDie noch für Muskau propagierte „Hauptidee” Pücklers „…keine andere als die, ein sin-niges Bild des Lebens unserer Familie, oder vaterländischer Aristokratie, wie sie sich eben hier vorzugsweise ausgebildet, auf eine solche Weise darzustellen, dass sich diese Idee im Gemüt des Beschauers, sozusagen, von selbst entwickeln müsse”1,kann für Branitz nicht mehr in Anspruch genommen werden. Hier tritt das „Bild der vaterländischen Aristokratie“ hinter die eigenen, sehr privaten Gestaltungsziele zurück. Neben der gänzlich anderen Topographie kommt in Branitz auch ein anderes Gesellschaftsmodell zum tragen. War der Aufruf Pücklers an seine Muskauer Bürger im Jahre 1815 durchaus noch im Sinne eines idealen, sozialen Gemeinwesens zu verstehen, so kann dieser Anspruch für Branitz nicht mehr geltend gemacht werden.

Unstrittig ist, dass Pückler trotz diverser Schwierigkeiten wie Trockenperioden, Hochwas-ser und Stürmen auch in Branitz großflächig plante. Fürst Pückler gestaltete den Bra-nitzer Park ganz bewusst und nach englischen Vorbildern als einen zonierten Park. Es ist eine Abfolge unterschiedlicher Räume entstanden, die sich in ihrer gestalterischen und inhaltlichen Dichte steigern. Ausgehend vom Außenpark, der als ornamental farm sehr extensiv gestaltet wurde, über den Inneren Park, der mit einer Vielzahl von Pflanzungen, artifiziellen Bodenbewegungen und Wasserläufen gekennzeichnet ist, bis zum Schloss mit seinem Pleasureground, der den Höhepunkt der Pücklerschen Inszenierung darstellt.

Wiedergewinnung oder RekonstruktionWährend sowohl die Bodenbewegungen und Wasserläufe als auch ein Teil des entste-hungszeitlichen Baumbestandes vollständig erhalten sind, müssen einige Elemente des baulichen Schmucks als komplett verloren bezeichnet werden. Zwar sind die meisten Gebäude überkommen, eine Vielzahl von Lauben oder Pavillons sind aber im Laufe der Zeit verschwunden. Diese besonderen Orte, welche insbesondere den Kernbereich des Parks kennzeichneten, waren aber für das Parkerlebnis bedeutend. Diese Kleinarchitekturen wurden jedoch zumeist nur aus Holz errichtet, so dass sie eine vergleichsweise temporäre Erscheinung bildeten. Sie stehen damit im Gegensatz zu den Pyramiden, die auf die Ewig-keit ausgerichtet waren, da sich -so Pückler sinngemäß- niemand die Mühe machen wird, den märkischen Sand wieder auseinanderzuschaufeln.

In der Parkdramaturgie stellten die heute verloren gegangenen Orte jedoch wichtige Be-zugspunkte da. So gab es auf den artifiziellen Hügeln Bänke oder Lauben, die Aussichten ermöglichten oder an Pücklers Lebensreise erinnerten.

Es entsteht natürlich der Wunsch, diese Orte zurückzugewinnen, um den Park als Gesamt-kunstwerk in der Einheit von Schloss, Interieur und Park erleben zu können. Während die größeren Wiederherstellungsarbeiten an den Gebäuden, den Brücken, den Wegen und den Gewässern nahezu abgeschlossen sind, kommt es heute -neben der sich immer schieriger gestaltenden Pflege- auch darauf an, solche Orte wieder in das Bewusstsein der Besucher

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zu bringen, es geht also darum, Verlorenes nachzubilden.2 Eine Rekonstruktion Pückler-scher Pavillions oder Lauben nach denkmalpflegerischen Grundsätzen ist dabei weder erwünscht noch auch meist nicht möglich, weil es keine oder nur unzureichende bildlichen Darstellung gibt. Eine erste temporäre öffentliche Präsentation einiger dieser verlorenen Orte konnte durch die Zusammenarbeit mit der Brandenburgischen Technischen Universi-tät im Rahmen von studentischen Semesterarbeiten im Jahre 2002 erfolgen. 3

Im Falle des Kugelberges, der in seiner Kubatur bis hin zu den steinernden Stufen in unsere Zeit überkommen war, hat sich die Stiftung im Jahre 2004 in enger Absprache mit dem Landesdenkmalamt zu einer Neuinterpretation der Kugel und der Bank entschlossen, um den Ort wiederzubeleben. Es wurde, gemäß der schriftlichen Quellen, eine achteckige Holzbank mit einer Säule errichtet, die nun von einer Edelstahlkugel bekrönt wird. Im Jahre 2007 konnte mit dem Mondberg ein weiterer „verlorener Ort“ zurückgewonnen werden. Der Mondberg bildet nach seiner Wiederherstellung, die analog zur Rückgewin-nung des Kugelberges erfolgte, erneut einen interessanten Aussichtspunkt. Auch im Sinne der Besucherlenkung und der Denkmalvermittlung war es sinnvoll, diesen Ort wiederzube-leben. Er ermöglicht dem Besucher eine weitere Blickebene und eine andere Sicht auf die Pücklersche Schöpfung. Da auch hier, wie beim Kugelberg, aufgrund der Quellenlage eine Rekonstruktion weder möglich erschien, noch das Ziel war, wurde der Weg einer Neuinter-pretation in einer zurückhaltenden Formensprache gewählt. Hervorzuheben ist, dass das Vorhaben Mondberg wesentlich durch das private Engagement des Freundeskreises Fürst-Pückler-in-Branitz e.V. zustande gekommen ist.

Zusammenfassung und AusblickAnhand der beiden Beispiele soll dargestellt werden, welchen Weg es zwischen Rekon-struktion und Neuschöpfung geben kann. Wir haben mit der Wiedergewinnung dieser Orte einen kleinen Beitrag zur Besucherlenkung geleistet. Heute braucht man keinem Besu-cher mehr erklären, wo sich der Kugelberg oder der Mondberg befindet und warum sie so heißen. Sie erklären sich von selbst. Durch eine zurückhaltende Gestaltung, die sich in die Parkästhetik einfügt, und eine an unser Jahrhundert angepasste Materialwahl mit Holz und Edelstahl, handelt es sich unmissverständlich um eine Neuinterpretation von histo-rischen Orten. Sie sind wieder ein Anziehungspunkt und dienen der Denkmalvermittlung. Als nächstes Objekt soll der Heilige Berg zurück gewonnen werden.

1 Pückler-Muskau, Hermann Fürst von: „Andeutungen über Landschaftsgärtnerei“, Insel Verlag, Frankfurt 1988, S. 28. 2 Vgl. Schmidt, Erika (1985): „Gartendenkmalpflegerische Maßnahmen Übersicht und Begriffserläute-rungen“, in: Hennebo, Dieter (Hrsg): „Gartendenkmalpflege. Grundlagen der Erhaltung historischer Gärten und Grünanlagen“, S. 71 ff. 3 Vgl. Baller, Inken; Pahl, Andreas: „Neue Welten im Branitzer Park“, in: Grün Forum. LA, 11/2002, S. 27 ff.

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Methodische Überlegungen in konkreten Fallbeispielen

Mondberg mit Bank und Stele

Entwurf Mondlaube Oliver Berends Michael

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Michael Keller

Richtig erinnern? Geschichts-Inszenierungen am Beispiel der ehemaligen Bastion Cleve in Magdeburg

Seit langem werden inhaltliche Abgrenzung, aber auch Zulässigkeit der denkmalpflege-rischen Methoden Konservieren, Restaurieren und Rekonstruieren diskutiert. Der fachinter-ne Austausch ist in besonderem Maße von der Sorge um die Wahrung der (einer?) Au-thentizität des Denkmals und dem Streben nach Planungssicherheit geprägt. Die Motive, welche darüber hinaus den praktischen Umgang mit historischer Substanz bestimmen, oft auch legitimierend für Rekonstruktionen angeführt werden, sind vielfältig. So will man u.a. Geschichte erlebbar machen (Information / Pädagogik), Identität stiften oder Alleinstel-lungsmerkmale verdeutlichen (Kommunikation / Marketing) und touristische Ziele entwi-ckeln bzw. Standortqualitäten stärken (Ökonomie). Abgesehen von sich ggf. überlagernden Denkmal-Wertigkeiten bewirkt die jeweilige Gewichtung dieser Aspekte oft eine „formende Auseinandersetzung“ mit Geschichtszeugnissen - entgegen der in der Öffentlichkeit ver-breiteten (vereinfachten) Annahme, die Beschäftigung mit „dem Alten“ sei zuerst bewah-render bzw. wiederherstellender Natur. Diese Problematik soll am Beispiel der Gartenanla-ge auf der ehemaligen Bastion Cleve in Magdeburg illustriert werden.

In unmittelbarer Nähe des Magdeburger Doms entstand während des 18. Jahrhunderts in Erweiterung einer älteren Befestigung die Bastion Cleve. Im Zuge einer ersten Stadterwei-terung im 19. Jahrhundert wurde das Areal zur öffentlichen Gartenanlage bestimmt und 1872/73 durch den damaligen Garteninspektor Niemeyer gestaltet. Obwohl in ihrer ver-gleichsweise geringen Ausdehnung (ca. 2 ha) im städtebaulichen Kontext eher der Katego-rie Schmuckplatz zuzurechnen, stellt sich die Anlage als Landschaftsgarten en miniature dar. Zwar waren nach Abbruch und Planierung kaum noch oberirdische Reste der Bastion erhalten geblieben, lediglich an der Elbseite wurden die dortige Mauer (Face) und ein Teil des vorgelagerten Werkes (Detachierung) zur Schaffung eines großzügigen Aussichts-platzes integriert. Doch gerade mit dieser Gestaltung überführte man die traditionelle Mit-benutzung einiger fortifikatorischer Anlagen als Promenaden der zivilen Stadtgesellschaft in eine neue Form. Neben dieser funktionalen Verknüpfung blieb die Geschichtlichkeit des Ortes in der Bezeichnung „Anlage auf der Bastion Cleve“ präsent. Hatte man schon im 18. Jahrhundert die Festungswerke über ihre Namen zu politischer Manifestation benutzt (hier in Erinnerung an die brandenburgische Besitzung Kleve), so erfuhr auch dieser Aspekt eine Fortsetzung. Die Huldigung des wilhelminischen Kaiserreichs und stilistische Bezüge auf die Architektur des nahegelegenen Doms als Symbol des mittelalterlichen Heiligen Rö-mischen Reiches wurden in der Gestaltung des im Zentrum der Gartenanlage aufgestellten Kriegerdenkmals (Hermann Eggert, 1873-77) verknüpft.

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Methodische Überlegungen in konkreten Fallbeispielen

Nach 1945 widmete man die Anlage dem Andenken an den Magdeburger KPD-Aktivisten Hubert Materlik, später kam die neue Bezeichnung „Park am Fürstenwall“ zur Anwendung. Mit diesen Umbenennungen ging das Bewusstsein für die ideelle Bindung der Gartenanla-ge an das früher dort befindliche Festungswerk verloren. Obwohl der „Park am Fürstenwall“ als einzige von Anfang an geplante (und bis heute erhaltene) Grünanlage im Gebiet der ersten gründerzeitlichen Stadterweiterung von einiger Bedeutung ist und damit eigentlich im Rahmen der 1992 beschlossenen städtebaulichen Erhaltungssatzung „Domplatz / Süd-liches Stadtzentrum“ besondere Aufmerksamkeit verdient hätte, blieben historische Bezü-ge und ursprüngliche Intentionen der Gartengestaltung größtenteils unerkannt.1 Selbst im Zusammenhang mit einer vor etwa 10 Jahren vorgenommenen gärtnerischen „Sanierung“ erfolgte keine eingehendere Beschäftigung mit der Anlagengeschichte. 2

Ähnlich wie die Entstehung der Gartenanlage wurde auch die jüngste bedeutende Verän-derung zuerst von städtebaulichen Absichten motiviert. Seit einigen Jahren verfolgte man das Ziel, ausgehend vom nördlichen Teil des „Parks am Fürstenwall“ eine Fußgängerbrücke über die stark befahrene Straße Schleinufer zum Ufer der Strom-Elbe zu errichten. Erste Überlegungen stammen aus den 1960er Jahren, im Kontext des städtebaulichen Entwick-lungsgebietes des ehemaligen Elbbahnhofs sowie im Vorfeld der IBA 2010 („Leben an und mit der Elbe“) erlangte das Projekt besondere Aktualität. Frühzeitig verband man das Vorhaben mit der Absicht einen unterirdischen Gang (Poterne) zu reaktivieren, welcher vor der barocken Erweiterung der Festungsanlagen eine Unterquerung der Stadtummauerung ermöglicht hatte. Die im 19. Jahrhundert verschüttete Eskarpenmauer mit dem südlichen Ausgang der Poterne wurde freigelegt und in die Gestaltung eines auf 8 m Tiefe abge-senkten Vorhofes einbezogen (eine im Wortsinn tiefgreifende Veränderung des Garten-denkmals). Nachdem Sondierungen auf weitere Baulichkeiten gestoßen waren, wurde das Baufeld bedeutend ausgedehnt. Während anfangs dieser Devastierung einige nachträglich ergänzte Randbereiche zum Opfer fielen, sind letztendlich mit der Kappung übergeordneter Wegeverbindungen und Anschnitten des Aussichtsplatzes sowie des Hügels mit dem Krie-gerdenkmal wesentliche Kernelemente der Gartenanlage irreparabel beschädigt worden.

Die aufgefundenen, überwiegend gut erhaltenen Baulichkeiten sind teilweise der barocken Befestigung, aber auch einer bisher kaum dokumentierten älteren Phase zuzurechnen.3 Unter dem Eindruck der 2005 in Magdeburg durchgeführten Internationalen Fachtagung „Erhalt und Nutzung historischer Großfestungen des 19. Jahrhunderts“ sind Entschei-dungsträger und Öffentlichkeit solchen neuen Erkenntnissen gegenüber höchst aufnahme-bereit, auch die bereits während der Bauphase angebotenen Führungen durch die wieder zugänglichen Festungsgänge waren restlos ausgebucht. Unabhängig von diesen Freile-gungen fanden in den Randbereichen der historischen Gartenanlage neuere „Erinnerungs-Initiativen“ ihren Niederschlag. In gewisser Weise als Fortsetzung traditioneller Positionie-rungen gesellschaftspolitischer Monumente im Dom-Umfeld entstand hier das Denkmal für die 1933-45 verfolgten und ermordeten Magdeburger Sinti und Roma (1998). Inspi-

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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riert von dem Erfolg der Europarats- und Landesausstellung „Otto der Große, Magdeburg und Europa“ (Magdeburg, 2001) wurde ein „Weg der Ottonen“ ergänzt (2003). Auf einer daran unmittelbar angrenzenden Restfläche des durch die Grabungen zerstörten Teils des Gartendenkmals kam kürzlich eine Platzanlage hinzu, welche im Kontext des Landespro-jekts „FrauenOrte“ (anlässlich der Expo 2000) gleichfalls an die ottonische Vergangenheit anknüpft und der Königin Editha sowie den Kaiserinnen Adelheid und Theophanu gewid-met ist. Abgesehen von der Nähe zum Dom entbehren die beiden letztgenannten Objekte hinsichtlich ihrer örtlichen Positionierung eines tatsächlichen, also historisch authen-tischen Bezugs. Gegenüber den in Magdeburg bereits vorhandenen ottonischen Denkmalen früherer Zeiten (auch einigen Referenzen aus den beiden letzten Jahrhunderten) stellen sie weder eine nennenswerte inhaltliche Erweiterung dar, noch können sie auf Grund ihrer sehr einfachen technischen Ausführung als Repräsentationen heutiger künstlerischer Aus-einandersetzung gewertet werden.

Zwar wurde bei den geschilderten Maßnahmen der jüngeren Vergangenheit nicht aus-drücklich das Ziel einer Rekonstruktion benannt, auch ist der Begriff hier höchstens für einige „Komplettierungen“ der freigelegten Festungsmauern anwendbar. Doch zielten sie darauf ab, über die spezifische Vergangenheit des Ortes (durch Freilegung der Festungs-reste) oder andere historische Zusammenhänge (mit den verschiedenen Denkmalen bzw. Installationen) anschaulich zu informieren. Ausgrabungen, Neugestaltung und ergänzte Objekte zogen tatsächlich die Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit auf den Bereich der früheren Bastion Cleve. Doch wurden weder eine historisch authentische (Gesamt-) Situation erlebbar gemacht, noch die Intentionen der bisherigen Gestaltung im Sinne einer gründerzeitlichen Geschichts-Inszenierung erkannt, kommuniziert und bewahrt. Örtlich aufgefundene Spolien (der älteren Befestigung), freie Ergänzungen und die genannten peripheren Installationen unserer Zeit haben eine „Erinnerungs-Melange“ hervorgebracht, welche ihrerseits insofern authentisch genannt werden kann, als dass sie Resultate heu-tiger Geschichtsaneignung dokumentiert. Initiiert durch wissenschaftliche Forschungen zu einzelnen Themenfeldern, gesellschaftspolitische Initiativen und kommunale Stadtentwick-lung ist das Vorgehen hier durchaus auf eine breitere (demokratische) Basis begründet. Die Begeisterung für Aspekte der Stadtgeschichte war ein wesentliches Motiv für die vorge-nommenen Veränderungen.

Demgegenüber ergab sich im geschilderten Fall nicht aus dem Erhaltungszustand der historischen Situation und auch nur in sehr geringem Umfang durch ein zeitgenössisches Investitionsvorhaben (Einordnung der Fußgängerbrücke) ein konkreter Handlungsbedarf. Angesichts dieser Wirkungen drängt sich die Frage geradezu auf, ob bauliche Inszenie-rungen (hier eingeschlossen auch der spezielle Fall einer Rekonstruktion) tatsächlich als Instrumentarium von Geschichtsvermittlung in diesem Umfang geeignet sind, in welchem sie heute zur Anwendung kommen. Außerdem zeigt sich am Beispiel der Magdeburger Bastion Cleve, dass der Aspekt der Nachhaltigkeit auch hinsichtlich des Denkmalschutzes

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Methodische Überlegungen in konkreten Fallbeispielen

bzw. des allgemeinen Denkmalbewusstseins von großer Relevanz ist. Obwohl man in Mag-deburg wie in anderen stark kriegszerstörten Städten dem kulturellen Erbe gegenüber sehr sensibilisiert ist und nicht zuletzt im Vorfeld des 1200jährigen Stadtjubiläums (2005) eine wissenschaftliche Aufarbeitung vielfältiger Aspekte der Stadtgeschichte erfolgte, haben diese Aufgeschlossenheit und selbst die Integration in den Satzungsbereich des städtebau-lichen Denkmalschutzes den ungeschmälerten Erhalt des Gartendenkmals „Park am Für-stenwall“ in seinem bisherigen Umfang nicht sicherstellen können.

1 LANDESHAUPTSTADT MAGDEBURG / Stadtplanungsamt (Hrsg.) und Ingrid Wernecke (1995): Südwestliche Stadterweiterung. Dokumentation 30 / 1995. LANDESHAUPTSTADT MAGDEBURG / Stadtplanungsamt (Hrsg., 1998): Städtebaulicher Denkmalschutz zur Entwicklung des Südwestlichen Stadtzentrums. Dokumentation 73 / 1998. 2 HOKE, Jürgen (1998): Die Entwicklung der Parkanlagen in Magdeburg – 175 Jahre Gartenverwaltung. In LANDESHAUPTSTADT MAGDEBURG / Umweltamt (Hrsg.): 6. Landschaftstag 1998 – Parklandschaften in Magdeburg. Magdeburg (S. 10). Gegenüber der dortigen knappen Erwähnung des Parks am Fürstenwall basieren die heutigen Bewertungen auf einer im Juli 2007 vorgelegten gartendenkmalpflegerische Studie zur Anlagengeschichte (im Auftrag der Landeshauptstadt Magdeburg, Stadtplanungsamt / Untere Denkmal-schutzbehörde erarbeitet durch das Büro keller.Landschaftsarchitektur, unveröffentlicht). 3 Zu den Ergebnissen der die Ausgrabungen begleitenden Bauforschung vgl. PAUL, Maurizio (2005): Der „Förder“ in der Bastion Cleve – eine Untersuchung zur historischen Fortifikation Magdeburg. In LANDES-HAUPTSTADT MAGDEBURG / Stadtplanungsamt (Hrsg.): Der Fürstenwall. 2., überarbeitete und ergänzte Neuauflage als Dokumentation 93 / 2005. Magdeburg (S. 145-186).

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Heiko Lieske

Zwischen den Mauern. Bildschutz versus Substanzschutz am Beispiel der Ertüchtigung der Stadtmauer zur Hochwasserschutz-Wand in Grimma

Die Altstadt Grimmas ist in einer für Sachsen einzigartigen Weise in ihrer vorindustriel-len Geschlossenheit und Bezogenheit auf den Fluss erhalten geblieben. Hierzu hat, neben dem Relief, vor allem auch die mittelalterliche Stadtmauer wesentlich beigetragen, die am Flussufer über eine Länge von 450 Metern bis heute erhalten und Bestandteil zahlreicher Denkmalensembles ist. Die Stadt vor eindringendem Hochwasser schützen kann die Stadt-mauer freilich nicht. Während der Jahrhundertflut im August 2002 war die Altstadt von Grimma unter den Städten in Sachsen mit am schwersten betroffen. Kurz darauf begann die zuständige Landestalsperrenverwaltung mit der Planung eines lokalen Hochwasser-schutzes (HWS) für die gesamte Uferlänge der Stadt. Um die geplanten Maßnahmen auf ihre Verträglichkeit mit den Denkmalen zu prüfen und sie architektonisch und freiraumpla-nerisch individuell und bis ins Detail zu entwickeln, wurde unsere Arbeitsgruppe an der TU Dresden beratend in die Planung einbezogen.

Es soll im Folgenden nur auf den Abschnitt der 1241 erstmals erwähnten historischen Stadtmauer eingegangen werden. In der ingenieurtechnischen Vorplanung wurde davon ausgegangen, auf der Flussseite direkt vor der historischen Mauer eine Sichtbetonwand zu errichten, welche die alte Mauer in den meisten Abschnitten verdeckt und überragt und auf einer Bohrpfahlwand gründet, die in 8 bis 12 Metern Tiefe an den Felsen anschließt. Dieser Vorschlag stieß bei den Anwohnern auf heftigen Protest und wurde von der Ge-nehmigungsbehörde abgelehnt. Eine weitere Variante sah vor, die neue Wand hinter der alten Stadtmauer, also auf der Stadtseite, zu führen, was sich aber aus Gründen fehlender Baufreiheit als nicht realisierbar erwies. Eine Trassierung der HWS-Anlage auf der Ufer-seite hingegen, von der Stadtmauer abgerückt, hätte sowohl die Stadtansicht als auch die Aussicht auf den Fluss versperrt und zwischen den Mauern vermutlich zu klaustropho-bischen Effekten geführt.

Da nun die neue Mauer nur auf der Trasse der alten geführt werden konnte, schlug der Bauherr vor, die alte durch die neue zu ersetzen – durch Verblendung mit Naturstein wäre doch eine mindestens ebenso schöne Mauer neu herzustellen. Die Frage der Schönheit der Mauer außen vor lassend, diskutierte unsere Arbeitsgruppe zunächst in größerer Tiefe den Denkmalwert der Stadtmauer und die Frage ihrer Rekonstruktion. Zweifellos stellt die Stadtmauer ein außerordentlich wertvolles, weil besonders beredtes und in seinem Erhal-tungszustand und –umfang seltenes Zeugnis der Geschichte von Stadtbefestigungen sowie ihrer Umgestaltung zu öffentlichen Grünanlagen dar. Es handelt sich um die innere von ehemals zwei Befestigungsmauern, die im Zuge der Schleifung der Wehranlagen1 in ihrer

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Methodische Überlegungen in konkreten Fallbeispielen

Höhe verringert, aber auch sonst vielfach erneuert, umgebaut und nach zerstörerischen Hochwassern wiedererrichtet worden war. So besteht sie heute aus einem unregelmäßigen Bruchsteinverband, der umfangreiche Spuren von Reparatur- und Umbaumaßnahmen, vonWachtürmen, Toren und anderen Öffnungen enthält. Einen Großteil ihrer Dokumentquali-täten trägt die Stadtmauer gewiss im äußeren Erscheinungsbild, das sich in seiner Vielfalt auf der Uferseite auch der Öffentlichkeit erschließt. Wäre dieses Erscheinungsbild durch exakte Dokumentation und Kennzeichnung, sorgfältiges Abtragen und Wiederverwenden der alten Steine als rekonstruierte Verkleidung der neuen HWS-Wand zu erhalten?

In Wörth am Main wurde genau dies versucht, und, wenngleich es sicherlich gelungen ist, durch Recycling der originalen Steine eine schöne und lebendige HWS-Mauer herzustellen, so wird doch deutlich, dass durch diese Behandlung beträchtliche Mengen an historischer Information der Maueroberfläche verloren gegangen sind. Die hohe Qualität der baulichen Ausführung lässt hier aber erkennen, dass dies nicht mangelnder Sorgfalt geschuldet ist. Vielmehr ist zu bezweifeln, dass die Komplexität und individuelle Sprachlichkeit des Erscheinungsbildes einer ursprünglich mittelalterlichen, im Laufe der Jahrhunderte vielfach überformten Stadtmauer überhaupt rekonstruierbar ist. Einerseits wäre danach zu fragen, wie weit die Detailtreue gehen sollte angesichts offensichtlich zufälliger, willkürlicher oder gar substanzschädigender baulicher Details der Mauer, etwa dem unsachgemäßen Fugenverschluss von 1958. Wären hier nicht Korrekturen angebracht? Andererseits sind die überkommenen Materialien, in Wörth wie auch in Grimma, zum Teil bereits so brüchig, dass sie schadfrei weder abgetragen noch wiederverwendet werden können. Für diese Stücke wäre Ersatz zu schaffen, eine weitere und gravierende Abweichung vom Original-bild und seiner spezifischen Information.

Darüber hinaus stellt jedoch das Bild der Mauer eben doch nur den vordergründigsten Aspekt ihres Dokumentcharakters dar. Ihre Substanz, wenn auch durch bloßes Betrachten der Mauer nicht ohne weiteres zu ergründen, ist hingegen eine Quelle weiter reichender Erkenntnis, die durch den Abtrag der Mauer und eine rekonstruierende Verblendung der neuen Wand, und sei es mit den originalen Steinen, unwiederbringlich zerstört würde. Weil somit weder das Bild noch die Substanz der historischen Mauer befriedigend erhalten werden konnten, wurde die Möglichkeit der Rekonstruktion der uferseitigen Außenschale der alten Mauer als Fassade der HWS-Wand verworfen.

Anschließend wurden Möglichkeiten untersucht, die Stadtmauer selbst so zu ertüchtigen, dass sie für den Hochwasserschutz genutzt werden könnte. Diese Variante erschien zu-nächst, wenn auch vielleicht nicht finanziell, so doch denkmalpflegerisch und stadträum-lich, die ideale Lösung zu ermöglichen. Die Tragwerksplaner unterbreiteten Vorschläge, wie die Stadtmauer zu „vernadeln“, zu verpressen und mit Mikro-Bohrpfählen zu stabili-sieren sei. Die vorgeschlagenen Verfahren ließen allerdings bei uns Zweifel aufkommen, wie viel von ihrer Substanz dabei noch erhalten bliebe. Es war also wiederum zwischen

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Substanzschutz und Schutz des Bildes der Stadtmauer (und der Stadtansicht) abzuwägen: eine neue Mauer vor der alten bedeutete, die Substanz zwar zu erhalten, sie aber hinter der HWS-Anlage verschwinden zu lassen. Die Stadtmauer für den Hochwasserschutz zu ertüchtigen hieße hingegen, ihre Substanz weitestgehend zu zerstören, um das historisch überkommene Bild zu bewahren. Gleichzeitig begann man, die Mauer auf ihre Substanz hin genauer zu überprüfen und musste feststellen, dass sie kaum inneren Zusammenhalt besaß. Erschütterungen beim notwendigen Einsatz schwerer Technik würden sie zum Ein-sturz bringen. Darüber hinaus fielen die Kostenschätzungen so hoch aus, dass die Ertüchti-gung der alten Mauer auch politisch nicht vertretbar war.

Das Ergebnis des weiteren Prozesses ist ein Kompromiss, mit dem wohl niemand so recht glücklich ist, zu dem es aber keine sinnvolle Alternative mehr zu geben scheint, wenn man nicht den Hochwasserschutz insgesamt ablehnt. Die zur Genehmigung eingereichte „Vor-zugs“-Lösung sieht nun eine mit neuem Naturstein verkleidete Betonwand vor der alten Stadtmauer (auf der Uferseite) vor. Zwischen alter und neuer Mauer wird es eine Bewe-gungsfuge geben, die Stadtmauer bleibt also in ihrer Substanz „unberührt“. Für die Natur-steinverkleidung hatte das Landesamt für Denkmalpflege zunächst die Forderung erhoben, die Stadtmauer fotogrammetrisch zu dokumentieren und abbildgetreu (steingenau, ma-terialgetreu und mit allen Spuren der Geschichte) vor der neuen Wand nachzubilden. Dies wäre der seltene Fall einer Kopie einen halben Meter vor ihrem Original. In der weiteren Diskussion wurde diese Forderung gemeinsam überdacht und offener formuliert. Eine ex-akte Nachbildung wäre aufgrund der Heterogenität der Oberfläche ohnehin nicht realisier-bar gewesen. Die fotogrammetrische Dokumentation soll nun zwar als Planungsgrundlage für die neue Vorsatzschale dienen, jedoch wird versucht werden, durch den Einsatz lokaler Gesteinsarten nach den Regeln des Handwerks eine der alten Mauer vergleichbare Anmu-tung in neuer Interpretation zu erreichen.

Worin besteht nun diese Anmutung genau? Resultiert sie aus Material, Fugenbild, Textur und Farbigkeit? Oder schließt sie auch ein, dass die neue Oberfläche an die Geschichte und Funktionen der alten Stadtmauer erinnert (die Forderung nach „Abbildung“ der alten Öffnungen und baulichen Veränderungen besteht weiterhin)? Darf der erinnernde Verweis auf die verdeckte alte Stadtmauer so weit gehen, dass dadurch die eigentliche Funktion der neuen Mauer, der Hochwasserschutz, im Verborgenen bleibt?

1 Der Zeitpunkt ist nicht überliefert, jedenfalls wurde die äußere Mauer abgetragen, Zwinger, Stadtgraben und –wall wurden eingeebnet und ab dem 18. Jhd. dann zu öffentlichen Grünanlagen gestaltet.

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Methodische Überlegungen in konkreten Fallbeispielen

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Katharina Steudtner

Die Schlossanlage von Charlottenburg: Geschichte und Denkmalpflege

Wenn man die Entwicklungen der Charlottenburger Schloss- und Gartenanlage in den ver-schiedenen Nutzungs- und Gestaltungsphasen betrachtet, ist eine zeitliche Parallelität von Bau- und Gartenbaumaßnahmen ablesbar, doch mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

Entwicklungen von Schloss und Garten bis 1945Das Lustschloss der Königin Sophie Charlotte, ab 1695 ausgeführt, verfügte über einen repräsentativen, von Godeau geplanten, “modernen” barocken Garten, der mit Parterre, Bosketten und Spielanlagen hauptsächlich nördlich des Schlosses lag. Diagonal-Achsen stellten übergeordnete Blickverbindungen zur Zitadelle Spandau und zum Schloss Schön-hausen her. Inszeniert und genau berechnet wurden Ausblicke aus dem oberen Ovalen Saal in die verschiedenen Gartenteile. Die Lage von Schloss und Garten an der Spree erwies sich, neben dem Gestaltungspotential des Wassers, vor allem für die Anreise per Schiff als günstig. In seiner Dimension entsprach der Garten mehr dem 1701-1712 unter Eosander erweiterten Schlossgebäude als dem heute als “Altes Schloss” bezeichneten kleinen Vor-gängerbau. (Abb. 1)

Friedrich der Große baute ab 1740 den Neuen Flügel und veränderte Teile des Gartens. In der Haltung des Rokoko, auf “hierarchische Ordnungssysteme und das Hinausstrahlen in die Öffentlichkeit” zu verzichten, versuchte er die “äußerste Verfeinerung … der abge-schlossenen, überschaubaren Lebensbereiche” (Wimmer, S. 37). Ein Sinnbild dafür sind die unter Knobelsdorff errichteten und dekorierten Innenräume ebenso wie im Außenbereich die Terrasse nördlich des Neuen Flügels und die kleinteiligen, intimisierenden Verände-rungen des Parterres.

Unter den Regenten Friedrich Wilhelm II. und Friedrich Wilhelm III. erfolgten, abgesehen von Langhans´ Theaterneubau (1788-91), keine äußeren baulichen Veränderungen am Hauptgebäude. Innerhalb des von Eyserbeck und später Lenné landschaftlich überplanten Gartens entstanden mit dem Belvedere um 1790 und dem Mausoleum im Jahr 1810 zwei mit der Gartenlandschaft korrespondierende Gebäude. Der Neue Pavillon wurde 1825 am östlichen Ende des Neuen Flügels erbaut. “Die Spree war nur etwa 10m entfernt und mußte den Golf von Neapel ersetzen, an welchem die Villa Chiatamone lag, die der König zum Vorbild genommen hatte. Eylert sagt, die neue Wohnung des Königs ‘steht auf einem stillen, ruhigen, romantischen Punkte’, gegen Osten öffne sich ‘durch eine Allee von alten Linden die friedliche Aussicht nach der Spree, ihren weiten Wiesengründen und entfernten Kirchdörfern … Ruhe und Frieden atmet hier alles’ “ (Wimmer, S. 77).

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Methodische Überlegungen in konkreten Fallbeispielen

Die in die Jahre gekommenen Schlossgebäude, überdies nach der Besetzung durch Napo-leons Truppen 1806 beschädigt, bedurften der Reparatur sowie des Umgangs mit tech-nischen Problemen und sich wandelnden funktionalen Erfordernissen. In der ersten Hälfte des 19. Jh. wurden anders gegliederte Fenster sowie zur statischen Unterstützung der Decken stellenweise Pfeiler und Säulen eingebaut. Die undichte Terrasse über dem Garten-pavillon erhielt eine Überdachung.

Die Zeit ab 1850 stellte sich als eine Krisenzeit der Schlossanlage dar. Nach langem Leerstand war das Schloss 1888 ein letztes Mal von Monarchen bewohnt. Die Beisetzung Kaiser Wilhelms im Mausoleum, die Regentschaft des 100-Tage-Kaisers Friedrich und die Hochzeit seines Sohnes in der Kapelle führten zu Instandsetzungs- und Dekorations-arbeiten im Inneren des Schlosses. Eine in den Bauakten bereits um 1850 angemahnte Fassadensanierung wurde in den 1880er Jahren durchgeführt. Der Garten war in bekla-genswertem Zustand; kleinere Bauten wie Korb- und Angelhaus wurden 1865 bzw. 1884 abgerissen, das Belvedere war mit Brettern vernagelt.

Durch Industrialisierung und Verstädterung spielten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jh. äußere Entwicklungen ab, die die Erfahrbarkeit des Garten- bzw. Landschaftsraumes stark verändern sollten (Abb. 2). Einschneidend für den Schlossgarten wirkte sich eine ab 1883 durchgeführte Regulierung der Unterspree aus; sie führte zur Aufhebung von Gräben und Brückenbauten und zu Veränderungen im Ufer- und Wegeverlauf. So war der “für die Lage am Wasser gebaute Schinkelpavillon ... nun statt 10m 30m vom Wasser entfernt, die Schloßbrücke (wurde) … erheblich größer neu aufgebaut” (Wimmer, S. 83). Die Garten-grenzen im Westen und Norden wurden durch neu angelegte Trassen für die Hamburger Eisenbahn und Flächen für den Güterbahnhof Westend beeinträchtigt, die früher insze-nierten Blicke und Verbindungen in die Landschaft abgeschnitten. Entlang des Spandauer Damms, südlich des Schlosses, verdichtete sich die Bebauung, so dass Theater und Orange-rie “in die zweite Reihe” traten.

Der “Umgebungsschutz” – als ein Teil des heutigen Denkmalbegriffes – ist nicht erst Thema des 20. Jahrhunderts. Bereits im 19. Jh. wurden irreversible und vor allem für den Landschaftsgarten verheerende Fakten geschaffen. Um 1900 begann in Charlottenburg mit “dem aufkommenden ‘architektonischen’ Gartenstil eine Bereinigung der Gartenanlagen von Teppichbeeten und Koniferenmassen; das Rondell im Hof, Schloß- und Luisenplatz verwandelten sich in einfache Rasenflächen, … der Anfang des Parterres (wurde) geome-trisch-schlicht umgeformt” (Wimmer, S. 87)). Mit dem Ende der Monarchie 1918 und nach den Vermögensauseinandersetzungen zwischen Staat und Königshaus gehörten Schloss und Garten von Charlottenburg zur 1927 gegründeten Schlösserverwaltung. Kunsthisto-rischer Wert und Denkmalstatus des Ensembles waren von Anfang an unbestritten. Um ein der Öffentlichkeit zugängliches Museumsschloss zu präsentieren, begann man, die unein-heitliche Ausstattung der verschiedenen Wohnbereiche zu ordnen. Ansätze zu Forschung

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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und Dokumentation rückten ins Blickfeld. So bereitete die Kunsthistorikerin und spä-tere Schlösserdirektorin Margarete Kühn eine umfassende Schloss-Monographie vor, die allerdings erst 1955 erscheinen konnte. Der renovierungsbedürftige Zustand, der Wille zur musealen Präsentation stileinheitlicher Raumbereiche, aber auch Quellenrecherchen und Bauaufnahmen führten zu Restaurierungen und Freilegungen.

Aufgrund kriegsbedingter Akten- und Planverluste sind nur wenige bauliche Maßnahmen bekannt. Das konstatiert Wimmer für den Gartenbereich ebenfalls (S. 88); hier sind außer einigen Brückenbauten keine Maßnahmen dokumentiert, die über die allgemeine Pflege hinausgingen.

Zerstörung und WiederherstellungKriegszerstörung und Beschädigung von 1943-45 sowie Plünderungen und Witterungs-einflüsse in den Jahren danach betrafen Schloss und Garten gleichermaßen. Kühn machte pauschale, eher schematische Angaben zum Ausmaß der Zerstörungen an den Gebäuden – etwa die Hälfte des Bestandes? – und im Garten, der “durch Bomben und Erdkämpfe stark gelitten hatte und dessen freie Flächen in den ersten Nachkriegswochen dem Anbau von Gemüse dienten” (Kühn, S. 127). Nach Kriegsende lag die organisatorische und wis-senschaftliche Betreuung des Wiederaufbaus zunächst allein bei Kühn, 1957 kam Martin Sperlich als zweiter Wissenschaftler zur Schlösserverwaltung.

Der Wiederaufbau des Schlosses bis 1984 lässt sich grob in vier Phasen gliedern: (I) 1946-52: Sicherung und Improvisation – Kühn arbeitete unter der britischen Besatzung, mit dem Ziel, trotz fehlender Mittel erhaltene Substanz zu sichern und Ausstellungsmög-lichkeiten zu schaffen.(II) 1952-58: (Wieder-)Herstellung von Roh- und Außenbau – Kühn kooperierte ab jetzt mit der Senatsbauverwaltung; in rasantem Tempo wurden in vielen Bereichen Rohbau und Fassade fertiggestellt, dabei wurden Veränderungen des 19. Jh. rückgebaut, neue Stahl- und Stahlbeton-Konstruktionen eingesetzt und “neutrale” Ausstellungsräume geschaffen.(III) 1959-69: Innenausbau – Kühn und Sperlich rekonstruierten und “rebarockisierten” mit zunehmender Routine. “Schwierige” Bereiche blieben noch offen bzw. erhielten Über-gangslösungen.(IV) 1969-84: Freie Ergänzung und Rekonstruktion – Sperlich, Börsch-Supan, Eggeling … setzten Neuschöpfungen von Deckengemälden (Trier, Schubert) und Attikafiguren um. Gleichzeitig wurden das Raumkunstwerk Goldene Galerie und das Deckengemälde der Kapelle rekonstruiert.

Zur Wiederherstellung des Gartens schrieb Kühn (S. 127f): “Der vordere Teil wird die durch Eosanders Plan genauestens überlieferte architektonische Gestalt zurückerhalten, so daß der geistige und künstlerische Zusammenhang von Gebäude und Garten wiederersteht. Zunächst sind die einzelnen Kompartimente des Parterres als Rasenflächen mit Blumen-

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Methodische Überlegungen in konkreten Fallbeispielen

bordüren angelegt worden, ihre ornamentale Verzierung mit Broderien muß späteren Jah-ren vorbehalten bleiben. Das Heckenboskett hat ebenfalls seine ursprüngliche Gliederung schon zurückgewonnen … In den nördlich anschließenden Partien gilt es, das ausdrucks-volle Landschaftsbild, das Lenné hier geschaffen hatte und das mit der Zeit vielfach verunklärt worden war, behutsam wieder herauszuarbeiten. Die Weiträumigkeit der land-schaftlichen Teile bietet zugleich die Möglichkeit, mit Liegewiesen und Spielplätzen den Bedürfnissen des dichtbevölkerten Stadtgebietes von Charlottenburg Rechnung zu tragen.” Angefügt sei, dass erhaltene Eisenbrücken und Plastiken restauriert, fehlende Teile ergänzt und 1967/68 ein vorher nicht existenter Springbrunnen im Parterre sowie eine umstrittene Teichbalustrade erbaut wurden. Letztere “manifestiert die neugeschaffene, problema-tische Grenze zwischen einem geometrischen und einem landschaftlichen Teil, ohne einen durchlässigen Abschluß zu bilden” (Wimmer, S. 88). Die Wiederherstellungsmaßnahmen im Garten, insbesondere das “barocke” Parterre Kühns, blieben bis etwa 1980 unbeanstandet.

Umgang mit Schloss und Garten – Bewertung und Denkmalbegriff nach 1980Unter Jürgen Julier als drittem Direktor der Westberliner Schlösserverwaltung fand der Wiederaufbau des Gebäudebestandes unter neuen Prämissen seinen Abschluss. Korrekturen und Lückenschließungen erfolgten nach Befund, was eine Abkehr von der “Schöpferischen Denkmalpflege” des Vorgängers Sperlich bedeutete. Gleichzeitig begann, auf der Basis des Kühnschen Schloss-Inventars (1970), eine allmähliche Aufarbeitung von Akten, Fotos und Plänen der Nachkriegszeit, was mit der Ausstellung und Broschüre “Schloss in Trümmern” (1993) erstmals auch öffentlich erfahrbar wurde. Erschöpfende Darstellungen und Bewer-tungen einzelner Raumbereiche stehen jedoch vielfach noch aus, wobei wegen des reno-vierungsbedürftigen Zustandes des Schlosses Handlungsbedarf besteht.

Für den Garten erarbeitete Clemens Alexander Wimmer in “Gartendenkmalpflege. Die Gärten des Charlottenburger Schlosses” (1987) eine minutiöse, auf Akten, Plänen und zeichnerischen Darstellungen beruhende Analyse, die eine Bewertung von Entstehung und Überformungen des Gartens sowie seiner Wiederherstellung nach 1945 ermöglicht. Um 2000 wurde, der kritischen Analyse Wimmers folgend, eine nochmalige Veränderung des falsch dimensionierten und ornamentierten Parterres diskutiert. Stattdessen erwog man eine Rekonstruktion des Rokoko-Zustandes von 1740. Weil aber die Plangrundlagen als unzureichend und die Frage der Übergänge zum Landschaftsgarten als problematisch er-kannt wurden, beließ und respektierte man das “Kühnsche Parterre” in seinen Grundzügen, einschließlich der “unhistorischen” Übergänge und Wegeführungen. Korrekturen wurden u.a. bei den farblich falsch angelegten Kiesflächen und beim Buchs-Abschluss der vorderen Felder durchgeführt. Wassertechnik und Ausstattung, z. B. Folien gegen das Durchwachsen, wurden an die veränderten Pflegebedingungen angepasst.

Das Schloss von Charlottenburg ist ein Denkmal des Wiederaufbaus. Die Rekonstruktion des Parterres in “barocker” Form ist m. E. ebenfalls als ein Dokument der Nachkriegszeit

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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zu betrachten – als Entscheidung Kühns, aus dem “Kartoffelacker” wieder einen mit dem barocken Schlossäußeren korrespondierenden Gartenraum zu schaffen. Hier begründet der geschichtliche Wert den Denkmalstatus. Dies entspricht nicht der Begründung in der Berli-ner Denkmalliste, die von einem “barocken Garten mit Überformungen” spricht.

Literatur:Gundlach, Wilhelm: Geschichte der Stadt Charlottenburg, 2 Bände, Berlin 1905.Kühn, Margarete: Schloss Charlottenburg, Berlin 1955.Wimmer, Clemens Alexander: Gartendenkmalpflege. Die Gärten des Charlottenburger Schlosses, Berlin 1987.Eggeling, Tilo; Hanemann, Regina; Julier, Jürgen: Ein Schloss in Trümmern. Berlin im No-vember 1943, Berlin 1993.

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Methodische Überlegungen in konkreten Fallbeispielen

Horst Becker

Zur Frage von Rekonstruktionen im Park Wilhelmshöhe Kassel

Im nunmehr 290 Jahre alten Schlosspark Wilhelmshöhe (seit Aufstellung des Herkules Far-nese 1717) liegen mehrere gartenkünstlerisch relevante historische Schichten vor, die in ihrer zeitlichen Überlagerung das heutige Gesamterscheinungsbild der Parkanlage prägen. Zu unterscheiden sind fünf Hauptentwicklungsphasen1:1. Die Barockanlage unter Landgraf Karl: 1701-17182. Der frühlandschaftliche Park in der Epoche der Aufklärung unter Landgraf Friedrich II., Weissensteiner Park genannt: 1763-17853. Der klassisch-englische Landschaftsgarten bzw. Bergpark der Romantik unter Landgraf Wilhelm IX. (seit 1803 Kurfürst): 1785-1821 (ab 1798 Wilhelmshöhe)4. Die naturalistische Parklandschaft des 19. Jahrhunderts unter Kurfürst Friedrich Wil-helm: 1831-18665. Die Preussische Epoche, d.h. der Park des deutschen Kaisers: 1866-1918.2

Historische VerortungAls bis heute vorherrschendes Bauwerk gilt die den Park Wilhelmshöhe krönende Barock-anlage mit dem sog. “Carlsberg” (Kaskaden, Oktogon, Pyramide, Herkules). Für den gar-tendenkmalpflegerischen Leitzustand ist neben der überkommenen Bestandssituation der Gesamtbestandsplan (z.T. idealisiert) des Königlichen Hofgärtners Ernst Virchow aus dem Jahre 1903 heranzuziehen, da er nicht nur den Schlusspunkt der seit 1766 unter Hofgärt-ner D. A. Schwarzkopf (1757-1817) eingeleiteten landschaftlichen Umgestaltung mar-kiert, sondern zugleich sämtliche bis 1903 erhaltenen Schichten aus den vorhergehenden Parkphasen verzeichnet. Fortgeschrieben wurde der Landschaftpark in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts (Anlagen am Neuen Wasserfall) unter Hofgärtner Wilhelm Hentze (1793-1874; 1834-1864 Hofgartendirektor) und sozusagen vollendet durch Hofgärtner Franz Vetter (1824-1896; 1864-1891 Gartendirektor Wilhelmshöhe, Einführung Teppichbeet-gärtnerei zw. Bowlinggreen u. Großem Gewächshaus).

Unabhänigig von der Chronologie wäre es durchaus auch erlaubt, den Höhepunkt der Wil-helmshöhe schon 100 Jahre früher, also für den Park der Romantik unter Wilhelm IX., an-zusetzen. Von 1785 bis etwa 1800 entstand das bis heute weitgehend intakte “Begehbare Landschaftsgemälde” mit den wildromantischen Wasserfällen (Teufelsbrücke, Steinhöfer-Wasserfall, Jussow-Kaskade, Lac), dem Aquädukt als Reminiszenz an die Wasserbaukunst der Antike und nicht zuletzt die das Mittelalter vorstellende Löwenburg als symbolträch-tige Staffage für die weit zurückreichende hessisch-landgräfliche Dynastiegeschichte. Relikte der frühlandschaftlichen Anlage Friedrichs II. finden sich dagegen nur noch rudi-mentär, so die 1776 erstmals genannte Chinesische Pagode und einige wenige Häuser des

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Chinesischen Dorfes Mulang (dessen Holzbauten ab 1822 von Bromeis durch Steinbauten ersetzt). Die Moschee (verkleinerte Kopie nach Chambers in Kew Gardens) wurde nach ihrem Verfall nicht wieder aufgebaut. Von der einstigen Staffagelandschaft des früheng-lischen Gartens sind nur noch die “Cestius-Pyramide” (1775), das “Grabmal des Vergil” (1775) (beides von Anfang an Bauten aus Tuff) sowie der “Tempel des Merkur“ (um 1778; bis etwa 1800 Holzbau, später durch Sandstein ersetzt, im 2. Weltkrieg Kuppel zerstört) erhalten. Auch die einst zahlreichen, auf die moralphilosophischen Themen der Aufklärung weisenden Philosophenhütten sind bis auf die “Eremitage des Sokrates” aus dem Park verschwunden.3 Die aus der gleichen Zeit stammende “Grotte der Sybille” ist einsturzge-fährdet. Von der mächtigen Felskulisse am Eingang in die Höhle sind nur noch Bruchstücke vorhanden. Dennoch geben all diese Monumente ein überzeugendes Erinnerungsbild an die Gestaltungszeit der Aufklärung, infolgedessen auf Rekonstruktionen verzichtet werden kann, denn: Das emblematisch aufgestellte Parkbild des frühen Landschaftsgartens hatte sich, wie oben dargelegt, nach der Ausräumung der Staffagen später im 19. Jahrhundert zur “reinen Landschaft” weiterentwickelt.

Bestandssichernde RekonstruktionenKommen wir nun zu den Bauwerken und landschaftlichen Szenerien, die mehr als einer Reparatur, sondern einer ständigen bzw. tiefgreifenden Instandsetzung im Sinne einer bestandserhaltenden Rekonstruktion oder Restaurierung4 bedürfen:

1. Steinhöfer Wasserfall Der 1792-93 von Carl Steinhöfer erbaute “Waldwasserfall” immitiert einen Tuffsteinbruch im Habichtswald. Das romantische Motiv besteht darin, dass das Wasser zwischen alten Buchenstämmen den Hang herabströmt. Undichtigkeiten in der Tonpackung haben in der jüngeren Vergangenheit (20. Jahrhundert) schon mehrere Teilsanierungen erforderlich gemacht, so dass Teile der aus Basaltsäulen bestehenden Tuffsteinwand bereits ab- und wieder aufgebaut wurden. Rekonstruktionsvorlage: Istbestand, Historische Ansichten. Zur Zeit wird die gesamte Anlage kernsaniert. Soweit mir bekannt ist, kommt im Untergrund WU-Beton zum Einsatz. Früher wurde ausschließlich mit Ton und Moos abgedichtet.

2. Neuer Wasserfall (Abb. 1a)Der 1826-28 von Carl Steinhöfer geschaffene Katarakt ist der größte Wasserfall im Park Wilhelmshöhe und zugleich Höhepunkt der romantischen Parkphase. Letztmals lief der Neue Wasserfall in den 1930er Jahren. Der sandige Untergrund hat weite Teile der aus Ba-saltfelsen bestehenden Kataraktwände absinken lassen und somit zu massiven Undichtig-keiten geführt. Zudem gibt es Abdichtungsprobleme beim oberen Reservoir, dessen Grund mit einer frischen Tondecke komplett erneuert werden müßte. Eine Kernsanierung des Wasserfalls käme einer völligen Rekonstruktion gleich, da die mächtige Anlage komplett ab- und wieder aufgebaut werden müßte. Sofern die Wasserzufuhr sicher ist, wäre eine Rekonstruktion langfristig zu befürworten, da die jetzige “Farnschlucht” (Abb. 1b) auch

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nicht ewig hält und somit das einmalige Kunstwerk für immer verloren wäre. Rekonstruk-tionsvorlage: Grobe Grundrisspläne 19. Jh., Baurapporte 19. Jh., zeitgenössische Ansichten, fotographische Dokumentation Vorkriegszustand, Bestandsaufnahme Istzustand.

3. Kuppel Merkurtempel (Abb. 2)Der Wiederaufbau der kriegszerstörten Kuppel sollte baldmöglichst erfolgen, da der antiki-sierende Rundtempel ein absolut authentisches Symbol des Klassischen Englischen Land-schaftsgartens darstellt und dieses Motiv zwischen 1776 und 1800 auf Wilhelmshöhe re-zipiert wurde. Hierbei handelt es sich um eine Teilrekonstruktion, durch die das historische Parkbild entscheidend aufgewertet würde. Geteilter Meinung kann man hingegen sein, ob es für das Verständnis notwendig ist, nach alten Fotos eine Replik von der Bleifigur des Götterboten Merkur herzustellen. Rekonstruktionsvorlage für Kuppel: Scharfe Fotos aus der Vorkriegszeit.

4. Landschaftliche SzenerienWolfsschlucht (Abb. 4). Die Wiederherstellung der nach dem 2. Weltkrieg durch Planier-raupen belgischer Besatzungstruppen stark veränderte Schlucht käme einer völligen Re-konstruktion gleich, da Eingriffe in das Relief notwendig wären, um den Schluchtcharakter deutlich erlebar zu machen. Derzeit ist der Geländeeinschnitt durch Wildwuchs nahezu komplett eingewachsen. Rekonstruktionsvorlage: Wenig verlässliche Ansichten, da stili-siert. Zunächst weitere Nachforschungen erforderlich.

LiteraturPark Wilhelmshöhe Kassel - Parkpflegewerk, bearbeitet von H. Becker u. M. Karkosch, Hrsg. Staatliche Schlöser und Gärten Hessen (VSG), Monographien, Bd. 8,Regensburg 2007

1 Ich will anmerken, dass die Einteilung in o.g. Stilepochen den subjektiven Eindruck meiner ganz persön-lichen Recherchen widerspiegelt und nur unter Hinzunahme der entsprechenden Quellen (Pläne, Ansichten, Archivalien, Sekundärliteratur) nachzuvollziehen ist; vgl. dazu H. Becker, Das Gesamtkunstwerk “Wilhelmshö-he” in Kassel, in: Die Gartenkunst, 17. Jg. Heft2/2005, S. 247-310. 2 H. Becker, Der Schlosspark Wilhelmshöhe in der Epoche der könglich-preußischen Gartendirektion von 1866 bis 1918, in: Preußische Gärten in Europa, hrsg. von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin- Brandenburg (SPSG), Leipzig 2007, S. 226-231. 3 Obwohl fast sämtliche Standorte der Philosophenhütten im Gelände ausfindig gemacht werden konnten - eine für sich genommen höchst spannende Angelegenheit - wurde auf Rekonstrukionen bewußt verzich-tet, da der Aspekt der Philosophie als prägendes Element im Park der Aufklärung durch die einzig erhaltene “Eremitage des Sokrates” hinreichend der Erinnerung bzw. der Veranschaulichung einer aus dem Blickfeld geratenen Parkphase Genüge leistet. 4 Dankenswerter Hinweis Dr. B. Modrow, Potsdam im Oktober 2007.

Methodische Überlegungen in konkreten Fallbeispielen

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Abb. 1 a Abb. 2

Abb. 1 b Abb. 3

Alle Fotos von A. Frenz (2002)

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Maren Brechmacher-Ihnen

Überlegungen zum Thema Rekonstruktion am Beispiel der Parkarchitekturen im Schlossparks in Kassel-Wilhelmshöhe

Der Schlosspark in Kassel-Wilhelmshöhe mit seiner mehr als 300jährigen Entwicklungs-geschichte ist in den letzten Jahren in den Fokus der hessischen Kulturpolitik gerückt. Es war dem neuen Leiter der Staatlichen Museen Kassel gelungen den Kultusminister davon zu überzeugen, dass der Museumsstandort Kassel aufgrund seiner Bestände nur ’ertüch-tigt’ werden müsse, um es mit Berlin, Dresden oder München aufzunehmen. So wurde im Dezember 2003 das Büro Albert Speer & Partner mit der Erstellung eines Masterplanes beauftragt, der die ’Neuordnung und Neuaufstellung der Sammlungsbestände und die Sanierung der Gärten’ zum Ziel hatte. Die vorzuschlagenden Maßnahmen sollten eine Be-suchersteigerung für die Museen in Wilhelmshöhe auf etwa das dreifache und für den Park von 1,5, auf 2 Millionen bewirken. Nahezu gleichzeitig stellte das Land Hessen 200 Millio-nen Euro für die nächsten 10 Jahre zum Ausbau der Museumslandschaft Hessen Kassel in den Haushalt ein.

Das 800 000 Euro kostende, später als Machbarkeitsstudie deklarierte Werk wurde 2005 vorgestellt. Es enthält rund 300 Seiten Text und 550 Seiten Tabellen und Pläne. Etwa 20 Seiten davon sind dem Wilhelmshöher Park gewidmet, der als ‚eine besondere Art des Museums’ aufzufassen sei, ein ’begehbares Landschaftsgemälde’. Von dem Park heißt es im Masterplan, dass er zu öffnen sei, da er bisher für die Besucher ’verschlossen’ wäre, die Besucher fänden nicht hinein und verständen ihn nicht. Neue Parkeingänge, Besucherzen-tren, Shuttlebusse, eine Rolltreppe vom Fuß des Schlossberges direkt in das Museum, Be-sucherführung sind die dafür vorgeschlagenen Maßnahmen. Für den Park selbst wird ’eine thematische strukturierte Renovierung einzelner Bereiche’ empfohlen; die im Park vorhan-denen Szenerien wie z.B. das Chinesische Dorf, die Löwenburg, die Bukolischen Felder, das Elysium und die Barocken Wasserspiel seien `Teil der Besuchererlebniswelt’. Auf der Basis der ’sinnstiftenden Parkarchitekturen’ (auch als ’Träger der kulturellen Interpretation von Natur und Landschaft’ bezeichnet), die allerdings entweder sanierungsbedürftig oder nicht mehr bzw. nur noch in Fragmenten vorhanden sind, seien thematische, inszenierte Wege und szenische Landschaften zu entwickeln.

Was steckt dahinter?

Bekanntermaßen ließ Landgraf Karl (1677 – 1730) die um 1600 von Landgraf Moritz auf dem säkularisierten Klostergelände am Hang des Habichtswaldes erbaute Jagd- und Lust-schlossanlage umbauen. Ihm waren die ererbten Räumlichkeiten im Schloss Weißenstein viel zu klein, der Garten nicht repräsentativ genug. Sein Streben war, wie das vieler ande-rer Potentaten auch, es den großen Landesfürsten nachzutun:

Methodische Überlegungen in konkreten Fallbeispielen

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Vorbild war Versailles. Zwei seiner Söhne besuchten Versailles und mussten von dort Pläne und Zeichnungen mitbringen. Der Landgraf selbst reiste im Dezember 1699 nach Italien. Er besichtigte dort berühmte Schloss- und Gartenanlagen, vor allem die der Gegend um Rom, wo die Topografie große Ähnlichkeit mit den Kasseler Gegebenheiten hat. In Rom gewann Landgraf Karl einen italienischen Architekten namens Guerniero, der die landgräflichen Visionen und Ideen umzusetzen verstand, z.T. real, vor allem aber in einem großen Stich-werk, das ‚Delineatio Montis‘. Nur etwa ein Viertel der von Guerniero entworfenen und gezeichneten Entwürfe war finanziell zu realisieren. Der Rest blieb ein Traum, wie wir aus Gemälden von Jan van Nickelen wissen, die im Wilhelmshöher Schloss zu sehen sind.

Übrigens konnte Landgraf Karl die Anlage, soweit sie fertig gestellt war, von seinem Schloss aus kaum sehen: zwischen dem Neptunbassin, dem untersten Bereich der fertigen Kaskadenanlage, und dem Lustgarten am Schloss wuchs noch ein dichter Wald.

Sein Enkel Friedrich II. (1760-1785), setzte - zusammen mit seinem in England ausgebil-deten Chefgärtner August Daniel Schwarzkopf - die Gestaltung des Weißensteiner Parks fort. Da sich inzwischen aber die Gartenmode geändert hatte, entstand ein natürlicher Park im englischen Stil, ein Landschaftsgarten. Friedrich II ließ als Fortsetzung der Kaskaden-anlagen eine breite Schneise durch den Wald schlagen, die bis zum Lustgarten reichte. Die angrenzenden Waldbereiche wurden durch zahlreiche, geschwungene Wege aufgelockert und mit Staffagen versehen. Der Lustgarten selbst wurde zu einem Bowling Green umge-wandelt, an dessen Rändern zwei Dutzend Götter und Heroenbilder aufgestellt wurden.

Der Kieler Professor für Philosophie Christian Cay Lorenz Hirschfeld berichtete um 1780 über den Weißensteiner Park: „Man bemerkt leicht aus den Vorteilen dieser Lage, dass die Kunst der Bearbeitung hier einen der schönsten Gärten in Europa bilden kann. Die neuen Anpflanzungen und Szenen sind größtenteils in den mittlern Gegenden des Berges, auf einigen Anhöhen und in den Niedrigungen. Eine große Mannichfaltigkeit (sic) von Auftritten, die Schöpfungen einer fruchtbaren Einbildungskraft, bricht hier auf allen Seiten hervor.Man hat die Zeiten des Homer und Virgil zurückgeführt; eine Menge von Vorstellungen der alten Welt ist in Statuen und Gemälden erneuert; und die Fabeln der Dichter sind in täuschenden Gestalten wieder aufgestellt. Götter der ersten Größe und Halbgötter wohnen hier unter den Sterblichen; und neben den elysischen Feldern hat auch Pluto sein Reich mit allen seinen Ungeheuern eröffnet. Den Göttern sind Tempel, den Philosophen Griechen-lands Einsiedeleien und selbst den Zauberinnen Höhlen erbauet. Man hat nicht bloß das Grabmal Virgils erneuert, man ist selbst in die grauen Jahrhunderte der Pyramide Egyptens [sic] zurückgestiegen. Noch mehr. Man glaubte selbst aus den Romanen der Ritterzeiten, aus den Gedichten des Tasso schöpfen zu dürfen; und Armide hat hier nicht allein ihren Palast, sondern auch ihre Gärten wiedergefunden. Noch nicht genug.

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Der Türke erblickt hier seine schöngebaute Moschee und der Chineser seine Pagode und sein Dorf.“

Eine bei Paul Heidelbach (und im Parkpflegewerk, im Folgenden PPW) aufgeführte Liste nennt mehr als 50 Statuen und mythologische Szenen. Letztere waren zum überwiegenden Teil ’vorerst auf Bretter gemalte Tableaus’, die, wie die meisten der Statuen auch – unter Friedrichs Nachfolger, Landgraf Wilhelm IX. (1785 – 1821) sehr bald wieder verschwanden. Viele der Standorte wurden durch neue Bodenmodellierungen zugunsten von Wasser-läufen, Bauwerken oder Wegen unkenntlich gemacht. Es entstand ein klassischer Land-schaftsgarten, der die vorhandenen topografischen Gegebenheiten künstlerisch aufwer-tete, die Natur idealisierte und zu Szenen umwandelte, die das Gemüt ansprechen sollten.Landgraf Wilhelm IX. stattete seinen Park mit dauerhafteren, steinernen Staffagen aus: die Löwenburg, das Aquädukt, den Apollotempel, die Halle des Sokrates und das Felseneck entstanden in seinem Auftrag. Auch im chinesischen Dorf wurden hölzerne Bauten durch steinerne ersetzt bzw. ergänzt.

Bis heute sind in dem rund 240 ha großen Park noch sechs Staffagebauten aus der Zeit Friedrich II. erhalten und aus der Zeit seines Nachfolgers - neben elf Bauten im Chine-sischen Dorf, die Löwenburg und das Aquädukt, der Apollotempel und das Felseneck. Von diesen noch vorhandenen Objekten sagt das PPW, dass ’die Originalsubstanz gesichert, evtl. Ausstattung und Farbe gemäß historischer Ansichten erneuert’ werden sollen. Von zehn weiteren Staffagen sind Abbildungen vorhanden. Für diese wird vorgeschlagen, ihre Standorte durch die Darstellung der Grundrisse mit Bodenplatten sichtbar zu machen.

Werden damit die Ansprüche des Masterplanes zu erfüllen sein? Werden die Besucher die Objekte finden, sie so ‚lesen’ und interpretieren können? Sollten die Standorte mit dem im Masterplan vorgeschlagenen Parkbus (über ‚thematische, inszenierte Wege’) erreichbar sein oder / und gar Standorte der ‚ mobilen Erfrischungsstationen’, für die der Plan einen hohen Bedarf sieht?

Wird der Park wirklich attraktiver, wenn er ‚schön gemachte’ Staffagebauten und die gekennzeichneten ehemaligen Standorte bietet? Will man dann nicht auch etwas über den Sinngehalt der Staffagen wissen? Müssen also Erläuterungstafeln aufgestellt werden und die nicht mehr vorhandenen Parkarchitekturen dreidimensional - wie zum Beispiel in einem anderen Kasseler Park vorgesehen - als Nachbau eines ähnlich aussehenden Pavil-lons oder wie z.B. in Painshill durch bemalte Leinwände sichtbar gemacht werden? Möglicherweise werden sich nur so die Besucherzahlen in der gewünschten Weise erhöhen lassen.

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Für diejenigen aber, die sich schon heute allein an den schönen, so beeindruckenden Park-bildern erfreuen, wird es genügen, wenn die einzelnen Staffagen mit Ziffern (vorhandene Objekte) bzw. Piktogrammen (verlorene) auf kleinen Tafeln versehen werden, für die in einer preiswerten Broschüre die ’Geschichten’ nachzulesen sind.

Die Parkarchitekturen im Wilhelmshöher Park bieten also Stoff für Diskussionen.

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Ronald Clark

Alles schon mal erlebt - die Geschichte der Gartendenkmalpflege in den Herrenhäuser Gärten

Der Große Garten in Hannover Herrenhausen hat in seiner über dreihundertjährigen Ge-schichte schon zahlreiche Phasen der Gartendenkmalpflege erlebt. Als einer der wenigen barocken Gärten in Deutschland, der in seiner Grundstruktur noch komplett erhalten ist, ist er auch ein gutes Beispiel für die Geschichte der Gartendenkmalpflege, die hier vor Ort exemplarisch studiert werden kann.

Ein ehrwürdiges Zeugnis

Nach dem Ende der Personalunion zwischen Hannover und England, die Herrenhausen einen langen Dornröschenschlaf bescherte, gleichzeitig aber auch vor der neuen Land-schaftsgartenmode rettete, wurde der barocke Große Garten in seiner alten Struktur erhalten, weil man ihn „als ein ehrwürdiges Zeugnis einer alten, längst vergangenen Zeit, gleichsam als ein redendes Denkmal von der Anschauungsweise und den Sitten unserer Vorfahren“ betrachtete (Hermann Wendland, Die Königlichen Gärten, Hannover 1852, S.10).

Ein frühes und ungewöhnliches Beispiel von aktiver Gartendenkmalpflege, denn die Er-haltung folgte nicht aus mangelnden Mittel für eine Umgestaltung, da direkt neben dem Großen Garten mit erheblichen Mitteln zwischen 1835 und 1860 in zwei Bauabschnitten der landschaftliche Georgengarten entstand. Schon in dieser Zeit gab es Ansätze, das Par-terre mit Blumenschmuck aufzuwerten. Diese Verschönerungsmaßnahmen weiteten sich trotz der Annektierung Hannovers durch Preußen im späten 19. Jahrhundert sogar noch aus. Zusätzlich wurden Koniferen und Blütensträucher eingefügt, die Grundstruktur und die Ausstattung aber weiterhin aufwändig gepflegt.

Schöpferische Gartendenkmalpflege

Nach dem Niedergang in den 1920er und 1930er Jahren auf Grund fehlender Unterhal-tungsmittel wurde der Große Garten 1936/37 in nur elf Monaten von Grund auf erneuert. Zwar wurde die Grundstruktur beibehalten, aber in der Ausstattung und der Funktion ergaben sich zahlreiche Änderungen. In einem großen Akt der „schöpferischen Garten-denkmalpflege“ wurde das Parterre nach barockem Vorbild mit Broderien ausgestattet und zusätzlich mit Plate-bandes aus modernen Sommerblumen „verschönt“. Der Nutzgartenas-pekt, der im Barock fast fünfzig Prozent der Fläche ausmachte, verschwand ganz aus dem

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Garten. Alles sollte „prächtiger und reizvoller denn jemals“ werden, wie die Gartenver-waltung 1937 verlautbarte. Der barocke Garten wurde den aktuellen Anforderungen und Wünschen der Menschen aus Sicht der Spitze der Stadtverwaltung der dreißiger Jahre angepasst: Freizeit, Erholung und Feste im gehobenen Ambiente, touristisches Ziel und Markenzeichen der Stadt Hannover.

Ein besonderer Schwerpunkt bei der „Erneuerung“ wurde auf die Ausweitung der tech-nischen Infrastruktur gelegt. Alle Brunnen und Kaskaden wurden mit Unterwasserschein-werfern ausgestattet und die Hecken und Figuren im Großen Parterre beleuchtet. Dadurch war erstmals der Garten abends im Rahmen der Illumination geöffnet, damals wie heute ein großer Anziehungspunkt.

Die Erneuerungsmaßnahmen im Großen Garten 1936/37, ebenso wie die nach den Kriegs-zerstörungen auf dieser Basis erfolgten Arbeiten in den 1950er und 1960er Jahren sind Teil der wechselvollen Geschichte Herrenhausens und stehen unter Denkmalschutz. Wenn wir heute auch die Problematik der „schöpferischen“ Gartendenkmalpflege sehen und diese Veränderungen sicherlich in dieser Form nicht wiederholen würden, erfreuen sie die meisten Besucher, die diese Zutaten wie die Blumenrabatten im Parterre besonders schön finden. Auch die unterschiedlichen Sondergärten, die die Heckenboskette ablösten, sind beliebt. Erst durch die Elektrifizierung vor 70 Jahren sind viele Veranstaltungen, für die Herrenhausen bekannt ist, möglich geworden. So sind wir also aus touristischer Sicht un-gewollt Nutznießer eines, aus heutiger Sicht problematischen, Eingriffs in das historische Erbe.

Die Alleen in Herrenhausen: Kappung, Nachpflanzung und Erneuerung

Die Herrenhäuser Gärten zeigen außerdem sehr eindrucksvoll die Möglichkeiten des Um-gangs mit historischen Alleen, insgesamt fast 10 Kilometer bis zu vierreihige Lindenalleen, die alle ihren Ursprung im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert haben. Die zwei Kilome-ter lange Herrenhäuser Allee im Georgengarten wurde 1972 bis 1974 komplett erneuert. Auch für die Randalleen und das Alleenkreuz im Großen Garten waren Ende der 1980er Jahre die Bäume schon bestellt, doch verhinderten massive Proteste aus der Bevölkerung diese Erneuerungsmaßnahme. Also wurden in die vorhandenen Lücken junge Linden ge-pflanzt, die zu hoch gewachsenen Bäume auf 18 Meter gekappt und die Seiten als Hoch-hecken beschnitten, so dass heute die Baumkulisse wieder ziemlich einheitlich erscheint. Gleichzeitig können die Besucher, vor allem im Baumrondell um die Große Fontäne, die verschiedenen Zeitschichten des Gartens anhand der Bäume sehen. Neben einem zwan-zigjährigen Jungbaum steht eine eindrucksvolle dicke Linde, die sicherlich schon gut 300 Jahre alt ist.

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Methodische Überlegungen in konkreten Fallbeispielen

Guido Hager, Blumengarten

Niki de Saint Phalle, Grotte

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In der Berggartenallee stehen noch relativ viele alte Bäume aus der Ursprungszeit. Aus den alten Kappstellen wuchsen allerdings zehn bis fünfzehn Meter hohe Austriebe, die die gesamte Stabilität der Bäume gefährdeten. So wurden alle Linden Mitte der 1990er Jahre auf etwa acht Meter Höhe gekappt und werden seitdem alle fünf bis sieben Jahre neu beschnitten. So kann man beim Gang durch die Allee weiterhin die meist hohlen Stämme, die jeder Statik zu spotten scheinen, bewundern und die alten Bäume konnten noch für Jahrzehnte erhalten bleiben.

Neue Gärten im alten Garten

In den letzten zehn Jahren sind im vorderen Teil des Großen Gartens mehrere Umgestal-tungsmaßnahmen durchgeführt worden, die in der Fachwelt kontrovers diskutiert wurden. Der Blumengarten und der Feigengarten, beidseitig neben den früheren Schlossflügeln gelegen, wurden vom Landschaftsarchitekten Guido Hager neu gestaltet. Beide Garten-teile lagen brach, und es lagen auch keine genauen historischen Pläne vor, nach denen ein Rekonstruktion hätte durchgeführt werden können. So wurde auf eine historische, oder hier angebrachter historisierende Gestaltung verzichtet. Guido Hagers Gärten sind bewusst modern, doch hat er sich schon auf die Nutzungen, die Ausstattung und Dimensionen dieser Gartenteile bezogen. Vor allem der Blumengarten ist meiner Meinung nach sehr gut gelungen und erfreut sich großer Beliebtheit.

Eine besondere Attraktion, die uns viele neue, vor allem jüngere Gäste im Großen Garten gebracht hat, ist die Ausgestaltung der historischen Grotte durch die Künstlerin Niki de Saint Phalle. Auch hier war eine Rekonstruktion auf Grund fehlender historischen Grund-lagen nicht möglich; die Ausschmückungen waren schon Mitte des 18. Jahrhunderts entfernt worden. Die Künstlerin hat das Thema des Lebens des Menschen, das im Figuren-kanon des Gartens an vielen Stellen auftaucht, aufgenommen und eine moderne Wunder-welt im alten Grottenbau geschaffen.

Aktuell befassen wir uns mit dem Umgang mit dem Gartentheater. Anfang 2009 sollen die restaurierten, vergoldeten Bleifiguren wieder aufgestellt werden. In diesem Zusammen-hang wird diskutiert, ob und, wenn ja, in welchem Umfang die Veränderungen der 1930er und 1950er Jahre rückgängig gemacht werden sollten.

Bei allen Kontroversen in der heutigen Diskussion um den richtigen Weg der Bewahrung von alten Anlagen zeigen die Ergebnisse der vergangenen 100 Jahre doch auch auf, dass es keinen einzig richtigen Königsweg gibt und alle Phasen der Gartendenkmalpflege Aus-druck der gesellschaftlichen Zusammenhänge waren. Wahrscheinlich werden auch künf-tige Generationen über unsere Arbeiten den Kopf schütteln. Aber auf jeden Fall können wir sagen, dass wir es uns jetzt mit den Entscheidungen nicht leicht machen.

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Modell des Großen Gartens

Parterre

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Christhard Ehrig

Rekonstruktion des Barockgartens von Paderborn – Schloss Neuhaus

Im Zuge des Wettbewerbs für die Landesgartenschau Paderborn Schloss Neuhaus sollte der verbliebene, verwilderte Schlosspark mit seinen eingefügten Gebäuden gartendenkmalpfle-gerisch überplant werden. Zur Zeit des Wettbewerbs (1986) war als Quelle zur Überarbei-tung des Schlossparks nur der Kupferstich von F.C. Nagel aus der „Liborius-Festschrift“ von 1736 übermittelt worden. Man konnte jedoch nicht davon ausgehen, dass dieser Kupfer-stich in seiner aufwändigen Form tatsächlich gebaut worden war. Mein Wettbewerbsbei-trag sah vor, die Grundstrukturen – wie Gräfte, Wegeachsen, Rasenbänder und Baumalleen – wieder sichtbar zu machen, damit das freigestellte Schloss eine angemessene Resonanz-fläche erhielt.

Im Jahre 1989 wurde ich mit der Gesamtplanung beauftragt. Kurz zuvor hatte der Heimat-verein von Schloss Neuhaus einen farbigen Lageplan des Schlossgartens im Bischöflichen Archiv entdeckt, der sich als authentischer Aufmassplan von 1753 des Geometers Phielip Sauer erwies. Auf dieser Grundlage entstand die Forderung des Bauherrn, den Barockgar-ten nach Sauers Bestandsaufnahme zu rekonstruieren.

Damit war die Aufgabe gestellt, alle Möglichkeiten und Quellen auszuschöpfen, um von den Grobstrukturen bis zum Detail eine authentische Teilrekonstruktion zu erreichen. Bauherr des Barockgartens war Fürstbischof Klemens August von Bayern (1700-1761). Die Planung und der Bau des Gartens wurden ca. 1725 gleichzeitig mit dem Bau des Marstalls begonnen. Um die gewünschte Dimension des Gartens bauen zu können, ließ der Fürstbi-schof die Flüsse Alme und Lippe umlegen. Für die Anlage des Gartens wurde der berühmte Gartenkünstler Hofkamerad Hatzel aus Wien hinzugezogen. Mit Beginn des 19. Jh. und der Säkularisierung verfiel der Garten in wenigen Jahren. Fast zwei Jahrhunderte nutzte das wechselnde Militär die Schlossinsel mit Ihrem Park. Die Strukturen des Barockgartens waren in kurzer Zeit zerstört.

Die Vorarbeit zur Rekonstruktion begann mit der Auswertung des gebauten Originalauf-masses von Phielip Sauer 1753 und der detektivischen Suche nach dem richtigen Fuß-maß unter den ca. 70 gebräuchlichen mitteleuropäischen Einheiten. Die Übersetzung des zeitgenössischen Fußmaßes in unser heutiges metrisches Maß gelang nach Sichtung aller Quellen der verschiedenen Zeitabschnitte bis hin zum Urkataster. Das Fußmaß konnte mit 0,296 m (Wiener Fußmaß) ermittelt werden. Die Längen der Haupt- und Nebenachsen sowie unterstützende gartendenkmalpflegerische Grabungen zur Auffindung der Gräftenumrisse bewiesen vor Ort diese Maßeinheit. Eine weitere Bestätigung für die Rich-tigkeit des Maßes war die Tatsache, dass der Gartenkünstler Hatzel aus Wien kam.

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Methodische Überlegungen in konkreten Fallbeispielen

Bauliche Anlagen wie das Bürgerhaus und die Schulen ließen eine vollständige Rekonstruk-tion des Schlossgartens nicht zu. Mit der Teilrekonstruktion konnten nur bestimmte Grund-strukturen des Barockgartens authentisch wieder hergestellt werden:

- die das Wasserschloss umfließende Gräfte,- die seitlichen Rasengürtel und begleitenden Wegeachsen und Lindenalleen- sowie das Parterre à l’angloise

Das Herzstück des Barockgartens ist das Parterre à l’angloise, ein Parterre mit englischen Einflüssen, das neben Buxus gefassten Blütenrabatten, vegetablen Broderieausschmü-ckungen, Kiesflächen und Fontänenbrunnen auch Rasenflächen in das Parterre integriert. Die Parterredetails, die Broderieornamente und die Muschelmotive waren nur nachrichtlich dargestellt. Über zeitgenössische Musterbücher konnten die Motive nachvollzogen und konstruiert werden. Mit einem harten Schnitt musste die authentische Rekonstruktion vor dem Bürgerhaus abgebrochen werden. Die Ausläufer der Parterre-Rabatten erhielten eine Nachbildung mit Basaltpflaster.

Die Recherchen zur authentischen Bepflanzung der als „Eselsrücken“ ausgebildeten Rabat-ten und Voluten stellten sich als problematisch heraus. Hier konnte auf die Pflanzenzusam-menstellung der Forschungsergebnisse von Schwetzingen (H.W.Wertz 1982) zurückgegrif-fen werden. Die verkürzte Mittelachse des Gartens sollte eigentlich vor einer senkrechten Spiegelwand einer neuen Café-Orangerie enden, um der Hauptachse wieder Ziel und doppelte Tiefe zu verleihen. Der Oktogon-Grundriss des entstandenen Brunnentheaters transportiert mit seinem Umfang die Dimension der nicht wiederhergestellten Mittelfontä-ne. Zwölf Hermen mit der Darstellung der Monate von Theodor Axa (1700-1764) konnten als offizielle Dauerleihgabe des Landes NRW durch den damaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau aus Augustusburg wieder zurückkehren.

Mit der Teilrekonstruktion, die von der Fachwelt zunächst kritisch betrachtet wurde, war es möglich, dem Wasserschloss wieder ein authentisches Umfeld zu geben und Besuchern den originalen Eindruck eines Barockgartens zu vermitteln. Für die Touristen der Stadt Pader-born ist der Barockgarten ein zusätzliches kulturelles Erlebnis und ein Anstoß, auch histo-rische Gärten als Kulturerbe zu begreifen und damit das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Gartendenkmalpflege zu entwickeln.

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Broderie

Schloss

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Kurzviten der Teilnehmenden

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Nachfolgend sind die Kurzviten der Teilnehmer und Teilnehmerinnen in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt.

Baumgartner, Thomas

Thomas Baumgartner, 1986 bis 2000 freier Mitarbeiter der Restaurierwerkstätten Bau-denkmalpflege des österr. Bundesdenkmalamtes in bau- und gartendenkmalpflegerischen Bereichen, insbesondere Rekonstruktion und Betreuung des Kaisergartens der Kartau-se Mauerbach, Beschäftigung mit Gartenstrukturen der Renaissance und des Barock in Österreich. Aufgrund parallelem Botanik-Studiums Spezialisierung im Bereich historische Gewächshäuser und Orangerien und der Entwicklung exotischer Pflanzensammlungen. Untersuchungen, Publikationen und Begutachtungen zu historischen Gewächshäusern und deren Entwicklung in Österreich. Mitglied des Arbeitskreises Orangerien in Deutschland e. V.. Seit 2003 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Marchfeldschlösser Revitalisierungs- und Betriebsges.m.b.H.. Tätigkeitsbereich bau- und garten-historische Recherche und -denk-malpflegerische Betreuung, darunter: wissenschaftliche Betreuung der Wiederherstel-lung der Kalkputzfassaden des Schlosses, der Rekonstruktion des Broderieparterres der 3. Terrasse, Wissenschaftliche Leitung, Bauforschung & Rekonstruktionsplanung der Rekon-struktion und Restaurierung des östl. Glashauses und Orangeriegartens.

Beck, Jens

geb. 1965, nach dem Abschluss des Studiums der Landespflege in Hannover als freibe-ruflicher Landschafts- und Freiraumplaner tätig, beschäftig sich hauptsächlich mit hi-storischen Gärten und Gartendenkmalpflege. Neben Gutachten und Pflegekonzepten für historische Gärten bearbeitet er auch Forschungsprojekte, zuletzt „Gutsgärten im Elbe-Weser-Dreieck“ im Auftrag des Landkreises Stade. Seit 2000 Vorstandsmitglied der „Nie-dersächsischen Gesellschaft zur Erhaltung historischer Gärten“. Nebenbei Arbeit an einer Dissertation über historische Gutsanlagen, die im Juli 2007 fertig gestellt wurde. Verschie-dene Veröffentlichungen zum Thema Gartenkunst.

Becker, Horst

M.A. (Magister artium), geb. 12.08.1960 in Frankfurt am Main, Hochschulstudium Ge-schichte, Kunstgeschichte, Botanik an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frank-furt am Main, Abschluss Magister 1988. Freischaffender Gartenhistoriker, u.a. für das Historische Erbe Hessen im Auftrag der VSG, Mitarbeit am Parkpflegewerk Staatspark Karlsaue Kassel (2003) sowie am Parkpflegewerk Wilhelmshöhe Kassel (2007). Mitglied im

Kurzviten der Teilnehmenden

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Arbeitskreis Historische Gärten (DGGL), Mitglied im Freundeskreis Alter Botanischer Gar-ten Marburg e.V., Mitglied im Förderkreis Schlosspark Ramholz Schlüchtern. Persönliche Zielsetzungen: Aufnahme der Wilhelmshöhe in das Weltkulturerbe der Unesco, Erhaltung des Alten Botanischen Gartens Marburg, Denkmalgerechte Parkpflege und Regeneration des Gehölzbestandes im Schlosspark Ramholz.

Blanke, Harald

Dr.-Ing., Leiter der Schloß- und Gartenverwaltung Hundisburg.Mitglied der DGGL, Landesgruppe Sachsen-Anhalt und im AK historische Gärten.Vorstandsmitglied im Gartenträume - historische Gärten in Sachsen-Anhalt e.V.Jg.1966, 1986 bis 1991 Studium der Landespflege in Hannover,Promotion im Jahr 2000 an der TU Dresden mit einer gartenhistorischen Arbeit über den Großen Garten zu Dresden im Zeitalter August des Starken.Seit 1992 verantwortlich für die Rekonstruktion des Hundisburger Schloßgartens und die Instandsetzung des anschließenden Landschaftsparks, seit 1998 auch für das Schloß und die kulturellen Veranstaltungen, seit 2007 auch organisatorischer Leiter der jährlich statt-findenden Hundisburger Sommermusikakademie.Zahlreiche Veröffentlichungen zu Hundisburg, zuletzt: Grundriß über Ihro Hochwohlgebo-renen Freyherrlichen Excellence von Alvensleben Garten - Der Hundisburger Schloßgarten und seine Gärtner im 18. Jahrhundert, Hundisburg 2007.

Brechmacher-Ihnen, Maren

Studium an der Universität Hannover.Wissenschaftliche und praktische Tätigkeit in verschiedenen Instituten und Büros in unter-schiedlichen Städten.Seit Familiengründung freiberuflich tätig in nahezu allen Aufgabenbereichen des bebauten Raumes; zuletzt z.B. im Schlosspark Kassel-Wilhelmshöhe. Arbeitsschwerpunkte Gartenar-chitektur und Gartendenkmalpflege. Seit WS 1978 Lehrtätigkeit im Fachbereich 13 / 06 (Architektur, Stadt- und Landschafts-planung) der Universität Kassel, Lehrgebiet Geschichte der Gartenkunst, Freiraumplanung, Objektplanung mit Schwerpunkt historische Gärten.Mitglied der Architektenkammer Hessen. Mitglied des Arbeitskreis Orangerien in Deutschland e.V.Seit April 1989 Mitglied im Naturschutzbeirat bei der UNB der Stadt Kassel.Seit 2003 stellvertretende Vorsitzende des Vereins ’Bürger für das Welterbe Park Wilhelms-höhe, Karlsaue und Wilhelmsthal’.

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Butenschön, Sylvia

Dr.-Ing., Landschaftsarchitektin, Studium Universität Hannover 1987/93, Dissertation zur Stadtgrüngeschichte TU Dresden bei Frau Prof. Schmidt 2006, derzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin am FG Denkmalpflege, Institut für Stadt- und Regionalplanung, TU Berlin bei Frau Prof. Dolff-Bonekämper, in der Lehre für Gartendenkmalpflege und Geschichte der Gartenkultur.

Clark, Ronald

Jahrgang 1956, studierte von 1975 bis 1986 an der Universität Hannover Gartenbau und Landespflege und schloss beide Studiengänge mit Diplom ab. Schwerpunkt im Landes-pflegestudium war die Gartendenkmalpflege, als einer der letzten Diplomanden von Prof. Hennebo arbeitete er über die Geschichte des Georgengartens. Von 1987 bis 1991 war er Betriebsleiter der Herrenhäuser Gärten, von 1992 bis Anfang 2002 Leiter der Grünflächenabteilung des Grünflächenamtes Hannover, wo er für die Pflege und Entwicklung aller Parks und Grünflächen (außer Herrenhausen), Spielplätze und Landschaftsräume zuständig war. 2002 übernahm Ronald Clark die Leitung des Grünflä-chenamtes, das nach Übernahme des Umweltamtes in Fachbereich Umwelt und Stadtgrün umbenannt wurde. Er wurde Anfang 2005 Direktor des neu gegründeten, kaufmännisch geführten Betriebes Herrenhäuser Gärten, verantwortlich für die gärtnerische Pflege, Veranstaltungen, Ver-mietungen und Marketing. Ronald Clark war viele Jahre im Vorstand des Landesverbandes Niedersachsen der DGGL und verfasste den mittlerweile in der fünften Auflage erschienen Gartenreiseführer für private und öffentliche Gärten in Deutschland.

Drexel, Anita

Nach 5 Jahren Freiberuflichkeit lehrt und forscht die Landschaftsplanerin Dipl. Ing. Dr. Anita Drexel seit 1995 am Institut für Ingenieurbiologie und Landschaftsbau der Univer-sität für Bodenkultur. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Bauelemente der Gartenkunst und Geschichte der Gartentechnik; historisches und aktuelles Naturstein- und Holzhandwerk - Archive des Wissens und Vorbilder nachhaltigen Bauens und Pflegens, Erhaltungskonzepte und Restaurierungen („Wiederherstellung der Kiesel-Mosaik-Pflasterung Maria-Theresia-Allee in Graz“; Gutachten, Wien 2006; publizierte Forschungsberichte „Gehölze und Wege in formalen historischen Gartenanlagen Österreichs, Peter-Lang-Verlag, Frankfurt 2004); Dissertation zum historischen und zeitgenössischen Pflasterhandwerk („Die Fußböden der Stadt“, Kunst- und Kultur-Verlag, Wien 2000). Weiters befasst Sie sich mit der Bedeutung des Bauhandwerks für Kulturlandschaften und der Bau- und Freiraumqualität in der Land-schaftsarchitektur.

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Ehrig, Christhard

1959 – 61 Landschaftsgärtnerlehre mit Staudenanzucht in Berlin1962 Auslandspraktikum Stockholm1962 – 65 Studium an der FH Berlin-Dahlem und Praktika in Stockholm1965 – 70 Angestellter Landschaftsarchitekt, Planungsbüro in Kassel1971 Freier Landschaftsarchitekt in Bielefeld-Sennestadt1971 Peter-Josef-Lenné-Preis, Akademie der Künste, Berlin1978 – 79 Gastlehrauftrag FH Osnabrück1990 – 91 Gastlehrauftrag FH Lippe und Höxter1992 – 96 Stellvertr. Vorsitzender der BDLA-Landesgruppe NW1997 – 05 Kuratoriumsmitglied der Stiftung Deutscher Architekten • Mitglied im Bezirkswettbewerbsausschuss AKNW • Mitglied im Beirat für Stadtgestaltung Bielefeld und Detmold • Regionalvorsitzender für Westfalen im „Arbeitskreis Historische Gärten“ der DGGL • Fachsprecher für Gartendenkmalpflege im Vorstand BDLA NW2007 Gastlehrauftrag an der FH Neubrandenburg.

Fischer-Colbrie, Peter

- Dipl.Ing. Dr., geb. 6.4.1941, Wien- Direktor der Bundesgärten i.R., - Studium an der Universität f. Bodenkultur, Studienrichtung Forstwirtschaft, 1973 Promotion zum Dr.rer.nat. - 1969 bis 1973 Angestellter der IAEA (International Atomic Energy Agency), Entwicklungshilfe, 1973 Bundesanstalt für Pflanzenschutz, 1984 bis 1988 Abteilungsleiter Zoologie II, 1989 bis 2003 Direktor der Österreichischen Bundesgärten, seit 1999 Präsident der Österreichischen Gartenbau-Gesellschaft (ÖGG)- Zirka 350 Fachpublikationen, 200 Fachvorträge sowie Mitautor von 6 Fachbüchern.

Ganzert, Joachim

(Jahrgang 1948); 1970-75 Architekturstudium, TU-München; 1976 Dipl.-Ing. (daneben Studien in Kunstgeschichte, Archäologie, Philosophie an der LMU-München); 1976/77 Reisestipendium des Deutschen Archäologischen Instituts (=DAI), Berlin (Studienreisen in Algerien, Tunesien, Libyen, Ägypten, Libanon, Syrien, Jordanien, Israel, Irak, Türkei, Grie-

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chenland, Italien, Frankreich); 1977-80 Forschungsstipendium des DAI-Berlin („Das Keno-taph für Gaius Caesar in Limyra/Türkei“); 1981 Dr.-Ing., Universität Karlsruhe; 1982-92 Leitung/Durchführung DFG-Forschungsprojekt: „Der Mars-Ultor-Tempel auf dem Augu-stusforum in Rom“ in Kooperation mit DAI-Rom und Comune di Roma;1990/91 Gastprofessur, Universität Wien, Institut für Klassische Archäologie; 1992-2002 Professur (C2/C3) für Baugeschichte und Bauaufnahme (Fachbereich Architektur der Fachhochschule Biberach/Riß); 1994 Habilitation, Universität Karlsruhe: „Der Mars-Ul-tor-Tempel auf dem Augustusforum in Rom“; seit 1995 Korrespondierendes Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts, Berlin; 1997/98 Membership Institute for Advanced Study, School of Historical Studies, Princeton, NJ, USA; 2002 Universitätsprofessur (C4) „Bau-/Stadtbaugeschichte“: Institut für Geschichte und Theorie der Architektur, Fakultät für Architektur und Landschaft, Leibniz Universität Hannover; 2004 Mitglied Comitato Scientifico „Rileggere L‘Antico“: Ministero per i Beni e le Attività Culturali, Roma / Soprin-tendenza per i Beni Archeologici del Lazio / Università degli Studi di Roma Tor Vergata; Forschungsschwerpunkte: Antike Architektur und ihr kulturgeschichtlicher Kontext; Ori-ent-Okzident-Interdependenzen; Architekturtheorie; ‚europäische‘ Architektur- und Kul-turgeschichte; ‚Neues Bauen‘ und sein kulturgeschichtliches Umfeld.

Gao, Lei

is a PhD candidate at the University of Sheffield, England. Being a student of Dr. Jan Woudstra, she is currently writing up her thesis entitled Attitudes and Approaches toward Historic Gardens in China 1900-2007, which aims to explore the Chinese values to their garden heritage in the 20th century and today, and how they have been changing under the influence of various political and social demands. The garden of Yuanmingyuan is one of three case studies in this thesis; the other two are Suzhou gardens and Huizhou gar-dens. Lei received M Arch and B Arch in China and has been studying Landscape Architecture in the UK since 2003. Besides garden history and heritage studies, she is also of interest to formality in Chinese garden design, which has been partly revealed in her Masters thesis entitled A Comparison between Huizhou Gardens and Yangzhou Gardens (Hefei University of Technology, 2003).

Gröschel, Claudia

Dr., Studium der Kunstgeschichte und Germanistik in Heidelberg, Gießen, Paris und Bern. Magisterarbeit über die Halles centrales von Victor Baltard in Paris mit denkmalpflege-rischem Schwerpunkt. 1996 Dissertation über den Kurhessischen Hofgartendirektor

Kurzviten der Teilnehmenden

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Wilhelm Hentze. 1991-93 wissenschaftliches Volontariat in der Gartendirektion der Staat-lichen Schlösser und Gärten Hessen. Seit 1993 freiberufliche Tätigkeit im Bereich Garten-kunst und Gartendenkmalpflege: Kuratorin von Ausstellungen, Gutachten, Vorträge, Publi-kationen, Redaktionen, gartenpädagogische Tätigkeit, Betreuung eines gartenhistorischen Archivs und einer gartenhistorischen Bibliothek. Mitglied des erweiterten Vorstandes des Arbeitskreises Orangerien.

Hajós, Géza

Univ. Prof. Dr., geb. 1942 in Budapest, seit 1965 in Wien im Bundesdenkmalamt zuerst in der wiss. Inventarisation, dann ab 1986 als Leiter der Abt. für historische Gartenanlagen tätig. 1965 Magister für Geschichte und Kunstgeschichte an der Universität von Budapest, 1971 Dr. phil. für Kunstgeschichte an der Universität Wien, 1992 Habilitation für neuere Kunstgeschichte und 2005 Berufstitel „Universitätsprofessor“, beide an der Grazer Uni-versität. Lehr und Forschungsschwerpunkte: Geschichte der Architektur 18. und 19. Jh., Theorie und Geschichte der Baudenkmalpflege, Theorie, Geschichte und Denkmalpflege der Gartenkunst (etwa 200 wiss. Veröffentlichungen). Seit 1989 Mitglied des Heraus-gebergremiums der Zs. Die Gartenkunst, seit 1991 Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Historische Gärten, seit 1992 Mitglied des ICOMOS-IFLA Internationalen Komitees für historische Gärten und Kulturlandschaften. 1. Oktober 2007 Beendigung des Dienstverhältnisses im Bundesdenkmalamt und Ruhestand.

Heine, Hans-Wilhelm

Dr. phil., geb. 1948 in Hannover. Archäologieoberrat im Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege. Studium der Ur- und Frühgeschichte, Klassischen Archäologie, der Alten und Mittleren Geschichte in Freiburg i. Br. und Göttingen. Dissertation 1976 an der Univ. Freiburg i. Br. i1976/77 Inventarisator in der Mittelalterarchäologie an der Außenstelle Karlsruhe des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg. Seit 1.12.1977 bei der staatli-chen Denkmalpflege Niedersachsens in ihren unterschiedlichen Organisationsformen in Hannover tätig. Redaktions-, Schriftleitungs- und Herausgebertätigkeit für diverse Zeit-schriften und Reihen (u. a. „Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte“). Verschiedene Mitgliedschaften in wissenschaftlichen Vereinen und Beiräten. Mitglied der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen. Korrespondierendes Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts. Fachlicher Schwerpunkt: Burgenforschung.Auswahlbibliographie: Studien zu Wehranlagen zwischen junger Donau und Bodensee. Forschungen und Berichte zur Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 5.

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Forschungen und Berichte zur Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 5. Stuttgart 1978; Burgen der salischen Zeit in Niedersachsen. Ein Überblick. In: H. W. Böh-me (Hrsg.), Burgen der Salierzeit. Teil 1: In den nördlichen Landschaften des Reiches, Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Monographien 25. Sigmaringen 1991, S. 9-84; Frühe Burgen und Pfalzen in Niedersachsen. Von den Anfängen bis zum frühen Mittelal-ter, Wegweiser zur Vor- und Frühgeschichte in Niedersachsen, Heft 17, 2. überarb. Aufl., Hildesheim 1995; Niederungsburgen des 14. Jh. in Niedersachsen – Ergebnisse der Archä-ologie . Die Kunde N. F. 57, 2006 (2007), 209 224; „Burgenlandschaft Aller-Leine-Tal“. Ein interdisziplinäres Projekt zur Inwertsetzung einer Kulturlandschaft. In: Kulturlandschaft administrativ – digital – touristisch. Hrsg. v. A. Bauerochse, H. Haßmann u. U. Ickerodt. Initiativen zum Umweltschutz 67. Berlin 2007, 521 530; Archäologie und Ehrenamt in der Archäologie Niedersachsens. Versuch eines Überblicks. Archäologisches Nachrichtenblatt 12(1), 2007, 3 13.Anschrift: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Scharnhorststr. 1, D-30175 Hannover, E-mail: [email protected].

Hlavac, Christian

Geboren 1972 in Wien, Studium der Landschaftsplanung und Landschaftspflege an der Universität für Bodenkultur Wien. Nach freiberuflicher Tätigkeit von 1999 bis 2006 Mitar-beiter von „respect – Institut für Integrativen Tourismus und Entwicklung“. Gründung von „GaLaTour – Zentrum für Garten, Landschaft und Tourismus“ im August 2007. Geschäfts-führer von GaLaTour.Lehrbeauftragter an der FH Management Center Innsbruck für „Nachhaltige Entwicklung im Tourismus“ und an der Universität für Bodenkultur Wien für „Tourismus und Erholungs-planung“. Zahlreiche Veröffentlichungen zu den Themen „Tourismus“, „Historische Gärten“ und „Gartentourismus“. Projektkoordinator „Gärten & Glauben“ im Rahmen des österrei-chischen Forschungs- und Praxisprojektes „pilgrim – nachhaltigkeit & religion(en)“ (2002-2004).Kontakt: [email protected]

Hoeren, Andreas von

Geb. 1968. Gärtnerlehre im Bereich Garten- und Landschaftsbau. Studium der Landespfle-ge an der Universität Hannover mit den Schwerpunkten Gartendenkmalpflege und Objekt-planung. Während der Studienzeit Tätigkeit als studentische Hilfskraft an der Universität Hannover. U.a. Mitwirkung an einem Forschungsvorhaben zum Thema Stadtbäume. Wei-terhin langjährige freie Mitarbeit in einem Landschaftsplanungsbüro in Hannover.

Kurzviten der Teilnehmenden

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Seit 2000 freischaffende Tätigkeit im eigenen Büro. Der Aufgabenschwerpunkt liegt in der Bearbeitung gartendenkmalpflegerischer Gutachten und Begleitung von Bauleistungen. Beispiele sind der Schlosspark Niederschönhausen in Berlin (ehem. Amtssitz von Wilhelm Pieck und anschließend Gästehaus der DDR), Schlosspark Rastede bei Oldenburg und div. Klostergärten in Niedersachsen.Erstellung und Mitwirkung an Publikationen zu historischen Gartenanlagen und grünpla-nerischen Themen. Hierzu zählen u.a. die Bücher „Historische Gärten in Niedersachsen“ anlässlich der EXPO 2000 in Hannover oder „Alleen in Deutschland – Bedeutung, Pflege und Entwicklung“. Von 2002 bis 2003 Mitwirkung am Forschungsvorhaben zur Entwicklung von Pflegekrite-rien zum Erhalt national wertvoller Parkanlagen an der Universität Hannover. Seit 2005 Regionalbeauftragter des Arbeitskreises Historische Gärten der DGGL.

Keller, Michael

Berufsausbildung im Garten- und Landschaftsbau, anschließend Studium an der Tech-nischen Universität Dresden / Fachrichtung Landschaftsarchitektur (Abschluss 1999).Mitarbeiten in verschiedenen Planungsbüros (in Sachsen, Thüringen, Mecklenburg-Vor-pommern und Sachsen-Anhalt).Seit 2004 freischaffend als Diplom-Ingenieur für Landschaftsarchitektur in Magdeburg tätig.Besondere Arbeitsschwerpunkte auf dem Gebiet der Gartendenkmalpflege (u.a. Mitwirkung im touristischen Landesprojekt „Gartenträume – Historische Parks und Gärten in Sachsen-Anhalt“).

Krosigk, Klaus-Henning von

Dr.-Ing., Gartenbaudirektor, geboren 1945, Halle/Saale. Studium der Gartenarchitektur und Gartengeschichte sowie der Bau- und Kunstgeschichte an der Technischen Universität Hannover.Seit 1978 in der Senatsverwaltung Bau- und Wohnungswesen, ab 1981 in der Senatsver-waltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz. Leiter der Bau- und Gartendenkmalpfle-ge innerhalb des Landesdenkmalamtes und seit 1994 stellvertretender Landeskonservator von Berlin.Vorsitzender des Arbeitskreises (AK) Historische Gärten sowie Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur (DGGL). Deutsches Mitglied im Spe-zialkomitee für Historische Gärten des ‚International Committee of Historic Gardens and Sites‘ von ICOMOS-IFLA der Denkmalpflegeorganisation der Unesco, Lehrbeauftragter für

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Gartendenkmalpflege an der Technischen Fachhochschule Weihenstephan sowie weiterer Hoch- und Fachhochschulen. Mitglied des Präsidiums der Deutschen Burgenvereinigung.

Zahlreiche Veröffentlichungen und Aufsätze zur Geschichte der Gartenkunst und Denkmal-pflege.

Kumlehn, Yvonne

Dipl.-Ing., geb. in Bielefeld/ Deutschland, Ausbildung zur Landschaftsgärtnerin, Studium Landschaftsarchitektur in Erfurt und Höxter, Studium Wasser und Umwelt in Hannover. Seit 1996 Planungsgruppe Friedhöfe Hannover, ab 1997 stellvertretender Leiterin der Herrenhäuser Gärten Hannover mit den Schwerpunkten Betriebsleitung und Betreuung von Restaurierungsmaßnahmen in den barocken Gartenanlagen. Seit 2004 als Gartenleiterin der Marchfeldschlösser Revitalisierungs- und BetriebsgmbH zuständig für die Gärten von Schloss Hof und Schloss Niederweiden.

Lieske, Heiko

- geb. am 23.11.1969 in Bad Saarow- Studium der Landschaftsarchitektur an der TU Dresden, Abschluss Dipl. Ing. 1997- seither selbständige Tätigkeit Landschaftsarchitektur, Mitarbeit in verschiedenen Pla-nungsbüros und Anstellungen an der TU Dresden (Professuren für Freiraumplanung; für Geschichte der Landschaftsarchitektur und Gartendenkmalpflege; für Denkmalpflege und Entwerfen)- 2006 Einreichung der Dissertation „Eigenheimgärten. Feldstudie zur Gartenkultur in Neubaugebieten“ an der Fakultät Architektur der TU Dresden, Verteidigung voraussichtlich 11/2007- Jüngste bzw. laufende Arbeiten mit Bezug zur Denkmalpflege:- Wiederaufbau Weesenstein (Hochwasserschutz, Gartendenkmalpflege, Ortsgestaltung)- Hochwasserschutz Grimma (Hochwasserschutz, Denkmalpflege, Städtebau, Landschafts-gestaltung)- Entwicklungskonzeption für den Schlosspark Neuhausen bei Cottbus- Mitautor in Der Garten – ein Ort des Wandels – Perspektiven für die Denkmalpflege, hg. von E. A. de Jong, Erika Schmidt, Brigitt Sigel, v/d/f Hochschulverlag AG. An der ETH, Zürich 2006.

Kurzviten der Teilnehmenden

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Mang, Brigitte

1959 geboren in Wien1977-1986 Architekturstudium der an der Technischen Universität Wien (Spezialisierung auf Städtebau, Landschaftsarchitektur und Gartengestaltung)1986-1995 Assistentin am Institut für Landschaftsplanung und Gartenkunst der Technischen Universität Wien (Lehr- und Forschungstätigkeiten in den Studienrichtungen Architektur und Raumplanung)1986-2004 Freischaffende Landschaftsarchitektin in Wien (Gartendenkmalpflege, Landschaftsarchitektur, Vortrags- und Publikations tätigkeiten, Jurorin)seit März 2004 Direktorin der Österreichischen BundesgärtenLehrbeauftragte für Gartendenkmalpflege an der Universität für Bodenkultur Wien und für Landschaftsarchitektur an der Technischen Universität WienVorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Historische Gärten und des Öster-reichischen Berufsverbandes der LandschaftsarchitektInnen und LandschaftsplanerInnen 2 jugendliche Söhne.

Martz, Jochen

Dipl.-Ing. (Univ.), Studium der Landespflege (Landschaftsarchitektur) an der TU München-Weihenstephan, 1992 Trainee im Arnold Arboretum of Harvard University, Boston, Wiss. Hilfskraft im Sichtungsgarten Weihenstephan, 1997-2003 Projektleiter in einem Land-schaftsarchitekturbüro in Nürnberg, seit 1997 freiberuflich in der Gartendenkmalpflege (Autor zahlreicher Parkpflegewerke und Gutachten), seit 2003 freier Landschaftsarchitekt und Gartenhistoriker, Teilnehmer am Forschungsprojekt “Die Wiener Hofburg” des Instituts für Kunstgeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zu den Gärten an der Wiener Hofburg, Erster Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur, Landesverband Bayern-Nord, Mitglied des erweiterten Vorstandes und Regionalbeauftragter des Arbeitskreises Historische Gärten der DGGL, Fachbeirat der Freunde des Parkes Hohenstein, Jury-Mitglied Deutscher Gartenbuchpreis 2007.

Meyer, Margita Marion

Dr.-Ing., Jg. 1960; aufgewachsen und die Schulzeit verbracht in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. 1979 Abitur an dem Neusprachlichen Mädchengymnasium „Gertrud-

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Bäumer-Schule” in Remscheid im Bergischen Land.1979-1981 Studium der Landwirtschaft an der TU München-Weihenstephan1982-1988 Studium der Landschaftsplanung, ab 1984 auch der Philosophie an der TU Ber-lin, zusätzlich Seminare der Kunstgeschichte bei Prof. Dr. Sperlich und Prof. Dr. Seiler.1989-1991 zweijähriges NAFÖG-Promotionsstipendium mit zweimaligen Forschungsauf-enthalten in Paris.1991-1993 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kunsthistorischen Institut Kiel bei Prof. Dr. Adrian von Buttlar im Rahmen eines Forschungsprojektes in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege (Dr. Johannes Habich) „Historische Gärten in Schleswig-Hol-stein”Seit dem 21.7.1993 Dezernentin für Gartendenkmalpflege beim Landesamt für Denkmal-pflege in Kiel.1994 Promotion (Thema der Dissertation „Natur als Symbol – Freiraum als Schein. Wahr-nehmungspsychologische und erkenntnistheoretische Grundlagen für die Entwicklung einer ästhetischen Theorie in der Freiraumplanung“).1995 Geburt des Sohnes Leopold.Mitgliedschaften in der Gewerkschaft Verdi, dem AK „Historische Gärten” der DGGL, im AK „Gartendenkmalpflege” der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in Deutschland, des „Arbeitskreises Orangerien” mit Sitz in Potsdam und der Pückler-Gesellschaft mit Sitz in Berlin. Seit 2004 Mitglied in der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL) und seit 2005 Sprecherin des Arbeitskreises „Gartendenkmalpflege“ der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in Deutschland (VDL).

Pahl, Andreas

Jahrgang 1967; Gärtnerlehre und anschließende Tätigkeit im Garten- und Landschaftsbau unter anderem im Großen Tiergarten und auf der Pfaueninsel, Berlin. 1992-1996 Studium der Landespflege an der TFH Berlin.Freie Mitarbeit beim Landesdenkmalamt Berlin, Abt. Gartendenkmalpflege. 1997-2000 Fachbereichsleiter bei der Stiftung Preußische Schlösser Gärten. Seit 2000 Parkleiter der Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz.

Rhotert, Stefan

Jahrgang 1940; Studium der Landespflege an der TU München-Weihenstephan, 5 Jah-re Mitarbeit im Planungsbüro Prof. Kagerer, 5 Jahre eigenes Planungsbüro mit Barbara Wiedemann in München, ab 1975 im öffentl. Dienst bei der Stadtgartendirektion München und ab 1979 bei der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, dort stellvertretender Leiter der Gärtenabteilung und von 1989 bis zur Ruhestandsverset-

Kurzviten der Teilnehmenden

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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zung 2005 Leiter der Gärtenabteilung. Rückbesinnung auf gartendenkmalpflegerische Grundsätze bei der Pflege der staatlichen Gärten in Bayern.

Schalaster, Frank

Geboren 1976 in Köln; Ausbildung zum Landschaftsgärtner in Bergisch-Gladbach bei Köln (1996 -1999); Studium der Landschafts- und Freiraumplanung an der Universität Hannover (1999 - 2004); freiberufliche Tätigkeit im Bereich Objektplanung (seit 2004); Erfassung von Büronachlässen von Landschaftsarchitekten an der TIB/UB Hannover im Auftrag des Instituts für Landschaftsarchitektur (ILA) und des Zentrums für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur (CGL) der Leibniz Universität Hannover (2005); Tätigkeit in der Geschäftsstelle des CGL, Geschäftsleitung und Projektkoordination (Febr. – Dez. 2006); wiss. Mitarbeiter am ILA der Leibniz Universität Hannover zur Bearbeitung des Forschungs-projekts ‚Gartendenkmalpflege als Aufgabenfeld freischaffender Landschaftsarchitek-tInnen in der Bundesrepublik Deutschland – Ein Beitrag zur Professionsgeschichte der Landschaftsarchitektur’, Betreuung des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Vorhabens durch Prof. Dr. Joachim Wolschke-Bulmahn (seit Jan. 2007).

Schelter, Alfred

Dr., geb. 1943 in Bayreuth.Schule und Zimmererlehre, Zimmerergeselle daselbst.1964-68 Vorkurs und Studium für Hochbau am staatlichen Polytechnikum Coburg, (heute FH)Tätigkeit in verschiedenen Architekturbüros bis 1970.Studium für Architektur und Stadtbau an der TU Berlin, Diplom 1973.Freier Mitarbeiter in einem Bayreuther Architekturbüro, dann Promotionsstipendium an der TU Berlin FB Baugeschichte bei Prof. Dr. Dr. Hans Reuther, über: Innenarchitektur frän-kischer Sakralbauten des Protestantismus im 18. Jahrhundert. Promoviert 1978.Wiss. Assistent, später Hochschulassistent für Bau- und Kunstgeschichte an der TU Hanno-ver, bei Prof. Dr. Cord Meckseper, 1977 bis 1981.Dann Referent für Allgemeine Denkmalpflege beim Bayer. Landesamt für Denkmalpflege bis 2003, darunter ab 1987 auch zuständig für die Gartendenkmalpflege in Bayern, von 1987 – 2000 Leiter der Außenstelle Bamberg, Schloss Seehof.

In diesem Zeitraum war ich zuständig für die Restaurierung und Instandsetzung hochran-giger Baudenkmale, Stadtensemble und Gartenanlagen wie z.B. für die Schlossanlagen von Seehof, Mitwitz, Pommersfelden, Callenberg, Tambach, der Festungsanlage Rosen-

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berg, Altenburg in Bamberg, der Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen, Klosterkirche Ebrach u.v.a.m, den Stadtensembles Coburg und Bamberg, den Gartenanlagen von Seehof, Coburg und Callenberg, sowie beratend für alle nichtstaatlichen bayerischen Gärten.Seit 2003 bin ich Museums- und Gartenreferent bei der Bayerischen Verwaltung der staat-lichen Schlösser, Gärten und Seen, zuständig für die Gärten Seehof und Rosenau.Mitglied im AK Hist. Gärten in der DGGL seit 1987, zwei Wahlperioden auch in der Vor-standschaft, Mitglied im AK Orangerien in Deutschland e.V. z. Zt. Stellvertretender Vorsit-zender; Vorsitzender des Fachbeirats des Vereins der Freunde des Schlossparks Hohenstein e.V. und schließlich 1. Vorsitzender des Bürgerparkvereins Bamberger Hain e.V.Verschiedene Veröffentlichungen im Bereich der Bau-, Kunst- und Gartendenkmalpflege.

Schomann, Rainer

wurde 1958 in Oldenburg/Niedersachsen geboren. Nach dem Besuch eines naturwissen-schaftlich orientierten Gymnasiums ließ er sich im Ammerland zum Gärtner ausbilden. Er absolvierte im Anschluss an der Universität Hannover das Studium der Landespflege. Ab 1987 inventarisierte er historische Gärten im Auftrag des Senators für Stadtentwicklung und Umweltschutz in Berlin. Seit 1991 ist Schomann beim Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege tätig, wo er für das Fachgebiet Gartendenkmalpflege zuständig ist. Von 1997-2000 nahm er einen Lehrauftrag zum Thema Gartendenkmalpflege an der Univer-sität/Gesamthochschule Paderborn wahr. Innerhalb der Mitgliedschaft der Arbeitsgruppe Gartendenkmalpflege der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland war ihm für die Jahre 2000 - 2004 die Funktion des Sprechers übertragen worden. Seit 2005 ist er Lehrbeauftragter für das Fach Gartendenkmalpflege am Institut für Landschaftsarchitektur der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover. Rainer Schomann hat im Rahmen seiner Tätigkeit als Gartendenkmalpfleger zahlreiche Aufsätze und Beiträge für Publikationen verfasst.

Steudtner, Katharina

Universitätsausbildung: 1992-99 Architekturstudium (TU Berlin), 1997/98 Erasmus-Jahr Landschaftsarchitektur (Évora, Portugal), 2001-2005 Master “Bauen & Erhalten” (BTU Cottbus); seit 2006 Dissertation “Schloss Charlottenburg in Berlin - Phasen des Wiederauf-baus”, seit 2007 im Graduiertenkolleg der BTU Cottbus.Berufserfahrung: 2000/01 Bauforschung Altes Museum Berlin (TU Berlin); 2003 Praktikum in der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG); 2003 Foto-grafische Dokumentation in den Communs, Park Sanssouci (SPSG); 2005 Aufnahme von Fassadenelementen am Admiralspalast, Berlin; 2005-07 Dokumentation von Spuren und Resten der Berliner Mauer (BTU); 2005/06 Kampagnen zur Bauaufnahme der römischen

Kurzviten der Teilnehmenden

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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Stadtmauern von Antiochia/ Antakya, Türkei (BTU, MLU Halle/Wittenberg); seit 2006 Bear-beitung von Bild- und Textquellen Antiochia-Reisender (MLU).

Thielking, Sigrid

geb. 1956, Dr. phil. habil., Univ.-Professorin für „Didaktik der deutschen Literatur“ an der Leibniz Universität Hannover. Forschungs- und Lehrschwerpunkte: Didaktik der Litera-turgeschichte, Geschichte der Literaturdidaktik, Populäre Kinderkultur, Medien-, Lese-, Text- und Kulturdidaktik, Narratives Lernen, Lehrbuchanalyse sowie Vorträge, Aufsätze und Buchveröffentlichungen zur Literatur des 18.-20. Jahrhunderts.Leibniz Universität Hannover (LUH)Deutsches Seminar, Abtlg. LiteraturwissenschaftKönigsworther Platz 130167 [email protected]://sigrid.thielking.phil.uni-hannover.de/

Troll, Hartmut

Dr., geb. 1964 in Bregenz (Österreich), Studium der Landschaftsplanung und -pflege in Wien an der Universität für Bodenkultur (1983-1990), Mitbegründer einer ‘Zeitschrift für Landschaftsplanung und Freiraum’ (zoll+) in Österreich (1991), arbeitete als freiberuflicher Planer in Bremen (1992-1994) und Berlin (2002-2005), lehrte als wissenschaftlicher Mit-arbeiter an der Hochschule in Neubrandenburg (1995-2001), promovierte an der Universi-tät Kassel (2003-2004) und ist seit 2006 als Referent für historische Gärten bei der staat-lichen Schlösserverwaltung in Baden-Württemberg tätig.

Wimmer, Clemens Alexander

Wimmer studierte 1977-82 an der Technischen Universität Berlin, wurde 1984 bei Dieter Hennebo an der Universität Hannover promoviert und habilitierte sich 2001 an der TU Berlin im Fach Gartendenkmalpflege .Seit 1984 ist er freischaffend tätig, besonders in der Gartendenkmalpflege. Er tritt hier für die eigentlich selbstverständliche Gründlichkeit der Forschung und möglichste Be-standserhaltung ein, lehnt aber im übrigen dogmatisches Vorgehensweisen ab und plädiert für individuelle, auf den jeweiligen Fall zugeschnittene Lösungen.

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Kurzviten der Teilnehmenden

Wörner, Rose-Marie

geb. Metze, freie Garten- und Landschaftsarchitektin BDLA.Geboren 1927 in Magdeburg; Lehre bei der Stadt Magdeburg zur Gärtnergehilfin (1946 - 1947); Aufbauhilfe an der Hochschule für Gartenbau und Landeskultur in Sarstedt bei Hannover (1947 - 1948); Studium an der Hochschule für Gartenbau und Landeskultur in Hannover, Fachrichtung Gartenarchitektur und Landespflege (1948 - 1953); wiss. Hilfskraft am Institut für Landespflege, Landschafts- und Gartengestaltung der TH Hannover (1953 – 1954); Tätigkeit als Gartenarchitektin im Büro Rudolf Goebel in Dortmund (1954 – 1958); Assistentin am Institut für Grünplanung der TH Hannover bei Prof. Heinrich Wiepking-Jür-gensmann (1958 – 1962); Übernahme eines Planungsbüros in Wuppertal (1962), Leitung des Büros für Garten- und Landschaftsplanung, seit 1963 gemeinsam mit Gustav Wörner, als freie Garten- und Landschaftsarchitekten (bis 1996); seit den 1970er Jahren intensive Auseinandersetzung mit historischen Gartenanlagen: über 40 gartendenkmalpflegerische Gutachten und Parkpflegewerke sowie zahlreiche Fachartikel und Vorträge zum Thema Gartenkunst und Gartendenkmalpflege. Auszeichnungen: Ferdinand von Quast-Medaille der Stadt Berlin für Rose und Gustav Wörner (1996), Rheinlandtaler des Landschaftsverbandes Rheinland (1999), Ehrenmitglied-schaft der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur (2006)

Wolschke-Bulmahn, Joachim

Prof. Dr. geb. 1952, Studium der Landespflege an der Universität Hannover; Tätigkeit im Planungsbüro Bernhard David in Ahrensburg (1981-82); wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Freiraumentwicklung und Planungsbezogene Soziologie, Universität Hannover (1983-89), und an der Hochschule der Künste Berlin (1990-91), Bearbeitung von For-schungsprojekten zur jüngeren Geschichte der Freiraumplanung. Promotion an der Hoch-schule der Künste Berlin (1989). Stipendiat am Forschungsinstitut Dumbarton Oaks der Harvard Universität (Nov. 1989 – Juni 1990); Direktor der Abteilung Studies in Landscape Architecture, Dumbarton Oaks (1991-96). Seit Oktober 1996 Professor an der Fakultät für Architektur und Landschaft, Leibniz Universität Hannover. Mitbegründer des Zentrums für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur (CGL) der Leibniz Universität Hannover, seit 2003 Vorstandsvorsitzender; Mitglied im Arbeitskreis Historische Gärten der DGGL; Mitglied der Internationalen Expertenkommission für die Neugestaltung der Gedenkstätte Bergen-Belsen (seit 2000).

Forschungsschwerpunkte auf dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, insbesondere der Zeit des Nationalsozialismus und den Beziehungen zur Landschaftsarchitektur. Dazu und zu anderen Themen liegen zahlreiche Buchpublikationen und Artikel vor, u. a.: Auf der Su-

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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che nach Arkadien - zu Landschaftsidealen und Formen der Naturaneigung in der Jugend-bewegung und ihrer Bedeutung für die Landespflege, Arbeiten zur sozialwissenschaftlich orientierten Freiraumplanung, Bd. 11, München 1990; (Hg.) Nature and Ideology. Natural Garden Design in the Twentieth Century (Washington D. C., 1997); (mit Gert Gröning, Hg.) Naturschutz und Demokratie!?, CGL-Studies, Bd. 3, München, 2006.

Woudstra, Jan

Dr Jan Woudstra is a senior lecturer at the Department of Landscape at the University of Sheffield.

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Call for Papers

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Call for Papers

Organisatoren: Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur der Leibniz Universität Hannover (CGL) Prof. Dr. Joachim Wolschke-Bulmahn in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Geza Hajós, Bundesdenkmalamt in Wien und dem Arbeitskreis Historische Gärten der DGGL, Dr. Ing. Klaus von Krosigk

Termin: 7. Dezember 2007, 13.00 – 18.30Ort: Fakultät für Architektur und Landschaft, Leibniz Universität Hannover, Herrenhäuser Straße 8, 30419 Hannover

Fragen der „Rekonstruktion“ in der Gartendenkmalpflege sind in den vergangenen Jahr-zehnten immer wieder thematisiert und diskutiert worden. Im von Dieter Hennebo 1985 herausgegebenen Handbuch Gartendenkmalpflege. Grundlagen der Erhaltung historischer Gärten und Grünanlagen finden sich dazu z. B. kritische Reflektionen von Erika Schmidt zum Thema „Verlorengegangenes nachbilden“ (S.71ff.) Hubert Wolfgang Wertz diskutiert im selben Band die Frage der Rekonstruktion am Beispiel des Schwetzinger Parterres (S. 174ff.). 1997 erschien in der Schriftenreihe des Deutschen Nationalkomitees für Denk-malschutz als Band 57 Rekonstruktion in der Denkmalpflege. Überlegungen – Definitionen – Erfahrungsberichte, in welchem Rekonstruktion aus Sicht der unterschiedlichen beteili-gten Disziplinen beleuchtet wurde, so von Christiane Segers-Glocke die Frage eines Wie-deraufbaues des Schlosses im Großen Garten von Hannover-Herrenhausen (S. 135ff.).

Es zeichnen sich in der jüngsten Vergangenheit in diesem Zusammenhang neue Tendenzen ab:

Einerseits entsteht der Wunsch, nach den problematischen Rekonstruktionen der 70-er und 80-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts „Gartendenkmalpflege“ nun in erster Linie in der Konservierung der alten Pflanzenbestände zu sehen, andererseits aber auch die „künstlerische Fortsetzung“ einer historischen Gartenanlage als „Denkmalpflege“ zu betrachten. Mehrere Stimmen mahnen davor, dass die historischen Intentionen eines Gesamtbestandes gestärkt oder wieder „zum Sprechen“ gebracht werden. Der historische Garten als Denkmal wird als ein „offener, prozessualer“ Gegenstand definiert und nicht mehr so sehr als ein Ort des sozialen Gedächtnisses an vergangene Epochen aufgefasst. Al-lein diese Kontroverse enthält genug Stoff für Diskussionen. Es geht um die Frage: was ist Authentizität in einem historischen Garten? Liegt diese in seiner materiellen Beschaffen-heit oder auch in seinen ursprünglichen Ideen, Funktionen und handwerklichen Techniken?Es ließen sich zahlreiche Beispiele der engagierten und teils durchaus konträren Diskussion um Fragen der Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege anführen. Um ein Forum für diese Diskussion zu bieten, organisiert das Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchi-

Call for Papers Workshop „Rekonstruktionen in der Gartendenkmalpflege“

Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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tektur der Leibniz Universität Hannover (CGL) in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Géza Hajós, Bundesdenkmalamt in Wien, Ronald Clark, Direktor der Herrenhäuser Gärten der Landes-hauptstadt Hannover, und dem Arbeitskreis Historische Gärten in der DGGL, Dr. Ing. Klaus von Krosigk, einen Workshop „Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege?“.

Mit dem Workshop soll der Meinungsaustausch zum Thema Rekonstruktion in der Garten-denkmalpflege befördert werden. Der Workshop soll darüber hinaus den Blick auf Ansätze in benachbarten Disziplinen lenken, so die Archäologie und die Architektur- und Bauge-schichte.

Der Workshop findet statt am Freitag, den 7. Dezember 2007, 13.00 – 18.30 Uhr, in der Leibniz Universität Hannover.Die Veranstaltung wird durch einige Kurzvorträge eingeleitet. Anschließend wird gemein-sam in Sektionen zu den spezifischen Themenfeldern diskutiert.

Eine wesentliche Grundlage für die Diskussion soll durch eine vorab den Teilnehmenden zur Verfügung zu stellende Broschüre gelegt werden. In dieser Broschüre werden alle Abstracts der Teilnehmenden zum Themenfeld Rekonstruktion und Gartendenkmalpflege veröffentli-cht. Die Abstracts können die Thematik Rekonstruktion aus unterschiedlichen Blickwinkeln diskutieren, z. B. mit Bezug auf spezifische Fallbeispiele mit besonderen Problematiken, mit Bezug auf theoretische Fragen, auf ideologische Aspekte, mit Blick auf die Schnittstellen zwischen Gartendenkmalpflege, Baugeschichte, Archäologie und anderen Disziplinen u. a. m..InteressentInnen zur Teilnahme an diesem Workshop werden gebeten, Abstracts (max. drei Seiten, 1 ½ -zeilig) sowie eine Kurzbiographie (ca. 15-20 Zeilen) bis zum 30.September 2007 zu schicken an:

Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur der Leibniz Universität Hannover (CGL), Herrenhäuser Straße 8, 30419 HannoverE-Mail: [email protected].

Anfragen per E-Mail bitte an: [email protected]@chello.at

Literatur zur jüngsten Kontroverse:• Die Einleitungen der HerausgeberInnen zur Publikation: Der Garten – ein Ort des Wandels – Perspektiven für die Denkmalpflege, hg. von E. A. de Jong, Erika Schmidt, Brigitt Sigel, v/d/f Hochschulverlag AG. An der ETH, Zürich 2006• G. Hajós, Der historische Garten – Ein Ort des Wandels oder ein Ort der Erinnerung - gefährliche Perspektiven für die Denkmalpflege, in: Die Gartenkunst, Jg. 18, Heft 2/2006, S. 385 – 394.

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