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Förderfaktoren und Hürden für Innovationen Klinische Psychologie in der DDR WWW.BDP-VERBAND.DE G 3777 FACHZEITSCHRIFT DES BDP ZEITSCHRIFT DES BERUFSVERBANDES DEUTSCHER PSYCHOLOGINNEN UND PSYCHOLOGEN E.V. 36. JAHRGANG NOVEMBER/DEZEMBER 2011 11/12|2011 reportpsychologie WOGE Warme Wollsocken Viele neue Mitglieder Master- Studienplätze für alle Kürzere Wartezeiten für PT- Patienten Schokolade Eine psychologisch gut beratene Regierung Eine Chance für Bachelors

Report Psychologie 11-12/11

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Report Psychologie 11-12/2011 Leseprobe

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Förderfaktoren und Hürden für InnovationenKlinische Psychologie in der DDR

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G 3777FACHZEITSCHRIFT DES BDPZEITSCHRIFT DES BERUFSVERBANDES DEUTSCHERPSYCHOLOGINNEN UND PSYCHOLOGEN E.V.36. JAHRGANGNOVEMBER/DEZEMBER 2011

11/12|2011 reportpsychologie

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Viele neueMitglieder

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Eine psychologischgut berateneRegierung

Eine Chance für Bachelors

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Internetauftritt der Zeitschrift übersichtlicherund bedienungsfreundlicher

Die Zeitschrift »report psy-chologie« hat ihren Internet-

auftritt neu gestaltet: Pünktlich zumErscheinungstermin der letzten ge-druckten Ausgabe in diesem Jahrzeigt sich die Website www.report-psychologie.de in neu em Layoutund mit verbesserter Struktur. Ne-ben der erhöhten Übersichtlichkeitund Bedienerfreundlichkeit erwar-ten den Besucher der Seite einigeNeuheiten (z.B. ein Online-Stellen-markt) und attraktive Einführungs-angebote.

Wichtige Neuerungen Das optimierte Menü der Websiteermöglicht eine leichtere Orientie-rung, und der Nutzer gelangt so mitwenigen Klicks zu den gesuchtenInhalten. Durch die in der Rand-spalte aufgelisteten Themenberei-che kann man jetzt außerdem ganzgezielt nach Beiträgen zu speziellenThemen suchen.Die Inhalte der Internetseite stel-len so eine optimale Ergänzung zurgedruckten Ausgabe dar, die wei-terhin zehnmal im Jahr erscheint.Für die Online-Rubriken »Themades Monats« und »News« werdenvon Psychologen laufend aktuelleStudien recherchiert und Kurzbei-träge für die Website verfasst.Werbekunden haben nun außerdemdie Möglichkeit, auf jeder Seite derHomepage Werbeplätze in ver-schiedenen Formaten zu buchen.Fortbildungsseminare, Kongresseoder psychologische Dienstleistun-gen können auf diese Weise an pro-minenter Stelle und abgestimmt aufdie redaktionellen Inhalte der Web-site veröffentlicht werden. Noch bis zum 31. Dezember 2011 gibtes für jede neue Werbebanner-Bu-chung einen attraktiven Rabatt –mehr dazu online auf www.report-psychologie.de!

Fachspezifische Stellenange-bote jetzt auch online Eine ganz wesentliche Neuerungbietet ein Online-Stellenmarkt fürPsychologen, der ab sofort zum fes-ten Bestandteil des Internetauftrittsreport-psychologie.de zählt. Ergän-zend zum Stellenmarkt in der Zeit-

Kandidatinnen und Kandidaten des BDP bei der Schleswig-HolsteinerKammerwahl erfolgreichDie Wahl zur 3. schleswig-holsteini-schen Kammerversammlung endeteam 11. Juli 2011. Juliane Dürkop,langjährige BDP-Landesgruppen-vorsitzende und amtierende Kam-merpräsidentin, erhielt mit deutli-chem Vorsprung die meisten Stim-men. Die BDP-Kandidaten beteilig-ten sich an dem bewährten Wahl-bündnis »KamOn« mit DGVT, GwGund Unorganisierten. Mit eindeuti-gen Ergebnissen wurden auchMaike Finger und Klaus Thomsenwiedergewählt. Ulrich Kruse,Schleswig-Holsteiner BDP-Urge-stein, kandidierte das erste Mal undschaffte auf Anhieb den Sprung indie Kammerversammlung. DieWähler honorierten mit dem Ergeb-nis eine grundsolide Kammerpoli-tik, die zu spürbar gesunkenen Bei-trägen und gleichzeitig wachsendenRücklagen führte. Gleichzeitigwurde die Beitragsordnung sozialgerechter gestaltet. Auf der konsti-tuierenden Kammerversammlungam 2. September wur de Juliane Dür-kop ohne Gegenkandidatur wiederzur Kammerpräsidentin gewählt.Klaus Thomsen wurde Vertreter derNiedergelassenen mit KV-Zulassungim Kammervorstand. Weitere Vor-standsmitglieder sind Bernd Schäfer(Vizepräsident, Angestellte), DetlefDeutschmann (Finanzen) und Diana

Will (KJP). Damit wird der Vorstanderneut ausschließlich vom »Ka-mOn«-Wahlbündnis gestellt. Der er-klärte »KamOn«-Wunsch, den Vor-stand gemeinsam mit niedergelas-senen KollegInnen aus Reihen desDPTV und der KJP-Verbände zu bil-den, wurde enttäuscht. Wie schonvor vier Jahren gab es für diese Zu-rückhaltung leider keine Begrün-dung. Juliane Dürkop, Klaus Thom-sen und Ulrich Kruse haben seit Jah-ren Funktionen im Vorstand derBDP-Landesgruppe, in der BDP-DKund im VPP inne.Klaus ThomsenMitglied im Vorstand der Landesgruppe

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Einladung zur Mitgliederver-sammlung in TrierDer Vorstand der Landesgruppe lädtalle Mitglieder herzlich zur ordent-lichen Mitgliederversammlung am29. Dezember 2011 in die Geschäfts-stelle der Landesgruppe ein. Wirtreffen uns um 18 Uhr in der Paulin-straße 111 in 54292 Trier.

Tagesordnung:TOP 1 Begrüßung und RegularienTOP 2 Bericht des VorstandesTOP 3 KassenberichtTOP 4 Aussprache

zu den Berichten

TOP 5 Entlastung des VorstandesTOP 6 Wahl des Vorstands TOP 7 Aufgaben und Projekte 2011TOP 8 VerschiedenesAnmeldung telefonisch oder per E-Mail erbeten!T 0651 – 498 42Richard TankVorsitzender

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schrift, können die Leser von »re-port psychologie« nun auch auf derWebsite weitere aktuelle und fach-spezifische Stellenangebote abrufen.Wer ein Stellenangebot veröffentli-chen möchte, ist außerdem künftignicht mehr an den Anzeigenschlussder Zeitschrift gebunden, sondernkann seine Anzeige tagesaktuell aufdie Website stellen. Betreut wird derStellenmarkt vom Deutschen Psy-chologen Verlag (DPV), der die BDP-Mitglieder regelmäßig per E-Mail-Infodienst über neue Stellenange-

bote informiert. Als BDP-Mitglied kann man nochbis zum 31. Dezember 2011 ein ganzbesonderes Einführungsangebot desDPV in Anspruch nehmen und seinStellenangebot kostenfrei im neuenOnline-Stellenmarkt platzieren.Mehr dazu findet man online unterwww.report-psychologie.de/stellenmarkt

Anregungen sind willkommen Gestalten Sie report-psychologie.dejetzt mit! Wir freuen uns über Ihre

Meinungen, Kommentare und Anre-gungen zu unserer neuen Websiteper E-Mail, auf Twitter oder der Facebook-Seite des Berufsverbandes.Deutscher Psychologen Verlag

E verlag@psychologenverlag.dewww.report-psychologie.dewww.report-psychologie.de/stellenmarkt www.twitter.com/ReportPsych http://facebook.bdp-verband.de(»report psychologie« auf der BDP-Facebook-Seite)

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www.report-psychologie.de in neuem Layout

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Förderfaktoren und Hürdenfür Innovationen –das Beispiel Prävention undGesundheitsförderung.Eine Zusammenfassung des Forschungsstandes

Thomas Kliche, Hochschule Magdeburg-Stendal,Elina Touil, Leuphana-Universität Lüneburg

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2) Vollständigkeit: Einzelstudien könnten weitere Fakto-ren enthalten. Da Faktoren jedoch schon einbezogenwurden, falls ein einziges Review sie fand, bildet das Er-gebnis den Forschungsstand ab. Tatsächlich sind fast alleFaktoren von vier und mehr Reviews belegt. KünftigeUntersuchungen können nun Vorliegen und Gewichteinzelner Faktoren anhand der erarbeiteten Liste prüfenund vervollständigen.3) Bedeutung und Muster: Da Effektgrößen fehlten, wardas Gewicht einzelner Faktoren und ihrer Kombinationennicht erkennbar. Einige könnten unwichtig, andere un-abdingbar sein. Diese Schwäche kann nur durch ge-nauere Forschungspläne behoben werden, gefolgt vonÜberblicksarbeiten zu Faktorenkonstellationen.4) Innovationstypen: Die Auswertung unterschied – wiedie zugrunde liegenden Reviews – nicht zwischen Inter-ventionsformen (z.B. Personal- oder Organisationsent-wicklung). Manche Faktoren könnten aber für be-stimmte Innovationstypen besonders wichtig sein. Diesist künftig empirisch zu klären.5) Methodische Qualität: Die Güte der einbezogenen Re-views wurde nur pauschal bewertet. Genauere Auswer-tungen sind jedoch erst möglich, wenn genügend Aus-gangsstudien Effektgrößen für Faktoren angeben. Insge-samt begründen die methodischen Einschränkungen so-mit keine Zweifel an den belegten Transferfaktoren. Sieverweisen aber auf die Notwendigkeit präziserer, multi-variater Transferforschung zur Vervollständigung und Ef-fektabschätzung der Faktoren und ihrer Kombinationen.

Fazit für die Praxis38 Faktoren entscheiden über den Erfolg von Neuerun-gen. Innovationsprojekte können anhand der Fakto-renliste mögliche Hürden erkunden und ihre Transfer-strategie gezielt auf die Ausgangslage ausrichten. For-schungsprojekte können die Faktorenliste als Grundlagefür Verwertungspläne nutzen. Psycholog/-innen könnendie Umsetzung ihrer neuen Programme, Projekte undInterventionsmethoden verbessern. Sie können:� den wirkungsentscheidenden Interventionskern, aberauch modifizierbare Programmteile zur maßgeschnei-derten Umsetzung bestimmen;� Möglichkeiten zum risikofreien, als Qualifizierung er-lebten Ausprobieren der Innovation vorbereiten;� Zeit für die individuelle Aneignung und organisatori-sche Routinebildung einplanen;� die Leistungen aufstellen, die die Neuerung für Orga-nisation, Fachkräfte und Zielgruppen bringt (Kosten,Qualität, Effektivität, Erleichterungen);� mehrere Wege und Kostenvarianten für die Einführungerarbeiten;� ein Organisations-Screening auf Hürden und Hinder-nisse anbieten;� Unterstützung bereithalten (Beratung, Fortbildung,Hotline, Nutzerforen usw.);� zielgruppengerechte Aufbereitungen, Kanäle und Me-dien nutzen (für Professionen, Statusgruppen, Mei-nungsführer, Multiplikatoren);� den Transfer selbstkritisch mit formativer Evaluationbegleiten.Versorgungsträgern und Forschungsförderung ist anzura-ten, solche Vorkehrungen für wissensgetriebene Innova-tionsvorhaben zeitlich und finanziell fest einzuplanen.

Innovationen stoßen oft auf Umsetzungsprobleme. EinÜberblick der Hürden und Förderfaktoren kann den er-folgreichen Transfer unterstützen. Dafür wurden ausden wichtigsten Datenbanken (Cochrane Database, CINAHL, PubMed, Medline) Reviews der Jahre 2000 bis2010 über Prävention und Gesundheitsförderung aus-gewertet. 16 Reviews, davon zwölf systematische, be-richteten Transferfaktoren; alle waren narrativ. Sie iden-tifizierten mit großer Übereinstimmung 38 Faktoren fürden Erfolg von Innovationen. Deutlich wurde ein Span-nungsverhältnis zwischen kontextueller Anpassung (»re-invention«) und Programmtreue. Effektgrößen lagennicht vor, die Bedeutung der einzelnen Faktoren konntenicht vergleichend quantifiziert werden. Die Faktoren-liste kann zur frühzeitigen Identifikation von Innovati-onsbedingungen, zur Entwicklung von Transferstrate-gien und von Verwertungsplänen dienen. Aufgabe künf-tiger Forschung ist die Klärung des Gewichts einzelnerFaktoren und ihrer Konstellationen.SchlüsselbegriffeInnovation, Prävention, Gesundheitsförderung, Dissemination, Implementation, Transfer

Z U S A M M E N F A S S U N G

Innovations frequently encounter barriers. A synthesisof research addressing factors of implementation maysupport successful translation. For this purpose, reviews from the most important databases (CochraneDatabase, CINAHL, PubMed, Medline) were analyzed,covering the years 2000 – 2010. 16 reviews, amongthem 12 systematic ones, had extracted factors oftransfer. All of them were narrative. Consistently theyidentified 38 conditions and characteristics of success-ful innovations. Among them, contextual »re-inven-tion« of interventions on the one hand and implemen-tation fidelity on the other constituted a latent antagonism. Effect sizes of factors were not given.Thus, it was impossible to quantify the factors’ comparative importance. The list of transfer factorsmay be used at an early stage of projects in the identification of conditions for innovation, in the development of implementation strategies and translational planning. More research is required toshed light on the weight of specific transfer factorsand their constellations for specific settings and classes of interventions.Key wordsInnovation, prevention, health promotion, dissemination, implementation, translation

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Im Oktober ist die ISO 10 667 zur Eignungsbe-urteilung veröffentlicht worden. Nun liegt also

eine internationale Norm für eine Dienstleistung vor, diein Deutschland – wenn sie gut gemacht wird – schon seitJahren einer deutschen Norm, der DIN 33 430, folgt.Wozu bedurfte es der ISO?Bei der DIN handelt es sich um eine Norm für den deut-schen Sprachraum und das deutsche Rechtssystem, ver-öffentlicht in deutscher Sprache. Die ISO entsprang demWunsch von Industriestaaten und Schwellenländern nachinternational gültigen und anerkannten Richtlinien bei derPersonalbeurteilung in Unternehmen und Organisatio-nen. Das hat auch etwas mit global agierenden Unter-nehmen zu tun und mit der steigenden Zahl von Bewer-bern ganz unterschiedlicher Nationalitäten.

Wie groß sind die Unterschiede zwischen beiden Normen?Die jetzt vom ISO-Sekretariat in Genf veröffentlichte in-ternationale Norm basiert auf der englischen Übersetzungder DIN 33 430. Insofern gibt es viele Gemeinsamkeiten.Allerdings gibt es auch eine ganze Reihe von Unter-schieden, die zum Teil daraus resultieren, dass man eineinternational gültige Norm allgemeiner fassen mussteund dass seit Verabschiedung unserer DIN neun Jahrevergangen sind. In der ISO sind also auch praktische Er-fahrungen mit der DIN bereits verarbeitet. Anders als inder DIN werden in der ISO die Rollen von Auftraggeberund Auftragnehmer, also einem Unternehmer, der Per-sonalbeurteilung in Anspruch nehmen will, und einem in-ternen oder externen Dienstleister, angesprochen. Daskann hilfreich für die Vertragsvorbereitung, -gestaltungund -erfüllung sein.

Welche Staaten haben an dem Prozess teilgenommen?An der Erarbeitung, die insgesamt vier Jahre gedauerthat, haben alle skandinavischen Länder, Großbritannien,die Niederlande, Spanien, Italien und die USA teilge-nommen, außerdem China und aus Afrika Kenia. DieStaaten waren durch Vertreter ihrer Normungsinstituteund zum Teil durch zusätzliche Experten vertreten, da-runter so namhafte wie Wayne Camara, der For-schungsdirektor des College Board in New York, das inden USA Hochschulzulassungstests organisiert.

Inwiefern können z.B. Entwicklungsländer von ihr pro-fitieren, in denen die Rahmenbedingungen für eine solche ISO-Norm noch längst nicht vorhanden sind?Auch für sie ist die Norm ein Leitfaden, um Leid zu ver-hindern. Ich sehe in ihr bisweilen mehr ein »ecucationaldocument« als ein Rechtsdokument. Die ISO-Norm regtan, Eignungsbeurteilungen nach dem Stand von Wis-senschaft und Technik angemessen zu ordnen.

Gab es mit der DIN 33430 vergleichbare Normen auch schon anderswo?Im engeren Sinne nicht, aber es existierten teilweiseGesetze. In Italien, Finnland und Dänemark z.B. bestehteine viel engere Rechtsbindung psychologischer Tätig-keiten, als wir sie kennen. In Großbritannien ist das Di-agnostizeren anhand von ständig evaluierten Instru-menten sehr gut etabliert. Die British Psychological So-ciety organisiert eine Lizenz für berufliche Eignungsdi-agnostik, die eingetragene Psychologen, aber auch An-gehörige einschlägiger Berufe in verschiedenen Abstu-fungen erwerben können.

Wie erklären Sie den Widerspruch, dass Deutschlandals erstes Land eine Norm hatte, in der Anwendungvon professionellen Eignungsbeurteilungen aber weithinter z.B. den USA und Großbritanien zurückliegt?Das ist schon etwas skurril. Es liegt vermutlich an unsererMentalität. Wir wünschen uns in Deutschland eine Ord-nung im Sinne einer Norm, um unser Handeln daran mes-sen zu können und nicht nur fallorientiert vorzugehen. Eshat auch etwas mit dem Rechtssystem zu tun. Unseres istkodifiziert; deswegen liegen uns auch solche Kodifizierun-gen näher. In anderen Ländern gibt es Präzedenzbeurtei-lungen; Fälle werden auf ihre Analogie zu vorangegange-nen betrachtet und entschieden. Es ist aber nicht so, dassnur die Deutschen Guidelines in den europäischen und in-ternationalen Prozess hineingetragen haben. Auch DaveBertram aus Großbritannien hat das in der EFPA in ande-ren Kontexten wiederholt getan. Und die US-Amerikanerhaben bereits in den 1950er-Jahren Leitlinien zur Testan-wendung im weiteren Sinne ausgearbeitet. Wir könntensogar noch weiter zurückgehen: Bereits 1912 wurde zurdamaligen Rekrutenbeurteilung ein Prozess entwickelt,der wiederholbar war und in den angelernte Hilfskräfte ein-gebunden werden konnten. Diese Guidelines sind wenigerRechtsdokumente als Leitfäden für ein Vorgehen mit demZiel, nichts zu vergessen, nichts falsch zu machen und ei-gene wie etablierte Regeln einzuhalten. So gesehen sindsolche Normen viel besser zu verstehen; es geht wenigerdarum, vor Gericht mit seinem Tun bestehen zu können.

Bedeutet die Veröffentlichung der ISO 10 667, dass sich Psychologen und andere mit der Personalauswahl Befassten nun einer speziellenFortbildung unterziehen müssen?Es lohnt sich, sich mit der ISO vertraut zu machen, das istschon eine Art der Fortbildung. Sie ist der internationaleStandard für eine weltweite Eignungsbeurteilung bei Un-ternehmen und Organisationen. Die DIN bleibt aber dieNorm, die an Bedürfnissen im deutschen Sprachraum, anunseren Ressourcen und Rahmenbedingungen ausgerich-tet ist. Zu ihr gibt es auch organisierte Fortbildungsange-bote, die Praktikern helfen sollen, ein Normwerk in einpraktikables Gewerk umzusetzen. Die DIN 33 430 wird inden kommenden Jahren überarbeitet. Optimal ist es, beidezu kennen und sich dann den eigenen Leitfaden für Eig-nungsbeurteilungen zu erarbeiten und entsprechend zugestalten. Fortbildungen können nie schaden, zwingenderforderlich sind spezielle Veranstaltungen zur ISO nicht. Das Gespräch führte Christa Schaffmann.

DIN und ISO im VergleichInterview mit Prof. Dr. Lutz Hornke

Professor Lutz F. Hornkehatte 25 Jahre an der RWTHAachen University den Lehrstuhl für Betriebs- undOrganisationspsychologieinne. Seine Arbeiten befassten sich u.a. mit dem computergestützten adaptiven Testen ebenso wiemit der Hinführung von Studieninteressierten zumerfolgreichen Studienstartdurch die von ihm konzipierten Self-Assessments. Über mehrals ein Jahrzehnt moderierteer als Obmann sowohl dieDIN-33 430- und die ISO-10 667-Diskussionen.Seit 9/2010 ist er im Ruhestand, aber immer nochziemlich unruhig und weiterum eine gute Qualität psychologischer Diagnostikbemüht.

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Im folgenden Beitrag wird die Etablierung derKlinischen Psychologie in der Deutschen De-

mokratischen Republik dargestellt. Dabei ging ihre Ent-wicklung als Beruf der als Wissenschaft voraus, bis beideAspekte nicht mehr zu trennen waren und den Schwer-punkt der angewandten Psychologie in der DDR bilde-ten. In der Printausgabe von »report psychologie« kon-zentrieren wir uns aus Platzgründen auf die Entwicklungals Beruf. Den wesentlich ausführlicheren Text, in demauch die Entwicklung der Wissenschaft dargestellt wird,samt Quellenangaben können Mitglieder und Abon-nenten im »report«-Archiv im Internet nachlesen. Die Absolventen des 1941 in Deutschland eingeführtenDiplom-Studiums Psychologie mussten sich nach demKriege ihr Berufsfeld in den Gesundheitseinrichtungender DDR ohne Anleitung erst erschließen. Dabei stan-den junge Psychologen berufs- und lebenserfahrenenÄrzten gegenüber, die sie zunächst als Hilfskräfte oderKonkurrenten ansahen, ehe sich eine kollegiale Part-nerschaft durchsetzte.In den 1950er-Jahren lösten Publikationen der erstenKlinischen Psychologen eine Diskussion über ihren Bei-trag in der Medizin aus (Meyerhoff, 1950; Billenkamp,1954; Bauer, 1955). Auf einer von der Gesellschaft fürPsychiatrie und Neurologie der DDR veranstalteten Ta-gung über die Tätigkeit des Psychologen in medizini-schen Einrichtungen wurden dann die begrenzten Mög-lichkeiten seiner Arbeit kontrovers erörtert. Als »Gehilfedes Arztes« werde ihm eine »ungewöhnliche Beschei-denheit« abverlangt (Protokoll, 1957, S. 255).Streitpunkte blieben die Mitarbeit bei der Diagnose-stellung und Behandlung sowie die Verantwortung fürden psychischen Normal- oder auch Grenzbereich (Mül-ler-Hegemann, 1957; Katzenstein, 1957a, b). Deren Lö-sung war wegen der größeren Patientennähe des Psy-chologen schwieriger als bei den Chemikern, Physikernoder Biologen in der Klinik und wurde in der Folgezeitvon beiden Seiten immer wieder neu behandelt (Klein-sorge, 1967; Starke, 1971; Kreyssig, 1979; Hennig & Gun-kel, 1980; Jährig, 1981).Die anfängliche Annahme, dass der Psychologe als »Lü-ckenbüßer« des Ärztemangels der Nachkriegszeit beibesserer ärztlicher Versorgung nicht mehr benötigtwerde, erwies sich als Irrtum. Mit zunehmender Be-achtung psychischer Bedingungen des Krankheitsge-schehens ließ sich der psychologische Beitrag nicht ausdem medizinischen Handeln heraushalten.So stieg die Zahl der Klinischen Psychologen bis 1990kontinuierlich an, ohne dass der steigende Bedarf be-friedigt werden konnte. Doch gab es für die psycholo-gische Tätigkeit keine anderen rechtlichen Regelungenaußer ihrer Nennung im Rahmenkollektivvertrag für dasGesundheitswesen von 1953 und im Gehaltsabkommenüber die Vergütung für Hochschulkader im Gesund-

heitswesen von 1959 und 1988. Im Gegensatz zu denÄrzten fehlten den Klinischen Psychologen damit ge-setzlich festgelegte Rechte und Pflichten.

Wachsende Einsatzgebiete und KompetenzenErstes und bis zum Ende der DDR dominierendes Be-rufsfeld waren die Nervenkliniken, gefolgt von Klinikender inneren Medizin, Kinderheilkunde, Neurochirurgieund anderer medizinischer Fächer mit ihren Ambulan-zen. Mit dem Ausbau des Gesundheits- und Sozialwe-sens und einer zunehmenden Zahl von Absolventendes Psychologiestudiums kamen im Laufe der Zeit Re-habilitationskliniken, geriatrische Einrichtungen, Bera-tungsstellen für Alkoholiker, Erziehungs-, Ehe- und Se-xualfragen hinzu. Freie Niederlassungen gab es nicht,wobei sich die Psychologen hierin nicht von den Ärztenunterschieden.Das breiter werdende Einsatzspektrum erweiterte dieKompetenzen des Klinischen Psychologen. So folgte derbloßen Erstellung psychodiagnostischer Befunde bei dürf-tigem, meist nicht normiertem Inventar bald die Einbe-ziehung in die Diagnosestellung, womit vor allem Vertie-fungen und Erweiterungen der differenziellen ärztlichenDiagnose gemeint waren (Wendt, 1967; Krauss, 1979).Diese Erweiterungen wurden erst durch die Übernahmeund Adaptation neuer, standardisierter Leistungs- undPersönlichkeitstests aus der BRD und dem westlichenAusland sowie die spätere Konstruktion eigener Prüf-verfahren möglich. Darüber hinaus eigneten sich dieneuen Verfahren auch zur Kontrolle von Behandlungs-verläufen und der Wirkungen von Psychopharmaka.Strittig blieb lange Zeit die Mitwirkung des KlinischenPsychologen bei der Behandlung von Patienten. Einer-seits wurde sie strikt abgelehnt, denn »Heilung ist im-mer ärztliche Aufgabe« (Protokoll, 1957, S. 254). Ande-rerseits wollte man den Psychologen schon vorher dieBeratung in Erziehungs- und Lebensfragen als Psycha-gogik oder soziale Therapie zuerkennen und ihnen dieLeitung von Gruppengesprächen mit Patienten über-tragen (Müller-Hegemann, 1957; Hollmann & Hantel,1948).Nach der Schaffung von Ausbildungsmöglichkeiten fürbestimmte Formen der Psychotherapie durch die Ge-sellschaften für ärztliche Psychotherapie der DDR (ab1960) und für Psychologie der DDR (ab 1962) sowie imDirektstudium für Klinische Psychologie (ab 1963) wurdeEnde der 1960er-Jahre die Zulassung von Psychologenzur Psychotherapie in Zusammenarbeit mit dem Arzt,d.h. in von ihm geleiteten Einrichtungen, möglich. Dochschon kurze Zeit später wurden dort die Psychothera-pien überwiegend von Psychologen durchgeführt, wieeine Umfrage bei den ärztlichen und psychologischenMitgliedern der Gesellschaft für ärztliche Psychothera-pie 1973 ergab. In Rehabilitationseinrichtungen wurde

Zur Geschichte der KlinischenPsychologie in der DDR1

AutorHans-Dieter RöslerInstitut für Medizini-sche Psychologie undMedizinische Soziolo-gie, Universität Rostock

KontaktProf. em. Dr. Hans-Dieter RöslerInstitut für Medizini-sche Psychologie undMedizinische SoziologieUniversität RostockPostfach 10 08 8818055 RostockE [email protected]

1 Ich danke Dorothea Roether und Olaf Reis fürAnregungen zum Manuskriptentwurf.

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sogar angestrebt, dass der Psychologe neben Diagnos-tik und Therapie auch leitende Funktionen übernahm(Katzenstein & Presber, 1975).Als forensischer Gutachter lieferte der Klinische Psy-chologe zunächst nur Zusatzbefunde zum Gutachtendes Psychiaters. So blieb es auch für erwachsene Straf-täter. Für jugendliche Delinquenten wurde 1968 dieKollegialbegutachtung der Schuldfähigkeit eingeführt,wobei die bloße Begutachtung des Entwicklungsstandesder Persönlichkeit wie auch die der Glaubwürdigkeitminderjähriger Zeugen durch den Psychologen allein er-folgte. Hierfür konnte ihm ab 1971 von der Gesellschaftfür Psychologie der DDR die Anerkennung als foren-sisch-psychologischer Sachverständiger erteilt werden,nachdem die Arbeitsgemeinschaft für Forensische Psy-chologie der Gesellschaft für Psychologie die vom Be-werber eingereichten Gutachten und in einem Gesprächseine Kenntnis der von ihr dazu vermittelten Grundsätzegeprüft hatte. Forensische Gutachten wurden nur aufAnforderung der Justiz- und Sicherheitsorgane und nuraus staatlichen Einrichtungen erstattet (Schmidt & Ka-sielke, 1965; Werner, 1978).

Angleichung des Grundgehalts von Ärzten und Psychologen1954 schlossen sich ca. 30 Klinische Psychologen zur»Arbeitsgemeinschaft der Psychologen im Gesund-heitswesen der DDR« zusammen. Sie delegierten ihrenLeiter in den 1958 beim Gesundheitsministerium ein-gerichteten »Fachausschuss für nichtmedizinische Hoch-schulkader im Gesundheitswesen«, damit er dort ar-beits- und tarifrechtliche Fragen regeln konnte. Sowurde erreicht, dass mit dem Gehaltsabkommen überdie Vergütung der Hochschulkader im Gesundheitswe-sen von 1959 Psychologen im Grundgehalt den Ärztengleichgestellt wurden, denen freilich Facharzt-, Lei-tungs- und Dienstzuschläge vorbehalten blieben.

Fachvertretung und BerufsethikAb 1960 erfolgte die Interessenvertretung durch dieGründung wissenschaftlicher Gesellschaften und Gre-mien:� Gesellschaft für ärztliche Psychotherapie der DDR (1960),� Gesellschaft für Psychologie der DDR (1962), mit ihren Sektionen Klinische Psychologie im Kontakt

mit der Sektion medizinische Psychologie der� Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie der DDR (1949) und dem� Wissenschaftlichen Rat für Psychologie der DDR (1977).Klinische Psychologen waren Mitglieder in allen vierVerbänden und in deren Vorständen dauernd oder zeit-weilig vertreten. In der Gesellschaft für Psychologiestellten sie die Mehrheit der Mitglieder, den stellver-tretenden Vorsitzenden und die Leiter der Sektion Kli-nische Psychologie, der Arbeitsgemeinschaften für Kli-nische Psychodiagnostik, Rehabilitationspsychologie,Partnerschafts- und Familientherapie, Verhaltensthera-pie, Gesprächspsychotherapie, Psychohygiene und Pro-phylaxe und für Forensische Psychologie.In der Gesellschaft für ärztliche Psychotherapie (ab 1989Gesellschaft für Psychotherapie, Psychosomatik undmedizinische Psychologie) stellten Klinische Psycholo-gen die Hälfte der Mitglieder, die Leiter der SektionenKlinische Psychologie, für Verhaltenstherapie und fürGesprächspsychotherapie (Letztere in Personalunionmit der Gesellschaft für Psychologie), der Arbeitsge-meinschaft Katathymes Bilderleben und von 1976 bis1988 den Vorsitzenden.Aufgaben der wissenschaftlichen Gesellschaften warendie Förderung wissenschaftlichen Lebens durch Zusam-menführung von Forschern, Ausbildern und Praktikernund die Fortbildung ihrer Mitglieder. Die berufsständi-sche Vertretung oblag hingegen der Gewerkschaft(FDGB). Infolgedessen gab es keine besondere Berufs-ordnung für Psychologen und auch kein Ehrengerichtzur Ahndung von deren Nichteinhaltung. Klinische Psy-chologen unterlagen der Rahmenkrankenhausordnungmit den darin festgelegten Pflichten. Verstöße dagegenwurden disziplinarisch bzw. strafrechtlich (Schweige-pflicht) verfolgt (Gürtler et al., 1982).Die psychologische Berufsethik war in den Statuten derGesellschaft für Psychologie nach dem allgemeinen Hin-weis auf die Grundsätze der sozialistischen Ethik undMoral nicht weiter expliziert worden. In der politischenOrientierung folgte die Klinische Psychologie den »Be-schlüssen von Partei und Regierung« zum Ausbau dessozialistischen Gesundheits- und Sozialwesens. Ihreideologische Ausrichtung blieb dabei zurückhaltend.