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RFID im Supply Chain Management Auswirkungen und Handlungsempfehlungen am Beispiel der Automobilindustrie DISSERTATION der Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) zur Erlangung der Würde eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften vorgelegt von Martin Strassner aus Deutschland Genehmigt auf Antrag der Herren Prof. Dr. Elgar Fleisch und Prof. Dr. Frank Straube Dissertation Nr. 3112 Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden 2005

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RFID im Supply Chain Management

Auswirkungen und Handlungsempfehlungen am Beispiel der Automobilindustrie

DISSERTATION der Universität St. Gallen,

Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)

zur Erlangung der Würde eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften

vorgelegt von

Martin Strassner aus

Deutschland

Genehmigt auf Antrag der Herren

Prof. Dr. Elgar Fleisch

und

Prof. Dr. Frank Straube

Dissertation Nr. 3112

Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden 2005

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Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissen-schaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen.

St. Gallen, den 30. Juni 2005

Der Rektor:

Prof. Ernst Mohr, PhD

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Geleitwort Im Erscheinungsjahr der vorliegenden Arbeit von Martin Strassner zählt Radio Fre-quency Identification (RFID) zu den am meisten strapazierten Begriffen im Bereich technologieinduzierter Innovation: Wirtschaftsjournale widmen dem Potenzial der RFID-Technologie ihre Titelgeschichte, Konferenzveranstalter starten neue Veranstal-tungsserien, Verleger neue Zeitschriften und Technologiehersteller wie Berater kreie-ren neue Produkte.

Dabei ist die neue „Wundertechnologie“ seit über vier Jahrzehnten am Markt verfüg-bar und in zahlreichen Nischenanwendungen – vom Autoschlüssel über Zutrittssyste-me bis hin zur Identifikation von Haustieren – heute nicht mehr wegzudenken. Warum sollte der schon so oft angekündigte Siegeszug von der Spezial- zur Massenanwen-dung gerade jetzt – oder überhaupt – stattfinden? Handelt es sich bei RFID nicht ein-fach um den nächsten Hype nach „E-Business“ und „Knowledge-Management“?

Die Ergebnisse aus den Forschungsprojekten des M-Labs und der Auto-ID Labs lassen vermuten, dass RFID und verwandte Technologien eine solide technische Basis für betriebswirtschaftliche Innovationen schaffen: RFID ermöglicht die Automation der Integration der realen mit der digitalen Welt (etwa zwischen einem physischen Lager und dem Warenwirtschaftssystem) und führt zu einer Reduktion der Kosten der Da-teneingabe bzw. der Kosten zur Messung eines Zustands der realen Welt. Da Unter-nehmen nur managen können was sie auch messen können, wirken sich sinkende Messkosten stark auf die Qualität und Form des Managements aus.

Martin Strassner zählt zu den ersten, die ihre wissenschaftliche Arbeit den betriebs-wirtschaftlichen Effekten der maschinellen Datenerfassung aus der Realwelt („machi-ne sensing“) widmen. Als Anwendungsgebiet wählt er dazu die Wertschöpfungskette der Automobilindustrie und erreicht damit zwei beachtenswerte Ergebnisse: Einerseits legt er die wissenschaftlichen Grundlagen zur Neugestaltung von Managementregel-kreisen auf Basis einer höheren Qualität an Messdaten. Andererseits zeigt er einen praktikablen Entwicklungspfad der Realwelt-Integration in der Automobilindustrie auf und kann so stabile Gestaltungshinweise für den Einsatz von RFID ableiten – von der Verfolgung von Spezial- und Standardbehältern bis zum „Tracken“ einzelner Reifen. Es gelingt Martin Strassner damit, die betriebswirtschaftlich relevanten Aspekte von RFID schärfer zu fassen und mögliche Auswirkungen in der Automobilindustrie wohl-tuend nüchtern darzustellen.

Prof. Dr. Elgar Fleisch

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Vorwort Die vorliegende Arbeit „RFID im Supply Chain Management“ ist das Ergebnis einer mehr als dreijährigen wissenschaftlichen Tätigkeit an den Instituten für Wirtschaftsin-formatik und für Technologiemanagement der Universität St. Gallen. Dort forschte der Autor im Rahmen des „Mobile and Ubiquitous Computing Lab“ (M-Lab) und des Au-to-ID Lab St. Gallen in enger Kooperation mit Teamkollegen, Wissenschaftlern von Auto-ID Labs anderer Universitäten und des Stanford Global Supply Chain Manage-ment Forums sowie mit Industriepartnern. Dieses Umfeld förderte den Austausch zwi-schen Wissenschaft und Praxis, indem es eine kritische Reflexion der auf wissen-schaftstheoretischen Weg gewonnenen Ergebnisse mit Anforderungen der Praxis er-möglichte.

Das Forschungsziel des M-Lab, die Bewertung der betriebswirtschaftlichen Auswir-kungen mobiler und ubiquitärer Informationstechnologien, bietet Forschern noch zahl-reiche offene Fragestellungen. Wurde bisher die Informationstechnologie primär als Mittel der Vernetzung von Menschen, Abteilungen und Unternehmen gesehen, geht es beim Ubiquitous Computing um die Vernetzung von beliebigen Dingen. RFID (Radio-frequenzidentifikation) ermöglicht einen Schritt in diese Richtung. Die Technologie bewirkt eine informatorische Aufrüstung beliebiger Gegenstände. Es entstehen sog. smarte Dinge mit der Fähigkeit zur Integration mit IT-Systemen. Wie smarte Dinge Prozesse verändern und neue Geschäftsmodelle begründen, zeigt diese Arbeit am Bei-spiel des Supply Chain Managements der Automobilindustrie.

An dieser Stelle möchte ich allen danken, die zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Mein größter Dank gebührt Prof. Dr. Elgar Fleisch für die wissenschaftliche Betreuung und das angenehme und praxisnahe Forschungsumfeld. Die enge Zu-sammenarbeit, die wissenschaftliche Basis des Netzwerkunternehmens und sein be-sonderes Interesse am Forschungsziel der Dissertation haben mir stets neue Impulse gegeben. Prof. Dr. Frank Straube danke ich herzlich für die Übernahme des Korrefe-rats und die konstruktive Unterstützung, was ihm trotz der räumlichen Trennung nach seiner Berufung an die TU Berlin hervorragend gelang. Prof. Dr. Friedemann Mattern von der ETH Zürich danke ich für seine frischen Ideen, die ihn zu einem Vordenker des Ubiquitous Computing machen.

Den Projektleitern des M-Lab Dr. Oliver Christ und Dr. Frédéric Thiesse, meiner Forschungskollegin Sandra Gross sowie meinen Forschungskollegen Bruno Käslin, Christian Flörkemeier, Christian Tellkamp, Lars Dittmann, Matthias Lampe, Thomas Schoch und Thorsten Staake danke ich für die angenehme und teamorientierte Zu-sammenarbeit. Ebenso bedanke ich mich für die umfangreiche Unterstützung aus der

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VI Vorwort

Praxis, ganz besonders bei Axel Bülow (SAP-SI AG), Dr. Rüdiger Meier (VDA e.V.), Thomas Finkbeiner (CSC Ploenzke AG), Dr. Markus Dierkes (Intellion AG) und beim Schweizerischen Nationalfonds (SNF), der meinen Forschungsaufenthalt bei Prof. Hau Lee an der Stanford University zur Fertigstellung dieser Dissertation ermöglicht hat.

Stanford, im Juli 2005 Martin Strassner

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Inhaltsübersicht

1 Einführung ................................................................................................... 1

1.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf ............................................................. 1

1.2 Forschungsfragen und Ergebnisse ................................................................. 6

1.3 Einordnung und Abgrenzung......................................................................... 8

1.4 Forschungskonzeption ................................................................................. 13

1.5 Aufbau der Arbeit ........................................................................................ 18

2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes............................... 20

2.1 Koordinationstheorie und Integration.......................................................... 20

2.2 Informationsmanagement ............................................................................ 31

2.3 Supply Chain Management.......................................................................... 40

2.4 Auto-ID-Systeme......................................................................................... 54

3 Supply Chain Management in der Automobilindustrie......................... 66

3.1 Aktuelle Situation und Herausforderungen der Branche............................. 66

3.2 Strategische Herausforderungen für das SCM ............................................ 72

3.3 Abgrenzung kritischer Prozesse und Aufgaben........................................... 77

3.4 Status des Einsatzes von IT-Systemen ........................................................ 87

4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme.................... 98

4.1 RFID als eine Koordinations- und Integrationstechnologie ........................ 99

4.2 Erster Effekt: Substitution manueller Koordination.................................. 111

4.3 Zweiter Effekt: Netzwerkanwendungen durch Diffusion von RFID.......... 122

4.4 Dritter Effekt: Neue Prozesse und Geschäftsmodelle ............................... 133

4.5 Kosten-Nutzen-Bewertung von RFID-Anwendungen .............................. 141

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VIII Inhaltsübersicht

5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis ................................ 153

5.1 Auswahl und Aufbereitung von Fallstudien.............................................. 153

5.2 Management von Spezialgestellen bei Volkswagen ................................. 157

5.3 Management von Standardbehältern bei Volkswagen .............................. 163

5.4 Einsatz von RFID-Kleinladungsträgern in der Automobilindustrie .......... 170

5.5 Überseeversand von Packstücken bei der BLG IL.................................... 176

5.6 Reifenverfolgung in der Distribution von Continental.............................. 181

5.7 Auswirkungen aus Perspektive des Wertschöpfungsnetzwerkes .............. 188

6 Zusammenfassung und Ausblick ........................................................... 199

6.1 Beantwortung der Forschungsfragen......................................................... 200

6.2 Wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn....................................................... 203

6.3 Handlungsempfehlungen für die Praxis .................................................... 207

6.4 Das informatisierte Liefernetzwerk als reale Virtualität?.......................... 212

Literaturverzeichnis ................................................................................................. 215

Anhang A Verwendete Theorien und Konzepte .................................................... 257

Anhang B Empirische Erhebung............................................................................. 258

Anhang C Interviewverzeichnis .............................................................................. 265

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Inhaltsverzeichnis IX

Inhaltsverzeichnis

1 Einführung ................................................................................................... 1

1.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf ............................................................. 1

1.2 Forschungsfragen und Ergebnisse ................................................................. 6

1.3 Einordnung und Abgrenzung......................................................................... 8

1.4 Forschungskonzeption ................................................................................. 13

1.5 Aufbau der Arbeit ........................................................................................ 18

2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes............................... 20

2.1 Koordinationstheorie und Integration.......................................................... 20

2.1.1 Ressourcenkonflikte als Ursache für Koordinationsbedarf......................... 20

2.1.2 Integration als Mittel der Koordination....................................................... 23

2.1.3 Gestaltungsmodelle der Koordination und Integration ............................... 27

2.2 Informationsmanagement ............................................................................ 31

2.2.1 Information als betriebliche Ressource ....................................................... 32

2.2.2 Höhere Informationsqualität durch Vermeidung von Medienbrüchen ....... 35

2.2.3 Echtzeitmanagement als Gestaltungsmodell ............................................... 37

2.3 Supply Chain Management.......................................................................... 40

2.3.1 Prozessorientierte Sichtweise ...................................................................... 41

2.3.2 Auf dem Weg zum agilen Liefernetzwerk .................................................. 46

2.3.3 IT-Systeme zur Unterstützung flexibler Logistik und Fertigung................ 51

2.4 Auto-ID-Systeme......................................................................................... 54

2.4.1 Auto-ID-Systeme im Vergleich................................................................... 54

2.4.2 Systemarchitektur von RFID-Systemen...................................................... 57

2.4.3 RFID als Basistechnologie des Ubiquitous Computing.............................. 62

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X Inhaltsverzeichnis

3 Supply Chain Management in der Automobilindustrie......................... 66

3.1 Aktuelle Situation und Herausforderungen der Branche............................. 66

3.1.1 Das Wertschöpfungsnetzwerk..................................................................... 67

3.1.2 Veränderungen und Handlungsbedarf......................................................... 70

3.2 Strategische Herausforderungen für das SCM ............................................ 72

3.2.1 Ausrichtung auf den Kunden....................................................................... 72

3.2.2 Management der Komplexität ..................................................................... 73

3.2.3 Verkürzung der Produktlebenszyklen ......................................................... 75

3.2.4 Gesetzliche Anforderungen......................................................................... 76

3.3 Abgrenzung kritischer Prozesse und Aufgaben........................................... 77

3.3.1 Teileversorgung........................................................................................... 78

3.3.2 Management von Produktionsmitteln ......................................................... 84

3.3.3 Konfigurationsmanagement ........................................................................ 85

3.4 Status des Einsatzes von IT-Systemen ........................................................ 87

3.4.1 Auftragsabwicklung mittels EDI-, ERP- und E-Business-Systemen.......... 88

3.4.2 Supply Chain Event Management............................................................... 90

3.4.3 RFID-Systeme ............................................................................................. 93

4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme.................... 98

4.1 RFID als eine Koordinations- und Integrationstechnologie ........................ 99

4.1.1 Informatorische Integration....................................................................... 101

4.1.2 Steigerung des Automatisierungsgrades ................................................... 106

4.1.3 Dezentralisierung von Entscheidungen..................................................... 109

4.2 Erster Effekt: Substitution manueller Koordination.................................. 111

4.2.1 Prozesseffizienz......................................................................................... 112

4.2.2 Prozessqualität........................................................................................... 114

4.2.3 Zusammenfassung der Potenziale und Grenzen........................................ 119

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Inhaltsverzeichnis XI

4.3 Zweiter Effekt: Netzwerkanwendungen durch Diffusion von RFID.......... 122

4.3.1 Diffusionsrichtung Integrationstiefe.......................................................... 123

4.3.2 Diffusionsrichtung Integrationsreichweite ................................................ 126

4.3.3 Externe Einflussfaktoren ........................................................................... 127

4.3.4 Zusammenfassung der Potenziale und Grenzen........................................ 130

4.4 Dritter Effekt: Neue Prozesse und Geschäftsmodelle ............................... 133

4.4.1 Reorganisation von Prozessen................................................................... 134

4.4.2 Neue Dienstleistungen............................................................................... 137

4.4.3 Zusammenfassung der Potenziale und Grenzen........................................ 139

4.5 Kosten-Nutzen-Bewertung von RFID-Anwendungen .............................. 141

4.5.1 Anforderungen an Bewertungsverfahren und Auswahl ............................ 142

4.5.2 Bewertung der Nutzeneffekte.................................................................... 145

4.5.3 Bewertung der Kosten ............................................................................... 149

5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis ................................ 153

5.1 Auswahl und Aufbereitung von Fallstudien.............................................. 153

5.1.1 Kriterien der Auswahl ............................................................................... 153

5.1.2 Durchführung der Fallstudien und Struktur der Aufbereitung.................. 155

5.1.3 Überblick ................................................................................................... 156

5.2 Management von Spezialgestellen bei Volkswagen ................................. 157

5.2.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf ......................................................... 157

5.2.2 Prozess Einsatz von Spezialladungsträgern .............................................. 158

5.2.3 Management der Behälter mit „LISON“ und „VisuM“............................ 160

5.2.4 Kosten-Nutzen-Bewertung........................................................................ 161

5.2.5 Ausblick..................................................................................................... 162

5.3 Management von Standardbehältern bei Volkswagen .............................. 163

5.3.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf ......................................................... 163

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XII Inhaltsverzeichnis

5.3.2 Der CKD-Prozess von Volkswagen.......................................................... 165

5.3.3 Geplantes Behältermanagementsystem..................................................... 167

5.3.4 Ausblick..................................................................................................... 169

5.4 Einsatz von RFID-Kleinladungsträgern in der Automobilindustrie .......... 170

5.4.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf ......................................................... 170

5.4.2 Der KLT-Kreislauf .................................................................................... 171

5.4.3 Geplantes RFID-System zur KLT-Verfolgung ......................................... 173

5.4.4 Kosten-Nutzen-Bewertung........................................................................ 173

5.4.5 Ausblick..................................................................................................... 175

5.5 Überseeversand von Packstücken bei der BLG IL.................................... 176

5.5.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf ......................................................... 176

5.5.2 Prozess der Sendungszusammenstellung im CKD-Versand..................... 177

5.5.3 Pilotsystem zur Kontrolle der Sendungszusammenstellung ..................... 178

5.5.4 Kosten-Nutzen-Bewertung........................................................................ 179

5.5.5 Ausblick..................................................................................................... 181

5.6 Reifenverfolgung in der Distribution von Continental.............................. 181

5.6.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf ......................................................... 181

5.6.2 Prozess der Reifenlogistik für die Erstausstattung.................................... 183

5.6.3 RFID-Systeme für die Reifenverfolgung .................................................. 184

5.6.4 Kosten-Nutzen-Bewertung........................................................................ 186

5.6.5 Ausblick..................................................................................................... 187

5.7 Auswirkungen aus Perspektive des Wertschöpfungsnetzwerkes .............. 188

5.7.1 Substitution manueller Koordination ........................................................ 188

5.7.2 Netzwerkanwendungen durch Diffusion................................................... 189

5.7.3 Neue Prozesse und Dienstleistungen......................................................... 191

5.7.4 Kritische Erfolgsfaktoren .......................................................................... 193

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Inhaltsverzeichnis XIII

6 Zusammenfassung und Ausblick ........................................................... 199

6.1 Beantwortung der Forschungsfragen......................................................... 200

6.2 Wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn....................................................... 203

6.3 Handlungsempfehlungen für die Praxis .................................................... 207

6.4 Das informatisierte Liefernetzwerk als reale Virtualität?.......................... 212

Literaturverzeichnis ................................................................................................. 215

Anhang A Verwendete Theorien und Konzepte .................................................... 257

Anhang B Empirische Erhebung............................................................................. 258

Motivation und Durchführung ................................................................................ 258

Interviewleitfaden ................................................................................................... 259

Anhang C Interviewverzeichnis .............................................................................. 265

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Abkürzungsverzeichnis XV

Abkürzungsverzeichnis 6σ Six Sigma ACM Association for Computing Machinery AG Aktiengesellschaft AIAG Automotive Industry Action Group AIDC Automatic Identification and Data Collection AIM Association for Automatic Identification and Mobility APS Advanced Planning System ATP Available-to-Promise Auto-ID Automatische Identifikation BAH Booz Allen Hamilton BLG Bremer Lagerhausgesellschaft BMVIT Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie BMW Bayerische Motorenwerke BPML Business Process Modeling Language BPR Business Process Reengineering BSL Bundesvereinigung Spedition und Logistik BWL Betriebswirtschaftslehre CAD Computer Aided Design CAM Computer Aided Manufacturing CAQ Computer Aided Quality assurance CCG Centrale für Coorganisation CCS Center for Coordination Science CKD Completely Knocked Down CPFR Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment CRM Customer Relationship Management CSA Connected Smart Appliances CSAC Computer Supported Activity Coordination CSC Computer Science Cooperation CSCW Computer Supported Cooperative Work DHS Department of Homeland Security DNS Domain Name Service E Electronic EAI Enterprise Application Integration

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XVI Abkürzungsverzeichnis

EAN Internationale Artikelnummer EAN-UCC EAN International and the Uniform Code Council, Inc. EDI Electronic Data Interchange EDIFACT Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and TransporteEPK erweiterte Ereignisgesteuerte Prozessketten EFQM European Foundation for Quality Management Model EG Europäische Gemeinschaft ENX European Network Exchange EPC Electronic Product Code ERP Enterprise Resource Planning ETH Eidgenössische Technische Hochschule EU Europäische Union EUR Euro EVA Economic Value Added F&E Forschung und Entwicklung FMEA Failure Mode and Effects Analysis FORWIN Bayerischer Forschungsverbund Wirtschaftsinformatik Fifo First-in-first-out GM General Motors GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GPS Global Positioning System GTL Global Transport Label GVO Gruppenfreistellungsverordnung HCI Human Computer Interaction HF High Frequency HSG Universität St. Gallen HTML Hypertext Markup Language Hrsg. Herausgeber ID Identifikation IEC International Engineering Consortium IEEE Institute of Electrical and Electronics Engineers IL International Logistics IM Informationsmanagement Inc. Incorporation IMD International Institute for Management Development IP Internet Protocol

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Abkürzungsverzeichnis XVII

IS Informationssystem ISAR Innovative und standardisierte Anwendungen von RFID ISO International Standardization Organization IT Informationstechnologie IRR Internal Rate of Return ITA Informationstechnologie in der Automobilindustrie IuK Information und Kommunikation IV Informationsverarbeitung JAMA Japan Automobil Manufacturers Association JAPIA Japan Auto Parts Industries Association JIT Just-in-time JIS Just-in-sequence KEF Kritischer Erfolgsfaktor KLT Kleinladungsträger KPI Key Performance Indicator KOVP Kundenorientierter Vertriebs- und Produktionsprozess LDL Logistikdienstleister LF Low Frequency LISON Ladungsträgerinformationssystem Online LMS Lagermanagementsystem M-Lab Mobile and Ubiquitous Computing Lab MEMS Mikroelektromechanische Systeme MES Manufacturing Executive System MIT Massachusetts Institute of Technology MMI Machine to Machine Interface MRP Material Resource Planning MTV Mehrwegtransportverpackung MW Microwave NEN Niederländisches Normungsinstitut NHTSA National Highway Traffic Security Agency NPV Net Present Value OCR Optical Character Recognition ONS Object Naming Service PDF Portable Data Format PDM Produktdatenmanagement PLM Product Lifecycle Management

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XVIII Abkürzungsverzeichnis

PML Product Markup Language POA Point of Action POC Point of Creation PPS Produktionsplanung und -steuerung ProdHaftG Produkhaftungsgesetz QR Quick Response R/3 Enterprise Resource Planning Software der SAP AG R&D Research and Development RFID Radiofrequenzidentifikation ROI Return on Investment RTLS Realtime Location System s. siehe SCM Supply Chain Management SCEM Supply Chain Event Management SCOR Supply Chain Operations Reference Model SNF Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissensch. Forschung TCO Total Cost of Ownership TCP Transmission Control Protocol TQM Total Quality Management TREAD Transportation Recall Enhancement, Accountability, and DocumentationUCC Uniform Code Council UHF Ultra High Frequency USA United States of America vgl. vergleiche VAN Value Added Network VDA Verband der Automobilindustrie VDC Venture Development Corporation VICS Voluntary Interindustry Commerce Standards VMI Vendor Managed Inventory VPN Virtual Private Network VW Volkswagen VisuM Visualisierung und Map Matching WLAN Wireless Local Area Network XML Extensible Markup Language

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1.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf 1

1 Einführung

„There is an old saying in technology that one always tends to overestimate the speed of implementation of a new technology and underestimate its impact. We are just star-ting to see the tip of the iceberg of the change to be brought about by a disruptive technology like the Internet. Add to it the potential of RFID and smart objects, and there will be profound changes in the way supply chains operate.” [Lapide 2004]1

1.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf

Die Gestaltung effizienter und zuverlässiger Liefernetzwerke ist eine Kernkompetenz der Automobilindustrie. Ansätze wie Lean Production [vgl. Schonberger 1982; Wo-mack et al. 1990] und Total Quality Management (TQM) [vgl. Shiba et al. 1990; Imai 1993], die zuerst im Bereich der Fahrzeugproduktion Anwendung fanden, gelten zu-nehmend für das gesamte Wertschöpfungsnetzwerk2. Neben Maßnahmen der Prozess-reorganisation trägt seit einigen Jahren der Einsatz von Informationstechnologien zur Leistungssteigerung von Logistik und Produktion bei. Während fortschrittliche Fer-tigungstechnologien, wie z.B. computergesteuerte Werkzeugmaschinen und Roboter, die Produktivität in der Fertigung erhöhen, führt der Einsatz von IuK-(Informations- und Kommunikations-)Technologien zu Effizienzgewinnen im Supply Chain Mana-gement (SCM) [vgl. Wildemann 2001a; Ellram/Zsidisin 2002]. Beispiele derartiger Technologien sind EDI-(Electronic-Data-Interchange-), ERP-(Enterprise-Resource- Planning-)Systeme und E-Business-Systeme, wie z.B. elektronische Marktplätze oder die Kommunikationsplattform ENX (European Network Exchange)3.

Globalisierung (physische Desintegration), Wettbewerbsdruck, steigende Erwartun-gen der Kunden und Gesetze stellen neue Herausforderungen an die Gestaltung der Liefernetzwerke [vgl. Christopher 1994, 89 ff.; Boutellier et al. 2000]. Neben Effi-zienz und Zuverlässigkeit gewinnt der Erfolgsfaktor Flexibilität an Bedeutung, wie es bspw. das Modell des agilen Liefernetzwerkes zum Ausdruck bringt [vgl. Christo-pher/Towill 2000]. Ursachen für Flexibilitätsbedarf in der Automobilindustrie sind z.B. gewachsene Marktdynamik, verkürzte Produktlebenszyklen, Variantenvielfalt und die Möglichkeit, Wettbewerbsvorteile durch neue Kooperationsformen zu erzie-len [vgl. Baumgarten/Walter 2000; Corsten/Gabriel 2002; Eisenbarth 2003].

1 Lawrence Lapide ist Research Director des Projekts Supply Chain 2020 am MIT Center for Transportation &

Logistics, web.mit.edu/ctl/www/index.html. 2 Zum Beispiel bezieht sich der ebenfalls von Womack und Jones geprägte neuere Begriff Lean Thinking expli-

zit auf das Gesamtunternehmen [vgl. Womack/Jones 2003]. 3 ENX ist ein auf dem Internet-Standard TCP/IP-basiertes Kommunikationsnetzwerk, das hohe Verfügbarkeit

und Datensicherheit für die Kommunikation bereitstellt [vgl. Göpelt 2002; ENX 2004].

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2 1 Einführung

Aus diesen Gründen sucht die Automobilindustrie beständig nach Möglichkeiten, Pro-zesse des Supply Chain Managements zu optimieren. Verschiedene Verbesserungspo-tenziale lassen sich als Konsequenz der genannten externen Anforderungen des Mark-tes oder des Gesetzgebers identifizieren:

• Verschärfter Wettbewerbsdruck infolge der Globalisierung erzeugt in der Au-tomobilindustrie einen permanenten Rationalisierungsbedarf. Insbesondere für Massenhersteller wie General Motors (GM), Toyota oder Volkswagen (VW) ist die Fähigkeit, kostengünstig produzieren zu können (bzw. die Er-langung der sog. „Kostenführerschaft“ [Porter 1992, 62]), ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor.4 Um keine Marktanteile zu verlieren, müssen die Fahr-zeughersteller neue Verfahren und Technologien zur Steigerung der Prozessef-fizienz zügig einführen. Dass insb. die europäische Automobilindustrie derzeit einen Rationalisierungsbedarf sieht, zeigen z.B. die aktuellen Kostensen-kungspläne von DaimlerChrysler, Opel und VW, die für die kommenden Jahre Kosteneinsparungen in Milliardenhöhe vorsehen [vgl. Lamparter 2004]5.

• Steigende Kundenansprüche bzgl. Produktqualität, -vielfalt und Liefertreue führen zu höherer Prozesskomplexität und höheren Anforderungen an die Pro-zesszuverlässigkeit. Die Unternehmen der Automobilindustrie erreichen die geforderte Prozesszuverlässigkeit durch aufwendige Qualitätssicherungsmaß-nahmen und hohen Nachbearbeitungsaufwand. Beispielsweise beziffert ein Fahrzeughersteller die Direktläuferquote, d.h. den Anteil der Fahrzeuge, bei denen in der Montage weder Verzögerungen noch Nachbearbeitungsaufwand auftreten, mit durchschnittlich 50 % [vgl. Fleisch et al. 2004b, 17]. Wie in der Branche üblich, verhindert der Hersteller durch mehrfache manuelle Qualitäts-kontrollen, dass fehlerhafte Fahrzeuge zur Auslieferung kommen. Die gestie-gene Variantenvielfalt, die eine kundenindividuelle Montage von Automobilen erfordert, ist ebenso eine potenzielle Fehlerquelle. Abweichungen vom Pro-duktionsplan sind ein Indiz für mangelnde Prozesszuverlässigkeit. Beispiels-weise ermittelte eine Studie für 65 % der Fahrzeuge eine Abweichung der tat-sächlichen Fertigstellungswoche von der geplanten [vgl. Straube 2004, 120].

• Ein steigendes Sicherheitsbedürfnis und zunehmendes Nachhaltigkeitsdenken kommen in neuen gesetzlichen Anforderungen zum Ausdruck. Um mögliche Folgeschäden aus Produktmängeln zu vermeiden, hat bspw. die US-Gesetzge-

4 Dies bestätigt das Beispiel des Herstellers Toyota, dessen Produktionssystem (Toyota Production System) seit

vielen Jahren in der Branche als vorbildlich gilt [vgl. Ohno 1998; Spear/Boweb 1999]. 5 Bei Volkswagen sollen beispielsweise im Rahmen des „For-Motion“-Programms die Produktionskosten um

800 Mio. Euro sinken [vgl. Handelsblatt 2004].

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1.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf 3

bung den sog. „TREAD Act6“ (Rückrufverbesserungs-, Haftungs- und Doku-mentationsgesetz für das Transportwesen) erlassen. Das Gesetz verpflichtet al-le Fahrzeughersteller und deren Zulieferer, die Produkte in den USA vertrei-ben, zur Meldung sicherheitsrelevanter Mängel an die NHTSA (National Highway Traffic Security Agency). Falls die Meldung nicht umgehend erfolgt, kann die Behörde ein Bußgeld von bis zu 15 Mio. US-$ verhängen. Die Ein-haltung des Gesetzes erfordert von den Herstellern den Aufbau eines lücken-losen Systems zur Fehler- und Mängelbeobachtung sowie zur Dokumentation der Produktkonfiguration. Für Europa erwarten Vertreter der Automobilindus-trie eine EU-Richtlinie zur Rückverfolgbarkeit, ähnlich der Richtlinie 2002/ 178/EG [vgl. EU 2002], die für die Lebensmittelindustrie eine Dokumentation von Produktzutaten auf Chargenebene verlangt. Einige Fahrzeughersteller ha-ben die Chargenrückverfolgbarkeit bei sicherheitsrelevanten Teilen auf frei-williger Basis eingeführt. Beispielsweise verlangt Volvo von seinen Zuliefe-rern für Hinterachsen, dass diese die entsprechenden Informationen sammeln. Zur Förderung des nachhaltigen Wirtschaftens hat die EU die Richtlinie 2000/53/EG [vgl. EU 2000] erlassen, die Quoten für die Wiederverwertung von Altautos vorschreibt und eine Produktkennzeichnung erfordert.

• Die Automobilindustrie unterstützt Aufgaben des SCMs zunehmend durch In-formationstechnologien. Zum Beispiel ist der Auftragsabwicklungsprozess na-hezu vollständig in IT-Systemen abgebildet. Trotzdem fehlen entscheidungsre-levante Informationen. Der Grund sind fehlende oder fehlerhafte Daten, d.h. die Angaben im IT-System stimmen nicht mit der Realität überein [vgl. Red-man 1998]. So sind bspw. Inventurdifferenzen bei Lagerbeständen zu erklären. Ein Logistikdienstleister (LDL) gibt an, dass ca. 30 % der Statusinformationen in seinem Tracking-System nicht aktuell sind [vgl. Fleisch et al. 2004a, 8]. Die mangelnde Visibilität im Liefernetzwerk führt bei Automobilherstellern zu Unsicherheiten bei der Fertigungsplanung, teuren Expresslieferungen und er-höhtem Koordinationsaufwand in der Zulieferbeziehung. Deshalb ist die Erhö-hung der Visibilität im Liefernetzwerk anzustreben [vgl. Straube 2004, 97 ff.].

• Während die Automobilproduktion und große Lagerhäuser hochgradig auto-matisiert sind, ist die Automatisierung von ungeführten Prozessen der Trans-portlogistik mit traditionellen Technologien nicht wirtschaftlich. Im Unter-schied zu schienengebundenen sind bei ungeführten Transporten die Routen nicht genau vorgegeben, um eine flexible Belieferung beliebiger Orte zu er-möglichen. Eine automatische Überwachung und Steuerung dieser Prozesse er-

6 Transportation Recall Enhancement, Accountability, and Documentation Act [NHTSA 2000]

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4 1 Einführung

fordert derzeit die Verwendung relativ teurer mobiler Technologien, z.B. GPS- oder anderer Positionierungssysteme. Aus diesem Grund ist beispielsweise das Behältermanagement in der Automobilindustrie gering automatisiert. Eine Fol-ge ist, dass pro Jahr durchschnittlich 5 % der Behälter verschwinden und die Auslastung ineffizient ist. Große Spezialbehälterpools verursachen deshalb jährliche Kosten von mehreren Millionen Euro [vgl. Aberdeen 2004].

Die aktuelle Diskussion um Logistikinnovationen beschreibt RFID (Radiofrequenz-identifikation) als eine Technologie zur Vermeidung oder Reduzierung o.g. Probleme des Liefernetzwerkes [vgl. Kambil/Brooks 2002; McFarlane/Sheffi 2003]. RFID ist ähnlich wie der Barcode eine Technologie zur automatischen Identifikation (Auto-ID), bei der die Kennzeichnung auf einem Chip gespeichert ist, der diese per Funk an ein Erfassungsgerät senden kann [vgl. Finkenzeller 2002]. Die Vorteile von RFID-Systemen gegenüber den in der Logistik weit verbreiteten Barcode-Systemen sind die Möglichkeiten der Erfassung ohne Sichtkontakt, der gleichzeitigen Erfassung mehre-rer Objekte (Pulkerfassung), der Speicherung der Daten am Objekt sowie die Wider-standsfähigkeit des Chips gegen äußere Einflüsse (Hitze, Staub, Wasser). Diese Ei-genschaften steigern die Effizienz von Identifikationsvorgängen und unterstützen die für E-Logistik-Anwendungen notwendige Integration des physischen Materialflusses mit dem Informationsfluss. Wegen der gegenüber dem Barcode erweiterten Funktio-nalität bezeichnen einige Autoren RFID als nächste evolutionäre Stufe der automati-schen Identifikation nach dem Barcode [vgl. Fleisch 2001]. Das folgende Praxisbei-spiel einer operativen RFID-Anwendung bei BMW7 zeigt den Einsatz der Technolo-gie zur Unterstützung der Prozesszuverlässigkeit:

Fallbeispiel: Verfolgung von Kabelbäumen bei BMW

Der Automobilhersteller BWM verwendet ein RFID-System8 zur automatischen Iden-tifikation von Kabelbäumen, um manuellen Arbeitsaufwand zu reduzieren und Fehler beim Einbau zu vermeiden. Die Kennzeichnung der Kabelbäume führt der Zulieferer Dräxlmeier9 durch, der täglich durchschnittlich 800 Kabelbäume nach dem Just-in-time-(JIT-)Verfahren an das BMW-Werk in Regensburg liefert. Die RFID-Chips sind an der wieder verwendbaren Transporttasche des Kabelbaums angebracht. Die Kabel-bäume sind fahrzeugindividuell und die Monteure müssen beim Einbau in ein Fahr-zeug darauf achten, dass sie den richtigen Kabelbaum verwenden. Mittels eines RFID-Erfassungsgerätes identifizieren die Monteure den passenden Kabelbaum und vermeiden aufwendige Suchaktionen sowie Fehler bei der Auswahl. Falsch eingebau-

7 www.bmwgroup.com 8 Es handelt sich um ein Moby-L-System von Siemens, das die Frequenz 13,56 MHz verwendet. 9 www.draexlmeier.de

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1.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf 5

te Kabelbäume verursachen Kosten für den Austausch oder, falls dies nicht mehr möglich sein sollte, die Verschrottung des gesamten Fahrzeugs. Weitere Fehlerfolge-kosten, die eine verzögerte Auslieferung der betroffenen Fahrzeuge verursacht, sind dabei nicht eingerechnet. Das eingesetzte RFID-System rentiert sich wegen der Kos-teneinsparungen. Die relativ hohen Kosten von RFID-Systemen im Vergleich zu an-deren Auto-ID-Technologien ist für BMW der Hauptgrund dafür, dass RFID bisher hauptsächlich in Spezialanwendungen wie der hier beschriebenen zum Einsatz kommt.

Technologische Fortschritte in der Chiptechnologie, Standardisierung der Kommuni-kationsprotokolle und sinkende Preise führen zu einem wachsenden Anwendungs-spektrum von RFID [vgl. Das/Harrop 2001]. Während die Technologie weite Verbrei-tung bei Zutrittskontrollsystemen und zur Produktionssteuerung in der Automobilin-dustrie besitzt, sind Anwendungen in der Logistik selten. Allerdings sehen verschie-dene Autoren die Vorteile der Technologie vorwiegend in der effizienteren Abwick-lung von Transport- und Umschlagprozessen, z.B. durch automatische Warenein-gangsbuchungen oder effizientes Management von Produktionsmitteln (Asset Mana-gement) [vgl. Alexander et al. 2002b; Pflaum 2001, 144 ff.]. Des Weiteren sehen sie Potenziale zur Verbesserung der Steuerung von Lieferketten mithilfe der durch RFID-Systeme gewonnenen Informationsgranularität10, die z.B. eine zuverlässigere Nachbe-vorratung oder die lückenlose Rückverfolgbarkeit ermöglicht [vgl. Chappell 2002; Kärkkäinen/Holström 2002; McFarlane 2003]. Weitere diskutierte Anwendungsgebie-te sind der Diebstahlschutz und Echtheitsnachweis [vgl. SLA 2002]. Darüber hinaus ermöglicht die Technologie die Umgestaltung von Prozessen und neue Dienstleistun-gen, wie z.B. nutzungsabhängige Bezahlmodelle. Sie unterstützt Anwendungen, die auf fehlerfreie und feingranulare Informationen angewiesen sind, bspw. Vendor Ma-naged Inventories (VMIs) oder SCEM [vgl. Fleisch et al. 2004a].

Schätzungen von Marktforschungsinstituten sehen Anwendungen im SCM als Treiber für die Verbreitung von RFID. Allied Business Intelligence schätzt, dass der Umsatz mit RFID-Technologie und Integrationsdienstleistungen von 1,3 Mrd. US-$ (Stand 2003) in den kommenden Jahren um jährlich 20 % wachsen wird [vgl. RFID-Journal 2003]11. Mit 48 % soll im Jahr 2008 der größte Anteil auf Anwendungen im Bereich des SCMs entfallen. Hingegen bewertet Gartner RFID zwar auch als eine nützliche Technologie, weist aber gleichzeitig auf fehlende Wirtschaftlichkeitsnachweise und die noch unausgereifte Technologie hin. Diese Faktoren können bald zu einer Ernüch-

10 Informationsgranularität ist gleichbedeutend mit dem Detaillierungsgrad der Information. In der betrieblichen

Informationsverarbeitung besteht ein Trend zunehmender Informationsgranularität zur Unterstützung kom-plexerer Aufgaben [vgl. Österle et al. 1992, 24].

11 Ähnliche Wachstumsraten prognostizieren [Frost&Sullivan 2004], [Forrester 2002] und [VDC 2003].

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6 1 Einführung

terung in der Bewertung von RFID führen und die Verbreitung von RFID verzögern [vgl. Gartner 2004a]. Vor diesem Hintergrund stellen sich viele Unternehmen die Fra-ge, welchen Mehrwert RFID ihnen bringen kann und wie ein mögliches Vorgehen zu dessen Realisierung aussieht. Zur Beantwortung dieser Frage evaluieren Unternehmen der Automobilindustrie derzeit verschiedene Anwendungsszenarien der Technologie [vgl. Strassner/Fleisch 2003].

1.2 Forschungsfragen und Ergebnisse

Die vorliegende Arbeit möchte Unternehmen bei der Bewertung des Einsatzes von RFID-Systemen im SCM unterstützen. Die zentrale Fragestellung lautet: „Welchen Mehrwert besitzen RFID-Systeme für das Supply Chain Management der Automobil-industrie?“ Zur Beantwortung dieser Frage behandelt die Dissertation folgende hin-führende Forschungsfragen:

1. Wie unterstützt RFID die Koordination von Ressourcen im Supply Chain Ma-nagement?

2. Welche möglichen Nutzeneffekte entstehen durch verbesserte Koordination im Supply Chain Management der Automobilindustrie?

3. Welche Grenzen bestehen für den wirtschaftlichen Einsatz von RFID-Syste-men?

4. Welche kritischen Erfolgsfaktoren müssen die Unternehmen bei der Planung der Einführung von RFID-Systemen beachten?

Die Ergebnisse dieser Arbeit basieren auf Anforderungen und Erkenntnissen aus der Automobilindustrie (s. Tabelle 1-1), die repräsentativ für eine Reihe anderer Indus-trien ist, die kundenindividuelle Produkte in hohen Stückzahlen herstellen und für die effiziente Beschaffungs-, Produktions- und Distributionsnetzwerke wettbewerbsrele-vant sind. Der Adressatenkreis umfasst Personen aus Wissenschaft und Praxis, die sich mit SCM-Systemen befassen. Der Beitrag für die Wissenschaft besteht in

• der Einordnung von RFID als Koordinationstechnologie, welche ressourcenba-sierte Koordinationsprobleme im SCM löst oder verringert. Anwendungsorien-tierte Wissenschaftler können diese Erkenntnisse auf andere Anwendungsge-biete (koordinationsabhängige Prozesse) übertragen.

• dem Vorschlag zur Erweiterung des im Rahmen der Koordinationstheorie ver-wendeten Integrationsmodells um den Aspekt der Integrationstiefe zur Darstel-lung des Integrationsgrades der realen Welt mit IT-Systemen.

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1.2 Forschungsfragen und Ergebnisse 7

• dem Vorschlag zur Verwendung von Regelkreisen als Gestaltungselement von SCM-Systemarchitekturen, welche die Potenziale von Integrationsreichweite und -tiefe nutzen.

• der Ableitung neuer Forschungsfragen. Anwendungsorientierte Wissenschaft-ler gewinnen diese bspw. durch Betrachtung weiterer Technologien (z.B. Sen-sornetzwerke oder Ubiquitous Computing [vgl. Mattern 2004]) oder die Be-wertung neuer RFID-basierter Geschäftsmodelle, die diese Arbeit nur am Ran-de behandelt. Empirisch quantitativ forschende Wissenschaftler können aus den Erkenntnissen der Arbeit, insb. aus dem Erklärungsmodell (s. Kapitel 4), Hypothesen ableiten, die empirisch quantitativ überprüfbar sind.

Der Beitrag für die Praxis, insb. für Entscheidungsträger aus dem SCM der Automo-bilindustrie, aber auch für Systemintegratoren, die an der Planung von RFID-Syste-men beteiligt sind, besteht in

• einem Erklärungsmodell, das die Auswirkungen von RFID auf das SCM der Automobilindustrie in Abhängigkeit des Integrationsbedarfs und externer Fak-toren wie Systemkosten, Standards und technologischer Reife erklärt.

• einem Beschreibungsmodell, das Ausbaustufen von RFID-Systemen in der Lieferkette beschreibt. Das Modell ermöglicht Unternehmen, ihre RFID-Aktivitäten einzuordnen, um situativ das weitere Vorgehen zu planen.

• Handlungsempfehlungen, die Unternehmen bei der Bewertung möglicher Nut-zeneffekte und der Berücksichtigung kritischer Erfolgsfaktoren bei der Durch-führung von RFID-Projekten unterstützen.

• der Darstellung von Fallstudien als Referenzlösungen, anhand derer Unterneh-men Erkenntnisse für eigene RFID-Projekte ableiten können.

Fragen aus der Praxis Ergebnisbezug Welchen Mehrwert erzeugt RFID im SCM? Erklärungsmodell

Welche Anwendungsmöglichkeiten gibt es? Beschreibungsmodell

Wie lassen sich RFID-Aktivitäten einzelner Unternehmen im Vergleich zur Branche einordnen? Beschreibungsmodell

Wie können Anwender die Risiken des RFID-Einsatzes minimieren? Handlungsempfehlungen

Welche Vorgehensweise unterstützt die Realisierung ei-nes nachhaltigen Mehrwertes durch RFID? Handlungsempfehlungen

Tabelle 1-1: Beispiele für Praxisfragen zum RFID-Einsatz und deren Ergebnisbezug

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8 1 Einführung

1.3 Einordnung und Abgrenzung

Verschiedene Autoren beschäftigen sich aus anwendungsorientierter Perspektive mit RFID. Die Mehrzahl aktueller Veröffentlichungen kommt aus der Praxis, insb. von Unternehmensberatungen [vgl. Alexander et al. 2002b; Accenture 2004; BAH/M-Lab 2004], Technologieanbietern [vgl. Richter 1999; TrenStar 2003] und Marktfor-schungsinstituten [vgl. Forrester 2002; Gartner 2002] (s. Tabelle 1-2). Das Auto-ID-Center des Massachusetts Institute of Technology (MIT)12 hat Arbeitsberichte zu RFID-Anwendungen in verschiedenen Branchen veröffentlicht. Der Einsatz von RFID in der Lieferkette des Handels bildet einen Themenschwerpunkt dieser Veröffentlichungen [vgl. Alexander et al. 2002a; Chappell et al. 2002a]. Weitere Berichte existieren für die Pharmaindustrie [vgl. Koh et al. 2002b], LDL [vgl. Boushka et al. 2002], die Au-tomobilindustrie [vgl. Strassner/Fleisch 2003] und das Asset Management [vgl. Aber-deen 2004]. Diese Berichte vermitteln einen Überblick über praktische Problemstel-lungen, die Ansatzpunkte für einen RFID-Einsatz sind. Sie argumentieren bei der Nutzenbewertung vorwiegend qualitativ bzw. legen Bewertungsmodelle nicht offen.

Publikationen aus der Praxis [Aberdeen 2004] Potenzialanalyse für das Asset Management [Accenture 2004] Potenzialanalyse für die Wertschöpfungskette[Das/Harrop 2001] Anwendungen einer globalen Auto-ID-

Infrastruktur, dem sog. „Internet der Dinge“ [Fano/Gershman 2002] Geschäftsmodelle mit RFID und weiteren

Technologien des Ubiquitous Computing [Forrester 2002] [Gartner 2002] [Gartner 2003a] [Gartner 2004a] [ten Hompel/Lange 2004][VDC 2003]

Einschätzungen zur Marktentwicklung von RFID-Technologien und -Anwendungen

Nutzeneffekte von RFID für verschiedene Prozesse und Geschäfts-modelle, Marktein-schätzungen

[RFID-Journal 2004] [SLA 2004]

Elektronische Zeitschriften mit umfangreichen Fallsammlungen und Markteinschätzungen

[Alexander et al. 2002a] [Alexander et al. 2002b] [Chappell et al. 2002a] [Chappell et al. 2003a] [Metro 2004]

Potenzialanalyse für die Lieferkette des Handels

[Chappell et al. 2003b] Potenzialanalyse für Konsumgüterhersteller

Nutzeneffekte von RFID für einzelne Branchen bzw. Unter-nehmen

[BAH/M-Lab 2004] [Boushka et al. 2002]

Potenzialanalyse für Logistikdienstleister

Tabelle 1-2: Ausgewählte anwendungsorientierte Publikationen aus der Praxis

12 Das Auto-ID-Center wurde 2000 am MIT mit dem Ziel gegründet, einen Standard für den Einsatz kosten-

günstiger RFID-Technologie zu schaffen [vgl. Sarma 2001]. Siehe auch www.autoidlabs.org/whitepapers/.

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1.3 Einordnung und Abgrenzung 9

Im Zeitverlauf wechselnde Einschätzungen von Marktforschungsinstituten bzgl. der Verbreitung von RFID weisen darauf hin, dass ein zuverlässiges Bewertungsmodell für aktuelle und zukünftige RFID-Anwendungen fehlt. [Forrester 2002] stellt z.B. einen Zeitplan für die Einführung von verschiedenen RFID-Anwendungen auf, gemäß dem 2009 bereits 2 % aller Konsumgüter (von insg. ca. 20 Mrd.) einen RFID-Chip besitzen. Der Preis pro RFID-Label soll dann bei 1 US-Cent liegen. Während auch [Gartner 2003a] sinkende Chippreise und die Entwicklung von Standards als Treiber der Verbreitung von RFID identifiziert, weisen Analysten in der letzten Zeit vermehrt auf Risiken hin. So können mangelnde technologische Reife oder fehlende Wirt-schaftlichkeitsanalysen die Einführung von RFID verzögern [vgl. Gartner 2004a].

Verschiedene elektronische Zeitschriften befassen sich ausschließlich mit dem Thema RFID und berichten über technologische Entwicklungen, Fortschritte in der Standar-disierung, aktuelle Konferenzen und Fallbeispiele [s. RFID-Journal 2004; SLA 2004]. Praxisorientierte Logistikzeitschriften berichten derzeit regelmäßig über RFID, wie z.B. die Zeitschrift Supply Chain Management Review in ihrem „RFID Report“ [s. Spiegel 2004], oder behandeln RFID als Schwerpunktthema in einzelnen Ausgaben, z.B. Logistik Heute [s. LH 2004] oder Industrie Management [s. IM 2004].

Wenige Veröffentlichungen beschäftigen sich aus betriebswirtschaftlicher Perspektive mit RFID. Die Aufsätze [Kärkkäinen/Holström 2002] und [McFarlane/Sheffi 2003] sind Beispiele für in wissenschaftlichen Zeitschriften zu diesem Thema erschienene Beiträge. Beide analysieren den möglichen Nutzen von RFID für das SCM, indem sie Anwendungsmöglichkeiten beschreiben, ohne einzelne Problemstellungen anhand von Fallstudien vertieft zu behandeln. Hingegen bewerten [Kärkkäinen 2003] und [Roussos et al. 2002] den RFID-Einsatz im Handel anhand konkreter Fallstudien. Sie beschreiben lokale Nutzeneffekte, die Pilotanwendungen z.B. bei der Wareneingangs-kontrolle, bei der Durchlaufgeschwindigkeit verderblicher Waren oder beim Kunden-service im Supermarkt erzielt haben. Einen möglichen Beitrag von mit Transpondern ausgerüsteten Containern zur Erhöhung der Sicherheit von Liefernetzwerken unter-suchen [Lee/Whang 2005]. Einen Nachweis der Generalisierbarkeit der Ergebnisse und die Bewertung der Nutzeneffekte aus der übergeordneten Perspektive des SCMs nehmen die zuvor genannten Arbeiten allerdings nicht vor.

Die aktuelle SCM-Literatur berücksichtigt RFID als technologischen Treiber für Pro-zessinnovationen in Logistik und Produktion [vgl. Wannenwetsch 2002, 190; Daven-port/Brooks 2004, 17 f.]. [Friedli 2004] sieht die flexible Fertigung als mögliches An-wendungsgebiet von RFID. Gemäß [Straube 2004, 294 ff.] unterstützt RFID die E-Logistik, indem sie die Visibilität in Logistiknetzwerken erhöht. Technologische Fragestellungen zu RFID sind in der Literatur umfassend dokumentiert. Zur Basislite-ratur gehört das RFID-Handbuch [s. Finkenzeller 2002], das einen Überblick über ver-fügbare RFID-Systeme, deren technologische Funktionsweise und Anwendungsbei-

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10 1 Einführung

spiele liefert. Darüber hinausgehende aktuelle technologische Entwicklungen, Stan-dardisierungsvorhaben, Hilfestellungen zur Systemauswahl und -einführung mit Schwerpunkt auf den Handel beschreiben z.B. [Kleist et al. 2004; Shepard 2004]. Verschiedene Autoren präsentieren technische Demonstratoren oder Prototypen, bei denen der Nachweis der technischen Machbarkeit und die Originalität im Vorder-grund stehen und die Betrachtung des betriebswirtschaftlichen Nutzens – wenn über-haupt – nur am Rande erfolgt [vgl. Vrana 2002; Lampe et al. 2004].

Wirtschaftswissenschaftliche Publikationen [Bossard 2004] Potenzialanalyse von RFID und Sensortech-

nologien für die Nachbevorratung [Ferguson 2002] [Fleisch/Dierkes 2003]

Innovative Geschäftsmodelle mit RFID und Ubiquitous Computing

[Lee/Whang 2005] Auswirkungen von RFID auf die Sicherheit von Liefernetzwerken

[Kärkkäinen/Holström 2002][McFarlane/Sheffi 2003] [Pflaum 2001]

Potenzialanalyse von RFID und anderen mo-bilen Technologien für das SCM

Nutzeneffekte von RFID und Bewertungs-verfahren für verschiedene Prozesse und Geschäfts-modelle

[Koh et al. 2002a] Modell einer „intelligenten“ Lieferkette [Fleisch/Tellkamp 2003] Simulationsmodell zur Untersuchung der

Auswirkungen fehlerhafter Lagerbestandsda-ten auf die Lieferkette des Handels

[Kärkkäinen 2003] Fallstudie über den Einsatz von RFID in der Lieferkette des Händlers Sainsbury

[Koh et al. 2002b] Einsatz von RFID zur sicheren Rückverfolg-barkeit in der Lieferkette der Pharmaindustrie

[Oberholzer 2003] Geschäftsmodelle für den Einsatz von RFID und anderen Technologien des Ubiquitous Computing in der Versicherung

[Roussos et al. 2002] Fallstudie über den Einsatz von RFID und weiteren Technologien im Supermarkt

Nutzeneffekte von RFID für einzelne Branchen bzw. Unter-nehmen (em-pirische Stu-dien, Fallstu-dien)

[Strassner/Fleisch 2003] Potenzialanalyse für die Automobilindustrie Tabelle 1-3: Ausgewählte wirtschaftswissenschaftliche Publikationen

Abgrenzung und Wahl des theoretischen Bezugsrahmens

Die vorliegende Arbeit befasst sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht mit Auswirkun-gen des RFID-Einsatzes und möchte Unternehmen bei der Bewertung der Nutzenpo-tenziale für das SCM unterstützen. Die o.g. betriebswirtschaftlichen Arbeiten liefern wenige Hinweise auf ein mögliches forschungsmethodisches Vorgehen zur Untersu-chung der RFID-Technologie. Pflaum verwendet zur Beantwortung seiner Fragestel-lung, ob RFID „die zukünftig bessere Identifikationstechnologie für das Management von Transportketten“ [Pflaum 2001, 63] ist, das volkswirtschaftliche Marktmodell. Dementsprechend ermittelt er Anforderungen (Bedarfe) an die automatische Identifi-kation in Logistikprozessen und vergleicht diese mit den Eigenschaften der unter-

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1.3 Einordnung und Abgrenzung 11

suchten Identifikationstechnologien. Die Bewertung erfolgt ausschließlich qualitativ und setzt den inhaltlichen Schwerpunkt auf die Technologieevaluation.

In der Literatur findet die Kontingenztheorie (situativer Ansatz) [vgl. Fiedler 1967] zur Beurteilung des Mehrwerts neuer Technologien Anwendung. Diese interdiszipli-när anwendbare Theorie geht davon aus, dass ein System dann effizient arbeitet, wenn seine Struktur an die jeweilige durch Einflussfaktoren bestimmte Situation angepasst ist.13 Wie z.B. [Kotha/Swamidass 2000] und [Das/Narasimhan 2001] zeigen, lässt sich die Kontingenztheorie zur Beurteilung des Nutzenpotenzials von Technologien in Un-ternehmen einsetzen. In ihren Arbeiten erklären die Autoren, unter welchen Voraus-setzungen in der Fertigung (z.B. Fließ-, Werkstatt-, Massenfertigung, Massenindivi-dualisierung) der Einsatz bestimmter Fertigungstechnologien ökonomisch sinnvoll ist. Auch für diese Arbeit stellt die Kontingenztheorie einen geeigneten theoretischen Be-zugsrahmen dar, weil die Sinnhaftigkeit des RFID-Einsatzes für konkrete Anwendungs-fälle zu klären und in Abhängigkeit von externen Einflussfaktoren zu bewerten ist.

Die Koordinationstheorie [vgl. Malone 1988], die ähnlich wie die Kontingenztheorie auf der Systemtheorie aufbaut und interdisziplinär anwendbar ist, stellt einen weiteren möglichen Bezugsrahmen dar. Sie beschäftigt sich mit Maßnahmen zur Auflösung oder Reduzierung [vgl. Fleisch 2000, 270 f.] von Ressourcenkonflikten (Koordinati-onsproblemen). Bezüglich der betrachteten Akteure (Menschen, Maschinen) und der Ressourcen (materielle, informatorische) trifft die Koordinationstheorie keine Ein-schränkungen. Dementsprechend findet sie in der Literatur sowohl in Bezug auf orga-nisatorische Koordinationsprobleme (z.B. im SCM) als auch bei technologischen Ko-ordinationsproblemen (z.B. in verteilten Computersystemen) Anwendung. Die Koor-dinationstheorie untersucht Prozessauswirkungen von Koordinationstechnologien, die koordinationsintensive Prozesse unterstützen, wie z.B. Internet- oder Groupware-Sys-teme, in Abhängigkeit von der Verbreitung der Technologien. In diesem Sinne ordnet die vorliegende Arbeit RFID als eine Koordinationstechnologie ein und leitet mögli-che Auswirkungen auf das SCM ab.

Während sich die Mehrzahl der anwendungsorientierten Veröffentlichungen zum Thema RFID an den Anforderungen im Handel orientiert, ist der Untersuchungs-gegenstand dieser Arbeit die Automobilindustrie. Diese verwendet RFID-Systeme schon seit mehr als zehn Jahren in der Produktionssteuerung und ist derzeit gemäß Abnahmemenge der führende Anwender von RFID-Produkten [vgl. Graham 2004]14. 13 Die Kontingenztheorie findet in der Managementliteratur verbreitet Anwendung. Beispielsweise zeigen

[Hofer 1975] und [Venkatraman/Prescott 1990] unter Verwendung der Kontingenztheorie, dass die Anpas-sung der Unternehmensstrategie an wechselnde Umweltbedingungen ein kritischer Erfolgsfaktor ist.

14 Graham zitiert das Marktforschungsinstitut Allied Business Intelligence mit der Aussage: „Automotive In-dustry Drives the RFID Market, Retail Still Waiting for Shoppers“. Allerdings bezieht sich die führende Rol-le der Automobilindustrie nicht auf SCM-Anwendungen.

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12 1 Einführung

Da die Unternehmen RFID mittlerweile auch als mögliche SCM-Technologie be-trachten, entsteht die Notwendigkeit von Standards. Die Industrieverbände koordinie-ren entsprechende Standardisierungsaktivitäten. Zum Beispiel haben die Verbände VDA (Verband der Automobilindustrie) und ITA (Informationstechnologie in der Automobilindustrie) den Arbeitskreis ISAR (Innovative und standardisierte Anwen-dungen von RFID) gegründet. Dessen Aufgabe ist die Formulierung von Anforderun-gen an Standards für verschiedene Anwendungen, wie z.B. das Behältermanagement oder die Produktkennzeichnung. Die Standards sollen Investitionen in RFID-Infrastruktur sichern und kollaborative Anwendungen ermöglichen. Ähnliche Bestre-bungen gibt es auch in den USA. Dort hat die AIAG (Automotive Industry Action Group) den Standard B-11 verabschiedet, der die Verwendung von RFID zur Kenn-zeichnung von Autoreifen als Alternative zur Verwendung von 2D-Codes vorsieht [vgl. AIAG 2004a]15.

Das Liefernetzwerk der Automobilindustrie ist wegen dessen gut organisierter Prozes-se ein geeigneter Untersuchungsgegenstand, um Nutzeneffekte von RFID zu identifi-zieren, die nicht ausschließlich durch Maßnahmen der Prozessreorganisation erreich-bar sind. Unter diesen Voraussetzungen ergibt sich der Mehrwert von RFID aus dem Vergleich der Situation vor RFID-Einführung mit der danach. Die Untersuchung be-zieht neben operativen Anwendungen auch Pilotanwendungen und Konzepte als Be-wertungsgrundlage mit ein. Dies erscheint dem Autor notwendig, da die Anzahl oper-ativer RFID-Anwendungen gering ist und sich innovative SCM-Anwendungen erst in der Konzept- bzw. Pilotphase befinden. Bezüglich der in den untersuchten Anwen-dungen eingesetzten RFID-Systeme bestehen keine Einschränkungen auf bestimmte Systemtypen, wie z.B. aktive oder passive. Allerdings gehören mögliche Nutzen-effekte der Verwendung von Sensoren, die Bestandteil von RFID-Systemen sein kön-nen, nicht zum Untersuchungsgebiet dieser Arbeit.

Verschiedene Autoren beschäftigen sich mit Auswirkungen von IT auf einzelne Bran-chen [vgl. Monteiro/Macdonald 1996; Mendelson/Kraemer 1998]. In Abhängigkeit davon, welche Art von Auswirkungen die Autoren untersuchen, unterscheiden [Crowston/Myers 2004] drei Perspektiven. Die institutionelle Perspektive betrachtet die spezifischen Gesetze und Normen, die Wettbewerb und Leistungserstellung in ei-ner Branche beeinflussen. Hierzu zählen in der Automobilindustrie z.B. gesetzliche Sicherheitsanforderungen sowie Standards in Logistik und Datenaustausch. Die öko-nomische Perspektive konzentriert sich auf den Wettbewerb innerhalb der Branche und bewertet wirtschaftliche Aktivitäten nach dem Kosten-Nutzen-Prinzip (Wert der eingesetzten Faktoren im Verhältnis zum Ergebnis). Häufig verwenden Autoren in

15 Einen aktuellen Stand der Standardisierung von Auto-ID-Verfahren präsentiert [AIAG 2004b].

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1.4 Forschungskonzeption 13

diesem Zusammenhang das Wertkettenmodell nach [Porter/Millar 1985]. Die sozio-kulturelle Perspektive untersucht die sozialen, organisatorischen und kulturellen Bezie-hungen zwischen Menschen und Organisationen innerhalb einer Branche [Scott 1995]. Diese Arbeit verwendet primär die ökonomische Perspektive zur Bewertung der Aus-wirkungen von RFID auf das SCM, berücksichtigt aber auch gesetzliche Rahmenbe-dingungen und Standards, soweit diese den Einsatz von RFID betreffen (s. Tabelle 1-4).

Merkmal Ausprägungen Unternehmen im Liefernetzwerk Zulieferer Fahrzeugher-

steller Logistikdienst-

leister Handel

Perspektive institutionell ökonomisch sozio-kulturell

SCM-Ebene Strategie Prozess IT-System

Funktionsbereich Beschaffung Produktion Distribution Entsorgung

RFID-System aktiv Passiv Daten-speicher Sensoren

Interaktionstyp Mensch-zu-Mensch Mensch-zu-Maschine

Maschine-zu-Maschine

Projektstatus Konzept Pilot operative Anwendung

Legende: Untersuchungs- bereich

kein Schwerpunkt der Untersuchung

Tabelle 1-4: Untersuchungsgegenstand der Arbeit

1.4 Forschungskonzeption

Die Arbeit verwendet die Koordinationstheorie in Verbindung mit dem situativen An-satz als wissenschaftstheoretische Perspektive. In diesem Sinne ist zu zeigen, dass RFID ein Koordinationsinstrument des SCMs ist und welche Auswirkungen ihr Ein-satz in verschiedenen Situationen, wie z.B. unterschiedlichen Prozessen, dem Auto-matisierungsgrad oder der Existenz von Standards, hat. Während in der Praxis erst wenige operative Anwendungen für eine systematische Evaluation zur Verfügung stehen, bestehen in der Betriebswirtschaftslehre (BWL) keine Empfehlungen über geeignete Theorien und Ansätze zur Erklärung der Auswirkungen von RFID. Auf-grund dieses Erkenntnisstands verwendet die Arbeit eine qualitativ konstruktivistische und theoretisch fundierte Forschungsmethodik. Folgende Abschnitte beschreiben die wissenschaftstheoretische Einordnung und das forschungsmethodische Vorgehen zur Erarbeitung der Ergebnisse.

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14 1 Einführung

Wissenschaftstheoretische Einordnung

In der BWL existieren unterschiedliche Auffassungen über den Wissenschaftsbegriff und wissenschaftliche Methoden.16 Ausgehend von einem Verständnis der BWL als angewandte Wissenschaft, ist ihr Erkenntnisinteresse an praktischen Zielen ausgerich-tet und bearbeitet Fragestellungen durch die Verknüpfung von Theorie und Praxis. In diesem Sinn versteht [Ulrich 1981, 167 ff.]17 die BWL als angewandte Sozialwissen-schaft, die auf der Analyse verschiedener Handlungsalternativen, der Entwicklung von Modellen und der Vermittlung von Wissensgrundlagen für praktisches Handeln basiert. Entsprechend dieser Auffassung verfolgt die vorliegende Arbeit das Ziel, Un-ternehmen der Automobilindustrie bei der Bewertung und Planung des Einsatzes von RFID-Systemen zu unterstützen.

Zentrales Kriterium ist die Problemlösungskraft der konstruktivistisch erstellten Mo-delle [Ulrich 2001, 225 ff.]. Eine reine Beschreibung der Wirklichkeit ist demnach nicht zielführend. Die angewandte Forschung zielt somit nicht primär auf die Über-prüfung theoriegeleiteter Hypothesen in einer bereits bestehenden Realität ab. Dies schließt nicht aus, dass z.B. zur Begründung von Handlungsempfehlungen auch die Verwendung von Erklärungsmodellen sinnvoll sein kann. So entwickelt diese Arbeit ein Erklärungsmodell, das Unternehmen hilft, mögliche Auswirkungen des RFID-Ein-satzes zu bewerten und entwickelt auf dieser Grundlage Handlungsempfehlungen.

Die behandelten Probleme entstehen in der betrieblichen Praxis. Die fachliche Weiter-entwicklung besteht in einer gegenseitigen Durchdringung von Theorie und Anwen-dungsbezug. Die getroffenen Aussagen sind wertend und normativ [vgl. Ulrich 2001, 125 ff.]. Gemäß dem anwendungsorientierten Wissenschaftsverständnis von Ulrich möchte diese Arbeit Entscheidungsträger in Unternehmen, die den Einsatz von RFID planen, mit Bewertungsmodellen und Handlungsempfehlungen unterstützen. Zur Fun-dierung verwendet die Arbeit Aussagen der Koordinationstheorie sowie Modelle aus dem Informationsmanagement und dem SCM. Über die Anwendung dieser Theorien und Modelle hinausgehend möchte der Autor mit seinen Ergebnissen einen Beitrag zu deren Erweiterung leisten.

16 Einen Überblick vermitteln u.a. [Wöhe/Döring 2000, 1 ff.], [Raffée 1995] und [Thommen/Achleitner 2003]. 17 Ulrich begründet mit seiner „Systemorientierten Managementlehre“ eine neue betriebswirtschaftliche For-

schungsrichtung, die ausgehend von der Universität St. Gallen in der deutschsprachigen Literatur weite Ver-breitung erlangt hat [vgl. Schwaninger 2001, 588].

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1.4 Forschungskonzeption 15

Methodisches Vorgehen

Die Frage nach der Gestaltung des RFID-Einsatzes im SCM lässt sich mit den Attri-buten problemorientiert, konkret und situativ beschreiben. SCM gehört zu den Diszi-plinen, in denen bisher keine Theoriebildung stattgefunden hat. Das pragmatische Wissenschaftsziel steht im Vordergrund [vgl. Göpfert 1999, 20]. Die vorliegende Ar-beit verwendet wegen der geringen Anzahl der für eine Untersuchung zur Verfügung stehenden RFID-Anwendungen und ihrer Gestaltungsorientierung einen qualitativen Forschungsansatz. Zur Beantwortung der Forschungsfrage eignet sich die Aktionsfor-schung (Action Research) [vgl. Checkland/Holwell 1998, 9 ff.; Fleisch 2000, 290 ff.]. Bei deren Anwendung beobachtet der Forscher nicht nur, sondern nimmt aktiv an der Gestaltung des Gegenstandsbereichs der Forschung teil. Die angewandte Logistikfor-schung verwendet die Aktionsforschung zur Erhöhung der Praxisrelevanz ihrer Er-gebnisse [vgl. Näslund 1999]. Das Ziel ist die Gewinnung von Handlungsorientierun-gen zur Verbesserung der Realität. Hierzu durchläuft der Forscher einen iterativen Prozess. Während der Forscher agiert, beobachtet er die erzielten Veränderungen und reflektiert die erzielten Ergebnisse gemeinsam mit Vertretern der Praxis. Dieses Vor-gehen unterstützt die Ableitung und Validierung von Handlungsorientierungen zur Lösung betrieblicher Probleme. Gleichzeitig erkennt der Forscher neue Probleme, welche als Ausgangspunkt weiterer Forschungsarbeiten dienen. Die Gewinnung von Daten aus der Praxis erfolgt mithilfe von Interviews, durch Fallstudien, Projekte so-wie öffentlich zugänglichen Quellen.

Entsprechend dieses Ansatzes hat der Autor Forschungspartner aus der Praxis in die Erarbeitung der Ergebnisse der Dissertation einbezogen (s. Tabelle 1-5). Regelmäßige Workshops mit den Partnerunternehmen des M-Labs (Mobile and Ubiquitous Compu-ting Lab)18 bildeten einen Rahmen zur Reflexion der Ergebnisse. Praktische Er-fahrung bei der Durchführung von RFID-Projekten konnte der Autor im Rahmen mehrerer Pilotprojekte sammeln. Das Projekt SmartLogistics19 untersuchte die techni-sche Machbarkeit und Prozessauswirkungen des Einsatzes aktiver RFID-Transponder an einem Güterterminal [vgl. Strassner/Eisen 2004]. Als Mitglied der Projektgruppe ISAR (Innovative und Standardisierte Anwendungen der RFID-Technologie)20 des ITA und des VDA beteiligte sich der Autor an Pilotprojekten zur Einführung von

18 Das Mobile and Ubiquitous Computing Lab ist ein Gemeinschaftsprojekt der Universität St. Gallen und der

ETH Zürich. Die Aufgabe des Projekts ist die Bewertung der betriebswirtschaftlichen Auswirkungen von Technologien des Ubiquitous Computing, s. www.m-lab.ch.

19 Das Projekt wurde durch das österreichische Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technik (BMVIT) im Rahmen des Programms Logistik Austria Plus (www.logistikaustriaplus.at) gefördert.

20 Die Verbände ITA (Informationstechnologie in der Automobilindustrie) e.V. und der VDA (Verband der Automobilindustrie) e.V. haben den Arbeitskreis ISAR zur Erarbeitung von Standardisierungsempfehlungen für RFID-Anwendungen in der Automobilindustrie gegründet [vgl. VDA 2003a].

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16 1 Einführung

RFID. Die Ergebnisse dieser Projekte beschreibt Kapitel 5. Als Mitarbeiter des Auto-ID-Labs21 St. Gallen untersuchte der Autor die Potenziale einer branchenunabhängi-gen standardisierten RFID-Infrastruktur, deren Entwicklung EPCglobal22 vorantreibt, für die Automobilindustrie [s. Strassner/Fleisch 2003].

Projekt Laufzeit Forschungspartner Inhalt M-Lab seit

06/2001 u.a. SAP, SAP-SI, Volkswagen

Anwendungen des Ubiquitous Computings aus betriebswirt-schaftlicher Sicht

SmartLogistics 08/2001– 08/2002

Cargo Center Graz, Identec, Intellion

Transpondertechnologie zur Verbesserung logistischer Prozesse

Auto-ID-Lab seit 01/2002

u.a. MIT, University of Cambridge, EPCglobal

Anwendung und Architektur standardisierter RFID-Systeme

ISAR (Innovative und standardisier-te Anwendungen von RFID)

seit 06/2002

VDA (Verband der Automobilindustrie) und ITA (Verband Informationstechno-logie für die Automo-bilindustrie)

Anwendungen und Architektur standardisierter RFID-Systeme für Automobilindustrie

Empirische Stu-die zu Potenzia-len von RFID

10/2003–04/2004

Booz Allen Hamilton Potenziale von RFID in der Au-tomobilindustrie und für Logistikdienstleister

Tabelle 1-5: Projektumfeld der Arbeit

Eine gemeinsam mit der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton23 durchge-führte empirische Studie vertiefte die Untersuchung möglicher Auswirkungen von RFID im SCM. Im Rahmen der Studie führte der Autor Interviews mit zwölf Unter-nehmen der Automobilindustrie (darunter sechs in Europa produzierende Fahrzeug-hersteller und sechs Zulieferer). Ein Kriterium für die Auswahl der Teilnehmer war, dass diese bereits Erfahrungen mit der RFID-Technologie besaßen, d.h. zumindest ein Anwendungskonzept entwickelt oder pilotiert hatten.24 Die Interviews fanden in Form persönlicher Gespräche unter Verwendung eines Interviewleitfadens statt. Das Ziel

21 Ein Verbund von sechs Auto-ID-Labs an den Universitäten in Adelaide (Australien), Cambridge (USA),

Cambridge (Großbritannien), Kanagawa (Japan), Shanghai (China) und St. Gallen (Schweiz) forscht an ver-schiedenen Bausteinen einer RFID-Infrastruktur und bewertet die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen (www.autoidlabs.org).

22 EPCglobal Inc. (ein Gemeinschaftsunternehmen von EAN International und Uniform Code Council Inc.) betreibt die Standardentwicklung und Verbreitung des Electronic Product CodeTM (EPC) in Handel und In- dustrie, s. www.epcglobalinc.org.

23 www.bah.com 24 Die Literatur des Innovationsmanagements bezeichnet diese Anwendergruppe, die zuerst eine neue Technolo-

gie einsetzen, als „Lead User“ [von Hippel 1988].

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1.4 Forschungskonzeption 17

der Studie war die Erhebung der Motivation für den RFID-Einsatz, aktueller RFID-Aktivitäten (operative Anwendungen, Pilotprojekte und Konzepte) und kriti-scher Erfolgsfaktoren bei der Durchführung von RFID-Projekten (Voraussetzungen, Herausforderungen und Risiken) [s. Fleisch et al. 2004b]25. Im Rahmen der Studie fanden nach dem gleichen Verfahren auch zwölf Interviews mit Logistikdienstleistern statt, deren Auswertung getrennt erfolgte [s. Fleisch et al. 2004a].

Die Herleitung des Erklärungs- und des Beschreibungsmodells basiert auf wissen-schaftlichen Erkenntnissen aus der Literatur sowie einer aus Literatur-, Internetrecher-che und der empirischen Studie gewonnenen Fallsammlung. Verschiedene Fallstudien dokumentieren RFID-Projekte, bei denen der Autor mitwirkte, und ermöglichen die Validierung der konzeptionellen Modelle. Die Handlungsempfehlungen sind aus dem Beschreibungs- und Erklärungsmodell, den Erkenntnissen der empirischen Studie so-wie den Fallstudien abgeleitet. Die Projektgruppe ISAR berücksichtigt die Hand-lungsempfehlungen bei der Durchführung von RFID-Projekten und unterstützt damit deren Validierung (s. Abbildung 1-2).

1. Analyse-Desk Research-Empirische Studie-Fallbeispiele

2. Konzeptentwicklung-Erkärungsmodell-Beschreibungsmodell

3. Projektarbeit-M-Lab -Arbeitskreis ISAR

4. Empfehlungen-Handlungsanleitungen-Forschungsbedarf

wirdvalidiertbegründetBaustein

Ergebnis 1. Analyse-Desk Research-Empirische Studie-Fallbeispiele

2. Konzeptentwicklung-Erkärungsmodell-Beschreibungsmodell

3. Projektarbeit-M-Lab -Arbeitskreis ISAR

4. Empfehlungen-Handlungsanleitungen-Forschungsbedarf

wirdvalidiertbegründetBaustein

Ergebnis wirdvalidiertbegründet

wirdvalidiertbegründetBaustein

Ergebnis

Abbildung 1-1: Herleitung und Validierung der Ergebnisse

25 Details zur Durchführung der Studie und der verwendete Interviewleitfaden befinden sich in Anhang B.

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18 1 Einführung

1.5 Aufbau der Arbeit

Ausgehend von der zuvor motivierten Praxisherausforderung der Bewertung und Pla-nung des RFID-Einsatzes im SCM beschreibt Kapitel 2 Grundlagen zur Informati-sierung des Liefernetzwerkes. Den Ausgangspunkt bildet die Koordinationstheorie, die Lösungsansätze für Koordinationsprobleme bei gemeinsamer Nutzung von Res-sourcen bereitstellt. Mit dem Management der Ressource Information, die sowohl Ge-genstand von Koordinationsproblemen ist als auch zu deren Verminderung bzw. Auf-lösung beitragen kann, befasst sich die nachfolgend beschriebene Disziplin des Infor-mationsmanagements. Diese verwendet Instrumente der Koordinationstheorie in ihren Gestaltungsmodellen. Anschließend folgt ein Überblick aktueller Herausforderungen und möglicher Lösungsansätze aus der Literatur SCMs, der insb. Nutzeneffekte des IT-Einsatzes berücksichtigt. Der letzte Abschnitt des Kapitels beschreibt die RFID-Technologie im Vergleich zu anderen Auto-ID-Technologien im Hinblick auf einen möglichen Mehrwert für das SCM.

Kapitel 3 vermittelt einen Überblick über die aktuelle Situation der Automobilindus-trie, indem es die Struktur der Branche, die strategischen Herausforderungen der In-dustrie und die hieraus abgeleiteten Herausforderungen für das SCM beschreibt. In-nerhalb des SCMs grenzt die Arbeit Koordinationsbereiche ab, die als kritische Pro-zesse bzw. Aufgaben einen Beitrag zur Bewältigung der Herausforderungen des SCMs leisten. Folglich sind diese Prozesse geeignet, um mögliche Nutzeneffekte ei-ner Koordinationstechnologie zu zeigen. Das Kapitel schließt mit dem aktuellen Stand der Verwendung von IT-Systemen im SCM der Automobilindustrie, der auch die ak-tuelle Verbreitung von RFID-Systemen berücksichtigt.

Kapitel 4 begründet zuerst den Beitrag von RFID-Systemen zur Unterstützung von Koordinationsinstrumenten im SCM und zeigt damit, dass RFID eine Koordinations-technologie im Sinne der Koordinationstheorie ist. Das dann folgende Erklärungsmo-dell verwendet die in der Koordinationstheorie beschriebenen Effekte erster, zweiter und dritter Ordnung als Bezugsrahmen. Es erklärt die möglichen Auswirkungen von RFID durch Aufzeigen von Potenzialen und Grenzen in Abhängigkeit des Koordi-nationsbedarfs und externer Einflussfaktoren. Die Anwendung des Erklärungsmodells erlaubt Aussagen bzgl. des Entwicklungspfads von RFID. Ein entsprechendes Diffu-sionsmodell beschreibt verschiedene Ausbaustufen von RFID-Systemen (konkrete Anwendungsmöglichkeiten). Abschließend stellt das Kapitel ein Verfahren zur Be-wertung von RFID-Anwendungen aus lokaler (Projekt-) sowie aus SCM-Perspektive vor.

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1.5 Aufbau der Arbeit 19

Kapitel 5 stellt praktische Anwendungen von RFID anhand von fünf Fallstudien dar. Die Fallstudien zeigen unterschiedliche Beweggründe, Lösungsbeschreibungen, Pro-zessauswirkungen, Kosten-Nutzen-Bewertungen und zukünftige Ausbaustufen von RFID-Systemen. Eine zusammenfassende Betrachtung der Möglichkeiten und Gren-zen der RFID-Projekte erfolgt aus Perspektive des Wertschöpfungsnetzwerkes unter Anwendung des Erklärungs- und Beschreibungsmodells. Aus den Erkenntnissen der Fallstudien leiten sich in Verbindung mit den vorangegangenen konzeptionellen Ü-berlegungen kritische Erfolgsfaktoren für den RFID-Einsatz ab.

Das letzte Kapitel 6 beantwortet die in der Einleitung motivierten Forschungsfragen, fasst den Erkenntnisgewinn für die Wissenschaft zusammen und leitet hieraus Hand-lungsempfehlungen für die Praxis ab. Den Abschluss der Arbeitet bildet die Vision des informatisierten Liefernetzwerkes im Sinne einer „realen Virtualität“. Abbildung 1-2 fasst den Aufbau der Arbeit zusammen.

Kapitel 1:Einleitung

Fragestellung: Mehrwert des RFID-Einsatzes im SCM

Forschungs-konzeption

Praxisherausforderung:Einsatz von RFID

Forschungsbedarf: Wissenschaftliche Lücke

Kapitel 2:Grundlagen

Informationsmanagement Auto-ID-Systeme

Koordinationstheorie Supply Chain Management

Kapitel 3:Situation

Herausforderungen imSupply Chain Management

IT-Systemeim Einsatz

Kritische Prozesse

Kapitel 4:Modelle zuAuswirkungenund zur Bewertung

RFID als Koordinationstechnologie Kapitel 5:Fallstudien,Erfolgsfaktoren

Bewertung von Anwendungen

Kapitel 6:Erkenntnisse,Ausblick

Kritische Erfolgs faktoren

Handlungsempfehlungen für die Praxis

Erkenntnisgewinn fürdie Wissenschaft

unter-stützen?

beschreibt

Anwendung

konkretisiert

unter-stützen

könnensein

bestimmenbestimmen

grenzt ab

SpezialladungsträgermanagementBehältermanagement im CKD-VersandKontrolle des CKD-Packstückversands

Verfolgung von KleinladungsträgernVerfolgung von Autoreifen

Mögliche Nutzeneffekte von RFID

erklärt

zei-gen

AnwendungKoordinationstheorie

Grundlage für die Bewertung

Vision und weiter-führende Fragen

Auswirkungen von RFID (Erklärungs- und Beschreibungsmodell)

begründen

Herausforderungender Automobilindustrie

Anforderungen

Anwendung

Beispiele

Beantwortung der Forschungsfragen

Generalisierung

Kapitel 1:Einleitung

Fragestellung: Mehrwert des RFID-Einsatzes im SCM

Forschungs-konzeption

Praxisherausforderung:Einsatz von RFID

Forschungsbedarf: Wissenschaftliche Lücke

Kapitel 2:Grundlagen

Informationsmanagement Auto-ID-Systeme

Koordinationstheorie Supply Chain Management

Kapitel 3:Situation

Herausforderungen imSupply Chain Management

IT-Systemeim Einsatz

Kritische Prozesse

Kapitel 4:Modelle zuAuswirkungenund zur Bewertung

RFID als Koordinationstechnologie Kapitel 5:Fallstudien,Erfolgsfaktoren

Bewertung von Anwendungen

Kapitel 6:Erkenntnisse,Ausblick

Kritische Erfolgs faktoren

Handlungsempfehlungen für die Praxis

Erkenntnisgewinn fürdie Wissenschaft

unter-stützen?

beschreibt

AnwendungAnwendung

konkretisiert

unter-stützenunter-stützen

könnensein

bestimmenbestimmenbestimmen

grenzt ab

SpezialladungsträgermanagementBehältermanagement im CKD-VersandKontrolle des CKD-Packstückversands

Verfolgung von KleinladungsträgernVerfolgung von Autoreifen

Mögliche Nutzeneffekte von RFID

erklärt

zei-gen

AnwendungKoordinationstheorie

Grundlage für die Bewertung

Vision und weiter-führende Fragen

Auswirkungen von RFID (Erklärungs- und Beschreibungsmodell)

begründen

Herausforderungender Automobilindustrie

Anforderungen

AnwendungAnwendung

Beispiele

Beantwortung der Forschungsfragen

Generalisierung

Abbildung 1-2: Aufbau und Ergebnisse

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20 2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes

2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes

Der Einsatz von RFID-Systemen unterstützt die Informatisierung des Liefernetzwer-kes. Zur Ermittlung der Auswirkungen und eines möglichen Mehrwerts für das SCM verwendet die Dissertation einen interdisziplinären Forschungsansatz, der verschiede-ne Erkenntnisse aus der BWL, insb. aus der Wirtschaftsinformatik, verwendet. Hierzu gehören die in den folgenden Abschnitten beschriebene Koordinationstheorie zur Be-handlung von Koordinationsproblemen zwischen Systemen, das Informationsmanage-ment (IM), das Modelle und Methoden zur Informationsversorgung von Geschäfts-prozessen bereitstellt, und das SCM mit besonderer Berücksichtigung des IT-Ein-satzes. In diesem Zusammenhang beschreibt der letzte Abschnitt des Kapitels die Ei-genschaften von RFID-Systemen im Vergleich zu anderen Auto-ID-Technologien.

2.1 Koordinationstheorie und Integration

Die Koordinationstheorie untersucht Koordinationsprobleme aus Perspektive der Sys-temtheorie und identifiziert Verfahren zu deren Reduzierung oder Beseitigung. Ein formaler Ansatz zur Analyse von Koordinationsproblemen geht von einer hierarchi-schen Organisationsstruktur mit einer zentralen Koordinationsinstanz aus, welche die Durchführung von Koordinationsaktivitäten steuert [vgl. Mesarovic et al. 1970]. Da eine zentrale Kontrollinstanz in Prozessorganisationen nicht immer vorhanden ist, ist der Ansatz im SCM nur beschränkt anwendbar. Die Koordinationstheorie nach [Malone/Crowston 1991] abstrahiert hingegen in ihrem allgemeineren Ansatz von konkreten Organisationsmodellen. Sie beschreibt die Theorie der Koordination als „body of principles about how activities can be coordinated, that is, about how actors can work together“ [vgl. Malone/Crowston 1991, 82]. Die untersuchten Koordinati-onsmechanismen gelten gleichermaßen für soziale Organisationen, ökonomische Sys-teme wie für IT-Systeme und gemischte Systeme [vgl. Malone 1988]. Die folgenden Abschnitte beschreiben Ursachen für Koordinationsbedarf und Lösungsansätze. Dabei finden insb. die Rolle von Koordinationstechnologien zur Unterstützung von Koordi-nationsaktivitäten und Integration als Mittel zur Reduzierung von Koordinationspro-blemen Berücksichtigung.

2.1.1 Ressourcenkonflikte als Ursache für Koordinationsbedarf

Die Koordinationstheorie unterscheidet drei Anwendungsgebiete [vgl. Malone/ Crowston 1994]: Die organisatorische Gestaltung der Koordination zwischen einzel-nen Organisationseinheiten (Koordinationsmechanismen), die Gestaltung von IT-Sys-temen zur Unterstützung der Koordinationsmechanismen (Koordinationstechnolo-gien) und die Gestaltung von verteilten und parallelen IT-Systemen. Koordinations-probleme treten zwischen Akteuren auf, die eigene Ziele verfolgen und zur Durchfüh-rung von Aktivitäten gemeinsame Ressourcen verwenden. Koordination ist definiert

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2.1 Koordinationstheorie und Integration 21

als der Prozess des Managements von Abhängigkeiten zwischen Aktivitäten [vgl. Ma-lone/ Crowston 1991, 3]. Als Akteure kommen beliebige Ressourcen eines Unter-nehmen infrage, sowohl Menschen als auch Maschinen. Dementsprechend betrachtet die Koordinationstheorie Mensch-zu-Mensch-, Mensch-zu-Maschine- und Maschine-zu-Maschine-Abhängigkeiten.

Zur Untersuchung von Koordinationsproblemen in Organisationen verwenden Auto-ren der Koordinationstheorie Prozessdarstellungen. Hierbei bestehet ein Prozess aus Ressourcen, Aktivitäten und Abhängigkeiten [vgl. Malone et al. 1999]. Aktivitäten konsumieren oder produzieren Ressourcen, z.B. konsumiert die Aktivität „Fahrzeug-montage“ menschliche Arbeitskraft, Maschinenbelegungszeit, Stücklisteninformation und Bauteile. Mögliche Abhängigkeiten zwischen Aktivitäten lassen sich drei Typen zuordnen: „Flow“ (Reihenfolge), „Sharing“ (Verfügbarkeit) und „Fit“ (Gleichläufig-keit) [Malone et al. 1999, 430] (s. Tabelle 2-1).

Abhängigkeit Darstellung Beispiele

Reihenfolge-abhängigkeit (Flow)

Aktivität 1 Ressource A Aktivität 2Aktivität 1 Ressource A Aktivität 2- Teileversorgung der Fer- tigung - Sequenzielle Fertigung - Anforderung notwendiger Informationen

Verfügbarkeits-abhängigkeit (Sharing) Ressource B

Aktivität 1

Aktivität 2

Ressource B

Aktivität 1

Aktivität 2

- Maschinenbelegung - Flottenmanagement - Zugriff auf zentrale Datenbank

Gleichläufig-keitsabhängig-keit (Fit)

Aktivität 1

Aktivität 2

Ressource C

Aktivität 1

Aktivität 2

Ressource C

- Verteilte Auftragsbear- beitung - Kooperative Produktion - Schreiben in zentrale Datenbank

Tabelle 2-1: Modellierung von Abhängigkeiten in der Koordinationstheorie [vgl. Malone et al. 1999, 430 f.]

Eine Reihenfolgeabhängigkeit tritt auf, wenn eine Aktivität eine Ressource produziert, die eine andere Aktivität benötigt, z.B. besteht zwischen der Fahrzeugmontage und der Materialbereitstellung eine Reihenfolgeabhängigkeit. Eine Verfügbarkeitsabhän-gigkeit tritt auf, wenn mehrere Aktivitäten dieselbe Ressource verwenden, z.B. die ge-meinsame Nutzung einer Fertigungsmaschine. Eine Gleichläufigkeitsabhängigkeit be-steht, wenn mehrere Aktivitäten dieselbe Ressource produzieren, z.B. sind zur Pro-duktion eines Fahrzeuges zahlreiche Aktivitäten zu koordinieren.

Die Koordinationstheorie identifiziert generische Koordinationsprozesse [vgl. Malone 1988, 18]. Zur Strukturierung und Zuordnung der Koordinationsprozesse verwenden

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22 2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes

Malone und Crowston vier Prozessebenen: Koordination, Gruppenentscheidungen, Kommunikation und Wahrnehmung gemeinsamer Objekte (s. Tabelle 2-2). Die Ebe-nen bauen aufeinander auf und nutzen Prozesse der darunter liegenden Ebenen. Bei-spielsweise setzen Gruppenentscheidungen die Möglichkeit zur Kommunikation vor-aus. Eine Voraussetzung für jede Art der Koordination sind Vereinbarungen bzgl. des Verständnisses und der Bewertung physikalischer Objekte, wie sie die unterste Pro-zessebene bereitstellt. Zum Beispiel verwenden unterschiedliche Prozesse einer ver-teilten Computeranwendung gemeinsame Variablen zum Datenaustausch.

Mit diesem Verständnis stellt die Kommunikationsebene Funktionen zum Informati-onsaustausch zwischen Prozessen bereit [vgl. Malone/Crowston 1991, 18]. Gruppen-entscheidungen26, bei denen die Akteure unter Verwendung der ihnen zur Verfügung stehenden Informationen aus einem Alternativenpool die beste Handlungsalternative auswählen, setzen Informationsaustausch voraus [vgl. Simon 1965]. Auf der obersten Ebene des Modells erfolgt die Festlegung von Aktivitäten zur Vermeidung bzw. Auf-lösung von Koordinationsproblemen unter Berücksichtigung übergeordneter Ziele. Falls z.B. zwei Fertigungsaufträge um die Belegung einer Maschine konkurrieren, lässt sich der Ressourcenkonflikt durch Priorisierung der Aufträge beheben. Verschie-dene betriebliche Probleme wie z.B. Ressourcenverschwendung, Verspätungen und verpasste Chancen lassen sich auf mangelnde Koordination zurückführen.

Prozessebene Koordinationsobjekte Koordinationsprozesse Koordination Ziele, Aktivitäten, Akteure,

Ressourcen, Abhängigkeiten Ziele identifizieren, Aktivitäten ordnen, Aktivitäten Akteuren zuordnen, Aktivi-täten synchronisieren, Ressourcen re-servieren

Gruppenent- scheidungen

Akteure, Alternativen, Evaluationen, Auswahl

Alternativen vorschlagen, Alternativen evaluieren, Entscheidungen treffen (z.B. autoritär, durch Konsens oder Abstim-mung)

Kommunikation Sender, Empfänger, Nachrichten, Sprachen

Vereinbarung gemeinsamer Sprachen, Empfänger auswählen, Nachricht ü-bermitteln

Wahrnehmung gemeinsamer Objekte

Akteure, Objekte Wahrnehmung derselben Objekte, Zugriff auf gemeinsam genutzte Daten-bank

Tabelle 2-2: Zuordnung generischer Koordinationsprozesse zu Ebenen und Objekten der Koordination [Malone/Crowston 1991, 18]

26 Am Gruppenentscheidungsprozess sind nicht notwendigerweise mehrere Akteure beteiligt [vgl. Malone/

Crowston 1991, 17].

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2.1 Koordinationstheorie und Integration 23

2.1.2 Integration als Mittel der Koordination

Während sich Koordination allgemein mit der Interaktion verschiedener Systeme im Hinblick auf ein gemeinsames Ziel beschäftigt [vgl. Rühli 1992, 1165], zielt die Inte-gration auf eine dauerhafte Verbindung von Systemen zu einem übergeordneten Ge-samtsystem. Der Vorgang der Integration bedeutet die Eingliederung in ein Größeres Ganzes, wobei die von außen wahrgenommene Identität der eingebundenen Systeme zugunsten der Identität des übergeordneten Systems zurücktritt [vgl. Jackson 2003; Luhmann 2004]. Demzufolge ist die Integration aus der Sicht der Koordinationstheo-rie ein Mittel, um Koordinationsprobleme zwischen den integrierten Systemen dauer-haft zu beseitigen. In Unternehmensnetzwerken lässt sich meist nur ein bestimmter In-tegrationsgrad, d.h. eine mehr oder weniger starke Kopplung erreichen. Eine vollstän-dige Integration ist jedoch auf Ebene von Subsystemen wie z.B. der Kommunikati-onsinfrastruktur möglich. Standards wie TCP/IP oder EDIFACT unterstützen die Inte-gration auf dieser Ebene. Verschiedene Wissenschaftsgebiete untersuchen Integration bzgl. unterschiedlicher Integrationsobjekte. In der BWL und in der Wirtschaftsinfor-matik unterscheidet sich bspw. die Verwendung des Integrationsbegriffes.

In der BWL findet Integration auf organisatorischer Ebene statt und bezieht sich auf Wirtschaftseinheiten, Prozesse und betriebliche Ressourcen. Ausgehend vom Unter-nehmen als Integrationseinheit kann Integration in den Dimensionen horizontal (Un-ternehmen gleicher Stufe in der Wertschöpfungskette aus unterschiedlichen Bran-chen), vertikal (Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette) und lateral (Unter-nehmen unterschiedlicher Stufe in der Wertschöpfungskette und Branche) stattfinden. Bei Prozessen unterscheidet die Literatur zwischen sequenzieller (vor- und nachgela-gerte Prozessschritte), horizontaler (parallel laufende gleichartige Prozesse) und verti-kaler (komplementäre Prozesse) Integration [vgl. Klaus 1998, 440 f.]. In der Manage-mentlehre verfolgt Integration die Verbindung von normativem, strategischem und operativem Management mit dem Ziel, ganzheitliches Denken zu fördern, das Syner-gien in der Nutzung betrieblicher Ressourcen ermöglicht und Reibungsverluste aus nicht abgestimmten Einzelentscheidungen vermeidet [vgl. Bleicher 2001, 453].

Die Wirtschaftsinformatik berücksichtigt zwar auch die Bedeutung des Integrationsbe-griffs in der BWL, jedoch konzentriert sich ihr Erkenntnisziel auf die Integration be-trieblicher Informationssysteme [vgl. Heilmann 1989, 46 ff.]27. Mögliche Inte-grationsgegenstände der betrieblichen Informationsverarbeitung (IV) sind Menschen, Aufgaben und Technik [Mertens 2001, 1 ff.]28. Das Ziel der Integration ist die Ver-

27 [Mertens 1966] thematisiert den Begriff im Zusammenhang mit der „integrierten Datenverarbeitung“. 28 Daneben untersuchen einige Autoren die Integration in der Systementwicklung, z.B. Methodenintegration

oder integrierte Anwendungsentwicklungsumgebungen.

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24 2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes

meidung von Medienbrüchen zwischen verschiedenen Systemen, um einen höheren Automatisierungsgrad in der IV zu ermöglichen. Dabei fordert [Mertens 2002] eine „sinnhafte Automatisierung“ anstatt der Vollautomatisierung um jeden Preis. Die Li-teratur beschreibt verschiedene Einordnungen von Integrationsansätzen [Krcmar 1991; Mertens/Holzner 1992]. Die in Tabelle 2-3 dargestellte Einteilung ist für die Verwendung des Integrationsbegriffes in dieser Arbeit grundlegend. Sie unterscheidet zwischen Ansätzen zur Integration verschiedener IT-Systeme und zur Integration von IT-Systemen mit der Realwelt, d.h. mit Objekten und Vorgängen in der realen Welt, die IT-Systeme abbilden und steuern.

Integration von IT-Systemen IT-Realwelt-Integration Gegenstand

- Anwendungssysteme - Technisches Subsystem (Infrastruktur)

- IT-Systeme mit (a) Prozessen (Workflow-Integration)(b) Dingen, Menschen

Richtung - Horizontal (Reichweite) - Vertikal (Tiefe)

- Vertikal (Tiefe, Detaillierung)

Hilfsmittel - Daten-, Funktions-, Prozess-, Programm- und Geräte- integration - Infrastrukturintegration

- Einbettung von IT-Geräten in Prozesse oder Dinge - Datenmodellierung, Abbildungsre- geln, Steuerungsregeln

Ziele - Beseitigung von Medienbrüchen zwischen IT-Systemen - Redundanzvermeidung - Automatisierung der Informati- onsverarbeitung

- Beseitigung von Medienbrüchen zwischen IT-Systemen (digitaler Welt) und der physischen Welt - Automatisierung der Daten- erfassung - Automatisierung der Vorgangs- steuerung in der realen Welt

Beispiel Integration der Systeme zur Auf-tragsabwicklung und zum Lager-management

Automatische Erfassung des Lager-bestands mittels Sensoren und Übermittlung an das Lagermanage-mentsystem

Tabelle 2-3: Arten der Integration in der Wirtschaftsinformatik [vgl. Weston et al. 1998, 744 ff.; Fleisch 2001, 189; Mertens 2001, 1 ff.]

Integration betrieblicher IT-Systeme

Betriebliche IT-Systeme können in Bezug auf die Prozesse, die sie unterstützen, hori-zontal oder vertikal integriert sein. Ein horizontal integriertes System unterstützt z.B. nicht nur die Auftragsannahme, sondern die vollständige Auftragsabwicklung bis zur Auslieferung an den Kunden.29 Die Integrationsreichweite beschreibt die Durchgän- 29 Zu beachten ist der Unterschied in der Bedeutung zur horizontalen Integration von Prozessen. Zum Beispiel

verstehen Logistiker unter der horizontalen Integration die Zusammenfassung parallel verlaufender Liefer-ketten, wie etwa unterschiedliche Vertriebskanäle.

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2.1 Koordinationstheorie und Integration 25

gigkeit der Prozessunterstützung durch ein IT-System, was dem Grad der horizontalen Integration entspricht. Vertikal integrierende Systeme verbinden Anwendungssys-teme, die komplementäre Prozesse unterstützen, bspw. überwachende Controlling-Systeme und operative PPS-(Produktionsplanungs- und Steuerungs-)Systeme30.

Die Integration betrieblicher IT-Systeme lässt sich durch Integration ihrer Kompo-nenten, nämlich Daten, Funktionen, Prozesse, Programme und Geräte, herstellen [vgl. Mertens 2001, 1 ff.]. Bei der Datenintegration verwenden unterschiedliche Anwen-dungen eine gemeinsame Datenbasis. Die setzt einheitliche Konventionen bzgl. Syn-tax und Semantik der Daten voraus. Ein Beispiel ist die Integration von Katalog- und Bestellsystemen über eine Produktdatenbank [vgl. Scheer 1990, 29 f.]. Bei der Funk-tions- und Programmintegration greifen verschiedene Anwendungen auf gleiche Funktionen oder Programmmodule zu und vermeiden Redundanzen. Beispielsweise ist es sinnvoll, dass bestimmte Basisfunktionen, wie die Erzeugung eines Lieferab-rufs, nur einmal in der IT-Landschaft eines Unternehmens implementiert sind. Bei der Prozessintegration erfolgt eine Verknüpfung von Anwendungssystemen entlang der Prozesskette mit dem Ziel, Medienbrüche zu vermeiden [vgl. Krcmar 1991, 7]. Die Geräteintegration umfasst sowohl die technische Verknüpfung von Geräten als auch deren gemeinsame Nutzung [vgl. Mertens 2001, 4].

Einige Ansätze fokussieren auf Integrationsinfrastrukturen, deren Aufgabe die Unter-stützung der Integration von Anwendungssystemen ist. Diese beinhalten Standards und Basisfunktionen, welche die Interaktion verschiedener Anwendungssysteme er-möglichen, ohne dass hierfür eigene Schnittstellen notwendig sind. Sie unterstützen Unternehmen, die eine heterogene Systemlandschaft besitzen, in ihren Integrations-bemühungen. Eine weitere Zielsetzung von Integrationsinfrastrukturen ist die Schaf-fung von Flexibilität bzgl. des Integrationsgrades, die insb. bei kollaborativen Syste-men gefordert ist [vgl. Alt/Österle 2003].

Integration zwischen IT-Systemen und realer Welt

Betriebliche Anwendungssysteme sollen eine bereichsübergreifende Unterstützung betrieblicher Aufgaben entsprechend den Anforderungen der Anwender ermöglichen [vgl. Brombacher 1991]. Die oben beschriebenen Integrationsmodelle beschränken sich auf IT-Systeme als Integrationsgegenstand und blenden die aus dem Anwen-dungsumfeld stammenden Anforderungen an die Gestaltung der Integration aus. Da-mit die Interaktion zwischen IT-System und Abläufen in der Realität effizient funkti-oniert, müssen die Eigenschaften des IT-Systems auf die Informationsverarbeitungs-kapazitäten der Anwender bzw. der Organisation abgestimmt sein [vgl. Galbraith

30 Dies beschreibt z.B. das CIM (Computer Integrated Manufacturing)-Modell [vgl. Scheer 1994].

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26 2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes

1977; Tushman/Nadler 1978]. Demnach stellen z.B. für ein Unternehmen, das seine Produktionsmenge monatlich für den Folgemonat vorausplant, taggenaue Abverkaufs-zahlen keinen Mehrwert gegenüber monatlichen Zahlen dar.

Unzureichende Datenmodelle sind eine mögliche Ursache geringer Informationsver-arbeitungskapazität. Verschiedene Autoren beschäftigen sich mit Methoden zum Ent-wurf von Informationssystemen, deren Struktur an das Anwendungsgebiet in der Rea-lität angepasst ist. Diese Methoden verwenden Daten-, Funktions- und Prozessmodel-le oder Objektorientierung als Gestaltungsprinzip zur Abbildung der Realität [Becker 1991; Scheer 1991]. Im operativen Betrieb müssen IT-Systeme in der Lage sein, die für den Anwendungszweck notwendigen Informationen aus der Realität zu erfassen und ggf. zur Steuerung von Vorgängen zu verwenden. Dies geschieht mithilfe von Mensch-zu-Maschine-Schnittstellen (HCI), z.B. Eingabegeräten und Bildschirmen, oder Maschine-zu-Maschine-Schnittstellen (MMI) wie z.B. Sensoren und Aktoren31. Die Verwendung automatisierter Datenerfassungstechnologien (Automatic Data Cap-turing, kurz ADC) erhöht die Effizienz der Interaktion zwischen IT-Systemen und der Realwelt (s. Abbildung 2-1).

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Integrations-grad

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Digitale Welt („Bits“):

• Interne und kollaborative Anwendungssysteme (z.B. ERP-, E-Business-Systeme)

• IT-Infrastruktur (z.B. Internet)

Reale Welt („Atome“):

• Menschen • Produkte• Produktionsanlagen

Manuelle Tätigkeitennotwendig

Vollautomatisierung

RFID: RadiofrequenzidentifikationERP: Enterprise Resource Planning

Grenzkostender Datener-fassung

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Abbildung 2-1: Integration zwischen IT-Systemen und realer Welt [Fleisch 2001]

31 alternative Bezeichnung: Aktuator

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2.1 Koordinationstheorie und Integration 27

Eine Integration beliebiger physischer Objekte mit IT-Systemen ermöglichen „Con-nected Smart Appliances“, d.h. an physische Gegenstände anheftbare Geräte, die mit IT-Komponenten wie z.B. Mikrochips oder Sensoren ausgestattet sind [Fleisch et al. 2002b, 234 ff.]. RFID lässt sich in diesem Sinne als ein Technologie zur Integration zwischen IT-Systemen und der realen Welt verstehen, wie [Want et al. 1999] es in ihrem Aufsatz „Bridging physical and virtual worlds with electronic tags“ beschreiben.

2.1.3 Gestaltungsmodelle der Koordination und Integration

Integrationsmodelle stellen einen Gestaltungsrahmen für die Entwicklung von An-wendungssystemen dar. Allerdings ist die Integration von Informationssystemen kein Selbstzweck, sondern soll strategische Ziele des Unternehmens unterstützen, z.B. die Kooperation mit Partnern im Wertschöpfungsnetzwerk oder die Kundenorientierung. Diesen Sachverhalt berücksichtigen Ebenenmodelle, die Integration auf organisato-rischer und IT-Systemebene in Beziehung setzen.

Ebenenmodelle der Integration

Verschiedene Autoren verwenden Modelle, die mehrere Ebenen zur Gestaltung von IT-Systemen und Organisationsstrukturen umfassen [vgl. Ferstl/Sinz 1996; Scheer 1998, 56 f.]. Das Business-Engineering-Modell [vgl. Österle/Blessing 2000, 77] ver-wendet z.B. die drei Ebenen Strategie, Prozess und Informationssystem zur Abbil-dung von Integrationsbeziehungen.

Strategie. Die strategische Ebene bestimmt die langfristige Unternehmensentwicklung und muss gleichzeitig in der Lage sein, das Unternehmen schnell und flexibel an sich ändernde Marktbedingungen anzupassen [vgl. Müller-Stewens 2000]. Sie bestimmt über Kooperationsbeziehungen mit anderen Unternehmen, Unternehmensstruktur und Geschäftsfelder sowie die Gestaltung der Prozess- und der Systemebene.

Prozesse. Die Ebene der Prozessgestaltung stellt Geschäftsprozesse als eine auf Wert-schöpfung ausgerichtete Abfolge von Aufgaben dar. Die modellhafte Beschreibung der Prozesse soll die Umgestaltung von Organisationsabläufen im Sinne des Business Process Reengineering (BPR) unterstützen [vgl. Hammer/Champy 1993]. Zu den Maßnahmen der Prozessgestaltung gehören z.B. die horizontale und vertikale Integra-tion von Prozessen und die Ausrichtung an der Unternehmensstrategie.

Systeme. Anwendungssysteme, d.h. Transaktions- und Datenbanksysteme, unter-stützen die Ausführung von Prozessen. ERP-, E-Business-, Workflowmanagement- und Dokumentenmanagementsysteme sind Beispiele verbreiteter betrieblicher An-wendungssysteme. Hiervon zu unterscheiden ist die IT-Systeminfrastruktur. Diese umfasst Basisdienste, z.B. zur Kommunikation, zur Transaktionsabwicklung, zum Zu-griff auf IT-Geräte und die Hardware selbst.

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28 2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes

Neben der Gestaltung der Integration auf den einzelnen Ebenen betrachtet das Modell auch deren Wechselbeziehungen. Alle Maßnahmen müssen entsprechend der überge-ordneten Ziele der Strategieebene abgestimmt sein. Zum Beispiel macht es keinen Sinn, ein mehrere Organisationseinheiten umfassendes integriertes IT-System aufzu-bauen, wenn die Individuen eine Strategie der Abschottung verfolgen. Der Wunsch zur Kooperation ist demnach eine Voraussetzung für den Einsatz kollaborativer IT-Systeme.32 Die Aussagen der Koordinationstheorie gewinnen vor dem Hintergrund zunehmender Flexibilitätsforderungen an ökonomische Systeme an Bedeutung [vgl. Crowston 1997, 158]. Zur Beschreibung von Organisationsformen und zur Erklärung der Auswirkungen des Technologieeinsatzes orientiert sich die Koordinationstheorie an den Prozessen.

Prozessgestaltung und Unterstützung der Netzwerkfähigkeit

In der Literatur existieren verschiedene Ansätze zur Modellierung von Prozessen, z.B. Flussdiagramme, Aufgabenkettendiagramme, Petrinetze und (erweiterte) Ereignisge-steuerte Prozessketten (eEPK) [vgl. Peterson 1977; Staud 1999]. Eine zentrale Frage der gestaltungsorientierten Koordinationstheorie ist, welche Art von Prozessmodellen geeignet ist, Organisationsstrukturen vergleichbar zu machen und eine Reorganisation zu unterstützen. Die Prozessmodelle sollen die verwendeten Koordinationsmechanis-men sichtbar machen. Dies ermöglicht, Alternativen zu überprüfen und unterstützt das BPR, indem es Prozesswissen verfügbar macht und die Übertragung von „Best Practi-ces“ ermöglicht [vgl. Malone et al. 1999, 426]. Die Autoren schlagen in Anlehnung an die Objektorientierung zur Modellierung die Bildung von Prozesshierarchien und Reihenfolgebildung vor, Prozesse der unteren Hierarchiestufe sind entweder eine Spezialisierung oder eine Teilaktivität des generischen Prozesses der übergeordneten Stufe. Zum Beispiel besitzt der Prozess „Reifen herstellen“ die Teilaktivitäten „Reifen gießen“ und „Reifen härten“ sowie die Spezialisierungen „LKW-Reifen herstellen“ und „PKW-Reifen herstellen“. Zwischen den Prozessen „Reifen herstellen“ und dem Prozess „Fahrzeug montieren“ besteht eine Reihenfolgeabhängigkeit.

Wissenschaftler des Centers for Coordination Science (CCS) am MIT33 entwickeln mit dieser Methode ein Prozesshandbuch, das ausgehend von generischen Aktivitäten, z.B. „Herstellen“ oder „Bewegen“, durch Spezialisierung und Generalisierung belie-bige Prozesse ableitet [vgl. Malone et al. 2003]. Die Prozesshierarchie zeigt, dass be-stimmte Koordinationsaktivitäten, wie z.B. „Reihenfolge zuweisen“ oder „Cluster bil-den“, in unterschiedlichen Prozessen vorkommen. Unternehmen, die Koordinations-probleme in ihren Prozessen lösen wollen, z.B. eine Verfügbarkeitsabhängigkeit, ver-

32 Entsprechend ist die Aussage „Technology follows Structure follows Trust“ [Kurr 2004, 23] zu verstehen. 33 ccs.mit.edu/ccsmain.html

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2.1 Koordinationstheorie und Integration 29

gleichen ihren Prozess mit Referenzprozessen des Handbuchs, bei denen ebenfalls eine Verfügbarkeitsabhängigkeit besteht. Sie können dann die dort beschriebenen Ko-ordinationsmechanismen auf ihren Prozess übertragen. Die prozessorientierte Orga-nisationsgestaltung ermöglicht im Unterschied zu einer hierarchischen Ausbauorgani-sation die Modellierung von Wertschöpfungsketten über Unternehmensgrenzen hin-weg. Dies unterstützt die Betrachtung von Kooperationsbeziehungen.

IT-Einsatz zur Unterstützung der Koordination

Ein Anwendungsgebiet der Koordinationstheorie beschäftigt sich mit Technologien zur Unterstützung der Koordination. Systeme zur Computerunterstützung kooperati-ven Arbeitens (CSCW) [vgl. Mackay 1989; Krcmar 1992] bilden einen Schwerpunkt dieser Betrachtung. Hierzu zählen verschiedene Informationstechnologien, wie Groupware, Portale, Workflowmanagementsysteme und Web Services [vgl. Jablonski/ Ortner 1997; Cordeiro/Filipe 2004].34 Unabhängig von der betrachteten Technologie unterscheiden Malone und Crowston deren Auswirkungen in drei Klas-sen, die sie aus Gesetzen der Mikroökonomie ableiten [vgl. Malone/Crowston 1991]:

1. Effekte erster Ordnung (Substitutionseffekte) bestehen in einer Substitution tra-ditioneller Koordinationsmechanismen durch den Einsatz der neuen Technolo-gie. Beispielsweise ersetzen heute Automaten in der Fahrzeugfertigung viele früher notwendige manuelle Handgriffe.

2. Effekte zweiter Ordnung (Netzwerkeffekte) entstehen dadurch, dass die Anwen-der immer mehr Gebrauch von der Technologie machen und diese in immer mehr Anwendungen zum Einsatz kommt. Existierten bspw. zuerst in der Fahr-zeugfertigung nur einzelne automatisierte Fertigungsinseln, wurden diese stu-fenweise zu durchgängigen Fertigungsstraßen ausgebaut.

3. Effekte dritter Ordnung (Reorganisationseffekte) fördern die Entstehung neuer koordinationsintensiverer Anwendungen. Dies können z.B. neue Organisa-tionsformen sein. In der Fahrzeugfertigung ermöglichten flexible Fertigungs-maschinen die zunehmende Automatisierung von Produktionsverfahren mit ge-ringer Losgröße (z.B. Werkstattfertigung) und dadurch die Entstehung der Massenindividualisierung.

34 Mechanismen zur Koordination von IT-Ressourcen, z.B. Datenspeicher oder Prozessorkapazität in Verteilten

Systemen, sind ebenfalls ein Anwendungsgebiet der Koordinationstheorie [vgl. Pasquale 2001].

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30 2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes

Es existieren weder Effekte erster, zweiter und dritter Ordnung für jede Koordi-nationstechnologie noch stellt die Aufzählung eine zeitliche Reihenfolge des Eintritts dar. Die Ausprägung der Effekte hängt vom Anwendungszusammenhang ab. Bei-spielsweise stellt [Robey 1983] fest, dass ein System, das für die Automatisierung von Abläufen geschaffen wurde, kaum Auswirkungen auf die Organisationsgestaltung ha-ben wird. Allerdings beschreiben verschiedene Autoren, wie Informationstechnolo-gien Veränderungen von Prozessen und Strategien induzieren und einen sog. „Tech-nology Push“ bewirken. So beschreiben [Evans/Wurster 1997, 71] die neuen Infor-mationstechnologien als Auslöser „to rethink the strategic fundamentals of […] busi-nesses“. [Carr 2003] hingegen sieht in seinem Aufsatz „IT doesn’t matter“ die Rolle der Informationstechnologie weniger als Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb, sondern vielmehr als leicht verfügbares Werkzeug (Commodity).

Die Entwicklungen der vergangenen Jahre bestätigen, dass organisatorische Verän-derungen häufig im Zusammenhang mit technologischen Innovationen stattgefunden haben. Beispielsweise hat die Verfügbarkeit des Internet neue Formen der Zusam-menarbeit ermöglicht. [Mintzberg/Quinn 1991] betrachten Kommunikationstechnolo-gien, wie z.B. das Internet, als Treiber für die Entstehung von Ad-hoc-Netzwerken („adhocracies“), d.h. dynamische Kooperationen zwischen Unternehmen, die diese je nach Marktsituation meist kurzfristig eingehen. Zum Beispiel unterstützen verteilte und mobile Computer einen Trend zur Dezentralisierung in der industriellen Produk-tion.35 Ohne den Einsatz von IT wäre z.B. das im Vergleich zur Belieferung auf Vor-rat koordinationsintensivere Just-in-time-Verfahren nicht möglich.

Grenzen des Einsatzes von Koordinationstechnologien

Koordinationstechnologien erzeugen Nutzen, z.B. indem sie die Kosten der Koordina-tion senken, verursachen aber auch Kosten. Diese Tatsache lässt sich in einem Modell zur Bestimmung der optimalen Koordinationsintensität darstellen (s. Abbildung 2-2). Gemäß diesem Modell liegt der optimale Koordinationsgrad dort, wo die Grenz-autonomiekosten den Grenzkoordinationskosten entsprechen. Bei dem Verlauf der Autonomiekostenkurve lässt sich die fehlende Berücksichtigung unterschiedlicher Ausgangssituationen kritisieren. Falls bspw. die Autonomie zweier Organisationsein-heiten erwünscht ist und folglich kein Koordinationsbedarf besteht, kann eine Stei-gerung der Koordinationsintensität auch nicht zur Senkung von Autonomiekosten beitragen.

35 [Gurbaxani/Whang 1991] weisen darauf hin, dass IT-Einsatz in Abhängigkeit von der Technologie und der

Anwendung sowohl Dezentralisierung als auch Zentralisierung unterstützen kann.

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2.2 Informationsmanagement 31

Koordinationsintensität

Kosten

Autonomiekosten Koordinationskosten

K1

Gesamtkosten

K1: Punkt der kostenoptimalen Koordinationsintensität

Koordinationsintensität

Kosten

Autonomiekosten Koordinationskosten

K1

Gesamtkosten

K1: Punkt der kostenoptimalen Koordinationsintensität

Abbildung 2-2: Autonomie- versus Koordinationskosten [Frese 1995, 101]

Der Mehrwert von Koordinationstechnologien ist situationsabhängig. Zum Beispiel bedeutet der Einsatz von Automatisierungstechnologien einen Verlust an Freiheitsgra-den bei der Prozessgestaltung. Falls ein Prozess nicht hinreichend genau durch Regeln beschreibbar ist, kann der Einsatz von Automatisierungstechnologie häufiges Eingrei-fen der Administration erfordern, was zusätzliche Kosten verursacht [vgl. Attewell/ Rule 1984].

2.2 Informationsmanagement

Die Information nimmt eine Sonderrolle unter den zu koordinierenden betrieblichen Ressourcen ein. Sie ist im Unterschied zu materiellen Wirtschaftsgütern beliebig teil-bar, leicht transferierbar und unterliegt nicht der Abnutzung. Deshalb ist sie mit ande-ren Maßstäben zu bewerten [vgl. Wild 1971, 318 f.]. Diese Bewertungsmaßstäbe füh-ren zur Definition eines eigenen Qualitätsbegriffs für Information. Durch Informati-onsmanagement können Unternehmen den Faktor Information als Wettbewerbsvorteil nutzen, z.B. gemäß dem Modell des Echtzeitunternehmens [vgl. Fleisch/Österle 2004]. Asymmetrische Informationsverteilung ist nach Hayek ein Grundproblem der Koordination wirtschaftlicher Aktivitäten [vgl. Steele 1993]. Nachfolgende Abschnit-te charakterisieren die betriebliche Ressource Information, beschreiben Ansätze zur Qualitätsbewertung und das Gestaltungsmodell des Echtzeitunternehmens.

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32 2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes

2.2.1 Information als betriebliche Ressource

Die betriebswirtschaftliche Literatur zitiert zur Beschreibung des Informationsbegrif-fes häufig die Definition „Information ist zweckbezogenes Wissen“ [Wittmann 1959, 14]. Hierin kommt die Unterstützung des Entscheidungsprozesses als zentrale Aufga-be der Information zum Ausdruck. Kritiker bemängeln, dass diese Definition die Be-deutung von Information als Wirtschaftsgut, z.B. als Finanz- und Beratungsdienstleis-tung, vernachlässigt [vgl. Bode 1993]. Ein umfassenderes Informationsverständnis liefert die Semiotik, welche die drei36 Ebenen Syntaktik (Beziehungen zwischen Zei-chen), Semantik (Beziehung zwischen Zeichen und inhaltlicher Bedeutung) und Prag-matik (Wirkung der Zeichen auf den Nutzer37) zur Informationsbeschreibung verwen-det (s. Abbildung 2-3). Auf diese Ebenen beziehen sich unterschiedliche Ansätze zur Bewertung der Informationen sowie Konzepte der Integration von Informationssys-temen. Während sich die technische Informationstheorie [Shannon/Weaver 1972] auf die Betrachtung der Syntaktik beschränkt, konzentriert sich die BWL auf die pragma-tische Ebene.

Pragmatische EbeneInformation

Semantische EbeneDaten

Syntaktische EbeneZeichen

S

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Abbildung 2-3: Ebenen der Kommunikation

(in Anlehnung an [Reichwald 1999, 231], [Krcmar 1997, 21])38

Für Unternehmen besitzen Informationen einen Wert wie alle anderen im Leistungser-stellungsprozess eingesetzten Ressourcen [vgl. Seibt 1993, 14 ff.; Levitin/Redman 1998]. Durch den Einsatz von IT, wie z.B. automatische Datenerfassungssysteme, Kommunikationstechnologien, Fertigungsmaschinen, können Unternehmen Wettbe-werbsvorteile erzielen [vgl. Porter/Millar 1985, 149 f.]. In der Literatur bestehen un-terschiedliche Auffassungen darüber, ob Information die Kriterien eines eigenständi-gen Produktionsfaktors erfüllt [vgl. Seidenberg 1998, 3 ff.]. Dagegen spricht die in

36 Einige Autoren verwenden zusätzlich die Ebene der Sigmatik (Beziehung zwischen Zeichen und Bezeichne-

tem). Andere Autoren lehnen dies wegen Problemen der Abbildungsbeziehung von Zeichen auf reale Objekte ab oder ordnen sie der Semantik zu [vgl. Krcmar 1997, 21].

37 Verschiedene Definitionen lassen entweder nur Menschen oder beliebige informationsverarbeitende Systeme als Nutzer zu.

38 Die Zuordnung von Daten zur semantischen Ebene setzt die Verknüpfung mit einem Datenmodell voraus, das die Bedeutung der Datenfelder erklärt.

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2.2 Informationsmanagement 33

der Produktionstheorie geforderte Quantifizierbarkeit von Produktionsfaktoren zur Unterstützung einer Input-Output-Analyse [vgl. Schneider 1981, 43]. Dafür spricht die geforderte Vollständigkeit von Faktorsystemen, was z.B. eine Erweiterung des Faktorsystems nach [Gutenberg 1979] um den Produktionsfaktor Information unter-stützt [vgl. Zimmermann 1972; Jehle et al. 1994, 1].

Unsicherheit und Organizational Slack

Individuen halten Ressourcen vor, ohne dass sie diese für die Leistungserstellung benö-tigen. Dieses Problem kennzeichnet die Organisationstheorie als „organizational slack“ [vgl. Galbraith 1977, 81 ff.]. So erklärt z.B. [Bromiley 1991] die Einrichtung von Puf-ferlagern als Maßnahme zur Vermeidung von Störungen. Allerdings wirken sich der-artige Puffer negativ auf die Effizienz der Wertschöpfungskette aus. Verschiedene Autoren argumentieren, dass es eine für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen optimale Menge an Organizational Slack gibt [vgl. Nohria/Gulati 1996]. Während ein Zuviel zur Ressourcenverschwendung führt, kann ein Zuwenig die Innovationsfähig-keit oder die Flexibilität, d.h. die Fähigkeit auf unvorhergesehene Ereignisse zu rea-gieren, einschränken [vgl. Nohria/Gulati 1996]. Die Entscheidung über die richtige Menge, in der eine Ressource vorzuhalten ist, hängt von ihrer Kritizität für die Leis-tungserstellung ab. Verschiedene Kriterien wie etwa der Beitrag zur Wertschöpfung, die Verfügbarkeit, die Wertbeständigkeit oder die Konsequenzen aus der Nichtverfüg-barkeit lassen sich zur Bewertung der Ressourcenkritizität verwenden (s. Tabelle 2-4).

Kriterien Bewertung Beispiel Beitrag zur Wert-schöpfung

- notwendig - substituierbar - qualitätsverbessernd

- Spezialteile gemäß Stückliste - Standardteile - gute Ausbildung der Mitarbeiter

Verfügbarkeit - sofort - auf Termin - unsicher

- Standardteile - Spezialteile vom Vertragslieferanten - Spezialteile gemäß Kundenwunsch

Wertbeständigkeit - wertbeständig - wertverzehrend - volatil (Marktpreise)

- gute Ausbildung der Mitarbeiter - Elektronikbauteile - Rohstoffe

Konsequenzen aus Nichtverfüg-barkeit

- keine - Prozesskosten - Unternehmenswertverlust

- substituierbare Produktionsfaktoren - kurzfristige Nichtverfügbarkeit - dauerhafte Nichtverfügbarkeit

Tabelle 2-4: Kriterien zur Bewertung der Kritizität von Ressourcen

Die Bewertung von Informationen gemäß der Kritizität gibt Unternehmen Hinweise zur Gestaltung ihrer Informationssysteme, damit diese den Bedarf nach kritischen In-formationen bevorzugt behandeln. Aus Perspektive von Individuen begründet deren Unsicherheit („Uncertainty“) deren subjektiven Informationsbedarf. Unsicherheit be-deutet in der ökonomischen Informationstheorie die subjektive Einschätzung über die

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34 2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes

Wahrscheinlichkeit, mit der ein Individuum einen Zustand der realen Welt bestimmen kann [vgl. Laffont 1989].39 Beispielsweise zeigt [Akerlof 1970] am Beispiel des Ge-brauchtwagenmarktes, welchen Einfluss die Unsicherheit von potenziellen Käufern über die Qualität von Produkten auf den erzielbaren Preis hat. In diesem Sinne redu-ziert zusätzliche Information die Unsicherheit, z.B. ein von einer Vertrauensperson er-stelltes Gutachten über die Produktqualität.

Die Logistikliteratur verwendet den Begriff Visibilität40 zur Beschreibung der Verfüg-barkeit von Information über logistische Systemzustände. Das heißt je größer die Vi-sibilität ist, desto geringer ist die Unsicherheit. Informationsbedarf besteht je nach Si-tuation bzgl. verschiedener Objekte, z.B. Auftragsstati, Bestände, Fertigungskapazi-täten, Produktqualität, Prozesse, Kooperationsbeziehungen und Kostenstruktur [vgl. Straube 2004, 101]. Eine Kernaussage des Logistikmanagements ist, dass sich durch einen hohen Grad an Visibilität die Gesamtperformanz eines Liefernetzwerkes stei-gern lässt. Voraussetzung für Visibilität in logistischen Netzwerken ist der Informati-onsaustausch (Information Sharing) zwischen den Unternehmen [vgl. Alshawi 2001, 237 ff.; Balasubramanian et al. 2002]. Neue Informationstechnologien leisten einen Beitrag zur Steigerung der Visibilität. Grenzen liegen dort, wo Unternehmen kein In-teresse daran haben, ihre Prozesse offen zu legen.

Informationsbedarf und Informationsversorgung

Es kommt nicht darauf an, möglichst viele, sondern entscheidungsrelevante Infor-mationen zu erhalten: „Das größte Problem […] liegt in der Flut von Informationen, in denen die meisten Manager ertrinken“ [Iacocca/Novak 1985, 88]. Während un-wichtige Informationen im Überfluss vorhanden sind, trifft für die relevanten Infor-mationen das Prinzip der Ressourcenknappheit zu [vgl. Blohm 1988, 43]. Demzufolge ist die Abstimmung von Informationsnachfrage und -bedarf eine wichtige Aufgabe des Informationsmanagements (s. Abbildung 2-4). Darüber hinaus ist eine Abstim-mung der Informationsmenge auf die Verarbeitungskapazität zu beachten.41

39 In der formalen Informationstheorie bedeutet Information kontraintuitiv die Zunahme von Ungewissheit. In-

formation bezeichnet das Maß der Ungewissheit bei der gestörten Übertragung einer Botschaft, d.h. die An-zahl an Wahlmöglichkeiten, die der Empfänger zur Rekonstruktion der Botschaft hat [Shannon/Weaver 1972, 15 ff.].

40 Einige Autoren verwenden den Begriff der Transparenz synonym zur Visibilität. In der Informatik bedeutet hingegen die Transparenz von Eigenschaften oder Komponenten eines Systems, dass deren Kenntnis für den Anwender nicht notwendig ist. In diesem Sinne ist z.B. der physische Ort, an dem eine Internetdienstleistung entsteht, transparent.

41 Dies stellt z.B. [Miller 1956] in seinem Aufsatz „The Magical Number Seven, Plus or minus Two: Some Limits on our Capacity for Processing Information“ fest.

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2.2 Informationsmanagement 35

Informations-angebot

objektiverInformations-

bedarf

subjektiverInformations-

bedarfInfo-nach-frage

Informations-stand

Informations-angebot

objektiverInformations-

bedarf

subjektiverInformations-

bedarfInfo-nach-frage

Informations-stand

Abbildung 2-4: Informationsbedarf und -versorgung [Picot et al. 1998, 82]

2.2.2 Höhere Informationsqualität durch Vermeidung von Medienbrüchen

Die Informationsökonomie beschreibt verschiedene Modelle zur Bewertung von In-formation, welche den subjektiven Zweckbezug, die Ortsunabhängigkeit und beliebi-gen Teilbarkeit berücksichtigen [vgl. Wild 1971; Hirshleifer 1973]. Allerdings behin-dern Medienbrüchen in der Praxis die beliebige Transferierbarkeit (Ortsunabhängig-keit) [vgl. Zerdick et al. 2001].

Ursachen und Folgen von Medienbrüchen

Medienbrüche bestehen in der betrieblichen IV bei der Übertragung von Informati-onen von einem auf ein anderes Medium. Ein oft zitiertes Beispiel ist die mehrfache Erfassung von Auftragsdaten in unterschiedlichen IT-Systemen. Aber auch die Erfas-sung von Zuständen der realen Welt, z.B. das Durchführen einer Inventur, ist ein Me-dienbruch. Mögliche Folge von Medienbrüchen sind Verzögerungen, Informations-verlust und Fehler. Verzögerungen treten bspw. auf, wenn am Wareneingang eine ma-nuelle Mengen- und Qualitätskontrolle stattfindet. Informationsverlust bedeutet, dass ein Zielmedium weniger Informationen aufnehmen kann als das Quellmedium. Bei-spielsweise findet Informationsverlust bei der Übersetzung von einer Sprache in eine andere mit geringerer Ausdrucksfähigkeit statt. Zum Beispiel kann ein Auftraggeber seinen Auftrag genauer beschreiben, als ein Auftragsformular mit vorgegeben Feldern an Informationen aufnehmen kann. Fehler treten bei der Übertragung von Informa-tionen von einem Informationssystem in ein anderes auf. Durch Menschen verursach-te Fehler führen z.B. zu falscher oder unvollständiger Datenerfassung.

Die Vermeidung von Medienbrüchen ist eine Motivation für die Integration von In-formationssystemen (s. Tabelle 2-5). Horizontal integrierende Systeme, wie z.B. ERP-Systeme, verbinden funktionsorientierte Applikationen (z.B. Buchhaltungs-, Auftrags-abwicklungs- und Produktionsplanungsprogramme). SCM- und E-Procurement-Syste-me vernetzen die Informationssysteme verschiedener Unternehmen. Datenerfassungs- und Steuerungssysteme verbinden IT-Systeme mit der realen Welt.

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36 2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes

Medienbrüche IT-Systeme zur Überwindung der Medienbrüchein einzelnen Unternehmensfunktionen, wie Finanzen oder Produktionsplanung

funktionsorientierte Standardsoftwarepakete, z.B. Finanzpakete oder PPS-Systeme

in unternehmensweiten Prozessen Enterprise-Resource-Planning-Systeme, z.B. R/3 von SAP

in unternehmensübergreifenden Pro-zessen

unternehmensübergreifende Systeme, z.B. E-Pro-curement- oder SCM-Systeme

in der Verbindung der Informations-systeme mit Ereignissen der realen Welt

integrierte Schnittstellen zur Datenerfassung oder Maschinensteuerung, z.B. RFID, Sensoren oder MEMS

Tabelle 2-5: Medienbrüche in der betrieblichen IV [Fleisch/Dierkes 2003]

Daten- und Informationsqualität

Nicht jede Information ist geeignet, den Informationsstand eines Entscheidungsträgers zu verbessern. Informationen können nämlich auch falsch und somit eine mögliche Ursache für Fehlentscheidungen sein. Eine potenzielle Fehlerquelle sind Medien-brüche, weil sie zu fehlerhaften Daten führen oder durch Verzögerungen zeitkritische Informationen entwerten. Verschiedene Untersuchungen gehen davon aus, dass durchschnittlich 1–5 % der Datenbankinhalte in Unternehmen falsch sind, in Einzel-fällen sind es bis zu 30 % [vgl. Redman 1998, 80]. Operative Auswirkungen sind z.B. schlechter Kundenservice oder erhöhter Nachbearbeitungsaufwand. Strategische Aus-wirkungen betreffen z.B. die Prozessplanung und die Formulierung von Geschäftszie-len [vgl. Redman 1998, 80 ff.].

Ein Modell zur Bewertung der Datenqualität ist eine Voraussetzung zur Durchführung von Verbesserungsmaßnahmen. Verschiedene Untersuchungen verwenden die Feh-lerfreiheit (accuracy) als Metrik zur Bewertung der Datenqualität. Ein Datensatz in einer Datenbank ist fehlerfrei, wenn die Angaben vollständig und richtig in Bezug auf die Anforderungen des Datenmodells sind. Umfassendere Ansätze orientieren sich an den Bedürfnissen der Anwender und formulieren Kriterienkataloge, die Eigenschaften wie z.B. die Zweckentsprechung des Datenmodells, die Zuverlässigkeit und die Aktu-alität bewerten [vgl. Ballou/Pazer 1995; Eppler 2003] (s. Tabelle 2-6). Datenqualität ist hierbei definiert als „data that are fit for use by data consumers“ [Wang/Strong 1996, 6]. Am Datenverwender orientierte Bewertungsmodelle messen die Qualität von Daten anhand deren potenziellen Informationsgehalts, d.h. ihrer Nützlichkeit zur Deckung eines aktuellen oder zukünftigen Informationsbedarfs.42 Demnach unter-stützt die Datenqualität der IT-Systeme die Informationsqualität im Unternehmen.

42 Analog zu Datenqualität definiert [Wang 1998, 60] Informationsqualität als „fitness for use by the informati-

on consumer“.

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2.2 Informationsmanagement 37

Kategorie Dimensionen Intrinsischer Wert Fehlerfreiheit, Objektivität, Glaubwürdigkeit Verfügbarkeit Zugriffsmöglichkeit, Sicherheit Kontext Zweckentsprechung, Mehrwert, Rechtzeitigkeit, Vollständigkeit Repräsentation Interpretierbarkeit, Verständlichkeit, Präzision

Tabelle 2-6: Dimensionen der Datenqualität [Wang/Strong 1996, 20]

Zur Verbesserung der Informationsqualität schlagen einige Autoren die Anwendung von Konzepten des Produktionsmanagement vor, wie bspw. die Vermeidung von Zwischenspeicherung analog dem JIT-Verfahren, Verkürzung von Durchlaufzeiten, Verwendung kleiner Losgrößen, Individualisierung und Total Data Quality Manage-ment [vgl. Ronen/Spiegler 1991, 240 f.; Wang 1998]. Ähnliche Ansätze verwendet das nachfolgend beschriebene Echtzeitmanagement.

2.2.3 Echtzeitmanagement als Gestaltungsmodell

Informationen müssen nicht nur vollständig und richtig sein, sondern auch schnell und zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Die Geschwindigkeit, mit der Infor-mationen in Unternehmen bzw. Unternehmensnetzwerken zur Verfügung stehen, nutzt das Echtzeitunternehmen (Real-Time-Enterprise) als Wettbewerbsvorteil [vgl. Porter 2001; Scheer et al. 2003]43. Das Konzept des Echtzeitunternehmens erweitert bestehende Ansätze zur Beschleunigung von Geschäftsprozessen und richtet diese auf den Kunden aus [vgl. Stalk/Hout 1990]. Einige Autoren beschreiben Echtzeitmanage-ment als Managementsicht auf die Integration von Informationssystemen. Sie fordern von Echtzeitunternehmen, Medienbrüche in ihren Informationssystemen zu vermei-den. Echtzeitsysteme führen die Erfassung von Eingabedaten, die Durchführungen von Berechnungen und die Ausgabe der Ergebnisse in der durch die Anwendung vor-gegebenen Zeit (rechtzeitig) durch [vgl. Gartner 2004b].

Schlüsselkonzepte und Instrumente

Die Schlüsselkonzepte Integration, Automatisierung und Individualisierung schaffen die Voraussetzung dafür, dass notwendige Informationen am Bedarfsort in Echtzeit zur Verfügung stehen [vgl. Fleisch/Österle 2004, 5 ff.; Senger 2004]. Integration be-schreibt in der Informationsverarbeitung die Vernetzung von IT-Systemen zur durch-gängigen Unterstützung von Prozessen (horizontale Integration) und der Verknüpfung dispositiver mit operativen Aufgaben (vertikale Integration). Darüber hinaus findet im Echtzeitunternehmen eine Integration von IT-Systemen mit der realen Welt statt, de-ren Objekte sie abbilden und steuern (s. Abschnitt 2.1.2).

43 Weitere aktuelle Veröffentlichungen zum Thema Echtzeitunternehmen sind [vgl. Khosla/Pal 2002; McKenna

2002; Gartner 2003b]. [Rabin 2003] wendet das Konzept Echtzeitmanagement im SCM an.

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38 2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes

Automatisierung beschreibt die Durchführung von Prozessaufgaben durch Maschinen. Bei teilautomatisierten Systemen sind einige, bei vollautomatisierten alle Prozessauf-gaben maschinell unterstützt. Beispielsweise kann ein automatisiertes Hochregallager ordnungsgemäß etikettierte Behälter ohne menschliche Hilfe einlagern. Das Anbrin-gen des Etiketts geschieht aber häufig manuell. Der gesamte Prozess ist deshalb nur teilautomatisiert. Die Integration zwischen IT-Systemen und realer Welt mittels Sen-soren und Aktuatorik unterstützt die Vollautomatisierung.

Individualisierung ermöglicht die bedarfsgerechte Bereitstellung von Informationen. Echtzeitsysteme stellen den Anwendern genau die Informationen zur Verfügung, die sie zur Entscheidungsunterstützung benötigen. Individualisierung in der Kundenbe-ziehung bedeutet z.B. die kundenindividuelle Leistungszusammenstellung in der Pro-duktion. Wenn in jedem Arbeitsschritt kundenbezogene Auftragsdaten zur Verfügung stehen, lassen sich Differenzierungen schon während der Produktion vornehmen.

Zur Umsetzung dieser Schlüsselkonzepte schlagen [Fleisch/Österle 2004] sechs Re-geln idealtypischer Echtzeitsysteme vor44:

1. Verteilungsregel. In einem Echtzeitunternehmen stehen Informationen un-mittelbar nach deren Entstehung am Entstehungsort („Point of Creation“) im gesamten Unternehmen, d.h. am Bedarfsort („Point of Action“), zur Ent-scheidungsunterstützung zur Verfügung.

2. Erfassungsregel. Die Datenerfassung erfolgt automatisch und vermeidet Me-dienbrüche. Das heißt dass zur Abbildung realer Abläufe in IT-Systemen keine manuellen Tätigkeiten notwendig sind.

3. Informationsflussregel. Echtzeitsysteme vermeiden Zeit- und Warenpuffer. Unternehmen setzen die mit Kapitalbindungskosten verbundenen Puffer ein, um Nachfrageschwankungen zu vermeiden, wie sie z.B. der Peitscheneffekt (Bullwhip-Effect) beschreibt [Forrester 1958; Lee et al. 1997]. Der Austausch von Informationen über Lagerbestände und Auftragseingänge über die gesamte Wertschöpfungskette verringert den Bedarf an Puffern [Chen et al. 2000].

4. Semantikregel. Kommunikation setzt voraus, dass alle Beteiligten ein gemein-sames Verständnis von der verwendeten Sprache haben: Das heißt die Beteilig-ten müssen die ausgetauschten Daten verstehen (interpretieren). Dies können die Beteiligten durch die Vereinbarung gemeinsamer Regeln (Standards) errei-chen. Semantische Brüche bestehen auch zwischen Menschen und Maschinen, z.B. wenn der Mensch die Maschinenbedienung nicht als intuitiv empfindet.

44 Vgl. auch die ausführlichere Beschreibung in [Senger 2004].

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2.2 Informationsmanagement 39

5. Selektionsregel. Echtzeitsysteme stellen Entscheidern nur die für die aktuell zu treffende Entscheidung relevanten Informationen zur Verfügung. Dies redu-ziert beim Entscheider den Aufwand des Filterns bzw. Interpretierens und be-schleunigt die Entscheidung. Echtzeitsysteme sind deshalb kontextsensitiv.

6. Aktionsregel. Echtzeitmanagementsysteme besitzen die Eigenschaft, Entschei-dungen am Bedarfsort direkt umzusetzen. Beispiele hierfür sind automatisch generierte Nachbestellungen beim Erreichen eines bestimmten Lagerbestands oder die direkte Ansteuerung von Produktionsmaschinen durch das PPS-Sys-tem mittels MEMS. Derartige Aktionsregeln lassen sich durch Regelkreise modellieren, wie folgender Abschnitt beschreibt.

Regelkreisbasierte Automatisierung

Aktionsregeln von Echtzeitsystemen lassen sich durch Regelkreismodelle beschrei-ben. Der Regelkreis wendet das aus der Kybernetik stammende Prinzip der Rück-kopplung im Rahmen der ökonomischen Systemtheorie auf ökonomische und soziale Beziehungen an [vgl. Wiener 1972]. [Herder-Dorneich 1993] stellt z.B. soziale Steue-rung als Variation und Kombination von komplexen, vernetzten, informationsgesteu-erten Regelkreisen dar. In der Produktion finden Regelkreismodelle zur Beschreibung der Fertigungssteuerung und zur Integration von Qualitätssicherungsverfahren in ope-rative Prozesse Anwendung [vgl. Götte 1996, 129 ff.].

Wertschöpfungskette

Echtzeitsystem

Regelgrößen(Ist)

Stellgrößen(Soll)

Führungsgrößen

Störgrößen

Controlling- -

.

Selektions-regeln

Entscheidungs-regeln

POC POAZulie-ferer

Fahrzeug-hersteller Händler Kunde

z.B.:-Nachfrageunsicherheit-Maschinenausfälle-Schwund

z.B.:-Beschaffungsmengen-Produktionsmengen-Vertriebsmengen

POA: Aktionspunkt

POC: Kontrollpunkt

: Informationsfluss: Materialfluss

z.B.:-Bestände-Output-Absatz

z.B.:-Lieferservice-Durchlaufzeit-Rentabilität

Sensoren Aktoren

Wertschöpfungskette

Echtzeitsystem

Regelgrößen(Ist)

Stellgrößen(Soll)

FührungsgrößenFührungsgrößen

StörgrößenStörgrößen

Controlling- -

.

Selektions-regeln

Entscheidungs-regeln

POC POAZulie-ferer

Fahrzeug-hersteller Händler Kunde

z.B.:-Nachfrageunsicherheit-Maschinenausfälle-Schwund

z.B.:-Beschaffungsmengen-Produktionsmengen-Vertriebsmengen

POA: Aktionspunkt

POC: Kontrollpunkt

: Informationsfluss: Materialfluss

POA: Aktionspunkt

POC: Kontrollpunkt

: Informationsfluss: Materialfluss

z.B.:-Bestände-Output-Absatz

z.B.:-Lieferservice-Durchlaufzeit-Rentabilität

Sensoren Aktoren

Abbildung 2-5: Regelkreismodell des Echtzeitmanagements im SCM

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40 2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes

Im Echtzeitmanagement bilden geschlossene informatorische Führungsregelkreise die Voraussetzung für Automatisierung (s. Abbildung 2-5). Die Regelkreise können sich auf unterschiedliche organisatorische Einheiten beziehen, d.h. auf die Wertschöp-fungskette, einzelne Unternehmen oder Prozesse und Aufgaben. Führungsgrößen defi-nieren Vorgaben für die Organisationseinheit, bspw. bei einer Lieferkette die Perfor-manzindikatoren Durchlaufzeit oder Lieferservicegrad. Über die Anpassung von Stellgrößen, z.B. der Beschaffungsmengen, lässt sich die Performanz der Lieferkette im Sinne der Zielerreichung beeinflussen. Über die Veränderung der Stellgrößen ent-scheidet der Entscheidungsträger anhand von Regelgrößen, z.B. Bestände und Absatz-zahlen. Auf die Lieferkette einwirkende Störgrößen wie z.B. Maschinenausfälle oder Nachfrageschwankungen fordern einen ständigen Handlungsbedarf. Im ideellen Echt-zeitunternehmen sind alle Regelkreise digitalisiert. Das heißt automatische Datener-fassungstechnologien (z.B. Sensoren, RFID) versorgen das Echtzeitsystem mit Infor-mationen über den Systemzustand. Durch Anwendung von Selektionsregeln ermittelt das Echtzeitsystem die entscheidungsrelevanten Informationen und wählt gemäß Ent-scheidungsregeln zwischen Handlungsoptionen aus. Die Entscheidungsumsetzung er-folgt automatisch mittels Maschine-zu-Maschine-Schnittstellen, z.B. durch MEMS.

2.3 Supply Chain Management

Über den Begriff Supply Chain Management45 und seine Abgrenzung zum Logistik-begriff bestehen in der Literatur unterschiedliche Auffassungen. Während einige Au-toren die Begriffe ganz oder zumindest SCM mit integriertem Logistikmanagement gleichsetzen, z.B. [Cooper et al. 1997, 4]: „In conclusion, for many, the contemporary understanding of SCM is not appreciably different from the understanding of integra-ted logistsics management“, heben andere Autoren Besonderheiten hervor, z.B. be-merkt [Stölzle 1999, 162] die permanente interorganisatorische Ausrichtung von SCM, [Waters 1999] versteht unter SCM ausschließlich Steuerungs- und Koordinati-onsaufgaben. Die Wettbewerbsrelevanz des SCMs und dessen Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg betonen [Lambert/Cooper 2000]. Diese Arbeit verwendet zur Bewertung des Einsatzes von RFID-Systemen eine prozessorientierte Sichtweise [vgl. Gaitanides 1983; Klaus 1998, 434 ff.]. Der folgende Abschnitt beschreibt ein ent-sprechendes Prozessmodell und Möglichkeiten zur Erfolgsmessung. Eine Darstellung des aktuell in der Literatur diskutierten Modells des agilen Liefernetzwerkes und den sich hieraus für Unternehmen ergebenden Herausforderungen folgt im zweiten Ab-schnitt. Der dritte Abschnitt vermittelt einen Überblick über den Stand des IT-Ein-satzes als Ausgangsbasis einer möglichen RFID-Einführung.

45 Der Begriff Supply Chain Management stammt aus dem Umfeld der Unternehmensberatung [vgl.

Keith/Webber 1982] und wurde später in der Wissenschaft aufgegriffen. Einen Vergleich verschiedener Definitionen nehmen z.B. [Göpfert 2004, 28 ff.] und [Kotzab 2000, 24 ff.] vor.

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2.3 Supply Chain Management 41

2.3.1 Prozessorientierte Sichtweise

Die prozessorientierte Sichtweise des SCMs betrachtet anstatt einzelner Funktionsbe-reiche oder Unternehmen ganze Wertschöpfungsnetzwerke. „Jedes Unternehmen ist eine Ansammlung von Tätigkeiten, durch die sein Produkt entworfen, hergestellt, ver-trieben, ausgeliefert und unterstützt wird. Alle diese Tätigkeiten lassen sich in einer Wertkette darstellen. Jede Wertaktivität setzt […] jeweils gekaufte Inputs, mensch-liche Ressourcen sowie Technologien in irgendeiner Form ein.“ [Porter 1992] Nach außen hin ist diese Unternehmenswertkette eingebunden in die Wertketten von Liefer-anten, Vertriebskanälen und Kunden. Dementsprechend lässt sich das Porter’sche Modell zur Analyse wirtschaftlicher Zusammenhänge auf Industrien oder Volkswirt-schaften (Wertschöpfungsnetzwerke) ausdehnen. Durch Prozesse beschriebene Wert-kettenmodelle stellen die funktionalen Gliederungen der Unternehmen nicht infrage, sondern bauen auf diesen Strukturen auf. Sie integrieren bspw. die funktionalen Sub-systeme Beschaffungs-, Produktions- und Distributionslogistik [vgl. Pfohl 2000].

Ein Prozess ist eine zeitlich und räumlich strukturierte Menge von Aktivitäten mit klar definierten Inputs und Outputs [Davenport 1993, 5]. Zur Erzeugung des Outputs verwenden die Aktivitäten materielle oder informatorische Ressourcen (s. Abbildung 2-6). Im Rahmen der Prozessanalyse erfolgt zur Komplexitätsreduktion eine Fo-kussierung auf einzelne Aktivitätenfolgen (Aufgaben), die ein definiertes Teilergebnis erzeugen [vgl. Österle 1995]. Demnach sind z.B. Auftragsannahme und Versandab-wicklung einzelne Aufgaben, die aus Perspektive des SCMs in einen auf den Kunden-nutzen ausgerichteten Gesamtprozess zu integrieren sind [vgl. Poirier 1999, 2].

Output2…Input n-1Aktivität 1

Input 0 Output1= Input1Aktivität 2 Aktivität n

Output n

P r o z e s s

Ressource A Ressource B Ressource C Ressource Z. . .

Output2…Input n-1Aktivität 1

Input 0 Output1= Input1Aktivität 2 Aktivität n

Output n

P r o z e s s

Ressource A Ressource B Ressource C Ressource Z. . .

Abbildung 2-6: Gestaltungselement Prozess (in Anlehnung an [Ljungberg 2002, 258])

Die Aktivitätenorientierung bedeutet eine zusätzliche Detaillierungsstufe der Prozess-betrachtung [vgl. Kuhn/Hellingrath 2002, 93 f.]. Zum Beispiel betrachten Methoden der Kostenrechnung einzelne Aktivitäten der Leistungserstellung. Vor dem Hinter-grund, dass traditionelle Verfahren zur Kostenberechnung ungenau sind, da sie die Gemeinkosten proportional zu den Lohnstückkosten anstatt verursachungsgerecht verteilen, orientiert sich die Prozesskostenrechnung (Activity Based Costing [vgl. Cooper/Kaplan 1988] bzw. Activity Based Management [vgl. Sharman 1993]) an den Aktivitäten. Beispielsweise ist die Höhe der einem Produkt zurechenbaren Material-gemeinkosten nicht nur vom Wert der verwendeten Materialien abhängig, sondern

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42 2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes

außerdem von der Anzahl an Bestellungen, Lagerbewegungen und Dispositionsaktivi-täten [vgl. Coenenberg/Fischer 1991, 26]. Auch zur Bewertung des Einsatzes von IT-Systemen ist eine Betrachtung auf Aktivitätenebene sinnvoll, da Effekte wie effizien-tere Ressourcenverwendung oder Automatisierung einzelne Aktivitäten betreffen.

Aufgabenmodelle des SCMs

Referenzprozessmodelle für das SCM erleichtern die Gestaltung und den Vergleich von Prozessen. Zum Beispiel verwenden BPR-Methoden Prozessmodelle als Aus-gangspunkt für die Entwicklung von Best Practices [vgl. Österle/Blessing 2000, 76 ff.]. Verschiedene Modelle des SCMs unterscheiden sich in den verwendeten Be-trachtungsebenen, den enthaltenen Aufgaben (Teilprozessen) und dem Detaillierungs-grad.

• Mögliche Betrachtungsebenen sind z.B. die vertikal dargestellten hierarchi-schen Ebenen Strategie, Taktik bzw. Planung und Transaktion bzw. Ausfüh-rung (operative Ebene) oder eine flussorientierte Betrachtung der Ebenen Ma-terial-, Informations- und Finanzfluss [vgl. Wildemann 1997, 225 f.; Weber/ Kummer 1998]. Eine horizontale Einteilung, die sich an der Reichweite von Prozessen orientiert, unterscheidet zwischen lokalen und globalen Prozessen [vgl. Pohland 1999, 119]. Die globalen Prozesse entsprechen den unterneh-mensübergreifenden Prozessen, die Gegenstand der SCM-Betrachtung sind.

• Der Aufgabenbereich des SCMs ist mit „all activities asscociated with the flow and transformation of goods from raw material stage […] through the end user“ [Handfield/Nicholas 1999, 2] weit gefasst. Verschiedene Autoren zählen hierzu die Aufgaben Beschaffung, Transport, Lagerhaltung, Produktion, Dist-ribution und Recycling [vgl. Lambert et al. 1998, 2; Baumgarten/Walter 2000]. Das in der Praxis etablierte Supply-Chain-Operations-Reference-(SCOR-)Modell ordnet Aktivitäten des SCMs den Aufgaben Planen, Beschaffen, Herstellen, Liefern und Zurücklie-fern zu [vgl. SCOR 2004].

• Der Detaillierungsgrad verschiedener SCM-Modelle reicht von der Darstel-lung des Logistiknetzwerkes, bestehend aus (Umschlags-)Lagern (Knoten) und Transportverbindungen (Kanten), über die Beschreibung von Aufgaben unter-schiedlichen Umfangs bis hin zur Spezifizierung einzelner Aktivitäten, wie z.B. „Wareneingangbuchung“ oder „Einlagerung“. Insbesondere Referenzmo-delle von Standardsoftware spezifizieren neben Aufgaben auch einzelne Akti-vitäten [vgl. Curran/Keller 1999, 139 ff.].

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2.3 Supply Chain Management 43

Trotz des hohen Detaillierungsgrades des SCOR-Modells bezweifeln Kritiker seine Eignung für die Analyse des Einsatzes von IT-Systemen, da es keine direkte Zuord-nung von in diesem Modell enthaltenen Aufgaben zu gängigen IT-Applikationen un-terstützt [vgl. Hellingrath et al. 2004, 197]. Zu diesem Zweck existieren andere, meist hierarchische Modelle, die Aufgaben Systemebenen, wie z.B. Strategie-, Planungs- und Ausführungssystem, zuordnen [vgl. Gehr et al. 2003]. Das in Abbildung 2-7 dar-gestellte Modell verwendet hierzu die Ebenen Planung und Ausführung. Es dient im Verlauf der Arbeit zur Einordnung der Auswirkungen von RFID-Systemen. Zur Be-wertung verwendet das SCM Kenngrößen (Metriken), mit deren Hilfe ein positiver oder negativer Beitrag zur Performanz des Liefernetzwerkes darstellbar ist.

Planungs- undKontrollaufgaben

OperativeAufgaben

Forschungsowie Produkt-und Prozess-entwicklung

Vertrieb, Beschaffung, Lagerhaltung, Produktion, Versand

Finanzen, Rechnungswesen,Personal, Gebäudemanagement

Vertrieb, Beschaffung, Lagerhaltung, Produktion,

Versand

Finanzen, Rechnungswesen,

Personal, Gebäudemanagement

SCM-gesamt-planung

Kunden-dienst

F&E CRM

Horizontale Integration

Ver

tikal

e In

tegr

atio

n

Planungs- undKontrollaufgaben

OperativeAufgaben

Forschungsowie Produkt-und Prozess-entwicklung

Vertrieb, Beschaffung, Lagerhaltung, Produktion, Versand

Finanzen, Rechnungswesen,Personal, Gebäudemanagement

Vertrieb, Beschaffung, Lagerhaltung, Produktion,

Versand

Finanzen, Rechnungswesen,

Personal, Gebäudemanagement

SCM-gesamt-planung

Kunden-dienst

F&E CRM

Planungs- undKontrollaufgaben

OperativeAufgaben

Forschungsowie Produkt-und Prozess-entwicklung

Vertrieb, Beschaffung, Lagerhaltung, Produktion, Versand

Finanzen, Rechnungswesen,Personal, Gebäudemanagement

Vertrieb, Beschaffung, Lagerhaltung, Produktion,

Versand

Finanzen, Rechnungswesen,

Personal, Gebäudemanagement

SCM-gesamt-planung

Kunden-dienst

F&E CRM

Horizontale Integration

Ver

tikal

e In

tegr

atio

n

Abbildung 2-7: Aufgabenmodell des SCM (in Anlehnung an [Mertens 2001, 5])

Metriken und wertorientierte Betrachtung zur Erfolgsmessung

Die über das Einzelunternehmen hinausgehende Leistungsmessung (Performance Measurement) erfordert im Vergleich zur Bewertung bei Einzelunternehmen neue Metriken46. Das SCOR-Modell beinhaltet einen Katalog von Metriken für die ver-schiedenen dort beschriebenen Prozesse und Ebenen. Dieser umfasst Kennzahlen so-wohl für die Leistungsmessung des gesamten Liefernetzwerkes, z.B. Liefertreue, Auf-tragsabwicklungszeit und Cash-to-cash-Zykluszeit, als auch für das Benchmarking

46 Ein aktueller Literaturüberblick verschiedener Verfahren zur Leistungsbewertung von Liefernetzwerken be-

findet sich in [Zeller/Mertens 2004].

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44 2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes

einzelner Prozesse, z.B. Lagerbestand, Kapazitätsauslastung und Lieferpünktlichkeit [vgl. Becker 2004, 84 ff.]. Bei Verwendung der traditionellen Metriken (s. Tabelle 2-7) besteht die Gefahr einer Optimierung von Teilbereichen, wenn diese nicht hin-reichend an strategischen Erfolgsgrößen ausgerichtet sind [vgl. Atkinson et al. 1997].

generelle Erfolgsfaktoren

konkretisierte Erfolgsfaktoren

Metriken

Geschwindigkeit - Auftragsbearbeitungszeit (-) - Durchlaufzeit (-) - Time-to-Market (-) - Wiederbeschaffungszeit (-)

Ressourcenauslastung - Ausfallzeiten (-) - Belegungsgrad (+) - Engpasssituationen (-)

Effizienz

Ressourceneinsatz - durchschnittliche Lagerbestände (-) - Lagerumschlag (+) - Sicherheitsbestände (-) - Cash-to-cash-Zykluszeit (-)

Prozesszuverlässigkeit - Ausschussquote (-) - Fehlerrate (-) - Nachbearbeitungsaufwand (-) - Out-of-Stock-Quote (-) - Termintreue (+)

Kundenzufriedenheit - Anzahl Kundenbeschwerden (-) - Anzahl neuer Stammkunden (+) - Lieferservicegrad (Kundenwunschliefertreue) (+)- Wiederholungskäufe (+)

Qualität

Produktqualität - Auszeichnungen (+) - Retourenquote (-) - Rückrufaktionen (-)

Anpassung an Marktdynamik

- Skalierbarkeit des Produktionsvolumens (+) - Fixkostenanteil (-)

Individualisierung - Anteil auftragsbezogener Fertigung (+) - Anzahl der Produktvarianten (+)

Kooperationsfähigkeit - Anzahl abgebrochener Kooperationen (-) - Anzahl Kooperationspartner (+) - Zeitdauer der Kooperationen (+)

Flexibilität

Zugang zu neuen Märkten

- Anteil Kunden in neuen Kundensegmenten (+) - Anzahl Produkteinführungen für neue Märkte (+)

Tabelle 2-7: Auswahl von Metriken des SCMs47

47 (+/-) gibt an, ob die Höhe der Kennzahl einen positiven oder negativen Einfluss auf den Erfolg hat. Weitere

Metriken beschreiben [Hieber 2002; Alt et al. 2004, 32; SCOR 2004].

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2.3 Supply Chain Management 45

Verschiedene Autoren schlagen deshalb die Verwendung von Balanced Scorecards vor [vgl. Kaplan/Norton 1996; Weber 2002, 226]. Andere Autoren fordern eine Wert-orientierte Betrachtung des Liefernetzwerkes [vgl. Lambert/Pohlen 2001]48. Als Be-gründung geben sie an, dass bspw. der durchschnittliche Lagerumschlag keine hohe Aussagekraft besitzt, da Lagerbestände der vorgelagerten Wertschöpfungsstufen einen geringeren Wert besitzen als in der Endstufe. Außerdem ist das Risiko von Liefereng-pässen bei geringen Lagerbeständen in nachgelagerten Wertschöpfungsstufen höher. Die konzeptionelle Integration der Performanzmessung des Liefernetzwerkes mit Ver-fahren der Unternehmenssteuerung kann die Bewertungslücke schließen. Durch Ursa-che-Wirkungs-Verknüpfungen stellen [Lambert/Pohlen 2001] einen Zusammenhang zwischen SCM-Metriken und dem EVA (Economic Value Added) her (s. Abbildung 2-8).

Abbildung 2-8: EVA-Baum [Lambert/Pohlen 2001]

48 Die deutsche Literatur verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff „Bilanzfähige Logistik“ [Jehle 2000,

213].

EconomicValueAdded

Netto-marge

Netto-ertrag

Netto-umsatz

Brutto-gewinn

Umsatz

Herstell-kosten

Gesamt-aufwand

Kapital-kosten (%) Vermögen

Umlauf-vermögen

Lager-bestand

SonstigesUmlauf-

vermögen

Anlage-vermögen

x +

+

-

-

÷

=

Mehr Wiederholungskäufe

Höherer Absatz

Höherer Marktanteil

Höhere Kundenbindung

Mehr komplette Lieferungen

Weniger Schäden

Weniger Service für „schlechte“ Kunden

Weniger Bearbeitungsaufwand

Weniger Gemeinkosten (Overhead)

Geringere Transportkosten

Optimierung des Liefernetzwerkes

Weniger Fehler / Kundenbeschwerden

Verkürzung der Auftragsdurchlaufzeit

Geringerer Ressourceneinsatz

Höherer Lagerumschlag

Geringe Fertigwarenbestände

Geringere Sicherheitsbestände

Schnellere Bezahlung von Forderungen

Erhöhung der Ressourcenauslastung

Auswirkungen

EconomicValueAdded

Netto-marge

Netto-ertrag

Netto-umsatz

Brutto-gewinn

Umsatz

Herstell-kosten

Gesamt-aufwand

Kapital-kosten (%) Vermögen

Umlauf-vermögen

Lager-bestand

SonstigesUmlauf-

vermögen

Anlage-vermögen

x +

+

-

-

÷

=

Mehr Wiederholungskäufe

Höherer Absatz

Höherer Marktanteil

Höhere Kundenbindung

Mehr Wiederholungskäufe

Höherer Absatz

Höherer Marktanteil

Höhere Kundenbindung

Mehr komplette Lieferungen

Weniger Schäden

Weniger Service für „schlechte“ Kunden

Weniger Bearbeitungsaufwand

Weniger Gemeinkosten (Overhead)

Geringere Transportkosten

Optimierung des Liefernetzwerkes

Weniger Fehler / Kundenbeschwerden

Verkürzung der Auftragsdurchlaufzeit

Geringerer Ressourceneinsatz

Mehr komplette Lieferungen

Weniger Schäden

Weniger Service für „schlechte“ Kunden

Weniger Bearbeitungsaufwand

Weniger Gemeinkosten (Overhead)

Geringere Transportkosten

Optimierung des Liefernetzwerkes

Weniger Fehler / Kundenbeschwerden

Verkürzung der Auftragsdurchlaufzeit

Geringerer Ressourceneinsatz

Höherer Lagerumschlag

Geringe Fertigwarenbestände

Geringere Sicherheitsbestände

Höherer Lagerumschlag

Geringe Fertigwarenbestände

Geringere Sicherheitsbestände

Schnellere Bezahlung von Forderungen

Erhöhung der Ressourcenauslastung

Auswirkungen

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46 2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes

Die zu maximierende Zielgröße ist der aggregierte Ertragszuwachs [vgl. Stern/Stewart 1995]. Auf diese Weise können SCM-Verantwortliche die Wertsteigerungspotenziale von SCM-Maßnahmen, deren Auswirkungen sie mit den operativen Metriken erfas-sen, auch auf strategischer Ebene sichtbar machen und zur Steuerung einsetzen. Das Modell unterstützt das SCM außerdem bei der Identifikation der für die Supply-Chain-Planung relevanten Leistungsindikatoren (Key Performance Indicators, KPIs) [vgl. Horváth 2001, 374].

2.3.2 Auf dem Weg zum agilen Liefernetzwerk

Zu den Kernkompetenzen von Logistikführern bzw. von „world-class-logistics“-Unternehmen zählt neben „positioning, integration, and measurement“ auch „agility“ [Bowersox et al. 1995]. Gewachsene Marktdynamik und Kundenorientierung führen aus Sicht des Unternehmens zu unsicherer Nachfrage und stellen neue Herausfor-derungen an das Management von Wertschöpfungsnetzwerken. Ursachen hierfür sind der globale Wettbewerb, Konjunkturschwankungen und kurzlebige Trends. Die Fä-higkeit, sich an die wandelnden Umfeldeinflüsse anzupassen (Flexibilität), z.B. durch neue Kooperationsformen, Skalierbarkeit des Produktionsvolumens und Ausrichtung der Leistungsgestaltung an den Prozessen des Kunden, wird zum Wettbewerbsfaktor [Christopher 2000]. Verschiedene Gestaltungsaktivitäten in den Bereichen Produktion und Logistik beeinflussen das Erreichen von Prinzipien des agilen Liefernetzwerkes wie Postponement49 und sofortige Bedarfsdeckung (Rapid Replenishment). Abbildung 2-9 identifiziert Programme (Stufe 2) wie Lean Production, organisatori-sche Agilität und Quick Response50 sowie die zugehörigen Gestaltungsaktivitäten (Stufe 3), welche das agile Liefernetzwerk unterstützen (s. Abbildung 2-9).

Neben Flexibilität sind auch Qualität und Effizienz strategische Erfolgsfaktoren des SCMs. Dementsprechend löst das Konzept des agilen Liefernetzwerkes den Rationali-sierungsgedanken des Lean Management und die Qualitätsforderungen des TQM nicht ab, sondern ergänzt diese [vgl. Aitken et al. 2002]. Allerdings besteht zwischen Flexibilität und Effizienz ein Trade-off, da zusätzliche Flexibilität meist mit höheren Kosten verbunden ist. Dabei ist der wichtigste Erfolgsfaktor der Lean Supply Chain die Effizienz (Kostenführerschaft), während es bei der Agile Supply Chain der Ser-vicegrad ist (s. Tabelle 2-8) [vgl. Mason-Jones et al. 2000].

49 Postponement (engl. Aufschiebung) bedeutet in der Produktion die möglichst späte, kundenindividuelle Dif-

ferenzierung eines Standardproduktes in verschiedene Varianten [vgl. Feitzinger/Lee 1997]. 50 Quick Response (engl. schnelle Reaktion) bedeutet, dass das Liefernetzwerk schnell auf unvorhergesehene

Änderungen der Nachfrage reagieren kann [vgl. Lowson et al. 1999].

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2.3 Supply Chain Management 47

AgilesLiefernetzwerk

SofortigeBedarfs-deckung

Post-ponement

FlexibleFertigung

VerkürzteRüstzeiten

Organisatori-sche Agilität

Quick Response

VerkürzteDurchlaufzeit

LeanProduction

Standar-disierung

Skalen-effekte

Vermeidung unproduktiver

Aktivitäten

AgileVersorgung

DemandChain

VendorManagedInventory

SynchronisierteAktivitäten

Prozess-management

Funktions-übergreifende

Teams

Nachfrage-visibilität

LaufendeNachbevor-

ratungStufe 3Maßnahmen

Stufe 1Prinzipien

Stufe 2Programme

Auswirkungender agilen Produktion

Auswirkungender agilen Logistik

AgilesLiefernetzwerk

SofortigeBedarfs-deckung

Post-ponement

FlexibleFertigung

VerkürzteRüstzeiten

Organisatori-sche Agilität

Quick Response

VerkürzteDurchlaufzeit

LeanProduction

Standar-disierung

Skalen-effekte

Vermeidung unproduktiver

Aktivitäten

AgileVersorgung

DemandChain

VendorManagedInventory

SynchronisierteAktivitäten

Prozess-management

Funktions-übergreifende

Teams

Nachfrage-visibilität

LaufendeNachbevor-

ratungStufe 3Maßnahmen

Stufe 1Prinzipien

Stufe 2Programme

Auswirkungender agilen Produktion

Auswirkungender agilen Logistik

Abbildung 2-9: Maßnahmen zur Unterstützung des agilen Liefernetzwerkes

[Christopher 2001, 243]

Merkmale Lean Supply Chain Agile Supply Chain Typische Produkte Rohstoffe, generische Produkte Modeartikel, AuftragsfertigungNachfrageprognose Sicher Unsicher Produktvielfalt Gering Hoch Produktlebenszyklus Lang Kurz Wichtigster Erfolgsfaktor Kosten Verfügbarkeit Ertragsmarge Gering Hoch Kostentreiber Herstellkosten Vermarktungskosten Strafen bei Fehllieferung Langfristig vertraglich festgelegt Fallweise festgelegt, volatil Einkaufsstrategie Güter kaufen Kapazität reservieren Informationsreichhaltigkeit Unterstützend Notwendig Vorhersagemethode Algorithmisch Beratend

Tabelle 2-8: Vergleich zwischen Lean und Agile [Mason-Jones et al. 2000, 56]

Der Flexibilitätsbedarf ist von der Art der erstellen Leistung abhängig [Fisher 1997]. Bei Rohstoffen und generischen Zulieferteilen ist er eher gering, bei Modeartikeln oder Auftragsfertigung hingegen hoch. Dies hat Auswirkungen auf die Gestaltung des Liefernetzwerkes, wie z.B. den Umfang von Sicherheitsbeständen, die Kosten- und

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48 2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes

Ertragsstruktur, Kooperationsformen und Informationsversorgung. Folgende Ab-schnitte begründen Flexibilitäts-, Effizienz- und Qualitätsbedarfe im SCM und aktuel-le Herausforderungen.

Flexibilitätsbedarf

Einen hohen Flexibilitätsbedarf besitzen Wertschöpfungsnetzwerke, deren Leistungs-erstellung eine oder mehrere der folgenden Eigenschaften erfüllt:

• Variantenreichtum. Zur Befriedigung unterschiedlicher Kundenbedürfnisse bieten Unternehmen einen Produkttyp in verschiedenen Varianten an, z.B. ein Fahrzeugmodell in verschiedenen Motorisierungen. Der Flexibilitätsbedarf ent-steht dadurch, dass ein größeres Produkt- und Teilesortiment sowie unter-schiedliche Montageprozesse (Stücklisten) zu koordinieren sind. Lösungsan-sätze sind die Verwendung leicht zu integrierender standardisierter Module, der Einsatz flexibler Fertigungstechnologien und Postponement.

• Kundenindividuelle Produktion. Die höchste Stufe der Kundenorientierung er-reichen Unternehmen durch kundenindividuelle (auftragsbezogene bzw. Build-to-order-) Produktion. Hierbei stellen die Kunden ihre gewünschte Produkt-konfiguration aus einer vorgegebenen Anzahl von wählbaren Ausstattungs-merkmalen zusammen. Zusätzlich zu den Anforderungen variantenreicher Pro-duktion ist die Zuordnung der Produkte zum Kundenauftrag über den gesamten Leistungserstellungsprozess zu koordinieren. Informationssysteme unterstützen die „Losgröße eins“, indem sie die Fertigungsstationen auftragsbezogen infor-mieren. Massenhersteller mit der Fähigkeit zur variantenreichen Fertigung können somit auch kundenindividuell produzieren (Massenindividualisierung bzw. Mass Customization) [vgl. Gilmore/Pine 1997].

• Kurzer Produktlebenszyklus. Die Produktlebenszyklen zahlreicher Konsumgü-ter verkürzten sich in den vergangenen Jahren wegen schnelllebiger Moden und technologischen Fortschritts. Die Änderungsdynamik von Produktionspro-grammen erfordert eine häufige Anpassung von Prozessen und Kooperationen. Unternehmen streben deshalb die Verkürzung von Entwicklungs- und Rüst-zeiten an, damit Produkte schneller an den Markt gelangen (Time-to-Market) [vgl. Stalk/Hout 1990].

Die Umsetzung flexibler Liefernetzwerke ist mit einer Erhöhung der Komplexität ver-bunden, die höheren Koordinationsaufwand erfordert. Zum Beispiel erfordert die Massenindividualisierung eine aufwendigere Steuerung des Materialflusses, damit die je Produkt unterschiedlichen Teile in der richtigen Reihenfolge und rechtzeitig zu den Fertigungsstationen gelangen. Eine Folge des erhöhten Koordinationsaufwandes sind neue Herausforderungen an die Rationalisierung und das Qualitätsmanagement.

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2.3 Supply Chain Management 49

Rationalisierungsbedarf

Der durch Deregulierung der Märkte und Erreichen von Marktsättigung in Europa, Ja-pan und den USA entstandene Wettbewerbsdruck veranlasst Unternehmen zur Er-höhung der Prozesseffizienz, um ihren Marktanteil zu behalten oder auszubauen. Dies gilt insb. für Unternehmen, deren Erfolg von der Kostenführerschaft auf ihrem Markt abhängt und die folgenden Kriterien erfüllen:

• Geringe Differenzierung vom Wettbewerb. Eine aus Kundensicht geringe Un-terscheidung des Leistungsangebots eines Unternehmens führt dazu, dass der Kunde bei seiner Kaufentscheidung ein entsprechendes Angebot mit niedri-gerem Preis bevorzugt. Deshalb streben Unternehmen, die sich nicht aus-reichend differenzieren können oder wollen, in Konkurrenzsituationen nach der Kostenführerschaft.

• Massenhersteller. Unternehmen, die ein großes Kundensegment mit standardi-sierten Produkten bedienen, nutzen zur Differenzierung z.B. ihre Marke oder Massenindividualisierung. Da das Geschäftsmodell jedoch auf der Realisierung von Skaleneffekten basiert, ist die Effizienz eine Voraussetzung für den Erfolg.

• Hoher Anteil manueller Aktivitäten. Die Effizienz von Prozessen, die einen ho-hen Anteil an manuellen und repetitiven Aktivitäten umfassen, lässt sich durch Automatisierung steigern. Technologische Innovationen wie z.B. flexible Fer-tigungssysteme erschließen zunehmend mehr Prozesse für die Automati-sierung. Das Ziel des Technologieeinsatzes ist die „sinnhafte Vollautomation“ [Mertens 2002]51.

Einige heute noch aktuelle Programme zur Rationalisierung sind in den 80er-Jahren im Rahmen des Lean Managements entstanden [vgl. Womack et al. 1990]. Das grund-legende Prinzip des Lean Managements, dessen Gültigkeitsbereich [vgl. Womack/ Jones 2003] im Lean Thinking vom Produktionsmanagement auf das Gesamtunter-nehmen ausdehnen, ist die Eliminierung unproduktiver Ressourcen in der Wert-schöpfung. Maßnahmen sind die Reduzierung von Lagerbeständen bis hin zu deren vollständiger Auflösung („zero inventory“). Dies ist z.B. das Ziel des Just-in-time-Verfahrens, bei dem eine laufende Versorgung der Produktion unter Vermeidung von Pufferlagern erfolgt [vgl. Wildemann 2000]. Allerdings kann in der Praxis die Sicher-stellung des Lieferservicegrades einen gewissen Lagerbestand rechtfertigen [vgl. Grünwald/Fortuin 1992].

51 Sinnhafte Vollautomation bedeutet, dass Maschinen im Betrieb alle Aufgaben übernehmen, die sie effizienter

oder effektiver ausführen können. Der Weg zur sinnhaften Vollautomation führt über menschenähnliche Computer.

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50 2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes

Qualitätsbedarf

In reifen Industrien ist Qualität eine Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit [vgl. Mason-Jones et al. 2000, 55]. Darüber hinaus bestimmen der Qualitätsanspruch des Kundensegments, die Wettbewerbsintensität und gesetzliche Auflagen den Qualitäts-bedarf von Unternehmen.

• Qualitätsanspruch des Kundensegments. Die Produktqualität ist in Abhängig-keit des Qualitätsanspruchs des adressierten Kundensegments zu planen und zu kommunizieren. Ein Unterschreiten des vereinbarten Qualitätsniveaus führt zu Vertrauensverlust seitens des Kunden.

• Wettbewerbsintensität. Je mehr Auswahlmöglichkeit ein Kunde hat, desto leichter kann er bei Qualitätsmängeln zu Wettbewerbern wechseln. Deshalb orientiert sich der Qualitätsbedarf eines Unternehmens am Qualitätsführer des adressierten Kundensegments.

• Gesetzliche Auflagen. Gesetze, wie z.B. das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG), schützen Verbraucher vor Produkten mit sicherheitsrelevanten Mängeln. Insbe-sondere in den USA können geschädigte Verbraucher hohe Haftungsansprüche geltend machen, die sorgfältige Qualitätskontrollen durch den Hersteller öko-nomisch rechtfertigen.

Ansätze eines ganzheitlichen Qualitätsmanagements, die eine schrittweise Verbesse-rung der Qualität in allen Funktionsbereichen eines Unternehmens vorschlagen (Kai-zen) praktizierten zuerst japanische Unternehmen [vgl. Imai 1993]. Die Literatur dis-kutiert diese Ansätze unter der Bezeichnung Total Quality Management (TQM) [vgl. Shiba et al. 1990; Schildknecht 1992]. Die Umsetzung von TQM erfolgt meist mittels Checklisten, anhand derer die Unternehmen verschiedene Bereiche, wie z.B. Führung, Mitarbeit, Strategie und Ressourcen, regelmäßig bewerten, ggf. Verbesserungen ein-leiten und die Ergebnisse überprüfen, wie z.B. beim EFQM-Modell für Business Ex-cellence52. Für einzelne Funktionsbereiche des Unternehmens existieren spezielle Verfahren, wie bspw. Six Sigma (6σ), das die Effizienz und Fehlerfreiheit operativer Prozesse unterstützt. Das Verfahren strebt eine Fehleranzahl von weniger als 3,4 je eine Million Fehlermöglichkeiten an, was dem 6σ-Quantil der Gauß’schen Normal-verteilung entspricht [vgl. Pande/Holpp 2002].53

52 Das EFQM-(European-Foundation-for-Quality-Management-)Modell für Business Excellence ist bspw. ein

solches Modell, das u.a. Bosch, Nestlé, Sulzer, Renault und VW einsetzen [vgl. EFQM 2003]. 53 Neben Unternehmen wie General Electric, Infineon und Motorola verwendet bspw. auch der Automobilher-

steller Ford Six Sigma zur Qualitätssicherung im SCM. Ford betrachtet den Einsatz von Six Sigma als strate-gisches Instrument zur Umsetzung der Kundenorientierung [vgl. Moore 2002].

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2.3 Supply Chain Management 51

2.3.3 IT-Systeme zur Unterstützung flexibler Logistik und Fertigung

Der zunehmende IT-Einsatz ist Auslöser von Veränderungen im SCM [vgl. Cross 2000]54. Der Begriff E-Business beschreibt den IT-Einsatz zur Unterstützung inner- und überbetrieblicher Prozesse. IT-Systeme erhöhen die Prozesseffizienz durch Auto-matisierung, unterstützen die Koordination von Aktivitäten („Workflow Coordi-nation“) und verbessern die Informationsversorgung („Information Integration“). Dies führt zu neuen Prozessen der interorganisatorischen Planung („Synchronized Plan-ning“) und Geschäftsmodellen [Lee/Whang 2001]. Bei der Gestaltung des E-Business tragen fortschrittliche Informationstechnologien, insb. leistungsfähige Kommunikati-onstechnologien, wie z.B. Breitbandnetze oder Funktechnologien, zur Reduzierung des Trade-offs zwischen Informationsreichhaltigkeit und Informationsreichweite bei [vgl. Evans/Wurster 1997, 73 f.]. Dies schafft dies die Möglichkeit, Zustandsinforma-tionen von jedem Punkt im Liefernetzwerk in beliebiger Genauigkeit und in Echtzeit zu erhalten (s. Abschnitt 2.2.3). Die hierfür eingesetzten Werkzeuge unterscheidet die Literatur in Logistik- (E-Logistics) und Produktionssysteme. Nachdem innerhalb die-ser beiden Bereiche eine Integration der IT-Systeme stattgefunden hat, streben Unter-nehmen nun auch die Verbindung von Produktionssteuerungs- und Logistiksystemen an.

E-Logistics

IT-Systeme in der Logistik lassen sich in Technologien zur Automatisierung einzelner Funktionen, operative Logistiksysteme zur lokalen Unterstützung von SCM-Aufgaben sowie kollaborative Logistiksysteme zur Planung im SCM55 unterteilen:

• Automatisierungstechnologien in der Logistik. Verschiedene Technologien an der Schnittstelle zwischen Informationssystemen und der realen Welt automati-sieren einzelne Aktivitäten oder Aufgaben in der Logistik, bspw. Auto-ID-Sys-teme, (wandelbare) Förderanlagen, elektronische Kanban-Systeme, Lager- und Lokalisierungssysteme (z.B. Realtime Location Systeme, RTLS).

• Operative Logistiksysteme (Supply Chain Execution). Der Einsatz operativer Logistiksysteme erfolgt lokal zur Unterstützung von Aufgaben. Operative Sys-teme umfassen ERP-Systeme sowie deren Applikationen (z.B. Asset-Manage-ment-, Procurement- und Warehouse Management-Systeme), MRP- (Material- Resource-Planning-) sowie Flottenmanagementsysteme.

54 [Lancioni et al. 2000] untersuchen in einer empirischen Studie die Auswirkungen des Internet auf verschiede-

ne Aufgaben des SCMs, z.B. Transportabwicklung, Einkauf, Lagerhaltung und Produktionsplanung. Sie i-dentifizieren die Verfügbarkeit von zeitnaher und fehlerfreier Information als kritischen Erfolgsfaktor.

55 Einen Überblick über E-Technologien in der Logistik und SCM-Systeme liefern [Grünauer 2001, 121 ff.; Wildemann 2001a].

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52 2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes

• Kollaborative Logistiksysteme (Supply Chain Planning). Die Aufgabe von Pla-nungssystemen im SCM ist die Unterstützung des Informationsaustausches und der Kooperation. Beispiele sind prognosegestützte Bestellsysteme, Advanced-Planning-, SCEM-(Supply-Chain-Event-Management-), und Tracking&Tra-cing- (T&T-) Systeme.

Die Fragmentierung von Logistiknetzwerken erschwert die durchgängige Informati-onsversorgung. Unternehmen berichten bspw. über ungenaue Lagerbestandsinformati-onen, mangelnde Prognosequalität und fehlende Voranzeigen bei Lieferverzug [vgl. van Hoek 2001]. In diesem Zusammenhang beschreiben [Lee et al. 1997] den auf der Erkenntnis, dass sich schwankende Bedarfe am Ende einer Lieferkette in Richtung der Zulieferer aufschaukeln, basierenden Bullwhip-Effekt56 (Peitscheneffekt). Die Ursache ist die Unsicherheit der Zulieferer über zu erwartenden Bedarfe. Durch den Aufbau von Sicherheitsbeständen leiten betroffene Unternehmen die Nachfrageschwankung an die vorgelagerte Wertschöpfungsstufe weiter und steigern damit die Volatilität. In-formationsaustausch über Bestellmengen und gemeinsame IT-gestützte Planung, Prognose und Nachbevorratung (Collaborative Planning, Forecasting and Replenish-ment [CPFR 2004]) können Nachfrageschwankungen reduzieren.

IT-Systeme in der Produktion

Das Konzept der computerintegrierten Produktion (CIM) fordert die Integration von Computerapplikationen zur Unterstützung des Designs, der Planung, Produktion und Qualitätssicherung in der Fabrik [vgl. Scheer 1994]. Die IT-Technologien zur Um-setzung des Konzepts lassen sich Automatisierungstechnologien sowie operativen und dispositiven Produktionssystemen zuordnen.

• Automatisierungstechnologien in der Produktion. Zu den Automatisierungs-technologien zählen bspw. Auto-ID-Systeme, flexible Fertigungsanlagen, Me-chatronische Systeme, Mikrosysteme, MEMS und Roboter.

• Operative Produktionssysteme. Zu den operativen IT-Systemen in der Produk-tion gehören CAD-(Computer-Aided-Design-), CAP-(Planning-), CAM- (Ma-nufacturing-) und CAQ-(Quality-Control-)Systeme sowie Manufacturing- Executive-Systeme (MES). Die Aufgabe von MES ist die Integration der Pro-duktionsdaten aller Fertigungsstationen und die Bereitstellung von Schnittstel-len zu anderen betrieblichen Informationssystemen, z.B. ERP- oder PPS-Syste-men [vgl. Wannenwetsch 2002, 148 ff.].

56 Der Bullwhip-Effekt basiert auf dem im Rahmen des Systems-Dynamics-Ansatzes beschriebenen Forrester-

Effekts [vgl. Forrester 1958].

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2.3 Supply Chain Management 53

• Dispositive Produktionssysteme. PPS-Systeme integrieren die Funktionen opera-tiver Produktionssysteme, regeln die Produktion entsprechend Aufträgen, Bestän-den und Kapazitäten. Während sich traditionelle Systeme im Wesentlichen auf die Anwendung von MRP-(Materials-Ressource-Planning-)Verfahren beschränkten, sind fortschrittliche PPS-Systeme mit ERP- oder SCM-Systemen integriert.

Die Literatur der Produktionswirtschaft beschreibt einen Trade-off zwischen Automa-tisierung und Flexibilität [Corsten 2000, 3 f.]. Fortschritte bei den Fertigungs- und In-formationstechnologien sowie die Integration dieser Technologien verringern diesen Trade-off. Beispiele flexibler Fertigungstechnologien sind Roboter. Die flexiblen Sys-teme besitzen die Fähigkeit, situationsabhängig zu reagieren. Mittels Sensoren sind sie in der Lage, Situationen zu erkennen, z.B. den Fertigungsfortschritt eines Werk-stückes. Mit steigender Leistungsfähigkeit und sinkenden Computerpreisen findet eine Verlagerung der Steuerung operativer Prozesse von Menschen zu Maschinen statt. Traditionelle Automaten rentieren sich nur bei hohen Fertigungsstückzahlen, da ihnen Anpassungsflexibilität fehlt. Kleine mobile Computer hingegen unterstützen die Flexibilisierung von Automaten, indem sie die Steuerungsinformation mit den Werk-stücken verknüpfen (s. Abbildung 2-10). Beispielsweise beschreibt [Finkenzeller 2002, 398 ff.] den Einsatz von beschreib- und auslesbaren RFID-Chips, die jedes Ob-jekt mit einem Datensatz über seine Identität, seinen Bearbeitungszustand, seine His-torie und zukünftige Arbeitsschritte ausstattet. Diese Daten kann das Objekt an Ma-schinen kommunizieren, um individuelle Bearbeitungsschritte auszulösen. Auf diese Weise reintegriert die Miniaturisierung komplexer Schaltungen die in klassischen Produktionssystemen umgesetzte Verrichtungsspezialisierung [Friedli 2004, 67].

Stück

Stückkosten

Handwerker

Maschine(Hardware)

Maschine (mit Software)

Flexible Fertigungstechnologien

Werkstück(mit Mikrochip)

Automatisierungsgrad

Flexibilität

TraditionelleFertigungssysteme

FlexibleFertigungssysteme

Stück

Stückkosten

Handwerker

Maschine(Hardware)

Maschine (mit Software)

Flexible Fertigungstechnologien

Werkstück(mit Mikrochip)

Stück

Stückkosten

Handwerker

Maschine(Hardware)

Maschine (mit Software)

Flexible Fertigungstechnologien

Werkstück(mit Mikrochip)

Automatisierungsgrad

Flexibilität

TraditionelleFertigungssysteme

FlexibleFertigungssysteme

Abbildung 2-10: Trade-off zwischen Automatisierung und Flexibilisierung

[Friedli 2004, 67](links), [Schauerhuber 1998, 38]57(rechts)

57 zitiert nach [Steffens 2002, 70]

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54 2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes

2.4 Auto-ID-Systeme

Auto-ID-Systeme dienen als Schnittstelle zwischen IT-Systemen und der realen Welt. Sie erfassen die Ausprägungen bestimmter Merkmale physischer Objekte, z.B. aufge-druckte Zeichen, und ordnen diese einer vorab für diese Merkmalsausprägung defi-nierten Bedeutung, z.B. einer Artikelnummer, zu. Während die Identifikation automa-tisiert abläuft, sind vorher meist manuelle Schritte notwendig, z.B. zur Positionierung der zu identifizierenden Objekte. Typische Auto-ID-Systeme in der Logistik sind Bar-code-, OCR-(Optical-Character-Recognition-) und 2D-Systeme [vgl. Klaus/Nusswald 1996; AIM 2004a]. Zunehmend finden RFID-Systeme in der Logistik Verbreitung, die im Gegensatz zu den heute gebräuchlichen zeichenbasierten Erfassungsmethoden eine automatische Identifikation auch ohne Sichtkontakt zwischen zu identifizieren-dem Objekt und Erfassungsgerät ermöglichen [vgl. Kärkkäinen/ Holström 2002].

RFID-Systeme erweitern das Anwendungsgebiet der automatischen Identifikation. Beispielsweise scannen heute Mitarbeiter am Wareneingang Versandetiketten manu-ell ein. Bei der Verwendung von RFID-Etiketten zur Warenkennzeichnung können Erfassungsschleusen ankommende Waren unabhängig von deren Ausrichtung identi-fizieren. Der Abgleich zwischen Warenbewegung und Status im IT-System erfolgt dabei automatisch. Auf diese Weise ermöglicht RFID einen ersten Schritt zur Ver-wirklichung des Ubiquitous Computing und dessen Vision der nahtlosen Integration von Geschäftsprozessen mit betrieblichen IT-Systemen [vgl. Want et al. 1999]. Fol-gende Abschnitte beschreiben die Eigenschaften von RFID-Systemen im Vergleich zu anderen Auto-ID-Systeme, die technische Architektur sowie die Bedeutung von Ubi-quitous Computing für das SCM und der Beitrag von RFID zu deren Umsetzung.

2.4.1 Auto-ID-Systeme im Vergleich

Verschiedene Anwendungen stellen unterschiedliche Anforderungen an Auto-ID-Sys-teme. Während bspw. bei der Zutrittskontrolle die Zuverlässigkeit von Identifikations-systemen wichtiger ist als deren Effizienz, verlangen Materialflusssysteme kosten-günstige und effiziente Verfahren. Einen vergleichenden Überblick anhand folgender Kriterien, die sich aus möglichen Anforderungen ableiten, stellt Tabelle 2-9 dar:

• Notwendigkeit eines zusätzlichen Identifikators. Die meisten in der Logistik eingesetzten Auto-ID-Systeme verwenden Etiketten als Datenträger.

• Datenkapazität. Einige Auto-ID-Systeme verarbeiten zusätzlich zur Identifi-kation noch weitere Daten, z.B. Herkunftsort, Herstelldatum oder Lieferort.

• Lesbarkeit durch Personen. Falls kein funktionierendes Erfassungssystem zur Verfügung steht, vermeidet die Möglichkeit der manuellen Identifikation Pro-zessstörungen. Einige Auto-ID-Systeme verwenden zusätzlich Klarschrift.

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2.4 Auto-ID-Systeme 55

• Möglichkeit der Pulkerfassung. Die Pulkerfassung erhöht den Durchsatz im Materialfluss, indem sie alle Objekte eines Gebindes gleichzeitig erfasst.

• Positionierung des Objekts zur Erfassung. Die meisten Auto-ID-Systeme set-zen eine mehr oder weniger exakte Positionierung der zu identifizierenden Ob-jekte vor dem Erfassungsgerät voraus.

• Umgebungseinflüsse. Die Zuverlässigkeit der Erfassung kann von Umgebungs-einflüssen, z.B. Feuchtigkeit, Hitze, Metall oder Staub, abhängig sein.

• Fälschungssicherheit. Einige Auto-ID-Systeme bieten einen Schutz gegen das Kopieren bzw. Fälschen der Identifikatoren.

• Standardisierung. Die Anwendung der automatischen Identifikation in offenen logistischen Systemen setzt Standards voraus.

• Kosten des Datenträgers. Die verschiedenen Systeme unterscheiden sich in den Kosten für Erfassungsgeräte und die Identifikatoren.

Barcode (1D-Codes)

2D-Codes OCR RFID

Datenkapazität pro Label

bis zu 252 alphanumeri-sche Zeichen

bis zu 2.335 alphanumeri-sche Zeichen

nicht definiert typischerweise bis zu 32 kByte/ ca. 33.000 alpha-numerische Zei-chen

Lesbarkeit durch Personen

meist zusätzliche Klarschrift

nicht möglich leicht möglich nicht möglich

Pulkerfassung nicht möglich nicht möglich nicht möglich möglich Labelposition bei Erfassung

Sichtkontakt Sichtkontakt Sichtkontakt positionsunab-hängig

Umgebungs-einflüsse

Schmutz, Feuchtigkeit

Schmutz, Feuchtigkeit

Schmutz, Feuchtigkeit

Metall, Flüssigkeiten

relevante Standards

Code 39 Code 128 EAN

Data Matrix PDF 417 QR-Code

OCR A1 OCR B

EPC Class 0 / 1ISO 15 693 ISO 18 000-X

Kosten des Datenträgers

ab 0,01 € ab 0,01 € ab 0,01 € ab 0,20 €

Fälschbarkeit leicht möglich leicht möglich leicht möglich schwierig Beispiel-anwendung

Handelwaren im Supermarkt

Versandlabel Autoindustrie

Versandlabel Paketdienste

Zutrittskontrolle

Tabelle 2-9: Vergleich typischer Auto-ID-Systeme in der Logistik

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56 2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes

Die in der Logistik gebräuchlichen Auto-ID-Systeme lassen sich nach dem verwen-deten Identifikator, z.B. Zeichencodes, Mikrochips oder Objekterkennung, einteilen.

Zeichencodebasierte Verfahren

Zeichencodes bestehen aus einer vordefinierten Anzahl von Symbolen als Identifika-toren. Dabei kann es sich um Buchstaben, Zahlen, Striche, Rechtecke oder beliebige andere Symbologien handeln. Diese lassen sich auf Papieretiketten, Verpackungen oder die zu identifizierenden Gegenstände kosteneffizient aufdrucken.

OCR-(Optical-Character-Recognition-)Systeme verwenden optische Erfassungsgeräte und Methoden der Texterkennung zur Verarbeitung von Klarschrift-Etiketten. Zur Verbesserung der Lesbarkeit durch Maschinen kommen spezielle Schrifttypen zum Einsatz. OCR-Verfahren haben den Vorteil, dass auch Menschen die Informationen lesen können. Das Verfahren ist allerdings anfällig gegenüber Verschmutzung oder Beschädigung des Etiketts.

Barcodes sind die in logistischen Anwendungen am weitesten verbreiteten Zeichen-codes [vgl. Rosenbaum 1997]. Es existieren unterschiedliche Barcode-Symbologien, die mit einer Abfolge von Balken verschiedener Breite bis zu 252 alphanumerische Zeichen kodieren können, wie z.B. der standardisierte Code 12858, auf dem einige branchenspezifische Standards basieren. Zum Beispiel verwendet die Konsumgüterin-dustrie den EAN-(Electronic-Article-Number-)Standard mit seinen Symbologien EAN 8, EAN 13 und EAN 128. Die Automobilindustrie verwendet derzeit in einigen Spezialanwendungen den älteren Code 3959. Beispielanwendungen sind die Kenn-zeichnung von Zulieferteilen in Nordamerika (gemäß AIAG B-1) und die Darstellung von Packstücknummern auf Versandetiketten. In beiden Fällen ist eine Ablösung durch leistungsfähigere Codes in Vorbereitung.

Im Unterschied zu den traditionellen Barcodes (1D-Codes) verwenden die neueren 2D-Codes gestapelte vertikale Balken (Stapelcodes) oder Quadrate (Matrixcodes) und erreichen damit eine höhere Datenkapazität. Hiermit unterstützen sie auch Verfahren zur Fehlerkorrektur [vgl. Lenk 2004, 45]. Zu den bekanntesten Stapelcodes gehört der PDF-(Portable-Data-File-)417-Standard60, den u.a. die Automobilindustrie zur Co-dierung von Lieferscheininformationen auf dem Global Transport Label (GTL)61 ein- 58 Der Code 128 entspricht dem Standard ISO/IEC 15417. 59 Der Code 39 entspricht dem Standard ISO/IEC 16388. 60 PDF 417 entspricht dem Standard ISO/IEC 15438. 61 Das Global Transport Label (globaler Lieferschein) ist ein von den Automobilverbänden AIAG, ODETTE,

JAMA/JAPIA und VDA gemeinsam verabschiedeter Standard zur Gestaltung von Warenanhängern. Die Ini-tiative ging von General Motors aus, die ihren Standard GM 1724 als Vorlage für das GTL einbrachten [vgl. Autoid.org 2001].

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2.4 Auto-ID-Systeme 57

setzt. Den Data Matrix Code62 setzt bspw. die Elektronikindustrie zur Kennzeichnung elektronischer Bauteile ein. Die Erfassung von 2D-Zeichencodes benötigt im Ver-gleich zu traditionellen Barcode-Systemen aufwendigere und deshalb teurere Erfas-sungsgeräte. 3D-Codes erreichen eine höhere Informationsdichte als andere Zeichen-codes, indem sie zusätzlich eine Farbcodierung verwenden [vgl. Lenk 2004, 45 f.].

Chipbasierte Verfahren

Chipbasierte Verfahren eignen sich für Anwendungen, die Zuverlässigkeit und Fäl-schungssicherheit fordern. Chipkarten können neben einem Datenspeicher auch einen Prozessor besitzen und kryptographische Verfahren unterstützen. Typische Anwen-dungsgebiete sind Personenausweise, Versicherungskarten und Zahlungsmittel. RFID-Chips verwenden Funktechnik, um die auf dem Chip gespeicherten Informatio-nen an das Erfassungsgerät zu übertragen. Sie sind flexibel gestaltbar, z.B. als Label, Karte oder Inlay und um Datenspeicher, Sensoren oder Batteriebetrieb erweiterbar.

Objekterkennungsverfahren

Objekterkennungsverfahren benötigen keinen zusätzlichen Identifikator am Objekt. Das Erfassungssystem analysiert das Abbild des zu identifizierenden Gegenstandes mittels rechenintensiver Algorithmen. In Logistikanwendungen erfolgt meist nur eine Form- und Größenerkennung, die z.B. die Steuerung logistischer Förder- und Sortier-anlagen ermöglicht. Die Verfahren der Bilderkennung besitzen Entwicklungspo-tenzial. Leistungsfähigere sowie preisgünstigere Kamera- und Rechnertechnologien ermöglichen eine zunehmend genauere Unterscheidung von Objekten. Ein mögliches Anwendungsgebiet ist die Überwachung der korrekten Etikettierung von Produkten.

2.4.2 Systemarchitektur von RFID-Systemen

Ein RFID-System besteht aus den folgenden Komponenten (s. Abbildung 2-11), für eine detailliertere Darstellung s. [Finkenzeller 2002, 6 ff.]:

1. RFID-Transponder63 sind Computerchips, die eine Antenne besitzen und ei-ne Identifikatiosnummer kommunizieren können. Darüber hinaus gibt es Va-rianten, die mit zusätzlichem Datenspeicher oder mit Sensoren ausgestattet sind. Aktive RFID-Transponder besitzen eine Batterie und haben deshalb ei-ne größere Sendereichweite als passive, die ihre Energie aus einem durch die Antenne des Lesegerätes erzeugten elektromagnetischen Feld beziehen.

62 Der Data Matrix Code entspricht dem Standard ISO/IEC 16022. 63 Der Begriff Transponder setzt sich aus den englischen Begriffen „transmitter“ (Sender) und „responder“

(Antwortgeber) zusammen.

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58 2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes

2. RFID-Lesegeräte/-Antennen kommunizieren mit den Transpondern, die sich in ihrer Erfassungsreichweite befinden. Sie können sowohl Daten lesen als auch schreiben. Die Erfassungsreichweite hängt von der Umgebung, z.B. Metall oder Wasser, und der Art der verwendeten Transponder ab.

3. Die RFID-Middleware sammelt die Daten von Lesegeräten, aggregiert und filtert diese nach vorgegebenen Regeln und leitet sie bedarfsgerecht an be-triebliche Informationssysteme, z.B. ERP-Systeme oder Web Services weiter. Durch die große Zahl der Objekte, die in einem RFID-System kommuni-zieren, ist eine frühzeitige Ausfilterung irrelevanter Daten für die Systemper-formanz entscheidend. Mit der Entwicklung von RFID-Middleware beschäf-tigen sich derzeit zahlreiche Projekte in Forschung und Industrie [vgl. Ku-bach 2003; Römer et al. 2004]. Eine zentrale Frage ist, inwieweit sich be-stimmte Basisdienste, wie die Objektverfolgung oder Zustandsüberwachung, in die Middleware integrieren lassen [vgl. Sarma et al. 2000].

•ID•memory•sensors•processing unit•communicationinterfaces

•ID•memory•sensors•processing unit•communicationinterfaces

•ID•Speicher•Sensoren•Prozessor•Kommunikations-schnittstellen

Transponder/Smartes Produkt

•Kommunikations-Daten- und Event-Management

•Basisfunktionen:Identifikation,Notifikation, Moni-toring, Tracking

Middleware Kom.

•receiver (read)•transmitter(write)

RFID Antenna/Reader

•receiver (read)•transmitter(write)

RFID Antenna/Reader

•Empfänger(lesen)

•Sender (schreiben)

RFID-Antenne/Lesegerät

•ERP•CRM•SCM•Ebusiness•web services

Applicationsand Services

•ERP•CRM•SCM•Ebusiness•web services

Applicationsand Services

•ERP•CRM•SCM•E-Business•Web Services

Applikationenund ServicesKom. Kom.

Antenne Lesegerät Controller/Lokaler Server

Applikations-server InternetTransponder Smartes

Produkt

•ID•memory•sensors•processing unit•communicationinterfaces

•ID•memory•sensors•processing unit•communicationinterfaces

•ID•Speicher•Sensoren•Prozessor•Kommunikations-schnittstellen

Transponder/Smartes Produkt

•Kommunikations-Daten- und Event-Management

•Basisfunktionen:Identifikation,Notifikation, Moni-toring, Tracking

Middleware Kom.

•receiver (read)•transmitter(write)

RFID Antenna/Reader

•receiver (read)•transmitter(write)

RFID Antenna/Reader

•Empfänger(lesen)

•Sender (schreiben)

RFID-Antenne/Lesegerät

•ERP•CRM•SCM•Ebusiness•web services

Applicationsand Services

•ERP•CRM•SCM•Ebusiness•web services

Applicationsand Services

•ERP•CRM•SCM•E-Business•Web Services

Applikationenund Services

•ERP•CRM•SCM•E-Business•Web Services

Applikationenund ServicesKom. Kom.

Antenne Lesegerät Controller/Lokaler Server

Applikations-server InternetTransponder Smartes

Produkt

�Abbildung 2-11: Architektur eines RFID-Systems

Auswahlkriterien für RFID-Systeme

Für die Auswahl von RFID-Systemen spielen die Kriterien Erfassungsreichweite, Möglichkeit der Pulkerfassung, Datenkapazität, Datenübertragungsrate, Umgebungs-einflüsse, unterstützte Standards sowie die Kosten der Hardware eine wichtige Rolle [vgl. Hodges/Harrison 2003; Flörkemeier 2005]. Bezüglich der Reichweite, Robust-heit gegenüber äußeren Einflüssen, aber auch in den Transponderkosten unterscheiden sich aktive RFID-Systeme grundlegend von passiven. Durch Batterieunterstützung können aktive Tags bis zu 100 m weit senden. Aufgrund der relativ hohen maximalen Sendeleistung ist die Beeinträchtigung durch Umgebungseinflüsse, wie z.B. Feuchtig-keit oder Metall, gering. Allerdings verkürzt wiederholtes Senden mit maximaler Leis-tung die Lebensdauer der Batterie, die bei durchschnittlicher Verwendung ca. 6 Jahre

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2.4 Auto-ID-Systeme 59

hält. Die meisten aktiven RFID-Systeme senden im UHF- oder MW-Bereich. Die Kosten der meisten aktiven Transponder liegen wegen der Batterien über 15 Euro. Flache, biegsame und kostengünstigere Batterien ermöglichen aktive RFID-Labels mit einem Preis von unter 2 Euro, deren Lebensdauer aber weniger als ein Jahr beträgt. Während der Einsatz von aktiven Transpondern in geschlossenen logistischen Syste-men erfolgt, wo eine Wiederverwendung möglich ist, z.B. beim Behältermanagement, kann der Einsatz der billigeren passiven Tags auch in offenen Systemen wirtschaftlich sinnvoll sein, z.B. zur Produktkennzeichnung. Die Leistungsmerkmale passiver RFID-Systeme sind insb. von der verwendeten Sendefrequenz abhängig (s. Tabelle 2-10).

LF <135 kHz

HF 3-30 MHz

UHF64 200 MHz-2 GHz

MW >2 GHz

Typische Frequenzen

134,2 kHz 13,56 MHz 868 MHz (EU) 915 MHz (USA)

2,45 GHz 5,48 GHz

Reichweite65 bis 1,5 m bis 1,2 m bis 7 m (USA) bis 3 m (EU)66

bis 2 m

Umgebungsein-flüsse

sehr hoher Lärmpegel

Metall Abschirmung Flüssigkeit Reflexionen

Abschirmung Flüssigkeit Reflexionen

Pulkerfassung von wenigen Sys-temen unterstützt

bis ca. 70 Tags pro Sek.

bis ca. 70 Tags pro Sek.

bis ca. 50 Tags pro Sek.

Datenrate bis 10 kBit/Sek. bis 848 kBit/Sek. bis 300 kBit/Sek. bis 2 MBit/Sek. Relevante Nor-men für die Luftschnittstelle

ISO 14 233 ISO 18 000-2

ISO 15 693 ISO 14 443 ISO 18 000-3 EPC Class 1

ISO 18 000-6 EPC Class 0 EPC Class 1 / EPC Gen 2

ISO 18 000-4

Transpon-derpreis67

ab 0,80 € ab 0,20 € ab 0,90 € ab 0,20 €

Beispielanwen-dungen

Gasflaschen-identifikation

Bibliotheksau-tomation

Paletten-Tracking

Mauterfassung

Tabelle 2-10: Unterscheidungsmerkmale passiver RFID-Systeme [vgl. Pflaum 2001, 138 ff.; AIM 2004b]

64 In Japan ist seit 2004 der Bereich 950-956 MHz für RFID-Anwendungen reserviert. Marktreife Produkte

existieren allerdings noch nicht. 65 Die Reichweite ist von Umgebungsfaktoren, wie z.B. Feuchtigkeit, Metall, und der relativen Position des

Transponders zum Erfassungsgerät abhängig. Deshalb verstehen sich die hier angegebenen Reichweiten als Richtgrößen, die allerdings in der praktischen Anwendung stark variieren können.

66 Der Grund für die geringere Reichweite europäischer RFID-Systeme ist eine gesetzliche Beschränkung der erlaubten Sendeleistung. Eine Lockerung der Beschränkung ist in Vorbereitung, sodass in Europa Reichwei-ten bis zu 5 m möglich werden können.

67 Die Transponderpreise sind je nach Hersteller und Abnahmemenge unterschiedlich. Sie hängen z.B. auch von der verwendeten Ummantelung ab. In den letzen Jahren sind die durchschnittlichen Preise aufgrund neuer Fertigungsverfahren und gestiegenem Produktionsvolumen gesunken.

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60 2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes

Für LF-, HF- und MW-Systeme stehen weltweit die gleichen Frequenzen zur Verfü-gung. Bei UHF-Systemen sind der freigegebene Frequenzbereich und die maximal er-laubte Sendeleistung regional, z.B. zwischen der EU, USA und Japan, unterschied-lich. Da die Frequenzen benachbart sind, können spezielle Erfassungsgeräte trotzdem die unterschiedlichen UHF-Transponder erfassen. Für die Reichweite von RFID-Sys-temen lassen sich nur Richtgrößen angeben, da diese nicht nur von der Frequenz, son-dern auch von Umgebungseinflüssen und der Konfiguration des Systems abhängt. Beispielsweise kann Metall die Reichweite von HF-Systemen bis auf wenige Millime-ter reduzieren. Andererseits lässt sich die Robustheit von RFID-Systemen durch die Antennenausrichtung oder spezielle Beschichtungen der Transponder, z.B. mit Ferrit, erhöhen. Je höher die Sendefrequenz ist, desto weniger genau ist die Reichweite vor-hersagbar, da Reflexionen an verschiedenen Objekten zunehmen.

Eigenschaften wie die Pulkerfassung, d.h. die nahezu gleichzeitige Erfassung mehrere Objekte durch ein Erfassungsgerät, oder die Datenkapazität legt der Systemhersteller fest. Die Datenübertragungsgeschwindigkeit ist von der Frequenz und dem verwende-ten Normen zur Datenübertragung (Luftschnittstelle zwischen Erfassungsgerät und Transponder) abhängig. Die ISO erarbeitet ein Set von Normen mit der Bezeichnung 18 000-X, das das Verfahren für die Datenübertragung auf einzelnen Frequenzen fest-legt. Dabei beinhaltet eine Norm, z.B. ISO 18 000-3, mehrere untereinander inkom-patible RFID-Protokolle, in diesem Fall Mode 1 und Mode 2 [vgl. Halliday 2003].

Damit sollen die Normen unterschiedliche Anforderungen an Übertragungsgeschwin-digkeit, Zuverlässigkeit und die Fähigkeit zur Pulkerfassung erfüllen. Anwender und Technologieanbieter fordern die Kompatibilität der Normen EPC Class 0 und EPC Class 1 [vgl. EPCglobal 2004a] mit den ISO-Normen 18 000-X [vgl. Polizzi 2004]. Die Ergänzung der Transponder um zusätzliche Komponenten, z.B. Sensoren, oder Merkmale zur Unterstützung der Datensicherheit erweitert die Funktionalität von RFID-Systemen. Für Anwendungen im SCM existieren bspw. Konzepte, die einen segmentierten Datenspeicher mit Zugriffsbeschränkungen vorsehen, den Wertschöp-fungspartner zur Ablage vertraulicher Daten verwenden können [vgl. Jansen 2002].

„EPC Network“: Ein Ansatz einer globalen Auto-ID-Infrastruktur

Das Auto-ID-Center am MIT startete im Jahr 1999 mit der Realisierung der Vision eines auf RFID basierten „Internet der Dinge“ [Das/Harrop 2001]. Beliebige Alltags-gegenstände sollten mit RFID-Tags versehen werden, um mit einer global verfügba-ren Infrastruktur automatisch kommunizieren zu können. Die Infrastruktur sollte pro-duktbezogene Informationen jederzeit und überall zur Verfügung stellen können. Der durch die steigende Nachfrage nach RFID-Technologie ausgelöste Preisverfall sollte das Konzept wirtschaftlich ermöglichen [vgl. Sarma 2001]. Das Auto-ID-Center erar-

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2.4 Auto-ID-Systeme 61

beitete ein Nummerierungsschema zur Vergabe global eindeutiger Kennzeichnungen, den Electronic Product Code (EPC), und das EPC Network als Referenzarchitektur ei-ner Auto-ID-Infrastruktur. Mittlerweile hat das Unternehmen EPCglobal Inc., die We-iterentwicklung und Vermarktung des EPC übernommen. Parallel tragen sechs Auto-ID-Labs an namhaften Universitäten mit ihren Forschungsergebnissen zur Weiterent-wicklung des EPC Network bei.

Reader-Interface-Protokoll & PML Core

Savant

Lesegerät

RFID-Transponder

RFID-ProtokolleUHF Class 0/1 &

HF Class 1

Object Naming Service (ONS)

DNS-Protokoll

EPC Information Service

Externe Softwareanwendungen

PML

PML

PML

Abbildung 2-12: Architektur des EPC Network [Flörkemeier 2005]

Die Architektur des EPC Network besteht aus folgenden Bausteinen (s. Abbildung 2-12) [vgl. EPCglobal 2004b]:

1. Die RFID-Transponder speichern nur den EPC (96 bit). Sie senden auf der Frequenz 13,56 MHz (Class 1) oder UHF (Class 0 und Class 1).

2. Die Erfassungsgeräte passen sich dynamisch an die Protokolle Class 0 und Class 1 sowie an die verwendete Frequenz an und verfügen über eine TCP/IP-Schnittstelle [vgl. Reynolds et al. 2002].

3. Die Middleware Savant verarbeitet die von den Erfassungsgeräten erzeugten Datenströme und leitet sie bedarfsgerecht (gefiltert) an Applikationen weiter [vgl. Clark et al. 2003].

4. Die Product Markup Language (PML) ist eine XML-basierte Datensprache, auf der die Kommunikation im EPC Network basiert [vgl.Flörkemeier et al. 2003].

5. Der EPC Information Service liefert die produktbezogenen Informationen zu den im EPC Network registrierten Objekten [vgl. Harrison/McFarlane 2003].

6. Der Object Naming Service (ONS) funktioniert analog zum DNS (Domain Name Service) des Internet und liefert zu einem EPC die Adresse der Daten-quelle (z.B. einer HTML-Seite), an der sich die produktbezogenen Informati-onen befinden [vgl. Verisign 2004].

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62 2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes

2.4.3 RFID als Basistechnologie des Ubiquitous Computing

Durch die Fähigkeit zur Integration physischer Objekte mit IT-Systemen stellt RFID einen ersten Schritt zur Verwirklichung der Vision des Ubiquitous Computing (des „allgegenwärtigen Computers“ [Mattern 2003b, 3]) dar [vgl. Linden/Reynolds 2003]. Nach der in [Weiser 1991] beschriebenen Vision sind Computer zwar allgegenwärtig und unterstützen den Menschen bei seinen Tätigkeiten. Allerdings tritt die Technolo-gie in den Hintergrund. Sie ist in der Umgebung in beliebige Alltagsgegenstände inte-griert und macht diese zu „smarten Dingen“ [Gellersen et al. 2000]. Mittels Sensoren, Datenspeichern, Prozessoren, drahtloser Kommunikation und weiteren Technologien des Ubiquitous Computings sind sie in der Lage, Informationen aus ihrer Umwelt auf-zunehmen, entsprechend vorprogrammierter Regeln auf Umwelteinflüsse zu reagieren und miteinander zu kommunizieren [vgl. Ferguson 2002].

Ein smartes Warenlager kann bspw. automatisch erkennen, welche Güter es enthält und bei Bedarf, evtl. nach Absprache mit dem Produktionssteuerungssystem, eine Be-stellung aufgeben. Über die automatische Bestandskontrolle hinaus kann ein smartes Lager auch überwachen, ob Waren an der richtigen Stelle eingelagert, explosionsge-fährdete oder verderbliche Güter ordnungsgemäß aufbewahrt oder Produkte gestohlen werden. Bisher notwendige manuelle Tätigkeiten wie Suchvorgänge oder Inventuren können somit entfallen. Dies ermöglicht die direkte und verzögerungsfreie Abbildung von Vorgängen der realen Welt in den eingesetzten Informationssystemen.

Die Forschung auf dem Gebiet des Ubiquitous Computing ist von der technologischen Seite getrieben [vgl. Abowd/Mynatt 2000; Satyanarayanan 2001]. In [Mattern 2003a] sind fünf Trends beschrieben, die zum Ubiquitous Computing führen:

1. Gemäß dem Moore’schen Gesetz wird die Größe und dadurch bedingt der Preis von Chips so gering, dass sie sich fast unsichtbar in alle möglichen All-tagsgegenstände integrieren lassen [vgl. Moore 1965].

2. Die Entwicklung neuer Materialen, wie z.B. Elektronisches Papier bzw. Elek-tronische Tinte68, ermöglichen neuartige Anwendungen.

3. Fortschritte in der Kommunikationstechnologie ermöglichen z.B. höhere Kom-munikationsbandbreiten und Innovationen in der Nahbereichskommunikation, wie Bluetooth oder Body-Area-Netzwerke. Smarte Dinge verwenden diese zur Kommunikation.

68 Vgl. www.eink.com.

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2.4 Auto-ID-Systeme 63

4. Fortschritte in der Sensortechnologie erlauben es smarten Dingen, mehr Details aus ihrer Umwelt wahrzunehmen [vgl. Akyildiz et al. 2002]. Für betriebliche Informationssysteme bedeutet dies eine feinere Informationsgranularität als Entscheidungsgrundlage.

5. Es entstehen Infrastrukturen, die Basisdienste für eine Welt smarter Dinge be-reitstellen, z.B. zur Kommunikation, Identifikation, Lokalisierung und Über-wachung [vgl. Fritsch et al. 2001; Römer et al. 2004; Siegemund 2004].

Die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen des Ubiquitous Computing wie etwa mögliche Anwendungsszenarien, Prozessveränderungen und neue Geschäftsmodelle gewinnen in der aktuellen Diskussion zunehmend an Bedeutung [vgl. Fano/Gershman 2002; Fleisch/Dierkes 2003]. In einer Analyse der Prozessauswirkungen in Anwen-dungen smarter Dinge leiten [Schoch/Strassner 2003] die automatische Identifikation, Lokalisierung, Zustandsüberwachung und Notifikation als Basisfunktionen des Ubi-quitous Computing ab. Der automatischen Identifikation kommt eine Schlüsselrolle bei Anwendungen des Ubiquitous Computing zu. Passive Gegenstände, die im Unter-schied zu Geräten selbst keine Aktionen ausführen können oder sollen, benötigen le-diglich die Fähigkeit zur automatischen Identifikation. Dann kann die Ubiquitous-Computing-Infrastruktur anhand eines virtuellen Stellvertreters („virtual counterpart“ [Bohn/Rohs 2001]) des Gegenstands die Dienste Lokalisierung, Zustandsüber-wachung und die Notifikation erbringen. Auf diese Weise verlagern Anwendungen des Ubiquitous Computing Aktivitäten aus der realen Welt in die virtuelle und er-setzen Mensch-zu-Maschine- durch Maschine-zu-Maschine-Interaktionen, im Sinne des „human out of the loop computing“ [Tennenhouse 2000].

RFID als Treiber der Maschine-zu-Maschine-Kommunikation

Bei der Erfassung eines RFID-Chips ersetzt die automatische Maschine-zu-Maschine-Kommunikation die bisher notwendige Mensch-zu-Maschine-Kommunikation, z.B. das Einscannen eines Barcodes. [Fleisch/Dierkes 2003] beschreiben die drei Entwick-lungsstufen Manuelle Integration, Automatische Kontexterfassung und Dezentrale Steuerung des Einsatzes von Technologien des Ubiquitous Computing, die einen hö-heren Automatisierungsgrad von Prozessen durch die Reduzierung des Medienbruchs zwischen der Realität und IT-Systemen ermöglichen (s. Abbildung 2-13).

Manuelle Integration. Bei der ersten Entwicklungsstufe erfolgen die Datenerfassung über Vorgänge und deren Steuerung unter Vermittlung von Menschen. Diese geben Daten manuell in Datenbanksysteme ein, indem sie Eingabegeräte wie Tastaturen, Barcode-Scanner oder Mikrofone zur Spracheingabe verwenden. Die verwendeten Datenmodelle und Prozeduren sind einprogrammiert. Die manuelle Integration ist in der Logistik weit verbreitet. Beispielsweise führen Mitarbeiter am Wareneingang ma-

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64 2 Grundlagen des informatisierten Liefernetzwerkes

nuelle Zählungen durch bzw. scannen an der Lieferung angebrachte Barcodes. Durch die Einführung von Barcode-Systemen konnte die Logistik in den letzten Jahren eine deutliche Effizienzsteigerung im Vergleich zur ausschließlichen Verwendung von schriftlichen Warenbegleitscheinen erzielen.

Automatische Kontexterfassung. Durch automatische Datenerfassung mit RFID kön-nen Unternehmen Prozessinformationen mit geringen Grenzkosten gewinnen. Dies bedeutet, dass Messungen häufiger und an mehreren Stellen im Prozess durchführbar sind. Folglich stehen dem für die Prozessqualität und die Prozessgestaltung verant-wortlichen Prozessmanagement mehr zeit- und realitätsnahe Daten zur Verfügung. Beispielsweise lassen sich auf diese Weise die Bewegungen von innerbetrieblichen Transportmitteln verfolgen und somit die Bereitstellung beschleunigen. Durch Samm-lung und Auswertung der Prozessdaten lassen sich Schwachstellen von Prozessen er-mitteln. Beispielsweise zeigte der Einsatz von Transpondern in der Montage eines Fahrzeugherstellers Nachteile des verwendeten Akkordlohnkonzepts. Um den eigenen Lohn zu maximieren, schoben die Monteure Problemautos auf ein Nebenband und setzten die Bearbeitung der übrigen Fahrzeuge fort. Dieses Verhalten widersprach dem Grundsatz der Termintreue. Bei der automatischen Kontexterfassung erfolgt zwar die Datenerfassung und ggf. -auswertung automatisch, die Durchführung von Aktionen bedarf weiterhin menschlicher Vermittlung.

Reale Welt (Atome)

Virtuelle Welt (Bits)

Informationsgenerierung von Hand

Informationsgenerierung automatisch durch

physischen Prozess

Informationsgenerierung automatisch durch

physischen Prozess

Automatische Generierung von physischen Aktionen

Manuelle Modellbildung Dateneingabe,

Dateninterpretation und Entscheidungsfindung

Manuelle Modellbildung teilweise reduziert

Dateneingabe automatisiert

Dateninterpretation und Entscheidungsfindung

manuell

Manuelle Modellbildung teilweise reduziert

Dateneingabe automatisiert

Dateninterpretation, Entscheidungsfindung und

-umsetzung dezentral automatisiert

Med

ienb

ruch

zw

isch

en

real

er u

nd v

irtue

ller W

elt

(Kos

ten

der I

nteg

ratio

n)

Stufe 1Manuelle

Integration

Stufe 2Automatische

Kontexterfassung

Stufe 3Dezentrale Steuerung

TastaturSpracheingabe

Barcode Sensoren SensorenAktuatoren

Mensch-Maschine Maschine-MaschineReale Welt

(Atome)

Virtuelle Welt (Bits)

Informationsgenerierung von Hand

Informationsgenerierung automatisch durch

physischen Prozess

Informationsgenerierung automatisch durch

physischen Prozess

Automatische Generierung von physischen Aktionen

Manuelle Modellbildung Dateneingabe,

Dateninterpretation und Entscheidungsfindung

Manuelle Modellbildung teilweise reduziert

Dateneingabe automatisiert

Dateninterpretation und Entscheidungsfindung

manuell

Manuelle Modellbildung teilweise reduziert

Dateneingabe automatisiert

Dateninterpretation, Entscheidungsfindung und

-umsetzung dezentral automatisiert

Med

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Stufe 1Manuelle

Integration

Stufe 2Automatische

Kontexterfassung

Stufe 3Dezentrale Steuerung

TastaturSpracheingabe

Barcode Sensoren SensorenAktuatoren

Mensch-Maschine Maschine-Maschine Abbildung 2-13: Entwicklungsstufen von Anwendungen des Ubiquitous Computing

[Fleisch/Dierkes 2003, 613]

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2.4 Auto-ID-Systeme 65

Dezentrale Steuerung. Das Konzept der dezentralen Steuerung ermöglicht den höchs-ten Automatisierungsgrad. Kontexterfassung, Entscheidungen und die Durchführung von Aktionen erfolgen hierbei direkt am Objekt bzw. mit Vermittlung der IT-Infra-struktur. Dies entlastet übergeordnete Organisationseinheiten und führt zu schnelleren Entscheidungen. Zum Beispiel bietet ein Schraubenhersteller seinen Kunden das Sys-tem „SmartBin®“ zur automatisierten Nachbestellung von Schrauben an. Das System verwendet eine Waage, die permanent die Füllung der Behälter mit den Schrauben überprüft und bei Unterschreiten eines vordefinierten Gewichts automatisch eine Nachbestellung auslöst. Hiermit entlastet das System die Lagermitarbeiter von der Bestandskontrolle (Kontrolle) und der Nachbestellung (Aktion). Der Schraubenvorrat managet sich quasi selbst [vgl. Bossard 2003].

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66 3 Supply Chain Management in der Automobilindustrie

3 Supply Chain Management in der Automobilindustrie

Das SCM der Automobilindustrie ist der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit im Hinblick auf die Bewertung möglicher Auswirkungen des RFID-Einsatzes. Folgende Abschnitte charakterisieren zuerst das aktuelle Branchenumfeld, leiten dann hieraus strategische Herausforderungen für das SCM ab und konkretisieren diese an-schließend in Anforderungen an die Prozessgestaltung (s. Abbildung 3-1). Dabei er-folgt eine Konzentration auf koordinationsintensive Aufgabenbereiche. Eine ab-schließende Situationsbeschreibung zum Einsatz von IT-Systemen im SCM der Auto-mobilindustrie zeigt einen möglichen Bedarf nach RFID, um die zuvor beschriebenen kritischen Prozesse besser zu unterstützen.

Wertschöpfungs-netzwerk (SCM)

Markt

Gesetzgeber

Technologie

BeschleunigungIndividualisierungKostensenkungProduktinnovationQualitätsverbesserungRückverfolgbarkeit

-Bedürfnisse-Moden-Preissensitivität

-Umweltschutz-Verbraucherschutz-Wettbewerbsschutz

-Verwendung-Anforderungen-Push/Pull

Wertschöpfungs-netzwerk (SCM)

Markt

Gesetzgeber

Technologie

BeschleunigungIndividualisierungKostensenkungProduktinnovationQualitätsverbesserungRückverfolgbarkeit

-Bedürfnisse-Moden-Preissensitivität

-Umweltschutz-Verbraucherschutz-Wettbewerbsschutz

-Verwendung-Anforderungen-Push/Pull

Abbildung 3-1: Einflüsse und Maßnahmen des Wertschöpfungsnetzwerkes

3.1 Aktuelle Situation und Herausforderungen der Branche

Verschiedene Eigenschaften charakterisieren die Automobilindustrie [vgl. Straube 2004, 112 f.]:

• Wettbewerbsdruck. Während die Produktivität in der Automobilindustrie wei-ter steigt, treten insb. in Japan, den USA und Westeuropa (der sog. Triade) An-zeichen von Marktsättigung auf, und die Absatzzahlen stagnieren dort. Hinge-gen bauen die Fahrzeughersteller Fertigungskapazitäten in Wachstumsmärkten wie China oder Südamerika auf.

• Hoher Grad an Arbeitsteilung. Circa 75 % der Wertschöpfung erbringen Ko-operationspartner, wie z.B. LDL oder Zulieferer. Das Zuliefernetzwerk besitzt eine globale Ausdehnung und hohe Komplexität. Bei einigen Liefermodulen sind bis zu sieben Stufen (Tiers) im Netzwerk unterscheidbar.69

69 Dies zeigen [Alicke et al. 2004, 494] am Beispiel der Türinnenverkleidung der E-Klasse von Mercedes.

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3.1 Aktuelle Situation und Herausforderungen der Branche 67

• Partnerschaftliche Zusammenarbeit. Die Zusammenarbeit findet in Form lang-fristiger Rahmenverträge, gemeinsamer Produktentwicklungen, Bedarfs- und Absatzplanungen sowie Abstimmung der Prozesse statt.

• Kundenindividuelle Fertigung. Die Automobilindustrie ermöglicht dem Kun-den die individuelle Konfiguration seines Fahrzeugs durch Kombination von Ausstattungsmerkmalen, wie z.B. Motorisierung, Interieur und Lackierung.

• Hohe Innovationsrate. Jede Fahrzeugmodellgeneration weist verschiedene technologische Neuerungen auf. Entsprechend hoch ist der Anteil an Aufwen-dungen für Forschung und Entwicklung.70

• Hoher Fixkostenanteil. Hoher Investitionsaufwand für den Aufbau von Ferti-gungsanlagen und deren Wartung macht Entscheidungen über die Einrichtung von Kapazitäten langfristig wirksam.

Unter diesen Rahmenbedingungen erfordert eine effiziente Gestaltung des Wertschöp-fungsnetzwerks hohen Koordinationsaufwand. Dies verdeutlicht die folgende Be-schreibung der Struktur des Wertschöpfungsnetzwerkes der Automobilindustrie sowie aktueller Herausforderungen.

3.1.1 Das Wertschöpfungsnetzwerk

Zur Durchführung einer prozessorientierten Analyse möglicher Auswirkungen von RFID-Systemen im SCM betrachtet diese Arbeit die Prozesse des Materialflusses (vgl. Abschnitt 2.3.1).

Wertschöpfungspartner in der Automobilindustrie

Im Wertschöpfungsnetzwerk der Automobilindustrie kooperieren unterschiedliche Unternehmen zur Erstellung des Endprodukts Automobil und komplementärer Dienst-leistungen. Am Materialfluss beteiligt sind Zulieferunternehmen, LDL, Fahrzeugher-steller, Händler und Werkstätten (s. Abbildung 3-2).

• Zulieferer. Das mehrere Zulieferstufen (Tiers) umfassende Zuliefernetzwerk besteht aus Rohstoff-, Teile-, Komponenten- und Modullieferanten. Einige Zu-lieferer etablieren sich zu sog. „Mega-Lieferanten“ (Tier 0,5), wie z.B. Bosch oder Delphi, welche die Fahrzeughersteller mit mehreren Teilen, Komponenten oder Modulen versorgen sowie global präsent sind.

70 Die F&E-Aufwendungen der deutschen Automobilindustrie lagen im Jahr 2003 bei 15,1 Mrd. Euro, was ca.

35 % der F&E-Aufwendungen der deutschen Wirtschaft entspricht [vgl. VDA 2003c, 231 f.]. Damit ist die Automobilbranche Innovationsführer in Deutschland [vgl. Gillmann 2004].

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68 3 Supply Chain Management in der Automobilindustrie

• Logistikdienstleister. Während sich das Aufgabengebiet traditioneller LDL (z.B. Speditionen) auf den Transport beschränkte, übernehmen LDL heute (sog. Kontraktlogistiker) weitgehend eigenverantwortlich die Organisation der Teilelieferung vom Zulieferer über die Zwischenlagerung bis zum Verbauort. Einige LDL haben sich auf die Bereitstellung von Ladehilfen, z.B. Behälter, spezialisiert.

• Fahrzeughersteller. Die Fahrzeughersteller sind fokale Unternehmen im Lie-fernetzwerk. Sie tragen gegenüber dem Kunden die Produktverantwortung und nehmen Einfluss auf die Gestaltung des Liefernetzwerkes, indem sie z.B. Stan-dards durchsetzen. Während sog. Massenhersteller in großen Stückzahlen pro-duzieren und durch Ausnutzung von Skaleneffekten die Strategie der Kosten-führerschaft verfolgen, wie z.B. Toyota und VW, bieten Nischenanbieter auf bestimmte Kundesegmente abgestimmte Fahrzeuge an, wie z.B. Porsche.

• Händler und Werkstätten. Für den Verkauf unterhalten die Automobilkonzerne in Europa ein Netzwerk an Vertragshändlern, die auch Werkstattservices an-bieten.71 Bei der Wartung konkurrieren sie mit unabhängigen Dienstleistern. Für die Ersatzteileversorgung betreiben die Automobilhersteller eigene Ver-triebsorganisationen, die bisher exklusiv sog „Originalersatzteile“ vertreiben durften, was nun durch eine Gesetzesänderung eingeschränkt ist.72

ZuliefererLogistik-dienst-leister

Händler Werkstatt

A u t o m o t i v e V a l u e C h a i n

Fahrzeug-hersteller

Wertschöpfung, Informationsaustausch

ZuliefererLogistik-dienst-leister

Händler Werkstatt

A u t o m o t i v e V a l u e C h a i n

Fahrzeug-hersteller

Wertschöpfung, Informationsaustausch Abbildung 3-2: Wertschöpfungskette der Automobilindustrie73

Informationsaustausch zwischen den beteiligten Unternehmen steigert die Effizienz der Wertschöpfung. Moderne Konzepte zur Effizienzsteigerung im Liefernetzwerk wie CPFR, dezentral organisierte Zulieferparks, VMIs oder JIT/JIS setzen Informati-onsaustausch zwischen den Wertschöpfungspartnern voraus. Je umfassender die un-ternehmensübergreifende Kooperation ist, desto weniger Störungen treten im Ma-terialfluss auf [vgl. Dodel 2003, 33]. Die Betrachtung von Wertschöpfungsnetzwerken

71 Die Novelle der GVO (Gruppenfreistellungsverordnung) schafft durch den Wegfall der Gebietszuordnung

und Markenexklusivität die Voraussetzungen für Wettbewerb zwischen den Vertragshändlern [vgl. Zielke et al. 2002].

72 Die Novelle der GVO erlaubt die Bezeichnung von Teilen, die qualitativ der Erstausstattung entsprechen, als „Originalersatzteile“.

73 Einige Automobilhersteller verstehen sich als „Mobilitätsdienstleister“ und bieten komplementäre Dienst-leistungen zum Fahrzeug an. Deshalb spielen weitere Unternehmen wie bspw. Informationsdienstleister oder Versicherungen eine zunehmend wichtigere Rolle im Wertschöpfungsnetzwerk [vgl. Mercer 2001].

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3.1 Aktuelle Situation und Herausforderungen der Branche 69

verdeutlicht, dass nicht einzelne Unternehmen (z.B. der Fahrzeughersteller) die Wett-bewerbsfähigkeit steuern können, sondern hierfür auf Partner angewiesen sind [vgl. Christopher 1998]. Die Zugehörigkeit einiger Unternehmen zu mehreren Wert-schöpfungsnetzen, die evtl. unterschiedliche SCM-Strategien verfolgen, erschwert die Umsetzung von Maßnahmen des SCM. Derartige Konstellationen erfordern bspw. die Bereitstellung unterschiedlicher Informationen an die verschiedenen Netzwerke. Au-ßerdem ist die Kooperation innerhalb des Wertschöpfungsnetzwerks meist eine op-portunistische. Zielkonflikte entstehen nicht nur aus der Zugehörigkeit zu verschiede-nen Kooperationen, sondern auch deshalb, weil Unternehmen primär an der Maxi-mierung eigener Gewinne interessiert sind.

Neue Formen der Kooperation

Die Struktur des Wertschöpfungsnetzwerkes der Automobilindustrie befindet sich im Wandel. Die Veränderungen entstehen durch Reduzierung der Fertigungstiefe und Lieferantenanzahl:

• Die Fertigungstiefe der deutschen Fahrzeughersteller ist seit 1980 von ca. 38 % auf aktuell knapp unter 25 % gesunken. Seit 1998 hat allerdings keine nen-nenswerte Reduzierung mehr stattgefunden [vgl. VDA 2003c, 65]. Der Trend zum Outsourcing bzgl. der Fertigung ist damit vorerst gestoppt oder zumindest verlangsamt. Allerdings gibt es auch Prognosen, die bis 2010 einen weiteren Anstieg des Anteils der Zulieferer an der Wertschöpfung um 15 % voraussagen [vgl. VDA 2003c, 59].

• Verschiedene Studien sagen eine Reduzierung der Lieferantenanzahl voraus, z.B. erwarten [Kalmbach et al. 2001] weltweit eine Schrumpfung von heute 5.500 auf 3.500 Zulieferer bis 2010. Ein Grund hierfür ist, dass die Fahrzeug-hersteller die Zusammenarbeit mit Modulanbietern bevorzugen, um selbst Montageaufwand einzusparen, und gleichzeitig zur Beschaffung zunehmend die Single- bzw. Dual-Sourcing-Strategie verfolgen, bei der sie einzelne Typen von Zulieferteilen weltweit nur noch bei einem oder zwei Zulieferern beziehen [vgl. Wolters 1995, 27 ff.].

Die Restrukturierung soll Kosten für das Beziehungsmanagement sowie Logistikkos-ten senken. Eine Vision des zukünftigen Zuliefernetzwerkes sieht so aus, dass jeder Fahrzeughersteller mit einer Anzahl von Mega-Lieferanten oder Zulieferer-Ver-bünden zusammenarbeitet. Die stärkere Marktposition der Zulieferer in diesem Szena-rio führt dazu, dass die fokale Rolle der Fahrzeughersteller abnimmt. Das ausgegli-chene Machtverhältnis fördert die Aushandlung neuer flexibler Kooperationsformen.

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70 3 Supply Chain Management in der Automobilindustrie

3.1.2 Veränderungen und Handlungsbedarf

Die Dynamik des Marktes einerseits sowie Produkt- und Prozessinnovationen an-dererseits sind Treiber für Veränderungen in der Automobilindustrie. Verschiedene Trends zeigen eine gegenseitige Abhängigkeit von Markterfordernissen und technolo-gischen Innovationen des E-Business (s. Abbildung 3-3).

Produkt-komplexität

Kunden-ansprüche

Produkt-lebenszyklus

E-Business

Globali-sierung

Plattform-strategie

TQM

Modulari-sierung

JIT/JIS

Umbau des Netz-

werkes

Prozess-reorgani-

sation

Lieferan-tenwett-bewerb

Outsourcing Fertigungs-tiefe

Marktplätze

Make-to-Order

Time-to-Market

ValueAdded (Zu-satzdienste)Direkt-

verkauf(Internet)

(+) Zunahme(–) Abnahme

(+) (+) (+)

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Abbildung 3-3: Interdependente Trends in der Automobilindustrie

(in Anlehnung an [SAP 2001]74)

Dynamik des Marktes

Die Automobilindustrie reagiert mit strategischen Maßnahmen auf die veränderten Marktbedingungen. Einerseits erschließt sie neue Märkte und baut vor Ort Pro-duktionskapazitäten auf. Andererseits restrukturiert sie ihre Leistungserstellung, um durch mehr Kundenorientierung die Wertschöpfung auch in traditionellen Märkten zu steigern. Beide Maßnahmen steigern die Komplexität der Kooperationsbeziehungen.

Regionale Verlagerung des Wachstums. Während der Automobilabsatz in den Län-dern der Triade stagniert, sehen Studien in Asien, Osteuropa und Südamerika ein Wachstumspotenzial von bis zu 7,5 % pro Jahr [vgl. Kalmbach et al. 2001]. Die Aus-lastung der Produktionskapazitäten lag im Jahr 2001 nur bei 70 %. Trotzdem ist der zügige Aufbau von Fertigungskapazitäten in den Wachstumsregionen für die Erhal-tung der Marktstellung notwendig, da die Hersteller nur vor Ort wettbewerbsfähig produzieren können. Das Wertschöpfungsnetzwerk gewinnt hierdurch an Komplexi- 74 zitiert nach [Straube 2004, 124]

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3.1 Aktuelle Situation und Herausforderungen der Branche 71

tät, da neue Kooperationsbeziehungen aufzubauen sind und die Versorgung mit Zu-lieferteilen teilw. durch die Stammwerke erfolgt.

Kundenorientierte Restrukturierung. Zur Erhöhung des Umsatzes erweitern die Auto-mobilhersteller ihr Leistungsangebot kundenorientiert. Hierzu gehören neben der Si-cherstellung der Basisleistung wie Produktqualität und Liefertermintreue neue Diens-te, wie z.B. die Konfiguration des Fahrzeugs per Online-Anwendung und Telematik-dienste. Die Komplexität des Wertschöpfungsnetzwerkes steigt durch die Integration neuer Wertschöpfungspartner sowie der Priorisierung von Rechtzeitigkeit vor Ef-fizienz. Dementsprechend sind Zulieferer wegen ihrer Flexibilität und ihrer Ge-schwindigkeit auszuwählen, nicht allein wegen ihrer Preise [vgl. Fisher 1997].

Produkt- und Prozessinnovationen durch neue Technologien

Neue Technologien aus verschiedenen Bereichen wie etwa der Mikroelektronik, der Informatik und der Materialforschung ermöglichen Innovationen des Automobils und der Prozesse. Innovation besitzt in der Automobilindustrie einen hohen Stellenwert, da sie Voraussetzung für die zukünftige Differenzierung und Generierung neuer Um-sätze ist. Kundenorientierte Produktinnovationen im Automobilbau steigern die Att-raktivität neuer Fahrzeuge für den Kunden und erhöhen die Kaufbereitschaft. Viele aktuelle Neuerungen zielen auf besseren Bedienkomfort, höhere Sicherheit oder Um-weltverträglichkeit. Beispiele für geplante technologische Veränderungen in der Fahr-zeugkonstruktion sind aktive Fahrwerke, elektronische Steuerungen, Sensoren zur Umfelderkennung, Nachtsichtgeräte, Bordcomputer, Brennstoffzellenantriebe und Karosserien aus Kunststoff [vgl. Kalmbach et al. 2001]. Der zunehmende Anteil ver-bauter Elektronikkomponenten ist ein Indiz für den Evolutionsprozess des Automo-bils.75

Die technologischen Innovationen in der Automobilindustrie lösten auch Prozessinno-vationen aus. Einerseits bedeutet der Einbau einer neuen Technologie in ein Produkt eine Innovation des Fertigungsprozesses. Zum Beispiel erforderte die Verwendung von Sintermetall (powder metal), das die Automobilindustrie heute z.B. für die Her-stellung von Getriebeteilen verwendet, ein neues Schmiedeverfahren [vgl. Sage 2000, 92 ff.]. Andererseits sind Prozessinnovationen in Produktion und Logistik auch direkt durch den Einsatz der in Abschnitt 2.3.3 beschriebenen flexiblen Fertigungstechnolo-gien und E-Logistics-Systeme entstanden. Zum Beispiel ermöglichten flexible Fer-tigungstechnologien in Verbindung mit IT-gestützen Auftragsbearbeitungs- und PPS-Systemen die effiziente Umsetzung der Massenindividualisierung.

75 Der wertmäßige Anteil der Elektronik am Fahrzeug beträgt derzeit ca. 25 % und soll bis zum Jahr 2010 auf

bis zu 40 % ansteigen [vgl. VDA 2003c, 59].

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72 3 Supply Chain Management in der Automobilindustrie

3.2 Strategische Herausforderungen für das SCM

Die in vorangegangenen Abschnitt beschriebenen Trends in der Automobilindustrie stellen Herausforderungen für das SCM dar. Etwa 10 % der Gesamtkosten in der Au-tomobilindustrie entfallen auf die Logistik. Unternehmen erwarten, dass sie in den nächsten Jahren 25 % dieser Kosten einsparen können [vgl. Straube 2004]. Dabei muss die SCM-Strategie einen höheren Bedarf nach Kundenorientierung, gestiegene Komplexität des Wertschöpfungsnetzwerkes, verkürzte Produktlebenszyklen und neue Gesetze berücksichtigen. Die folgenden Abschnitte beschreiben, mit welchen Maß-nahmen Unternehmen der Automobilindustrie diesen Herausforderungen begegnen.

3.2.1 Ausrichtung auf den Kunden

Die Herstellung kundenindividueller und qualitativ hochwertiger Produkte und Dienstleistungen ist ebenso wichtig wie die rechtzeitige Auslieferung an den Kunden. Handlungsbedarf für das SCM besteht bzgl. der Prozesszuverlässigkeit, insb. in der Logistik und Einsteuerung von Kundenaufträgen. Beispielsweise weicht bei 65 % der Fahrzeuge die tatsächliche von der bei Auftragseingang geplanten Fertigstellungs-woche ab [vgl. Straube 2004, 120]. Dabei nimmt die Produktion nur 5–10 % der Ge-samtlieferzeit eines Fahrzeuges in Anspruch.

Die Literatur beschreibt das Modell der Demand Chain, das die Kundenorientierung im SCM hervorhebt [vgl. Vollmann et al. 1995]. Das Prinzip der (durch die Nachfrage getriebenen) Demand Chain ist die kundenauftragsbezogene Fertigung im Unter-schied zur klassischen Vorratsproduktion („auf Halde“). Ein Beispiel für kundenori-entierte Reorganisation im SCM ist das KOVP (Kundenorientierter Vertriebs- und Produktionsprozess)-Programm von BMW [vgl. Eisenbarth 2003, 58 ff.]. Im Rahmen des Programms hat der Automobilhersteller seine Produktions- und Vertriebsprozesse an dem Ziel ausgerichtet, dem Kunden rechtzeitig zu einem vereinbarten Termin – auf Wunsch möglichst kurzfristig – ein wunschgemäß konfiguriertes Auto liefern zu kön-nen. Mittlerweile erreicht BMW eine Durchlaufzeit von zehn Tagen von der Be-stellung eines Fahrzeugs bis zur Auslieferung und ermöglicht außerdem dem Kunden eine Änderung der Konfiguration bis sechs Tage vor Montagestart [vgl. Gehr/Palm 2002]. Folgende Maßnahmen des SCMs steigern die Kundenorientierung:

• Verkürzung von Durchlaufzeiten (Order-to-Delivery-Time). Die Durchlaufzei-ten von Kundenaufträgen sind in der Automobilindustrie in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken. Im Durchschnitt dauert die Montage eines Au-tomobils 48 Stunden. Dazu beigetragen haben die Umsetzung von Konzepten wie Lean Management, JIT, JIS und CPFR. Diese eliminieren unproduktive Wartezeiten sowie Pufferlager und unterstützen die Beseitigung von Fehler-quellen in Prozessen. Die Prozesszuverlässigkeit besitzt Priorität vor der

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3.2 Strategische Herausforderungen für das SCM 73

Durchlaufzeit. Die Kunden verlangen die Einhaltung von Lieferterminen und wünschen sich eine schnelle Auslieferung ihres Fahrzeugs.76 Lange Wartezei-ten beeinflussen die Kaufentscheidung des Kunden. Schätzungen beziffern „Lost Sales“ aufgrund zu langer Lieferzeiten mit 5 % des Jahresumsatzes.

• Individualisierung. Fahrzeughersteller ermöglichen ihren Kunden die Auswahl zwischen verschiedenen Ausstattungsmerkmalen eines Fahrzeugmodells. Die Fertigung von Fahrzeugen erfolgt kundenindividuell und das Logistiksystem stellt die Bauteile entsprechend bereit. Aufgrund der Variantenvielfalt produ-ziert VW jährlich statistisch gesehen nur zwei Fahrzeuge des Typs Golf mit der gleichen Ausstattung, wenn für jede Variante die Bestellwahrscheinlichkeit gleich hoch ist. Auch Zulieferer fertigen Fahrzeugkomponenten, wie z.B. Sitze oder Cockpits, zunehmend kundenindividuell.

• Mehrwertdienste (Value Added Services). Dienstleistungen bieten Fahrzeug-herstellern die Möglichkeit der Produktdifferenzierung und generieren zusätzliche Umsätze in gesättigten Märkten. Beispielsweise betreiben oder planen verschiedene Fahrzeughersteller Telematikdienste, z.B. Verkehrsinfor-mations- oder Wartungsdienste, die sie in Kooperation mit Partnern, wie etwa Mobilfunkanbietern oder Versicherungen, anbieten. Eine Voraussetzung für die Erbringung derartiger Dienste sind die Identifizierung und bei ortsabhängigen Diensten (Location Based Services) auch die Lokalisierung der Anwender.

3.2.2 Management der Komplexität

Die Produktionskosten hängen überproportional von der Anzahl produzierter Varian-ten ab. Dies liegt an mit dem Flexibilitätsbedarf steigenden Logistik- und Produkti-onskosten. Flexibles Handeln ist durch die Komplexität der Lieferbeziehungen im Wertschöpfungsnetzwerk erschwert (s. Abbildung 3-4). Auf der Zulieferseite der Fahrzeughersteller lassen sich vom Komponentenhersteller bis zum Rohstofflieferan-ten sieben Zulieferstufen (Tiers) unterscheiden. Das globale Distributionsnetzwerk umfasst zwei bis drei Stufen bis zum Endkunden. Der Fahrzeughersteller übernimmt Koordinationsaufgaben im Netzwerk. Beispielsweise treibt er die Durchsetzung von Standards zur Prozessgestaltung oder zur Gestaltung des Informationssystems voran. Dabei sind die Fahrzeughersteller auf Absprachen innerhalb der Industrie angewiesen, da viele Unternehmen Mitglied mehrerer Wertschöpfungsnetzwerke sind. Industrie-verbände wie AIAG, JAMA/JAPIA, Odette und VDA moderieren diese Abstim-mungsprozesse. 76 Die von Kunden durchschnittlich gewünschte Lieferzeit beträgt vier bis sechs Wochen [vgl. Stautner 2001,

38].

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74 3 Supply Chain Management in der Automobilindustrie

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kein Mitglied des Liefernetzwerkes

fokales UnternehmenMitglied des Liefernetzwerkes

kein Mitglied des Liefernetzwerkes Abbildung 3-4: Komplexität des Wertschöpfungsnetzwerkes in der Automobilindustrie

[Lambert et al. 1998]

Erfolgreiches Management der Komplexität erhöht die Prozesszuverlässigkeit. Zu be-wältigende Herausforderungen sind Planabweichungen, z.B. Abweichungen geplanter und tatsächlicher Lieferabrufe (Volatilität), Störungen wegen Fehlteilen, Dokumen-tationsfehlern oder Systemausfällen (Fehler) oder Qualitätsmängel, wie z.B. Produkt-fehler oder falsch geplante Prozesse (Defekte). Im Zusammenhang mit der Teilever-sorgung bezeichnet die logistische Kritizität das Ausmaß, in dem fehlende Teile den Ablauf in der Montage beim Hersteller stören [vgl. Dodel 2003, 4]77. Folgende SCM-Maßnahmen unterstützen das Management des komplexen Liefernetzwerkes:

• Just-in-sequence-Belieferung. Die Teilelieferung in der Reihenfolge des Ein-baus erhöht zwar die Komplexität in der Distribution des Zulieferers, reduziert diese aber in der Fertigung. Beim Zulieferer verursacht die Sortierung einen geringeren Aufwand, da Bestände hier weniger Kosten verursachen als beim Fahrzeughersteller. Würde die Sortierung dort stattfinden, dann wäre der durch die gleichzeitige Sortierung vieler Teilesorten verursachte Aufwand wegen der damit verbundenen Komplexität höher.

77 Ein Auto besteht aus ca. 6.000 Teilen. Der Anteil an Fehlteilen beträgt 30–100 pro 20 Mio. Teile [vgl. Dodel

2003].

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3.2 Strategische Herausforderungen für das SCM 75

• Postponement. Die späte Festlegung der kundenspezifischen Ausstattungs-merkmale ermöglicht eine schnellere Bearbeitung von Kundenaufträgen, da die Hersteller schon vor Eingang der Kundenbestellung „Rohvarianten“ von Fahr-zeugmodellen vorbereiten. Der Einsatz aufwendiger flexibler Fertigungsver-fahren zur Unterstützung der Individualisierung konzentriert sich beim Post-ponement auf den letzen Abschnitt des Wertschöpfungsnetzwerkes. Bei Ex-portfahrzeugen für überseeische Märkte führen meist Dienstleister vor Ort die kundenindividuelle Konfiguration durch.78

• Reorganisation des Wertschöpfungsnetzwerkes. Outsourcing und Dezentrali-sierung führen zu neuen Organisationsformen, die Komplexität reduzieren und so einen höheren Grad an Flexibilität ermöglichen. Beispiele sind die Redu-zierung der Fertigungstiefe, die Einrichtung von Zulieferparks, gemeinsame Prozessgestaltung zur Umsetzung von CPFR oder VMI sowie Kanban-Systeme.

• Total Quality Management. Permanente Überwachung (Monitoring) und Schwachstellenanalyse der Produkt- und Prozessqualität sind die Grundlage des kontinuierlichen Qualitätsverbesserungsprozesses der Automobilindustrie [vgl. VDA 2004]. Verbreitete Verfahren sind FMEA (Failure Mode and Ef-fects Analysis, deutsch: Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse), die Ver-wendung des EFQM-Modells und neuerdings auch Six Sigma (s. Abschnitt 2.3.2).

3.2.3 Verkürzung der Produktlebenszyklen

Neben Qualität und Kosten spielt der Faktor Zeit eine wichtige Rolle bei der Erzie-lung von Wettbewerbsvorteilen [vgl. Stalk/Hout 1990; Vesey 1991]. Empirische Stu-dien zeigen, dass in der Automobilindustrie ein Trend zur Verkürzung der Produkt-lebenszyklen besteht [vgl. Baumgarten/Walter 2000]. Technologische Innovationen sind Treiber dieser Entwicklung. Die betroffenen Unternehmen müssen bei der durch den Markt vorgegebenen Innovationsgeschwindigkeit mithalten, um ihre Wettbe-werbsposition zu halten. Die Zeitführerschaft bei der Markteinführung (Time-to-Market) wird zu einem wichtigen Wettbewerbsvorteil für diese Unternehmen [vgl. Eversheim 1995, 119]. Durch Kooperationen und verbessertes Anlaufmanagement wollen Unternehmen die Zeit zur Markteinführung verkürzen:

• Kooperation in der Entwicklung. Die frühe Einbeziehung von Wert-schöpfungspartnern in den Produktentwicklungsprozess soll Problemen wegen

78 Beispielsweise führt ein LDL in Bremerhaven die Endfertigung von Importfahrzeugen verschiedener Herstel-

ler durch [vgl. BLG 2004].

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76 3 Supply Chain Management in der Automobilindustrie

Inkompatibilitäten in der Produktion vorbeugen und Synergiepotenziale er-schließen. Diese entstehen z.B. dadurch, dass sowohl Fahrzeughersteller als auch Zulieferer über für die Wertschöpfungspartner relevantes Wissen bzgl. der Kundenbedürfnisse verfügen. So kann z.B. der Fahrzeughersteller Informa-tionen über die Nutzungsmerkmale bestimmter Ausstattungsteile, wie etwa Sitze oder Bedienelemente, sammeln und an den entsprechenden Zulieferer weiterleiten.

• Anlaufmanagement. Erfolgreiches Anlaufmanagement ermöglicht die zuverläs-sige Durchführung des Serienanlaufs und verkürzt die hierfür notwendige Zeit (Time-to-Market). Verschiedene Störquellen erschweren den Serienanlauf in der Automobilindustrie: Die Produktion neuer Fahrzeugserien erfordert Ände-rungen des Maschinenlayouts, Anpassung und Einübung von Prozessen, neue Stücklisten und Logistikbeziehungen. Deshalb steigern Fahrzeughersteller die Produktion stufenweise und bieten einige Ausstattungsmerkmale, wie z.B. be-stimmte Motorisierungen, erst nachdem die Prozesse stabil laufen an. Dies soll die Anzahl an Störungen in der Anlaufphase minimieren. Beispielsweise ist in dieser Phase wegen mangelnder und untrainierter Koordination mit dem Zulie-ferer die Wahrscheinlichkeit von Fehlteilen oder qualitativ minderwertigen Zu-lieferteilen höher. Die Literatur präsentiert verschiedene Vorgehensmodelle für das Anlaufmanagement, die z.B. Checklisten zur Unterstützung der Anlaufpla-nung enthalten [vgl. Risse 2003].

3.2.4 Gesetzliche Anforderungen

Verschiedene neue Gesetze stellen externe Anforderungen an das SCM der Automo-bilindustrie (s. Tabelle 3-1). Die Erhöhung der Sicherheit beabsichtigen Gesetze, wie z.B. das Heimatschutzgesetz der USA (Homeland Security Act), die Verordnung EU 178/2002 zur Rückverfolgbarkeit in der Lebensmittelindustrie und der TREAD Act. Die Altautoverordnung (EU-Richtlinie 2000/53/EG) fördert nachhaltiges Wirt-schaften, indem sie höhere Wiederverwertungsquoten verlangt. Die Novelle der GVO lockert Wettbewerbsbeschränkungen mit verschiedenen Maßnahmen, die dem Händ-ler mehr Freiheiten beim Vertrieb von Fahrzeugen und Ersatzteilen sowie der Grün-dung von Niederlassungen in der EU gewähren. Die Umsetzung dieser Gesetze stellt neue Anforderungen an die Produktkennzeichnung und die Dokumentation von Vor-gängen. Die Kennzeichnung des Produkttyps (Typennummer) alleine ist nicht mehr ausreichend. Zusätzlich ist sie auch auf Chargenebene (Chargennummer) oder Stück-ebene (Serialnummer) notwendig. Die Kennzeichnung ist so zu gestalten, dass sie sich mit geringem Aufwand anbringen und lesen lässt (Maschinenlesbarkeit) sowie eindeutig, lebenslang haltbar und unverfälschbar ist [Odette 2004a].

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3.3 Abgrenzung kritischer Prozesse und Aufgaben 77

Gesetz Bedeutung für das SCM der Automobilindustrie Altautoverordnung 2000/53/EG [EU 2000]

Die Altautoverordnung verlangt ab 2006 für Altfahrzeuge eine Verwertungsquote von 85 % und ab 2015 von 95 %, jeweils be-zogen auf das Leergewicht. Die eindeutige Identifikation der un-terschiedlichen Materialien erleichtert die Demontage und Sortie-rung [Vogel/Strassner 2004].

Novelle der GVO [GVO 2003]

Händler dürfen seit 2002 neben den von den Fahrzeugherstel-lern bezogenen Ersatzteilen auch qualitativ gleichwertige Teile als „Originalersatzteile“ verkaufen. Die nachträgliche Feststel-lung, aus welcher Quelle Ersatzteile stammen, ist bspw. im Zu-sammenhang mit Haftungsfragen relevant.

Homeland Security Act of 2002 (USA) [DHS 2002]

Das Heimatschutzgesetz der USA fordert strengere Kontrollen im Güterverkehr. Für LDL ergeben sich hieraus steigende Kos-ten und Verzögerungen. Eine ausreichende Kennzeichnung der Lieferung erleichtert die Durchführung der Kontrollen und hilft, Verzögerungen zu vermeiden.

Verordnung zur Rückver-folgbarkeit EU 178/2002 [EU 2002]

Die Verordnung hat keine direkten Auswirkungen auf die Auto-mobilindustrie, da sie nur für die Lebensmittelindustrie gilt. Indus-trievertreter erwarten allerdings, dass in der Automobilindustrie bald eine ähnliche Regelung in Kraft treten wird. Bei sicherheits-relevanten Teilen verlangen einige Hersteller bereits heute die Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit von ihren Zulieferern.

TREAD Act [NHTSA 2000]

Das Gesetz verpflichtet alle Fahrzeughersteller und deren Zulie-ferer, die Produkte in den USA vertreiben, zur Meldung sicher-heitsrelevanter Mängel an die NHTSA. Falls die Meldung nicht umgehend erfolgt, kann die Behörde ein Bußgeld von bis zu 15 Mio. US-$ verhängen.

Tabelle 3-1: Neue gesetzliche Anforderungen für das SCM

3.3 Abgrenzung kritischer Prozesse und Aufgaben

Die im vorangegangenen Abschnitt beschriebenen SCM-Maßnahmen zur Steigerung der Kundenorientierung, zum Management der Komplexität und zu den verkürzten Produktlebenszyklen sowie zur Umsetzung gesetzlicher Anforderungen lassen sich nur mittels zuverlässiger operativer SCM-Prozesse umsetzen. Die folgenden Ab-schnitte identifizieren die Teileversorgung, das Produktionsmittelmanagement, und das Konfigurationsmanagement als kritische Prozesse zur Unterstützung der in der SCM-Strategie formulierten Maßnahmen und Ziele (s. Tabelle 3-2).

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78 3 Supply Chain Management in der Automobilindustrie

Prozess Aufgaben Unterstützte SCM-MaßnahmenTeileversorgung - Lagermanagement

- Sendungszusammenstellung - Transportabwicklung - Überseeversand (Sonderfall der

Teileversorgung)

- Anlaufmanagement - Individualisierung - Postponement - TQM - Verkürzung von Durchlaufzeiten

Produktionsmittel-management

- Behältermanagement - Flottenmanagement - Werkzeugmanagement

- Just-in-sequence-Belieferung - Reorganisation des Wert-

schöpfungsnetzwerkes (Out-sourcing)

- TQM - Verkürzung von Durchlaufzeiten

Konfigurations-management

- Dokumentation der Montage - Rückruf - Wartung und Recycling

- Anlaufmanagement - Individualisierung - Mehrwertdienste - TQM

Tabelle 3-2: Übersicht kritischer Prozesse und Aufgaben im SCM

3.3.1 Teileversorgung

Die Kernaufgabe des SCMs ist die Sicherstellung einer effizienten Teileversorgung. In der Automobilindustrie existieren Standardisierungsempfehlungen zur Gestaltung des Prozesses der Auftragsabwicklung vom Lieferabruf bis zur Auslieferung, des sog. Pickup-Prozesses [vgl. VDA 2003b]. Die Empfehlung beschreibt Anforderungen an den Material- und Informationsfluss sowie deren Synchronisation. Hierfür spezifiziert sie verschiedene Informationsdokumente, die entweder die Lieferung als Papierbelege begleiten (warenbegleitender Informationsfluss) oder die Wertschöpfungspartner elektronisch austauschen (vorauseilender Informationsfluss) (s. Abbildung 3-5).

Zulieferer Fahrzeughersteller

Logistikdienstleister

Lieferabruf, Feinabruf

-Lieferschein-Warenanhänger-Speditionsauftrag

-Bereitstel-lungsavis

-Lieferschein-Rollkarte-Warenanhänger

-Lieferschein-daten

Elektronischer InformationsflussDokumentierter Informationsfluss

Zulieferer Fahrzeughersteller

Logistikdienstleister

Lieferabruf, Feinabruf

-Lieferschein-Warenanhänger-Speditionsauftrag

-Bereitstel-lungsavis

-Lieferschein-Rollkarte-Warenanhänger

-Lieferschein-daten

Elektronischer InformationsflussElektronischer InformationsflussDokumentierter Informationsfluss Abbildung 3-5: Informationsflüsse beim Pickup-Prozess

Der Fahrzeughersteller tätigt Lieferabrufe auf Grundlage geschätzter Bedarfe mehrere Wochen im Voraus und präzisiert die Bestellungen im Rahmen taggenauer Feinabru-fe. Während der Lieferabruf dem Zulieferer zur Anpassung seiner Produktionspla-

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3.3 Abgrenzung kritischer Prozesse und Aufgaben 79

nung dient, veranlasst der Feinabruf die Sendungszusammenstellung. Zur Durchfüh-rung des Versands erteilt der Zulieferer Transportaufträge an Spediteure, die Art und Menge der Waren die Abholort und -zeitfenster beinhalten. Der Spediteur führt die genaue Tourenplanung aus und teilt dem Zulieferer eine fahrzeugbezogene Abholliste mit. Der Zulieferer erstellt Warenanhänger (GTLs), Transport- und Sendungsbelege (VDA 4939) und bringt diese an der Lieferung an. Bei der Abholung scannt der Frachtführer die Warenanhänger und vergleicht diese mit den Angaben auf der Ab-holliste. Bei Vollständigkeit quittiert er die Entgegennahme gegenüber dem Zulieferer durch einen Übernahmenachweis. Der Zulieferer übermittelt diese Information als elektronischen Lieferschein an den Empfänger, z.B. unter Anwendung der Empfeh-lung VDA 4913. Beim Empfang der Lieferung führt der Empfänger stichprobenartig Ident- und Mengenkontrollen durch. Bei Annahme der Lieferung quittiert er dies dem Spediteur und übermittelt als Empfangsbestätigung einen aktualisierten Lieferabruf an den Zulieferer. Im eigenen System bucht der Empfänger die Lieferung auf Basis der zuvor elektronisch empfangenen Lieferscheininformationen ein.79

Mögliche Störungen des Prozesses treten durch fehlende Waren, Verzögerungen in der Transportabwicklung, falsche Kennzeichnung oder Sendungszusammenstellung auf. Die Komplexität des Liefernetzwerkes (Mehrstufigkeit) erhöht die Wahrschein-lichkeit von Fehlern. Die folgende Problemanalyse identifiziert Informationsdefizite im Logistikmanagement, welche die effiziente Ausführung der Aufgaben Lagermana-gement, Sendungszusammenstellung und Transportabwicklung80 beeinträchtigen. Im weiteren Verlauf untersucht die Arbeit den Beitrag von RFID-Systemen zur Verrin-gerung der Informationsdefizite.

Lagermanagement

Lager sind Puffer zur Deckung des Bedarfs nachgelagerter Stufen in der Wertkette. Nachfragevolatilität und unsichere Nachbevorratung sind mögliche Ursachen für den Aufbau von Sicherheitsbeständen. Andernfalls steigt das Risiko für teure Eilbestel-lungen oder Produktionsstillstände. Klassische Zentrallager ersetzen die Automobil-werke zunehmend durch kleine produktionsnahe Lager. Die Anlieferung von ca. 30 % aller Teile erfolgt nach dem Just-in-time-Verfahren81. Die dezentralen Lager erhöhen den zur Vermeidung von Fehlern notwendigen Koordinationsaufwand. Es existieren verschiedene Strategien zur Nachbevorratung, um Fehlteile trotz geringer Sicherheits-bestände zu vermeiden:

79 Die Empfehlung [VDA 2003b] beinhaltet eine ausführliche Prozessbeschreibung. 80 [Klaus 1998] beschreibt Logistikmanagement als eine Abfolge der Aufgaben Lagern, Umschlagen und Trans-

portieren. 81 Dies hat die Bevorratung von Tagesbedarfen oder für wenige Stunden in dezentralen Lagern zu Folge.

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80 3 Supply Chain Management in der Automobilindustrie

• Zur Sicherstellung der Lieferbarkeit von Bauteilen schließen die Hersteller Rahmenverträge über zu erwartende Bestellmengen mit den Zulieferern ab. Dabei verwenden sie Absatz- und Produktionspläne, die sie z.B. mit dem MRP-(Material-Resource-Planning-)Verfahren ermitteln.

• Zur Vermeidung unnötiger Lagerbestände erfolgt die Bestellung in Abhängig-keit des Kundenauftrags. Die Bestellmengen ergeben sich durch Stücklisten-auslösung der zur Produktion vorgesehenen Fahrzeuge. Dieses Verfahren setzt die kurzfristige Lieferbarkeit der Teile voraus.

• Zur Vermeidung von Störungen wenden die Hersteller eine Min-Max-Abwei-chungsregel zur Veranlassung oder Zurückhaltung von Nachbestellungen an. Dieses Verfahren findet auch in Verbindung mit VMIs Anwendung [vgl. Wer-ners/Thorn 2002].

Die Abweichung des tatsächlichen vom IT-Lagerbestand erschwert das IT-gestützte Lagermanagement. Folgewirkungen sind unzuverlässige Planungen der Bestände, das Auftreten des Bullwhip-Effekts und Produktionsstörungen oder hohe Sicherheitsbe-stände. Die genannten Nachbevorratungsstrategien sind von genauen Informationen abhängig. Die Ermittlung des Lagerbestands erfolgt über Wareneingangs- und Aus-gangsbuchungen sowie regelmäßig stattfindende Inventuren. Eine Erhöhung der In-formationsgenauigkeit ist auf folgende Arten möglich:

• Die lückenlose Erfassung der Lagerzugänge und -abgänge bzw. Durchführung einer permanenten Inventur erhöht die Genauigkeit der Lagerbestandsdaten.

• Die Berücksichtigung des Lagers in Transit unterstützt die Vorausplanung des Lagerbestands.

Sendungszusammenstellung

Im Rahmen der Sendungszusammenstellung überprüft der Versender, dass Güter in der richtigen Menge und Qualität an die nächste Wertschöpfungsstufe gelangen. Bei Just-in-sequence-Belieferung ist außerdem die Einhaltung der Reihenfolge zu beach-ten. Eine hohe Anzahl an Produkten und Produktvarianten, die an verschiedene Em-pfänger zu senden sind, erhöht den Koordinationsaufwand. Beispielsweise gibt ein Achsenhersteller an, dass ihm in der Distribution Kosten für Sortierung und Qualitäts-kontrolle in Höhe von 20 Euro je Achse anfallen [vgl. Fleisch et al. 2004b]. Ein weite-res Beispiel ist die Distribution elektronischer Ersatzteile, von denen manche vor der Auslieferung eine kundenindividuelle Konfiguration erhalten (z.B. Airbag-Steuerun-gen) [vgl. Tellkamp/Schoch 2002].

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3.3 Abgrenzung kritischer Prozesse und Aufgaben 81

Zur Vermeidung von Versandfehlern führen die Versender manuelle Warenausgangs-kontrollen durch, die das Fehlerrisiko allerdings nicht ausschließen. Genauere Infor-mation kann die Sendungszusammenstellung wie folgt unterstützen:

• Abgleich der Sendungszusammenstellung während der Beladung82 oder vor der Bereitstellung zum Versand mit den Bestelldaten (Ident- und Mengenkontrolle).

• Abgleich von Produkteigenschaften wie Konfiguration und Transportbestim-mungen mit Bestelldaten und verwendetem Ladungsträger (Qualitätskontrolle).

• Einbeziehung der Reihenfolge, in der die Güter bei der Sendungszusammen-stellung ankommen, um Sortieraufwand zu minimieren.

Transportabwicklung

Die Transportabwicklung beinhaltet die Zuordnung von Versandeinheiten zu Trans-portmitteln (Vorlauf), den Transport (Hauptlauf) und die Auslieferung an die Empfän-ger (Nachlauf) [vgl. VDA/BSL 1997]. Eine Versandeinheit besteht aus Packstücken sowie verpackten und unverpackten Einzelteilen. Je nach Art der verwendeten Trans-portverpackung bzw. Ladungsträger erfordert die Transportabwicklung verschiedene Kennzeichnungen. Hierzu unterscheidet ISO die logistischen Objekte in sechs hierar-chische Transportebenen und definiert Standards zu deren Kennzeichnung. Verschie-dene Standards aus der Automobilindustrie, wie z.B. AIAG, basieren auf diesen ISO-Standards (s. Abbildung 3-6).

Ver-pack-ung

Packstück

Teil Teil Teil Teil Teil Teil Teil Teil Teil Teil Teil Teil Teil Teil Teil Teil

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Ver-pack-ung

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Ver-pack-ung

Packstück Packstück Packstück

Versandeinheit(z.B. Palette)

Versandeinheit(z.B. Palette)

Container(z.B. 40-Fuß-Seecontainer)

Transporter(z.B. Flugzeug, LKW, Schiff, Zug)

Ebene 0ISO TC 122AIAG B-4

Ebene 1ISO TC 122 / WG 7AIAG B-4

Ebene 2ISO TC 122 / WG 4AIAG B-10 / 14

Ebene 3ISO TC 122 / WG 4AIAG B-10 / 14

Ebene 4ISO TC 104

Ebene 5ISO TC 204 AIAG B-15

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Versandeinheit(z.B. Palette)

Container(z.B. 40-Fuß-Seecontainer)

Transporter(z.B. Flugzeug, LKW, Schiff, Zug)

Ver-pack-ung

Packstück

Teil Teil Teil TeilTeil Teil Teil Teil Teil Teil Teil TeilTeil Teil Teil Teil Teil Teil Teil TeilTeil Teil Teil Teil Teil Teil Teil TeilTeil Teil Teil Teil

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Ver-pack-ung

Ver-pack-ung

Ver-pack-ung

Packstück Packstück Packstück

Versandeinheit(z.B. Palette)

Versandeinheit(z.B. Palette)

Container(z.B. 40-Fuß-Seecontainer)

Transporter(z.B. Flugzeug, LKW, Schiff, Zug)

Ebene 0ISO TC 122AIAG B-4

Ebene 1ISO TC 122 / WG 7AIAG B-4

Ebene 2ISO TC 122 / WG 4AIAG B-10 / 14

Ebene 3ISO TC 122 / WG 4AIAG B-10 / 14

Ebene 4ISO TC 104

Ebene 5ISO TC 204 AIAG B-15

Abbildung 3-6:ISO-Ebenemodell logistischer Einheiten [Harmon 2004]

82 Im Versandhandel gibt es vergleichbare RFID-Anwendungen, bei denen die Kommissionierschalen RFID-

Labels besitzen, anhand derer die Zuordnung der Behälter zu den Bestellungen erfolgt [RFID-Journal 2003a].

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82 3 Supply Chain Management in der Automobilindustrie

Da der Versand von Einzelteilen in Verbindung mit einer Verpackung und außerdem meist auch eines Ladungsträgers (z.B. Behälter, Container, Palette) erfolgt, sind nur die entsprechenden Kennzeichnungen für die Transportabwicklung relevant. Durch Identifikation des Ladungsträgers ist indirekt auch eine Verfolgung der versandten Einzelteile möglich, sofern der Versender die Zuordnung („Verheiratung“) von Ein-zelteilen mit Ladungsträgern während der Sendungszusammenstellung in einer Daten-bank erfasst hat.83

Die Automobilindustrie verwendet für Transporte zwischen Unternehmen das GTL84 [vgl. Odette 2004b]. Der mittlerweile von allen regionalen Automobilverbänden a-doptierte Standard verwendet einen 2D-Code (PDF 417) zur Codierung von Teile-nummern, -anzahl, Lieferadresse (Werk) und eine weltweit eindeutige Packstück-nummer (License Plate). Das Datenformat basiert auf dem von GM entwickelten und seit 2000 für alle Zulieferer verpflichtenden Konzernstandard GM 1724-A. Der Effi-zienzgewinn, den GM durch Anwendung des 2D-Codes im Vergleich zur Verwen-dung mehrerer Barcodes erzielte, begünstigte dessen industrieweite Adoption [vgl. Forcinio 2004]. Neben dem 2D-Code enthält das GTL verschiedene Angaben in Klar-text sowie die Packstücknummer als Barcode (Code 128) (s. Abbildung 3-7). Die Struktur der Packstücknummer ist durch ISO 15459 spezifiziert. Verschiedene durch das NEN (Niederländische Normungsinstitut)85 autorisierte Vergabestellen vergeben entsprechende eindeutige Nummern [vgl. ISO/IEC 2003]. Der Einsatz eines RFID-Labels als Bestandteil des GTL ist in der Diskussion [vgl. AIAG 2004b].

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Abbildung 3-7:Beispiel eines Global Transport Labels (GTL) [Barkan 2002]

83 Eine gebräuchliche Bezeichnung für die indirekte Verfolgung von Lieferteilen ist „Soft Tracking“. 84 Alternative Bezeichnungen sind Odette-Label oder AIAG B-16. 85 Nederlands Normalisatie-instituut, www.nen.nl

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3.3 Abgrenzung kritischer Prozesse und Aufgaben 83

Zur Unterstützung einer effizienten Transportabwicklung und Vermeidung von Fehl-lieferungen müssen zuverlässige Informationen über Bestimmungsorte bzw. Positi-onsangaben von Versandeinheiten verfügbar sein:

• Die eindeutige Identifizierung von Versandeinheiten vermeidet Fehler bzw. Verzögerungen bei der Durchführung von Transportaufträgen.

• Informationen über geplante Lieferankunftszeiten ermöglichen die Einplanung und Bereitstellung von Transportkapazitäten.

CKD-Prozess

Aus zollrechtlichen Gründen ist es günstiger, Autos als Bausätze zu verschiffen und in Übersee zusammenbauen zu lassen. Der CKD-Prozess lässt sich als eine Speziali-sierung der Teileversorgung, bei der zusätzlich die Zollabwicklung durchzuführen ist, bezeichnen. Die Abwicklung der CKD-Logistik erfolgt meist über spezialisierte LDL, die Teile verschiedener Hersteller konsolidieren, verpacken und versenden. Beispiels-weise führt die BLG International Logistics (BLG IL)86 CKD-Verschiffungen im Auf-trag von DaimlerChrysler durch. Zu den Aufgaben des LDLs gehören die Konsoli-dierung der vom Fahrzeughersteller und weiteren Zulieferern angelieferten Teile, die Verpackung und der Versand unter Beachtung der Zollvorschriften (s. Abbildung 3-8) [vgl. Höcherl/Seide 2002].

Fahrzeug-hersteller

Zulieferer

Zulieferer

LDLKonsolidierung,

Verpackungund Versand

Zoll Automobilwerkin Übersee

Fahrzeug-hersteller

Zulieferer

Zulieferer

LDLKonsolidierung,

Verpackungund Versand

Zoll Automobilwerkin Übersee

Abbildung 3-8: Materialfluss im CKD-Versand

Die Durchführung des CKD-Versands verursacht aus zwei Gründen einen höheren Qualitätssicherungsaufwand als nationale Lieferungen. Erstens müssen die warenbe-gleitenden Zolldokumente mit der Beladung der Container übereinstimmen, sonst be-hindert dies die Zollabwicklung und die Lieferung verspätet sich. Zweitens entstehen durch Expresslieferungen ins Ausland, welche die Fahrzeughersteller bei Falschlie-ferungen veranlassen, Zusatzkosten. Der Fahrzeughersteller stellt dem LDL diese zu-sätzlichen Kosten zzgl. einer evtl. vereinbarten Konventionalstrafe in Rechnung. Des-halb besitzen Sendungszusammenstellung und Transportabwicklung im Rahmen des CKD-Versands eine höhere Kritizität als bei nationalen Lieferungen. Entsprechend höher sind auch die Anforderungen an die Prozesszuverlässigkeit.

86 BLG International Logistics, www.blg.de

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84 3 Supply Chain Management in der Automobilindustrie

3.3.2 Management von Produktionsmitteln

In der Automobilindustrie kommen verschiedene mobile Produktionsmittel, wie z.B. Ladungsträger oder Werkzeuge, zum Einsatz. Die Überwachung dieser Ressourcen unterstützt deren Verfügbarkeit und effizienten Einsatz. Die Automobilindustrie wi-ckelt ca. 80 % aller Materialtransporte mit wieder verwendbaren Ladungsträgern ab [vgl. Chep 2003]. Hierzu gehören standardisierte Behälter, z.B. Paletten, Gitterboxen oder VDA-Kleinladungsträger (KLTs), aber auch Spezialbehälter, wie z.B. Motoren-gestelle oder Bremsteilebehälter. Falls die passenden Behälter fehlen, verzögern sich Transporte oder es entstehen zusätzliche Kosten durch Ersatzverpackungen und Son-dertransporte. Trotzdem ist das Behältermanagement bisher gering automatisiert [vgl. Aberdeen 2004]. Die Folge sind ineffiziente Prozesse durch lange Umlaufzeiten, schlechte Auslastung, unnötig hohe Bestände an Ladungsträgern und mangelnde Kenntnis über deren physischen Zustand.

Behältermanagementsysteme sollen sicherstellen, dass jederzeit die benötigten Behäl-ter in gutem Zustand zur Verfügung stehen und gleichzeitig der Bestand an Behältern so gering wie möglich ist. Entsprechende Systeme optimieren die Umlaufzeiten, in-dem sie Behälter nach jedem Einsatz sofort wieder zur weiteren Verwendung zur Ver-fügung stellen oder bei Bedarf die Reinigung bzw. Wartung veranlassen. Ein Pilotver-such verwendete RFID-Transponder zur Überwachung der Fahrtenanzahl von 26 LKW-Aufliegern, die der Betreiber eines Güterterminals im Pendelverkehr einsetz-te.87 Die Auswertung der Bewegungsdaten zeigte eine ungleichmäßige Auslastung dieser Auflieger (s. Abbildung 3-9).

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Abbildung 3-9: Auslastung von LKW-Aufliegern im Pilotprojekt [Strassner/Eisen 2005]

87 Zur Durchführung des Pilotversuchs stattete der Poolbetreiber 26 von insg. 125 Aufliegern mit Transpondern

aus. Die Messung ergab 1.162 Fahrten im Beobachtungszeitraum von sechs Wochen, was im Durchschnitt ca. 40 Fahrten pro mit Transponder ausgerüstetem Auflieger entspricht.

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3.3 Abgrenzung kritischer Prozesse und Aufgaben 85

In diesem Beispiel möchte der Terminalbetreiber die Information über die Behälterbe-wegungen zur Steuerung der Auslastung seiner Ladungsträger sowie zur Einführung nutzungsabhängiger Wartungen einsetzen. In ähnlicher Weise können die Automa-tische Identifikation, die Ortsinformation und Nutzungshistorie das Produktionsmittel-management unterstützen:

• Die eindeutige Identifizierung von Produktionsmitteln vermeidet Fehler bei der Beladung und ermöglicht die Zuordnung zum Eigentümer und zur Lieferung.

• Ortsinformationen unterstützen die Verfügbarkeit von Produktionsmitteln.

• Informationen über die Nutzung ermöglichen nutzungsabhängige Wartungs-intervalle und unterstützen somit die Betriebssicherheit und Verfügbarkeit.

3.3.3 Konfigurationsmanagement

Die Fahrzeughersteller bauen Automobile zunehmend als Einzelanfertigungen gemäß Kundenwunsch. Das Konfigurationsmanagement beginnt mit dem Zusammenbau des Fahrzeugs und unterstützt Aufgaben nach dem Verkauf, wie die Durchführung von Rückrufen, die Fälschungssicherheit sowie Wartung und Recycling.

Produktionsautomation

Qualitätskontrollen in der Produktion stellen sicher, dass die Monteure die Teile ein-deutig den Bestellungen zuordnen und die Fahrzeuge entsprechend den Bestellungen richtig zusammenbauen. Mittels Barcode oder RFID-Chip88 erkennt das Produktions-steuerungssystem das Fahrzeug und schlägt die zu verrichtenden Arbeitsschritte vor. Neben der Identifikation zur Unterstützung der Massenindividualisierung ermögli-chen derartige Systeme die ständige Überwachung des Produktionsfortschritts. Auf diese Weise lässt sich der Auslieferungszeitpunkt genauer bestimmen und die Produk-tionsleitung kann „Problemfahrzeuge“, die z.B. zu lange an einer Arbeitsstation ste-hen, identifizieren. Einige Systeme ermöglichen auch die Speicherung von Datensät-zen zur Qualitätssicherung auf dem zur Kennzeichnung verwendeten Datenträger. Ein derartiges System ist bspw. in der Motorenfertigung von Ford im Einsatz [vgl. EMS 1998].

Die automatische Identifikation von Einzelteilen während des Einbaus ist bisher nur in wenigen Fällen üblich. Beispiele sind sicherheitsrelevante Teile, z.B. Hinterachsen oder Prallschutzelemente, sowie Teile, bei denen in der Variantenbildung leichter Fehler auftreten, wie in dem eingangs beschriebenen Fallbeispiel zum Einbau von

88 Bei RFID-Systemen ist der Chip meist nicht am Fahrzeug direkt, sondern am Träger des Transportsystems

angebracht. Dadurch ist eine Wiederverwendung möglich.

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86 3 Supply Chain Management in der Automobilindustrie

Kabelbäumen. In der Produktion besteht ein Informationsbedarf zur eindeutigen Iden-tifizierung von Bauteilen und zur Sicherstellung des korrekten Zusammenbaus bzw. Erstellung der Konfigurationsdokumentation. Zur Unterstützung einer automatisierten Fertigungsweise müssen diese Informationen beim Zusammenbau ohne Zeitverzö-gerung bereitstehen.

Echtheitsnachweis

Nach Angaben eines Automobilherstellers handelt es sich bei 10 % aller als Original-ersatzteile vertriebenen Teile um Fälschungen. Hochgerechnet auf die gesamte Auto-mobilindustrie entspricht dies entgangenen Umsätzen in Höhe von 12 Mrd. Euro pro Jahr im Ersatzteilgeschäft [vgl. SLA 2002]. Hierbei lassen sich zwei Arten von Fäl-schungen unterscheiden. Erstens existieren nachgeahmte Produkte (Plagiate) unter-schiedlicher Qualität, deren Herkunft sich schwer ermitteln lässt. Falls der Kunde, der davon ausgeht, ein Originalersatzteil gekauft zu haben, unzufrieden mit dem Produkt ist, schadet dies dem Ansehen des Fahrzeugherstellers. Zweitens rechnen die Autoher-steller auch die von offiziellen Vertragspartnern gefertigten, jedoch nicht über den vereinbarten Weg vertriebenen Teile zu den Fälschungen. Obwohl der Fahrzeugher-steller bei derartigen Teilen nicht an den Gewinnen partizipiert, trägt er das Risiko von Gewährleistungsansprüchen der Kunden. Dieses Risiko ist neben den Umsatzein-bußen und möglichen Imageschäden ein weiterer Grund, gegen Fälschungen vorzuge-hen. Bisher existiert kein effizientes Verfahren, dass die Verbreitung von unechten Teilen unterbindet. Ein mögliches Verfahren basiert auf der eindeutigen Identifi-zierung der Ersatzeile beim Verkauf bzw. Einbau und gleichzeitigem Abgleich mit registrierten Seriennummern.

Rückverfolgbarkeit und Rückruf

Die Anzahl der in den Jahren 2003 und 2004 zurückgerufenen Fahrzeuge übertraf in Europa und den USA die Rückrufe der vorangegangenen Jahre. 2004 betraf dies in den USA 30,6 Mio. Fahrzeuge (Vorjahr: weniger als 25 Mio.) und in Deutschland 1,5 Mio. (Vorjahr: weniger als 1 Mio.) [vgl. HB 2005]. Öffentliche Rückrufaktionen verursachen neben den operativen Kosten für die Durchführung auch indirekte Kosten wegen Imageschäden. Zu den Ursachen zählen Konstruktionsfehler sowie Fehler in der Montage bzw. Konfiguration. Als Gründe für den Anstieg nennen die Hersteller den zunehmenden Elektronikanteil im Auto und die dadurch entstandene Produkt-komplexität. Deshalb ist die Vereinfachung der Elektronikarchitektur ein Ansatzpunkt zur Vermeidung von Rückrufen. Eine weitere Möglichkeit zur Reduzierung der Rück-rufkosten ist die gezielte und schnelle Durchführung von Rückrufen, um den Kreis der Betroffenen möglichst klein zu halten und präventiv vor Folgeschäden zu wirken. Bei der Durchführung von Rückrufaktionen besteht ein Informationsbedarf über die Verbauorte der betroffenen Produkte (meistens die Produktcharge). Entsprechende

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3.4 Status des Einsatzes von IT-Systemen 87

Informationen sammeln einige Fahrzeughersteller zur Rückverfolgung sicherheitsrele-vanter Teile, wie z.B. Hinterachsen. [Rupp 2004] zeigt mittels einer empirischen Aus-wertung von Rückrufaktionen der Jahre 1973 bis 1998, dass der durch den Rückruf sicherheitsrelevanter Teile verursachte Unternehmenswertverlust im Vergleich zu an-deren Teilen signifikant höher war.

Wartung und Recycling

Information über die Produktkonfigurationen unterstützen Wartung und Recycling. Abgesehen von Reparaturen an der Karosserie umfassen Wartungsarbeiten die Kon-trolle auf Funktionstüchtigkeit und den Austausch bzw. die Nachrüstung von Kompo-nenten. Zur Vermeidung von Inkompatibilitäten, die insb. bei programmierbaren E-lektronikteilen auftreten können, sind die Restriktionen der Fahrzeugkonfiguration zu beachten. Beispielsweise können verschiedene Softwareversionen zur Steuerung der rechten und linken Fensterheber zu Funktionsfehlern führen. Informationen zur Fahr-zeugkonfiguration benötigen die Hersteller auch für das Recycling. Gemäß EU-Richt-linie 2000/53/EG müssen sie den Verwertungsbetrieben demontagerelevante Infor-mationen zur Verfügung zu stellen. Des Weiteren sind sie verpflichtet, wieder ver-wendbare bzw. verwertbare Bauteile und Werkstoffe zu kennzeichnen. Für Wartung und Recycling besteht Informationsbedarf zur Fehlerprävention und Unterstützung der Vorausplanung89:

• Die eindeutige Identifizierung von Bauteilen vermeidet Fehler bei der Durch-führung von Wartungs- bzw. Recyclingaktivitäten.

• Konfigurationsinformationen unterstützen die präventive Wartung, Vorberei-tung und Bereitstellung von Ressourcen sowie Planung der Demontage. Zum Beispiel ermöglicht die Kenntnis über den Zustand von Teilen eine Entschei-dung darüber, ob sich eine aufwendige Demontage rentiert oder eine grobe Zerlegung und Zuführung zum Shredder sinnvoll ist [vgl. Vogel/Strassner 2004].

3.4 Status des Einsatzes von IT-Systemen

Verschiedene IT-Systeme ermöglichen die durchgängige Unterstützung des Auftrags-abwicklungsprozesses in der Automobilindustrie. Während in der zwischenbetrieb-lichen Kommunikation EDI-(Electronic-Data-Interchange-)Systeme verbreitet sind, integrieren auch ERP- und E-Business-Systeme zunehmend kollaborative Aufgaben. Neuere SCEM- und RFID-Systeme unterstützen die Koordination fragmentierter Lie-

89 [Lampe et al. 2004] beschreiben ein Anwendungsszenario zum Einsatz von RFID zur Unterstützung der Qua-

litätssicherung und Vorausplanung in der Flugzeugwartung, das auf die Automobilindustrie übertragbar ist.

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88 3 Supply Chain Management in der Automobilindustrie

fernetzwerke außerdem durch bedarfsgerechte Informationsversorgung. Die folgen-den Abschnitte beschreiben Einsatzgebiete und Verbreitung dieser Systeme.

3.4.1 Auftragsabwicklung mittels EDI-, ERP- und E-Business-Systemen

In der zwischenbetrieblichen Kommunikation hat sich in der Automobilindustrie die Verwendung von EDI durchgesetzt [vgl. Eistert 1996; Rassameethes et al. 2000]. Die EDI-Nachrichten basieren auf dem Standard EDIFACT (Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transport), der Datenstrukturen von in der Auf-tragsabwicklung verwendeten Geschäftsnachrichten, wie z.B. „Lieferabruf“ oder „Rechnung“, vorgibt. Für die Automobilindustrie existieren branchenspezifische Sub-standards, wie z.B. VDA und Odette-EDI. Die regionalen Unterschiede bei den ver-wendeten EDI-Nachrichten sind eine Ursache für Inkompatibilitäten. Die für die glo-bale Kommunikation notwendige Unterstützung verschiedener Standards erhöht den Kommunikationsaufwand und führt zu fehlenden oder unvollständigen Nachrichten, die Nachbearbeitungsaufwand verursachen.90 Die zwischenbetriebliche Kommunika-tion wickeln Wertschöpfungspartner zunehmend mit Unterstützung von ERP- und E-Business-Systemen ab. ERP-Systeme integrieren verschiedene betriebliche Aufga-ben wie das Lagermanagement, Beschaffungsmanagement, die Buchhaltung und die Produktionsplanung.

Als Schwachstellen nennen Unternehmen der Automobilindustrie die mangelnde Inte-gration mit PPS-Systemen sowie Defizite bei der unternehmensübergreifenden Pla-nung [vgl. Kuhn/Hellingrath 2002, 128 ff.]. APS (Advanced Planning Systems) bieten als Erweiterung von ERP-Systemen neue Planungsverfahren, die in der Lage sind, Durchlaufzeiten und Lagerbestände bzgl. mehrerer Wertschöpfungspartner zu opti-mieren. Die Erkennung und Behandlung von Planabweichungen ist eine Schwach-stelle dieser Systeme. Eine Ursache hierfür sind die in den komplexen Liefernetzwer-ken der Automobilindustrie bestehenden Medienbrüche. Sie sind eine Folge hetero-gener Systemlandschaften und schränken die Handlungsfähigkeit durch unzureichen-de Informationsversorgung ein [vgl. Puschmann 2003, 20 f.]. Neuere E-Business-Systeme nutzen die Möglichkeiten des Internet, um die Integration verschiedener Sys-teme zu vereinfachen. Dies führt nicht zur Verdrängung der ERP-Systeme, sondern zu einer Erweiterung deren Reichweite. Der Aufbau von Infrastrukturen des E-Business, die neben der Kommunikationsabwicklung weitere Funktionalitäten integrieren, un-terstützt diesen Trend. In der Automobilindustrie etablierten sich bspw. nachfolgend beschriebene Infrastrukturen.

90 Ein Automobilhersteller gibt an, dass fehlende Nachrichten wiederholt zu Verzögerungen in der werksinter-

nen Verteilung von Lieferungen führen [vgl. Strassner/Fleisch 2003].

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3.4 Status des Einsatzes von IT-Systemen 89

E-Business-Infrastrukturen in der Automobilindustrie

E-Business-Infrastrukturen unterstützen neben der Punkt-zu-Punkt- auch die Mehr-punktkommunikation (Multicasting) und beinhalten Dienstleistungen wie z.B. die Aushandlung von Kaufverträgen und Zahlungsabwicklung. Die Nutzung elektroni-scher Dienstleistungen stellt Anforderungen an den Datendurchsatz und die Sicherheit der zugrundeliegenden Kommunikationsplattform. In der Automobilindustrie erfüllt ENX diese Anforderungen [vgl. ENX 2004]. Die Plattform ermöglicht sicheren Da-tenaustausch durch VPNs (Virtual Private Networks). Die Wertschöpfungspartner verwenden ENX z.B. in der kooperativen Entwicklung sowie zum Austausch zeitkri-tischer Informationen in der JIS-Steuerung oder bei Videokonferenzen.

Da ein Bedarf nach Integration der IuK-, Applikations- und Prozessebene besteht, liegt ein Schwerpunkt aktueller Entwicklung auf der Erstellung von Schnittstellen zur Integration der verschiedenen operativen Applikationen mit ENX. Die Einbindung von Mehrwertdiensten in ENX, die über die Kommunikation hinausgehen, ist derzeit nicht geplant. Stattdessen sieht ein Konzept, das Unternehmen der Automobilindustrie erarbeitet haben, die Einführung einer zusätzlichen IuK-Schicht zur Unterstützung der Kollaboration vor [vgl. Urban/Gruener 2001]. Diese plant die Einrichtung dezentraler Koordinationsstellen an den Schnittstellen zwischen den einzelnen Applikationen (z.B. SCM-Planung, Transportsteuerung, Lagermanagement) und ENX. Eine zentrale Koordinationsinstanz überwacht und steuert die dezentralen Applikationen zur Opti-mierung aus Perspektive des gesamten Liefernetzwerkes (s. Abbildung 3-10).

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Hersteller 2nd-tier-

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Prozesse in der Lieferkette

Planungssystematik und heutige

Systemlandschaft

Bereich der neuen luK-Plattform

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Kommunikationsnetz als Informationskanal

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Programm,

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European Network Exchange

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Prozesse in der Lieferkette

Planungssystematik und heutige

Systemlandschaft

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Abbildung 3-10: SCM-Systeme in der Automobilindustrie [Urban/Gruener 2001, 42]

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90 3 Supply Chain Management in der Automobilindustrie

Ein Beispiel einer infrastrukturbasierten Anwendung sind elektronische Marktplätze. Sie ermöglichen registrierten Anwendern die standardisierte Aushandlung von Liefer-verträgen. Hierzu stellen sie Hilfsmittel, wie z.B. elektronische Kataloge, Ausschrei-bungen und Bieterverfahren, zur Verfügung. Durch Transparenz von Angebot und Nachfrage sowie die Beschleunigung des Verhandlungsprozesses unterstützen sie die Flexibilisierung von Lieferbeziehungen. Es existieren verschiedene elektronische Marktplätze, die sich in ihrem Funktionsumfang (z.B. Prozessabdeckung, ERP-Inte-gration, abgedeckte Materialarten) und der Zielgruppe (Fahrzeughersteller, Zulieferer verschiedener Wertschöpfungsstufen) unterscheiden [vgl. Straube 2004, 202 f.].91 Die in diesem Abschnitt genannten Ansätze zur Systemintegration enthalten keine Lösung zur Flexibilisierung des Abweichungsmanagements. SCEM-Systeme sollen diese Lü-cke schließen.

3.4.2 Supply Chain Event Management

SCEM ist einerseits ein Managementkonzept und andererseits eine Software (oder Softwarekomponente), die dieses Konzept unterstützt [vgl. Otto 2003]. Als Manage-mentkonzept basiert SCEM auf dem Prinzip des „Management by Exception“ (Füh-rung durch Abweichungskontrolle) [vgl. Bittel 1964]. Die Zielsetzung dieses Modells ist, die Führungsebene dadurch zu entlasten, dass untergeordnete Stufen bis zum Er-reichen vorgeschriebener Toleranzgrenzen selbstständig entscheiden und handeln. Dementsprechend ist die Aufgabe von SCEM-Systemen, die Relevanz von Statusmel-dungen des Liefernetzwerkes für potenzielle Empfänger zu bewerten und diese nur an Stellen weiterzuleiten, die sie für eine Entscheidung benötigen. Beispielsweise ist der Empfänger einer Lieferung nur daran interessiert, dass diese zum vereinbarten Zeit-punkt bei ihm eintrifft, jedoch nicht, ob unterwegs Verzögerungen auftreten, so lange der LDL diese durch Maßnahmen, wie z.B. die Durchführung von Express- oder Ex-trafahrten, ausgleicht.

Die Entwicklung von SCEM-Systemen fördernde Faktoren sind steigende Komplexi-tät von Liefernetzwerken, Informationsbarrieren zwischen den einzelnen Wertschöp-fungspartnern, die teilweise durch Medienbrüche zwischen IT-Systemen begründet sind, die viele Unternehmen aber auch zum Schutz (vermeintlich) wettbewerbsrele-vanter Daten bewusst aufrechterhalten, und wachsende Dynamik von Prozessverän-derungen [vgl. Bretzke et al. 2002, 29]. Zu den Herausforderungen bei der Implemen-tierung von SCEM-Systemen gehört die Versorgung mit zuverlässigen Informationen. Ein erster Schritt in diese Richtung sind T&T-Systeme.

91 Beispiele etablierter elektronsicher Marktplätze in der Automobilindustrie sind Covisint (www.covisint.com)

und SupplyOn (www.supplyon.com).

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3.4 Status des Einsatzes von IT-Systemen 91

Tracking&Tracing-Systeme als Vorstufe zu SCEM-Systemen

T&T-Systeme verwalten aktuelle und historische Status-Informationen von Lieferun-gen. Statusinformationen beziehen sich auf den Ort, Zustand (z.B. die Temperatur) oder einen definierten Prozessschritt (z.B. den Lieferstatus). Verschiedene Definiti-onen verstehen unter Tracking die Ortsverfolgung bzw. Bereitstellung aktueller Sta-tusinformationen und unter Tracing die Rückverfolgbarkeit [vgl. van Dorp 2002, 25]. Unterscheidungsmerkmale von T&T-Systemen beziehen sich auf die verwalteten Da-ten, z.B. die erfassten Attribute oder die Hierarchiestufe des Materialflusses, bis zu der eine Erfassung erfolgt (z.B. Lieferung oder Einzelteil), die Reichweite, d.h. ob das System nur in abgegrenzten Bereichen oder global zur Verfügung steht, sowie die Organisationsform, die zentral oder dezentral ist [vgl. Stefansson/Tilanus 2000]. Be-darf nach T&T-Systemen haben insb. Unternehmen, bei denen Lieferungen zeitkri-tisch bzw. deren Liefernetzwerke komplex und deshalb störanfällig sind und die ge-setzlichen Nachweispflichten unterliegen. In seltenen Fällen ist eine permanente Ak-tualisierung der Ortsinformation bzw. eine lückenlose Überwachung der Lieferung sinnvoll. Ausnahmen bilden z.B. Transporte von Gütern mit hoher Wertdichte oder verderblichen Gütern.

Viele LDL betreiben eigene T&T-Systeme, um einerseits selbst den Status von Lie-ferungen zu überwachen und zu steuern, und andererseits, um diese Informationen den Kunden als Dienstleistung zur Verfügung zu stellen. Dabei sind die Unternehmen auf Angaben von beauftragten Transportunternehmen oder T&T-Systeme anderer LDLs angewiesen. Die Konsequenz ist, dass T&T-Daten lückenhaft oder fehlerhaft sind. Nach Angaben eines LDLs sind ca. 30 % der Statusinformationen in seinem T&T-System nicht aktuell oder fehlerhaft [vgl. Fleisch et al. 2004a]. In der Automo-bilindustrie konzentrieren sich Projekte zur Überwachung und Steuerung des Liefer-netzwerkes derzeit auf die Zulieferer und Hersteller, während Ineffizienzen im Trans-port, z.B. wegen mangelnder Auslastung von Transportmitteln, weiterhin bestehen [vgl. Homrich 2003]. In abgeschlossenen logistischen Systemen, z.B. zur Über-wachung der Lieferungen von ausgewählten Zulieferern sind zunehmend sog. aktive T&T-Systeme im Einsatz, die z.B. bei Eintritt definierter Ereignisse automatisch Be-nachrichtigungen erzeugen. Damit erfüllen sie ein Gestaltungsprinzip von SCEM-Systemen.

SCEM-Systeme: Auf dem Weg zum Echtzeitmanagement im Liefernetzwerk

Während traditionelle T&T-Systeme zwar Visibilität vermitteln, indem sie Informati-onen über das Liefernetzwerk zur Verfügung stellen, benötigen Anwender jedoch viel Zeit, um die für sie relevanten Informationen, z.B. mögliche Störungen, zu erkennen. Um eine bedarfsgerechte und individualisierte Informationsversorgung zu ermög-lichen, implementieren SCEM-Systeme Filterregeln und überwachen das Liefernetz-

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92 3 Supply Chain Management in der Automobilindustrie

werk nach dem Regelkreisprinzip. Zu diesem Zweck erfüllen SCEM-Systeme die fol-genden Aufgaben [vgl. Otto 2003, 5]:

• Sammeln von Planungs- und Statusdaten an den Stationen des Liefernetzwerks

• Dokumentation der Planungs- und Statusdaten an zentraler Stelle, sodass diese allen Entscheidungsträgern zugänglich sind

• Analyse der Statusinformationen anhand vordefinierter Regeln zur Feststellung von kritischen Planabweichungen

• Entscheidungen bei kritischen Planabweichungen, die zur Lösung möglicher Folgeprobleme beitragen

• Entscheidungsumsetzung durch Versorgung maschineller oder menschlicher Akteure mit Informationen zur Entscheidungsunterstützung

• Lernen durch Feedback über die Wirkung der vorgeschlagenen Handlungs-empfehlungen

SCEM-Systeme haben Auswirkungen auf die Prozessgestaltung von Unternehmen, insb. auf das Qualitätsmanagement von Prozessen und die operative Planung. Ver-schiedene Nutzeneffekte entstehen für Hersteller und LDL (s. Tabelle 3-3).

Nutzeneffekte aus Sicht des Herstellers Nutzeneffekte aus Sicht des LDLs - Vorausinformationen zur Unterstützung der

Produktionsplanung - Reduzierung der Fehlerfolgekosten durch

Verkürzung der Reaktionszeiten - Vermeidung von Produktionsausfällen we-

gen fehlender Teile - Zuordnung von Transportschäden zu Ver-

ursachern - Reduzierung von Wartezeiten am Waren-

eingang - Höhere Mitarbeiterproduktivität durch Au-

tomatisierung von Prozessüberwachung und -dokumentation

- Prozessautomatisierung (z.B. ereignisge-steuerte Auslösung von Folgeprozessen)

- Reduzierung der Sicherheitsbestände - Qualitätskontrolle des LDLs

- Höhere Kundenbindung - Höhere Termintreue - Vermeidung von Versandfehlern - Abwehr von Schadensersatzansprüchen - Informationen zur Prozessoptimierung - Höhere Mitarbeiterproduktivität durch Auto-

matisierung von Prozessüberwachung und -dokumentation

- Reduzierung von Lagerbeständen - Qualitätskontrolle beauftragter Transport-

unternehmen

Tabelle 3-3: Nutzeneffekte von T&T- und SCEM-Systemen [Bretzke et al. 2002, 6; Nissen 2002, 479 f.]

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3.4 Status des Einsatzes von IT-Systemen 93

Damit SCEM-Systeme funktionieren, müssen die Wertschöpfungspartner aktuelle In-formationen über die Bestände bereitstellen. Des Weiteren setzen Implementierung und Betrieb von SCEM-Systemen die Definition von Regeln voraus, die Handlungs-anweisungen bzgl. des Auftretens bestimmter Situationen festlegen, z.B. Nachbestel-lungsregeln. Die automatische Behandlung von Abweichungen setzt voraus, dass die Partner über anzuwendende Regeln zuvor Vereinbarungen getroffen haben. Eventu-elle Konflikte bzgl. der Verteilung eines hierdurch entstehenden zusätzlichen Auf-wandes erschweren den Aufbau von SCEM-Systemen. Ein Beispiel ist die Zuweisung von Kosten, falls das System über die Durchführung einer Expresslieferung entschei-det. Ein SCEM-System ist dann am wirkungsvollsten, wenn es zu möglichst vielen auftretenden Situationen Handlungsanweisungen besitzt, die eine automatische Lö-sung des Problems ermöglichen. Zu diesem Zweck hat der Arbeitskreis „Supply Chain Monitoring“ Anforderungen für die Gestaltung von SCEM-Systemen in der Automobilindustrie erarbeitet [vgl. Odette 2003]. Das Problem fehlender Informatio-nen lösen diese nicht. Im Gegenteil: Sie verlangen noch mehr und zuverlässigere In-formationen. RFID-Systeme können die Bereitstellung dieser Informationen unter-stützen.

3.4.3 RFID-Systeme

Die Mehrzahl europäischer Fahrzeughersteller hat praktische Erfahrungen mit RFID-Systemen gesammelt [vgl. Fleisch et al. 2004b]. 75 % der in der empirischen Studie des Autors interviewten Unternehmen besitzen operative Anwendungen und ebenso 75 % haben Pilotanwendungen durchgeführt. 58 % der Befragten besitzen Konzepte für zukünftige RFID-Anwendungen, die sie bisher weder pilotiert noch operativ um-gesetzt haben (s. Abbildung 3-11). Die Betrachtung der operativen Anwendungen zeigt, dass es sich hierbei ausschließlich um geschlossene Systeme (Closed Loop), z.B. in der Produktionssteuerung oder im Behältermanagement, handelt. Dies ermög-licht in den meisten Fällen die Wiederverwendung der RFID-Chips. Ein Beispiel ist die Überwachung des Produktionsfortschrittes. Bei dieser Anwendung ist ein Trans-ponder an dem fertig zu stellenden Fahrzeug oder am Montageträger befestigt. Der Transponder dient der automatischen Identifikation an den einzelnen Fertigungsstatio-nen und erleichtert die Bereitstellung der für dieses Fahrzeug benötigten Konfigurati-onspläne. Im Bereich des Asset Managements verwenden Unternehmen RFID-Syste-me z.B. zur Verfolgung von Gabelstaplern, Aufliegern oder Spezialbehältern. Bei-spielsweise hat VW Spezialgestelle mit Transpondern ausgestattet. Mittels einer selbst entwickelten Software kann der Fahrzeughersteller jederzeit den Standort der entspre-chend ausgerüsteten Behälter bestimmen. Mithilfe dieser Anwendung konnte VW den Behälterbestand bei gleich bleibender Behälterverfügbarkeit reduzieren.

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94 3 Supply Chain Management in der Automobilindustrie

75%

75%

58%

0% 20% 40% 60% 80%

Konzept

Pilot

Operativ

Anteil von Unternehmen mit mindestenseiner RFID-Aktivität mit diesem Status

2

5

7

4

5

9

3

3

0 5 10 15 20

Konzept

Pilot

Operativ

Anzahl von RFID-Aktivitäten in verschiednene Annwendungsbereichen

Asset Management(Ladungsträger)

Lokale Prozesse(Produktion,Lagermanagement)Globale Prozesse(Liefernetzw erk)

Abbildung 3-11: Aktuelle RFID-Aktivitäten in der Automobilindustrie

Die Anzahl der operativen Anwendungen (16) ist niedrig. Dies zeigt, dass RFID in der Automobilindustrie eher die Rolle einer Spezialanwendung anstatt einer Standard-lösung besitzt. Die aktuellen Aktivitäten deuten nicht darauf hin, dass viele Unterneh-men das Konzept der Einführung von RFID über das gesamte Liefernetzwerk, ähnlich zum Handel, verfolgen. Nur sechs RFID-Aktivitäten beziehen sich auf den Einsatz von RFID in unternehmensübergreifenden Prozessen, wie z.B. das Tracking von Au-toreifen von der Herstellung bis zur Fahrzeugproduktion.

Motivation für den Ausbau von RFID-Systemen

Alle in der empirischen Studie befragten Unternehmen sehen eine mögliche Effizienz-steigerung operativer Prozesse als wichtigsten Treiber für den Einsatz von RFID-Sys-temen [Fleisch et al. 2004b]. Zwar gibt kein Unternehmen an, dass bzgl. der Prozess-qualität ein dringender Handlungsbedarf besteht, einzelne Beispiele zeigen jedoch, dass dies nur wegen aufwendiger manueller Qualitätssicherungsmaßnahmen der Fall ist. Zum Beispiel gibt ein Hersteller von Achsen an, dass ihm durch manuelle Sortie-rung entsprechend der Sequenzvorgaben des Fahrzeugherstellers und Kontrolle Kos-ten in Höhe von 20 Euro pro Achse entstehen. Automatisierte Erfassungsvorgänge mittels RFID könnten in diesem Fall dazu beitragen, die Prozessqualität effizienter zu sichern.

Die befragten Unternehmen bewerten die Potenziale von RFID für verschiedene Einsatzbereiche unterschiedlich (s. Abbildung 3-12) [vgl. Fleisch et al. 2004b, 15 ff.]. Elf der zwölf befragten Unternehmen streben zumindest langfristig die Realisierung globaler Tracking&Tracing-Anwendungen an. Genauere Daten über den Status von Lieferungen sollen dazu beitragen, dass die Unternehmen früher auf unerwartete Er-eignisse, z.B. Verspätungen von Lieferungen, reagieren können. Dadurch erhoffen sie sich Einsparungen bei der Bearbeitung solcher Ereignisse und bei den Fehlerfolgekos-ten. So können bspw. die Werke ihre Produktionspläne noch rechtzeitig anpassen oder auf anderem Weg Nachschub beschaffen. Auch die Zulieferer profitieren von genauen

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3.4 Status des Einsatzes von IT-Systemen 95

Informationen über den Lieferstatus. Eine automatische Mitteilung über den erfolgten Wareneingang beim Kunden ermöglicht es ihnen, die Rechnungsstellung automatisch folgen zu lassen.

0 1 2 3 4 5

Tracking&Tracing

Lokale Logistik-anw endungen

Behälter-management

Produktionskontrolle

Kundendienst

Sicherheit

0 - Unwichtig 5 - Sehr w ichtig

Abbildung 3-12: Priorisierung von RFID-Anwendungen [Fleisch et al. 2004b]

Der Einsatz von RFID für lokale Anwendungen zur Verbesserung von Lieferkette und Produktion besitzt für die befragten Unternehmen zwar auch eine hohe Priorität, ist aber durchschnittlich weniger wichtig als das Tracking&Tracing. Sie erwarten insb. Effizienzsteigerungen beim Wareneingang, beim Lagermanagement und in der Distri-bution. Zur Kennzeichnung von Warenlieferungen verwendet die Automobilindustrie standardisierte Warenanhänger aus Papier (z.B. GTL). Mitarbeiter am Wareneingang ordnen die eintreffenden Lieferungen dem zuvor per EDI empfangenen Lieferschein zu. Eine exakte Qualitäts- und Mengenkontrolle führen sie nur in seltenen Fällen durch. Die Folge ist, dass Fehler erst im Rahmen der Lagerbestandskontrolle bzw. beim Lagerabruf auffallen. Eine mittels RFID automatisierte Vollständigkeitskontrol-le, zumindest auf Behälter- oder Packstückebene, kann die Wareneingangsbuchung beschleunigen und Bestandsabweichungen im Lagermanagement vermeiden helfen.

In der Produktion, die heute bereits einen sehr hohen Automatisierungsgrad besitzt, sehen sechs Unternehmen Potenziale zur Verbesserung des Konfigurationsmanage-ments und bei der Durchführung von Qualitätskontrollen während des Zusammen-baus. Eine Verbesserung des Konfigurationsmanagements lässt sich durch eine auto-matisierte Dokumentation der Produktion erreichen. Insbesondere bei sicherheitsrele-vanten Teilen, wie z.B. Airbags und Prallschutzelementen, ist ein korrekter Einbau wichtig und die Dokumentation des Einbaus teilweise gesetzlich vorgeschrieben. Sind die entsprechenden Teile mit RFID-Chips gekennzeichnet, können an den Arbeitssta-tionen montierte Lesegeräte den Einbau automatisch erfassen. Zur Sicherstellung der

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96 3 Supply Chain Management in der Automobilindustrie

Rückverfolgbarkeit und für den Fall eines Rückrufs ist es hilfreich, wenn Informationen über Serien- bzw. Chargennummern der verbauten Teile fahrzeugbezogen vorliegen.

Acht der befragten Unternehmen erwägen den Einsatz von RFID-Systemen im Behäl-termanagement oder besitzen bereits operative Anwendungen in diesem Bereich. Die Automobilindustrie setzt verbreitet Mehrwegbehälter ein. Sowohl bei den teuren Spe-zialbehältern als auch bei den standardisierten Gitterboxen und den Kleinladungsträ-gern tritt ein Schwund von 5–8 % pro Jahr auf. Bei den hochwertigeren Behältern, etwa ab einem Preis von 100 Euro, entstehen einem Automobilwerk Kosten für die Ersatzinvestitionen für verschwundene Behälter in Höhe von mehreren Millionen Eu-ro. Als weiteren Grund für das Tracking der Transportbehälter mittels RFID nannten vier Unternehmen die Möglichkeit, auf diese Weise indirekt den Inhalt der Behälter verfolgen zu können.

Verschiedene Anwendungen von RFID sind auch im Bereich des Kundendienstes, z.B. in der Wartung oder beim Recycling, und bei Sicherheitsanwendungen, z.B. zur Fälschungssicherheit, denkbar. Einige Unternehmen sehen zwar in diesen Bereichen ein Verbesserungspotenzial, kein Unternehmen bezeichnete allerdings derartige Pro-jekte als wesentlichen Treiber der aktuellen RFID-Aktivitäten. In diesen Bereichen sind mögliche Anwendungsszenarien weniger bekannt und der zusätzliche Nutzen von RFID im Vergleich zu anderen Technologien oder organisatorischen Maßnahmen unklar. Beispielsweise stellen sich Hersteller die Frage, wie ein RFID-System die Fäl-schungssicherheit ihrer Produkte verbessern kann, während die Verwendung von Se-riennummern oder Hologrammen wegen leichter Nachahmbarkeit und mangelnder Kontrollmöglichkeiten bisher wenig erfolgreich waren.

Herausforderungen

Unternehmen der Automobilindustrie nennen verschiedene Gründe für die zögerliche Umsetzung von RFID-Anwendungen [vgl. Fleisch et al. 2004b, 19 ff.]. Für 75 % der befragten Unternehmen ist der fehlende Wirtschaftlichkeitsnachweis der wichtigste Hinderungsgrund. Dies trifft insb. für offene RFID-Systeme zu, bei denen Transpon-der nicht mehrfach verwendet werden. Für Anwendungen wie etwa die Erfassung von Warenanhängern oder traditionellen Produktkennzeichnungen liefert RFID keinen nennenswerten Vorteil gegenüber dem Barcode bzw. der Preis für RFID-Chips ist zu hoch. Solche Anwendungen rentieren sich allenfalls dann, wenn mehrere Partner der Wertschöpfungskette RFID verwenden. Für diesen Fall müssen sich die beteiligten Unternehmen auf Modelle zur Kostenverteilung entsprechend der realisierten Nutzen-effekte einigen, da die Kosten für die Kennzeichnung eines Produkts zunächst beim Hersteller anfallen. Nachgelagerte Partner in der Wertschöpfungskette benötigen hin-gegen nur Infrastrukturinvestitionen, um von RFID zu profitieren.

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3.4 Status des Einsatzes von IT-Systemen 97

Kooperative Prozesse wie das SCM lassen sich dann effizient mit IT gestalten, wenn es Standards zum Datenaustausch oder sogar eine gemeinsame Infrastruktur gibt. Dies trifft auch für den Einsatz der RFID-Technologie in offenen logistischen Systemen zu, wie z.B. bei der Teileverfolgung. Elf der zwölf befragten Unternehmen bewerten Standards als notwendige Voraussetzung oder zumindest förderlich für ihre RFID-Aktivitäten. Derzeit stehen regional unterschiedliche Frequenzbänder für die Nutzung von RFID zur Verfügung, wobei eine Vereinheitlichung unterwegs ist. Bezüglich der Datenhaltung ist zu klären, inwieweit es sinnvoll ist, Daten dezentral am Objekt zu speichern oder über eine gemeinsame Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.

Bei den befragten Unternehmen scheiterten RFID-Projekte in der Vergangenheit, weil entweder die RFID-Technologie generell oder das im konkreten Fall ausgewählte System den Anforderungen nicht gerecht wurde. Zum Beispiel gaben drei Unterneh-men an, dass sie Versuche zum Einsatz passiver RFID-Systeme für die automatische Erfassung von Großbehältern durchgeführt haben, die gemessene Fehlerrate aller-dings zu hoch für eine operative Umsetzung der Lösung war. In zwei weiteren Pilot-anwendungen erwiesen sich RFID-Systeme als unverlässig bei der Pulkerfassung von Einzelteilen. Die infrage kommenden Transponder waren entweder zu groß für die Kennzeichnung der Einzelteile oder erreichten nicht die gewünschte Erfassungs-reichweite. Jeweils acht Unternehmen gaben an, dass sie mit der erzielten Erfassungs-reichweite, insb. bei metallischem Umfeld, und mit dem Integrationsaufwand in die bestehende Systemlandschaft nicht zufrieden sind. Durch Erfahrung im Umgang mit der Technologie und Berücksichtigung von Standards können die Anwender derartige Probleme vermeiden.

Die Integration mit der bestehenden IT-Infrastruktur, welche die Anwender heute selbst leisten müssen, wollen Softwareanbieter zukünftig mittels Standardsoftware er-leichtern [vgl. Gillert 2004; SAP 2004]. Anfangs haben die für die Einführung von RFID Verantwortlichen die mögliche Beeinträchtigung der Privatsphäre von Mitar-beitern und Kunden vernachlässigt. Mittlerweile haben sich einschlägige Organisatio-nen, z.B. der Verein FoeBuD92, des Themas angenommen und weisen öffentlichkeits-wirksam auf die Gefahren der RFID-Technologie für den Datenschutz hin. Mitarbei-ter in den Unternehmen könnten befürchten, dass die Unternehmensleitung die mittels RFID-Systemen gewonnenen Daten zur Überwachung ihrer Arbeitsleistung verwen-den. Dies verlangt von den Verantwortlichen, dass diese alle Betroffenen in die Pla-nung von RFID-Anwendungen einbeziehen.

92 www.foebud.org

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98 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

RFID-Systeme unterstützen die Integration des physischen Materialflusses mit IT-Systemen und schaffen hiermit Voraussetzungen für effiziente sowie lückenlose Kon-trolle und Steuerung. Sie ermöglichen die Implementierung einer Geschäftslogik, die auf Entscheidungs- und Aktionsregeln basiert und so z.B. eine individuelle Bearbei-tung logistischer Einheiten ermöglicht (vgl. Abschnitt 2.3.3). Dieses Kapitel ent-wickelt ein Modell, das erklärt, in welchen Situationen RFID einen Nutzen bewirkt und wo die wirtschaftlichen und technologischen Grenzen des Einsatzes liegen. Das Erklärungsmodell setzt die in der Koordinationstheorie beschriebenen Auswirkungen erster zweiter und dritter Ordnung in Beziehung zu Faktoren, die den Einsatz von RFID beschränken, wie etwa Kosten oder Verbreitungsgrad der Technologie, und er-klärt hierdurch, welche Anwendungen wirtschaftlich sinnvoll sind.93 Um die Anwend-barkeit der Koordinationstheorie zu zeigen, begründet folgender Abschnitte, dass RFID eine Koordinationstechnologie ist, indem er den möglichen Beitrag der Techno-logie zur Unterstützung der Koordinationsinstrumente Integration, Automatisierung und Dezentralisierung zeigt (s. Abbildung 4-1). Im Anschluss an die Darstellung der Koordinationseffekte befasst sich der letzte Abschnitt aus Perspektive lokaler Anwen-dungen und aus SCM-Perspektive mit dem Mehrwert von RFID. Die subjektive Wert-einschätzung des RFID-Einsatzes beeinflusst die Ausbreitung und damit auch die Auswirkungen der Technologie. Ein möglicher Mehrwert misst sich an ihrem Beitrag zur Bewältigung der im vorangegangenen Abschnitt beschriebenen Herausforderun-gen im SCM der Automobilindustrie.

Effekte dritter OrdnungProzessreorganisation

Unterstützungder Koordination

durch RFID-Integration

-Automatisierung-Dezentralisierung

Effekte erster OrdnungSubstitution manueller

Koordination

Effekte zweiter OrdnungNetzwerkanwendungen

Bewertung der Anwendungen

-Lokale Anwendung-SCM-Anwendung

Effekte dritter OrdnungProzessreorganisation

Unterstützungder Koordination

durch RFID-Integration

-Automatisierung-Dezentralisierung

Effekte erster OrdnungSubstitution manueller

Koordination

Effekte zweiter OrdnungNetzwerkanwendungen

Bewertung der Anwendungen

-Lokale Anwendung-SCM-Anwendung

Abbildung 4-1: Auswirkungen von RFID und deren Bewertung

93 Das Modell erklärt die Ausprägung von Effekten erster zweiter oder dritter Ordnung situativ und nicht als

eine vorgegebene zeitliche Reihenfolge. Beispielsweise sind Effekte erster Ordnung keine Voraussetzung für Effekte dritter Ordnung.

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4.1 RFID als eine Koordinations- und Integrationstechnologie 99

4.1 RFID als eine Koordinations- und Integrationstechnologie

RFID-Systeme sind Komponenten einer übergeordneten SCM-Systemarchitektur. Diese integriert interorganisatorische SCM-Systeme mit lokalen SCM-Applikationen und Schnittstellen-Systemen (s. Abbildung 4-2). Zentrale SCM-Systeme führen Pla-nungs- und Kontrollaufgaben zur Koordination von Prozessen im Hinblick auf die Er-höhung der Performanz des gesamten Liefernetzwerkes aus. Sie steigern den Automa-tisierungsgrad verschiedener Aufgaben wie z.B. Ressourcenzuteilungen, Bedarfspla-nungen oder den Informationsaustausch. Zur Unterstützung lokaler Aufgaben wie et-wa Lagermanagement oder Produktion existieren dezentrale SCM-Applikationen, bspw. Lagermanagement- oder PPS-Systeme. Diese automatisieren Teilaufgaben wie z.B. die Lagerbestandsüberwachung oder die Maschinenbelegungsplanung.

unterstützenAutomatisierung

ZentraleSteuerung

DezentraleSteuerung

Applikationen(z.B. WMS, PPS)

SCM-Systeme

Lokale Prozesse(z.B. Lagermanagement,Produktionssteuerung)

Globale Prozesse(z.B. SCM, CRM)

Koordi-nation/Inte-

gration

Inte-gration

(EAI-Tech-nologien)

unterstützenAutomatisierung

Objekte und Zustände

Inte-gration

(z.B. RFID, Sensoren, Aktoren)

Koordi-nation

(Regeln)

Reale Welt

EAI: Enterprise Application Integration

unterstützenAutomatisierung

ZentraleSteuerung

DezentraleSteuerung

Applikationen(z.B. WMS, PPS)

SCM-Systeme

Lokale Prozesse(z.B. Lagermanagement,Produktionssteuerung)

Globale Prozesse(z.B. SCM, CRM)

Koordi-nation/Inte-

gration

Inte-gration

(EAI-Tech-nologien)

unterstützenAutomatisierung

unterstützenAutomatisierung

Objekte und Zustände

Inte-gration

(z.B. RFID, Sensoren, Aktoren)

Koordi-nation

(Regeln)

Reale Welt

EAI: Enterprise Application Integration Abbildung 4-2: Metamodell zur Koordination und Integration im SCM94

Zwischen globalen zentral gesteuerten Prozessen und lokalen dezentral gesteuerten Prozessen besteht wegen wechselseitiger Abhängigkeiten Koordinationsbedarf. Zum Beispiel ist eine übergeordnete Planung der Produktionsmengen in einem Wertschöp-fungsnetz nur mit Kenntnis der lokalen Lager- und Maschinenkapazitäten möglich. Gleichzeitig stellen die auf zentraler Ebene getroffenen Entscheidungen Vorgaben für dezentrale Systeme dar. Beispielsweise muss das Lagermanagementsystem ent-sprechend den Vorgaben der Produktionsplanung disponieren. EAI-(Enterprise-Appli-cation-Integration-)Technologien unterstützen die Koordination zwischen unter-schiedlichen Applikationen. Hingegen erfüllen Auto-ID-Systeme die Funktion einer 94 Dieses Modell ist an das in Abschnitt 2.3.1 beschriebene SCM-Aufgabenmodell angelehnt, berücksichtigt

neben Ebenen der planenden und ausführenden IT-Systeme aber auch die Ebene der realen Welt zur Gestal-tung der betrieblichen Informationsverarbeitung.

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100 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

Schnittstelle zur realen Welt, die aus einer Ansammlung von Objekten mit Zuständen besteht. Sie unterstützen die Koordination von Ressourcen, z.B. bei der Ausführung eines Dispositionsauftrags.

Zur Einordnung von RFID als Koordinationstechnologie ist zu zeigen, dass die Tech-nologie den Koordinationsaufwand verringert. Dies können RFID-Systeme auf drei Arten (vgl. Abschnitt 2.1.3): Erstens ermöglichen RFID-Systeme eine Steigerung der Integrationstiefe von betrieblichen Informationssystemen und der realen Welt. Den betrieblichen Informationssystemen stehen in der Folge mehr und genauere Informati-onen zur Verfügung, die sie bei unterschiedlichen Koordinationsentscheidungen un-terstützen. Zum Beispiel kann ein Flottenmanagementsystem die Auslastung der Flot-te umso besser steuern, je mehr Informationen über Standorte und Stati einzelner Fahrzeuge vorliegen. Zweitens lassen sich Vorgänge automatisieren, bspw. der Check-in eines LKWs, den ein Erfassungsgerät am Verladeterminal automatisch an-hand seiner Transponderkennung identifiziert, sodass die Auslösung von Folgevor-gängen, wie z.B. die Entladung des LKW, ohne Verzögerungen (automatisch) erfol-gen kann.95 Drittens ermöglichen Transponder die Verteilung entscheidungsrelevanter Informationen bis zu den physischen Objekten des Materialflusses und unterstützen hiermit die Dezentralisierung in der Entscheidungsfindung bzw. Selbstorganisation in logistischen Systemen. Die folgenden Abschnitte beschreiben, auf welche Weise RFID-Systeme die Koordinationsmechanismen Integration, Automatisierung und De-zentralisierung direkt bzw. indirekt unterstützen (s. Tabelle 4-1).

Koordinationsinstrument Koordinationseffekte im SCM Integration - Sinkender Kommunikationsaufwand

- Bessere Entscheidungsqualität - Bessere Planungsqualität - Substitution realer durch virtueller Aktivitäten

Automatisierung - Vermeidung manueller Aktivitäten - Vermeidung von Verzögerungen - Vermeidung von Fehlern und deren Folgekosten

Dezentralisierung - Entlastung zentraler Steuerungsinstanzen - Höhere Anpassungsflexibilität

Tabelle 4-1: RFID-gestützte Koordinationsinstrumente und deren Auswirkungen

95 Eine entsprechende RFID-Anwendung betreibt z.B. das schweizerische Handelsunternehmen Migros [Lampe

et al. 2005].

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4.1 RFID als eine Koordinations- und Integrationstechnologie 101

4.1.1 Informatorische Integration

Integration beseitigt Medienbrüche und erleichtert die Kommunikation zwischen Sys-temen. In den vergangenen Jahren haben Unternehmen ihre SCM-Systeme zuneh-mend entlang der Wertschöpfungskette (horizontal) und zwischen administrativen und dispositiven Systemen (vertikal) integriert. Eine weiter gefasste Betrachtung der verti-kalen Integration bezieht auch die materiellen Ressourcen als Integrationsgegenstand der betrieblichen Informationsverarbeitung mit ein. Demnach ist die Integrationstiefe von SCM-Systemen ein Gradmesser für die Integration mit der realen Welt.

Entwicklungstrend der Integration

Die Einführung von ERP-Systemen in der ersten Hälfte der 90er-Jahre bedeutete ei-nen Fortschritt auf dem Weg der Integration betrieblicher Informationssysteme. ERP-Systeme bilden Geschäftsprozesse sowohl innerhalb der Hauptfunktionsbereiche ei-nes Unternehmens (z.B. Buchhaltung, Logistik, Produktion) als auch über die Berei-che hinweg (z.B. Synchronisation der Fakturierung mit der Auftragsabwicklung) ab und automatisieren diese zumindest teilweise. Während die Integrationsreichweite dieser Systeme auf das Unternehmen begrenzt ist, unterstützen heutige E-Business-Applikationen und Web Services eine effiziente Kommunikation zwischen Unterneh-men und die Kollaboration [vgl. Scheer 1994; Alt et al. 2002]. Mobile Computer und smarte Dinge ermöglichen außerdem eine bessere Integration betrieblicher Ressour-cen im Sinne der Integrationstiefe (s. Abbildung 4-3). Die Integrationstiefe ergänzt die Potenziale der Integrationsreichweite. Zum Beispiel sind die gemeinsame Planung und Produktion in Liefernetzen nur auf Grundlage zuverlässiger Informationen effi-zient durchzuführen, wie z.B. die Bewirtschaftung eines Lagers beim Kunden durch den Hersteller („Vendor Managed Inventory“) [vgl. Werners/Thorn 2002].

Integrationsreichweite

Informations-technologienInsellösungen ERP-Systeme E-Business-Systeme

SmarteDinge

Mobile Computer

Client/Server

Mainframe

Inte

grat

ions

tiefe

Funktion Abteilung NetzwerkUnternehmen

A- Res

sour

cen

B-

Res

sour

cen

C-

Res

sour

cen

FlexibleFertigung

Teile-verfolgung

Lager-management

AssetManagement

Entwicklungsstand der betrieblichen Informationsverarbeitung

Entwicklungs-potenzial durch Inte-grationstiefe

Integrationsreichweite

Informations-technologienInsellösungen ERP-Systeme E-Business-Systeme

SmarteDinge

Mobile Computer

Client/Server

Mainframe

Inte

grat

ions

tiefe

Funktion Abteilung NetzwerkUnternehmen

A- Res

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cen

B-

Res

sour

cen

C-

Res

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cen

FlexibleFertigung

Teile-verfolgung

Lager-management

AssetManagement

Entwicklungsstand der betrieblichen Informationsverarbeitung

Entwicklungs-potenzial durch Inte-grationstiefe

Abbildung 4-3: Integration betrieblicher Informationssysteme [Fleisch 2001, 187]

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102 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

In einzelnen Funktionsbereichen wie etwa der Produktion ist die Integrationstiefe sehr ausgeprägt. Sensoren erfassen den Zustand von Produktionsanlagen und Werkstücken und leiten die Daten an das PPS-System weiter. Das folgende Fallbeispiel verdeutlicht den Stand der Integrationstiefe, den einige Fahrzeughersteller in der Produktion er-reicht haben, am Beispiel der Montage des Geländewagens „Cayenne“ bei Porsche.

Fallbeispiel: Integration realer Produktionsabläufe mit IT-Systemen bei Porsche

Der Automobilhersteller Porsche96 produziert im Werk Leipzig jährlich ca. 25.000 Ge-ländewagen des Typs Cayenne. In der Montagehalle durchläuft jedes zu fertigende Fahrzeug mehrere Fertigungsstationen. An jeder Fertigungsstation erfolgt zuerst die Identifikation des Fahrzeugs mittels RFID. Das Erfassungsgerät meldet die IDs an das PPS-System, dass dann den Status von Fertigungsaufträgen aktualisiert. Gleichzeitig sendet das System die für die Bearbeitung notwendigen Daten, z.B. Stücklisten und Ar-beitsschritte, an die Stationen. Die für die Monteure relevanten Informationen zeigt ein Terminal an. Dort quittieren die Arbeiter Arbeitsschritte oder erfassen Störungsmeldun-gen, falls z.B. ein Zulieferteil fehlt oder qualitativ minderwertig ist. Die mit Sensoren ausgerüsteten Fertigungsmaschinen protokollieren den Ablauf der Fertigung und schi-cken die Daten an das PPS-System. Hier stehen deshalb jederzeit aktuelle Informatio-nen zur Verfügung. Zum Beispiel ist bzgl. einzelner Schrauben abrufbar, ob diese ange-zogen sind. Die detaillierten Informationen verwendet Porsche zur schnellen Identifika-tion und Behebung von Störungen sowie zur Dokumentation der Produktkonfiguration.

In anderen Bereichen besteht noch Entwicklungspotenzial zur Steigerung der Integra-tionstiefe durch den Einsatz mobiler Computer bzw. smarter Dinge. Beispielsweise arbeiten Unternehmen häufig mit unzuverlässigen Lagerbestandsinformationen. Mit Ausnahme einiger vollautomatisierter Lager erfolgt die Lagerbestandsführung durch manuelle Ein- und Ausgangskontrollen. Dabei verwenden Mitarbeiter auch tragbare Computer zur Bestandsführung und Inventur [vgl. Kurbel et al. 2003]. Die im Rah-men von Inventuren aufgedeckten Bestandsdifferenzen deuten auf Ungenauigkeiten bei Ein- und Ausgangskontrollen hin. Der Integrationsgrad unternehmensweit einge-setzter mobiler Produktionsmittel, wie z.B. Behälter, Transportmittel und Werkzeuge, ist gering. Asset-Management-Systeme erfassen nur typenbezogene Bestandsdaten, nicht jedoch einzelne Gegenstände [vgl. Lampe/Strassner 2003]. Eine Ausnahme bil-den Transportfahrzeuge, die mittels GPS-Systemen mit Flottenmanagementsystemen integriert sind. Der Materialfluss ist ebenfalls nur in einem geringen Detaillierungs-grad in Informationssystemen abgebildet. T&T-Systeme verfolgen zwar einzelne Lie-ferungen, allerdings bestehen Mängel bei der Genauigkeit (z.B. Abbildung bis auf Einzelteileebene) und Aktualität (seltene oder vergessene Updates).

96 www.porsche.de

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4.1 RFID als eine Koordinations- und Integrationstechnologie 103

Beitrag von RFID-Systemen zur Integration

RFID ist eine Schlüsseltechnologie zur Integration der realen Welt mit betrieblichen Informationssystemen (vgl. Abschnitt 2.4.3). In Verbindung mit einer Auto-ID-Infra-struktur, die weitere Services zu den identifizierten Objekten bereitstellt, lassen sich Services wie der Abruf der Objekthistorie, Zustandsüberwachung oder die Ortsverfol-gung realisieren. Diese Services benötigen Daten bzgl. des Objekts und seines Kon-texts. Zum Beispiel benötigt ein T&T-System zur Statusaktualisierung mindestens die Objektkennung und die Ortsinformation des Erfassungsgeräts. Weitere evtl. benötigte Informationen, z.B. den Lieferschein, kann das T&T-System aus Datenbanken abru-fen. RFID-Systeme ermöglichen auch die Speicherung von Daten am Objekt. Dies ist z.B. dann sinnvoll, wenn eine durchgängige Infrastrukturabdeckung fehlt oder diese unzuverlässig ist [vgl. Das/Harrop 2001, 104 f.]. Beispielsweise kommt es bei der Warenannahme zu Verzögerungen, wenn Lieferscheininformationen, die vorab per EDI übermittelt sein sollten, nicht verfügbar sind (vgl. Abschnitt 3.4.1). Die Speiche-rung der Lieferscheindaten auf einem RFID-Chip kann zwar dieses Problem beheben, verursacht aber andere Probleme. Daten auf dem Chip können z.B. inkonsistent mit den Stammdaten im System sein, z.B. wegen Fehlern bei der initialen Speicherung der Daten oder während der Transportabwicklung vergessener Aktualisierungen. Au-ßerdem sind auf dem Chip gespeicherte Daten nur mittels aufwendiger kryptographi-scher Verfahren gegen unerlaubten Zugriff zu schützen.

Bei ausschließlicher Betrachtung der Identifikationsfunktion von RFID-Systemen las-sen sich vier unterschiedliche Gestaltungsdimensionen bestimmen, die den Integrati-onsgrad bzw. die erreichbare Informationsgranularität bzgl. des Liefernetzwerkes be-stimmen (s. Abbildung 4-4):

• Ebene des Materialflusses. Transponder können auf verschiedenen Ebenen des Materialflusses zum Einsatz kommen. Eine höhere Transportschicht aggregiert jeweils mehrere Objekte des Materialflusses der unteren Schicht. In der Auto-mobilindustrie lassen sich z.B. die Transportschichten Ladungsträger (Ebene 3), Packstück (Ebene 2) und Einzelteil (Ebene 1) unterscheiden. Der Einsatz von RFID auf Einzelteilebene ermöglicht den höchsten Integrationsgrad.

• Einbezogene Objektarten. Der Mehrwert eines Systems zur Verfolgung von Gütern ist von deren Kritizität für den Wertschöpfungsprozess abhängig. Die Bewertungskriterien sind abwendungsabhängig und können z.B. der Aufwand für die manuelle Datenerfassung, Fehlerfolgekosten oder die Nützlichkeit der Daten für Services sein [vgl. Lampe et al. 2005]. Basierend auf diesen Krite-rien lässt sich entsprechend einer ABC-Analyse eine Priorisierung der Objekt-arten des Materialflusses vornehmen.

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104 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

• Infrastrukturabdeckung. Die Häufigkeit der Aktualisierung bestimmt die Ge-nauigkeit der Statusangaben in Informationssystemen. Für viele Anwendungen wie bspw. die Auftragsverfolgung ist eine Aktualisierung an bestimmten Kon-trollpunkten, z.B. bei Waren- (und Gefahren-) Übergängen, ausreichend. Eine ständige Überwachung erfordern hingegen smarte Lagersysteme (smart shel-ves) [vgl. Fleisch et al. 2002a].

• Zuverlässigkeit der Erfassung. SCM-Applikationen stellen unterschiedliche Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Informationsversorgung. Eine nahe-zu 100 %ige97 Zuverlässigkeit ist z.B. bei der Versandkontrolle notwendig, insb. wenn diese mit einer Abrechnungsfunktion verknüpft ist. Hingegen ver-wenden einige Applikationen Zusatzinformationen, um zumindest die Wahr-scheinlichkeit der Richtigkeit von Daten einzuschätzen. Ist z.B. die Zusam-mensetzung einer Lieferung zum Zeitpunkt des Versands bekannt, kann ein T&T-System die Vollständigkeit der Lieferung vermuten, selbst wenn an spä-teren Kontrollpunkten der Lieferkette durchgeführte Pulkerfassungen einzelne Bestandteile der Lieferung nicht erfassen [vgl. Brusey et al. 2003].

Einbezogene Objektarten

ZuverlässigkeitEbene desMaterialflusses

Infrastrukturabdeckung

vollständig

Kontrollpunkte

Insel

99,9%Ladungs-träger

Pack-stück

Produkt

A-Ressourcen

B-Ressourcen

C-Ressourcen

Einbezogene Objektarten

ZuverlässigkeitEbene desMaterialflusses

Infrastrukturabdeckung

vollständig

Kontrollpunkte

Insel

99,9%Ladungs-träger

Pack-stück

Produkt

A-Ressourcen

B-Ressourcen

C-Ressourcen

Abbildung 4-4: Integrationsleistung von RFID-Systemen [vgl. Fleisch 2005]

97 Dem liegt die Annahme zugrunde, dass eine 100 %ige Zuverlässigkeit in der Praxis nicht erreichbar ist.

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4.1 RFID als eine Koordinations- und Integrationstechnologie 105

Eine weitere mögliche Gestaltungsdimension ist die Reichhaltigkeit der Daten (in-formation richness [Evans/Wurster 1997, 73 f.]), die durch die Erfassung zusätzlicher Attribute, wie z.B. Objekteigenschaften, oder Kontextdaten entsteht. Falls sich der Einsatz des RFID-Systems auf die Identifikationsfunktion beschränkt, ist die Daten-reichhaltigkeit ein indirekter Effekt, der erst durch Verknüpfung der Objektidentifi-kation mit Daten aus der Infrastruktur entsteht. Hingegen haben die hier nicht berück-sichtigten Sensorsysteme direkte Auswirkungen auf die Datenreichhaltigkeit.

Auflösung von Koordinationsproblemen durch Integration

Informationen über Systemzustände, z.B. zur Identifikation von Koordinationsproble-men und Abschätzung von Folgen möglicher Koordinationsmaßnahmen sind die Vor-aussetzung für die Auflösung von Koordinationsproblemen. RFID-Systeme ermög-lichen die Bereitstellung von aktuellen und vollständigen Informationen über das Lie-fernetzwerk. Bei vollkommener Integration des zur Beschreibung des Liefernetzwer-kes relevanten Ausschnitts der Realität kann eine Abstraktion von der Datenbereitstel-lung erfolgen, da in diesem Fall das Informationssystem direkten Zugriff auf Zustände der realen Welt besitzt.98 In dem oben beschriebenen Fallbeispiel trägt die Fahrzeug-karosserie einen Transponder, den ein Erfassungssystem bei der Ankunft in der Pro-duktionshalle erfasst. Folglich sind Karossen im Moment ihrer Ankunft auch im PPS-System präsent. Die verfügbare Information über die reale Welt in betrieblichen Infor-mationssystemen unterstützt Koordinationsmaßnahmen auf verschiedene Arten:

• Sinkender Kommunikationsaufwand. Integrierte Systeme vermeiden Schnitt-stellen sowie Medienbrüche und senken deshalb die Kosten der Kommunika-tion [vgl. Fleisch 2000, 131 ff.].

• Bessere Qualität der Planung. Das SCM setzt Planungsverfahren in verschie-denen Bereichen zur vorausschauenden Vermeidung von Koordinationsproble-men ein, z.B. im operativen Bereich zur Bedarfs-, Absatz- oder Maschinenbe-legungsplanung, im strategischen Bereich zur Prozess- und Erfolgsplanung. Die Ergebnisgüte typischer Planungsverfahren wie bspw. Simulationen oder Trendextrapolationen hängt von der Anzahl und Qualität der zur Verfügung stehenden Daten ab.

• Bessere Qualität von Entscheidungen. Häufig erfordern auftretende Koordi-nationsprobleme eine umgehende Behandlung, z.B. Maschinenbelegungskon-flikte, kritische Lagerbestände oder festgestellte Qualitätsmängel. In diesem Fall unterstützen relevante Informationen, wie z.B. die Ursache von Qualitäts-

98 Dies beschreibt die Vision des Echtzeitmanagements mit der Vermeidung von „Datenstapeln“

[Fleisch/Österle 2004, 11].

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106 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

mängeln, die Entscheidungsfindung.99 Die Verfügbarkeit aller notwendigen In-formationen ermöglicht die Übertragung der Entscheidungsfindung von menschlichen auf maschinelle Entscheidungsträger (Automatisierung).

• Substitution realer durch virtuelle Aktionen. Die Verwendung des Abbilds rea-ler Objekte in Informationssystemen anstatt der Originale zur Durchführung von Aktionen vermeidet Aufwand. Zum Beispiel ist es einfacher, den Standort eines Containers im System abzurufen, als ihn auf einem Werksgelände zu su-chen. Die Verwendung virtueller Lieferscheine vermeidet den Aufwand des Ausdruckens, Anbringens und Einlesens.

4.1.2 Steigerung des Automatisierungsgrades

Integrationsreichweite und die Integrationstiefe von SCM-Systemen schaffen die Vo-raussetzungen für eine Steigerung des Automatisierungsgrades von Prozessen des SCMs. Die Literatur definiert Prozessautomatisierung als Anteil der Maschinenunter-stützung von Prozessen und unterscheidet zwischen Voll- und Teilautomatisierung [Mertens 2001, 4].

• Vollautomatisierung bedeutet, dass kein menschlicher Aufgabenträger an der Prozessausführung beteiligt ist, z.B. Tätigkeiten von Fertigungsautomaten.

• Bei der Teilautomatisierung sind einige Prozessschritte vollautomatisiert, wäh-rend andere Schritte manuelle Bearbeitung erfordern, z.B. die computerge-stützte Auftragsbearbeitung.

Fortschritte in der automatisierten Fertigung sind auf den Einsatz von Informations-technologien zurückzuführen (s. Abschnitt 2.3.3). Die früher häufig geäußerte These, der Einsatz von IT-Systemen würde lediglich bestehende Strukturen durch Rationali-sierung effizienter, aber gleichzeitig starrer machen, verkennt das Potenzial von Infor-mationstechnologien, bestimmte organisatorische Lösungen überhaupt erst zu ermög-lichen [vgl. Frese/von Werder 1989, 12]. Beispielsweise ermöglichte der Einsatz von IT in der Fahrzeugproduktion die kundenindividuelle Massenfertigung. Andererseits ist die Auswahl eines für den Anwendungszweck passenden Automatisierungsgrades entscheidend für deren Nützlichkeit. Zum Beispiel rentiert sich der Einsatz eines voll-automatisierten Lagersystems erst bei einem hohen Auslastungsgrad. Bei niedriger Auslastung kann eine Teilautomatisierung, z.B. unter Verwendung von RFID, sinn-voll sein. Die Prozessgestaltung stellt eine Grenze des Anwendungsgebiets der Auto-matisierung dar. Automatisierung betrifft vor allem die operative Umsetzung der in der Prozessplanung festgelegten Abfolge von Arbeitsschritten. Betriebliche Informa- 99 Die Informationsökonomie behandelt den Wert von Information zur Unterstützung von Entscheidungen aus-

führlich.

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4.1 RFID als eine Koordinations- und Integrationstechnologie 107

tionssysteme können hier mit vordefinierten Regeln eine begrenzte Flexibilität ermög-lichen [Burr 1998, 320 f.]. Beispielsweise automatisieren Workflow-Automation-Sys-teme auf Grundlage von Geschäftsprozessdefinitionen (z.B. in BPML) den dyna-mischen Einsatz von verfügbaren IT-Applikationen zu deren Unterstützung [vgl. Kirchmer/Scheer 2004, 8 ff.]. Um Möglichkeiten und Grenzen der Automatisierung von Prozessen im Hinblick auf die Flexibilität darzustellen, eignet sich die Verwen-dung von Regelkreisen als Gestaltungselement der Prozessmodellierung.

Flexible Automatisierung durch Regelkreissteuerung

Verschiedene Autoren schlagen die Verwendung der Regelkreissteuerung im SCM vor, z.B. zur Qualitätsregelung in operativen Prozessen [vgl. Held et al. 1990; Götte 1996], zum Controlling [vgl. Zäpfel/Piekarz 1996] oder zur Umsetzung des Pull-Prin-zips in der Fertigung [vgl. Wildemann 1997, 146 f.] (s. Abschnitt 2.2.3). In diesen Konzepten umschließt je ein Führungsregelkreis einen oder mehrere Prozessschritte. Die Flexibilität der Regelkreissteuerung entsteht durch die frei definierbaren Regeln. Beispielsweise kann ein Regelkreis den Lagerbestand so steuern, dass bei Unter-schreitung eines Mindestbestandes automatisch eine Nachbestellung erfolgt. Jeder Aktivität lassen sich mehrere Regeln der Form „Wenn Prozesszustand X eintritt (Messung), dann führe die Aktion Y aus (Steuerung)“ zuordnen.

Aktivität

Regeln

Messung Steuerung

Input Output

: Informationsfluss

: Materialfluss

Aktivität

Regeln

Messung Steuerung

Input Output

: Informationsfluss

: Materialfluss

: Informationsfluss

: Materialfluss

Abbildung 4-5: Die geregelte Aktivität als Gestaltungselement von Prozessen

Eine durchgängige Automatisierung lässt sich erreichen, wenn die Regelkreise erstens „geschlossen“, d.h. sowohl Messung und Steuerung automatisch mittels Sensoren (bzw. RFID-Systemen) und Aktoren erfolgen, und zweitens untereinander vernetzt bzw. integriert sind (s. Abbildung 4-6). Bei horizontal vernetzten Regelkreisen ist das Ergebnis einer Aktivität gleichzeitig der Input für eine Folgeaktivität. Zum Beispiel ist die Bereitstellung eines passenden Ladungsträgers die Voraussetzung für den Transport von Lieferungen. Die Auswahl der durch ein Regelkreissystem zu regeln-den Aktivitäten legt die Prozessgestaltung fest. Bei einer vollständigen Automatisie-rung, ist jede Aktivität, die ein messbares Ergebnis erzeugt, geregelt. Auf diese Weise ist eine Sicherstellung der Qualität des Ergebnisses bzgl. der durch das Messsystem überprüften Eigenschaften möglich. RFID-Systeme stellen hierfür Identifikations- und Ortsinformationen bzgl. der Objekte des Materialflusses automatisch zur Verfügung und tragen hiermit zur Schließung von Regelkreisen bei. Vertikal vernetzte Regelkrei-

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108 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

se befinden sich auf unterschiedlichen Stufen der Entscheidungshierarchie (zentral, dezentral). Die Aufgabe der übergeordneten Regelkreise ist die Kontrolle und Steue-rung der untergeordneten Regelkreissysteme. Sie analysieren die Funktionsweise und Leistungsfähigkeit der untergeordneten Systeme und können Konflikte zwischen ver-schiedenen Regelkreissystemen auslösen und deren Regeln anpassen. Falls bspw. feh-lende Lieferteile häufig die Einhaltung der Produktionsplanung verhindern, kann ein übergeordnetes Regelkreissystem die Bestellmengen anpassen.

: Informationsfluss

: Materialfluss

Steuerung

Aktivität 1

Messung

Input Output InputAktivität 2

Messung

Aktivität 3

Messung

Output

Steuerung

Output Input

Steuerung

Regelkreissystem 1 Regelkreissystem 2 Regelkreissystem 3

Regeln A

Regeln 2Regeln 1 Regeln 3

: Informationsfluss

: Materialfluss

: Informationsfluss

: Materialfluss

Steuerung

Aktivität 1

Messung

Input Output InputAktivität 2

Messung

Aktivität 3

Messung

Output

Steuerung

Output Input

Steuerung

Regelkreissystem 1 Regelkreissystem 2 Regelkreissystem 3

Regeln A

Regeln 2Regeln 1 Regeln 3

Abbildung 4-6: Horizontal und vertikal vernetzte Regelkreise

Auflösung von Koordinationsproblemen durch Automatisierung

Während Integration Voraussetzungen für mögliche Nutzeneffekte im SCM schafft, bewirkt Automatisierung eine direkt messbarere Steigerung der Prozesseffizienz. Demgegenüber stehen die Kosten für die Einrichtung der Regelkreise. Kosten verur-sachen z.B. die menschlichen und maschinellen Aufgabenträger, welche die Über-wachung und Steuerung durchführen. Außerdem verlangen Regelkreissysteme eine gründliche Vorausplanung zur Aufstellung angemessener Regeln [vgl. Burr 1998, 312 ff.]. Sonst steigt die Wahrscheinlichkeit, dass unvorhergesehene Situationen zu einer Störung führen, die menschliches Eingreifen bzw. Nachbearbeitungsaufwand er-fordert. Die Grenzen der Automatisierung mit Regelkreisen liegen demnach in der Beschreibbarkeit von Prozessen durch Regeln. Eine Maschine erreicht deshalb nicht die Flexibilität von Menschen [Aggarwal 1995, 21]. Bei hierarchischen Regelkreisbe-ziehungen nimmt die Komplexität des Regelsystems zu, sodass die Gefahr unvollstän-diger Regelsysteme besteht. Als Konsequenz können Situationen eintreten, für die keine adäquate Regel definiert ist. Zum Beispiel wenn durch Verzögerungen in der Kommunikation eine Nachricht über die Änderung der Auftragsbearbeitungsprioritä-

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4.1 RFID als eine Koordinations- und Integrationstechnologie 109

ten bei dezentralen Regelkreissystemen zu unterschiedlichen Zeiten ankommt. Dies bedeutet, dass der Aufwand zur Gestaltung automatisierter Systeme steigt, während der Koordinationsaufwand in der Ausführung automatisierter Prozesse sinkt:

• Vermeidung von Verzögerungen. Automatisierung löst Koordinationsprobleme durch vordefinierte Regeln und vermeidet dadurch Verzögerungen. Die einge-sparte Zeit reduziert den Koordinationsaufwand.

• Vermeidung manueller Entscheidungen. Bei geschlossenen Regelkreisen ist kein menschliches Eingreifen zur Auflösung von Koordinationsproblemen not-wendig. RFID-Systeme tragen zur Schließung von Regelkreisen bei.

• Vermeidung von Folgeproblemen. Durch die Überprüfung aller Prozessergeb-nisse leiten regelkreisgesteuerte Prozessketten keine fehlerhaften Ergebnisse weiter, die an späterer Stelle zu Folgeproblemen führen können.

• Eliminierung von Prozessschritten. Prozesse werden dadurch effizienter, dass Prozessschritte, wie z.B. das Suchen nach der Lösung eines Koordinationspro-blems oder zusätzliche Qualitätskontrollen, entfallen können. Die Kosten sin-ken durch die reduzierte Komplexität [vgl. Vanberg 1994, 112].

4.1.3 Dezentralisierung von Entscheidungen

Aufgaben des SCM lassen sich den hierarchischen Ebenen „strategisch“ und „oper-ativ“ zuordnen (s. Abschnitt 2.3.1). Auf diesen Ebenen existieren weitere Hierarchie-stufen, z.B. auf der operativen Ebene Produktionsleiter, -meister und –monteur. Eine erweiterte Betrachtung schließt auch Gegenstände, wie z.B. Werkzeuge oder Güter, in diese Hierarchie ein. Die Dezentralisierung von Entscheidungen wird durch eine Ü-bertragung von Entscheidungskompetenz auf dezentrale Aufgabenträger möglich, was die Fähigkeit und Legitimation zur Entscheidungsdurchführung voraussetzt („Em-powerment“) [Champy 1995, 131]. Dezentralisierung ermöglicht eine Organisations-struktur, die ohne ausgeprägte vertikale Integration auskommt. Statt Tätigkeiten de-tailliert zentral festzulegen und deren Ausführung schrittweise zu überwachen, räumt Dezentralisierung operativen Organisationseinheiten Freiräume bei der Gestaltung ihrer Aktivitäten ein.100 In der Automobilfertigung führte z.B. die Einführung von Teamarbeit und die Übertragung von Ergebnisverantwortung an die „autonomen“ Teams zu einem höheren Dezentralisierungsgrad („koordinierte Autonomie“) [Scherer 1996, 112 ff.]. Die Kanban-Fertigung setzt z.B. das Prinzip der Dezentra-lisierung um, indem eine übergeordnete Steuerungsinstanz lediglich der letzen Ar-beitsstation die Menge des Outputs vorschreibt und die vorderen Arbeitsstationen je-

100 [Sjurts 1998] stellt in diesem Zusammenhang die Frage „Kontrolle ist gut, ist Vertrauen besser?“

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110 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

weils ihre Bedarfe (Steuerungsinformation) den Vorproduzenten mitteilen (s. Abbildung 4-7).

Station 1 Station 2 Station 3

SteuerungMaterialfluss

Informationsfluss

Steuerungsfluss

Station 1 Station 2 Station 3

SteuerungMaterialfluss

Informationsfluss

Steuerungsfluss

Materialfluss

Informationsfluss

Steuerungsfluss

Abbildung 4-7: Dezentrale Steuerung beim Kanban-Verfahren

Viele Unternehmen verwenden ein Konzept, das zwar dezentrale Entscheidungen weitgehend zulässt, aber nur in Verbindung mit zentraler Kontrolle. In diesem Fall ist die vertikale Integration eine Voraussetzung der Dezentralisierung, da ohne Kontroll-möglichkeit auch keine Kompetenzübertragung erfolgt. Zur Beurteilung der Auswir-kungen von RFID-Systemen auf die Dezentralisierung ist ihr Einfluss auf die Fähig-keit dezentraler Organisationseinheiten zur Selbstorganisation bzw. Selbststeuerung relevant.

Selbstorganisation und Selbststeuerung

Komplexe Systeme, wie Materialfluss- oder Produktionssysteme, sind nur bis zu ei-nem gewissen Grad zentral steuerbar und auf flexible sich selbst organisierende Ein-heiten angewiesen. Sie brauchen diese, um auf nicht vorhersehbare externe Einflüsse (Dynamik), z.B. Störungen, reagieren zu können [vgl. zu Knyphausen 1991]. Der Ein-satz selbstständig steuernder Einheiten reduziert aus Sicht des Managements die Komplexität eines Systems, stellt aber gleichzeitig Anforderungen an die Entschei-dungskompetenz dieser Einheiten. Eine Voraussetzung zur Erlangung von Ent-scheidungskompetenz ist die Versorgung mit entscheidungsrelevanten Informationen. Diese Wechselwirkung von Informationstechnologie und Organisationsgestaltung betrachten z.B. [Fiedler et al. 1996] und stellen einen Zusammenhang zwischen de-zentraler Organisation von IT-Systemen und Entscheidungsstrukturen fest. [Eymann et al. 2003] übertragen das Prinzip der sich selbst auf Grundlage von Preismechanis-men und Signalisierung der subjektiven Wertschätzung von Gütern steuernden Marktwirtschaft („Katallaxie“ nach [Hayek 1945]) auf dezentrale IT-Systeme des U-biquitous Computing. Sie statten Software-Agenten mit Regeln sowie Kontexterken-nung aus und zeigen, dass diese so in der Lage sind, auf Märkten selbstständig Preise auszuhandeln.

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4.2 Erster Effekt: Substitution manueller Koordination 111

Auflösung von Koordinationsproblemen durch Dezentralisierung

Die Ressourcenkoordination im SCM lässt sich als ein Verhandeln verschiedener Ak-teure verstehen, z.B. über die Auftragsbearbeitungsreihenfolge, die Reihenfolge der Entladung oder den Ort der Einlagerung. RFID-Systeme unterstützen die dezentralen Akteure bei der Erfassung des Entscheidungskontextes, indem sie ihnen die mit den Objekten der Umgebung verknüpften ggf. in der Infrastruktur gespeicherten Daten zur Verfügung stellen. Da die Kontexterfassung automatisiert erfolgt, können die unter-stützten Einheiten auch Maschinen sein. In dem Fallbeispiel von Porsche erfolgt die Koordination zwischen der auf einem Waggon eintreffenden Karosserie und dem mit sich selbst in Abhängigkeit von den Positionen von Waggon und Karosserie steuern-den Kran. Gleichzeitig dokumentiert das PPS-System jeden Schritt und stellt ihn für eine zentrale Überwachung zur Verfügung.

Dezentralisierung setzt voraus, dass die für Entscheidungen notwendigen Kompeten-zen beim Entscheidungsträger vorhanden sind. Die Grenzen liegen dort, wo die Be-reitstellung der Kompetenzen einen den zusätzlichen Nutzen der Dezentralisierung übersteigenden Aufwand verursacht. Beispielsweise müssen entsprechende Behand-lungsroutinen (Regeln) für auftretende Aufgaben beim dezentralen Entscheidungsträ-ger vorhanden sein. Bei vollständiger Information und der Möglichkeit ein vollstän-diges Modell der Wirklichkeit im IT-System abzulegen, ist die zentrale Koordination der dezentralen überlegen [vgl. Malone/Crowston 1994]. In einem dynamischen Um-feld sind allerdings Systeme besser geeignet, die sich flexibel an einen neuen Kontext anpassen können. Gründe für dezentrale Koordination sind:

• Entlastung zentraler Steuerungsinstanzen. Durch eine Verlagerung von zentra-len Entscheidungen, bei denen häufig mehrere Hierarchiestufen involviert sind, zu dezentralen Entscheidungen sinken die Kosten der Koordination.

• Anpassungsflexibilität. Dezentrale Entscheidungsträger sind geeignet, Verän-derungen in ihrer unmittelbaren Umgebung schnell zu erkennen und situativ zu entscheiden. Ebenso besitzen dezentrale, lose gekoppelte Einheiten größere örtliche Flexibilität und sind so bei Bedarf an verschiedenen Orten einsetzbar.

4.2 Erster Effekt: Substitution manueller Koordination

Der Effekt erster Ordnung der Koordinationstheorie beschreibt eine Substitution her-kömmlicher Koordinationsmechanismen durch den Einsatz einer neuen Technologie (vgl. Abschnitt 2.1.3). Die folgenden Abschnitte identifizieren mögliche Nutzeneffek-te für die Effizienz und Qualität dieser Prozesse, die den derzeitigen Plänen der Auto-mobilindustrie zum Einsatz von RFID entsprechen. Dabei benennt der Text die Aus-wirkungen von Automatisierung und Integration auf die in Abschnitt 3.3 beschriebe-

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112 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

nen kritischen Prozesse Teileversorgung, Behältermanagement und Konfigurations-management. Abschließend erfolgen eine kritische Beurteilung der Potenziale und das Aufzeigen von Grenzen.

4.2.1 Prozesseffizienz

Alle101 in der Studie [Fleisch et al. 2004a] befragten Unternehmen sehen die Stei-gerung der Prozesseffizienz als wichtigstes Ziel beim Einsatz von RFID-Systemen. Durch Automatisierung können Unternehmen manuellen Arbeitsaufwand verringern, wobei das Einsparungspotenzial durch Einführung einer neuen Technologie mit zu-nehmendem Automatisierungsgrad sinkt. Wenn z.B. ein Unternehmen bereits Bar-code-Systeme oder automatische Lagersysteme in der Logistik einsetzt, wie z.B. die meisten größeren Industrie- und Handelsunternehmen in Europa, kann RFID nur eine geringe Verbesserung der Prozesseffizienz bewirken. Diese entsteht bspw. durch die mögliche Pulkerfassung und die Vermeidung mehrfacher Etikettierungen. Deshalb rentiert sich die Investition in RFID-Systeme für Unternehmen, die ausschließlich die Steigerung der Prozesseffizienz betrachten, in vielen Fällen nicht.

Integrationstiefe unterstützt die Effektivität der automatisierten Datenerfassung. So sind z.B. ungeführte Prozesse wie das Behältermanagement wegen mangelnder bzw. mit hohem Kommunikationsaufwand verbundener Integrierbarkeit durch traditionelle Automatisierungstechnologien bisher wenig unterstützt. Integrationseffekte entstehen durch die Verbindung von RFID-Systemen mit Applikationen bzw. SCM-Systemen. Sie führen zu Effizienzsteigerungen bei den Prozessen, die diese Anwendungssysteme unterstützen. Dabei hängen die erzielbaren Effekte von der Leistungsfähigkeit der vorhandenen Applikationen ab. Die heutigen SCM-Systeme der Automobilindustrie enthalten bereits leistungsfähige Planungs- und Steuerungsfunktionen, deren Anwen-dung jedoch wegen unzureichender Informationsversorgung eingeschränkt ist. Bei-spielsweise setzt eine Verfügbarkeitszusage gegenüber dem Kunden (Available to Promise, kurz: ATP) verlässliche Lagerbestandsinformationen voraus. RFID-Systeme substituieren vorhandene Datenerfassungstechnologien und verbessern damit die In-formationsversorgung. Nachfolgende Abschnitte identifizieren lokale Automatisie-rungs- (Steigerung der Prozesseffizienz) sowie weitere Integrationseffekte (Steige-rung der Prozessqualität), die durch eine Anbindung an übergeordnete Anwendungs-systeme bzgl. der Prozesse Teileversorgung, Behältermanagement und Konfigu-rationsmanagement entstehen.

101 12 Unternehmen aus der Automobilindustrie

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4.2 Erster Effekt: Substitution manueller Koordination 113

Teileversorgung

In der Teileversorgung beschleunigt der Einsatz von RFID-Systemen verschiedene Aktivitäten, wie z.B. Wareneingangskontrollen, Inventuren und Etikettierungen, durch automatische Datenerfassung (Identifikation, Lokalisierung, Abruf produktbe-zogener Daten). Bei einigen Aktivitäten, wie z.B. der Ein- und Auslagerung oder der Kommissionierung, ist in Verbindung mit entsprechenden Förderautomaten eine Vollautomatisierung möglich. Inventuren können sogar ganz entfallen, wenn die Ein- und Ausgangsbuchungen zuverlässig erfolgen (s. Tabelle 4-2).

Aufgabe Lokale Automatisierungseffekte Warenein- und -ausgang - Automatische Datenerfassung und Warenbuchung Ein- und Auslagerung - Vermeidung von Verzögerungen beim Auffinden des

Lagerplatzes - Vollautomatisierung möglich

Zuordnung Teile zu Packmittel - Vermeidung von Verzögerungen beim Beladen - Vollautomatisierung möglich

Inventur - Vermeidung von Verzögerungen durch Pulkerfassung - Prozessschritt kann entfallen

Kommissionierung - Vermeidung von Verzögerungen bei der Sortierung - Vollautomatisierung möglich

Kontrolle der Sendungszu-sammenstellung

- Automatische Qualitätskontrolle - Prozessschritt kann entfallen

Etikettierung - Einmalig bei der Herstellung, dann automatisch (digital)- Prozessschritt kann entfallen

Zollabwicklung - Vermeidung von Verzögerungen bei der Zollkontrolle

Tabelle 4-2: Automatisierungseffekte in der Teileversorgung

Konfigurationsmanagement

Im Konfigurationsmanagement ersetzen RFID-Systeme manuellen Aufwand bei der Dokumentation und der Qualitätskontrolle. Die nachträgliche Konfigurationskontrolle kann entfallen, wenn die Qualitätskontrolle in die Dokumentation integriert ist, d.h. während der Montage erfolgt (s. Tabelle 4-3).

Aufgabe Lokale Automatisierungseffekte Dokumentation des Einbaus - Automatische Datenerfassung Konfigurationskontrolle - Automatische Qualitätskontrolle

- Prozessschritt kann entfallen

Tabelle 4-3: Automatisierungseffekte im Konfigurationsmanagement

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114 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

Management von Produktionsmitteln

RFID-Systeme erleichtern die Überwachung von Produktionsmitteln durch automati-sierte Verfolgung. Weil deshalb die Position von Produktionsmitteln stets bekannt ist, entfällt jeglicher Suchaufwand (s. Tabelle 4-4).

Aufgabe Lokale Automatisierungseffekte Behälterein- und -ausgang - Automatische Datenerfassung und Buchung Suche von Produktionsmitteln - Vermeidung von Verzögerungen beim Auffinden Wartungsmanagement - Vermeidung von Verzögerungen bei der Identifikation

von Wartungsbedarf

Tabelle 4-4: Automatisierungseffekte im Management von Produktionsmitteln

4.2.2 Prozessqualität

Prozessmanagement verfolgt neben der Steigerung der Prozesseffizienz im Sinne ei-ner effizienten Ressourcenverwendung ebenso die Steigerung der Prozessqualität, d.h. die Sicherstellung der Produkt- und Servicequalität102. Die Qualität des Ergebnisses ist von der Prozessplanung und -ausführung abhängig. Das operative Prozessmanage-ment beinhaltet Maßnahmen zur Vermeidung und Behandlung von Fehlern, die als Abweichungen von der Prozessplanung definiert sind. Trifft bspw. eine Lieferung mit Teilen später als zum geplanten Zeitpunkt ein, stört dies möglicherweise den Wert-schöpfungsprozess (Fehlerfolgewirkung). Zum Beispiel können die fehlenden Teile eine Produktionsunterbrechung erfordern. Mögliche Maßnahmen zur Vermeidung oder Reduzierung derartiger Folgewirkungen sind das Vorhalten von Sicherheits-beständen oder die Veranlassung von Expressbestellungen. Dadurch entstehen Kos-ten. Das Prozessmanagement berücksichtigt bei der Planung und Durchsetzung von Maßnahmen zur Fehlervermeidung auch diese indirekten Auswirkungen, die sog. Fehlerfolgekosten.

Umfangreiche Maßnahmen des Fehler- bzw. Entstörungsmanagements sind insb. in der Produktion implementiert (s. Abschnitt 2.3.2). In diesem Bereich sind Prozesse und Soll-Ergebnisse genau spezifiziert, Abweichungen messbar und Verantwortlich-keiten festgelegt. Zunehmend besteht die Tendenz zur Fehlerprävention, anstatt reak-tiver Qualitätssicherung [vgl. Wildemann 2001b, 5]. Verschiedene Strategien zur Ver-meidung von Fehler und deren Folgekosten lassen sich unterscheiden:

102 Dementsprechend definieren [Elzinga et al. 1995] Business Process Management (BPM) als „systematic,

structured approach to analyse, improve, control, and manage processes with the aim of improving the quali- ty of products and services“.

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4.2 Erster Effekt: Substitution manueller Koordination 115

• Vermeidung von Fehlern durch automatisierte Qualitätskontrollen im Prozess (an der Quelle)

• Verringerung von Fehlerfolgekosten durch verkürzte Reaktionszeiten

• Identifikation und Behebung von Fehlerquellen durch verbesserte Prozesspla-nung im Sinne der Fehlerprävention

RFID-Systeme können das Prozessqualitätsmanagement durch engmaschige und ge-schlossene Regelkreise unterstützen. Auf diese Weise verkürzen sie Reaktionszeiten beim Auftreten von Fehlern bzw. integrieren die Qualitätssicherung in den Prozess, wenn jede Aktivität geregelt ist. Erfolgt bspw. bei der Sendungszusammenstellung ein automatischer Abgleich einsortierter Waren mit dem Kundenauftrag, kann ein RFID-gestütztes Kommissioniersystem mögliche Sortierfehler schon während der Einsor-tierung anzeigen. Die Prozessplanung kann eine Auswertung historischer Prozessab-laufdaten für eine Umgestaltung des Prozesses einsetzen, um die Fehlerhäufigkeit bzw. Störanfälligkeit zu senken. Führt z.B. die Verwechslung verschiedener Typen ei-nes Bauteils häufig zu Störungen wie im Fallbeispiel zum Einbau von Kabelbäumen (s. Abschnitt 1.1), kann der Einsatz einer neuen Identifikationstechnologie die Pro-zesszuverlässigkeit erhöhen.

Die Integrationstiefe unterstützt die Vorausplanung und damit auch die Fehlerprä-vention durch bessere Informationsversorgung (s. Tabelle 4-5). Integrationseffekte ermöglichen im Konfigurationsmanagement z.B. lückenlose Rückverfolgbarkeit und Ersatzteilbedarfsplanung, wenn entsprechende Applikationen verfügbar sind. Bei As-set-Management-Systemen unterstützen sie die Auslastungs- und Wartungsplanung. Mit RFID ausgerüstete Transportbehälter erhöhen außerdem die Zuverlässigkeit der Teileversorgung, da sie indirekt eine Verfolgung von Lieferungen ermöglichen.

Aufgabe Integrationseffekte Teileversorgung - Zuverlässige Auftragsplanung

- Zuverlässige Produktionsplanung - Zuverlässige Lagerbestandsplanung - Prozessoptimierung - Transportwegeoptimierung - Fehlervermeidung

Konfigurationsmanagement - Lückenlose Rückverfolgbarkeit - Zuverlässige Ersatzteilebedarfsplanung

Produktionsmittelmanagement - Zuverlässige Auslastungsplanung - Zuverlässige Wartungsplanung - Zuverlässige Umlaufplanung - Sichere Teileversorgung

Tabelle 4-5: Integrationseffekte bzgl. kritischer Prozesse

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116 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

Arten und Ausmaß von Fehlerfolgekosten

Ob ein Fehler zu Folgekosten führt und wie hoch diese sind ist im Voraus nicht exakt bestimmbar. Bei den Fehlerfolgekosten handelt es sich um eine Risikovariable. Im Folgenden bezeichnen die potenziellen Fehlerfolgekosten den Erwartungswert der möglichen Folgekosten. Die potenziellen Fehlerfolgekosten sind umso höher, je spä-ter die Behandlung eines Fehlers im Wertschöpfungsprozess nach dessen Auftreten erfolgt [vgl. Wildemann 2001b, 6 f.; Lee/Wolfe 2003, 14 ff.]. Beispielsweise führt ein vor der Auslieferung entdecktes falsch eingebautes Teil bei der Automobilfertigung zunächst zu Nachbearbeitungsaufwand für die Fehlerkorrektur. Darüber hinaus kann sich aber auch die Auslieferung verzögern und der Kunde verärgert sein. Liefert das Werk ein fehlerhaftes Fahrzeug aus, können Schadensersatzansprüche, teure Rückruf-aktionen oder Imageschäden die Folge sein.

Hendriks und Singhal zeigen in einer empirischen Studie, dass Nachrichten über Stö-rungen im Liefernetz von börsennotierten Unternehmen in direkter Folge zu einem Verlust von durchschnittlich 7,5 % des Börsenwertes führten [vgl. Hendricks/Singhal 2003]. Dies zeigt, dass selbst einzelne Fehler zu sehr hohen Fehlerfolgekosten führen können. Die Fehlerfolgekosten sind in diesem Fall stärker davon abhängig, dass über-haupt ein Fehler aufgetreten ist, als von der Anzahl der Fehler. Zudem steigt das Risi-ko von Fehlerfolgekosten mit der Komplexität von Liefernetzen, da unmittelbar meh-rere Unternehmen durch einen Fehler betroffen sein können. Nur lückenlose Kontrol-le ermöglicht eine zuverlässige Verringerung des Fehlerfolgekostenrisikos. Die Feh-lerauswirkungen lassen sich in operative und strategische Fehlerfolgekosten unter-scheiden (s. Tabelle 4-6) [vgl. Fröhling 1994]. Demnach lassen sich Fehler in drei Ka-tegorien einteilen:

• Fehler ohne Folgekosten. Nicht jeder Fehler (Planabweichung) verursacht Fol-gekosten. Ein möglicher Grund hierfür ist die Fehlertoleranz des Systems. Ent-hält bspw. eine Lieferung weniger Teile als bestellt, können Sicherheitsbe-stände Störungen vermeiden. Liefert ein Spediteur in der falschen Reihenfolge an, können Mitarbeiter am Wareneingang dies ggf. ohne kostenwirksamen Zu-satzaufwand erkennen und korrigieren.

• Fehler mit operativen Folgekosten. Häufig sind die entstehenden Folgekosten eines Fehlers abschätzbar, insb. wenn sie nicht zur Auslieferung eines fehler-haften Produkts führen. Zum Beispiel führen fehlende Teile oder im Rahmen von Qualitätskontrollen entdeckte Mängel meist lediglich zu Nachbearbei-tungsaufwand. Vernachlässigte Dokumentation führt zu Nachforschungsauf-wand oder Suchaktionen [Lampe et al. 2004]. In diesen Fällen besteht zwi-schen der Fehlerhäufigkeit und den potenziellen Fehlerfolgekosten eine an-nähernd proportionale Abhängigkeit.

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4.2 Erster Effekt: Substitution manueller Koordination 117

• Fehler mit strategischen Fehlerfolgekosten. In einigen Fällen haben Fehler ne-gative Auswirkungen auf den Unternehmenswert, insb. wenn sie Kunden be-treffen. Hierbei ist das Überschreiten einer individuellen Toleranzschwelle bei der Fehlerhäufigkeit mehr entscheidend als die absolute Anzahl an Fehlern. Beispielsweise kann ein Kunde seltene Abweichungen der Liefermenge eines Zulieferers tolerieren. Wenn dies aber z.B. vier Mal im Quartal vorkommt, wird er dies mit einem Vertrauensentzug ahnden. In der Automobilindustrie stellt mangelnde Produktqualität wegen des hohen Sicherheitsbewusstseins der Kunden ein hohes Fehlerfolgekostenrisiko dar [vgl. Rupp 2004].

Operative Fehlerfolgekosten Strategische Fehlerfolgekosten - Spezialverpackung notwendig, weil Behäl-

ter fehlt - Expresslieferung, weil Teilelieferung ver-

spätet - Nachrüstung, weil Teil fehlte - Beschwerdemanagement - Zusatzkontrollen, wegen unzuverlässiger

Dokumentation

- Haftungsansprüche wegen Produkt-mängeln

- Imageschaden wegen Produktmängeln und Verlust von Kunden

- Unternehmenswert (Börsenkurs) sinkt we-gen Imageschaden

- Breit angelegter Rückruf, weil Information über betroffene Produkte fehlt

Tabelle 4-6: Beispiele für Fehlerfolgekosten

Potenzielle operative Fehlerfolgekosten Potenzielle strategische Fehlerfolgekosten

Anzahl Fehlerereignisse Anzahl Fehlerereignisse

z.B. Nachbearbeitungsaufwandwegen fehlender Teile

z.B. Imageschadenwegen mangelnderProduktqualität

Potenzielle operative Fehlerfolgekosten Potenzielle strategische Fehlerfolgekosten

Anzahl Fehlerereignisse Anzahl Fehlerereignisse

z.B. Nachbearbeitungsaufwandwegen fehlender Teile

z.B. Imageschadenwegen mangelnderProduktqualität

Abbildung 4-8: Unterschiedliche Fehlerfolgekostenpotenziale

Die Abschätzung der strategischen Fehlerfolgekosten ist im Vergleich zu den operati-ven durch die Höhe der Varianz erschwert. Das Ausmaß der strategischen Fehlerfol-gekosten kann bei einzelnen Fehlerereignisse nahezu genauso groß sein wie bei einer Vielzahl gleicher Fehler (s. Abbildung 4-8). Hingegen sind Fehlerfolgen im Manage-ment von Behältern meist lokal begrenzt, d.h. sie wirken sich zwar negativ auf die Prozesseffizienz aus, allerdings lassen sich Folgeschäden durch die Verwendung von Ersatzverpackungen vermeiden. Bei Fehlern in der Teileversorgung existieren ebenso verschiedene Maßnahmen, die zwar Kosten verursachen, aber die Fehlerfolgekosten minimieren, z.B. je nach Situation Expresslieferungen, Änderungen der Produktions-

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118 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

reihenfolge oder Unterbrechung der Produktion. Im Überseeversand sind solche Maß-nahmen teurer als bei regionalen Lieferbeziehungen. Produktionsfehler besitzen ein hohes Fehlerfolgekostenrisiko, insb. wenn hierdurch ein Mangel in der Produktsicher-heit entsteht. In diesem Fall muss der Hersteller mit gesetzlichen Strafen oder Image-verlust am Markt rechnen. Das in den vergangenen Jahren gewachsene Sicherheitsbe-dürfnis der Kunden führt zu einer geringen Fehlertoleranz. Die Medien informieren die Marktteilnehmer umfassend über derartige Ereignisse, wie z.B. im nachfolgend beschriebenen Fall des Reifenrückrufs von Bridgestone/Firestone103.

Fallbeispiel Rückruf von Reifen

In den Jahren 2000 und 2001 mussten der Reifenhersteller Bridgestone/Firestone und der Fahrzeughersteller Ford (USA) mehr als 20 Mio. Reifen zurückrufen. Der Rück-ruf erfolgte in mehreren Staffeln, wobei Ford den Kreis der betroffenen Fahrzeuge jedes Mal weiter ausdehnte.104 Die durch die Rückrufaktion entstandenen Kosten be-ziffert der Automobilhersteller auf mindestens 2,6 Mrd. US-$. Analysten führen den im Verlauf der Rückrufserie erfolgten Kursrückgang der Bridgestone-Aktie von 24 US-$ auf 9 US-$ sowie einen Verlust des Marktwertes von Ford um 4 Mrd. US-$ im Wesentlichen auf dieses Ereignis zurück [vgl. Healey 2000]. Ford beendete im Jahr 2001 die 95-jährige Partnerschaft mit Bridgestone/Firestone mit den Worten „the basic foundation of our relationship has been seriously eroded“ [CBSNews 2004]. Die Rückrufaktion war ein Anlass für die Verabschiedung des TREAD-Acts (Transporta-tion Recall Enhancement, Accountability, and Documentation) der Hersteller, die Fahrzeuge in den USA verkaufen, ab 2006 die Dokumentation der Zuordnung von Fahrzeuggestellnummer und Seriennummern von sicherheitsrelevanten Teilen (z.B. Reifen) vorschreibt. Michelin zitiert diesen Vorfall als Begründung für seine RFID-Aktivitäten [vgl. Krazit 2004].

Eingesparte Kontrollkosten

Zu den fehlerabhängigen Kosten zählen neben den Fehlerfolgekosten auch die Quali-tätssicherungskosten (oder Fehlerverhütungskosten) [vgl. Seghezzi 2003]. Eine Er-höhung des Qualitätssicherungsaufwands führt nicht immer zu einer Steigerung der Prozessqualität. Zum Beispiel ist eine manuelle Fehlerkontrolle meist aufwendiger als eine maschinelle. Verschiedene LDL geben an, dass sie zwar mit ihrer Prozessqualität zufrieden sind; wohingegen ineffiziente Qualitätskontrollen ein Grund für ihre RFID-Aktivitäten sind [vgl. Fleisch et al. 2004]. Möglichkeiten zur Vermeidung von Quali-tätssicherungsaufwand sind die Integration der Qualitätssicherung in den Prozess

103 Firestone gehört seit 1990 zum Reifenhersteller Bridgestone, www.bridgestone.com. 104 Eine chronologische Darstellung des Rückrufs stellt [CBSNews 2004] dar.

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4.2 Erster Effekt: Substitution manueller Koordination 119

sowie die Fehlerprävention durch Vorausplanung. Diese Maßnahmen tragen zur Ver-meidung zusätzlicher Qualitätskontrollen bei (Fehlervermeidung statt Fehlerkontrol-le). RFID-Systeme unterstützen die automatisierte und in den Prozess integrierte Qua-litätskontrolle. Zum Beispiel können Zulieferer die Sendungszusammenstellung mit-tels RFID-Systemen überwachen. Ein weiteres Beispiel der Fehlervermeidung in der Produktion sind sog. Pick-to-light-Anwendungen. Dabei befinden sich Bauteile, welche die Arbeiter manuell einbauen, in speziellen Behältern, die mit einem aktiven Trans-ponder und einer Signallampe ausgerüstet sind. Das Produktionssteuerungssystem un-terstützt den Arbeiter bei der Auswahl der richtigen Bauteile, indem es den entsprech-enden Behälter blinken lässt. Ein derartiges System verwendet z.B. die Firma Grupo Antolin105 zur Qualitätssicherung bei der Produktion von Dachhimmeln [vgl. Opto 2001].

Zuverlässige Prozesse senken Qualitätssicherungskosten auch bei nachgelagerten Wert-schöpfungsstufen. Falls bspw. der Fahrzeughersteller auf Qualität und Menge der Zulie-ferteile vertraut, kann er Kontrollaufwand am Wareneingang einsparen. Die Kenntnis darüber, dass der Zulieferer seine Prozesse absichert und zuverlässige Informationen über die Zusammensetzung der Lieferung bereitstellt, unterstützt diese Entscheidung. Weitere Einsparmöglichkeiten kann der Fahrzeughersteller durch die Reduzierung von Sicherheitsbeständen, durch stabilere Produktionspläne und im Störungsmanagement erreichen, der Zulieferer im Beschwerdemanagement und bei Vertragsstrafen.

4.2.3 Zusammenfassung der Potenziale und Grenzen

Ein steigender Automatisierungsgrad sowie erhöhte Prozessqualität sind mögliche Nutzeneffekte von RFID-Systemen. Sie ermöglichen mehr geschlossene Regelkreise, z.B. bei ungeführten Prozessen. Allerdings ist die Einführung auch mit Kosten ver-bunden. Die Kosten von RFID-Systemen entstehen durch Transponder, die Erfas-sungs-Infrastruktur sowie durch Software, Integrations- und Wartungsdienstleistun-gen [vgl. Dunlap et al. 2003]106. RFID-Systeme sind im Vergleich zu anderen in der Logistik eingesetzten Auto-ID-Technologien wie dem Barcode relativ teuer. Bei An-wendungen in offenen logistischen Systemen und einer großen Anzahl zu identifizie-render Objekte sind die Transponder der kostenbestimmende Faktor. Ein maximaler Grad an Automatisierung ist dann möglich, wenn alle Objekte der Lieferkette mit Transpondern ausgestattet sind und eine dichte Infrastruktur von Erfassungsstellen besteht. Mit zunehmendem Automatisierungsgrad steigen die hiermit verbundenen Kosten überproportional an, da z.B. ungeführte Prozesse nur mithilfe von aufwendi-gen und somit teuren technologischen Lösungen, welche die notwendige Flexibilität 105 www.grupoantolin.es 106 Eine detaillierte Aufstellung erfolgt in Abschnitt 4.5.3.

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120 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

unterstützen, automatisierbar sind.107 Für viele bereits hochgradig automatisierte Pro-zesse rentiert sich deshalb eine weitere Automatisierung zur Steigerung der Prozessef-fizienz nicht.

Indem RFID-Systeme einen permanenten Abgleich realer mit geplanten Abläufen un-terstützen (Regelkreismodell), besitzen sie auch bei automatisierten Prozessen ein mögliches Nutzenpotenzial. Insbesondere bei Prozessen mit hohen potenziellen Feh-lerfolgekosten, wie z.B. bei der Fahrzeugmontage, kann der Einsatz von RFID-Syste-men sinnvoll sein. So ist z.B. zu erklären, warum die Produktion schon heute hoch-gradig automatisiert ist. Dies erklärt auch, warum z.B. Paketdienstleister durch den Einsatz von RFID-Etiketten eine weitere Steigerung der Prozessqualität verfolgen und bereits bei der Einführung neuer T&T-Systeme zu den Vorreitern gehörten [vgl. Bretzke et al. 2002]. Da Kunden leicht zur Konkurrenz wechseln können, sind die potenziellen Fehlerfolgekosten (strategische Fehlerfolgekosten) von Versandfehlern hoch.

Abbildung 4-9 zeigt den Zusammenhang zwischen IT-Kosten, dem Arbeitsaufwand und potenziellen Fehlerfolgekosten in Abhängigkeit vom Automatisierungsgrad. Der dargestellte Verlauf der Kurven ist in den vorangegangenen qualitativen Überlegun-gen begründet und auf operative Prozesse des Materialflusses und der Produktion an-wendbar. Die Kurve der potenziellen Fehlerfolgekosten stellt strategische Folgekosten dar, weil diese die Gesamtkosten stärker beeinflussen können als operative. Der ge-naue Verlauf und die Lage der Schnittpunkte sind vom betrachteten Prozess abhängig. Während der dargestellte Kurvenverlauf sich auf das oben beschriebene Fallbeispiel des Reifenrückrufs bezieht, ist bei Betrachtung des Produktionsmittelmanagements ein linearer Verlauf der potenziellen Fehlerfolgekosten zu wählen. Anhand der Kur-ven können Unternehmen überprüfen, ob die RFID-Technologie in Bezug auf den be-reits erreichten Automatisierungsgrad ausreichend Verbesserungspotenzial besitzt, um die zusätzlichen Kosten zu rechtfertigen.

Bei wenig automatisierten Prozessen, z.B. dort wo der Einsatz anderer Auto-ID-Tech-nologien nicht funktioniert, können die Einsparungen beim Arbeitsaufwand die Kos-ten eines RFID-Systems übersteigen. Für diesen Fall liegt der optimale Grad der Au-tomatisierung ohne Berücksichtigung der Fehlerfolgekosten (in Abbildung 4-9 mit „1“ gekennzeichnet) dort, wo die Summe aus dem Arbeitsaufwand und den IT-Kosten minimal ist. Darüber hinaus können hohe Fehlerfolgekosten einen höheren Automati-sierungsgrad rechtfertigen. Der optimale Grad der Automatisierung (in Abbildung 4-9 mit „2“ gekennzeichnet) liegt dort, wo die Summe aller dargestellten Kosten minimal ist. Demnach ließe sich der Einsatz eines RFID-Systems beispielsweise dann rechtfer-

107 Dies entspricht auch dem Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen des Faktoreinsatzes.

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4.2 Erster Effekt: Substitution manueller Koordination 121

tigen, wenn lückenlose Überwachung die zuverlässige Rückverfolgbarkeit von Pro-dukten ermöglicht, und dies zu weniger und gezielteren Rückrufaktionen führt.

Grad der Automatisierung

Kos

ten

PotenzielleFehlerfolgekosten

Arbeitsaufwand

IT-Kosten

Arbeitsaufwand + IT-Kosten

Gesamtkosten

21

Kosten

Grad der AutomatisierungGrad der Automatisierung

Kos

ten

PotenzielleFehlerfolgekosten

Arbeitsaufwand

IT-Kosten

Arbeitsaufwand + IT-Kosten

Gesamtkosten

2211

Kosten

Grad der Automatisierung

Abbildung 4-9: Operative Prozesskosten in Abhängigkeit von der Automatisierung

Die Anwendbarkeit des Modells beschränkt ist auf operative und automatisierbare Prozesse. Der Automatisierungsgrad ist zudem keine quantitativ messbare Größe und deshalb auch nicht für einen exakten Vergleich verschiedener teilautomatisierter Pro-zesse geeignet. Zum Beispiel ist eine Aussage darüber, um wie viel Prozent der Auto-matisierungsgrad einer Barcode- im Vergleich zu einer RFID-Lösung größer ist, nicht möglich. Eine qualitative Aussage über die Auswirkungen einer Veränderung der Pro-zessautomatisierung ist hingegen möglich. RFID-Systeme erhöhen den Automatisie-rungsgrad durch die Implementierung geschlossener Regelkreise, sind aber ohne Inte-gration mit anderen Technologien, wie z.B. Sensoren oder Aktoren, nicht zur Um-setzung von Vollautomatisierung geeignet. Unternehmen können gemäß dem Modell für ihre Prozesse einen möglichen Bedarf an zusätzlicher Automatisierung feststellen, um Potenziale zur Effizienzsteigerung oder zur Steigerung der Prozessqualität zu re-alisieren. Wenn ein Bedarf besteht, ist zu überprüfen, ob RFID-Systeme den Auto-matisierungsgrad steigern können und ggf. in Verbindung mit welchen anderen Tech-nologien (Integration) ihr Einsatz sinnvoll ist. Die Fallstudien in Kapitel 5 stellen dies beispielhaft dar und dienen gleichzeitig als Referenzanwendungen (Best Practices).

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122 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

4.3 Zweiter Effekt: Netzwerkanwendungen durch Diffusion von RFID

Der Effekt zweiter Ordnung der Koordinationstheorie beschreibt, dass Anwender eine nützliche Koordinationstechnologie in immer mehr Anwendungen nutzen. Diese Dif-fusion ermöglicht Netzwerkeffekte. Wenn bspw. alle Unternehmen der Wertschöp-fungskette die gleiche Auto-ID-Infrastruktur verwenden, vermeidet dies Medienbrü-che und spart Kosten. Derzeitige Anwendungen sind lokale Insellösungen, die RFID zur Kennzeichnung von hochwertigen Gütern, wie z.B. Spezialgestellen, verwenden. Durch die Diffusion von RFID steigt die Integrationstiefe und -reichweite (s. Abbil-dung 4-10). Zur Steigerung der Integrationstiefe statten die Anwender mehr Objekte mit Transpondern aus. Dabei beginnen sie mit Ladungsträgern und fahren später mit Packstücken oder Einzelteilen fort. Bei Einzelteilen statten sie zuerst hochwertige oder sicherheitsrelevante Teile (A-Ressourcen) wie etwa Karosserieteile, Reifen oder Sitzgestelle mit Transpondern aus, bevor sie mit B- oder C-Ressourcen fortfahren.

Integrationstiefe

Integrationstiefe

IntegrationsreichweiteLokal, geschlossen

Startpunkt derEinführung

Kollaborativ,geschlossen

A-Ressourcen

B-Ressourcen

C-Ressourcen

Ladungsträger

Packstücke

Einzelteile

Global,offen

Ausbreitungs-richtung

Integrationstiefe

Integrationstiefe

IntegrationsreichweiteLokal, geschlossen

Startpunkt derEinführung

Kollaborativ,geschlossen

A-Ressourcen

B-Ressourcen

C-Ressourcen

Ladungsträger

Packstücke

Einzelteile

Global,offen

Ausbreitungs-richtungAusbreitungs-richtung

Abbildung 4-10: Diffusion von RFID-Anwendungen [Strassner/Fleisch 2005]

Die folgenden Abschnitte beschreiben verschiedene Entwicklungsstufen der Integrati-onstiefe und -reichweite. Dabei erfolgt eine Einteilung der Objekte nach der Ebene des Materialflusses und nach ihrer Kritizität für den Wertschöpfungsprozess. Die Reichweite von RFID-Systemen unterscheidet zwischen lokalen und globalen bzw. offenen und geschlossenen Anwendungen. Der darauf folgende Abschnitt erklärt die Auswirkungen der externen Einflussfaktoren Preise, Standards und technologische Reife auf den Einsatz von RFID. Der letzte Abschnitt zeigt einen möglichen Adopti-onspfad bzgl. verschiedener RFID-Anwendungen in Abhängigkeit der externen Ein-flussfaktoren.

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4.3 Zweiter Effekt: Netzwerkanwendungen durch Diffusion von RFID 123

4.3.1 Diffusionsrichtung Integrationstiefe

Bei einem stufenweisen Vorgehen bei der RFID-Einführung steigert die Einbeziehung zusätzlicher Objekte die Integrationstiefe. Dies können Anwender durch die Ab-deckung weiterer Ebenen des Materialflusses mittels RFID-Systemen oder die Einbe-ziehung von mehr Objekten auf der gleichen Ebene erreichen.

Ebene des Materialflusses

Bei einer Einteilung des Materialflusses in die (hierarchischen) Transportschichten Ladungsträger, Packstück und Produkt bedeutet eine Ausweitung der durch RFID-Systeme abgedeckten Schichten eine Steigerung der Integrationstiefe. Die Ausstat-tung aller Produkte mit Transpondern ermöglicht in diesem Modell die genaueste Ab-bildung von Lieferungen im IT-System und den maximalen Grad an Integrationstiefe. Entsprechend nimmt die Anzahl möglicher Anwendungen zu (s. Tabelle 4-7).

• Der Einsatz von RFID auf Ladungsträgerebene, wie z.B. auf Containern, Ge-stellen, Paletten oder Kleinladungsträgern (KLTs), ermöglicht das Manage-ment dieser Produktionsmittel sowie die indirekte Verfolgung von Lieferun-gen, bei denen die Ladungsträger als Transportmittel dienen. Eine Wiederver-wendbarkeit der Transponder ist in Verbindung mit dem Ladungsträger mög-lich.

• Die Bildung von Packstücken, die in der Regel bis zum Empfänger als Ver-sandeinheit bestehen bleiben, reduziert den Bearbeitungsaufwand von Liefe-rungen. Dabei kommt meistens Einwegverpackung zum Einsatz, d.h. eine Wie-derverwendung der Transponder ist nicht ohne Zusatzaufwand für die Rück-führung möglich. Der Einsatz von RFID-Etiketten unterstützt eine zuverlässige Sendungszusammen- sowie -zustellung.

• Die RFID-Kennzeichnung von Einzelteilen, die Gegenstand des Transformati-onsprozesses sind, z.B. Bauteile, Komponenten, Halbfabrikate und Endproduk-te, ermöglicht den höchsten Integrationsgrad. Derart ausgestattete Produkte un-terstützen nicht nur die Verfolgung von Einzelteilen im Liefernetz und die Sen-dungszusammenstellung, sondern auch die Fälschungssicherheit, die Rückver-folgbarkeit sowie das Konfigurationsmanagement [vgl. Strassner/Fleisch 2003].

In der Praxis ist ein kombinierter Einsatz von RFID auf mehreren Transportschichten sinnvoll. Hierbei können Ladungsträger mit teuren aktiven Transpondern ausgestattet sein und Einzelteile mit günstigen passiven. Durch eine Erfassung der Produkte wäh-rend der Verladung und Speicherung der Zuordnung zum Ladungsträger lassen sich Lieferungen dann indirekt bis auf Produktebene verfolgen. Einen solchen Ansatz ver-wendet bspw. das amerikanische Militär bei der Verschiffung von Ausrüstungsgegen-ständen in Einsatzgebiete [vgl. Roberti 2004].

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124 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

Ebene des Materialflusses

Objekte mit Transponder Anwendungen

Ladungsträger - Transportfahrzeug, Auflieger - Container, Behälter - Palette

- Flottenmanagement (Inventur, Aus-lastungssteuerung, Wartungs-steuerung)

- Tracking&Tracing / SCEM Packstücke - Mehrwegverpackung

- Einwegverpackung - Kontrolle der Sendungszusammen-

stellung - Tracking&Tracing / SCEM

Einzelteile - Bauteile - Ersatzteile

- Diebstahlschutz, Echtheitsnachweis- Kontrolle der Sendungszusammen-

stellung - Inventur - Tracking&Tracing / SCEM

Tabelle 4-7: Einteilung von Objekten nach der Ebene des Materialflusses

Kritizität der Ressourcen

Die Reihenfolge der Ausrüstung von Logistikobjekten mit RFID ergibt sich aus deren Kritizität für den Wertschöpfungsprozess. Neben der Unterscheidung der Ebenen des Materialflusses ist eine weitere Einteilung der Objekte in A-, B- und C-Ressourcen sinnvoll. Der erwartete Nutzen des Transponders auf einem Objekt bestimmt seine Zuteilung zu einer Ressourcenklasse. Dementsprechend sind der manuelle Bearbei-tungsaufwand für die Identifikation, Sortierung und Verarbeitung warenbegleitender Informationen sowie Folgekosten, die aus fehlender Verfügbarkeit oder falscher Ver-wendung entstehen, Kriterien für die Einteilung. Beispielsweise sind sicherheitsrele-vante bzw. bearbeitungsintensive Teile, wie Hinterachsen, Airbags oder Reifen, als A-Ressourcen einzustufen. Die Einteilung von Packstücken und Ladungsträgern in Res-sourcenklassen richtet sich nach den Produkten, die ihnen im Materialfluss zuge-ordnet sind.

Die Bewertung der Kritizität unterstützt die Operationalisierung der Einteilung in Res-sourcenklassen entsprechend einer Priorisierung für den RFID-Einsatz. Die Kritizität von Objekten lässt sich mithilfe von kritischen Einflussfaktoren der Prozesseffizienz und Prozessqualität bewerten. Zum Beispiel beeinflusst der einem Objekt zugeordnete manuelle Bearbeitungsaufwand dessen Auswirkungen auf die Prozesseffizienz. Als Kriterium des Bearbeitungsaufwandes eines Objekts verwenden [Chappell et al. 2002a, 7] die Anzahl der manuellen Arbeitsschritte. Je mehr dies sind, desto höher ist auch das Einsparpotenzial durch Automatisierung. Zur Bewertung des möglichen Ein-flusses von Objekten auf die Prozessqualität lassen sich verschiedene Kriterien ange-ben. Diese geben einen Hinweis auf ein erhöhtes Fehlerfolgekostenrisiko:

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4.3 Zweiter Effekt: Netzwerkanwendungen durch Diffusion von RFID 125

• Sicherheitsrelevanz. Qualitätsmängel bei sicherheitsrelevanten Bauteilen füh-ren zur Gefährdung des Verwenders. Beispiele sind Airbags, Prallschutzele-mente, Reifen und Achsen. Eine genaue Kontrolle und Dokumentation der Verwendung dieser Teile ist teilw. gesetzlich vorgeschrieben und liegt zur Ver-meidung von Haftungsansprüchen und Imageschäden im Interesse des Her-stellers. Aus diesem Grund verlangen einige Fahrzeughersteller von Zuliefe-rern sicherheitsrelevanter Teile die Dokumentation des Zusammenbaus in Ab-hängigkeit von der Seriennummer.108 Eine eindeutige und leicht zu überprü-fende Kennzeichnung ist außerdem zum Erkennen von Produktfälschungen wichtig.

• Wiederbeschaffungsaufwand. Operative Fehlerfolgekosten wegen nicht verfüg-barer Teile steigen mit der Zeitdauer des Mangels bzw. den Kosten der Express-bestellung. Hohe Lieferfrequenzen verringern den Wiederbeschaffungsaufwand. Außerdem hat die individuelle Zuverlässigkeit des Zulieferers und die Anzahl möglicher Bezugsquellen einen Einfluss. Zu deren Beurteilung verwenden Un-ternehmen historische Daten. Die Bestimmung des Wiederbeschaffungsauf-wandes basiert auf einer Abschätzung mehrerer Faktoren, da Störungen in der Vergangenheit oder Zukunft evtl. Einzelereignisse darstellen.

• Schwundquote. Schwund führt direkt zu materiellem Wertverlust und kann au-ßerdem Prozessstörungen, z.B. in der Produktion, auslösen. Hohe Schwund-kosten verursachen insb. Teile mit hoher Wertdichte, wie bspw. Elektronikge-räte, und mobile Produktionsmittel, wie z.B. Behälter.

• Zeitwert. Verkürzte Produktlebenszyklen führen dazu, dass modellspezifische Bauteile schneller an Wert verlieren. Dies gilt insb. für Elektronikteile, von de-nen selbst bei einer Fahrzeuggeneration mehrere Versionen zum Einsatz kom-men. In geringem Ausmaß sind auch verderbliche Chemikalien betroffen, wie sie z.B. in der Reifenproduktion zum Einsatz kommen. Zur Vermeidung von Abschreibungen auf entsprechende Lagerbestände ist ein schneller Material-fluss vom Hersteller zum Verwender anzustreben.

Die Bildung von Kritizitätsklassen anhand o.g. Kriterien hilft Unternehmen, sich bei einer stufenweisen Einführung von RFID zuerst auf die Teile zu konzentrieren, bei denen der größte wirtschaftliche Nutzen zu erwarten ist. Die Priorisierung basiert auf einer Abschätzung des möglichen Beitrags zur Erhöhung von Prozesseffizienz und –qualität. Tabelle 4-8 ordnet einige Autoteile beispielhaft drei Kritizitätsklassen anhand

108 Beispielsweise verlangt Volvo dies für Hinterachsen.

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126 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

der spezifizierten Kriterien zu. Vor der Einführung durchzuführende Wirtschaftlich-keitsbetrachtungen und Pilotanwendungen beginnen mit den A-Ressourcen.

Kritizitätsklasse Objekte Kriterien A-Ressourcen - Motoren, Karosserieteile, Sitzge-

stelle, Reifen, Achsen, Kabel-bäume, Airbags, Bordcomputer

- Hohe Sicherheitsrelevanz, hohe Individualität oder schwer zu be-schaffen, sehr hoher Bearbei-tungsaufwand

B-Ressourcen - Bremsbeläge, Sitzbezüge, Lenk-räder, Stoßfänger, Armaturen-brett

- Mittlere Sicherheitsrelevanz, In-dividualität, Schwund und Zeit-wertverlust tritt auf, Nachrüstung möglich oder einfache Beschaf-fung

C-Ressourcen - Schrauben, Gummidichtungen, Glühbirnen, Rückspiegel

- Regelmäßige Belieferung in Standardbehältern (typischer-weise lagerfähige Kleinteile und Verbrauchsmaterialien)

Tabelle 4-8: Beispiel einer Einteilung von Autoteilen109 nach deren Kritizität

4.3.2 Diffusionsrichtung Integrationsreichweite

Die Reichweite eines RFID-Systems ist umso größer, je mehr aufeinander folgende Prozessschritte es unterstützt. Eine Steigerung der Integrationsreichweite ist durch die Ausweitung des heute vorwiegend auf geschlossene logistische Systeme begrenzten Einsatzes von RFID auf offene Systeme zu erzielen. Ein Zwischenschritt hierzu ist die Einrichtung kooperativer geschlossener RFID-Systeme (s. Tabelle 4-9). Die Heraus-forderungen beim Übergang zu offenen Systemen bestehen in der Notwendigkeit von Standards und Modellen zur Finanzierung der Transponderkosten [Das/Harrop 2001, 160 ff.].

Reichweite Anwendungen Lokal, geschlossen

- Produktionskontrolle - Kontrolle der Sendungszusammenstellung - Management lokal eingesetzter Produktionsmittel

Kollaborativ, geschlossen

- Belieferung von Spezialteilen (z.B. Motoren) - Management gemeinsam genutzter Produktionsmittel (z.B. Behälter)

Global, offen - Tracking&Tracing / SCEM - Konfigurationsmanagement / Rückrufmanagement - Echtheitsnachweis - Management von Standardbehälterpools (z.B. KLTs)

Tabelle 4-9: Einteilung von RFID-Systemen nach der Reichweite

Bei Anwendungen in geschlossenen Systemen (auch als „Closed Loop“ bezeichnet), bewegen sich die logistischen Objekte in einem Kreislauf mit einer gewissen Anzahl 109 Die Auflistung ist nicht vollständig.

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4.3 Zweiter Effekt: Netzwerkanwendungen durch Diffusion von RFID 127

beteiligter Partner. Falls mehrere Unternehmen an dem Kreislauf beteiligt sind, müs-sen diese Vereinbarungen zur verwendeten RFID-Infrastruktur treffen. Diese legen u.a. fest, welche Frequenzen bei der RFID-Kommunikation zu verwenden und in wel-chem Format Daten auf den Transpondern zu speichern sind. Ein Anwendungsbei-spiel ist der Einsatz von RFID im Management von Spezialbehältern. Diese setzen Unternehmen entweder werksintern oder auf Lieferbeziehungen mit einzelnen Part-nern ein.

In offenen Systemen (auch als „Open Loop“ bezeichnet) lässt sich nicht vorhersagen, ob und wann ein Objekt wieder an einen bestimmten Ort zurückkehrt. Es sind Verein-barungen zwischen allen Beteiligten des Logistiksystems notwendig, z.B. Industrie-standards und Normen. Damit alle Beteiligten profitieren, bedarf es eines Modells zur Verteilung der Kosten, das sich an den realisierten Nutzeneffekten orientiert, um eine Benachteiligung einzelner Unternehmen zu vermeiden, welche die Kosten für die RFID-Kennzeichnung tragen. Beispielsweise müssen bei der Kennzeichnung von Ein-zelteilen mit RFID-Etiketten die Zulieferer die Kosten für die Transponder und deren Anbringung tragen, während nachgelagerte Partner im Logistiknetzwerk von redu-ziertem Bearbeitungsaufwand und besserer Rückverfolgbarkeit profitieren.

4.3.3 Externe Einflussfaktoren

Die Entscheidung über die Einführung von RFID-Systemen hängt neben dem Bedarf nach verbesserter Integration physischer Ressourcen auch von den externen Faktoren Hardwarepreise, Standards und technologischer Reife ab (s. Abschnitt 3.4.3).

Hardwarepreise. Viele Unternehmen begründen ihre abwartende Haltung bei der Ein-führung von RFID-Systemen mit zu hohen Transponderpreisen im Vergleich zum er-warteten Nutzen [vgl. Gartner 2003c]. Der heutige Chippreis hängt von der Menge des verwendeten Siliziums pro Chip, dem Produktionsverfahren und der Produktions-menge ab. Die Realisierung von Skaleneffekten in der Produktion durch ein hohes Produktionsvolumen, Miniaturisierung zur Senkung des Siliziumbedarfs und der Ein-satz neuer Transponderarten, wie bspw. Plastiktransponder oder chiplose Transponder [vgl. Das/Harrop 2001, 133 ff.], kann zukünftig zu weiter fallenden Preisen führen. Die Hoffnung auf den „5-Cent-Chip“ [Sarma 2001] fördert einerseits die Diskussion um Anwendungsmöglichkeiten, ist aber andererseits Ursache für die abwartende Hal-tung einiger Unternehmen. Zu den Chippreisen hinzurechnen sind auch die Kosten für spezielle Ummantelungen (z.B. Ferrit) und Erfassungsgeräte, deren Stückpreise je nach Ausführung zwischen 100 und 10.000 Euro liegen.

Standards. Die Berücksichtigung von Kommunikationsstandards ist eine Voraus-setzung für interorganisatorische IT-Systeme [Fleisch 2000, 131 ff.]. Bei RFID-Syste-men erfolgt eine Einteilung relevanter Standards in Technologie-, Applikations-, Da-

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128 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

ten- und Leistungsstandards (s. Abschnitt 2.4.2). Unternehmen gestalten die Standards durch Mitarbeit in den Standardisierungsgremien der Industrieverbände sowie der globalen Organisationen ISO und EPCglobal.

Technologische Reife. Der Markt der RFID-Technologie ist derzeit von Produktinno-vationen geprägt. Hierzu gehören bei den LF- und HF-Systemen bspw. um Spezial-funktionen erweiterte RFID-Chips, die kryptographische Verfahren oder leistungs-fähige Antikollisionsverfahren unterstützen. Neuere Erfassungsgeräte steigern die Erfassungsrate durch aufwendige Antennenkonstruktionen (z.B. Tunnellesegeräte). Bei den UHF- und GHz-Systemen zählen passive Transponder für den europäischen Markt sowie miniaturisierte RFID-Chips zu den Neuheiten. Erste Versionen von Middleware-Software zur Integration von RFID-Systemen in bestehende IT-Systemarchitekturen nach dem Plug&Play-Prinzip bieten zunehmend mehr Software-hersteller an. Der technologische Fortschritt der RFID-Technologie erschwert den Anwendern die Entscheidung für eine „beste“ Lösung.

Zusammenhang zwischen technologischer Reife, Standards und Hardwarepreis

Zwischen Hardwarepreisen, Standards sowie der technologischen Reife von RFID-Systemen besteht eine gegenseitige Abhängigkeit. Eine Beeinflussung der Faktoren setzt die Mitwirkung der Anwender voraus (s. Abbildung 4-11). Die Anwender defi-nieren Standards bzw. Normen durch Mitarbeit in den entsprechenden Gremien. Dort findet ein Interessenausgleich zwischen Anforderungen von Anwendern, Techno-logieanbietern und ggf. weiterer Betroffener unter Berücksichtigung bestehender Normen – nicht nur technischer, sondern auch sozialer, wie z.B. zum Datenschutz oder zur Gesundheitsverträglichkeit – statt. Eine verfügbare Technologie gilt als „reif“, wenn sie die von den Anwendern als notwendig erachteten Anforderungen er-füllt. Ebenso wie die technologische Reife ist für den ökonomisch handelnden An-wender der Preis eine Voraussetzung für die Akzeptanz der RFID-Technologie. Der Preis wiederum ist von der Nachfrage bzw. der Akzeptanz beim Anwender abhängig.

TechnologischeReife

Standards/Normen

Sinkende PreiseAkzeptanz beim Anwender

TechnologischeReife

Standards/Normen

Sinkende PreiseAkzeptanz beim Anwender

Abbildung 4-11: Einflussfaktoren der Diffusion von RFID

Die Diffusion anderer Infrastrukturtechnologien, wie z.B. von EDI, des Internet, des Mobilfunks oder von Web Services, lässt sich in ähnlicher Weise charakterisieren. Die Literatur beschreibt in diesem Zusammenhang verschiedene Maßnahmen, die zur

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4.3 Zweiter Effekt: Netzwerkanwendungen durch Diffusion von RFID 129

Ausbreitung von Infrastrukturtechnologien beitragen, die sich auf RFID-Systeme an-wenden lassen [Premkumar et al. 1994; Rogers 1995; Weitzel 2003]:

• Einführung bei Lead Usern. In der Automobilindustrie können die fokalen Fahrzeughersteller oder Mega-Lieferanten zu Promotoren von RFID-Anwen-dungen im Liefernetzwerk werden. Durch erfolgreiche Pilotanwendungen und ihren Einfluss auf die Gestaltung von SCM-Standards motivieren sie andere Unternehmen, ebenfalls RFID-Systeme einzusetzen. Auf diese Weise haben bspw. die Großhändler Metro und Wal*Mart die Einführung von RFID im Handel initiiert [Buss 2004].

• Einführungsstrategien zum stufenweisen Vorgehen. Die schrittweise Realisie-rung von Ausbaustufen von RFID-Systemen senkt das Investitionsrisiko und ermöglicht die Ausweitung des RFID-Einsatzes bei technologischen Inno-vationen und sinkenden Preise [Strassner/Fleisch 2005].

• Technologieanbieter-Push. Die Verfügbarkeit von RFID kann Auslöser kun-denorientierter Prozessinnovationen sein [Gassmann/Fleisch 2003]. Die Tech-nologieanbieter unterstützen diese Art der technologiegetriebenen Innovation durch Marketingmaßnahmen wie etwa die Entwicklung von Anwendungssze-narien, Durchführung von Informationsveranstaltungen sowie die Unterstütz-ung von Pilotanwendungen. Sie rechtfertigen die Finanzierung durch Antizi-pierung des erwarteten Marktanteils. Die Pilotanwender profitieren hiervon, da die Technologieanbieter einen Teil des Investitionsrisikos übernehmen.

Je mehr Anwender RFID-Systeme einsetzen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch andere Unternehmen die Technologie einführen. Erreicht die Anzahl der Anwender eine „kritische Masse“, erfolgt die weitere Adoption von RFID nachfrage-getrieben. Die Literatur beschreibt in diesem Zusammenhang den Lock-in-Effekt, der eine Situation darstellt, in der eine Gruppe von Anwendern eine bestimmte (Infra-struktur-)Technologie nutzt. In diesem Fall sind die Kosten eines Wechsels (Swit-ching Costs) eine Barriere, die den Wechsel zu einer anderen Technologie verhindert, selbst wenn diese ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweist [Shapiro/Varian 1999, 103 ff.]. Dieser Erkenntnis folgend steht RFID in Konkurrenz zu anderen Auto-ID-Technologien, sowohl etablierten, wie dem Barcode, als auch neueren, wie z.B. 2D-Codes. So lange RFID nicht den Status einer „Standardtechnologie“ zur automati-schen Identifikation erlangt, besteht ein Risiko bzgl. der weiteren Ausbreitung. Erst bei einer kritischen Masse von Anwendern entsteht ein Lock-in, der Unternehmen dazu veranlasst, RFID in mehr Bereichen einzusetzen und den Ausbau der Infra-struktur voranzutreiben. RFID wird dann zunehmend zur Commodity.

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130 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

4.3.4 Zusammenfassung der Potenziale und Grenzen

Die Ausbreitung von RFID-Systemen erfolgt bedarfs- und marktorientiert durch Er-höhung der Integrationsreichweite und -tiefe. Die Ebenen des Materialflusses und die Anzahl der Teilearten, die ein RFID-System abdeckt, bestimmen die SCM-Systemen zur Verfügung stehende Informationsgranularität bzgl. des physischen Materialflusses (Integrationstiefe). Die Anzahl von Unternehmen des Liefernetzwerkes, die ein RFID-System verwenden, um Aufgaben des SCMs zu unterstützen, bestimmt die Inte-grationsreichweite. Eine Entwicklung von RFID-Systemen gemäß diesen beiden Aus-breitungsrichtungen ist prinzipiell unabhängig voneinander möglich. Allerdings ist eine Ausstattung einer großen Anzahl an Teilen mit RFID ausschließlich für lokale Nutzung nicht rentabel. In diesem Fall ist die mehrfache Verwendung, d.h. entweder die Wiederverwendung der Transponder oder der Einsatz an mehreren Stellen des Liefernetzwerks, eine Voraussetzung für die Wirtschaftlichkeit. Der Grad der Aus-breitung hängt nicht nur vom Bedarf nach mehr Integration ab, sondern auch von den externen Einflussfaktoren Technologische Reife und Standards sowie Preisen. Diese bestimmen die Grenzen des wirtschaftlich motivierten Einsatzes von RFID-Systemen. Abbildung 4-12 sortiert mögliche Anwendungen der SCM-Aufgaben Produktionsmit-telmanagement, Teileversorgung und Konfigurationsmanagement entsprechend ihrer Abhängigkeit von den externen Einflussfaktoren ein und stellt damit einen möglichen Adoptionspfad von RFID-Systemen dar.

Reifegrad / Standards

Chippreis

Produktions-steuerung

Sendungszu-sammenstellung

Lager-automation

Spezialbehälter-management

Kleinbehälter-management

Tracking&Tracing / SCEM

Fuhrpark-management

Großbehälter-management

DokumentationZusammenbau

Lokal Global

Anz

ahl d

er O

bjek

te

Reifegrad / Standards

Chippreis

Produktions-steuerung

Sendungszu-sammenstellung

Lager-automation

Spezialbehälter-management

Kleinbehälter-management

Tracking&Tracing / SCEM

Fuhrpark-management

Großbehälter-management

DokumentationZusammenbau

Lokal Global

Anz

ahl d

er O

bjek

te

Abbildung 4-12: Anwendungen in Abhängigkeit externer Einflussfaktoren

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4.3 Zweiter Effekt: Netzwerkanwendungen durch Diffusion von RFID 131

• Produktionsmittelmanagement. Für das Fuhrpark- und Spezialbehältermanage-ment existieren operative Anwendungen, die wirtschaftlich sind. Die Nutzenef-fekte sind die effizientere Ressourcenverwendung, Einsparung von Suchauf-wand und Vermeidung von Schwund. Der Standardisierungsbedarf bei diesen Anwendungen ist gering, da diese Produktionsmittel meist in abgegrenzten Be-reichen zum Einsatz kommen. Der nächste zu erwartende Schritt ist die Aus-rüstung von Standard-Großbehältern mit Transpondern. Diese kommen kon-zernweit oder in bestimmten Zulieferbeziehungen zum Einsatz und erfordern deshalb eine auf Konzernebene standardisierte Infrastruktur. Standard-Kleinbe-hälter finden universell im Liefernetzwerk der Automobilindustrie Anwendung und setzen Industriestandards voraus. Je geringer der Wert der Behälter und der hiermit transportierten Güter ist, desto geringer muss der Preis pro Trans-ponder sein, um die Wirtschaftlichkeit der Anwendung zu ermöglichen.

• Teileversorgung. Die Verfolgung von Lieferungen kann in Verbindung mit dem Ladungsträger erfolgen (Soft Tracking). Hierzu ist die am Ladungsträger befindliche Lieferscheininformation mit der auf dem Transponder gespeicher-ten Behälteridentifikation zu verheiraten. Eine nächste Ausbaustufe ist die au-tomatische Kontrolle und Dokumentation der Sendungszusammenstellung. Hier-für überprüfen Erfassungsgeräte die Beladung von Ladungsträgern mit den rich-tigen Packstücken oder Teilen und ggf. die Einhaltung von Sequenzvorgaben. Der Einsatz von RFID-Systemen zur Kontrolle in der Sendungszusammenstel-lung rentiert sich zuerst dort, wo ein relativ hohes Fehlerfolgekostenrisiko be-steht, wie bspw. im CKD-Prozess. Die Verfügbarkeit einer flächendeckenden Erfassungsinfrastruktur unterstützt die lückenlose Teileverfolgung und SCEM.

• Konfigurationsmanagement. Die Dokumentation des Zusammenbaus setzt die Kennzeichnung der Einzelteile voraus. Aktuelle RFID-Anwendungen zum Work-in-progress-Tracking verwenden einen Transponder am Montageträger oder dem Werkstück (z.B. an der Karosserie). Die Identifikation einiger zu ver-bauender Teile (z.B. Airbags, Motoren) erfolgt manuell anhand von Bar- oder Matrixcodes. Der Einsatz von RFID zur Kennzeichnung von Einzelteilen er-möglicht eine zuverlässige (rechtssichere) und effiziente Dokumentation des Zusammenbaus und unterstützt hiermit die Rückverfolgbarkeit, Rückrufakti-onen und die Ersatzteilversorgung. Die RFID-Kennzeichnung von Teilen setzt Industriestandards und im Vergleich zu heute niedrigere Transponderpreise110 voraus. In einem ersten Schritt ist die Ausstattung sicherheitsrelevanter sowie konfigurationsindividueller und verwechslungsgefährdeter Teile sinnvoll.

110 Für die Mehrzahl der Teile müssen diese nach Einschätzung des Autors unter 10 Eurocent liegen.

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132 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

Eine zeitlich terminierte Vorhersage der Entwicklung der technologischen und preis-lichen Rahmenbedingungen, welche die RFID-Ausbreitung fördern, ist nicht möglich. Eine Beschleunigung der Entwicklung ist zu erwarten, wenn ein Lock-in eintritt und die Unternehmen RFID als ihre bevorzugte Standardtechnologie zur automatischen Identifikation betrachten. Dies begünstigt Investitionen in die RFID-Infrastruktur, was wiederum die Grenzkosten für die Hinzunahme weiterer Objekte senkt, da geringere zusätzliche Infrastrukturkosten anfallen. Die Entscheidung über die Hinzunahme wei-terer Objekte bzw. Objektklassen ist ab einer kritischen Anzahl von Objekten primär davon abhängig, ob der durch RFID durchschnittlich erzielte Nutzeneffekt pro Objekt höher ist als der Preis für den Transponder. Abbildung 4-13 stellt ein Hilfsmittel für die Entscheidung über die Ausweitung des RFID-Einsatzes auf zusätzliche Objekte dar. Folgende Bedingungen beeinflussen die Entscheidung:

• Die Ausweitung des RFID-Einsatzes auf neue Objekte erfolgt in der Rei-henfolge der Priorisierung nach ihrer Kritizität für das SCM.

• Der zu erwartende durchschnittliche Nutzen pro Objekt der betrachteten Objektklasse muss mindestens so hoch sein wie die Summe aus Transpon-derpreis und den zusätzlichen Infrastrukturkosten je Objekt. Die zusätz-lichen Infrastrukturkosten sind umso geringer, je höher die Anzahl der durch die Infrastruktur abgedeckten Objekte ist. Somit ist die Entscheidung für den RFID-Einsatz auch vom Erreichen einer kritischen Anzahl ab-hängig.

• Bei einer möglichen Wiederverwendung der Transponder ist die kritische Anzahl notwendiger Objekte, die den RFID-Einsatz wirtschaftlich rechtfer-tigt, geringer.

Bei lokalen Anwendungen, wie dem Fuhrpark- oder Spezialbehältermanagement mit relativ niedrigen Volumen, entfallen auf jedes Objekt hohe anteilige Infrastruktur-kosten. Hingegen sind sie bei globalen Anwendungen mit hohen Volumen, wie z.B. der Teileverfolgung, in Bezug auf die Gesamtkosten zumindest bei langfristiger Be-trachtung vernachlässigbar. Während die zusätzlichen Kosten des RFID-Einsatzes ex ante meist genau bestimmbar sind, ist beim Nutzen nur eine Abschätzung unter Ver-wendung von Annahmen möglich.111 Dies erschwert eine Aussage über die tatsäch-lich auftretenden Auswirkungen des RFID-Einsatzes. Zunächst ist zu erwarten, dass bei Hinzunahme weiterer Objekte entsprechend ihrer Kritizität der Nutzen pro Objekt sinkt. Allerdings kann eine gestiegene Reichweite durch Integrationseffekte zusätz-lichen Nutzen schaffen. Deshalb haben Unternehmen die Möglichkeit, den Nutzen

111 Mögliche Ansätze zur Bewertung von RFID-Anwendungen beschreibt Abschnitt 4.5.2.

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4.4 Dritter Effekt: Neue Prozesse und Geschäftsmodelle 133

durch ihre Integrationsleistung zu beeinflussen. Während der zweite Effekt sich auf die Ausbreitung von RFID konzentriert, bei der die Technologie zunehmend zur Commodity im Sinne von [Carr 2003]112 wird, können Unternehmen gemäß dem nachfolgend beschriebenen dritten Effekt durch Prozessreorganisation Mehrwert ge-nerieren.

Anzahl der Objekte

Kosten/Nutzen

Transponder-preis

Infrastruktur-kosten/Objekt

Nutzen/Objekt

Gesamtkosten/Objekt

2 1

Lokale Anwen-dungen, z.B. Fuhr-parkmanagement

Anwendungen mit/ohneWiederverwendbarkeit,

z.B. Packmittelmanagement

Globale Anwen-dungen, z.B. SCM-Tracking

1: Mindestanzahl an Objektenohne Wiederverwendung

2: Mindestanzahl an Objektenmit Wiederverwendung

–+

+: hohe Kritizität der Objekte,Integrationseffekte, „3. Effekt“

–: niedrige Kritizität der Objekte

Anzahl der Objekte

Kosten/Nutzen

Transponder-preis

Infrastruktur-kosten/Objekt

Nutzen/Objekt

Gesamtkosten/Objekt

22 11

Lokale Anwen-dungen, z.B. Fuhr-parkmanagement

Anwendungen mit/ohneWiederverwendbarkeit,

z.B. Packmittelmanagement

Globale Anwen-dungen, z.B. SCM-Tracking

1: Mindestanzahl an Objektenohne Wiederverwendung

2: Mindestanzahl an Objektenmit Wiederverwendung

1: Mindestanzahl an Objektenohne Wiederverwendung

2: Mindestanzahl an Objektenmit Wiederverwendung

–+

+: hohe Kritizität der Objekte,Integrationseffekte, „3. Effekt“

–: niedrige Kritizität der Objekte

+: hohe Kritizität der Objekte,Integrationseffekte, „3. Effekt“

–: niedrige Kritizität der Objekte

Abbildung 4-13: Kosten-Nutzen-Vergleich zur Diffusion von RFID-Systemen

4.4 Dritter Effekt: Neue Prozesse und Geschäftsmodelle

Der Effekt dritter Ordnung der Koordinationstheorie beschreibt die Entstehung neuer koordinationsintensiverer Anwendungen, die erst durch die neue Technologie mög-lich werden. Die Rolle von Informationstechnologien als Enabler neuer Geschäftspro-zesse ist auch eine zentrale Aussage der BPR-Literatur und bildet bspw. den Aus-gangspunkt für die Transformation von Unternehmen im Business Engineering [Österle/Winter 2000]. Angewendet auf den Einsatz von RFID-Systemen bedeutet dies, dass Unternehmen neben den vorangehend beschriebenen Nutzeneffekten durch Steigerung von Prozesseffizienz und -qualität bestehender Prozesse bzw. der Realisie-rung von Skaleneffekten durch Netzwerkanwendungen die Technologie auch zur Ges-taltung neuer Prozesse und Geschäftsmodelle verwenden können. Die Steigerung der Integrationstiefe von SCM-Systemen, die Integration mit anderen Technologien des

112 Carr bezweifelt, dass der Einsatz von Informations-, insb. ausgereifter Infrastrukturtechnologien, Unterneh-

men einen nennenswerten Wettbewerbsvorteil bringt. Vielmehr sieht er die Motivation für den Einsatz dieser Technologien in möglichen Nachteilen für Unternehmen, die sie nicht verwenden.

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134 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

Ubiquitous Computings und Dezentralisierung bieten Potenziale zur Prozessreorgani-sation. Derartige Anwendungsszenarien beschreiben z.B. [Das/Harrop 2001; Fleisch/Dierkes 2003; Sheffi 2004; Fleisch 2005]. Dabei bildet die bessere Informati-onsversorgung durch RFID-Systeme die Grundlage für neue Prozesse. Das Leitprin-zip lautet „See more, do more!“ [McFarlane 2003]. Folgende Abschnitte zeigen Inno-vationspotenziale von RFID für Prozesse des SCMs sowie mögliche neue Dienstleis-tungen. Im Hinblick darauf, dass deren Umsetzung in der Praxis derzeit nicht erkenn-bar ist, erfolgt in der abschließenden Zusammenfassung eine kritische Bewertung.

4.4.1 Reorganisation von Prozessen

Das Potenzial vieler neuer Technologien wie, z.B. des Internet, EDI oder ERP-Syste-me, zeigte sich erst nach der Reorganisation von Prozessen. Zum Beispiel veränderte das Internet klassische Vertriebsstrukturen, da Unternehmen durch die Einrichtung elektronischer Vertriebswege mit geringem Aufwand eine hohe Reichweite erzielen können.113 Auch bei der Einführung von ERP-Systemen ist ein wesentlicher Teil des Mehrwertes auf Prozessreorganisationen zurückzuführen [Willis/Willis-Brown 2002]. Die folgenden Anwendungen sind durch RFID-gestützte Dezentralisierung und Inte-gration möglich. Sie unterstützen die Flexibilisierung sowie das Management der Komplexität von Prozessen und Kooperationen.

Flexibilisierung

Flexibilität ist ein kritischer Erfolgsfaktor für die Automobilindustrie. Die Reaktions-fähigkeit muss auch in operativen Prozessen gegeben sein. Dezentralisierung ist hier-zu ein Mittel. Die Reorganisation besteht in der Verteilung von Entscheidungskompe-tenz an operative Einheiten. Dies unterstützt z.B. die Implementierung der Demand Chain und die Massenindividualisierung.

Unterstützung der Demand Chain. Die verstärkte Kundenorientierung bedingt Pro-zessreorganisationen im Wertschöpfungsnetzwerk der Automobilindustrie, die alle Stufen betreffen. Die kurzfristige Leistungserstellung auf Abruf ersetzt zunehmend langfristige Vorausplanungen (Übergang vom Push- zum Pull-Prinzip). Die Um-setzung des Pull-Prinzips (Holprinzips) wirkt sich auf die Koordination zwischen den Wertschöpfungsstufen aus [vgl. Asgekar 2004]. Nachgelagerte Stationen (Kunden) fordern Leistungen anhand des eigenen Bedarfs bei ihrer Vorstufe an. Nach diesem Prinzip funktioniert bspw. die Kanban-Bestellung. In einigen Werken setzt Ford ein RFID-basiertes Kanban-System ein, das eine kontinuierliche Belieferung des Bandes entsprechend dem Teilebedarf ermöglicht und reduziert damit die Bestände am Band und vermeidet Nachfrageschwankungen [vgl. Navas 2000; Strassner et al. 2005]. Die- 113 Viel zitierte Beispiele neuer Vertriebsstrukturen sind Onlinebanking oder -shopping.

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4.4 Dritter Effekt: Neue Prozesse und Geschäftsmodelle 135

ses Beispiel zeigt, dass kontinuierliche Kommunikation und schnelle Reaktionsfähig-keit zwischen Wertschöpfungsstationen Störungen wie bspw. den Bullwhip-Effekt reduzieren. Die Implementierung der Demand Chain erfolgt durch Transformation zentraler in dezentrale Steuerung durch Einrichtung miteinander vernetzter Regel-kreise [Wildemann 1997, 147]. Dabei besitzt jede Arbeitsstation oder jede Aktivität einen Regelkreis, der die Ausführung von Arbeitsschritten bis zum Erreichen des Soll-Outputs bewirkt. Gleichzeitig überprüft der Regelkreis, ob die vorhandene Input-Menge, die dem Output der vorgelagerten Arbeitsstation entspricht, zur Produktion des Soll-Outputs ausreicht. Falls diese Menge zu gering ist, erhöht er das Soll-Output des mit ihm vernetzten Regelkreises der vorgelagerten Station. Das Prinzip der hori-zontal vernetzten Regelkreise kann zentrale Steuerung nicht vollkommen ersetzen. Zum Beispiel können Prioritätskonflikte auftreten, wenn mehrere nachgelagerte Stati-onen gleichzeitig Nachschub von einer Station anfordern. Die vertikale Vernetzung der über- und untergeordneten Regelkreise ermöglicht die Auflösung derartiger Prob-leme. So können sie z.B. die dezentralen Planungen durch Berücksichtigung globaler Bestandsinformationen beeinflussen.

Automatisierte Massenindividualisierung. Die effiziente Umsetzung der kundenindi-viduellen Massenproduktion erfordert angepasste Produktionsverfahren. Ein erster Schritt ist mit flexiblen Fertigungssystemen getan, die eine automatisierte Produktion mit vergleichbarer Flexibilität wie bei der Werkstattfertigung ermöglichen [Scherer 1996]. Bei einigen Fertigungssystemen identifizieren die Maschinen die Werkstücke anhand von Transpondern. Denkbar ist, dass die Automobilindustrie dieses Verfahren zukünftig durchgängig im Wertschöpfungsnetzwerk anwendet. Dabei teilen mit Transpondern ausgestattete Werkstücke den Produktionsmaschinen die vorzunehmen-den Arbeitsschritte mit [Finkenzeller 2002, 398 ff.]. Auch individualisierte Einzelteile erkennt die Produktionsmaschine anhand von RFID-Kennzeichnungen. Auf diese Weise erfolgt die Kontrolle der Konfiguration automatisch während des Zusammen-baus. Dadurch sinken die Grenzkosten für die Individualisierung, d.h. der Trade-off zwischen Variantenanzahl und Effizienz sinkt.

Management der Komplexität

RFID-Systeme unterstützen Echtzeitsysteme durch die Integration der realen Welt mit IT-Systemen. Dadurch stehen Informationen bei Entscheidungen rechtzeitig und be-darfsgerecht zur Verfügung. Dies unterstützt die Auflösung von Koordinationsproble-men in komplexeren Prozessen. So werden z.B. folgende Prozessinnovationen im SCM möglich bzw. ausgeweitet.

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136 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

Umstieg von Einweg- auf Mehrwegverpackung. RFID-Systeme senken die Kosten für das Management von Mehrwegverpackungen. Dies fördert den Einsatz von Mehrweg-verpackungen in Bereichen, in denen ihre Verwendung bisher zu aufwendig ist. Zum Beispiel verwenden einige Hersteller für den Überseeversand Einwegverpackung, um den Aufwand der Rückführung des Leerguts zu vermeiden. Wenn diese Kosten sin-ken, rentiert sich ein Umstieg auf wiederverwendbare Behälter. Die durch Verwen-dung einer effizienten Auto-ID-Technologie mögliche Zusammenfassung des Mana-gements unterschiedlicher Behälterflotten, z.B. durch die Bildung gemeinsamer Pools, erhöht zusätzlich die Attraktivität von Mehrwegverpackung.

Neue Lagerhaltungsmodelle. Zuverlässige Bestandsinformationen und automatische Identifikation ermöglichen einen Wechsel zu neuen Lagerhaltungsmodellen [Sheffi 2004, 8]. Automatisierte Lagerverwaltung ist nicht mehr auf zentrale Lager be-schränkt, sondern auch bei kleinen dezentralen Lagern möglich. Folglich lassen sich automatisierte Großlager, deren Betrieb nur bei hohem Auslastungsgrad effizient ist, durch kleine Lager am Bedarfsort ersetzen. Diese können chaotisch organisiert sein, um Platz einzusparen, ohne dass dies die Visibilität im SCM-System oder den ef-fizienten Betrieb negativ beeinflusst.

Horizontale Integration von Lieferketten. Zur Komplexitätsreduktion und Fehlerver-meidung erfolgt eine physische Trennung verschiedener Lieferketten. Beispielsweise trennen LDL die Versandabwicklung organisatorisch nach verschiedenen Produkt-gruppen oder Bestimmungsorten. Standardisierte RFID-Systeme unterstützen eine flexible Bearbeitung individueller Versandeinheiten und ermöglichen somit die Ab-wicklung über dieselbe Logistikinfrastruktur. Dies unterstützt bspw. eine stärkere Verzahnung mit Liefernetzwerken anderer Branchen, z.B. des Handels, und fördert die effiziente Ressourcenauslastung.

Kooperationen

Vertrauen ist die Grundlage erfolgreicher Kooperationen [vgl. Friedli 2004]. Zuver-lässige Prozesse und Visibilität (Offenheit) fördern das Vertrauen zwischen Unterneh-men. Informationsaustausch und SCEM unterstützen die Vision einer „New Industry Based on Trust“ [Lee/Whang 2001, 16]. Unternehmen können die Zuverlässigkeit durch die Integration der Qualitätssicherung ihrer Prozesse, z.B. durch Implemen-tierung von Regelkreisen, erhöhen.

Abbau von Kontrollen und Beschwerdemanagement. Die Notwendigkeit von Kontrol-len ist eine Folge störanfälliger Prozesse und (zu Recht) mangelnden Vertrauens. Die teilweise mehrfach hintereinander im Prozessablauf, insb. an den Schnittstellen zwi-schen Wertschöpfungspartnern, stattfindenden Kontrollen tragen nicht zur Wert-schöpfung bei und sind nach Möglichkeit zu vermeiden. Eine in den Prozess integrier-

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4.4 Dritter Effekt: Neue Prozesse und Geschäftsmodelle 137

te Qualitätssicherung, die zudem den Qualitätszustand automatisch dokumentiert, hilft Kontrollen, wie z.B. Mengenkontrollen, am Wareneingang zu vermeiden. Da bspw. keine Versandfehler mehr auftreten, können Unternehmen das entsprechende Be-schwerdemanagement abbauen.

Veränderungen des Zahlungsflusses. Missverständnisse bei Zahlungen bergen ein Konfliktpotenzial zwischen den Wertschöpfungspartnern und sind in einzelnen Fällen Auslöser aufwendiger Nachverhandlungen. Die automatische (objektive) Erfassung bestimmter Ereignisse, wie z.B. des Wareneingangs, des Einbaus oder des Verkaufs von Produkten, ermöglicht die direkte Kopplung von Zahlungsaufträgen an diese Er-eignisse. Durch die genauere Erfassung von Ereignissen des Materialflusses können Zahlungsvereinbarungen in stärkerem Maße Leistungseigenschaften berücksichtigen, die über Produktpreis und Menge hinausgehen. Zum Beispiel hängt der Wert eines Teiles auch von der Rechtzeitigkeit der Lieferung und ggf. seiner individuellen Kon-figuration ab. So werden bspw. die möglichst genaue Einhaltung von Terminen, die Verwendung von recycelten Bauteilen oder bestandene Qualitätstests auf Basis ge-nauer Informationen verrechenbar und der Materialfluss dementsprechend steuerbar. Die produktbezogene Erfassung von Prozesskosten, die bspw. in der Beschaffungslo-gistik, Produktion oder Versandlogistik entstehen, unterstützt die effektivere Steue-rung interner Zahlungsflüsse.

Zunahme von Kooperation. Einerseits steigern zuverlässige Prozesse die Attraktivität von Unternehmen für mögliche Kooperationspartner. So erhöhen z.B. eine hohe Lie-ferpünktlichkeit oder ein hoher Lieferservicegrad die Attraktivität von Zulieferern aus Sicht der Fahrzeughersteller und erleichtern ihnen das Eingehen von Kooperationen. Andererseits eignen sich Prozesse, die mittels IT-Systemen steuer- und kontrollierbar sind und keinen direkten Kundenbezug aufweisen, für das Outsourcing. Hierzu zählen die operativen Prozesse der Logistik und Produktion sowie deren Unterstützungspro-zesse. Dabei ist Zunahme von Kooperation nicht gleichbedeutend mit einer Stei-gerung der Anzahl an Kooperationspartnern. Insbesondere bei den Fahrzeugherstel-lern (Leistungsnachfragern) ist eine Verringerung der Fertigungstiefe (Zunahme von Kooperationsvolumen) und der Anzahl an Zulieferern sinnvoll. Zulieferer können ihre Wettbewerbsfähigkeit durch die Ergänzung des Leistungsangebotes um Dienste er-höhen. Folgender Abschnitt beschreibt entsprechende RFID-basierte Dienstleistun-gen.

4.4.2 Neue Dienstleistungen

RFID kommt in verschiedenen fahrzeugbezogenen Anwendungen, wie etwa dem Au-toschlüssel, elektronischen Wartungsbüchern und Nummernschildern sowie Mauter-fassungssystemen, zum Einsatz. Bei diesen Anwendungen dient der Transponder zur Authentifikation des Fahrzeugs bzw. des Fahrers und ermöglicht das Speichern fahr-

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138 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

zeugbezogener Informationen oder den Zugang zu Dienstleistungen, wie z.B. automa-tische Bezahldienste. Innovative Bezahldienste wie „pay per use“ und „pay per risk“ sind bspw. auch Gegenstand der aktuellen Diskussion um neue Geschäftsmodelle des Ubiquitous Computing [Fleisch 2005]. Sie gehören wie Telematikdienste in den Be-reich der kundenbezogenen Produkt- und Dienstleistungsinnovationen. Folgende Ab-schnitte konzentrieren sich auf RFID-basierte Dienstleistungen zur Unterstützung des Materialflusses, die im Unterschied zur Prozessoptimierung durch den Anwender eine wertschöpfende Leistung durch Dritte beinhalten.

Produktdienstleistungen durch individualisierte Daten

Mittels Transpondern können die Hersteller produktbezogene Daten direkt am Pro-dukt speichern. Auf diese Weise erhalten Produkte eine individuelle Historie. Der Hersteller entscheidet in Abhängigkeit von den Anforderungen des Kunden, welche Daten er aufspeichert und ob eine spätere Änderung der Daten möglich ist. Beispiels-weise kann ein Zulieferer für die spätere Montage relevante Daten am Produkt hinter-legen. Der Verwender vermeidet hierdurch den Aufwand zur Informationsbeschaf-fung und mögliche Fehler durch Verwechslung. Die auf diese Weise informatorisch erweiterten Produkte bilden die Grundlage für schnellere und individuellere Dienst-leistungen. Anhand der Produkthistorie lassen sich Wartungsdienstleistungen besser planen und der Wert von Produkten genauer bestimmen. Zum Beispiel besitzt ein Rei-fen nach mehrfacher Runderneuerung einen geringeren Wert als nach einer.

Infrastruktur-Dienstleistungen für das Informationsmanagement im SCM

Höhere Kosten für Transponder und Verlangsamung von Lese-/Schreibzugriffen be-grenzen die Speicherung von Daten am Produkt. Infrastrukturen hingegen machen be-liebige produktbezogene Daten auch unabhängig von der Anwesenheit des Produkts verfügbar. Der Infrastrukturbetreiber bündelt die Verwaltung von Produktdaten und stellt diese anwendungsbezogen zur Verfügung. Dabei realisiert er Skaleneffekte, was dazu führt, dass den einzelnen Anwendern weniger Kosten entstehen. Ein Beispiel einer derartigen Infrastruktur ist das EPC Network, das produktbezogene Daten in Abhängigkeit von einer eindeutigen Identifikationsnummer weltweit bereitstellt (vgl. Abschnitt 2.4.3). Weitere mögliche Dienstleistungen sind SCEM, die Verwaltung von Produktkonfigurationen sowie die Produktauthentifizierung.

SCEM. Die Wertschöpfungspartner haben einen unterschiedlichen Informationsbedarf zu Vorgängen im Liefernetzwerk. Die Aufgabe des Dienstanbieters, z.B. eines LDLs oder Technologieanbieters, ist die Selektion und Mitteilung der relevanten Informati-onen. Der Anwender kann bspw. mittels Regeln definieren, über welche Ereignisse ihn das System informieren soll bzw. welche Aktionen automatisch zu veranlassen sind.

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4.4 Dritter Effekt: Neue Prozesse und Geschäftsmodelle 139

Bereitstellung von Produktkonfigurationsdaten. Informationen zu Produktkonfigurati-onen beschleunigen die Durchführung von Rückrufaktionen und unterstützen War-tungsdienstleistungen. Die Informationen besitzen für verschiedene Dienstleister, die komplementäre Leistungen zu Fahrzeugen anbieten, einen Wert, bspw. für Ver-sicherungen, Werkstätten oder Zubehörhersteller. Der Fahrzeughersteller kann diesen Mehrwert realisieren, wenn der die Informationen über einen Infrastrukturanbieter vertreibt. So kann die Wertschöpfung durch den Verkauf der Informationen (virtueller Produkte) den Vertrieb realer Produkte, wie z.B. Ersatzteile, ergänzen.

Produktauthentifizierung. Um die Verbreitung von gefälschten Ersatzteilen zu ver-meiden, sollte die Überprüfung der Echtheit während des Verkaufs oder der Verwen-dung möglich sein. Ein elektronischer Dienst, der bei jedem Verkauf die Seriennum-mer der Produkte überprüft bzw. zur Überprüfung von Ersatzteilen mit im Fahrzeug eingebauten Identifikationsgeräten kommuniziert, ermöglicht lückenlose Kontrolle.114

4.4.3 Zusammenfassung der Potenziale und Grenzen

Eine Implementierung der als Effekte dritter Ordnung beschriebenen RFID-Anwen-dungen hat bisher in der Praxis nicht stattgefunden. Einige der beschriebenen Verän-derungen sind wünschenswert, da sie einen Beitrag zur Bewältigung der strategischen Herausforderungen im SCM der Automobilindustrie leisten können. Sie vernachläs-sigen die aktuellen technologischen Fähigkeiten von RFID-Systemen. Deshalb ist die Machbarkeit der beschriebenen Szenarien nicht erwiesen. Ihre Herleitung erfolgte aus der Annahme, dass RFID-Systeme die Koordination im SCM durch Integration, Auto-matisierung und Dezentralisierung unterstützen. Die beschriebenen Anwendungen sind Maßnahmen zur Unterstützung der Kundenorientierung, zum Management der Komplexität und verkürzter Produktlebenszyklen sowie zur Einhaltung von Gesetzen.

Insbesondere die neuen Dienstleistungen, aber auch die Restrukturierung zum nach-fragegesteuerten Liefernetzwerk (Demand Chain) leisten einen Beitrag zur Steigerung der Kundenorientierung. Hingegen dienen RFID-gestützte Prozessveränderungen dem Komplexitätsmanagement. Einerseits reduzieren sie Komplexität durch die Vermei-dung von Arbeitsschritten, wie z.B. dem Abbau von Kontrollen, oder durch Automati-sierung und die damit verbundene Festlegung von Abläufen. Andererseits verursachen chaotische Lagerhaltungsmodelle, die horizontale Integration von Lieferketten oder der Umstieg von Einweg- auf Mehrwegverpackungn eine Erhöhung der Komplexität. Die Verkürzung von Produktlebenszyklen begegnen die Hersteller mit einer Stei-gerung des jährlichen Umsatzes pro Produkt durch komplementäre Dienstleistungen und Kooperationen, welche die Zeit für die Einführung neuer Produkte verkürzen.

114 Letzteres erfordert das Einverständnis des Fahrzeugbesitzers.

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140 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

Strategische Herausforderungen Durch RFID unterstützte Maßnahmen Kundenorientierung - Neue Zahlungsverfahren

- Produktauthentifizierung - Produktbezogene Dienstleistungen - Unterstützung der Demand Chain - Bereitstellung von Produktkonfigurationsdaten

Management der Komplexität - Abbau von Kontrollen und Beschwerdemanage-ment

- Automatisierte Massenindividualisierung - Horizontale Integration von Lieferketten - Neue Lagerhaltungsmodelle - SCEM - Umstieg von Einweg- auf Mehrwegverpackung - Zunahme von Kooperation

Verkürzung der Produktlebenszyklen - Produktbezogene Dienstleistungen - Zunahme von Kooperation

Gesetzliche Anforderungen - Bereitstellung von Produktkonfigurationsdaten

Tabelle 4-10: Strategisch relevante Auswirkungen von RFID

Der durch die Prozessreorganisation erzielbare Nutzen lässt sich nicht allgemein gül-tig angeben. Er hängt von dem individuellen Bedarf der Unternehmen nach Koordi-nation und der durchgeführten Prozessreorganisationen ab. Nicht die Menge der zur Verfügung stehenden Informationen ist entscheidend, sondern deren sinnvolle Ver-wendung. Die Anwender steigern die Integrationstiefe von RFID-Systemen schritt-weise durch Hinzunahme von Objekten in Reihenfolge der Kritizität bis zur Parität von Grenznutzen und -kosten (vgl. Abschnitt 4.3.4). Durch die Reorganisation steigt der Wert der Informationen, da Unternehmen diese zur Unterstützung von Aufgaben des SCMs oder zur Erbringung von Dienstleistungen verwenden. Folglich erhöht die Reorganisation den Grenznutzen der Hinzunahme von Objekten (s. Abbildung 4-14). Dadurch verschiebt sich der maximal mögliche Grenznutzen des RFID-Einsatzes von geschlossenen zu offenen Anwendungen. Allerdings bleibt die sinnvolle Ausweitung von RFID-Systemen begrenzt. Beispielsweise ist der betriebswirtschaftliche Nutzen der lückenlosen Verfolgung einzelner Schrauben fraglich. Des Weiteren werden die Kosten für die Informationsgewinnung auch zukünftig mindestens den Transponder-kosten entsprechen und damit auf absehbare Zeit höher sein als für Papieretiketten. Bei dem in Abbildung 4-14 dargestellten Kurvenverlauf ist hervorzuheben, dass Un-ternehmen ihren erzielbaren Mehrwert von RFID-Systemen durch ihre Integrations- und Reorganisationsleistung bestimmen.115

115 Demnach ist ein Plug&Play-Ansatz nicht ausreichend. Entsprechende kritische Erfolgsfaktoren und Hand-

lungsempfehlungen behandelt die Arbeit in den Abschnitten 5.7.4 und 6.2.

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4.5 Kosten-Nutzen-Bewertung von RFID-Anwendungen 141

Anzahl der Objekte/Informationsgranularität

Grenznutzen

Lokal Global

Systemintegration,Prozessreorganisation

Grenznutzenohne Reorganisation

möglicher Grenznutzennach Reorganisation

Anzahl der Objekte/Informationsgranularität

Grenznutzen

Lokal Global

Systemintegration,Prozessreorganisation

Grenznutzenohne Reorganisation

möglicher Grenznutzennach Reorganisation

Abbildung 4-14: Auswirkungen der Systemintegration und Prozessreorganisation

4.5 Kosten-Nutzen-Bewertung von RFID-Anwendungen

Zur Bestimmung des Mehrwertes von IT-Systemen oder flexiblen Fertigungssyste-men existieren verschiedene Ansätze. Verfahren zur monetären Bewertung, z.B. ROI (Return on Investment), TCO (Total Cost of Ownership) oder die Prozesskostenrech-nung, verfolgen die Berechnung eines positiven oder negativen quantitativen Wertes aus der operativen Perspektive. Strategische Bewertungsverfahren, z.B. Balanced Scorecard oder EVA berücksichtigen außerdem die Auswirkungen auf den Unter-nehmenswert bzw. den Erfüllungsgrad strategischer Vorgaben. Grundsätzlich gilt, dass der Einsatz flexibler Systeme nur dann betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, wenn der aus der Flexibilität gewonnene Nutzen, z.B. Gewinne durch Nutzung von Markt-chancen, geringere Rüstkosten oder mögliche Desinvestitionen, die Kosten, z.B. zu-sätzliche IT-Kosten oder Wartungskosten, übersteigen [vgl. Altrogge 1979]. Die Be-wertung des Mehrwertes eines RFID-Systems ist erschwert, da Nutzeneffekte nicht nur lokal in Form einer messbaren Steigerung der Prozesseffizienz auftreten (sog. Ra-tio-Effekte), sondern auch indirekter Art sein können, wie etwa die Erhöhung von Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit oder eine Reorganisation, z.B. neue Kooperati-onsformen, ermöglichen. Deshalb ist eine exakte Kosten-Nutzen-Bestimmung von RFID-Systemen vor der Einführung selten möglich. Es handelt sich um ein sog. be-wertungsdefektes Problem, bei dem zwar die Kosten exakt quantifizierbar sind, der Nutzen, insb. der indirekte, aber ex ante nicht sicher bestimmbar ist [Adam 1993, 6 f.].

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142 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

Die Bewertung gestaltet sich umso schwieriger, je größer die Integrationsreichweite des Systems ist, da an mehr Stellen Nutzeneffekte entstehen. Ein Verzicht auf eine quantitative Bewertung ist für potenzielle Anwender jedoch unbefriedigend. Deshalb eignet sich eine Abschätzung des Nutzens unter Zuhilfenahme von Annahmen. Dies erfordert eine systematische Analyse möglicher Nutzeneffekte und deren quantitative Bewertung. Folgende Abschnitte beschreiben Anforderungen an geeignete Verfahren zur Durchführung einer Kosten-Nutzen-Abschätzung von RFID-Systemen sowie ein mögliches Vorgehen. Dabei ist zu beachten, dass prinzipiell jedes für IT-Systeme o-der flexible Fertigungssysteme verwendete Verfahren auch für RFID-Systeme im Rahmen der für das spezifische Verfahren bekannten Stärken und Schwächen geeig-net ist. Die Besonderheit bei der Bewertung von RFID-Systemen sind die spezifischen Kosten- und Nutzenfaktoren, auf die sich folgende Ausführungen konzentrieren.

4.5.1 Anforderungen an Bewertungsverfahren und Auswahl

Ex ante durchgeführte Nutzenabschätzungen stützen Entscheidungen bzgl. der Durch-führung oder Zurückstellung von RFID-Projekten. Dabei ist eine vollständige Quanti-fizierung der Nutzeneffekte und die Gegenüberstellung der gesamten Kosten wün-schenswert. In der Bewertung von technologischen Innovationen dominieren quantita-tive Verfahren, wie bspw. die Kapitalwert- (Net Present Value, NPV) oder interne Zinsfußmethode (Internal Rate of Return, IRR), basierend auf Pro-forma-Cashflows, Sensitivitätsanalysen und Bestimmung des Break Evens [Boer 1999]. Die Anwendung dieser Verfahren bereits in der frühen Phase von Innovationen bringt meist keinen Mehrwert, wenn wegen mangelnder Erfahrung die Schätzung von Cashflows mit ho-her Unsicherheit behaftet ist. Stattdessen ist eine strategische Abwägung von Chancen und Risiken notwendig [vgl. Sage 2000, 67]. Dies setzt voraus, dass die Innovation strategische Auswirkungen besitzt. Zum Beispiel wenn sie ein neues Geschäftsmodell unterstützt, die Wettbewerbsfähigkeit steigert oder eine effizientere Organisations-struktur ermöglicht (s. Abschnitt 4.4.). Die Anwendung von Bewertungsverfahren setzt eine Analyse der einzelnen Effekte voraus, z.B. durch Verwendung von Ursa-che-Wirkungsketten.

Ursache-Wirkungsketten zur Analyse der Auswirkungen

Die Bildung von Ursache-Wirkungsketten im SCM verfolgt das Ziel, direkte und indi-rekte Effekte von Maßnahmen, wie bspw. die Einführung eines RFID-Systems, zu identifizieren. Eine quantitative Bewertung ist durch die ggf. mehrstufige Ver-knüpfung mit finanziellen Messgrößen möglich [vgl. Lambert/Pohlen 2001, 13]. Zum Beispiel ist die Verbesserung der Integrationstiefe eine direkte Auswirkung von RFID-Systemen. Die verbesserte Informationsqualität unterstützt SCM-Systeme bei der Durchführung von genauen Prognosen, z.B. des Absatzes, der Maschinenbele-gung oder des Lagerbestandes. Mit besserer Vorausplanung steigt die Effizienz ver-

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4.5 Kosten-Nutzen-Bewertung von RFID-Anwendungen 143

schiedener operativer Prozesse (s. Abbildung 4-15). Beispielsweise führen bessere Absatzprognosen zu einer Steigerung des Lieferservicegrades. Die durch den Kunden wahrgenommene Produktverfügbarkeit erhöht seine Zufriedenheit und wirkt sich po-sitiv auf sein Kaufverhalten aus. Die resultierende höhere Kundenbindung sowie zu-sätzliche Umsätze pro Kunde erhöhen den Gesamtumsatz des Unternehmens.

Prognose-güte

Plan-anpassungen

Kapazitäts-auslastung

Transport-auslastung

Liefer-servicegrad

Sonder-fahrten / Eil-transporte

Produk-tionskosten

Bestands-höhe

Logistik-kosten

Produkt-verfügbarkeit

Kunden-zufriedenheit

Kunden-loyalität

Umsatz pro Kunde

Kapital-bindung

Gesamt-kosten

Gesamt-umsatz

Supply-Chain-Management-Aufgabe

Prozessauswirkungen Kundenauswirkungen Finanzielle Auswirkungen

(+)

(+)

(+)

(+)

(+)

(+)

(+)

(+)

(–)

(–)

(–)

(–)

(–)

(–)

(–)

(+)

Prognose-güte

Plan-anpassungen

Kapazitäts-auslastung

Transport-auslastung

Liefer-servicegrad

Sonder-fahrten / Eil-transporte

Produk-tionskosten

Bestands-höhe

Logistik-kosten

Produkt-verfügbarkeit

Kunden-zufriedenheit

Kunden-loyalität

Umsatz pro Kunde

Kapital-bindung

Gesamt-kosten

Gesamt-umsatz

Supply-Chain-Management-Aufgabe

Prozessauswirkungen Kundenauswirkungen Finanzielle Auswirkungen

(+)

(+)

(+)

(+)

(+)

(+)

(+)

(+)

(–)

(–)

(–)

(–)

(–)

(–)

(–)

(+)

Abbildung 4-15: Ursache-Wirkungskette der Prognosegüte im SCM

(in Anlehnung an [Zeller 2004, 18])

Bewertungsverfahren

In der Praxis finden verschiedene Verfahren zur Bewertung von RFID-Systemen An-wendung, bspw. die Kosten-Nutzen-Vergleichsrechnung [vgl. Tellkamp 2003], TCO (Total Cost of Ownership), die Prozesskostenrechnung [vgl. Subirana et al. 2003] so-wie wertorientierte Verfahren, wie z.B. der Shareholdervalue-Baum [vgl. Alexander et al. 2002b, 8] (s. Tabelle 4-11).

• Die Kosten-Nutzen-Vergleichsrechnung ist ein in der Investitionsrechnung ver-breitetes Verfahren, welches die Investitionssumme sowie die laufenden Zah-lungen den möglichen Desinvestitionen und Gewinnen gegenübergestellt. Meist erfolgt eine Betrachtung der Differenz zwischen Aufwand und Nutzen zum bisherigen Zustand oder zu Investitionsalternativen über einen Zeitraum von mehreren Jahren, um einen durchschnittlichen jährlichen Überschuss bzw. Verlust zu ermitteln.116 Für die Dauer des Betrachtungszeitraums eignet sich

116 Durch Abzinsung der erwarteten Zahlungen berücksichtigen kapitalmarktorientierte Kosten-Nutzen-

Rechnungen, z.B. die NPV-Methode, zusätzlich Opportunitätskosten aus entgangenen Zinserträgen.

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144 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

die Abschreibungsdauer der Investition, bspw. für IT-Systeme zwischen drei und sechs Jahren. In der Praxis ist die Bezeichnung der Amortisationszeit als ROI verbreitet. Allerdings bezeichnet ROI auch die Gesamtkapitalrentabilität, die sich auf unterschiedliche Arten (ROI-Verfahren) berechnen lässt. IT-Pro-jekte streben meist einen Amortisationszeitraum von unter drei Jahren an.

• Das TCO-Verfahren117 berücksichtigt sowohl die direkt als auch die indirekt mit einer Investition über den gesamten Lebenszyklus verbundenen Kosten. Der u.a. zur Beurteilung von abteilungs- oder unternehmensübergreifenden IT-Projekten bzw. zum Management von IT-Infrastrukturen verwendete Ansatz erfasst neben den einmaligen Investitionen (z.B. für Hard- und Software) sowie laufenden Wartungskosten auch mit der Einführung verbundene Infrastruktur- (z.B. Ausbau des Netzwerkes) sowie Lohn- (z.B. Schulungen) und Kapitalkos-ten (z.B. Opportunitätskosten) [vgl. David et al. 2002]. In der praktischen An-wendung besteht das Problem der Identifikation der indirekten Kosten und de-ren Zurechenbarkeit; einheitliche Berechnungsschemata existieren nicht. Die ausschließliche Verwendung des TCO-Verfahrens eignet sich wegen dessen einseitigem Kostenfokus nicht zur Begründung strategischer Entscheidungen [vgl. Klerkx et al. 2004].

• Das Ziel der Prozesskostenrechnung ist die Zurechnung von Kosten (verur-sacht durch Kostentreiber) zu Prozessen bzw. Aktivitäten (s. Abschnitt 2.3.1). Das Verfahren erfasst bei seiner Anwendung zur Bewertung von IT-Systemen die Veränderung der Prozesskosten durch den Einsatz von IT-Systemen. Bei-spielsweise verkürzt der Einsatz von Auto-ID-Systemen den Zeitbedarf der Wareneingangsbuchung. Dies reduziert den Kostentreiber „manueller Auf-wand“. Die Prozesskostenrechnung orientiert sich an Prozessketten anstatt an Abteilungs- oder Unternehmensgrenzen und ermöglicht die Bewertung von kollaborativen SCM-Anwendungen. Allerdings liegt der Schwerpunkt der Be-wertung auf der Prozesseffizienz, weshalb die Prozesskostenrechnung strate-gische Entscheidungen nur durch ihre verursachungsgerechte Kostenzuwei-sung (Kostentransparenz) unterstützt.

• Den Shareholdervalue-Baum verwenden Accenture und IBM zur Darstellung der Nutzeneffekte von RFID-Systemen [Alexander et al. 2002b, 8; Chappell et al. 2002b, 8]. Vergleichbare wertorientierte Verfahren, wie z.B. EVA, sind im SCM etabliert (s. Abschnitt 2.3.1). Diese stellen einen Zusammenhang einzel-ner Kosten- und Nutzeneffekte und der für strategische Entscheidungen rele-

117 Das TCO-Verfahren zur Bewertung von IT-Investitionen hat die Gartner Group (www.gartner.com) in den

90er-Jahren entwickelt [vgl. Emigh 1999].

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4.5 Kosten-Nutzen-Bewertung von RFID-Anwendungen 145

vanten Führungsgröße Unternehmenswert (Shareholdervalue) her. Eine unter-nehmensübergreifende Betrachtung lässt sich durch die Aufsummierung der einzelnen Unternehmenswerte erreichen. Die Aussagekraft des ermittelten Wertbeitrags hängt vom Detaillierungsgrad der erfassten und bewerteten Ein-flussfaktoren ab. Eine Verknüpfung mit der Prozesskostenrechnung steigert den Detaillierungsgrad. Zur Modellierung der Abhängigkeiten zwischen Ein-flussfaktoren und deren wertmäßiger Wirkung eignen sich Ursache-Wirkungs-ketten.

Kosten-Nut-zenvergleich

TCO Prozess-kosten

Shareholder-valuetree

Bewertung von Kosten/Nutzen

Kosten und Nut-zen

Kosten Kosten und Nut-zen

Nutzen

Eignung für lokale Anwendungen

ja Ja ja bedingt

Eignung für globa-le Anwendungen

bedingt Ja ja ja

Strategisches Be-wertungsverfahren

nein ja nein ja

Vorteil einfache Be-rechnung bei lokalen Anwen-dungen, klares Ergebnis

Berücksichtigungaller Kostenfak-toren

genaue Zuord-nung von Kos-ten und Nutzen zum Prozess

Berücksichtigungaller Effekte, kombinierbar mit anderen Verfah-ren

Nachteil Strategische (nicht quantifi-zierte) Potenzi-ale sind nicht darstellbar.

komplexe Be-rechnung, keine einheitliche An-wendung

unzureichende Berücksichtigung strategischer Potenziale

keine einheit-liche Anwen-dung, Aussage-kraft hängt von Genauigkeit der Analyse ab

Tabelle 4-11: Bewertungsverfahren für RFID-Anwendungen im Vergleich

Die beiden folgenden Abschnitte zeigen die Anwendung o.g. Verfahren zur Bewer-tung von lokalen und globalen RFID-Systemen. Dabei bildet die Identifikation von re-levanten Kosten- und Nutzenfaktoren in Abhängigkeit vom Systemtyp sowie der Be-trachtungsperspektive (operativ oder strategisch) den Schwerpunkt.

4.5.2 Bewertung der Nutzeneffekte

Die Bewertung der Nutzeneffekte von RFID-Systemen ist subjektiv, d.h. sie erfolgt aus unterschiedlichen Perspektiven. Während bspw. der lokale Projektmanager am ROI von Einzelprojekten interessiert ist, betrachtet der Supply-Chain-Manager den Mehrwert von RFID-Systemen im gesamten Liefernetzwerk. Letzterer benötigt die Daten der Einzelprojekte. In der Gesamtbetrachtung können auch Projekte, die ein-zeln betrachtet keinen positiven ROI aufweisen, einen Mehrwert erwirtschaften.

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146 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

Bewertung einzelner RFID-Projekte

Nutzeneffekte von RFID-Systemen sind qualitativ oder quantitativ bewertbar. Da die gebräuchlichen Verfahren der Investitionsrechnung, wie z.B. die Kosten-Nutzen-Ver-gleichsrechnung, eine monetäre Größe berechnen, ist eine Quantifizierung der Nut-zenpotenziale anzustreben. Bei Ratio-Potenzialen, z.B. beschleunigter Behälterum-lauf, quantifizieren die resultierenden Kosteneinsparungen den Nutzen, in diesem Bei-spiel die Verringerung des Behälterbestands. Bei den qualitativen Potenzialen wie bspw. die genauere Kenntnis von Behälterbewegungen ist eine Bewertung nur mittels zusätzlicher Annahmen über die Verwendung dieser Information möglich. Denkbar sind Prozessanpassungen, die zur Effizienzsteigerung beitragen. Ein weiteres Hilfs-mittel, das die Identifikation monetärer Auswirkungen unterstützt, ist die Verwendung von Ursache-Wirkungsketten (s. Abschnitt 4.5.1).

Zur Überprüfung der Nachhaltigkeit einer möglichen Investition in RFID-Systeme sind die Nutzeneffekte über mehrere Jahre hinweg zu betrachten. Die Gründe hierfür sind erstens, dass einige Effekte einmalig wirksam werden, wie z.B. die Reduzierung einer Behälterflotte. Zweitens ist ein Vergleich mit den im ersten Jahr getätigten An-fangsinvestitionen nur bei einer Verteilung dieser einmaligen Kosten über mehrere Jahre sinnvoll. Als Zeitraum eignet sich die Abschreibungsperiode der Investition mit deren Kosten der Vergleich erfolgt. Über diesen Zeitraum sind die erwarteten Ein-sparungen sowie Ertragszuwächse nach Art einer Pro-forma-Rechnung des Cash-flows zu ermitteln. Die Annahme, dass bestimmte Einsparungen, wie z.B. die Ein-sparung von manuellem Aufwand oder von Lagerfläche, über den Betrachtungszeit-raum von bis zu sechs Jahren gleich hoch sind, sowie der Verzicht auf die Abzinsung von Zahlungen vereinfacht die Berechnung. Dies schränkt die Aussagekraft bzgl. ei-nes möglichen Mehrwerts des RFID-Einsatzes, entsprechend der Fragestellung dieser Arbeit, nicht ein.

Die Bewertung des Nutzens erfolgt in Anlehnung an [Subirana et al. 2003] prozess-orientiert und bezogen auf die aktuelle (Ist-)Situation. Tabelle 4-12 stellt eine Vorlage zur Durchführung der Nutzenbewertung eines RFID-Projekts dar. Das Schema unter-scheidet zwischen einmaligen und laufenden Einsparungen bzw. Erträgen. Zur weite-ren Detaillierung verwendet das Schema aus der Bilanzanalyse bekannte Positionen, wie z.B. Personalaufwand oder Abschreibungen als Einzelpositionen der laufenden Einsparungen. Den Positionen sind die verschiedenen geplanten Nutzeneffekte, die das RFID-System im Vergleich zur Ist-Situation bewirken soll, zugeordnet. Im darge-stellten Beispiel führen höhere Prozesseffizienz und geringerer Nachbearbeitungs-aufwand zu Einsparungen beim Personalaufwand in Höhe von 500 Euro. Der Ge-samtnutzen errechnet sich durch die Aufsummierung der laufenden Einsparungen und Erträge sowie die durch den Betrachtungszeitraum geteilten einmaligen Effekte. Zur Reduzierung des Risikos von Fehlschätzungen eignet sich die zusätzliche Berechnung

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4.5 Kosten-Nutzen-Bewertung von RFID-Anwendungen 147

eines Worst-Case-Szenarios, das unsichere Positionen, wie insb. die strategischen Fehlerfolgekosten oder die zusätzlichen Erträge, geringer oder gar nicht berück-sichtigt. Aufwendigere Schätzverfahren beschreiben die Nutzeneffekte durch mathe-matische Modelle in Abhängigkeit von Zufallsvariablen und berechnen Ergebnisse durch Simulation.

IST PLAN Einmalige Einsparungen und Erträge (5 Jahre) 151.000 €- Desinvestitionen / Verkauf von Produktionsmitteln - Strategische Fehlerfolgekosten

150.000 €

1.000 €0 €

Laufende Einsparungen (jährlich) 100.000 €- Personalaufwand (manueller Aufwand)

o höhere Prozesseffizienz o geringerer Nachbearbeitungsaufwand

- Material- und Betriebsaufwand o geringere Bestände o geringerer Lagerflächenbedarf

- Abschreibungen / vermiedene Investitionen o geringerer Schwund o geringerer Verschleiß

- Kundenverbindlichkeiten o geringere Kulanzleistungen o geringere Vertragsstrafen

120.000 €

80.000 €

50.000 €

25.000 €

50.000 € 40.000 € 30.000 €

70.000 €7.000 €3.000 €

45.000 €4.000 €1.000 €

10.000 €10.000 €

5.000 €Laufende zusätzliche Erträge (jährlich) 35.000 €- Preiserhöhung bestehender Leistungen - gestiegene Kundennachfrage - neues Geschäftsmodell

0 €10.000 €25.000 €

Gesamtnutzen (jährlich, 5 Jahre) 165.200 €

Tabelle 4-12: Nutzenbewertung von RFID-Projekten mit fiktiven Zahlen118

Bewertung aus Perspektive des SCMs

Aus zwei Gründen kann eine zusätzliche Bewertung von RFID-Systemen aus Pers-pektive des SCMs notwendig sein. Erstens sind einige Effekte erst bei Betrachtung der Gesamtperformanz des Liefernetzwerkes messbar. Zum Beispiel ist die durch zu-verlässigere Sendungszusammenstellung beim Zulieferer erreichte Einhaltung von Lieferterminen gegenüber dem Endkunden nur in der Gesamtbetrachtung sichtbar. Zweitens ist eine Zuordnung von Nutzeneffekten zu den selbstständigen Unternehmen bzw. Abteilungen notwendig, die über die Finanzierung der Infrastruktur entscheiden. Die Bewertung des möglichen Nutzens zuerst auf Projekt- bzw. Einzelunternehmens-ebene und dann die Aggregation in einem Sharholdervalue-Baum zu einer Gesamtbe-trachtung ist hierfür eine mögliche Vorgehensweise. Tabelle 4-13 ordnet verschiedene

118 Die beschriebenen Nutzeneffekte erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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148 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

Nutzeneffekte und Kosten den Wertschöpfungspartnern Zulieferer und Fahrzeugher-steller zu.

Zulieferer Fahrzeughersteller Nutzen - Produktionsautomation

- Sendungszusammenstellung - Lagermanagement - Konfigurationsmanagement - Lieferservicegrad - Produktionsautomation

Kosten - Infrastruktur - Transponder

- Infrastruktur

Tabelle 4-13: Zuordnung von Nutzen und Kosten zu Wertschöpfungspartnern

Abbildung 4-16 aggregiert entsprechend die in der Studie [Fleisch et al. 2004a] er-mittelten subjektiven Einschätzungen zu möglichen Nutzeneffekten, die verschiedene Zulieferer und Fahrzeughersteller angegeben haben. Die meisten Nennungen sind dem Bereich Kostensenkung (entspricht Prozesseffizienzsteigerung) zugeordnet. Teils sind die genannten Aufwandspositionen, wie z.B. Schwund oder Kosten für Rückruf-aktionen, in den Kostenrechnungen der Unternehmen enthalten. Ebenso liegen für Prozesse zunehmend detaillierte Aktivitätsbeschreibungen mit Ressourcenbedarfen vor, welche die Unternehmen z.B. zu Prozess-Benchmarks verwenden [vgl. Luczak et al. 2001]. Auf Basis dieser Informationen lassen sich Einsparungen durch Automati-sierung von Aktivitäten berechnen. Unsicherheit besteht jedoch bzgl. des Ausmaßes der realisierbaren Verbesserungen durch RFID. So ist anzunehmen, dass RFID-Syste-me Fehlerfolgekosten nicht vollständig beseitigen, sondern allenfalls eine Redu-zierung bewirken. Gleiches gilt für die Effekte zur Senkung der Kapitalkosten.

Eine Prozessreorganisation kann den Wirkungsgrad von RFID-Systemen erhöhen o-der ist sogar Voraussetzung. Zum Beispiel kann eine Einschränkung der Transport-routen von Behältern, sodass eine vollständige Erfassung durch eine RFID-Infrastruktur möglich ist, Schwund zuverlässig verhindern. Outsourcing erfordert die Definition neuer zwischenbetrieblicher Prozesse und eines Geschäftsmodells zur Ver-rechnung der Leistungen. Bezüglich der durch neue Geschäftsmodelle erzielbaren zusätzlichen Umsätze, z.B. durch Zusatzdienstleistungen oder höhere Kundenbin-dung, ist ebenfalls von weiteren Faktoren abhängig, insb. vom Kundenbedarf an der neuen Leistung und der Gestaltung des Preismodells.

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4.5 Kosten-Nutzen-Bewertung von RFID-Anwendungen 149

SteigerungUnterneh-menswert

ErhöhungEBDIT

Umsatz-anstieg

Kosten-senkung

SenkungKapital-kosten

+

Senkung Umlauf-

vermögen

Senkung Anlage-

vermögen

+

Höherer Servicegrad (heute: 96 – 99%)

Zusatzdienstleistungen (z.B. Individualisierung)

Höhere Kundenbindung (z.B. durch Prozesszuverlässigkeit)

Schließung von Graumärkten (betrifft 10% der verkauften Ersatzteile)

Höhere Prozesseffizienz (Einsparung von 10 – 30% Produktionskosten)

Vermeidung von Umetikettierungen (bis zu 3 Umetikettierungen / Lieferung)

Reduzierung Fehlerfolgekosten (bei 0,5 – 2% der Lieferungen)

Reduzierung der Rückrufkosten (heute: > 1 Mrd. Euro in Europa)

Reduzierung von Schwund (geringer Schwund tritt auf)

Geringere Sicherheitsbestände (z.B. bis zu 75% Reduzierung am Band)

Reduzierung von Beständen in Transit (z.B. durch verkürzte Bestellzyklen)

Reduzierung von Abschreibungen auf Lagerbestand (Wertverlust beibestimmten Gütern, z.B. Reigen, Chemikalien, Elektronik)

Erwartete Auswirkungen von RFID (Angaben aus der Studie)

+

Erhöhung der Ressourcenauslastung (z.B. im Behältermanagement)

Reduzierung von Schwund (z.B. 4 – 8% Behälterschwund pro Jahr)

Outsourcing des Behältermanagements (Bereitstellung durch LDL)

SteigerungUnterneh-menswert

ErhöhungEBDIT

Umsatz-anstieg

Kosten-senkung

SenkungKapital-kosten

+

Senkung Umlauf-

vermögen

Senkung Anlage-

vermögen

+

Höherer Servicegrad (heute: 96 – 99%)

Zusatzdienstleistungen (z.B. Individualisierung)

Höhere Kundenbindung (z.B. durch Prozesszuverlässigkeit)

Schließung von Graumärkten (betrifft 10% der verkauften Ersatzteile)

Höherer Servicegrad (heute: 96 – 99%)

Zusatzdienstleistungen (z.B. Individualisierung)

Höhere Kundenbindung (z.B. durch Prozesszuverlässigkeit)

Schließung von Graumärkten (betrifft 10% der verkauften Ersatzteile)

Höhere Prozesseffizienz (Einsparung von 10 – 30% Produktionskosten)

Vermeidung von Umetikettierungen (bis zu 3 Umetikettierungen / Lieferung)

Reduzierung Fehlerfolgekosten (bei 0,5 – 2% der Lieferungen)

Reduzierung der Rückrufkosten (heute: > 1 Mrd. Euro in Europa)

Reduzierung von Schwund (geringer Schwund tritt auf)

Höhere Prozesseffizienz (Einsparung von 10 – 30% Produktionskosten)

Vermeidung von Umetikettierungen (bis zu 3 Umetikettierungen / Lieferung)

Reduzierung Fehlerfolgekosten (bei 0,5 – 2% der Lieferungen)

Reduzierung der Rückrufkosten (heute: > 1 Mrd. Euro in Europa)

Reduzierung von Schwund (geringer Schwund tritt auf)

Geringere Sicherheitsbestände (z.B. bis zu 75% Reduzierung am Band)

Reduzierung von Beständen in Transit (z.B. durch verkürzte Bestellzyklen)

Reduzierung von Abschreibungen auf Lagerbestand (Wertverlust beibestimmten Gütern, z.B. Reigen, Chemikalien, Elektronik)

Geringere Sicherheitsbestände (z.B. bis zu 75% Reduzierung am Band)

Reduzierung von Beständen in Transit (z.B. durch verkürzte Bestellzyklen)

Reduzierung von Abschreibungen auf Lagerbestand (Wertverlust beibestimmten Gütern, z.B. Reigen, Chemikalien, Elektronik)

Erwartete Auswirkungen von RFID (Angaben aus der Studie)

+

Erhöhung der Ressourcenauslastung (z.B. im Behältermanagement)

Reduzierung von Schwund (z.B. 4 – 8% Behälterschwund pro Jahr)

Outsourcing des Behältermanagements (Bereitstellung durch LDL)

Erhöhung der Ressourcenauslastung (z.B. im Behältermanagement)

Reduzierung von Schwund (z.B. 4 – 8% Behälterschwund pro Jahr)

Outsourcing des Behältermanagements (Bereitstellung durch LDL) Abbildung 4-16: Shareholdervalue-Baum der RFID-Auswirkungen [Fleisch et al. 2004b]

4.5.3 Bewertung der Kosten

Die Kosten von RFID-Systemen entstehen durch Hardware-Komponenten (Transpon-der, Lesegeräte, Antennen, Verkabelung bzw. WLAN und Server), Software (Middle-ware), Integration, und Wartung [vgl. Dunlap et al. 2003]. Aus der Systemplanung lässt sich ein Mengengerüst der benötigten technischen Komponenten ableiten und die Gesamtkosten durch Multiplikation mit den Stückpreisen ermitteln. Dabei erschweren die Komplexität der logistischen Systeme, die Preisvarianz der technischen Kompo-nenten sowie die Abschätzung der Integrationskosten eine exakte Kostenbestimmung:

Hohe Komplexität besitzen logistische Systeme, die mehrere Wertschöpfungsstufen oder ungeführte Prozesse umfassen. Bei mehreren Wertschöpfungsstufen können un-terschiedliche Systemvoraussetzungen vorhanden sein, z.B. unterschiedliche Fre-quenzbereiche von RFID-Systemen. Verschiedene Infrastrukturgegebenheiten, z.B. das Vorhandensein von WLAN, Internetanschlüssen oder ERP-Systemen, beeinflus-sen die Auswahl geeigneter RFID-Systemkomponenten. Ungeführte Prozesse erfor-dern Flexibilität des RFID-Systems, bspw. weiträumige Infrastrukturabdeckung in Verbindung mit flexibler Steuerungssoftware. Ein Pilotversuch zum Tracking von Be-hältern verdeutlichte einem Fahrzeughersteller die Komplexität der Systemplanung bei ungeführten Prozessen. Trotz RFID-Erfassungsgeräten an allen zuvor anhand der Prozessbeschreibung identifizierten Übergangspunkten zwischen verschiedenen Hal-len wechselten Gestelle ohne Erfassung durch das System den Ort. Es stellte sich her-aus, dass Mitarbeiter anstatt der im Plan vorgesehenen Route eine Abkürzung nahmen.

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150 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

Sinkende Preise von RFID-Systemkomponenten lassen Kostenberechnungen schnell veralten. Ursache hierfür sind technologische Entwicklungen sowie Skaleneffekte. Deshalb ist die Aufstellung von Kostenmodellen sinnvoll, bei denen die Preise der kostenbestimmenden Systemkomponenten austauschbar sind. Dies unterstützt die Durchführung einer Sensitivitätsanalyse zur Ermittlung des Grenzpreises, ab dem das RFID-System wirtschaftlich ist.

Unsicherheit bei der Abschätzung des Integrationsaufwandes besteht wegen fehlender Erfahrung in der Einführung komplexer RFID-Systeme. So lange von Softwareher-stellern angekündigte Middleware-Produkte, die RFID-Systeme mit Plug&Play-Ei-genschaften ausstatten, nicht verfügbar sind, müssen die Anwender individuelle Integ-rationslösungen entwickeln. Ebenso besteht Unsicherheit bzgl. des Nachbesserungs-bedarfs, der sich erst im laufenden Betrieb zeigt, z.B. wenn im Dauerbetrieb Probleme bei der Erfassungszuverlässigkeit auftreten.

Die Kostenstruktur von RFID-Systemen ist mit anderen Auto-ID-Systemen vergleich-bar, die einen Datenträger zur Identifikation verwenden (s. Abschnitt 2.4):

• Datenträgerkosten. Die Kennzeichnung eines Objekts ist auf einem Datenträ-ger, z.B. Papier, Magnetkarte oder Mikrochip, gespeichert. Die Datenträger-kosten hängen von der Beschaffenheit der Datenträger, der Wiederverwend-barkeit sowie der Anzahl der gekennzeichneten Objekte ab.

• Infrastrukturkosten. Zur Infrastruktur gehören die Hardware-Komponenten Antennen, Lesegeräte, Verkabelung bzw. WLAN und Server sowie die Soft-ware (Middleware) und ggf. bezogene Dienstleistungen, wie z.B. die Nutzung extern betriebener Infrastruktursysteme. Der Anteil der Infrastrukturkosten an den Gesamtkosten sinkt mit der Anzahl der erfassten Objekte. Während die Kosten für Hardware-Komponenten proportional zur Ausbreitung der Infra-struktur entstehen, sinkt der Anteil an Software und Dienstleistungen mit der Ausbreitung.

• Integrationskosten. Im engeren Sinne gehören zu den Integrationskosten die Kosten für die Montage und Konfiguration des RFID-Systems sowie die An-passung vorhandener IT-Systeme, wie z.B. die Bereitstellung von Schnittstel-len, Anpassung von Systemkonfigurationen oder von Datenmodellen. Im wei-teren Sinne umfasst die Integration auch das Management des Einführungspro-jekts, Prozessanpassungen und Betriebsunterbrechungen sowie Schulungen.

• Wartungskosten. Zu den Wartungskosten gehören der Kontroll- und Reparatur-aufwand, Ersatz für defekte Hardware und nachträgliche Systemanpassungen. Im Gegensatz zu papierbasierten Identifikationssystemen verursachen RFID-

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4.5 Kosten-Nutzen-Bewertung von RFID-Anwendungen 151

Systeme einen geringeren Wartungsaufwand, da sie weniger Verschleißteile besitzen und keine Nachbefüllung notwendig ist.

Das in Tabelle 4-14 dargestellte Schema zur Durchführung der Kostenberechnung un-terscheidet zwischen einmaligen und laufenden Kosten. Zur Berechnung der jähr-lichen Kosten verteilt das Verfahren die einmaligen Kosten auf den Abschreibungs-zeitraum (analog zur Berechnung des monetären Nutzens, s.o.). Durch geeignete Finan-zierungsmodelle, wie z.B. Kreditfinanzierung durch die Hausbank oder Leasing beim Technologieanbieter, lassen sich einmalige Kosten in laufende umwandeln. Einige Technologieanbieter bieten innovative Finanzierungsmodelle an. Zum Beispiel stellt ein Softwareanbieter seinen Kunden Transponder „kostenlos“ zur Verfügung.119

IST PLAN Einmalige Kosten (Abschreibungsperiode 5 Jahre) 110.500 €- Infrastruktur

o Antennen o Lesegeräte o Middleware o Server o Verkabelung / WLAN

- Datenträger o Wiederverwendbare Datenträger o Spezialummantelung

- Integration o Projektmanagement o Montage / Konfiguration der Hardware o Anpassungen vorhandener Systeme o Prozessanpassungen / Betriebsunterbrechung o Schulung

15.500 € 4.000 €

6.000 €2.500 €2.000 €1.000 €

0 €0 €0 €

95.000 €25.000 €

8.000 €40.000 €10.000 €

2.000 €Laufende Kosten (jährlich) 27.500 € 167.000 €- Datenträger

o Einwegdatenträger o Anbringung

- Wartung o Kontroll- und Reparaturaufwand o Ersatz defekter Hardware o Anpassungen der Konfiguration

- Externe Dienstleistungen o Miete / Leasing o Bezug von Nummernkreisen

2.500 € 1.500 € 1.000 €

25.000 € 20.000 €

5.000 € 0 € 0 € 0 € 0 €

152.000 € 150.000 €

2.000 €15.000 €10.000 €

4.000 €1.000 €

0 €0 €0 €

Zusätzliche Kosten Plansystem (jährlich, 5 Jahre) 161.600 €

Tabelle 4-14: Vorlage für die Kostenbestimmung von RFID-Systemen mit fiktiven Zahlen

Zur Bestimmung des Mehrwerts von RFID-Systemen konzentrieren sich die folgen-den Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen auf die für die jeweilige RFID-Lösung kosten- 119 Die RFID-Infrastruktur bietet das Unternehmen im Rahmen eines Leasing-Modells an [Seeburger 2004].

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152 4 Auswirkungen der Realwelt-Integration in SCM-Systeme

bestimmenden Faktoren Transponder, Infrastruktur und Integration im engeren Sinn. Das Ausmaß des Einflusses dieser Kostenfaktoren auf die Gesamtkosten ist von der Anzahl der Objekte sowie der Wiederverwendbarkeit der Transponder abhängig. Tabelle 4-15 gibt für verschiedene Systemtypen die wesentlichen kostenbestimmen-den Komponenten an.

Wiederverwendbar Nicht wieder verwendbar Wenige Objekte - Infrastruktur und Integration - Infrastruktur, Integration und

Transponder Viele Objekte - Infrastruktur, Integration und

Transponder - Transponder

Tabelle 4-15: Kostenbestimmende Komponenten von RFID-Systemen

Anwendungen mit wiederverwendbaren Transpondern

Bei Wiederverwendbarkeit der Transponder lassen sich deren Kosten der Infrastruktur zuordnen und entsprechend behandeln. Je weniger Objekte das System umfasst, desto mehr dominieren die Infrastrukturkosten. Anwendungen, bei denen die Infrastruktur-kosten höher sind als die Transponderkosten, sind bspw. solche im Produktionsmittel-management, wie z.B. die Ausrüstung von Gabelstaplern oder Spezialgestellen. Bei der Ausrüstung größerer Behälterpools, wie z.B. von Standardbehältern, tragen die Transponder mindestens im gleichen Ausmaß zu den Gesamtkosten bei wie die Infra-struktur.

Offene Anwendungen mit vielen Objekten

Bei offenen Anwendungen mit großer Objektanzahl (Massenanwendungen) ohne Möglichkeit der Wiederverwendung von Transpondern, wie bspw. bei der Ausstat-tung von Einzelteilen, bestimmen die Transponderpreise die Gesamtkosten des Sys-tems. Dies zeigen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen zum RFID-Einsatz im Liefer-netzwerk des Handels [vgl. Metro 2004]. Deshalb liefert eine Kosten-Nutzen-Betrachtung, die ausschließlich die Transponderpreise berücksichtigt, eine akzeptable Näherungslösung. Durch Gegenüberstellung der über den Lebenszyklus des Objekts aufsummierten Nutzenpotenziale (z.B. gesamte Zeitersparnis durch automatische I-dentifikation) lässt sich ein Grenzpreis pro Transponder bestimmen, bei dessen Über-schreiten die Anwendung unwirtschaftlich ist. Beispiele für Anwendungen mit weni-gen Objekten ohne Wiederverwendung der Transponder sind dem Autor nicht be-kannt.

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5.1 Auswahl und Aufbereitung von Fallstudien 153

5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis

Die fünf in diesem Kapitel dargestellten Fallstudien bewerten Nutzeneffekte und Kos-ten des RFID-Einsatzes anhand verschiedener Anwendungen. Dabei handelt es sich um Einzelbeispiele, die jeweils unterschiedliche Einsatzbedingungen und RFID-Lö-sungen aufzeigen. Die in den Projekten dargestellten Prozessauswirkungen fundieren die im Erklärungsmodell postulierten Auswirkungen von RFID (s. Kapitel 4). Da sich die Fallstudien nicht auf den aktuellen Stand der RFID-Systeme beschränken, sondern auch zukünftige Ausbaupläne entsprechend des Diffusionsmodells (s. Abschnitt 4.3) beschreiben, ist eine Ableitung von Effekten zweiter und dritter Ordnung möglich. Der folgende Abschnitt beschreibt die Kriterien zur Auswahl der Fallstudien und den für die anschließende Aufbereitung verwendeten Strukturierungsrahmen. Nach der Einzeldarstellung der Fallstudien folgen eine zusammenfassende Analyse der identifi-zierten Effekte erster, zweiter und dritter Ordnung sowie die Einordnung der Anwen-dungen in das Diffusionsmodell (vgl. Abschnitt 4.3). Abschließend leitet dieses Ka-pitel aus den Erfahrungen, die Unternehmen im Rahmen der untersuchten RFID-Pro-jekte gesammelt haben, durch Generalisierung kritische Erfolgsfaktoren ab.

5.1 Auswahl und Aufbereitung von Fallstudien

Die nachfolgend beschriebenen Auswahlkriterien unterstützen die Aussagekraft der Fallstudien zur Beurteilung des Mehrwertes von RFID im SCM der Automobilindus-trie. Die Aufbereitung der Ergebnisse gemäß einem Strukturierungsrahmen erleichtert die vergleichende Betrachtung. Vor der detaillierten Darstellung der Fallstudien folgt ein Überblick der betrachteten RFID-Projekte.

5.1.1 Kriterien der Auswahl

Die Erhebung der Fallstudien konzentrierte sich auf große Unternehmen der europä-ischen Automobilindustrie, d.h. Zulieferer, Fahrzeughersteller und LDL. Dieses Aus-wahlkriterium unterstellt, dass große Unternehmen aufgrund ihrer fokalen Stellung im Liefernetzwerk die Standardisierung und Verbreitung der RFID-Technologie voran-treiben, während kleinere Unternehmen eher die Existenz von Standards abwarten.

Durch Pilotanwendungen oder operative Anwendungen gewonnene Erfahrungen mit der Anwendung von RFID-Systemen waren eine Voraussetzung für die Eignung von Unternehmen zur Erhebung einer Fallstudie. Vorhandene Erfahrungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass die Projekte zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit geeignet sind und nicht nur auf die technische Machbarkeit fokussieren. Die falsche Ein-schätzung der technischen Möglichkeiten von RFID-Systemen ist derzeit ein Grund für das Scheitern von RFID-Projekten (vgl. Abschnitt 3.4.3).

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154 5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis

Die untersuchten RFID-Projekte fokussieren auf die Durchführung einer Wirtschaft-lichkeitsanalyse. Bei einigen Fallstudien befindet sich die RFID-Technologie im pro-totypischen Einsatz. Die Verwendung derartiger Fallstudien ist bspw. im Rahmen der Prototypenforschung in der Wirtschaftsinformatik üblich [vgl. Scheer 2003]. Für die Auswahl von Pilotanwendungen in dieser Arbeit war entscheidend, dass diese neben dem Nachweis der technischen Machbarkeit auch eine Kosten-Nutzen-Analyse er-möglichten.

Die in den Fallstudien beschriebenen RFID-Projekte verfolgen eine nachhaltige Pro-zessinnovation. Das heißt sie beinhalten neuartige Lösungen, die ein Potenzial zur Steigerung der Prozesseffizienz oder -qualität bzw. Änderung der Prozesse oder Ge-schäftsmodelle besitzen. Dies umfasst bspw. Anwendungen im Behältermanagement und zur Materialflussverfolgung, nicht jedoch den seit mehr als zehn Jahren in der Automobilindustrie praktizierten Einsatz von RFID zur Überwachung des Fertigungs-fortschritts. Die Lösungen sollen auf andere Unternehmen der Automobilindustrie, welche die gleichen Prozesse verwenden, übertragbar sein. Potenzielle Anwender von RFID in verwandten Gebieten, z.B. im SCM anderer Branchen, haben die Möglich-keit, die Erkenntnisse durch erfahrungsbasierte Generalisierung auch für ihre Anwen-dungen zu nutzen [vgl. Stake, 85 ff.].

Die untersuchten Anwendungen unterscheiden sich in den mit RFID gekennzeichne-ten logistischen Objekten und den unterstützten Prozessen. Die Anwendungen lassen sich unterschiedlichen Ausbaustufen des RFID-Diffusionsmodells zuordnen. Sie stel-len Referenzlösungen dar, aus denen sich für die entsprechende Ausbaustufe geltende (situative) Anforderungen ableiten lassen.

Die RFID-Systeme kommen zur Unterstützung von gemäß heutigem Stand „gut“ or-ganisierter Prozesse zum Einsatz. Dies soll gewährleisten, dass gemessene Nutzen-effekte auf den RFID-Einsatz zurückzuführen und nicht auf anderem Weg, z.B. aus-schließlich durch Maßnahmen der Prozessreorganisation, erreichbar sind. Hiervon zu unterscheiden sind Prozessreorganisationen, die erst durch den Einsatz von RFID möglich werden und somit als Nutzeneffekt der Technologie zu betrachten sind.

Die Möglichkeit der Involvierung des Autors bei den Projekten über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr zur Beobachtung, gemeinsamen Reflexion mit den Pro-jektbeteiligten und Gestaltung der Projektergebnisse unterstützte die Validierung des Erklärungs- und des Beschreibungsmodells durch deren praktische Anwendung sowie die Ableitung kritischer Erfolgsfaktoren.

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5.1 Auswahl und Aufbereitung von Fallstudien 155

5.1.2 Durchführung der Fallstudien und Struktur der Aufbereitung

Jede Fallstudie basiert auf mehreren Experteninterviews mit Projektbeteiligten.120 Die Verwendung eines Interviewleitfadens, den die Interviewpartner vor Durchführung des Interviews erhielten, erleichterte die strukturierte und vollständige Erfassung der relevanten Daten. Interviews mit weiteren Projektbeteiligten, z.B. aus anderen Abtei-lungen, oder später durchgeführte Anschlussinterviews ergänzten die Angaben aus dem Erstinterview. Der Interviewleitfaden und die Aufbereitung verwenden die glei-che Struktur, deren Elemente nachfolgend beschrieben sind.

Ausgangslage und Handlungsbedarf. Die Untersuchung beginnt mit der Beschreibung der Ausgangssituation, die dem Leser einen Überblick über das Anwendungsgebiet, die zu unterstützenden Prozesse und Ziele des RFID-Einsatzes vermittelt. Die Be-schreibung motiviert den Handlungsbedarf zur Einführung von RFID durch konkrete Verbesserungspotenziale, die Prozessverantwortliche identifiziert haben.

Prozessbeschreibung zur Identifikation möglicher Nutzeneffekte. Die Fallstudien stel-len die untersuchten Prozesse als Aufgabenkettendiagramme dar.121 Die Darstellung konzentriert sich auf die Aktivitäten des Materialflusses, die das mit RFID ausgestat-tete Objekt betreffen. Der Detaillierungsgrad ist so gewählt, dass insb. die Aktivitäten einzeln sichtbar sind, bei denen RFID zum Einsatz kommt, während andere Aktivitä-ten aggregiert dargestellt sind.

RFID-Lösung und Umsetzungsstatus. Die RFID-Lösung zeigt den Beitrag der Tech-nologie zum Erreichen der durch den Handlungsbedarf vorgegebenen Ziele. Die Lö-sungsbeschreibung beinhaltet Angaben zu dem verwendeten RFID-System, dessen In-tegration mit anderen IT-Systemen, ausgelösten Prozessänderungen, dem Status des RFID Projekts sowie subjektiven Erfahrungen der Projektbeteiligten.

Kosten-Nutzen-Bewertung. Die Bewertung der RFID-Lösungen erfolgt anhand einer Kosten-Nutzen-Vergleichsrechnung (s. Abschnitt 4.5.2). Da zum Zeitpunkt der Auf-nahme der Fallstudien noch keine Daten über den operativen Betrieb vorlagen, ver-wendet die Bewertung prototypisch gewonnene Daten, um Annahmen bzgl. der Nut-zenpotenziale von RFID für die untersuchte Anwendung abzuleiten. Die quantitative Kosten-Nutzen-Rechnung berücksichtigt nur solche Nutzenpotenziale, zu deren Be-wertung Projektbeteiligte aus den Unternehmen veröffentlichbare Angaben gemacht haben. Darüber hinaus sind jeweils auch qualitative (nicht quantifizierte) Nutzen-

120 Das Vorgehen bei der Erstellung der Fallstudien orientiert sich in wesentlichen Elementen an [Yin 1994].

Ein Verzeichnis aller Experteninterviews befindet sich in Anhang C.

121 Die verwendete Notation ist angelehnt an die Methode PROMET [vgl. Österle 1996, 223 f.].

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156 5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis

potenziale aufgeführt.122 Falls der Leser für eine ähnliche Anwendung eine Nutzen-rechnung aufstellen möchte, kann er die Nutzenpotenziale anhand der Kenntnis seiner Situation bewerten und in die Berechnung einbeziehen. Die Kosten-Nutzen-Bewer-tung ist um die Betrachtung von Risiken ergänzt.

Ausblick. Die Fallstudien schließen mit einem möglichen Entwicklungspfad des RFID-Einsatzes bzgl. der untersuchten Anwendung. Hierzu zählen Pläne für die Aus-rollung der untersuchten Piloten sowie geplante Ausbaustufen zur Erweiterung der Funktionalität.

5.1.3 Überblick

Dieses Kapitel behandelt fünf Projekte, bei denen RFID-Systeme in Verbindung mit unterschiedlichen Logistikobjekten und betrieblichen Aufgaben zum Einsatz kommen (s. Tabelle 5-1).

Objekt Prozesse / Aufgaben Unternehmen Spezialbehälter Behältermanagement, Bereitstellung,

Inventur Volkswagen

Standardbehälter CKD-Versand, Behältermanagement, Bereitstellung, Inventur

Volkswagen, ISAR

Kleinladungsträger (KLT)

Teileversorgung, Umschlag, Versand-kontrolle, Wareneingangskontrolle

ISAR, Logistikdienst-leister123

Packstück CKD-Versand, Versandkontrolle BLG IL, ISAR Reifen Distribution, Montage, Dokumentation,

Rückruf Continental

Tabelle 5-1: Übersicht der Fallstudien

Zwei Fallstudien untersuchen den Einsatz von RFID im Behältermanagement, wobei es sich in einem Fall um lokal verwendete Spezialladungsträger und im anderen um im Überseeverkehr (CKD-Prozess) eingesetzte Standardbehälter handelt. Beide Pro-jekte verfolgen das Ziel mittels Visibilität der Behälterbestände und -bewegungen eine bessere Auslastung und Verfügbarkeit zu erreichen. Ein weiteres Projekt, das sich mit der Verfolgung von KLTs beschäftigt, fokussiert auf die Überwachung des Materialflusses und Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung durch automatische Wa-reneingangskontrollen sowie Vermeidung mehrfacher Etikettierungen. Zur Eliminie-rung von Fehlern im Materialfluss bzw. um aufwendige manuelle Kontrollen zu ver-meiden, überprüfte der Logistikdienstleister BLG IL im Rahmen eines Pilotprojektes die Verwendung von RFID-Etiketten zur Kennzeichnung von Packstücken und Si-

122 Zum Beispiel wollten einige Unternehmen aus Wettbewerbsgründen quantitative Angaben zu ihren Prozes-

sen nicht veröffentlichen. 123 Der Logistikdienstleister führt im Auftrag von VW den Umschlag von KLTs durch.

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5.2 Management von Spezialgestellen bei Volkswagen 157

cherstellung der korrekten Sendungszusammenstellung. Continental evaluierte in ei-nem Konzept den möglichen Mehrwert des Einsatzes von RFID zur Kennzeichnung von Reifen in der Belieferung der Fahrzeughersteller und berücksichtigte auch Ef-fizienzsteigerungen durch automatische Dokumentation der Montage beim Fahrzeug-hersteller. Die Arbeitsgruppe ISAR begleitete die RFID-Projekte zum Management von Standardbehältern im CKD-Prozess bei Volkwagen, zur Kontrolle der Sendungs-zusammenstellung bei der BLG IL und zu RFID-KLTs.

5.2 Management von Spezialgestellen bei Volkswagen

Der Automobilhersteller Volkswagen (VW) nutzt ein RFID-System für die Verfol-gung von teuren Spezialgestellen, die für den Transport von Pressteilen zum Einsatz kommen. Die automatische Erfassung der Behälterbewegungen soll helfen, den Be-hälterumlauf zu beschleunigen, Suchaktionen oder Verzögerungen in der Produktion wegen fehlender Behälter zu vermeiden und den Behälterbestand insg. zu reduzieren. Falls das derzeit für die Fertigung des Fahrzeugmodells Golf V verwendete System den erwarteten Nutzen erzielt, soll es zukünftig auch in anderen Fertigungsbereichen und Behältertypen zum Einsatz kommen.

5.2.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf

Für den Transport von empfindlichen Pressteilen (z.B. Tür oder Motorhaube) verwen-det VW Spezialgestelle, die durch spezielle Haltevorrichtungen an einzelne Fahrzeug-modelle und Teiletypen angepasst sind. Die Gestelle kosten zwischen 500 und 1.500 Euro pro Stück. Sie werden benötigt, um Karosserieteile im Presswerk in Wolfsburg abzuholen und zur Rohbaumontage in verschiedene Fertigungswerke zu bringen. Stehen die Gestelle nicht in ausreichendem Menge entsprechend der geplan-ten Fertigungslosgröße zur Verfügung, müssen die Mitarbeiter die Produktion unter-brechen oder gar beenden. In Ausnahmefällen erfolgt die Lagerung oder der Versand der gepressten Teile in Sonderverpackung (Einwegverpackung).

Bisher fehlen zuverlässige Informationen über die jeweiligen Bestände dieser Gestel-le, die an drei Fertigungsstandorten in Europa zum Einsatz kommen. Zwar verwendet VW die selbst entwickelte Software LISON (Ladungsträgerinformationssystem On-line) zur Verwaltung der Behälterbestände, aber die Daten im System stimmen häufig nicht mit der Realität überein, da Fehler bei der manuellen Datenerfassung auftreten.

Das Management von Spezialladungsträgern möchte VW aus folgenden Gründen ef-fizienter gestalten:

• Jährlich verschwinden durchschnittlich 5 % der Gestelle aus dem Kreislauf. Die vermuteten Ursachen hierfür sind, dass die Gestelle z.B. bei Spediteuren falsch abgestellt oder einer nicht sachgemäßen Nutzung zugeführt wurden.

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158 5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis

• Regelmäßig müssen Mitarbeiter Behälter suchen. Die Behälter sind bis zu ih-rem Auffinden unproduktiv und nehmen Lagerfläche in Anspruch.

• Um einen zuverlässigen Überblick über den Behälterbestand zu erhalten, sind manuelle Inventuren notwendig, da bei der Rückführung der Behälter in den Pool keine exakten Zählungen erfolgen.

• Es treten Fehler beim Versand auf. Als Folge erreichen Lieferungen den Be-stimmungsort verspätet oder verursachen zusätzliche Kosten wegen Nach-lieferungen, Sonderfahrten, Sonderverpackungen oder Produktionsausfällen.

5.2.2 Prozess Einsatz von Spezialladungsträgern

Der Prozess des Einsatzes von Spezialladungsträgern (s. Abbildung 5-1) beginnt mit der Beschaffung und Bereitstellung der Ladungsträger. Es folgt die Verpackungs- und Versandabwicklung im Presswerk, der Wareneingang im Montagewerk und die Rück-führung der leeren Spezialbehälter durch die Werkslogistik. Folgende Abschnitte be-schreiben die Teilprozesse des Behälterflusses sowie Verbesserungsmöglichkeiten.

o o

MONTAGEWERKPRESSWERK WERKSLOGISTIK

Spezialladungs-träger suchen

Beschaffung derSpezialladungsträger

Etikettierung

Bereitstellung zur Abholung

Bereitstellung im Presswerk

Transport zum Montagewerk

Wareneingangs-buchung

Entladung der Pressteile

Sammlung leererSpezialladungsträger

Rückführung Leergut

Reinigen und Reparieren

Bestandeinbuchen

Produktionunterbrechen

Beladung mit Pressteilen

Inventur

Legende

Aufgabe

IT-gestützte Aufgabe

direkte AbfolgeAbfolge mit zeitlicherUnterbrechung

Nutzeneffekte durchRFID möglich

o oder

Ersatzver-packung

o o

MONTAGEWERKPRESSWERK WERKSLOGISTIK

Spezialladungs-träger suchen

Beschaffung derSpezialladungsträger

Etikettierung

Bereitstellung zur Abholung

Bereitstellung im Presswerk

Transport zum Montagewerk

Wareneingangs-buchung

Entladung der Pressteile

Sammlung leererSpezialladungsträger

Rückführung Leergut

Reinigen und Reparieren

Bestandeinbuchen

Produktionunterbrechen

Beladung mit Pressteilen

Inventur

Legende

Aufgabe

IT-gestützte Aufgabe

direkte AbfolgeAbfolge mit zeitlicherUnterbrechung

Nutzeneffekte durchRFID möglich

o oder

Ersatzver-packung

Abbildung 5-1: Prozess Einsatz von Spezialladungsträgern bei VW124

124 Die dargestellten Prozessschritte sind ein auf den Behälterkreislauf fokussierender Ausschnitt des Gesamt-

prozesses.

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5.2 Management von Spezialgestellen bei Volkswagen 159

Bereitstellung von Spezialladungsträgern

Bei Neueinführung eines Fahrzeugmodells plant die Fertigung den Bedarf an Spezial-behältern und beauftragt die Werkslogistik mit der Beschaffung (Verursacher-Prin-zip). Die Bedarfsermittlung erfolgt gemäß den Produktionsvorgaben, sodass die Wahrscheinlichkeit von Störungen wegen fehlender Behälter möglichst gering ist. Beim Eintreffen neuer Behälter führt die Werkslogistik eine Kontrolle durch, die durchschnittlich 0,3 Minuten pro Behälter dauert. Den Bestand verwaltet die Werkslo-gistik mit der Software LISON. Derzeit besitzen die Behälter keine Kennzeichnung.

Verpackungs- und Versandabwicklung

Die im Presswerk hergestellten Karosserieteile stellen die Mitarbeiter direkt in die da-für vorgesehenen Spezialladungsträger, da an der Fertigungsmaschine nur wenig Stauraum besteht. Es kommt vor, dass Mitarbeiter zuerst nach passenden Ladungsträ-gern suchen oder teure Ersatzverpackung (Einwegverpackung) verwenden müssen. In seltenen Fällen ist eine Unterbrechung der Produktion notwendig. Bei permanenter Verfügbarkeit von Spezialladungsträgern könnte die Maschinenlaufzeit um 150 Stun-den pro Jahr erhöht werden.125 Nach der Beladung erfolgt die Etikettierung der La-dungsträger. Mitarbeiter drucken sog. A-, B- und C-Belege und befestigen diese an den Klemmbrettern der Behälter. Dies dauert ca. 0,2 Minuten pro Gestell. Anschlie-ßend übergeben sie die Lieferung zum Versand an die Werkslogistik.126

Wareneingang im Montagewerk

Die Werkslogistik liefert die Karosserieteile im Just-in-time-Verfahren an das Monta-gewerk. Dort buchen Mitarbeiter die Warenlieferung ein. Die Wareneingangsprüfung dauert ca. 0,3 Minuten pro Gestell. In seltenen Fällen auftretende Falschlieferungen re-tournieren die Mitarbeiter an den Absender.

Rückführung der leeren Spezialladungsträger

Die leeren Behälter holen die Werkslogistiker ab und bereiten sie durch Reinigung und ggf. Reparaturen auf weitere Einsätze vor. Gelegentlich führen Mitarbeiter Inven-turen des Bestandes durch, indem sie die verfügbaren Ladungsträger manuell zählen. Die auf den Leergutsammelplätzen in Wolfsburg abgestellten Gestelle zählen Mitar-beiter einmal pro Tag. Eine vollständige Behälterinventur in allen Werken findet jähr-lich statt. Dabei hat VW festgestellt, dass der Bestand über die Zeit kontinuierlich ab-nimmt. Der Schwund beträgt ca. 5 % pro Jahr.

125 Hierbei handelt es sich um eine konservative Schätzung. 126 Gegebenenfalls beauftragt die Werkslogistik eine Spedition mit dem Versand.

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160 5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis

5.2.3 Management der Behälter mit „LISON“ und „VisuM“

Das geplante System sieht eine Ausstattung der zum Transport von Karosserieteilen verwendeten Spezialladungsträger mit Transpondern, die einen Datenspeicher von 8 Kilobyte besitzen, und die Anbindung an das Behältermanagementsystem LISON vor. Das aktive RFID-System127 verwendet die Frequenz von 868 MHz (UHF), die VW auch zukünftig bei aktiven RFID-Installationen standardmäßig verwenden wird. Er-fassungsstationen befinden sich an den für den Materialfluss relevanten Durchgängen, wie z.B. Ein- und Ausgängen der Werkshallen. Die Anbindung an das Unternehmens-netzwerk erfolgt sowohl terrestrisch (Ethernet: Kupfer oder Lichtwellenleiter) als auch per WLAN. Um das Kommunikationsnetzwerk möglichst wenig zu belasten, filtern die Erfassungsgeräte mehrfache Erfassungen des gleichen Vorgangs aus.

Die von VW selbst entwickelte Middleware VisuM (Visualisierung und Map Mat-ching) sammelt die Nachrichten der Erfassungsstationen (Gates). Die Aufgaben von VisuM sind:

• Festhalten von Uhrzeit, Ortsbestimmung, Batteriestatus und Onlinezustand je-des Objekts

• Historien-Verwaltung

• Objekt-bezogene Visualisierung der gesammelten Daten

• Mapping zwischen Transpondern und Objekt-Referenzen übergeordneter Sys-teme

Beispiel:Behältertyp, ContainerID

Gate Gate Gate Gate Gate

VisuMAuto-ID Middleware

LISON(Ladungs-

träger) Stamm-daten

GW(Geschäfts-

wagen) Stamm-daten

CarPo(Fertigung)

Stamm-daten

Moni-toringClient

CarPo = Car PositioningLISON = Ladungsträgerinfor-

mationssystem Online

Beispiel:Behältertyp, ContainerID

Gate Gate Gate Gate Gate

VisuMAuto-ID Middleware

LISON(Ladungs-

träger) Stamm-daten

GW(Geschäfts-

wagen) Stamm-daten

CarPo(Fertigung)

Stamm-daten

Moni-toringClient

Beispiel:Behältertyp, ContainerID

Gate Gate Gate Gate Gate

VisuMAuto-ID Middleware

LISON(Ladungs-

träger) Stamm-daten

GW(Geschäfts-

wagen) Stamm-daten

CarPo(Fertigung)

Stamm-daten

Moni-toringClient

CarPo = Car PositioningLISON = Ladungsträgerinfor-

mationssystem Online Abbildung 5-2: Aufbau des RFID-Systems bei VW, Quelle: VW

127 Hersteller des Systems ist die Firma Identec Solutions, www.identecsolutions.at.

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5.2 Management von Spezialgestellen bei Volkswagen 161

In einem ersten Schritt hat VW das System mit 560 Spezialladungsträgern, die in der Golf-Fertigung eingesetzt werden, über eine Laufzeit von zwei Jahren getestet. In die-ser Zeit sammelten die Projektverantwortlichen Erfahrungen in der Konfiguration der Erfassungsgeräte und stellten hiermit das zuverlässige Funktionieren des Systems si-cher. Anschließend führte VW eine Kosten-Nutzen-Betrachtung für eine Einbezieh-ung weiterer Behälter in das System durch, deren Ergebnisse nachfolgender Abschnitt beschreibt.

5.2.4 Kosten-Nutzen-Bewertung

Das RFID-System automatisiert die Überwachung des Behälterbestandes und liefert aktuelle Positionsdaten zu den Spezialladungsträgern, ohne dass ein zusätzlicher ma-nueller Aufwand durch dessen Betrieb entsteht. Mit diesen Informationen, die in der Anwendung LISON zu Verfügung stehen, kann VW

• den Umlauf der Behälter durch den Rückruf „vergessener Behälter“ beschleu-nigen;

• die Lokalisierung verschwundener Behälter und hierdurch die Reduzierung des Schwunds bewerkstelligen;

• manuelle Vorgänge im Rahmen von Inventuren, Qualitätskontrollen und der Bearbeitung des warenbegleitenden Informationsflusses einsparen;

• Fehler beim Versand durch automatische Versandkontrolle vermeiden.

Die in Tabelle 5-2 dargestellten Kosteneinsparungen beziehen sich auf die Ausstat-tung von 600.000 Behältern im Werk Wolfsburg. Unter Berücksichtigung der Kosten für das RFID-System ergibt sich bei einer Abschreibungsfrist von drei Jahren ein jähr-liches Einsparungspotenzial von ca. 1,8 Mio. Euro bei einer unterjährigen Amorti-sationszeit. Bei der Bewertung sind die folgenden Risiken zu berücksichtigen:

• VW hat die Anwendung bisher nur im Pilotbetrieb mit 560 Spezialladungsträ-gern getestet. Die Zuverlässigkeit im Dauerbetrieb ist noch nicht erwiesen.

• Eine Verfolgung der Behälter ließe sich evtl. auch mit einer anderen Technolo-gie zu geringeren Kosten realisieren. Maßgebliche Gründe für die Konzen-tration auf RFID waren die höhere Zuverlässigkeit des RFID-Systems, die mögliche Verknüpfung warenbegleitender Informationen mit den Behältern und die Potenziale, die in RFID als möglicher „Standardtechnologie“ im Be-hältermanagement liegen.

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162 5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis

IST PLAN

Annahmen - Anzahl der Behälter - Preis pro Behälter - Anzahl durchschn. Umläufe pro Behälter und Jahr - Schwund bezogen auf den Gesamtbestand pro Jahr - Maschinenstillstand wg. fehlender Behälter pro Jahr - Dauer Etikettierung und WE-Buchung pro Behälter - Dauer Inventur pro Jahr - Bearbeitungsaufwand wg. Versandfehlern pro Jahr - Kosten für Ersatzverpackung pro Jahr - Kosten für 1 Minute Arbeitszeit - Kosten für 1 Minute Maschinenstillstand

600.000 500 €

6 5 %

150 Stunden 0,5 Minuten

3.000 Stunden 1.000 Stunden

220.000 € 0,35 € 4,20 €

552.000500 €

6,50 %

0 Stunden0 Minuten0 Stunden0 Stunden

0 €0,35 €4,20 €

Einmalige Einsparungen 4.000.000 €- Reduzierung des Behälterbedarfs um 8 % 4.000.000 €

Laufende Einsparungen (pro Jahr) 15.971.800 €- Beseitigung von Schwund - Einsparungen manueller Datenerfassungsaufwand - Einsparungen durch reduzierten Maschinenstillstand128

- Sonstige Fehlerfolgekosten (Ersatzverpackungen, Nachbearbeitungsaufwand)

15.000.000 €693.000 €

37.800 €241.000 €

Einmalige Kosten (Abschreibungsfrist 3 Jahre) 5.466.667 €- Transponder (Stückpreis inkl. Montage: 25 €) - Erfassungsgeräte (Stückpreis inkl. Montage: 2.400 €)- Installation, Konfiguration der Erfassungsgeräte - Sonstiger Integrationsaufwand

15.000.000 €1.200.000 €

150.000 €50.000 €

Laufende Kosten (pro Jahr) 15.000 €- Wartung 15.000 €

Gesamtergebnis (pro Jahr in den ersten 3 Jahren, ohne einmalige Einsparungen)

10.490.133 €

Tabelle 5-2: Kosten-Nutzen-Bewertung von RFID im Spezialbehältermanagement129

5.2.5 Ausblick

VW hat zur Einführung des Fahrzeugmodells Golf V mit der Ausstattung von ca. 13.000 Spezialladungsträgern mit Transpondern begonnen. Diese Phase ist noch als Probebetrieb zu bewerten. Erst wenn sich hierbei die rechnerisch ermittelten Nutzen-potenziale bestätigen, wird VW in einem nächsten Schritt alle Golf-V-Spezialbehälter 128 Diese Kosten beziehen sich auf den notwendigen zusätzlichen Arbeitsaufwand, spätere Fehlerfolgekosten,

z.B. durch Planabweichungen in der Fahrzeugproduktion, sind nicht enthalten. 129 Die vom Autor durchgeführte Berechnung basiert auf mit VW abgestimmten Annahmen und entspricht im

Gesamtergebnis einer durch VW durchgeführten detaillierten Kosten-Nutzen-Analyse.

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5.3 Management von Standardbehältern bei Volkswagen 163

mit Transpondern ausrüsten (ca. 50.000). Weitere Ausbaustufen sind die Ausrüstung aller Spezialladungsträger von VW (ca. 600.000) und die Erweiterung des Systems um eine Funktion zur mobilen Inventur.

Ausbaustufe 1 – Einbeziehung aller konzernweit im Einsatz befindlichen Spezial-ladungsträger: Wenn sich das RFID-System in der Golf-Fertigung als technisch stabil erweist und die erwarteten Einsparungen im Behältermanagement realisiert werden, möchte VW das System für alle Spezialladungsträger des Konzerns einsetzen. Den Bestand an Spezialladungsträgern schätzt VW auf ca. 600.000.

Ausbaustufe 2 – Aufbau eines Systems zu mobilen Inventur mit GPS: Mit dem RFID-System kann VW eine genaue Positionsbestimmung nur dann vornehmen, wenn sich die mit Transpondern ausgerüsteten Behälter im Bereich der Erfassungsstationen be-finden. Um die Ladungsträger auch außerhalb der Werkshallen lokalisieren zu kön-nen, möchte VW mobile Erfassungsstationen einsetzen, die ihre Positionsdaten mit-hilfe eines GPS-Moduls ermitteln und zusammen mit den erfassten Daten per WLAN übermitteln können. In Verbindung mit dem sog. Rollcall-Verfahren, bei dem alle Transponder, die sich im Bereich einer Erfassungsstation befinden, ihre ID melden, wird eine mobile Inventur130 möglich.

5.3 Management von Standardbehältern bei Volkswagen

VW testet auch den Einsatz von RFID zum Management von Mehrwegbehältern, die der Konzern zum Versand von Bauteilen an die überseeischen Werke verwendet. Die automatische Identifikation soll helfen, den Behälterschwund zu reduzieren, die Pro-zesseffizienz durch automatisierte Zähl- und Datenerfassungsvorgänge zu verbessern und die Prozesssicherheit durch vollständige Kontrolle in Verpackung und Versand zu erhöhen. Die genaueren Daten über die Behälterbewegungen möchte VW als Basis für ein Mietmodell verwenden, das zukünftig auch externen Partnern die Nutzung der Behälter gegen Gebühr ermöglichen kann.

5.3.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf

VW fertigt jährlich mehr als eine Million Fahrzeuge in den überseeischen Werken in Brasilien, China, Mexiko und Südafrika. Für den logistischen Prozess zur Versorgung der Produktionsstätten in Übersee mit Teilen, die nicht im heimischen Markt im Rah-men des Local Content geordert werden können, sondern von der Muttergesellschaft (Eigenfertigungsteile) oder den kontinentalen Lieferanten (Kaufteile) bezogen wer-den, ist bei VW die Organisationseinheit „Überseelogistik“ (oder CKD) verantwort-lich. Die Gesamtmenge der im Jahr 2003 im Rahmen des CKD-Prozesses umgeschla-

130 Das Verfahren ist als deutsches Patent DE 100 54 320 angemeldet.

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164 5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis

genen Bauteile betrug ca. 2 Mio. m3. Hiervon verwendete VW in ca. 60 % der Fälle Mehrwegverpackungen (MTV), was ca. 1,6 Mio. Behälterladungen entspricht. Die verwendeten Mehrwegbehälter sind aus Metall, faltbar und es gibt sie in vier ver-schiedenen Größen. Der durchschnittliche Neupreis eines Behälters beträgt 100 Euro. Zur Verwaltung der MTV verwendet VW die selbst entwickelte Software-Applikation LISON (Ladungsträgerinformationssystem Online). Das physische Behältermanage-ment ist Aufgabe der sog. MTV-Betriebe (externe LDL).

VW-Werke inÜbersee

Verpackungs-und Versand-

betriebe

MTV-Betriebe

Teile-Lieferanten

VollgutLeergutMehrwegtransport-verpackung

MTV:

VW-Werke inÜbersee

Verpackungs-und Versand-

betriebe

MTV-Betriebe

Teile-Lieferanten

VollgutLeergutMehrwegtransport-verpackung

MTV:

VollgutLeergutMehrwegtransport-verpackung

VollgutLeergutMehrwegtransport-verpackung

MTV:

Abbildung 5-3: Behälterkreislauf im CKD-Versand bei VW

Es bestehen verschiedene Möglichkeiten der Verpackungs- und Versandabwicklung (s. Abbildung 5-3). Die Verpackung erfolgt in einem der 21 CKD-Verpackungsbetrie-be131 oder durch die Lieferanten. Diejenigen Lieferanten, die selbst verpacken, schi-cken die Packstücke entweder als Endmodul, d.h. in für den CKD-Versand verwend-baren Mehrwegbehältern, oder in einer anderen Verpackung an einen CKD-Versand-betrieb. Für den Versand sind die Endmodule in Seecontainer zu verladen, die ein LDL zur Verschiffung an einen Hafen (z.B. Bremerhaven) bringt. Die Verschiffung dauert je nach Bestimmungsort zwischen zwei und sechs Wochen. Die Werke in Ü-bersee sind verpflichtet, die Behälter nach der Entladung für die Rückführung bereit-zustellen. Die leeren Behälter nimmt ein LDL entgegen und bringt sie an einen MTV-Betrieb zurück. Zur terminlichen Verfolgung des CKD-Versands verwendet VW ein T&T-System. Beim Behältermanagement des CKD-Prozesses hat VW die folgenden Schwachstellen identifiziert:

• Pro Umlauf der Behälterflotte verschwinden durchschnittlich 4 % der Behälter. Die vermuteten Ursachen hierfür sind, dass die Werke in Übersee die Behälter für eigene Zwecke verwenden oder ohne Rückmeldung verschrotten.

131 Hiervon werden 19 Verpackungsbetriebe durch externe Dienstleister betrieben.

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5.3 Management von Standardbehältern bei Volkswagen 165

• Durchschnittlich absolviert ein Behälter nur zwei Umläufe pro Jahr, möglich wären hingegen bis zu drei Umläufe. Die Ursache hierfür ist, dass die Behälter nicht sofort nach der Entleerung zurückgeführt werden.

• Um einen zuverlässigen Überblick über die Verteilung des gegenwärtig nicht nummerngenau, sondern lediglich typbezogen verwalteten Behälterbestands zu erhalten, sind regelmäßig manuelle Inventuren notwendig, da trotz Buchung ein- und ausgehender Behälter in LISON die tatsächlichen Bestände nicht mit den Buchungsgrößen übereinstimmen.

• Entlang der Lieferkette sind mehrfach manuelle Vorgänge zur Identifikation, und Kontrolle der Lieferung, zur Erfassung warenbegleitender Informationen oder zum Anbringen von Etiketten notwendig. Bisher erfolgt die Abwicklung des warenbegleitenden Informationsflusses auf Papier.

5.3.2 Der CKD-Prozess von Volkswagen

Beginnend mit dem Abruf leerer Behälter durch die Verpackungsbetriebe bzw. Lie-feranten umfasst der CKD-Prozess die Bereitstellung leerer Behälter, die Verpa-ckungs- und Versandabwicklung, die Verschiffung der Lieferung nach Übersee, die Vereinnahmung der Lieferung im überseeischen Werk und die Rückführung der lee-ren Behälter, wie nachfolgend dargestellt (s. Abbildung 5-4).

TRANSPORT-UNTERNEHMEN

VERPACKUNGS- UND VERSANDBETRIEB MTV-BETRIEB

Abruf von Behältern Bereitstellung derBehälter

Etikettierung der Behälter

Bepackung der Behälter

Qualitätskontrolle

Containerbeladung

Wareneingangs-buchung

Entleerung der Behälter

Sammlung leererBehälter

Verschrottung von Behältern

Reinigen und Repa-rieren von Behältern

Bestand in LISONaktualisieren

Abholung der Lieferung

Verschiffung undVerzollung

Auslieferung

Rückführung leerer Behälter

Stichtagsinventur

Legende

Aufgabe

IT-gestützte Aufgabe

direkte AbfolgeAbfolge mit zeitlicherUnterbrechungNutzeneffekte durchRFID möglich

MONTAGEWERKÜBERSEE

AusgangsbuchungBehälter

EingangssbuchungBehälter

Stichtagsinventur

Stichtagsinventur

Bestand in LISONaktualisieren

Bestand in LISONaktualisieren

AusgangsbuchungBehälter

TRANSPORT-UNTERNEHMEN

VERPACKUNGS- UND VERSANDBETRIEB MTV-BETRIEB

Abruf von Behältern Bereitstellung derBehälter

Etikettierung der Behälter

Bepackung der Behälter

Qualitätskontrolle

Containerbeladung

Wareneingangs-buchung

Entleerung der Behälter

Sammlung leererBehälter

Verschrottung von Behältern

Reinigen und Repa-rieren von Behältern

Bestand in LISONaktualisieren

Abholung der Lieferung

Verschiffung undVerzollung

Auslieferung

Rückführung leerer Behälter

Stichtagsinventur

Legende

Aufgabe

IT-gestützte Aufgabe

direkte AbfolgeAbfolge mit zeitlicherUnterbrechungNutzeneffekte durchRFID möglich

MONTAGEWERKÜBERSEE

AusgangsbuchungBehälter

EingangssbuchungBehälter

Stichtagsinventur

Stichtagsinventur

Bestand in LISONaktualisieren

Bestand in LISONaktualisieren

AusgangsbuchungBehälter

Abbildung 5-4: Behälterlogistik in der Überseelogistik bei VW

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166 5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis

Abruf und Bereitstellung leerer Behälter

Der Abruf von Behältern erfolgt mittels des Behältermanagementsystems LISON. Dieses System verwaltet den Bestand der verschiedenen Mehrwegbehältertypen in ei-ner Datenbank und stellt Funktionen zur Behälterüberwachung und -disposition be-reit.132Von LISON erhält der zuständige MTV-Betrieb eine Nachricht über die benö-tigten Behälter. Der MTV-Betrieb liefert dem anfordernden Betrieb die Behälter und bucht diese auf sein Konto.

Verpackungs- und Versandabwicklung

Die Hersteller liefern die Teile entweder in Serienverpackung oder als fertig verpack-te Endmodule an. Im ersten Fall erfolgen die Verpackung der Bauteile und die Etiket-tierung der CKD-Behälter durch Mitarbeiter des Konsolidierers. Das an jedem Behäl-ter angebrachte Versandetikett (GTL) enthält neben der Sendungs-ID auch eine Be-hälternummer, die eine eindeutige Identifizierung des Packstücks ermöglicht. Danach kommen die Packstücke in die sog. Stuffingzone des Konsolidierers. Dort erfolgt eine Vollständigkeitskontrolle und die Verladung der Endmodule in Überseecontainer (Stuffing) sowie eine Aktualisierung des Status im auftragsführenden System. Die Vollständigkeitskontrolle dauert durchschnittlich 20 Minuten pro Container.

Verschiffung der Lieferung nach Übersee

Ein LDL bringt die Seecontainer zur Verschiffung zum Hafen, wo die Verladung auf ein Schiff einer von VW Transport beauftragten Reederei erfolgt. Die Reederei führt die Verschiffung zum Bestimmungsort und die Zollabwicklung durch. Die Schiffsab-fahrt und -ankunft sind Kontrollpunkte für das T&T-System. Je nach Bestimmungsort dauert die Verschiffung zwei bis sechs Wochen. Ein LDL bringt die Lieferung vom überseeischen Hafen zum Montagewerk.

Vereinnahmung der Lieferung im Werk in Übersee

Nach der Ankunft der Lieferung an der Verladerampe des Werkes in Übersee erfolgt die Wareneingangsprüfung. Hierzu ordnen Mitarbeiter die Lieferung anhand der Ver-sandetiketten den per EDI übermittelten Versandbelegen zu. Dieser manuelle Prozess, bei dem Mitarbeiter die Versandetiketten einsammeln und scannen, dauert im Durch-schnitt 30 Sekunden pro Behälter. Nach erfolgter Einbuchung der Lieferung und des Behälterbestands bringt die Hauslogistik die Behälter in die Produktion. Die entleer-ten Behälter werden gefaltet und sortiert nach der Behälterart auf einem Sammelplatz für leere Behälter bereitgestellt.

132 Die CKD-Betriebe verwenden eine SAP-Benutzeroberfläche für den Zugriff auf LISON.

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5.3 Management von Standardbehältern bei Volkswagen 167

Rückführung der leeren Behälter

Ein LDL holt regelmäßig leere Behälter ab, um sie an die MTV-Betriebe zurückzuge-ben. Nach Ankunft im MTV-Betrieb buchen Mitarbeiter die Behälter in LISON ein, prüfen sie auf Schäden und veranlassen ggf. die Verschrottung, Reparatur oder Reini-gung. Danach erfolgt eine erneute Aktualisierung des Behälterbestands. Die für den weiteren Einsatz verfügbaren Behälter stehen anschließend zum Abruf bereit.

Stichtagsinventur

Um Abweichungen der Behälterbestände in LISON von den tatsächlichen Beständen zu korrigieren, erfolgt eine jährliche Stichtagsinventur, an der alle Betriebe, die CKD-Behälter lagern, teilnehmen. Mitarbeiter zählen die vorhandenen Behälter manuell.

5.3.3 Geplantes Behältermanagementsystem

Das geplante System sieht eine Ausstattung aller im CKD-Prozess im Einsatz befind-lichen Transportbehälter mit Transpondern und die Anbindung an das Behälter-managementsystem LISON vor. Neben der Überwachung des Behälterflusses soll das System auch dazu beitragen, den warenbegleitenden Informationsfluss zu automati-sieren. Die Ausstattung der Behälter soll durch den Hersteller erfolgen, um Kosten für eine nachträgliche Montage zu vermeiden. Im Rahmen eines Technologietests hat VW bereits die Tauglichkeit verschiedener RFID-Systeme überprüft. Dabei hat sich herausgestellt, dass die Anbringungsposition der Transponder für die Zuverlässigkeit der passiven RFID-Systeme entscheidend ist. Die Erfassungsgeräte sollen an den Staplern befestigt werden. Damit dem System ausreichend Daten über die Behälterbe-wegungen zur Verfügung stehen, sind neben den CKD-Betrieben auch die über-seeischen Werke mit Erfassungsgeräten auszurüsten.

Die von den Staplern erfassten Daten aktualisieren die in LISON verwaltete Standort-information zu den Behältern. Die Erfassungsgeräte schicken die Daten über das bei VW vorhandene WLAN an den VisuM-Server. VisuM leitet nur die Erfassungsdaten an LISON weiter, die für das System eine neue Statusinformation darstellen könnten. Der Nutzen besteht darin, dass durch das RFID-System kontinuierlich prozessgekop-pelte, zuverlässige und vollständige Positionsdaten zum gesamten Behälterbestand in LISON bereitgestellt und kein zusätzlicher manueller Erfassungsaufwand durch den Betrieb des Systems entsteht. Mit diesen Informationen ist VW in der Lage,

• den Umlauf der Behälter durch den Rückruf „vergessener Behälter“ zu be-schleunigen;

• verschwundene Behälter dem Werk in Rechnung zu stellen, bei dem der Schwund aufgetreten ist;

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168 5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis

• den Pool an vorzuhaltenden Behältern zu reduzieren und die bisher bean-spruchte Lagerfläche für die künftig nicht mehr im Einsatz befindlichen Behäl-ter freizugeben;

• manuelle Vorgänge im Rahmen von Inventuren, Qualitätskontrollen und der Bearbeitung des warenbegleitenden Informationsflusses einzusparen;

• Fehler beim Versand durch automatische Versandkontrolle zu vermeiden.

Dies führt zu den in der folgenden Tabelle dargestellten Kosteneinsparungen. Unter Berücksichtigung der Kosten für das RFID-System ergibt sich bei einer Abschrei-bungsfrist von 3 Jahren ein jährliches Einsparungspotenzial von 5.974.600 Euro. Die Amortisationszeit beträgt weniger als ein Jahr.

IST PLAN

Annahmen - Anzahl der Behälter - Preis pro Behälter - Umläufe pro Jahr - Schwund bezogen auf den Umlauf - Jährliche Verschrottung bezogen auf den Umlauf - Anzahl Stapler - Lagerkosten - Kosten für 1 Minute Arbeitszeit

800.000 100 €

2 4 % 6 % 150

3.353.400 € 0,35 €

533.334100 €

30 %6 %150

1.117.800 €0,35 €

Einmalige Einsparungen 26.666.667 €- Desinvestionen in den ersten beiden Jahren

(Vermiedene Wiederbeschaffungskosten) 26.666.667 €

Laufende Einsparungen (pro Jahr) 6.447.267 €- Beseitigung von Schwund - Einsparungen bei Lagerkosten - Einsparungen manueller Aufwand - Sonstige Fehlerfolgekosten (Expresslieferungen,

Nachbearbeitung, Produktionsstörungen)

3.200.000 €2.235.600 €

811.667 €200.000 €

Einmalige Kosten (Abschreibungsfrist 3 Jahre) 1.358.000 €- Transponder (Stückpreis: 0,96 €) - Erfassungsgeräte (Stückpreis: 2.400 €) - Installation, Konfiguration der Erfassungsgeräte - Sonstiger Integrationsaufwand

768.000 €360.000 €

80.000 €150.000 €

Laufende Kosten (pro Jahr) 20.000 €- Wartung 20.000 €

Gesamtergebnis pro Jahr (in den ersten 3 Jahren, ohne einmalige Einsparungen)

5.974.600 €

Tabelle 5-3: Kosten-Nutzen-Bewertung des RFID-Einsatzes im CKD-Prozess von VW

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5.3 Management von Standardbehältern bei Volkswagen 169

Bei der Bewertung des vorgestellten Konzepts sind die folgenden Risiken zu berück-sichtigen:

• Das Konzept beruht lediglich auf einer Prozessanalyse und Technologietests. Die Zuverlässigkeit im Dauerbetrieb ist noch nicht erwiesen.

• Die Verfolgung der Behälter ist nicht lückenlos. Beispielsweise erfolgt wäh-rend des Versands der Behälter nach Übersee und bei der Rückführung des Leerguts keine Erfassung.

• Eine Verfolgung der Behälter ließe sich evtl. auch mit einer anderen Technolo-gie zu geringeren Kosten realisieren. Maßgebliche Gründe für die Konzen-tration auf RFID waren die höhere Zuverlässigkeit des RFID-Systems, die mögliche Verknüpfung warenbegleitender Informationen mit den Behältern und die Potenziale, die in RFID als möglicher „Standardtechnologie“ im Be-hältermanagement liegen.

5.3.4 Ausblick

Im Sommer 2004 befindet sich VW noch in der Pilotierungsphase für das beschriebe-ne Projekt. Nach erfolgreichem Abschluss der Pilotierungsphase will VW über die sukzessive Implementierung des Systems an weiteren Standorten entscheiden. Da-rüber hinaus hält VW die folgenden Ausbaustufen für möglich:

Ausbaustufe 1 – Einführung eines Mietmodells: Auf Basis der Bewegungsdaten des RFID-Systems könnte VW eine Behältermiete auf Tagesbasis einführen. Die Miet-zahlungen können einen Anreiz für die Beschleunigung des Behälterumlaufs darstel-len. Aufgrund der Zuverlässigkeit der Daten hilft das System, Beschwerden und Nachverhandlungen über Rechnungen zu vermeiden.

Ausbaustufe 2 – Einbeziehung der Packstücke: Mittels der vorhandenen Erfassungs-infrastruktur können auch Packstücke bearbeitet werden. Der Nutzen beschränkt sich hierbei auf die Vermeidung von manuellem Aufwand und von Fehlern im Versand. Da als zusätzliche Kosten für den RFID-Einsatz nur variable Transponderkosten be-stehen, kann sich die Anwendung schneller rentieren.

Ausbaustufe 3 – Einbeziehung von externen Partnern: Bisher lässt VW die Behälter als Leergut abholen. Die Einbeziehung externer Partner in das Mietmodell, welche die Behälter auf dem Rücktransport von Übersee nach Deutschland verwenden, würde zu zusätzlichen Mieteinnahmen führen. Eine zuverlässige Behälterverfolgung ist hierfür Voraussetzung.

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170 5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis

5.4 Einsatz von RFID-Kleinladungsträgern in der Automobilindust-rie

Zum Transport von Norm- und Kleinteilen verwendet die Automobilindustrie die standardisierten VDA-Kleinladungsträger (KLT). Die Überprüfung möglicher Nut-zeneffekte von KLTs, die einen Transponder zum Zweck der Identifizierung, Verfol-gung und Steuerung besitzen (RFID-KLTs), ist die Zielsetzung eines Pilotprojekts der Projektgruppe ISAR. Die Ergebnisse des Projekts sind die Grundlage für eine Er-weiterung der VDA-Norm für KLTs um den Einbau von Transpondern.

5.4.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf

In der Automobilindustrie sind ca. 40 Mio. VDA-KLTs verschiedener Typen (Größe, Faltbarkeit, Leitfähigkeit) im Einsatz. Sie sind aus Kunststoff (Polypropylen), stapel-bar und besitzen zwei Kartentaschen. Kürzlich hat der VDA eine Erweiterung des Standards um eine neue Bauform verabschiedet, den sog. VDA-Redesign-KLT aus Neuwaren und aus Recyclat. Die Umarbeitung erfolgt sukzessive und bietet einen An-satzpunkt, um bspw. zusätzlich einen Transpondern einzubauen. Derzeit kostet ein KLT in der Herstellung zwischen 3 und 5 Euro.

Die Bereitstellung der KLTs für Materiallieferungen übernehmen z.T. LDL wie Chep133, die einen Pool von Ladungsträgern verwalten. Zulieferer können gegen Mie-te, KLTs beim LDL bestellen und für den Versand verwenden. Der Empfänger gibt die leeren KLTs entweder an den Poolbetreiber zurück oder verwendet sie für eigene Zwecke. Bei der Rückgabe von KLTs an einen LDL überprüft dieser nur Anzahl und Typen der KLTs. Eine Verfolgung oder eindeutige Identifizierung der KLTs findet nicht statt. Da geschlossene Kreisläufe eine Ausnahme bilden, ist eine Standardi-sierung für den Einsatz von RFID-KLTs notwendig.

KLT-PoolVollgutLeergut

Zulieferer Fahrzeug-herstellerLDL

KLT-PoolVollgutLeergutVollgutLeergut

Zulieferer Fahrzeug-herstellerLDL

Abbildung 5-5: KLT-Kreisläufe in der Automobilindustrie

Die Projektgruppe hat den Einsatz von KLTs zwischen einem Umschlagszentrum (LDL) und einem Fahrzeughersteller exemplarisch untersucht. In diesem Fall kom-

133 www.chep.com

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5.4 Einsatz von RFID-Kleinladungsträgern in der Automobilindustrie 171

men die KLTs offen und gestapelt an und tragen einen Lieferschein (GTL). Der LDL betreibt zur Zwischenlagerung der KLTs ein automatisiertes Regallager und ver-schickt diese auf Abruf an den Fahrzeughersteller. An folgenden Stellen ist eine Ef-fizienzsteigerung des Prozesses durch RFID möglich:

• Der LDL versieht (belabelt) in einem arbeitsaufwendigen Vorgang alle KLTs mit einem für das automatisierte Lagersystem lesbaren Barcode-Etikett (Wa-reneingangsbeleg), weil die in den Kartentaschen der KLTs befindlichen Ver-sandetiketten nicht für eine weiterführende Steuerung des Materialflusses ge-eignet sind.

• Vor dem Versand zum Fahrzeughersteller muss der LDL die für den internen Gebrauch verwendeten Barcodes nochmals entfernen und gemäß den Vorga-ben des Fahrzeugherstellers neue Warenanhänger (VDA-Versandlabel) dru-cken und an den KLTs befestigen.

• Für Wareneingangserfassungen mit Vollständigkeitskontrolle der Lieferung ist eine Bearbeitung der einzelnen KLTs notwendig.

5.4.2 Der KLT-Kreislauf

Abbildung 5-6 verdeutlicht den untersuchten Prozess anhand einer Übersicht und identifiziert Einsatzmöglichkeiten von RFID.

FAHRZEUGHERSTELLERZULIEFERER LOGISTIKDIENST-LEISTER

Eingang leerer KLTs

Befüllung KLTs

Etikettierung

Versandkontrolle,Warenausgang

Wareneingang

Umetikettierung

Einlagerung in voll-automatisches Lager

Sendungs-zusammenstellung

Versandkontrolle, Warenausgang

Abruf

Wareneingang

Entpacken

BereitstellungLeergut

Legende

Aufgabe

IT-gestützte Aufgabe

direkte AbfolgeAbfolge mit zeitlicherUnterbrechungNutzeneffekte durchRFID möglich

FAHRZEUGHERSTELLERZULIEFERER LOGISTIKDIENST-LEISTER

Eingang leerer KLTs

Befüllung KLTs

Etikettierung

Versandkontrolle,Warenausgang

Wareneingang

Umetikettierung

Einlagerung in voll-automatisches Lager

Sendungs-zusammenstellung

Versandkontrolle, Warenausgang

Abruf

Wareneingang

Entpacken

BereitstellungLeergut

Legende

Aufgabe

IT-gestützte Aufgabe

direkte AbfolgeAbfolge mit zeitlicherUnterbrechungNutzeneffekte durchRFID möglich

Abbildung 5-6: Lieferprozess bei Verwendung von KLTs

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172 5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis

Versand durch den Zulieferer

Der Zulieferer entleiht leere KLTs bei einem Poolbetreiber. Jeder KLT ist nach der Befüllung mit einem Lieferschein auszustatten, den Mitarbeiter ausdrucken und in die dafür vorgesehene Kartentasche stecken. Für den Transport laden die Mitarbeiter je bis zu max. 120 KLTs auf Paletten. Bei gemischter Sendungszusammenstellung er-folgt in der Regel danach eine Kontrolle. Nach der anschließenden Warenausgangs-buchung steht die Lieferung zur Abholung durch den LDL bereit.

Wareneingang und Einlagerung beim Umschlagzentrum

Am Wareneingang des Umschlagszentrums stellen Mitarbeiter die KLTs einzeln auf ein Förderband, das in ein automatisiertes chaotisches Regallager führt. Das Lagersys-tem identifiziert die KLTs anhand von Barcodes, um sie an die richtige Stelle zu transportieren. Die Barcodes auf den Lieferscheinen eignen sich nicht für das Lager-system, weshalb nach dem Abstellen auf dem Förderband eine Umetikettierung er-folgt. Bei ca. 90 % der Lieferscheine funktioniert das Scannen ohne manuelles Ein-greifen. In diesen Fällen erzeugt ein Etikettenspender die notwendigen Etiketten au-tomatisch. Mitarbeiter bearbeiten die übrigen KLTs, bei denen der Lieferschein ver-rutscht oder unleserlich ist bzw. fehlt. Bei der für die Einlagerung notwendigen Ver-einzelung der KLTs erfolgt gleichzeitig eine Wareneingangskontrolle. Der mögliche Nutzen eines RFID-Systems besteht in der Vermeidung des durch die Umetikettie-rung verursachten Arbeitsaufwandes.

Warenabruf, Auslagerung und Versand

Entsprechend der Bedarfsplanung ruft der Fahrzeughersteller Teile beim LDL ab, der diese auslagert, kommissioniert und für den Versand bereitstellt. In dem untersuchten Beispiel stellt das Lager die Teile automatisch bereit. Es folgen eine Umetikettierung (GTL) gemäß den Vorgaben des Fahrzeugherstellers, Palettierung und der Transport zum Werk. RFID-KLTs können bei diesem Vorgang die Umetikettierung vermeiden.

Wareneingang beim Fahrzeughersteller

Am Wareneingang des Werks erfolgt eine Zuordnung der Lieferung zu den elektro-nisch vorliegenden Lieferdaten. Wegen der beim LDL erfolgten Einzelerfassung führt der Fahrzeughersteller eine genaue Überprüfung der Lieferung nur stichprobenartig durch. In seltenen Fällen sind Etiketten an den KLTs vertauscht, z.B. kann es vorkom-men, dass bei zwei nebeneinander stehenden Stapeln von KLTs die für die rechte Sei-te bestimmten Lieferscheine auf der linken sind und umgekehrt. Dieser Fehler führt zu geringem Nachbearbeitungsaufwand. Beim Wareneingang nicht erkannte unvoll-ständige Lieferungen führen später ggf. zu Sonderbestellungen, wenn ein Lagerbe-stand unter einen vorgegebenen Minimalbestand fällt.

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5.4 Einsatz von RFID-Kleinladungsträgern in der Automobilindustrie 173

5.4.3 Geplantes RFID-System zur KLT-Verfolgung

Um die Eignung von RFID-Systemen zur automatischen Identifikation von KLTs zu überprüfen hat die Projektgruppe Tests zur Pulkerfassung durchgeführt.134 Die Pulk-erfassung eignet sich für eine Bestimmung der Leistungsgrenze von RFID-Systemen. Außerdem sind Pulkerfassungen eine Voraussetzung für eine nennenswerte Effizienz-steigerung von Wareneingangskontrollen.

Als Erfassungsstation kam ein als Torbogen konstruiertes Doppelantennensystem mit 3 Ebenen zum Einsatz.135 Die Etikettierung der KLTs erfolgte mittels je zwei RFID-Etiketten unterschiedlicher Größe (45x75 mm) und (70x100 mm). Die mit diesem System durchgeführten Tests kombinierten die folgenden Anforderungen:

• Zusammenstellungen von leitenden (BxLxH: 400x600x300 mm) und nicht lei-tenden (BxLxH: 300x400x160 mm) KLTs

• bis zu 35 KLTs auf einer Metallpalette

• Metallbefüllung der KLTs

• Messung bei Schrittgeschwindigkeit und Stillstand

Bei je fünf Durchläufen jedes Szenarios erwies sich die Verwendung der RFID-Labels der Größe 70x100 mm mit einer Erfassungsrate von 100 % (in diesem Test) als geeignet, bei Einhaltung der folgenden Einschränkungen:

• Bewegung im langsamen Schritttempo im Bereich der Antennen

• Einhaltung eines Mindestabstands von 5 cm zwischen den RFID-Labels

• Anbringung der RFID-Labels bei leitenden KLTs am oberen Rand der Öffnung

Diese Tests bestätigen die Tauglichkeit von RFID-Systemen zur Pulkerfassung von KLTs im Laborbetrieb, sind jedoch im Pilotbetrieb bei einem realen Anwendungssze-nario zu überprüfen.

5.4.4 Kosten-Nutzen-Bewertung

KLTs bewegen sich in einem offenen logistischen System. Vorausgesetzt es gibt ei-nen Standard bzgl. eines zu verwendenden Transponders, so entstehen die Kosten hierfür einmalig bei der Herstellung des KLT. Eine Wiederverwendung des Transponders ist dann über die gesamte Lebenszeit eines KLTs möglich. Entspre-chend aggregiert die in Tabelle 5-4 dargestellte Kosten-Nutzen-Betrachtung die mög-

134 An den Tests beteiligten sich die Firmen ESG (www.esg.de), Schreiner (www.schreiner-etiketten.de) und

TBN (www.tbn.de). 135 Die 3-Ebenen-Konstruktion ermöglicht die gleichzeitige Erfassung von Transpondern unterschiedlicher Aus-

richtung.

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174 5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis

lichen Nutzeneffekte über die Gesamtlebenszeit. Die Annahmen basieren auf Erfah-rungen aus dem Einzelfall. Der KLT-Belieferungsprozess ist zwar hoch standardisiert, trotzdem gibt es Unterschiede z.B. bei der Durchführung von Qualitäts- und Mengen-kontrollen, bei der Etikettierung und der Kritizität der transportierten Güter. Dement-sprechend ist eine Untersuchung weiterer Anwendungsszenarien für eine Gesamtbeur-teilung notwendig. Mögliche zusätzliche Nutzeneffekte aus genaueren Tra-cking&Tracing-Daten und vermiedenen Fehlerfolgekosten berücksichtigt die Berech-nung nicht. Trotzdem zeigt sich, dass insb. durch die Vermeidung von Papieretiketten ein Einsparpotenzial besteht, was allerdings eine weit reichende Reorganisation der Materialflussabwicklung erfordert.

IST SOLL

Annahmen - Lebensdauer eines KLT - Kosten eines KLT - Durchschnittliche Anzahl an Umläufen jährlich - Durchschnittliche Anzahl KLTs pro Palette - Durchschnittliche Etikettierungen pro Umlauf - Zeitbedarf je Anbringung und Entfernen des Etiketts - Häufigkeit Stichprobenkontrollen - Zeitbedarf einer WE-Kontrolle je 40 KLTs - Schwundquote jährlich - Sonstige Fehlerfolgekosten - Kosten für 1 Minute Arbeitszeit

4 Jahre 5 € 10 40

1–2 0,2 Min

1 / 50 Paletten 5 Min

5 % keine

0,35 €

4 Jahre5,71 €

1240

00 Min

jedes Mal0 Min

3 %keine

0,35 €Einsparungen in 4 Jahren (Lebensdauer KLT) 4,64 €- Einsparungen Wareneingangskontrolle - Einsparungen Etikettierung - Einsparungen Schwund

0,035 €4,200 €0,400 €

Einmalige Kosten (pro KLT)136 0,71 €

Gesamtergebnis (Lebensdauer KLT) 3,93 €

Tabelle 5-4: Kosten-Nutzen-Bewertung für RFID-KLTs

Verschiedene Risiken bestehen bzgl. der hier dargestellten Wirtschaftlichkeitsbetrach-tung von RFID-KLTs:

• Die Erfassungsqualität von RFID-KLTs ist im Dauerbetrieb sowie in der realen Anwendung noch nicht erwiesen. Die vorliegenden Erkenntnisse zur Pulker-fassung sind Erkenntnisse eines Laborbetriebs.

136 Kosten eines RFID-Etiketts der Größe 70x100 mm laut Hersteller, Stand 2004

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5.4 Einsatz von RFID-Kleinladungsträgern in der Automobilindustrie 175

• Der Einsatz von RFID-KLTs setzt voraus, dass ein Standard bzgl. des zu ver-wendenden RFID-Systems und der Wille zur Verwendung vorhanden sind.

• Im untersuchten Anwendungsszenario hängt die Wirtschaftlichkeit vom einge-sparten Etikettierungsaufwand ab. Derzeit ist die Verwendung von Papiereti-ketten vorgeschrieben. Deshalb ist die Einführung des papierlosen Informa-tionsflusses eine Voraussetzung dafür, dass RFID die möglichen Nutzeneffekte erzielen kann.

• Das untersuchte Anwendungsszenario ist ein Einzelbeispiel für den Einsatz von KLTs und für andere Einsatzmöglichkeiten nicht repräsentativ. Eine zu-verlässige Aussage über mögliche Nutzeneffekte von RFID-KLTs setzt die Be-rücksichtigung weiterer Anwendungsszenarien voraus.

5.4.5 Ausblick

Bei den untersuchten Prozesspotenzialen zeigt sich, dass sich die relativ geringen Ein-sparungen pro Transportvorgang über die Lebensdauer aufsummieren. Aufgrund des industrieweiten Einsatzes der KLTs ist eine Ausstattung mit Transpondern nur auf Grundlagen eines Standards durchzuführen. Industrieverbände sind bereit, hierzu Em-pfehlungen auszusprechen. Entscheidend für eine breite Akzeptanz ist, dass die An-wender einen Nutzen in der Ausrüstung von KLTs mit Transpondern sehen. Zuliefer-er, LDLs und Fahrzeughersteller profitieren z.B. von geringerem Bearbeitungsauf-wand und reduziertem Schwund, den sie derzeit indirekt über höhere Mietzinsen be-zahlen müssen. Poolbetreiber profitieren z.B., wenn sie schneller als ihre Mitbewerber RFID-KLTs und evtl. den Verwendern komplementäre Services, wie z.B. die Umrüs-tung der Auto-ID-Infrastruktur, anbieten. Für die zertifizierten Hersteller ist die er-höhte Fälschungssicherheit der RFID-KLTs ein Anreiz, da vermehrt unzertifizierte Nachbauten in den KLT-Kreislauf gelangen. Mögliche weitere Schritte sind:

• Die Erarbeitung von Standardisierungsempfehlungen im Rahmen weiterer Pi-lotanwendungen. Dabei sind auch die Aktivitäten der Automobilverbände bzgl. eines „Welt-KLTs“ sowie allgemeine Normierungsvorhaben im Bereich von RFID zu berücksichtigen.

• Eine Initiative von großen Herstellern zur Einführung von RFID-KLTs ist not-wendig, da diese als Anwender letztendlich die mit RFID verbundenen Kosten tragen und dementsprechend auch einen Nutzen erwarten müssen.

• Standardisierungsempfehlungen sollten einen möglichen Bedarf an Zusatzfunk-tionen berücksichtigen. Beispielsweise können elektronische Anzeigen (elek-tronisches Papier) den Inhalt von RFID-Etiketten in Klarschrift anzeigen, so-dass eine Bearbeitung auch bei fehlenden RFID-Erfassungsgeräten möglich ist.

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176 5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis

5.5 Überseeversand von Packstücken bei der BLG IL

Der Logistikdienstleiter BLG International Logistics (BLG IL) hat in einem Pilotpro-jekt137 die RFID-Technologie in der Versandabwicklung von Packstücken eingesetzt. Im Rahmen des Projekts sollte überprüft werden, ob RFID die Effizienz der Sen-dungszusammenstellung steigern kann. Die durch das Projekt gewonnenen Erkennt-nisse stellen Anforderungen für die Standardisierung von RFID-Systemen in der Au-tomobilindustrie dar, weil die Wirtschaftlichkeit der pilotierten Lösung davon ab-hängt, dass auch die Partner im Logistiknetzwerk RFID verwenden.

5.5.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf

Der LDL BLG IL führt im Auftrag von DaimlerChrysler die Verschiffung von kom-pletten Fahrzeugen in Einzelteilen für die Montage in überseeischen Werken durch (CKD-Prozess). Die BLG IL betreibt Logistikzentren im Neustädter Hafen, Bremen, für Kommissionierung und Verpackung der Teile sowie Lagerung und Sendungsbil-dung. Bei der Anlieferung in den Versandbereich sind die Autoteile bereits in Ein-wegverpackung (Pappe, Sperrholz) verpackt und etikettiert. Die Packstücke besitzen Abmessungen von bis zu 3 m Kantenlänge. Die Aufgabe des Versandbetriebs ist, Fahrzeugsätze in die richtigen Export-Container138 zu verladen (s. Abbildung 5-7).

Lagerung undSendungsbildung

Container-beladung

Waren-eingang

Lagerung undSendungsbildung

Lagerung undSendungsbildung

Container-beladungContainer-beladungContainer-beladung

Waren-eingang

Abbildung 5-7: Versandhalle der BLG IL (Quelle: BLG IL)

Eine fehlerhafte Sendungszusammenstellung im CKD-Prozess kann zu Folgekosten führen, z.B. durch manuelle Nachbearbeitung, Expressversand, Zollgebühren und Schadensersatzforderungen. Solche Vorfälle schaden dem Image der BLG IL. Auf-wendige Qualitätssicherungsmaßnahmen sorgen dafür, dass die Zuverlässigkeit des Versands bei über 99 % liegt139. Da trotzdem einzelne Fehler im operativen Betrieb

137 Das Projekt fand im Zeitraum von Februar 2003 bis Januar 2004 mit Beteiligung der Projektgruppe ISAR statt. 138 Sechs 40’-Seecontainer fassen 24 Fahrzeuge in Einzelteilen. 139 In dem untersuchten Geschäftsbereich wurden in den letzen drei Jahren keine Versandfehler festgestellt.

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5.5 Überseeversand von Packstücken bei der BLG IL 177

auftreten, möchte die BLG IL die Prozesssicherheit weiter erhöhen, ohne an Prozess-effizienz zu verlieren. Eine weitere Automatisierung des ungeführten Prozesses der Sendungszusammenstellung ist mit der eingesetzten Barcode-Technologie nicht mög-lich. Die BLG IL sieht aus den folgenden Gründen Handlungsbedarf:

• Der Staplerfahrer muss die Verladung mehrmals zum Einscannen von Barco-des unterbrechen und benötigt pro Scanvorgang manchmal mehrere Versuche.

• Fehler passieren, weil nicht durch das Barcode-System erfasste Packstücke in die Container gelangen und die Staplerfahrer erfasste Packstücke nicht in den Container laden, z.B. weil sie diese beim Umsortieren vergessen.

5.5.2 Prozess der Sendungszusammenstellung im CKD-Versand

Der im Rahmen des Pilotprojektes analysierte Prozess beginnt mit der Anlieferung der Packstücke an der Versandhalle und beschreibt die Sendungszusammenstellung. Abbildung 5-8 stellt den Prozessablauf dar und beschreibt die einzelnen Schritte.

Prozessübersicht Beschreibung

Anlieferung der Packstücke

Wareneingangs-buchung

Einlagerung

Der Verpackungsbetrieb der BLG, DaimlerChrysler und weitere Her-steller liefern Packstücke für den CKD-Versand an den Versandbetrieb der BLG. Beim Eintreffen an der Verladerampe der Versandhalle tragen die Packstücke ein Etikett mit einem Barcode sowie Klarschrift. Lagermitarbeiter holen die Packstücke mit dem Gabelstapler an der Verladerampe ab. Bevor sie die Packstücke aufnehmen, erfassen sie den Barcode mit einem Handscanner. Das Scannen dauert durchschnitt-lich zwölf Sekunden. Die Daten des Packstücks überträgt das Erfas-sungsgerät per WLAN an das Lagermanagementsystem (LMS).

Das LMS teilt dem Staplerfahrer über einen Bildschirm in der Fahrerka-bine den Lagerplatz für die Einlagerung der Packstücke mit. Die Einla-gerung quittiert er durch Scannen der Barcodes an den Packstücken und zweimaliges Scannen eines Barcodes, der den Lagerplatz kennzeichnet. Dies dauert durchschnittlich 14 Sekunden pro Packstück.

Abruf und Auslagerung

Versand2.Qualitäts-kontrolle

Containerverladungmit Qualitäskontrolle

Der Bildschirm in der Fahrerkabine zeigt dem Fahrer, welche Pack-stücke er für den Versand auszulagern soll. Er sucht die Packstücke und scannt den Barcode ein (Zeitdauer: ca. zwölf Sekunden pro Packstück).

Der Staplerfahrer transportiert mehrere Packstücke gleichzeitig zur Verladung. Um sicherzustellen, dass er sie in den richtigen Container lädt, scannt er die Barcodes am Container und an den Packstücken. Dies dauert ca. 16 Sekunden pro Packstück. Falls der Verdacht eines Fehlers besteht, führt ein Lagermitarbeiter vor dem Versand manuell eine zweite Qualitätskontrolle (Ein-und Ausladen) durch.

Legende

Aufgabe

IT-gestützte Aufgabe

direkte AbfolgeAbfolge mit zeitlicherUnterbrechungNutzeneffekte durchRFID möglich

Prozessübersicht Beschreibung

Anlieferung der Packstücke

Wareneingangs-buchung

Einlagerung

Der Verpackungsbetrieb der BLG, DaimlerChrysler und weitere Her-steller liefern Packstücke für den CKD-Versand an den Versandbetrieb der BLG. Beim Eintreffen an der Verladerampe der Versandhalle tragen die Packstücke ein Etikett mit einem Barcode sowie Klarschrift. Lagermitarbeiter holen die Packstücke mit dem Gabelstapler an der Verladerampe ab. Bevor sie die Packstücke aufnehmen, erfassen sie den Barcode mit einem Handscanner. Das Scannen dauert durchschnitt-lich zwölf Sekunden. Die Daten des Packstücks überträgt das Erfas-sungsgerät per WLAN an das Lagermanagementsystem (LMS).

Das LMS teilt dem Staplerfahrer über einen Bildschirm in der Fahrerka-bine den Lagerplatz für die Einlagerung der Packstücke mit. Die Einla-gerung quittiert er durch Scannen der Barcodes an den Packstücken und zweimaliges Scannen eines Barcodes, der den Lagerplatz kennzeichnet. Dies dauert durchschnittlich 14 Sekunden pro Packstück.

Abruf und Auslagerung

Versand2.Qualitäts-kontrolle

Containerverladungmit Qualitäskontrolle

Der Bildschirm in der Fahrerkabine zeigt dem Fahrer, welche Pack-stücke er für den Versand auszulagern soll. Er sucht die Packstücke und scannt den Barcode ein (Zeitdauer: ca. zwölf Sekunden pro Packstück).

Der Staplerfahrer transportiert mehrere Packstücke gleichzeitig zur Verladung. Um sicherzustellen, dass er sie in den richtigen Container lädt, scannt er die Barcodes am Container und an den Packstücken. Dies dauert ca. 16 Sekunden pro Packstück. Falls der Verdacht eines Fehlers besteht, führt ein Lagermitarbeiter vor dem Versand manuell eine zweite Qualitätskontrolle (Ein-und Ausladen) durch.

Legende

Aufgabe

IT-gestützte Aufgabe

direkte AbfolgeAbfolge mit zeitlicherUnterbrechungNutzeneffekte durchRFID möglich

Abbildung 5-8: Prozess der Sendungszusammenstellung bei der BLG IL

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178 5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis

5.5.3 Pilotsystem zur Kontrolle der Sendungszusammenstellung

Für den Pilotbetrieb des RFID-Systems wählte die BLG IL eine Versandhalle (ca. 5.000 m2) aus, von der aus der Versand von Packstücken nach Brasilien erfolgt. Das geplante System sieht vor, dass die Packstücke beim Eintreffen in der Versandhalle bereits Transponder besitzen. Die Stapler sind mit Erfassungsgeräten für passive Transponder, einem aktiven Ortungssystem und Datenfunk (WLAN) ausgerüstet. Die Container sind mittels aktiver Transponder identifizier- und ortbar. Folgende Ab-schnitte beschreiben den Ablauf der Sendungszusammenstellung mit Verwendung des RFID-Systems und die durchgeführten Technologietests.

Ablauf der Sendungszusammenstellung. Während ein Stapler Packstücke am Waren-eingang aufnimmt, erfolgt die automatische Erfassung der an den Packstücken ange-brachten Transponder. Das Erfassungsgerät sendet die Packstück-IDs zusammen mit der Stapler-ID an das Lagermanagementsystem (LMS), das die Zuordnung der Objek-te speichert. Beim Absetzen der Packstücke übermittelt der Stapler eine Nachricht an das LMS, das dann den Status „eingelagert“ erzeugt, den Stapler über das Ortungssys-tem ortet und mit der Positionsinformation verknüpft. Bei der Auslagerung erfolgen wie vor der Einlagerung die Erfassung der Packstücke sowie die Speicherung der In-formationen über den Vorgang im LMS. Beim Abladen der Packstücke im Container erzeugt der Stapler eine Mitteilung für das LMS, das die Position des Staplers sowie des Containers abruft und zusammen mit der Statusmeldung „gestaut“ speichert.

Automatische Qualitätskontrolle durch Plausibilitätsprüfungen. Um mögliche Störun-gen des Prozesses z.B. durch Packstücke, die keinen Transponder besitzen, oder durch Systemfehler frühzeitig zu erkennen, möchte die BLG IL zusätzliche Plausibilitäts-prüfungen durchführen. Die geplanten Maßnahmen umfassen den Abgleich des vor-auseilenden Informationsflusses (Avis) mit dem Lagerbestand, den Abgleich des La-gerbestands gegen die Container-Ladelisten und die Kontrolle Packstück Ist-Gewicht gegen Soll-Gewicht auf der Staplergabel zur Sicherstellung der vollständigen Er-fassung.

Durchführung der Technologietests. Für das Ortungssystem haben zwei Technologie-anbieter140 ihre Systeme für einen Test zur Verfügung gestellt. Eines der getesteten Systeme nutzte ein am Stapler montiertes Erfassungsgerät und in der Halle an Refer-enzpunkten montierte Transponder zur Lokalisierung. Das andere System verwendete unter der Decke montierte Erfassungsstationen und einen aktiven Transponder am Stapler. Beide Systeme ermöglichten eine zuverlässige mit einer durchschnittlichen

140 Bei den Systemanbietern der aktiven RFID-Systeme handelt es sich um die Firmen Siemens und Wherenet.

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5.5 Überseeversand von Packstücken bei der BLG IL 179

Abweichung von 0,3 m bzw. 2,7 m der Soll- zur Ist-Position. Beide Systeme entspra-chen den Anforderungen der BLG IL.

Zur Überprüfung der technischen Machbarkeit der Pulkerfassung von Packstücken fand ein Test mit passiven 13,56-MHz- und UHF-Systemen141 statt. Die Testanfor-derung bestand in der gleichzeitigen Erfassung aller Packstücke auf der Gabel eines Staplers, was eine Erfassungsreichweite von 2 m erfordert. Das getestete 13,56-MHz-System ermöglichte eine zuverlässige Erfassung nur bei einer Packstückbreite bis zu 1,20 m. Hingegen erfüllte das getestete passive UHF-System mit seitlich am Stapler montierten Erfassungsantennen die Anforderungen hinsichtlich Reichweite (3 m) und Erfassung verdeckt stehender Packstücke. Eine zuverlässige Erfassung unabhängig von der Ausrichtung der Packstücke erforderte zwei an gegenüberliegenden Seiten an-gebrachte Transponder.

5.5.4 Kosten-Nutzen-Bewertung

Die Wirtschaftlichkeitsanalyse zeigte Einsparungspotenziale beim manuellen Auf-wand, der vorher durch das Scannen von Barcodes notwendig war, bei der Durch-führung von Qualitätskontrollen und bei den Fehlerfolgekosten. Die Kosten werden wesentlich durch den Preis für die passiven Transponder142 bestimmt, die zum Zeit-punkt des Pilotbetriebs einen Stückpreis von 0,95 Euro hatten. Eine Kostenbeteiligung durch DaimlerChrysler ist nicht zu erwarten, da der Hersteller keine Pläne hat, RFID in der Packstück-Logistik einzusetzen.

Durch das RFID-System vermiedene Schadensersatzforderungen oder Vertragsstrafen stellen ein zusätzliches Nutzenpotenzial dar, das die Berechnung nicht berücksichtigt, da hierzu keine konkreten Zahlen vorlagen. Ebenso bezieht die Berechnung Nutzenef-fekte nicht ein, die mit einer grundsätzlichen Reorganisation der Sendungszusammen-stellung, z.B. durch eine effizientere Nutzung der Lagerfläche, verbunden sind. Die in Tabelle 5-5 dargestellten Kosten und Kosteneinsparungen beziehen sich auf den Be-reich des CKD-Versands nach Brasilien, in dem auch der Pilotbetrieb stattfand.

141 Bei den Systemanbietern der passiven RFID-Systeme handelt es sich um die Firmen PI-ident und Tricon. 142 Je zwei identische Funketiketten pro Packstück ermöglichen eine zuverlässige Pulkerfassung.

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180 5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis

IST PLAN

Annahmen - Anzahl an Packstücken pro Jahr - Zeitbedarf für manuelles Scannen pro Packstück - Zeitbedarf für zusätzl. Qualitätskontrollen pro Jahr - Schadensersatzforderungen und Vertragsstrafen - Kosten für 1 Minute Arbeitszeit

100.000 0,9 Min.

240 Stunden keine

0,35 €

100.0000 Min.

0 Stundenkeine

0,35 €

Laufende Einsparungen (pro Jahr) 44.540 €- Einsparungen man. Aufwand beim Scannen - Einsparungen man. Aufwand für Qualitätskontrollen - Einsparungen sonstiger Fehlerfolgekosten (Express-

lieferungen, Nachbearbeitungsaufwand ohne mögli-che Schadensersatzforderungen)

31.500 €5.040 €8.000 €

Einmalige Kosten (Abschreibungsfrist 5 Jahre) 231.250 €- Erfassungsgeräte (Stückpreis: 4.030 €) - System zur Ortung der Stapler und Container - Installation, Verkabelung, Konfiguration - Sonstiger Integrationsaufwand für das System

26.520 €60.000 €25.000 €

120.000 €Laufende Kosten (pro Jahr) 200.000 €- Transponder (Stückpreis: 0,95 €) - Wartung

190.000 €10.000 €

Gesamtergebnis (jährlich, 5 Jahre) -201.710 €

Tabelle 5-5: Kosten-Nutzen-Rechnung für RFID im CKD-Versand der BLG IL Quelle: Berechnungen der Projektgruppe ISAR143

Bei der Bewertung der vorgestellten Anwendung sind die folgenden Risiken zu be-rücksichtigen:

• Damit die BLG IL auf manuelle Qualitätskontrollen verzichten kann, muss die Zuverlässigkeit des RFID-System gewährleistet sein. Das im Pilot eingesetzte passive RFID-System ist hingegen noch nicht im Dauerbetrieb erprobt.

• Auch wenn das RFID-System mit einer Zuverlässigkeit von 100 % funktio-niert, können falsch oder nicht etikettierte Packstücke zu Störungen im Prozess führen. Aus diesem Grund sind zusätzliche Plausibilitätsprüfungen notwendig, wie z.B. der regelmäßige Abgleich des vorauseilenden Informationsflusses (Soll-Bestand) mit dem Ist-Bestand.

• Falls sich RFID nicht als Standardlösung im Packstückversand durchsetzt, er-scheint eine Insellösung bei der BLG IL nicht wirtschaftlich.

143 Die angegebenen Zahlen sind eine Zusammenfassung der Kosten-Nutzen-Bewertung der Projektgruppe.

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5.6 Reifenverfolgung in der Distribution von Continental 181

5.5.5 Ausblick

Der Einsatz eines RFID-Systems zur Versandkontrolle als Insellösung bei der BLG IL ist aus heutiger Sicht wirtschaftlich nicht rentabel. Trotzdem verfolgt die BLG IL wei-terhin den Plan, den Versandprozess zu optimieren, und erwartet, dass sich der Ein-satz von RFID rentiert, wenn auch die Partner in der Lieferkette von den Zulieferern bis zur Produktionslogistik im Herstellerwerk Brasilien die RFID verwenden und die Transponderpreise weiter sinken. Nachdem das Pilotsystem die technische Machbar-keit der automatischen Versandkontrolle gezeigt hat, wird die BLG IL die Preisent-wicklung der Technologie und den RFID-Einsatz in der Automobillogistik beobach-ten, um bei geänderten Rahmenbedingungen mit der Umsetzung des Projekts schnell beginnen zu können.

5.6 Reifenverfolgung in der Distribution von Continental

Der Reifenhersteller Continental hat ein Konzept für den Einsatz von RFID zur Kenn-zeichnung von Reifen entwickelt. Hierin überprüft Continental die technische Mach-barkeit sowie mögliche Nutzeneffekte von RFID im Distributionsnetzwerk und be-schreibt Anforderungen für den Einsatz in der Praxis. Wesentliche Voraussetzungen für die Umsetzung des Konzepts sind im Vergleich zu heute geringere Kosten für Transponder und die Existenz von Standards zur Kennzeichnung von Reifen bzw. Einzelteilen in der Automobilindustrie.

5.6.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf

Continental fertigte in Deutschland im Jahr 2003 ca. 19,6 Mio. Auto- und LKW-Rei-fen. Hiervon liefert der Reifenhersteller ca. ein Drittel direkt an die Fahrzeughersteller zur Erstausstattung. Einzelne Werke stellen bis zu 140 verschiedene Reifentypen, die sich z.B. in Größe, Tragfähigkeit und zugelassener Maximalgeschwindigkeit unter-scheiden, alleine für die Erstausstattung her. Circa 1 Mio. Reifen stellte Continental im Auftrag anderer Unternehmen her, welche diese unter eigenem Namen (Handels-marken) verkaufen. Die Belieferung des Handels erfolgt über mehrere regionale Dis-tributionsstufen (s. Abbildung 5-9).

Reifen-hersteller

Distributions-lager

Fahrzeug-hersteller

Händler

Endkunde

Rückgabe zur Runderneuerung

Direktbelieferung von Großkunden (Handelsmarken)

Reg. Distribu-tionszentren

Vor-montage

Reifen-hersteller

Distributions-lager

Fahrzeug-hersteller

Händler

Endkunde

Rückgabe zur Runderneuerung

Direktbelieferung von Großkunden (Handelsmarken)

Reg. Distribu-tionszentren

Vor-montage

Abbildung 5-9: Lieferbeziehungen im Distributionsnetzwerk von Continental

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182 5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis

Die Reifenlogistik erfordert zahlreiche manuelle Arbeitsschritte. An mehreren Stellen in der Lieferkette ist die Erfassung produktbezogener Daten, z.B. des Reifentyps, der Größe und des Herstelldatums notwendig: bei Qualitätskontrollen, bei der Kom-missionierung, beim Wareneingang, bei der Einlagerung, bei der Inventur und bei der Montage. Die Kontrolle des Herstelldatums ist wichtig, da diese in der Erstausstattung nicht älter als 20 Wochen sein dürfen. Eine manuelle Erfassung der Daten nach dem Aussehen oder der Beschriftung ist unzuverlässig. Gesetzliche Vorschriften in den USA verlangen ab 2005 von den Fahrzeugherstellern eine Dokumentation, welche Reifen (Seriennummer) auf welches Fahrzeug (Fahrgestellnummer) verbaut wurden. Eine eindeutige Identifikation von Reifen wünschen auch einige Speditionen, die ihre Reifen runderneuern lassen und sicherstellen wollen, dass sie die gleichen Reifen zu-rückerhalten.144 Diesen Service bieten derzeit einige hierauf spezialisierte Unterneh-men an, Continental jedoch nicht. Zusammenfassend lassen sich in der Reifenlogistik folgende Optimierungspotenziale durch automatische Datenerfassung identifizieren:

• Falls Mitarbeiter bei einer Qualitätskontrolle mangelhafte Reifen finden, müs-sen sie in einem aufwendigen Prozess Reifen der gleichen Produktionscharge identifizieren.

• Beschwerden über Falschlieferungen führen zu Nachbearbeitungsaufwand. Bei der versehentlichen Auslieferung höherwertiger Reifen entstehen auch dann Kosten, wenn sich der Kunde nicht beschwert. Insgesamt schätzt Continental die Folgekosten aus Versandfehlern in Deutschland auf 400.000 Euro.

• Die Einhaltung der Fifo-(First-in-first-out-)Regel zur Sicherstellung, dass im Lager keine alten Reifen liegen bleiben, bedeutet zusätzlichen Aufwand.

• Gesetzliche Anforderungen in den USA verlangen die Zuordnung von Reifen zur Fahrgestellnummer, die Verwendung von Barcodes ist ausreichend, bedeu-tet aber im Vergleich zu einer RFID-Lösung zusätzlichen manuellen Aufwand.

• Speditionen wünschen, dass sie bei der Runderneuerung die gleichen Reifen zurückerhalten, die sie abgegeben haben.

Die nachfolgend dargestellte Bewertung möglicher Nutzeneffekte von RFID in der Reifenlogistik konzentriert sich auf die Lieferbeziehung zu den Fahrzeugherstellern. Die Reifenlogistik im Distributionsprozess des Handels enthält zwar mehr manuelle Arbeitsschritte, allerdings ist ein Impuls für den Aufbau einer RFID-Lösung eher für den weitgehend standardisierten Belieferungsprozess für die Erstausstattung zu erwar-ten.

144 Der Grund hierfür ist, dass sich Reifen nicht beliebig oft runderneuern lassen.

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5.6 Reifenverfolgung in der Distribution von Continental 183

5.6.2 Prozess der Reifenlogistik für die Erstausstattung

Der in Abbildung 5-10 beschriebene Prozess der Reifenlogistik für die Erstausstattung beginnt mit der Kennzeichnung der Reifen während der Herstellung und betrachtet den Weg der Reifen über ein Distributionslager zur Vormontage und von dort zum Fahrzeughersteller.

VORMONTAGECONTINENTAL DISTRIBUTIONSZENTRUM

Reifen herstellenund kennzeichnen

Wareneingangs-buchung

Reifen etikettieren

Qualitätskontrolle

Reifen palettieren

Versand der Lieferung

Reifen einlagern

Reifen auslagern

Wareneingangs-buchung

Reifen auf Felgen montieren

Etikettierung der Packstücke

Qualitätskontrolle für den Versand

Warenausgangs-buchung u. Versand

BestandeinbuchenInventur

Verpackung und Etikettierung

Reifen abrufen

Sortierung für Just-in-sequence

FAHRZEUGHERSTELLER

Legende

Aufgabe

IT-gestützte Aufgabe

direkte AbfolgeAbfolge mit zeitlicherUnterbrechungNutzeneffekte durchRFID möglich

Wareneingangs-buchung

Räder in die Montage bringen

Reifen montieren

Räder abrufen

Falls USA-Export:Dokumentation

Warenausgangs-buchung u. Versand

VORMONTAGECONTINENTAL DISTRIBUTIONSZENTRUM

Reifen herstellenund kennzeichnen

Wareneingangs-buchung

Reifen etikettieren

Qualitätskontrolle

Reifen palettieren

Versand der Lieferung

Reifen einlagern

Reifen auslagern

Wareneingangs-buchung

Reifen auf Felgen montieren

Etikettierung der Packstücke

Qualitätskontrolle für den Versand

Warenausgangs-buchung u. Versand

BestandeinbuchenInventur

Verpackung und Etikettierung

Reifen abrufen

Sortierung für Just-in-sequence

FAHRZEUGHERSTELLER

Legende

Aufgabe

IT-gestützte Aufgabe

direkte AbfolgeAbfolge mit zeitlicherUnterbrechungNutzeneffekte durchRFID möglich

Wareneingangs-buchung

Räder in die Montage bringen

Reifen montieren

Räder abrufen

Falls USA-Export:Dokumentation

Warenausgangs-buchung u. Versand

Abbildung 5-10: Prozess der Reifenlogistik für die Erstausstattung

Reifen kennzeichnen, prüfen und palettieren

Jeder Reifen erhält während der Herstellung eine Gravur, die u.a. Hersteller, Typen-bezeichnung, Größe, Herstelldatum, Tragfähigkeit und Felgendurchmesser beschreibt. Einige Reifen erhalten auf Wunsch des Kunden zusätzlich ein 2D-Etikett. Im An-schluss an die Fertigung erfolgt eine Qualitätskontrolle. Falls Mitarbeiter mangelhafte Reifen entdecken, ist in einem aufwendigen Prozess die gesamte Charge zu überprü-fen. Transponder, die bereits während des Produktionsprozesses im Reifen enthalten sind, könnten in diesem Fall die Rückverfolgbarkeit, d.h. die genauere Eingrenzung der Produktionscharge unterstützen. Für den Versand laden die Mitarbeiter die Reifen auf Paletten und stellen sie zur Abholung bereit.

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184 5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis

Wareneingangsbuchung und Einlagerung beim Distributionslager

Eine Spedition bringt die Palette zu einem Distributionslager in Werksnähe (Werksla-ger). Lagermitarbeiter heben mittels Staplern die Paletten vom LKW, führen eine Wa-reneingangskontrolle mit Abzählen der Reifen durch und buchen die Lieferung ein. Anschließend lagern sie die Paletten mit den Reifen ein. Eine mittels RFID mögliche Pulkerfassung mit anschließender automatischer Einbuchung ermöglicht Einsparung von manuellem Aufwand.

Abruf und Auslagerung

Die Belieferung der Fahrzeughersteller erfolgt nach dem JIT-Verfahren. Lagermitar-beiter stellen Sendungen auf Abruf zusammen, versehen diese mit Lieferpapieren und stellen sie nach einer Kontrolle der Sendungszusammenstellung zur Abholung und Warenausgangsbuchung bereit. RFID kann in diesem Schritt durch eine Pulkerfas-sung der Lieferung den Aufwand der Kontrolle reduzieren.

Radmontage und Einbau

Mit der Montage der Reifen auf Felgen (Herstellung der Räder) beauftragen die Fahr-zeughersteller meist externe Betriebe. Während der Vormontage steht die Zuordnung zwischen Rädern und Fahrzeugen bereits fest. Bei der späteren Montage der Räder auf Fahrzeuge, die für den US-Export bestimmt sind, muss der Hersteller die Zuord-nung der Reifennummer zur Fahrzeuggestellnummer dokumentieren. Bisher erfolgt dieser Vorgang manuell. Eine Effizienzsteigerung durch RFID ist durch eine automa-tische Dokumentation der Zuordnung von Reifen und Fahrzeug möglich.

Inventur in den Distributionslagern

Jährlich finden in den Distributionslagern Inventuren statt. Hierbei müssen Mitarbei-ter jeden einzelnen Reifen erfassen und verzeichnen. Eine Pulkerfassung mit RFID-Erfassungsgeräten ist eine Möglichkeit zur Reduzierung dieses manuellen Aufwands.

5.6.3 RFID-Systeme für die Reifenverfolgung

Der Einsatz von RFID zur Kennzeichnung von Reifen befindet sich im Versuchssta-dium. Bei Continental und anderen Reifenherstellern durchgeführte Technologietests konnten bisher keine zuverlässige Pulkerfassung von Reifen nachweisen. Nachfol-gend sind einige technologische Ansätze zum Einbau von Transpondern in Reifen sowie zur Standardisierung dargestellt.

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5.6 Reifenverfolgung in der Distribution von Continental 185

Standardisierungsansätze

Die Branchenverbände AIAG und VDA erarbeiten Standardisierungsempfehlungen für die RFID-Kennzeichnung von Reifen. Die Standardisierungen beziehen sich auf die Anbringungsposition der Transponder, die zu verwendende Frequenz, das Kom-munikationsprotokoll, die Datenstruktur auf dem Tag und die zu speichernden Daten.

• AIAG B-11. 2002 hat die AIAG den Standard B-11 zur Kennzeichnung von Reifen verabschiedet. Dieser sieht alternativ zur Verwendung von 2D-Codes auch RFID-Chips vor. Bei Anwendung der RFID-Variante, ist UHF-Technolo-gie einzusetzen und die Transponder sind an der Außenseite des Reifens anzu-bringen. Die Erfassungsreichweite soll mindestens 61 cm (24 inch) betragen. Die Datenstruktur der RFID-Lösung umfasst Angaben über den Hersteller, Werk, Datum, eine eindeutige Seriennummer, die Fahrzeugnummer sowie ei-nen frei verfügbaren Bereich [vgl. AIAG 2004a].

• VDA. Eine Standardisierungsempfehlung des VDA ist seit 2002 in Vorberei-tung. So lange kurzfristig neue technologische Entwicklungen zu erwarten sind und relevante ISO-Normen, insb. die ISO 18 000-Familie, noch nicht verab-schiedet sind, ist hier keine Festlegung zu erwarten. Erste Überlegungen, wel-che die Verwendung der 13,56-MHz-Technologie und die Integration des Chips in die Lauffläche des Reifens bevorzugten, sind zu überprüfen.

Technische Lösungen zur Integration von Transpondern in Reifen

Einige Technologieanbieter präsentieren funktionsfähige RFID-Systeme zur Reifen-identifikation, z.B. Intermec, Michelin und Sokymat.

• Intermec. Die Intellitag®-Lösung von Intermec ist seit der Verabschiedung von B-11 verfügbar und unterstützt diesen Standard. Die RFID-Chips besitzen einen mehrfach beschreibbaren 128 Byte-Datenspeicher [Intermec 2002].

• Michelin. Die Lösung von Michelin verwendet UHF-Chips, deren Antennende-sign speziell auf Reifen angepasst ist. Die Transponder besitzen einen mehr-fach beschreibbaren 2 Kbit-Datenspeicher und sind kompatibel zu B-11, EPC Class 1 Gen 2 und ISO 18 000-6. Preise von 50 Eurocent sollen bei großen Stückzahlen möglich sein.

• Sokymat. Die Logi Tag®-Lösung von Sokymat verwendet passive LF-Chips mit einem mehrfach beschreibbaren Datenspeicher von 256 bit. Die Transpon-der sind durch eine spezielle Ummantelung hitzebeständig (bis 160° C), lassen sich in die Lauffläche von Reifen integrieren und überstehen auch die Runder-neuerung. Die Erfassungsreichweite beträgt wenige Zentimeter [vgl. Sokymat 2002].

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186 5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis

5.6.4 Kosten-Nutzen-Bewertung

Die Kosten-Nutzen-Analyse betrachtet mögliche Einsparungen im Prozess der Belie-ferung der Fahrzeughersteller sowie der Montage. Weil dies ein offener logistischer Prozess ist, sind die Chipkosten für die Gesamtkosten bestimmend. Die Analyse fo-kussiert auf die Prozesseffizienz und ermittelt das Verhältnis einer möglichen Stei-gerung der Prozesseffizienz zu den Chipkosten. Dementsprechend sind die möglichen Kosteneinsparungen pro Reifen angegeben. Das Ergebnis zeigt, dass die Effekte aus höherer Prozesseffizienz die Kosten für RFID nicht rechtfertigen. Es existieren wei-tere mögliche Nutzeneffekte, deren systematische Untersuchung nicht Gegenstand des Projekts war, z.B. vermiedene potenzielle Fehlerfolgekosten seitens des Fahrzeugher-stellers, Kosteneinsparungen durch Verwendung des Transponders als Komponente eines Reifendruckmessgerätes sowie mögliche zusätzliche Umsätze seitens des Rei-fenherstellers durch neue Geschäftsmodelle, wie z.B. die oben beschriebene Rund-erneuerung von Reifen für Speditionen.

IST PLAN

Annahmen - Anzahl von Reifen für die Erstausstattung - Durchschnittlicher Lagerbestand an Reifen - Datenerfassungsaufwand am Wareneingang jährlich- Datenerfassungsaufwand Versandkontrollen jährlich - Datenerfassungsaufwand Inventur - Zeitbedarf für Dokumentation des Einbaus - Dokumentation für alle Fahrzeuge verpflichtend - Folgekosten Versandfehler jährlich - Kosten für 1 Minute Arbeitszeit

7 Mio. 70.000

12.000 Stunden 6.000 Stunden

120 Stunden 0,2 Min

nein 150.000 €

0,35 €

7 Mio.70.000

0 Stunden0 Stunden

12 Stunden0 Min

ja0 €

0,35 €Laufende Einsparungen jährlich (pro Reifen) 0,145 €- Einsparungen Datenerfassungen am Wareneingang - Einsparungen Datenerfassungen Versandkontrollen - Einsparungen Datenerfassungen Inventur - Einsparungen Fehlerfolgekosten aus Versand - Einsparungen manueller Aufwand Dokumentation

0,036 €0,018 €

<0,001 €0,021 €0,070 €

Laufende Kosten jährlich (pro Reifen) 0,500 €

Gesamtergebnis jährlich (pro Reifen) -0,365 €

Tabelle 5-6: Kosten-Nutzen-Rechnung für RFID in der Reifendistribution145

Bei der Bewertung der vorgestellten Anwendung sind die folgenden Risiken zu be-rücksichtigen: 145 Die Annahmen bzgl. möglicher Prozesseffekte basieren auf Schätzungen von Prozessbeteiligten. Eine Tren-

nung des reinen Datenerfassungsaufwandes vom unabhängig hiervon notwendigen manuellen Bearbeitungs- aufwand ist ohne Durchführung eines Feldversuchs nicht möglich.

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5.6 Reifenverfolgung in der Distribution von Continental 187

• Die Unterstützung der Pulkerfassung von Reifen durch passive RFID-Techno-logie, die eine wesentliche Voraussetzung zur Realisierung der o.g. Nutzenef-fekte ist, haben die Technologieanbieter bisher nicht nachgewiesen.

• Der Reifenhersteller, der LDL und der Fahrzeughersteller profitieren in unter-schiedlichem Ausmaß von RFID. Die Integration von Transpondern in Reifen rentiert sich für den Hersteller nur, wenn die anderen Unternehmen sich an den Kosten beteiligen, d.h. der LDL einen Preisnachlass für den eingesparten Auf-wand gewährt, und der Fahrzeughersteller mehr für den Reifen bezahlt.

• Falls RFID keine Standardlösung zur Kennzeichnung von Reifen wird, lohnt sich die Einführung bei Continental alleine nicht. Zum einen wird die Techno-logie in diesem Fall teurer sein und zum anderen werden einige Fahrzeugher-steller die RFID-Eigenschaft nicht verwenden.

• Bei gleichzeitigem Einsatz von anderen elektronischen Geräten im Reifen, z.B. Druckmessgeräte, ist die Verwendung eines separaten Transponders aus-schließlich für die Identifikation nicht notwendig, da sich die Identifikations-funktion mit anderen elektronischen Bauteilen verknüpfen lässt.

5.6.5 Ausblick

Die Diskussion um den Einsatz von RFID zur Kennzeichnung von Einzelteilen in der Automobilindustrie hat mit dem Reifen begonnen. Sicherheitsrelevanz und hoher ma-nueller Bearbeitungsaufwand sind hierfür ausschlaggebend. Die hohen Chippreise verhindern derzeit eine Implementierung einer RFID-Lösung für die Reifenlogistik. Trotzdem sind die folgenden Schritte aus Sicht von Continental sinnvoll:

• Es ist zu prüfen, ob eine Pilotinstallation zur Umsetzung des vorgeschlagenen Geschäftsmodells der Runderneuerung von LKW-Reifen wirtschaftlich sinn-voll ist. Auf diese Weise kann Continental Erfahrungen mit RFID sammeln.

• Die Einführung von RFID zur Kennzeichnung von Reifen ist nur auf Branchen-ebene zu erwarten. Dann können Reifenhersteller profitieren, die schon früh-zeitig Erfahrung im Umgang mit RFID gesammelt haben bzw. über eine kos-tengünstige Technologie zur Anbringung der Transponder verfügen.

• Außerdem ist die mögliche Kombination der automatischen Identifikation mit Reifendrucksensoren zu berücksichtigen. Falls sich die Verwendung von Rei-fendruckmessgeräten durchsetzt, können diese einen separaten Identifikations-chip ersetzen.

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188 5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis

5.7 Auswirkungen aus Perspektive des Wertschöpfungsnetzwerkes

Die Fallstudien zeigen, dass Unternehmen bei verschiedenen Anwendungen erste Schritte zur Einführung von RFID-Systemen unternommen haben. Die folgende Zu-sammenfassung stellt die in den einzelnen Fallstudien identifizierten Effekte erster, zweiter und dritter Ordnung aus der übergeordneten Perspektive des Wertschöpfungs-netzwerkes dar. Die Abbildung der Anwendungen im RFID-Diffusionsmodell (s. Ab-schnitt 4.3) zeigt den Fortschritt der Adoption von RFID bzgl. der in den Fallstudien untersuchten Unternehmen. Die Berücksichtigung kritischer Erfolgsfaktoren erleich-tert Unternehmen die Ausweitung des RFID-Einsatzes. Die am Ende dieses Ab-schnitts beschriebenen Erfolgsfaktoren sind aus den praktischen Erfahrungen der Fall-studien abgeleitet und durch die Erkenntnisse des Kapitels 4 zu den Auswirkungen von RFID begründet.

5.7.1 Substitution manueller Koordination

In den untersuchten Projekten ist die erwartete Erhöhung der Prozesseffizienz die Hauptmotivation der Beteiligten für den RFID-Einsatz. Dabei betrachten Unterneh-men RFID primär als eine Technologie zur Steigerung des Automatisierungsgrades. Das Management großer Ladungsträger, mit dem sich die ersten beiden Fallstudien beschäftigen, ist bisher gering automatisiert. Automatische Zählungen (Inventuren) sowie erhöhte Behälterverfügbarkeit und Verringerung von Schwund infolge lücken-loser Erfassung führen in diesen Beispielen zu einem effizienteren Ressourceneinsatz. Die quantitativ messbaren Nutzeneffekte sind verringerte Investitionen für neue Be-hälter und vermiedener manueller Aufwand. Die Auswirkungen verbesserter Prozess-qualität (Vermeidung von Fehlern) beschränken sich in diesen Fallstudien im Wesent-lichen auf die Erhöhung der Prozesseffizienz (Verringerung operativer Fehlerfolge-kosten), z.B. die Reduzierung von Maschinenstillstandszeit. Mögliche Auswirkungen auf den Lieferservicegrad bleiben unberücksichtigt.

Bei den Fallstudien zur KLT-Verfolgung, der Sendungszusammenstellung und der Reifenlogistik entstehen Prozesseffizienzsteigerungen ausschließlich durch substitu-ierten manuellen Aufwand, der bspw. bei Kontrollen, wie z.B. beim Wareneingang, der Versandabwicklung oder bei der Dokumentation in der Montage, entsteht. Quanti-fizierbare Nutzeneffekte entstehen durch die je Prozessschritt und Objekt häufig ge-ringen Einsparungen, deren Mehrwert erst bei Betrachtung einer hohen Anzahl von Objekten und der Aufsummierung von Einsparungen über den Gesamtprozess ersicht-lich wird. Eine mögliche Senkung des strategischen Fehlerfolgekostenrisikos durch Steigerung der Lieferzuverlässigkeit ist z.B. für LDL relevant. Im Fallbeispiel der Sendungszusammenstellung für den Überseeversand kann die BLG IL ihr Fehler-folgekostenrisiko durch die Vermeidung von Versandfehlern senken. Auch im Fall-beispiel zur Reifenlogistik treten potenzielle Folgekostenrisiko auf, wenn bspw. ein

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5.7 Auswirkungen aus Perspektive des Wertschöpfungsnetzwerkes 189

Unfall wegen Fehlmontage auftritt oder ein aus Sicherheitsgründen notwendiger Rückruf sich wegen fehlender Konfigurationsinformationen verzögert. Allerdings spielen Überlegungen, die über die Prozesseffizienz hinausgehen, bei Entscheidungen von Projektbeteiligten über den RFID-Einsatz keine wesentliche Rolle. Tabelle 5-7 fasst Prozessqualitäts- und Prozesseffizienzauswirkungen der einzelnen Projekte zu-sammen. Einige Prozesseffekte, welche die Prozessqualität steigern, wie z.B. Fehler-vermeidung im Versand oder beim Zusammenbau, senken neben dem operativen Feh-lerfolgekosten- (z.B. Nachbearbeitungsaufwand) auch das strategische (z.B. Image-schaden) Risiko.

Fallstudie Prozesseffekt

Spezial-behälter

Standard-behälter KLTs

Sendungs-zusammen-

stellung Reifen

Prozesseffizienz Einsparung man. Aufwand in der Logistik ( ( ( ( ( Einsparung man. Aufwand beim Beschwerdemanagt. * * * * ( Einsparung man. Aufwand in der Produktion ( * * * (

Prozessqualität: operatives Fehlerfolgekostenrisiko Erhöhte Produktions-mittelverfügbarkeit ( ( * * * Vermeidung von Schwund (Ersatzinvestitionen) ( ( * * *

Prozessqualität: operatives und strategisches Fehlerfolgekostenrisiko Vermeidung von Versandfehlern * * ( ( ( Vermeidung von Fehlern beim Zusammenbau * * * * ( Lückenlose Dokumentation * * * * (

( Bei der Fallstudie berücksichtigter Effekt * Bei der Fallstudie nicht berücksichtigt

Tabelle 5-7: Effekte erster Ordnung bei den untersuchten Fallstudien

5.7.2 Netzwerkanwendungen durch Diffusion

Die in den Fallstudien untersuchten Anwendungen lassen sich unterschiedlichen Stu-fen des RFID-Diffusionsmodells zuordnen. Demnach ist ein Ausbau der RFID-Syste-me durch Steigerung von Integrationsreichweite und -tiefe möglich. Konkrete Mög-lichkeiten zum Ausbau sind in den Ausblicken der Fallstudien beschrieben. Zum Bei-spiel lässt sich die Anwendung RFID-gestütztes Behältermanagement ausgehend von Spezialbehältern auf beliebige Großladungsträger und schließlich auch auf Kleinbe-

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190 5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis

hälter ausdehnen. Im Beispiel der Sendungszusammenstellung bei der BLG IL bedeu-tet die Verwendung von RFID zur Verfolgung im gesamten Versandprozess eine Aus-weitung des RFID-Einsatzes zur Überprüfung der Sendungszusammenstellung.

Des Weiteren erleichtern bestehende RFID-Anwendungen die Einführung neuer An-wendungen. Wenn bspw. bei VW eine RFID-Infrastruktur zur Verfolgung von Behäl-tern im CKD-Prozess vorhanden ist, kann das Unternehmen diese auch zur Abwick-lung des Packstückversands nutzen. Die hierfür notwendigen Aufrüstungskosten fal-len im Vergleich zum Neuaufbau einer Infrastruktur gering aus und verbessern die Wirtschaftlichkeit der Anwendungen. Die schrittweise Hinzunahme neuer Objekte begünstigt schließlich auch RFID-Anwendungen mit Einzelteilen, wie bspw. in der Reifenlogistik. Während auf Ladungsträgerebene RFID-Anwendungen bereits bis zur Verfolgung von in KLTs transportierten C-Teilen reichen, beschränken sich aktuelle Überlegungen bzgl. der Einzelteilekennzeichnung mittels RFID auf sicherheitsrele-vante A-Teile.

Verfolgung von Reifen in der

Distribution von Continental

Verfolgung von Packstücken

im CKD-Prozess

Kontrolle der Sendungszu-

sammenstellungbei der BLG IL

Ladu

ngst

räge

r

kollaborativ, geschlossen

Tracking von Reifen in

der Industrie

Behälter-management

in der Industrie, z.B. KLTs

Behälter-managementCKD-Prozess Volkswagen

Spezialbehälter-managementVolkswagen

Pack

stüc

kEi

nzel

teil

lokal, geschlossen

global, offen

Inte

grat

ions

tiefe

des

RFI

D-S

yste

ms

Integrationsreichweite des RFID-Systems

A A, B B, C

A, BA, B

A A

Ausbau der Anwendung

begünstigt neue Anwendung

Objektabdeckung(Kritizitätsklassen)

A, B, C

Verfolgung von Reifen in der

Distribution von Continental

Verfolgung von Packstücken

im CKD-Prozess

Kontrolle der Sendungszu-

sammenstellungbei der BLG IL

Ladu

ngst

räge

r

kollaborativ, geschlossen

Tracking von Reifen in

der Industrie

Behälter-management

in der Industrie, z.B. KLTs

Behälter-managementCKD-Prozess Volkswagen

Spezialbehälter-managementVolkswagen

Pack

stüc

kEi

nzel

teil

lokal, geschlossen

global, offen

Inte

grat

ions

tiefe

des

RFI

D-S

yste

ms

Integrationsreichweite des RFID-Systems

A A, B B, C

A, BA, B

A A

Ausbau der Anwendung

begünstigt neue Anwendung

Objektabdeckung(Kritizitätsklassen)

A, B, C

Abbildung 5-11: Einordnung der Fallstudien in das Diffusionsmodell

Während obiges Diffusionsmodell eine intern getriebene Ausbreitung beschreibt, stellt Abbildung 5-12 die Abhängigkeit von externen Voraussetzungen dar. Diese i-dentifiziert fehlende Standards als limitierenden Faktor für den Ausbau der Behälter-verfolgung. Für die Verfolgung von Packstücken oder zur Kennzeichnung sicherheits-relevanter Teile sind hingegen sinkende Chippreise eine Voraussetzung für die Wirt-schaftlichkeit. Bei den entsprechenden Fallstudien begünstigen auf Standards basierte kollaborative bzw. globale Lösungen die Wirtschaftlichkeit. Die möglichen Netz-

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5.7 Auswirkungen aus Perspektive des Wertschöpfungsnetzwerkes 191

werkeffekte setzen die Sensitivität gegenüber den Chippreisen im Vergleich zu loka-len Lösungen herab. Bei derartigen Anwendungen ist fraglich, ob die operative Um-setzung von Vorstufen (Insellösungen) überhaupt sinnvoll ist. Im Diffusionswürfel (s. Abbildung 4-10) stellt sich diese Frage insb. für Anwendungen, die sich oberhalb ei-ner Diagonale von unten, links, vorne nach oben, rechts, hinten befinden. Das heißt z.B. bei lokalen Anwendungen, in denen RFID auf Einzelteilen mit niedriger Kritizi-tät zum Einsatz kommt.

Reifegrad / Standards

Chippreis

Sendungs-zusammen-

stellung BLG IL

Spezialbehälter-management

VW

KLTs in der Industrie

Tracking&Tracing Reifen

Behältermana-gement CKD

VW

DokumentationEinbau Reifen

Lokal Global

Anza

hl d

er O

bjek

te

Sendungs-zusammen-

stellung BLG IL

Reifegrad / Standards

Chippreis

Sendungs-zusammen-

stellung BLG IL

Spezialbehälter-management

VW

KLTs in der Industrie

Tracking&Tracing Reifen

Behältermana-gement CKD

VW

DokumentationEinbau Reifen

Lokal Global

Anza

hl d

er O

bjek

te

Sendungs-zusammen-

stellung BLG IL

Abbildung 5-12: Abhängigkeit der untersuchten Anwendungen von externen Faktoren

5.7.3 Neue Prozesse und Dienstleistungen

Bei den im Rahmen der Fallstudien untersuchten Projekten spielen Innovationen wie Prozessreorganisationen oder neue Dienstleistungen derzeit eine untergeordnete Rol-le. Die Unternehmen erwähnen entsprechende Möglichkeiten zwar als Option für die Zukunft, berücksichtigen diese allerdings nicht bei der Wirtschaftlichkeitsbetrach-tung. Tabelle 5-8 vermittelt einen Überblick derartiger Innovationen. Dabei sind Ef-fekte, die infolge der Überlegungen aus Abschnitt 4.4 möglich erscheinen, jedoch die Unternehmen nicht als Zielsetzung nannten, kursiv dargestellt.

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192 5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis

Effekt Fallstudie Prozessreorganisationen Neue Dienstleistungsmodelle

Spezialbehälter

- Behälter IT-gestützt lokalisieren anstatt auf dem Gelände su-chen

- Kontinuierliche Prozessüber-wachung und -optimierung

- Reduzierung Leergutsammel-stellen

- Outsourcing des Spezialbe-hältermanagements

Standardbehälter

- Papierloser Informationsfluss / Wegfall von Etikettierungen

- Horizontale Integration von Lieferketten

- Ereignisgesteuerte Planung

- Vermietung auf Basis der Nutzungszeit

KLTs - Papierloser Informationsfluss /

Wegfall von Etikettierungen - Ereignisgesteuerte Planung

- Vermietung auf Basis der Nutzungszeit

Sendungszusammen-stellung BLG IL

- Abbau von Kontrollen - Horizontale Integration von

Lieferketten

- Keine

Reifen

- Abbau von Kontrollen - Ereignisgesteuerte Rech-

nungsstellung - Gezielter Rückruf

- Individuelle Runderneu-erung

- Produktinnovationen146

Tabelle 5-8: Effekte dritter Ordnung bei den untersuchten Fallstudien

Die möglichen Prozessreorganisationen basieren auf der Verfügbarkeit genauer und zeitnaher Informationen zur operativen Prozessausführung. Dies unterstützt eine Sub-stitution zentraler durch dezentrale ereignisbasierte Steuerung und Planung.147 Bei-spielsweise können Informationen zu Ereignissen im Liefernetzwerk, wie z.B. der Ankunft einer unvollständigen Lieferung, eine Änderung der Produktionsplanung an-stoßen. Die Rechnungsstellung des Lieferanten kann automatisch in Abhängigkeit der tatsächlich beim Kunden eingegangenen Waren erfolgen. Auf diese Weise können z.B. bei der Versandabwicklung der BLG IL, in der Behälterlogistik oder in der Rei-fenlogistik von Continental zuvor notwendige Prozessschritte wie mehrfache Kontrol-len in der Belieferung, Reklamationen oder die Kennzeichnung mit Papieretiketten entfallen. Die permanente Prozessüberwachung ist eine Voraussetzung für eine lau-fende Prozessoptimierung. Dabei ermöglicht die statistische Auswertung von Prozess-daten die Aufdeckung von Schwachstellen. So könnte VW z.B. die Orte im Behäl-terkreislauf lokalisieren, an denen regelmäßig Behälter aus dem Kreislauf verschwin- 146 Verschiedene im Rahmen der Fallstudie diskutierte Produktinnovationen basieren auf dem Einsatz von Sen-

soren im Reifen und richten sich an den Endkunden. 147 Dies entspricht der Zielsetzung von SCEM-Systemen (s. Abschnitt 3.4.2).

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5.7 Auswirkungen aus Perspektive des Wertschöpfungsnetzwerkes 193

den. Zur Minimierung des Behälterschwunds kann VW die Einführung eines nut-zungsabhängigen Mietmodells, bei dem die Verwender in Abhängigkeit der Nut-zungszeit bezahlen, erwägen. Die im Rahmen der Fallstudien diskutierten neuen Dienstleistungen im Behältermanagement beschränken sich auf derartige Mietmodel-le. Der Beitrag von RFID ist die Bereitstellung genauer Tracking-Informationen zur Unterstützung einer taggenauen Abrechnung.

Die nutzungsabhängige Behälterabrechnung kann jedoch auch Auslöser für umfang-reichere Prozessreorganisationen sein. Beispielsweise überprüft VW die Möglichkeit der gemeinsamen Nutzung von CKD-Behältern mit einem Handelsunternehmen. Da das Handelsunternehmen vorwiegend Transportkapazität aus Übersee nach Deutsch-land benötigt, ließe sich die Auslastung der bisher als Leergut aus Übersee zurückge-führten Behälter steigern. Dieses Beispiel zeigt Ansätze einer horizontalen Integration von Lieferketten, in diesem Fall zwischen Industrie und Handel.

Das Fallbeispiel der Reifenlogistik verbindet Prozess- und Produktinnovation. Einer-seits unterstützt die automatische Identifikation Prozesseffizienz und lückenlose Rückverfolgbarkeit. Bei einem Reifenrückruf ist eine gezielte und vollständige Durchführung möglich, wenn die verbauten Reifen fahrzeugbezogen dokumentiert sind. Andererseits unterstützt die Individualisierung der Reifen die Erbringung von Dienstleistungen während der Lebensdauer des Reifens. Ein Beispiel ist die individu-elle Runderneuerung von Reifen, die z.B. Speditionen wünschen. Des Weiteren er-möglicht der Einbau von Sensoren neue Produkteigenschaften, die z.B. dem Fahrer die Einschätzung der Straßenverhältnisse und des Reifenzustandes erleichtern und Versicherungen bei der individuellen Prämiengestaltung unterstützen, sofern der Fah-rer der Weitergabe der Daten zustimmt.

5.7.4 Kritische Erfolgsfaktoren

Die Erfolgsfaktorenforschung ist ein Mittel zur Beurteilung von Innovationen. Sie umfasst die Identifikation von positiven und negativen Einflussfaktoren von Inno-vationen. Häufig erfolgt die Erhebung in Form von quantitativen empirischen Unter-suchungen [vgl. Lilien/Yoon 1989]. Diese Arbeiten untersuchen die möglichen Ein-flussfaktoren, nachdem der Erfolg oder Misserfolg eingetreten ist. Dabei stellt sich die Schwierigkeit der eindeutigen und vollständigen Abgrenzung der wirksamen Faktoren [vgl. Staudt et al. 1996, 2 f.]. Diese Arbeit leitet kritische Erfolgsfaktoren aus einzel-nen Fallstudien ab. Hierbei besteht die Gefahr einer Überbewertung von Sonderfakto-ren, die nicht verallgemeinerbar sind. Dieser Einwand lässt sich durch einen Verzicht auf die Forderung nach Allgemeingültigkeit relativieren. Die Übertragung der aufbe-reiteten Ergebnisse auf andere Situationen bleibt dem Leser überlassen. In diesem Sinne erheben die nachfolgend beschriebenen Erfolgsfaktoren keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit oder Vollständigkeit. Sie basieren auf den Erkenntnissen der vor-

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194 5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis

gehend beschriebenen Fallstudien und den Ausführungen des vierten Kapitels. Es ist zu beachten, dass die Erhebung in einem frühen Stadium des Innovationsprozesses er-folgte. Das heißt, es besteht Ungewissheit über die für eine weitere Ausbreitung von RFID relevanten Rahmenbedingungen. Zum Beispiel ist ungewiss, in welchem Aus-maß die Preise für RFID-Systeme sinken und ob sich allgemein akzeptierte Standards durchsetzen werden. Tabelle 5-9 fasst die Relevanz der nachfolgend beschriebenen kritischen Erfolgsfaktoren für die in den Fallstudien beschriebenen RFID-Projekte zusammen.

Fallstudie KEF

Spezial-behälter

Standard-behälter KLTs

Sendungs-zusammen-

stellung Reifen

Bedarf nach Information ) ) ) * ( Technologische Reife * * ) ( ( Verwendung von Standards ) ) ( ( ( Systemintegration ( ( ( ( ( Prozessreorganisation * ) ) ) ) Schrittweises Vorgehen ( ( ( * *

( hohe Kritizität ) kritisch nur für geplante Ausbaustufen * geringe Bedeutung

Tabelle 5-9:Bedeutung kritischer Erfolgsfaktoren für die untersuchten Fallstudien

Bedarf nach mehr Information

Beim aktuellen Stand der RFID-Projekte spielt die erzielbare höhere Informationsgra-nularität eine untergeordnete Rolle. RFID-Systeme unterstützen die Automatisierung lokaler Vorgänge wie Ein- und Ausgangsbuchungen, wobei RFID als Substitut an-derer Erfassungsverfahren wie dem Barcode oder manueller Zählung zum Einsatz kommt. Der Mehrwert des RFID-Einsatzes entsteht dadurch, dass die Prozesse vorher gering automatisiert waren bzw. eine hohe Fehlerrate aufwiesen oder strategische Fehlerfolgekosten verursachten. Der Einsatzbereich von RFID beschränkt sich dem-nach auf entsprechende Prozesse (Spezialanwendungen). Die geplanten Ausbaustufen benötigen hingegen zusätzliche Informationen. Im Behältermanagement entsteht der Informationsbedarf durch die ereignisgesteuerte Planung, den papierlosen warenbe-gleitenden Informationsfluss148, die permanente Prozessüberwachung und Mietmodel-

148 Der Verzicht auf papiergebundene Information im Informationsfluss setzt voraus, dass diese Informationen

anderweitig verfügbar sind. Der Papierbeleg ist eine im Bedarfsfall zusammen mit der Lieferung schnell ver- fügbare Sicherheitskopie. Der Verzicht auf Lieferscheine erhöht die Anforderungen an die Fähigkeit zur Be- reitstellung durch das IT-System.

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5.7 Auswirkungen aus Perspektive des Wertschöpfungsnetzwerkes 195

le. Das Projekt zur Sendungszusammenstellung berücksichtigte anstatt des Infor-mationsgewinns nur die Effizienzsteigerung durch automatisierte Vollständigkeits-kontrolle. Hiermit war ein Nachweis der Wirtschaftlichkeit nicht möglich. Bei einer Fortführung des Projekts sollte der LDL den zusätzlichen Nutzen der Sendungszu-sammenstellungsinformation nicht nur für eigene Zwecke, sondern auch für die Pla-nung des Empfängers berücksichtigen.

Das RFID-Projekt zur Reifenlogistik zeigt ein Beispiel eines gesetzlich motivierten Informationsbedarfs. Die zuverlässige fahrzeugbezogene Dokumentation des Einbaus von Reifen mittels eines RFID-Systems erleichtert die Erfüllung der gesetzlichen An-forderungen zur Rückverfolgbarkeit. Weitere mögliche Nutzeneffekte entstehen durch auf Zusatzinformationen basierenden Innovationen, wie etwa der individualisierten Runderneuerung oder der sensorgestützten Reifenanwendungen. In allen untersuchten Fallstudien sind Nutzeneffekte durch Verwendung der zusätzlich gewonnenen Infor-mationen möglich. Die Steigerung der Integrationstiefe und -reichweite von RFID-Systemen unterstützt die Deckung dieses Informationsbedarfs. Die Forderung nach mehr Integration in der betrieblichen Informationsverarbeitung lässt sich folglich durch einen bisher unbefriedigten Informationsbedarf begründen.

Technologische Reife

Der Einsatz von unreifen RFID-Systemen stellt für Unternehmen aus zwei Gründen ein Risiko dar:

1. Fehlerrisiko. Falls die RFID-Systeme nicht die erwartete Leistung bzgl. Er-fassungsreichweite, Empfindlichkeit gegenüber äußeren Einflüssen, Erfas-sungsrate usw. erbringen, werden diese selbst zur Fehlerquelle. Ein Fehler-folgekostenrisiko besteht insb. bei Prozessen, die bereits eine hohe Prozesszu-verlässigkeit besitzen. Wenn bspw. im Fall der Sendungszusammenstellung der BLG, wo die Prozesszuverlässigkeit heute über 99 % beträgt, die Technologie nicht zuverlässig ist, kann der LDL den Kontrollaufwand nicht reduzieren oder er riskiert eine Verschlechterung der Lieferzuverlässigkeit.

2. Investitionsrisiko. So lange die RFID-Technologie nicht ausgereift ist, besteht die Möglichkeit, dass aktuelle RFID-Systeme nach kurzer Zeit technologisch überholt sind. Die weitere Verwendung des veralteten Systems bringt einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Konkurrenten, die ein neues System verwen-den. Eine Aufrüstung verursacht zusätzliche Kosten. Das heißt die im Nachhi-nein betrachtet zu früh durchgeführte Einführung wirkt sich für den Anwender nachteilig aus. Für den Reifenhersteller Continental birgt bspw. die Entwick-lung eines Produktionsverfahrens zur Integration eines unausgereiften RFID-Produkts in seine Reifen das Risiko, dass die Kunden die Lösung ablehnen.

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196 5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis

Im Behältermanagement ist das Risiko der technologischen Reife geringer als bei an-deren Anwendungen. Erstens existieren in diesem Bereich seit mehreren Jahren Re-ferenzanwendungen. Insbesondere bei der Verwendung von aktiven Transpondern ist die Zuverlässigkeit durch Anwendungsbeispiele erwiesen. Dabei ist bei der Verwen-dung von aktiven Transpondern zur Verfolgung langlebiger Produktionsmittel die Batterielebensdauer zu beachten. Zweitens sind viele dieser Anwendungen lokal be-grenzt, wie z.B. das Spezialbehältermanagement bei VW, sodass ein später eintreten-der externer Druck zur Anpassung der Lösung unwahrscheinlich ist.

Verwendung von Standards

Fehlende oder wenig akzeptierte Standards erhöhen das im Zusammenhang mit der technologischen Reife beschriebene Investitionsrisiko. Ihre Verwendung von Stan-dards unterstützt die zukünftige Ausweitung von RFID-Systemen in dreifacher Weise:

1. Standards erleichtern den stufenweisen Ausbau von RFID-Systemen als Erwei-terung bestehender Infrastrukturen. Ihr Mehrwert zeigt sich erst in der Erwei-terung zu kollaborativen oder offenen Systemen. Bei frühzeitiger Berücksichti-gung von Standards entfallen später Kosten für die Umrüstung auf stan-dardisierte Systeme. VW hat z.B. für das Spezialbehältermanagement das in der Pilotanwendung verwendete UHF-System als Konzernstandard gesetzt. Auf diese Weise möchte das Unternehmen die geplante sukzessive Hinzunah-me von weiteren Behältertypen kostengünstig realisieren.

2. Kollaborative Anwendungen setzen Standards bzw. Vereinbarungen voraus. Die Verwendung inkompatibler Systeme erschwert eine spätere Erweiterung lokaler Insellösungen zu kollaborativen Systemen. Beispielsweise ist im Fall-beispiel der Sendungszusammenstellung bei der BLG IL die Wirtschaftlichkeit der Verwendung von RFID-Etiketten davon abhängig, dass auch der Fahrzeug-hersteller die Technologie verwendet.

3. Globale Netzwerkeffekte entstehen dadurch, dass sich die Nachfrage nach RFID-Systemen auf standardisierte Produkte konzentriert. Skaleneffekte in der Herstellung führen zu sinkenden Hardwarepreisen. Dadurch vergrößert sich der Markt für auf den Standards aufsetzende Dienstleistungen und Komple-mentärprodukte. Beispielsweise unterstützt eine branchenweite standardisierte Reifenkennzeichnung Dienstleister, die sich auf die Runderneuerung beliebiger Reifen spezialisieren. Im Falle des KLT-Beispiels sind elektronische Anzeigen zur Darstellung der auf RFID-Etiketten gespeicherten Daten in menschlich les-barer Form, bspw. basierend auf „elektronischem Papier“, ein mögliches Kom-plementärprodukt.

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5.7 Auswirkungen aus Perspektive des Wertschöpfungsnetzwerkes 197

Systemintegration

Einen Mehrwert realisieren RFID-Systemen erst in Verbindung mit anderen IT-Sys-temen. Ohne Systemintegration ist der Informationsfluss unterbrochen und die be-darfsgerechte Bereitstellung erschwert bzw. lokal begrenzt. Alle beschriebenen Fall-studien verfolgen eine Systemintegration, die über die Substitution bestehender Auto-ID-Systemschnittstellen hinausgeht. Zum Beispiel entwickelt VW eine eigene Midd-leware, die zukünftig mehrere Anwendungen des Produktionsmittelmanagements nut-zen wird. Die Middleware ermöglicht die Nutzbarmachung der gemeinsam mit den Produktionsmitteln verwalteten Information, wie etwa die Wartungshistorie. Insbe-sondere bei kollaborativen Anwendungen, wie z.B. der KLT-Verfolgung oder der Reifenlogistik, beeinflusst standardisierte Middleware die Leistungsfähigkeit des Sys-tems, da sie den Beteiligten die Anbindung der RFID-Systeme mit bestehenden IT-Systeminfrastrukturen erleichtert und das Risiko von Inkompatibilitäten verringert. Die Systemintegration beschränkt sich nicht auf die Anpassung der Schnittstellen, sondern führt auch zu Änderungen der Applikationen. Dies bedeutet z.B. eine Erwei-terung um neue Funktionen, welche die Zusatzinformationen verwenden, wie z.B. ereignisgesteuerte Planungsverfahren. Die Anwendung dieser neuen Funktionen setzt Prozessveränderungen voraus.

Prozessreorganisation

Effekte dritter Ordnung entstehen durch Prozessanpassungen mit dem Ziel, die zu-sätzliche Information zur Steigerung von Prozesseffizienz oder -qualität einzusetzen. Bei anderen Infrastrukturtechnologien, wie Internet oder Mobilfunk, zeigte sich, dass die Anwender den Mehrwert der Technologie erst nach Durchführung der Prozessre-organisation realisierten. Beispielsweise generiert eine auf elektronischem Weg erhal-tene Bestellung dann Mehrwert gegenüber einer Faxbestellung, wenn die Bestelldaten direkt, d.h. ohne nochmalige Erfassung durch einen Mitarbeiter in das Auftragsab-wicklungssystem gelangen. Die vorgeschlagenen Geschäftsmodelle im Behältermana-gement oder der Reifenlogistik erfordern z.B. neue Prozesse. Im Fall des Einsatzes von RFID eignen sich Regelkreise zur Modellierung der operativen Prozesse. Falls bspw. die Unternehmen die ereignisgesteuerte Planung einführen möchten, müssen sie neue Regelkreise definieren, die z.B. Vorgaben in der Produktion in Abhängigkeit von Ereignissen im Lieferprozess steuern. Die BLG IL oder VW haben darüber hin-aus die Möglichkeit, Mehrwert durch die horizontale Integration ihrer Liefernetzwer-ke zu generieren.

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198 5 Auswirkungen des RFID-Einsatzes in der Praxis

Schrittweises Vorgehen

Die Fallstudien geben Ausblicke auf mögliche Erweiterungen der geplanten RFID-Systeme, welche die Unternehmen erst nach Abschluss der aktuellen Projekte anstre-ben. Das schrittweise Vorgehen hilft den Unternehmen das Investitionsrisiko zu sen-ken, in Abhängigkeit von der technologischen Reife und der Preissituation ihre An-wendungen auszubauen und Infrastruktur aufzubauen. Schrittweises Vorgehen ist so-wohl aus der Perspektive einzelner Anwendungen als auch aus der Perspektive der Adoption im Liefernetzwerk sinnvoll:

1. Bei einzelnen Anwendungen können die Unternehmen Reichweite und Tiefe der Integration durch den Ausbau des RFID-Systems steigern. Ein definierter Ausbaupfad existiert z.B. für das Behältermanagement.

2. Für die Adoption in der Industrie beschreibt das Diffusionsmodell mögliche Ausbaustufen in Abhängigkeit des Integrationsgrades von RFID-Systemen. Dabei sind zu einigen Ausbaustufen des Modells wirtschaftliche Anwendungen schwer realisierbar. Ein Beispiel ist die lokale Verwendung von Funketiketten zur Kontrolle der Sendungszusammenstellung bei der BLG IL. Vergleichbare Anwendungen sind nur unter speziellen Bedingungen, wie z.B. sehr hohen Fehlerfolgekosten, wirtschaftlich sinnvoll. Das heißt die Ausbreitung von RFID verläuft nicht gleichmäßig durch alle Stufen des Würfels. Trotzdem ist die schrittweise Bildung eines Pfads, von unten links in Richtung oben rechts möglich.

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5.7 Auswirkungen aus Perspektive des Wertschöpfungsnetzwerkes 199

6 Zusammenfassung und Ausblick

RFID-Systeme konnten im Liefernetzwerk der Automobilindustrie bisher keine Ver-breitung finden. Sinkende Preise für die Technologie und technologische Reife veran-lassen Unternehmen jedoch, über den Einsatz von RFID im SCM nachzudenken. Wie die Fallstudien zeigen, befinden sich einige Unternehmen, wie z.B. BLG IL und VW, in der Pilotierungsphase (s. Kapitel 5). Die bereits operativen Anwendungen in ge-schlossenen logistischen Systemen, wie z.B. zum Spezialbehältermanagement, konn-ten die Unternehmen mit einem vergleichsweise geringen Investitionsrisiko realisie-ren. Der wirtschaftliche Nutzen bei solchen Spezialanwendungen entsteht durch eine Effizienzsteigerung bisher gering automatisierter Logistikprozesse.

Mögliche Nutzeneffekte von RFID im SCM durch verbesserte Informationsversor-gung betrachten Unternehmen derzeit nicht. Die Arbeit beschreibt entsprechende An-wendungsmöglichkeiten, die sich nicht auf die Automatisierung und Steigerung der Prozesseffizienz wie etwa im Behältermanagement oder der Transportsteuerung be-schränken. Dabei ermöglicht die Steigerung der Prozesszuverlässigkeit und Flexibili-tät einen direkten Kundennutzen, z.B. durch Unterstützung der kundenindividuellen Leistungsgestaltung. RFID spielt in diesem Zusammenhang die Rolle eines Enablers, da zusätzlich Prozessreorganisationen wie bspw. die Einrichtung der Ereignis-steuerung (selbststeuernde Regelkreise) oder die horizontale Integration von Liefer-ketten und Systemintegration notwendig sind. Der Aufwand der Reorganisation kann die Kosten des technischen Systems übersteigen. Allerdings kann RFID auf diese Weise auch einen Beitrag zur Bewältigung strategischer Herausforderungen an das SCMs, wie Kundenorientierung oder Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, leisten. Über die Entwicklung relevanter äußerer Einflussfaktoren wie Kosten, technologische Reife, Standards und Diffusion von RFID besteht derzeit ebenso Unsicherheit wie über die im Liefernetzwerk erzielbaren Nutzeneffekte. Vor diesem Hintergrund be-antwortet der folgende Abschnitt die Forschungsfrage nach dem Mehrwert von RFID. Die anschließenden Abschnitte beschreiben Handlungsempfehlungen für die Praxis und den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn der Dissertation. Zum Abschluss be-schreibt der Autor seine Vision des informatisierten Liefernetzwerkes im Sinne einer „realen Virtualität“.

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200 6 Zusammenfassung und Ausblick

6.1 Beantwortung der Forschungsfragen

Die Beantwortung der Frage nach dem Mehrwert der RFID-Technologie für das Supply Chain Management der Automobilindustrie folgt im Anschluss an die Beant-wortung der in Abschnitt 1.2 formulierten hinführenden Forschungsfragen.

Wie unterstützt RFID die Koordination von Ressourcen im Supply Chain Mana-gement?

RFID-Systeme unterstützen die Koordinationsinstrumente Integration, Automati-sierung und Dezentralisierung und senken hiermit den Koordinationsaufwand im SCM (vgl. Abschnitt 4.1).

• Integration. RFID-Systeme bilden Vorgänge in der realen Welt automatisch in IT-Systemen ab. Damit liefern sie Ausführungs- und Planungssystemen voll-ständige und richtige Informationen zur Unterstützung von Entscheidungen.

• Automatisierung. RFID-Systeme schließen Lücken in teilautomatisierten Re-gelkreisen, die bisher menschliches Eingreifen erforderten. Dies ermöglicht die regelbasierte Automatisierung von Prozessen.

• Dezentralisierung. Im Vergleich zu traditionellen IT-Systemen ermöglichen mobile RFID-Systeme einen höheren Grad an Dezentralisierung. Der Material-fluss wird informatisierbar und stellt lokalen Entscheidungsträgern objektbezo-gene Informationen, z.B. bzgl. Produktverwendung oder -authentifikation, zur Verfügung.

Welche möglichen Nutzeneffekte entstehen durch verbesserte Koordination im Supply Chain Management der Automobilindustrie?

Den Erkenntnissen der Koordinationstheorie folgend substituieren neue Koordi-nationstechnologien traditionelle, ermöglichen Netzwerkanwendungen nach deren Verbreitung und führen zu koordinationsintensiveren Strukturen. Die Voraussetzung hierfür ist, dass diese Technologien den Koordinationsaufwand senken (vgl. Ab-schnitte 4.2, 4.3 und 4.4.)

• Substitutionseffekte. Substitution traditioneller Datenerfassungstechnologien durch RFID erhöht die Prozesseffizienz und -qualität. Eine nennenswerte Stei-gerung der Prozesseffizienz ist im Liefernetzwerk der Automobilindustrie z.B. bei bisher gering automatisierten ungeführten Prozessen wie dem Behälterma-nagement möglich. Eine Verbesserung der Prozessqualität ist dort erstrebens-wert, wo Fehler zu hohen strategischen Folgekosten führen, z.B. beim Einbau und der Rückverfolgung von sicherheitsrelevanten Teilen.

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6.1 Beantwortung der Forschungsfragen 201

• Netzwerkeffekte durch Diffusion. Ausgehend von Spezialanwendungen der RFID-Technologie im Spezialladungsträgermanagement und zur automa-tischen Identifikation sicherheitsrelevanter Teile nimmt die Integrationsreich-weite und -tiefe von RFID-Systemen zu. Die Integrationstiefe steigt, indem RFID-Systeme zunehmend mehr Objekte abdecken. Dabei erfolgt die Ausbrei-tung über die Ebenen des Materialflusses von Ladungsträgern hin zu Einzel-teilen sowie in der Reihenfolge der Kritizität der Objekte des Materialflusses. Die Integrationsreichweite steigt durch den Einsatz von RFID-Systemen bei ei-ner wachsenden Anzahl von Unternehmen im Liefernetzwerk. Die Verbreitung der Infrastruktur führt zu Netzwerkeffekten, insb. Skaleneffekten, und unter-stützt kollaborative Anwendungen, wie z.B. das Management gemeinsam ge-nutzter Behälterpools, Tracking&Tracing und SCEM.

• Reorganisationseffekte. Systemintegration, Umgestaltung von Prozessen sowie neue Geschäftsmodelle ermöglichen die Realisierung weiterer Effizienz- und Qualitätssteigerungen im SCM. Beispiele solcher Reorganisationen sind der Abbau von Kontrollen und des Beschwerdemanagements, neue informationsin-tensivere Planungsalgorithmen, die horizontale Integration von Lieferketten, ein höherer Individualisierungsgrad von Produkten und die Verwendung von Infrastrukturdienstleistungen zur Informationsversorgung.

Welche Grenzen bestehen für den wirtschaftlichen Einsatz von RFID-Systemen?

Die in gegenseitiger Abhängigkeit stehenden Faktoren Kosten, technologische Reife sowie unzureichende Standardisierung begrenzen derzeit den wirtschaftlich sinnvol-len Einsatz von RFID-Systemen (vgl. Abschnitte 4.2.3, 4.3.4 und 4.4.3).

• Kosten. Für den Einsatz von RFID zur Steigerung der Prozesseffizienz, die Un-ternehmen mehrheitlich anstreben, sind die Kosten für RFID-Systeme höher als der Nutzen. Transponder sind im Vergleich zu anderen Auto-ID-Technolo-gien wie Bar- oder 2D-Codes teurer und rechnen sich nur bei Spezialanwen-dungen. Derzeit ist unklar, wie schnell die von Marktforschungsinstituten auf-grund steigenden Produktionsvolumens vorhergesagte Preissenkung eintritt. Voraussetzungen hierfür sind außerdem die technologische Reife und Stan-dards. Weitere offene Fragen im Zusammenhang mit den Kosten sind die Un-sicherheit über den Nutzen, der durch Verwendung von RFID in komplexen Liefernetzwerken möglich ist und die Kostenverteilung bei kollaborativen An-wendungen.

• Technologische Reife. Unreife Technologien verursachen Zusatzaufwand bei der Durchführung von RFID-Projekten oder führen sogar zu deren Scheitern. Hierfür gibt es zwei Gründe. Erstens fehlen bei den Anbietern Erfahrungen

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202 6 Zusammenfassung und Ausblick

bzgl. der Leistungsfähigkeit von RFID in spezifischen Anwendungssituatio-nen. Zweitens sind die Anwender mit einer hohen Innovationsrate von RFID-Systemen konfrontiert, welche die Auswahl erschwert. Die Anwender erwarten technologische Verbesserungen zur Miniaturisierung, Pulkerfassung und Per-formanz in metallischen Umgebungen. Nach Fortschritten in der technologi-schen Reife der Hardware sehen sie zunehmend die Ausgereiftheit der Integra-tionssoftware als kritischen Faktor.

• Standards. Kollaborative RFID-Anwendungen setzen die Verwendung von Standards voraus. Derzeit existieren verschiedene Standardisierungs-empfehlungen. Allerdings hat sich die Mehrheit der Anwender nicht festgelegt, welchen Standard sie unterstützt. Damit die Anwender Standards akzeptieren, muss die technologische Reife gegeben sein. Zudem gefährden ungeklärte Pa-tentfragen die Akzeptanz von Standards.

Welche kritischen Erfolgsfaktoren müssen die Unternehmen bei der Vorbe-reitung der Einführung von RFID-Systemen beachten?

Die Arbeit identifiziert sechs kritische Erfolgsfaktoren für den Einsatz von RFID (vgl. Abschnitt 5.7.4):

1. Bedarf nach mehr Information

2. Technologische Reife

3. Verwendung von Standards

4. Systemintegration

5. Prozessreorganisation

6. Schrittweises Vorgehen

Welchen Mehrwert besitzen RFID-Systeme für das SCM der Automobilindustrie?

Verbesserte Koordination erzeugt Mehrwert auf den Ebenen Prozess, Wertschöp-fungsnetzwerk und Volkswirtschaft (vgl. Abschnitt 4.5). Die Höhe eines möglichen monetären Mehrwertes ist von der konkreten Situation der betrachteten Wert-schöpfungseinheit, z.B. der verwendeten Prozessstruktur, strategischen Ziele sowie externen Anforderungen, abhängig und ist nur in Bezug auf diese ermittelbar (vgl. Kapitel 3).

• Prozess. Einsparungen von manuellem Aufwand und Fehlerfolgekosten lassen sich aufgabenbezogen als monetäre Größe berechnen und einzelnen Unterneh-men zuordnen.

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6.2 Wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn 203

• Wertschöpfungsnetzwerk. Der Einsatz von RFID im Wertschöpfungsnetzwerk ermöglicht in Verbindung mit horizontal integrierten Informationssystemen die Realisierung kollaborativer Nutzeneffekte. Diese sind aus Perspektive des SCMs messbar und können die Wertschöpfung des Netzwerkes steigern.

• Volkswirtschaft. Als Commodity verfügbare Infrastrukturdienstleistungen er-schweren einzelnen Unternehmen die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen durch deren Einsatz. Allerdings entsteht volkswirtschaftlicher Mehrwert durch die Befriedigung von zusätzlichen Kundenbedürfnissen und den Umfang er-brachter Infrastrukturdienstleistungen.

6.2 Wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn

Die Anwendung der Koordinationstheorie liefert neue Erkenntnisse zu den Auswir-kungen der RFID-Technologie im SCM. Andere Arbeiten auf diesem Gebiet unter-suchen meist ausgehend von einem linearen Modell der Lieferkette, bei welchen be-stehenden Aufgaben und Prozessen Nutzeneffekte möglich sind. Dabei ersetzen sie im Modell die bisher eingesetzten ID-Systeme, wie z.B. Barcode, durch RFID. Sie be-werten den wirtschaftlichen Nutzen anhand der möglichen Prozesseffizienzgewinne, insb. der Einsparungen von manuellem Aufwand. Derartige Arbeiten versuchen einen Mehrwert des Technologieeinsatzes durch die möglichst vollständige Erfassung aller Effizienzgewinne im Wertschöpfungsnetzwerk und deren Aufsummierung zu zeigen. In den Wirtschaftlichkeitsberechnungen nehmen sie Skaleneffekte, z.B. geringe Hard-warekosten und Standards, vorweg, ohne deren Zustandekommen zu begründen. Die-se Vorgehensweise konnte den Mehrwert von RFID in offenen logistischen Systemen nicht nachweisen.

Die Koordinationstheorie hingegen stellt einen fundierten Rahmen zur Analyse der Auswirkungen von RFID zur Verfügung. Zur Erklärung von Struktureffekten ist eine Abstraktion von RFID als Auto-ID-System notwendig. Während die Konzentration auf die automatische Identifikation für die Identifizierung von Auswirkungen erster und zweiter Ordnung ausreicht, lassen sich Effekte dritter Ordnung erst mittels der veränderten Koordinationsmechanismen im SCM erklären. Hierfür verwendet die Ar-beit die von RFID unterstützten Koordinationswerkzeuge Automatisierung, Integra-tion und Dezentralisierung. Dabei erweitert die Arbeit den Aspekt der Integrations-tiefe des Integrationsbegriffs. Andere Arbeiten zur Integration in der betrieblichen In-formationsverarbeitung konzentrieren sich auf die Auswirkungen steigender Integra-tionsreichweite, wie z.B. die Durchgängigkeit der Prozessunterstützung. Integrations-tiefe beschränkt sich auf die Verbindung unterschiedlicher Ebenen planender und aus-führender IT-Systeme. Hierzu ergänzt diese Arbeit die Integrationsebene der realen Welt als weitere Stufe der Integrationstiefe.

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204 6 Zusammenfassung und Ausblick

Die zunehmende horizontale Integration erhöht den Bedarf nach Integrationstiefe, d.h. nach mehr Information über den physischen Materialfluss. Kollaborative Aufgaben wie die gemeinsame Planung, Lagerbewirtschaftung oder Nutzung von Produktions-mitteln verlangen zuverlässige und bedarfsgerechte Informationen. Andernfalls führt dies zu Effizienzverlusten bei der Ausführung kollaborativer Aufgaben oder Ein-schränkungen wegen Vertrauensverlust in den Kooperationspartner. Die Koordinati-onswerkzeuge Automatisierung zur Erzielung von Effekten erster Ordnung und De-zentralisierung zur Erzielung von Effekten dritter Ordnung sind von der Integrations-tiefe abhängig.

Basierend auf einer Substitution manueller durch maschinelle Koordination (Automa-tisierung) bewirken Effekte erster Ordnung eine Steigerung der Prozesseffizienz und -zuverlässigkeit verschiedener lokaler Aufgaben, z.B. Dokumentation der Montage und Inventur (s. Tabelle 6-1). Die Analyse der möglichen Nutzeneffekte erfolgt im Zusammenhang mit den durch das technische System verursachten Kosten, die den wirtschaftlich sinnvollen Einsatz von RFID begrenzen. Ein Mehrwert der Automati-sierung mittels RFID zeigt die Arbeit nur für Spezialanwendungen, z.B. bei geschlos-senen logistischen Systemen oder sicherheitsrelevanten Anwendungen.

Bei den Effekten zweiter Ordnung stehen, bedingt durch die Integrationsreichweite der RFID-Systeme, Informationen nicht nur für lokale Applikationen, sondern im ge-samten Liefernetzwerk zur Verfügung. Die Informationsqualität erhöht die Leistungs-fähigkeit bestehender kollaborative Prozesse. Beispielsweise sind Planungen, die auf tatsächlichen Bestandsgrößen im Vergleich zu den heute verwendeten falschen Infor-mationen durchgeführt werden, genauer. Bei diesen Auswirkungen handelt es sich um Netzwerkeffekte einer Infrastrukturtechnologie, die an unterschiedlichen Orten und bei verschiedenen Aufgaben des Liefernetzwerkes auftreten.

Zur Steigerung der Wirksamkeit der verfügbaren Information restrukturieren die Un-ternehmen ihre Prozesse und realisieren Effekte dritter Ordnung. Dabei ermöglichen RFID-Systeme eine Zunahme der Dezentralisierung. Fallstudien zum Behälter-management oder zur Reifenlogistik zeigen dies ansatzweise. Beispielsweise sind die strukturellen Effekte des RFID-gestützen Behältermanagements die Selbststeuerung und die horizontale Integration verschiedener Lieferketten.

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6.2 Wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn 205

Koordinations-instrument

Auswirkungen Aufgaben / Prozesse / Struktur des SCM

Integrationstiefe und Automatisierung

Effekte erster Ordnung (Automatisierung lokaler Aufgaben)

- Dokumentation der Montage - Inventur - Konfigurationskontrolle - Produktionsmittelmanagement - Sendungszusammenstellung - Transportsteuerung - Wareneingangskontrolle

Integrationstiefe und -reichweite

Effekte zweiter Ordnung (Unterstützung bestehender kollaborativer Prozesse)

- Bestandsplanung - Kapazitätsplanung - Lokalisierung - Zunahme Mehrwegbehälter - Rückverfolgung / Rückruf - VMI

Integrationstiefe, -reichweite und Dezentralisierung

Effekte dritter Ordnung (Änderungen der Prozess-struktur)

- Bezahlmodelle - Dienstleistungen zum PDM - Ereignisgesteuerte Planung - Horizontale Integration - Integrierte Qualitätskontrolle - Massenindividualisierung - Produktionsmittel-Outsourcing - SCEM - Wartungsdienstleistungen

Tabelle 6-1: Koordinationseffekte im SCM

Mit dem Regelkreis liefert die Dissertation einen Baustein zur Gestaltung der struktu-rellen Transformation von Wertschöpfungsnetzwerken. Dabei schließen RFID-Syste-me eine Lücke im Führungsregelkreis. Regelkreise führen zur Automatisierung, wenn sie geschlossen sind. Sie unterstützen die Integration, wenn sie untereinander vernetzt sind. Sie sind dezentral, weil sie sich beliebigen Aktivitäten zuordnen lassen. Die strukturellen Änderungen entstehen durch den Einsatz neuer Regeln, die bspw. fein-maschiger sind, wie bei der Integration der Qualitätskontrolle in Prozesse, die neue Aktionsmuster festlegen, wie beim SCEM oder die durch horizontale und vertikale Vernetzung komplexere Organisationsstrukturen managen können, wie sie z.B. für eine Ausweitung der Individualisierung oder die horizontale Integration von Liefer-ketten notwendig sind.

Die vorliegende Arbeit kann diese Auswirkungen weder vollständig darstellen noch einen exakten Mehrwert angeben. Aufgrund der dünnen empirischen Datenbasis stüt-zen sich die Erkenntnisse vorwiegend auf konzeptionelle Überlegungen. Die Fallstu-dien unterlegen das Erklärungsmodell nur mit wenigen Datenpunkten. Sie setzen Schwerpunkte bei aktuellen RFID-Aktivitäten, die im Vergleich zu dem vermuteten Innovationspotenzial von RFID bescheidene Ansätze des Machbaren zeigen. Hinge-gen gehen die Überlegungen zu zukünftigen Anwendungen über das hinaus, was heu-

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206 6 Zusammenfassung und Ausblick

tige RFID-Systeme leisten können. In diesem Zusammenhang begründet die um-fassendere Perspektive des Ubiquitous Computing weiteren an die Erkenntnisse dieser Dissertation anknüpfenden Forschungsbedarf. Mögliche Forschungsfragen ergeben sich aus der empirischen Überprüfung der Auswirkungen, der Berücksichtigung wei-terer Technologien und der Anwendung neuer Perspektiven auf die Bewertung des Technologieeinsatzes, wie bspw. das PLM-(Product-Lifecycle-Management-)Konzept.

• Berücksichtigung weiterer Technologien. RTLS (Real Time Locating Sys-tems)149, drahtlose Sensornetzwerke, ZigBee150, MEMS sind Beispiele von Technologien, die kurz bis mittelfristig ein Innovationspotenzial für das SCM besitzen. In der Zukunft werden Quantencomputer, Verbindungen biologischer und elektronischer Systeme sowie noch zu erfindende Technologien hinzu-kommen. Neben den neuen Anwendungsmöglichkeiten ist von besonderem In-teresse, ob mit diesen Technologien die Überwindung der Grenze determinier-ter Regelkreise gelingt, d.h., ob selbstlernende Systeme mit Eigenschaften der KI die Beherrschung komplexerer Prozesse ermöglichen.

• Empirische Überprüfung der Auswirkungen. Derzeit sind die Auswirkungen von RFID auf das SCM ungewiss, da erst wenige Daten über operative An-wendungen vorliegen. Netzwerkeffekte oder Prozessreorganisationen sind noch nicht nachweisbar. Wenn zukünftig entsprechendes Datenmaterial vor-liegt, lassen sich die in dieser Arbeit vermuteten Prozessänderungen und die mögliche Erzielung von Wettbewerbsvorteilen quantitativ empirisch überprü-fen. Beispielsweise kann die Untersuchung der Auswirkungen von RFID zur Steigerung der Prozesszuverlässigkeit bei sicherheitsrelevanten Spezialanwen-dungen einen Beitrag zum Qualitätsmanagement leisten.

• PLM-orientierte Perspektive. Diese Arbeit beschränkt sich auf den möglichen Mehrwert von RFID als eine Infrastrukturtechnologie aus Perspektive des SCMs. Produkthersteller interessieren sich darüber hinaus für neue Wert-schöpfungspotenziale ihrer Produkte. Die Ermittlung des produktbezogenen Mehrwertes im SCM und darüber hinaus ist mögliches Thema weiterführender Arbeiten. Beispielsweise fragt sich der Hersteller, mit welchen Dienstleis-tungen er von der „Vernetzung“ mit seinem Produkt über dessen gesamten Le-benszyklus profitieren kann.

149 RTLS sind heute schon in der Automobilindustrie zur Lokalisierung von Produktionsmitteln oder fertigen

Fahrzeugen im Einsatz [vgl. Geier/Bell 2001]. 150 ZigBee ist ähnlich wie Bluetooth eine Technologie für den Kurzstreckenfunk, die auf der IEEE-Spezifikation

802.15.4 basiert, und für die Vernetzung von Industrieanlagen oder smarten Haushaltsgeräten konzipiert ist (s. www.zigbee.org).

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6.3 Handlungsempfehlungen für die Praxis 207

6.3 Handlungsempfehlungen für die Praxis

Die folgenden aus den kritischen Erfolgsfaktoren (s. Abschnitt 5.7.4) abgeleiteten strategischen Handlungsempfehlungen unterstützen Unternehmen bei der Planung des RFID-Einsatzes (s. Tabelle 6-2).151

1. Ermittlung des Informationsbedarfs 2. Überprüfung der technologischen Reife 3. Berücksichtigung von Standards 4. Systemintegration 5. Prozessreorganisation 6. Schrittweises Vorgehen

Tabelle 6-2: Übersicht der Handlungsempfehlungen

1. Ermittlung des Informationsbedarfs

Unternehmen konzentrieren sich bei der Planung des Einsatzes von RFID auf die Er-höhung der Prozesseffizienz anstatt auf die Verbesserung der Informationsversor-gung. Im Rahmen aktueller Pilotprojekte durchgeführte Wirtschaftlichkeitsberech-nungen können die Rentabilität von RFID-Systemen nur für geschlossene logistische Systeme zeigen. Die Berücksichtigung möglicher Nutzeneffekte besserer Infor-mationsversorgung kann dies ändern. Ein erster Schritt hierfür ist die Ermittlung und Bewertung des Informationsbedarfs. Hierzu vergleichen Unternehmen ihre eigene Situation mit dem Modell des Echtzeitunternehmens.

Strategische Vision des Echtzeitunternehmens als Ausgangspunkt. Im Echtzeitunter-nehmen stehen entscheidungsrelevante Informationen bedarfsgerecht zur Verfügung. Nutzeneffekte besserer Entscheidungsqualität in der operativen Ausführung (Reakti-onsfähigkeit) und Planung entstehen durch

• Möglichkeiten bestehende Prozesse durch Regelkreise zu unterstützen, bspw. zur Erhöhung der Prozesszuverlässigkeit oder Einführung von SCEM-Syste-men.

• die Umsetzung strategischer Zielsetzungen des SCMs wie Kundenorientierung, Kostenführerschaft oder Flexibilität durch Prozessreorganisation, z.B. Erhöh-ung des Grades der Produktindividualisierung, Outsourcing des Behälterma-nagements oder ereignisgesteuerte Planung.

151 Des Weiteren sind auch die allgemein üblichen Erfolgsfaktoren für die Durchführung komplexer IT-Projekte

zu berücksichtigen [Österle et al. 1991, 40 ff.].

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208 6 Zusammenfassung und Ausblick

• neue Dienstleistungen zur Erhöhung der Wertschöpfung, bspw. die Speiche-rung von für die Verwendung relevanten Daten auf dem Produkt oder die Ein-führung produktindividueller Services, z.B. zur Wartung oder Finanzierung.

Auswirkungen von Medienbrüchen erkennen. Unzureichende Informationen führen zu Fehlern und Ineffizienz. Derartige Schwachstellen lassen sich durch eine Prozessana-lyse aufdecken. Dabei sind die Aufgaben zu identifizieren, bei denen aufgrund einer verbesserten Informationsversorgung eine Steigerung von Effizienz oder Qualität möglich ist. Dies ist bspw. der Fall, wenn aufgrund mangelnder oder falscher Infor-mationen Verzögerungen oder Fehler auftreten. Zur Identifizierung der Medienbrüche (Schwachstellen) überprüfen Unternehmen anhand folgender Fragen, wo Regeln des Echtzeitunternehmens verletzt sind (vgl. Abschnitt 2.2.3).

• Bei welchen Aufgaben besteht Informationsmangel? Typische Situationen sind z.B. unzuverlässige Planung der Nachbevorratung, unbekannter Standort von Produktionsmitteln, fehlender Echtheitsnachweis von Ersatzteilen.

• Bei welchen Aufgaben ist die Informationsgewinnung verzögert? Verzögerun-gen treten bspw. bei Wareneingangskontrollen, Inventuren oder Einlesen von Avisen auf.

• Für welche Aufgaben stehen Informationen nicht individualisiert zur Verfü-gung? Unzureichende Informationsgranularität ist z.B. bei der Rückverfolgung einzelner Produkte, um bspw. gezielte Rückrufaktionen durchführen zu kön-nen, sowie kundenindividueller Einzelfertigung ein Problem.

Informationen nach der Kritizität bewerten. Der Wert von Informationen ist unter-schiedlich und darf den Aufwand für die Beschaffung nicht übersteigen. Die mit den zuvor identifizierten Schwachstellen in der Informationsversorgung verbundenen Kosten, z.B. der Aufwand bei der Datenerfassung bzw. Opportunitätskosten, bspw. entgangene Umsätze, entsprechen dem potenziellen Mehrwert der Information. Dabei können sich Nutzeneffekte der Information aufsummieren. Beispielsweise nützt ver-zögerungsfreie Information über eine eingetroffene Lieferung nicht nur zur automa-tischen Verbuchung des Vorgangs, sondern auch zur effizienten Bereitstellung von Transportkapazitäten, zur Rechnungsstellung oder zur Bewertung des Lieferanten. Die Einführung von RFID-Systemen zur Unterstützung der Versorgung mit kritischen Informationen ist zu priorisieren.

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6.3 Handlungsempfehlungen für die Praxis 209

2. Überprüfung der technologischen Reife

Insbesondere bzgl. passiver RFID-Systeme existieren erst wenige Erfahrungen aus operativen SCM-Anwendungen. Da die Leistungsfähigkeit der Systeme von Umge-bungseinflüssen abhängt, wie z.B. Metall oder Feuchtigkeit, und die Technologiean-bieter Leistungskennzahlen, wie etwa die Lesereichweite oder die Pulkerfassungs-fähigkeit, nur als Richtwert in Abhängigkeit der Umgebungseinflüsse angeben kön-nen, ist eine Überprüfung der technischen Machbarkeit vor einer Ausrollung notwen-dig. Hierzu können Unternehmen Referenzanwendungen analysieren oder selbst Pi-lotanwendungen durchführen.

Referenzanwendungen beachten. Die Überprüfung der technischen Machbarkeit an-hand von Referenzanwendungen ist mit geringem Zusatzaufwand möglich. Auskünfte zu Fallstudien aktueller RFID-Projekte erteilen Fachzeitschriften, Technologieanbie-ter sowie Industrieverbände. Die Gleichartigkeit der Anwendungen ist u.a. bzgl. der Umgebungseinflüsse, benötigter Lesereichweite, Anzahl, Ausrichtung und Geschwin-digkeit der zu erfassenden Objekte und Platzbedarf für den Transponder zu überprü-fen. Beispielsweise beeinflusst der Inhalt von Packstücken, mit welcher Zuverlässig-keit die Erfassung eines auf der Verpackung angebrachten Transponders erfolgt.

Piloten mit Beteiligung von Technologieanbietern durchführen. Bei der Durchführung von Pilotanwendungen entstehen Kosten für Hardware, den zeitlichen Aufwand sowie evtl. Betriebsstörungen. Insbesondere kritische Situationen, wie bspw. die Erfassung der maximal möglichen Anzahl von Objekten sowie aus technologischer Perspektive ungünstige Ausrichtungen, sind zu überprüfen, um die Leistungsgrenze des Systems zu ermitteln. Die Durchführung von Piloten, bei denen sich verschiedene Wertschöp-fungspartner beteiligen, z.B. Zulieferer LDL und Fahrzeughersteller von Unterneh-men der Wertschöpfungskette, z.B. Zulieferer und Fahrzeughersteller, vermeidet spä-tere Konflikte. Die Einbeziehung von Technologieanbietern ist ebenso sinnvoll, da diese im frühen Stadium der RFID-Adoption zur Mitfananzierung von Piloten bereit sind.

3. Berücksichtigung von Standards

Unternehmen nennen fehlende Standards als Grund für ihre abwartende Haltung. Ak-tuelle Initiativen von EPCglobal und ISO haben zumindest für die Luftschnittstelle die Standards wie z.B. EPC Class 0 / Class 1 bzw. Normen wie z.B. ISO-18.000-X verabschiedet. Obwohl diese Standards für die Umsetzung von SCM-Anwendungen ausgelegt sind, fehlen derzeit Referenzanwendungen, welche die Akzeptanz belegen.

Vorhandene Standards verwenden. RFID-Systeme ermöglichen die Verwendung e-tablierter Datenstandards (Nummerierungsschemata) zur Produktkennzeichnung, wie z.B. FACT oder EAN 128. RFID-spezifisch sind hingegen Standards für die Luft-

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210 6 Zusammenfassung und Ausblick

schnittstelle, d.h. für die Kommunikation von Lesegeräten mit Transpondern. Anwen-der sollten diese Standards auch für lokale Anwendungen verwenden, um die Voraus-setzungen eines späteren Ausbaus zu schaffen und von Skaleneffekten wie sinkenden Hardwarepreisen oder technologischer Weiterentwicklung zu profitieren.

Neue Standards gestalten. Fokale Unternehmen treiben zusammen mit ihren Wert-schöpfungspartnern und einigen Technologieanbietern die Standardisierung voran. Die Involvierung fokaler Unternehmen ist ein kritischer Erfolgsfaktor für Standardi-sierungsvorhaben im SCM. Das Beispiel der Einführung von PDF417 zeigt, dass die rasche Durchsetzung eines Standards möglich ist, wenn die Fahrzeughersteller dies forcieren. Der zusätzliche Aufwand der Mitgestaltung von Standards ist mit dem möglichen Nutzen des Know-how-Vorsprungs und Möglichkeit der schnelleren Ein-führung, abzuwägen. Gestaltungsbedarf besteht auch bei den Prozessstandards, etwa um Nutzeneffekte aus reorganisierten Prozessen zu erschließen. Ein Beispiel ist der generelle Verzicht auf die Verwendung von Papieretiketten, die derzeit vorgeschrie-ben sind.

4. Systemintegration

RFID ergänzt bestehende SCM-Systemarchitekturen um Möglichkeiten zur genaueren Abbildung des physischen Materialflusses. Voraussetzung hierfür ist, dass die An-wender die RFID-Systeme mit ihren Applikationen oder bestehenden Infrastrukturen integrieren. Komplementäre Technologien ergänzen diese Fähigkeiten.

Integration mit anderen Technologien. Sensoren und MEMS sind Beispiele für in RFID-Systeme integrierbare Technologien, welche die Informationsreichhaltigkeit er-höhen und neben der Prozessüberwachung auch die Prozesssteuerung ermöglichen. Dies fördert die Entstehung weiterer geschlossener Regelkreise, z.B. die automatische Steuerung von Förderanlagen durch Transportbehälter in Abhängigkeit des Inhalts.

Systemintegration mit Applikationen. Die Anbindung von RFID-Systemen über neue Schnittstellen ermöglicht lediglich eine Substitution herkömmlicher Auto-ID-Systeme durch RFID. Zur Unterstützung neuer Aufgaben, z.B. der ereignisgesteuerten Pla-nung, ist die Anpassung der Datenmodelle sowie Funktionen notwendig.

Systemintegration mit Infrastrukturen. Durch Verwendung gemeinsamer Infrastruk-turdienstleistungen vermeiden Anwender die redundante Implementierung von Basis-funktionen, wie z.B. Identifikation, Verfolgung, Überwachung oder Produktdaten-management von Logistikobjekten. Dies senkt den Aufwand für die Integration der Applikationen und vermeidet mögliche Inkompatibilitäten. Die Anwender sollten des-halb überprüfen, welche Informationsdienste des SCMs sie auslagern können. RFID-Middlewaresysteme verschiedener Anbieter unterstützen die Anbindung von RFID an Infrastrukturen wie bspw. EPC Network.

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6.3 Handlungsempfehlungen für die Praxis 211

5. Prozessreorganisation

Die horizontale Integration von Lieferketten, neue Planungsverfahren basierend auf genaueren Informationen sowie der Verzicht auf Papierbelege als Informationsträger im Materialfluss sind Beispiele möglicher Auswirkungen, die erst nach einer Reorga-nisation von Prozessen möglich sind. Aktuelle Pilotprojekte betrachten hingegen ein-seitig die Steigerung der Prozesseffizienz, weshalb sie die Wirtschaftlichkeit von RFID infrage stellen. Deshalb sollten die Anwender bei zukünftigen RFID-Projekten bereits in der Planungsphase zur Durchführung von Prozessreorganisationen bereit sein. Unternehmen müssen damit rechnen, dass der Aufwand der Prozessreorgani-sation den Aufwand der Systemanpassungen übersteigt und langwierig ist. Da RFID-Systeme, d.h. entsprechende Infrastrukturdienstleistungen und Prozessstandards allen Anwendern zur Verfügung stehen, bieten diese wenige Möglichkeiten zur Differen-zierung. Deshalb sollten die Unternehmen weiterführende Prozessreorganisationen zur Unterstützung der individuellen SCM-Strategie als Möglichkeit der Erzielung von Wettbewerbsvorteilen nutzen. Eine individuelle SCM-Strategie priorisiert bspw. Kun-denorientierung, Flexibilisierung und Kosteneffizienz in verschiedenen Prozessen unterschiedlich.152

6. Schrittweises Vorgehen

Unternehmen können eine RFID-Infrastruktur schrittweise aufbauen. Sie erhöhen so-mit Integrationsreichweite und -tiefe, indem sie Schritt für Schritt weitere Logistikob-jekte durch das System abdecken. Die zusätzlichen Infrastrukturkosten für die Erwei-terung nehmen mit jeder Ausbaustufe ab. Auf diese Weise können Unternehmen ihr RFID-System in Abhängigkeit von sinkenden Technologiepreisen und fortschreiten-der Standardisierung ausbauen. Die Planung des Systemausbaus umfasst die Festle-gung der Ausbaustufen und die Wahl des Einführungszeitpunktes.

Ausbaustufen festlegen. Das RFID-Diffusionsmodell (s. Abschnitt 4.3) unterstützt Unternehmen bei der Einordnung ihres Entwicklungsstandes und bei der Planung wei-terer Ausbauschritte. Dabei müssen sie berücksichtigen, dass nicht alle Ausbaustufen wirtschaftlich sinnvoll sind. Beispielsweise ist eine RFID-Kennzeichnung von Einzel-teilen für lokale Anwendungen meist nicht rentabel. Einen sinnvollen Pfad ermitteln Unternehmen durch Berücksichtigung der Ausbreitungsrichtung im Modell und des eigenen Integrationsbedarfs.

152 In diesem Sinne ist das eingangs dieser Arbeit angeführte Zitat von Lapide zu verstehen, der davor warnt, die

Auswirkungen von RFID zu unterschätzen und die Geschwindigkeit der Implementierung zu überschätzen.

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212 6 Zusammenfassung und Ausblick

Wahl des richtigen Zeitpunkts. Den richtigen Zeitpunkt der Implementierung von Ausbaustufen bestimmen die äußeren Einflussfaktoren technologische Reife, Stan-dards und Preise. Diese müssen ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis der geplanten Anwendungen zulassen. Unternehmen, die zu früh einführen, riskieren das Scheitern von RFID-Projekten und verlorene Investitionen. Wenn sie hingegen zu spät mit der Einführung beginnen, können ihnen Wettbewerbsnachteile entstehen.

6.4 Das informatisierte Liefernetzwerk als reale Virtualität?

Verschiedene Szenarien des Liefernetzwerks der Zukunft fordern die Integration des Informationsflusses mit dem Materialfluss. Beispielsweise erfordert der „papierlose Informationsfluss“, dass die Synchronisierung von IT-System und Vorgängen in der Realität auch ohne Papieretiketten funktioniert. Eine Alternative zur Darstellung von Informationen auf Papier ist z.B. die automatische Identifikation an Kontrollpunkten in Verbindung mit dem Abruf bzw. der Aktualisierung relevanter Informationen mit-tels einer überall verfügbaren Infrastruktur. Ein derartiges Szenario möchten Unter-nehmen der Automobilindustrie durch die Verwendung von Transpondern im Behäl-termanagement umsetzen. Dabei streben sie eine Koppelung der Transportsteuerung an die Behälter an. Mittels der an den Behältern befestigten Transponder identifizie-ren Transportsteueranlagen, wie z.B. Weichen, Ladehilfen oder Fahrzeuge, die Behäl-ter und veranlassen automatisch den Transport zum Bestimmungsort. In der Versor-gung von Produktionsstätten verbinden derartige Fördersysteme die Zuverlässigkeit von schienengebundenen Systemen mit der Flexibilität des ungeführten Transports. Diese selbststeuernden Behälter führen die Organisation ihres Transports ohne menschliche Unterstützung durch.153 Obwohl derartige Konzepte schon seit längerer Zeit existieren, befindet sich ihre Umsetzung erst im Anfangsstadium. Die Pilotpro-jekte von VW zum Behältermanagement schaffen erste Voraussetzungen hierfür, wo-bei bei diesen Insellösungen die Schwundvermeidung wichtiger als die Flusssteue-rung ist. Der Aufbau automatischer Steuerungssysteme ist erst für die Zukunft ge-plant.

Derweil schreitet die technologische Entwicklung voran. Drahtlose Sensornetzwerke, MEMS, neue Funktechnologien und Materialen, wie z.B. elektronisches Papier, sind Beispiele für Technologien, die zur Schließung der informatorischen Lücke beitragen. Sie statten zukünftige Informationssysteme nicht nur mit „Sinnesorganen“ aus, son-dern auch mit der Fähigkeit, zu agieren. Beispielsweise kann ein Transportbehälter überwachen, welchen Erschütterungen eine Lieferung während des Transports ausge-setzt ist und die Waren ggf. automatisch zur Nachkontrolle bringen. Auf diese Weise

153 Ein Sonderforschungsbereich an der Universität Bremen beschäftigt sich mit der selbststeuernden Logistik

[vgl. Freitag et al. 2004].

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6.4 Das informatisierte Liefernetzwerk als reale Virtualität? 213

entsteht die Informatisierung des Liefernetzwerkes, bei der Informationen nicht mehr getrennt von der Realität in Datenbanken liegen, sondern ein Teil des Materialflusses werden und dort direkt zur Anwendung kommen. Das informatisierte Logistiknetz-werk gleicht dem Internet: Anstatt Datenpakete liefert es reale Objekte an beliebige Orte. Im Sinne der Informatik wird transparent, welchen Weg eine Lieferung geht. Dies führt zur Reduktion von Komplexität im Liefernetzwerk.

Wird dann die Virtualität real? Dinge, die in der Virtualität möglich sind, lässt das in-formatisierte Liefernetzwerk Realität werden. Ausdrücke wie „Klicken in der Reali-tät“ oder „Internet der Dinge“ verdeutlichen die Übertragung der Virtualität auf die Realität im Sprachgebrauch [vgl. Bohn/Rohs 2001]. Das Projekt „Paketpost 2000“ der Schweizer Post lässt bereits Ansätze dessen erahnen, wie die reale Virtualität in der Logistik aussieht. Dort klickt der Logistiker auf einzelne Packstücke, um Transport-aufträge zu veranlassen, deren Ausführung unmittelbar folgt [NZZ 1999]. Die Unter-scheidung zwischen realem Objekt und seinem virtuellen Abbild im IT-System (Vir-tual Counterpart) wird für den Anwender unwichtig. Dinge in der Realität verändern ihren Zustand als Folge der Änderung des virtuellen Abbilds und umgekehrt. Die Voraussetzung hierfür ist die Integration von IT und Realität. Sie ermöglicht den di-rekten Informationsfluss von der realen Welt zum Entscheider und macht die Verwen-dung von Datenbanken überflüssig. Die Überprüfung des Lagerbestands funktioniert zwar aus Sicht des Anwenders wie heute eine Datenbankabfrage, allerdings basiert die Antwort zukünftig auf der mit Sensoren erfassten realen Situation.

Des Weiteren können im informatisierten Liefernetzwerk beliebige Gegenstände ihre Geschichte kommunizieren. Zum Beispiel kann ein Bauteil seinen Hersteller, das Her-stelldatum und die Anzahl durchgeführter Qualitätskontrollen sowie Reparaturen mit-teilen. Da diese Informationen jederzeit bedarfsgerecht verfügbar sind, stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit der von Logistikern geforderten höhern Visibilität im Liefernetzwerk. Eine mögliche Informationsüberlastung (Information Overload) der Entscheider und die Vertraulichkeit bestimmter Informationen (Privacy) sprechen da-gegen. Unternehmen brauchen nicht zu wissen, wie die Prozesse bei den Wertschöp-fungspartnern aussehen, sondern sie sind an zuverlässigen Prozessergebnissen und Dienstleistungen interessiert. Beispielsweise sind Tracking-Informationen zu einer auf Termin bestellten Lieferung erst dann notwendig, wenn die Lieferung nach rechtzeiti-ger Ankunft zur Weiterverarbeitung ansteht oder eine Verspätung zu erwarten ist.

Das Erkennen und die Behandlung derartiger Situationen ist die Aufgabe von Regel-kreisen. Die Ergänzung des informatisierten Liefernetzwerkes um Regeln und deren Unterstützung durch IT ist einerseits eine notwendige Voraussetzung zur Verarbei-tung der zusätzlichen Informationen (Reduktion der Prozesskomplexität) und entfernt andererseits den Menschen aus dem Entscheidungsprozess („Human-out-of-the-loop“- bzw. „Human-supervised“-Computing) [vgl. Tennenhouse 2000]. Die hieraus

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214 6 Zusammenfassung und Ausblick

folgende Automatisierung von Geschäftsprozessen hat dort ihre Grenzen, wo Systeme nicht deterministisch über Regeln vorherbestimmbar sind. Auch Systeme der künstli-chen Intelligenz ließen sich hierzu bisher nicht erfolgreich einsetzen. Planende Pro-zesse, Überwachung benötigen weiterhin menschliche Flexibilität und Kreativität. Der Mensch bleibt somit ein unverzichtbares Element in SCM-Systemen.

Allerdings ändern sich seine Wahrnehmung der Umwelt und die Interaktion mit IT-Systemen. Menschen nehmen durch die Gewöhnung an RFID und andere Technolo-gien die Welt durch einen „digitalen Sinn“ in einer neuen Weise wahr [vgl. Sheffi 2004, 9]. Der Mensch interagiert nicht mehr mithilfe spezieller Computer, sondern di-rekt durch Verwendung von Gegenständen mit IT-Systemen. Die Selbststeuerung von operativen Prozessen ermöglicht eine Erweiterung des Zuständigkeitsbereichs des Menschen, der zunehmend eine überwachende Rolle einnimmt. Gleichzeitig führt er immer mehr Operationen mit virtuellen Objekten anstatt mit realen Dingen durch. Beispielsweise gehört für ihn „Suchen“ der Vergangenheit an, da das informatorische Abbild der Realität überall verfügbar ist. Verwendungsinformationen braucht er nicht in Datenbanken abzurufen, da Gegenstände direkt Auskunft geben können.

Zu einem Zeitpunkt, an dem die Einführung von RFID erst am Anfang steht, sind der-artige Szenarien visionär. Die Einführung geht langsamer voran, als die Vordenker des Internets der Dinge anfangs vermuteten. Gleichzeitig ist RFID auch nur ein Schritt auf dem Weg zur vollständigen Integration von IT-Systemen und realer Welt, wie es Ubiquitous Computing beschreibt (s. Abbildung 6-1 Potenzielle Anwender können durch die zeitliche Planung der Einführung von Ausbaustufen Wettbewerbs-vorteile erzielen.

Client-ServerERP

InternetE-Business

RFIDMobile Systeme

Sensornetzwerke, MEMSAdaptive Systeme

?

Integration der realenWelt mit IT-SystemenUbiquitous Computing

Integration

Zeit

Stand der Anwendung

Stand der Forschung

Client-ServerERP

InternetE-Business

RFIDMobile Systeme

Sensornetzwerke, MEMSAdaptive Systeme

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Integration der realenWelt mit IT-SystemenUbiquitous Computing

Integration

Zeit

Stand der Anwendung

Stand der Forschung

Abbildung 6-1: Entwicklungsstufen zum Ubiquitous Computing

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Anhang A Verwendete Theorien und Konzepte 257

Anhang A Verwendete Theorien und Konzepte

Die Dissertation verwendet zur Herleitung der Ergebnisse verschiedene in Tabelle A-1 dargestellte Theorien und Konzepte.

Theorie / Konzept Literatur Hauptaussage im Kontext der Dissertation

Business Process Re-engineering

[Davenport 1993] [Hammer/Champy 1993]

Informationstechnologien sind „Enabler“ neuer Prozesse und Geschäftsmodelle.

Echtzeitmanagement [Fleisch/Österle 2004] Automatisierung, Individualisierung und Integration der Informationsverarbeitung sind die Prinzipien des Echtzeitunterneh-mens.

Industrieökonomik / Market Based View

[Porter 1984] Unternehmen kooperieren in Wertschöp-fungsnetzwerken zur Leistungserstellung.

Informationsökonomie / Information Processing View

[Akerlof 1970] [Galbraith 1977] [Hirshleifer 1973]

Die Abstimmung von Informationsangebot und Informationsverarbeitungskapazität erhöht die Performanz von Systemen.

Innovationstheorie / Innovation Diffusion Perspective

[Rogers 1995] [von Hippel 1988]

Die Diffusion von Innovationen erfolgt in Phasen entlang eines Adoptionspfades. Der individuelle Bedarf und externe Fak-toren wie z.B. das soziale Netzwerk be-stimmen die Ausbreitungsgeschwin-digkeit.

Koordinationstheorie [Malone 1987] [Malone/Crowston 1991]

Koordinationstechnologien senken den Koordinationsaufwand in Prozessen und führen zu Substitutions-, Netzwerk- und Reorganisationseffekten.

Kontingenztheorie / Situativer Ansatz

[Burns/Stalker 1994] [Fiedler 1967]

Die Anpassung eines Systems an die jeweilige Situation (Umwelt) bestimmt seine Effizienz. Es existiert keine allge-mein gültige Organisationsstruktur.

Organisationstheorie / Organizational Slack

[Cyert 1988] [Sharfman et al. 1988]

Individuen legen Sicherheitsbestände an, um zukünftige Störungen zu vermeiden. Aus wertorientierter Perspektive existiert ein „optimaler Sicherheitsbestand“.

Supply Chain Ma-nagement

[Bowersox 1996] [Cooper et al. 1997]

Die Hauptaufgabe des SCM ist die Koor-dination von (interorganisatorischen) Wertschöpfungsprozessen.

Systemtheorie / Kybernetik

[Wiener 1972] Regelkreise sind ein Gestaltungselement der Steuerung in komplexen Systemen.

Tabelle A-1: Übersicht der in der Dissertation verwendete Theorien und Konzepte

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258 Anhang B Empirische Erhebung

Anhang B Empirische Erhebung

Motivation und Durchführung

Zur Untersuchung der aktuellen Verbreitung von RFID-Systemen und deren Inno-vationspotenzial für das Supply Chain Management der Automobilindustrie hat der Autor gemeinsam mit der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton im Zeitraum von November 2003 bis Januar 2004 eine Studie durchgeführt. An der Studie nahmen zwölf europäische Unternehmen der Automobilindustrie, darunter sechs Automobil-hersteller, teil. Bei der Auswahl der teilnehmenden Unternehmen konzentrierte sich die Studie auf Erstanwender von RFID-Systemen mit dem Potenzial, einen Trend in der Branche vorzugeben (sog. Lead User). Die ausgewählten Unternehmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie gemessen an der Unternehmensgröße und ihrer fokalen Stellung zu den gewichtigen Unternehmen im Liefernetzwerk der Automobilindustrie gehören und sich zumindest konzeptionell mit dem Einsatz von RFID im Liefernetz-werk beschäftigt haben.

Innerhalb der Unternehmen adressierte die Studie Führungskräfte aus den Bereichen Logistik- (SCM-) und IT-Management. Unter Verwendung eines Interviewleitfadens mit Fragen zu geplanten und aktuellen Aktivitäten, erwarteten Nutzeneffekten und Herausforderungen der RFID-Einführung haben die Autoren insg. 19 für das Thema RFID in diesen Unternehmen Verantwortliche interviewt. Den Interviewleitfaden er-hielten die Befragten einige Tage vor der Durchführung des Interviews. Die Zeitdauer pro Interview, die im Durchschnitt bei ca. 90 Minuten lag, variierte zwischen 45 und 120 Minuten. Die Zeitdauer bestimmte sich dadurch, in welchem Umfang die Befrag-ten über laufende RFID-Aktivitäten berichteten.

Verschiedene Fragen des Interviewleitfadens geben mögliche Antworten vor und er-lauben dem Befragten die Bewertung der Relevanz einer vorgegebenen Antwort unter Verwendung einer fünfstufigen Skala. Damit stellte der Interviewleitfaden eine Basis für die vergleichende Auswertung sicher. An den Interviews nahmen ein bis zwei In-terviewer teil. Diese ermunterten die befragten Personen dazu, neben der Bewertung der vorgegeben Antworten, diese auch zu begründen und weiterführende Angaben zu machen. Die Auswertung lieferte bzgl. der Bewertungen der vorgegebenen Antworten Durchschnittswerte. Außerdem aggregierte sie alle weiterführenden Aussagen und sortierte diese nach den betreffenden Fragen sowie ihrer inhaltlichen Bedeutung.

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Anhang B Empirische Erhebung 259

Interviewleitfaden

Background Booz Allen Hamilton and the Auto-ID Center Lab at University of St. Gallen are jointly conducting a study on Radio Frequency Identification (RFID) technology. The study will generate deep insights on the nature and trends in RFID usage in several industries for the both interviewees and interviewers. On top, it will increase knowledge of emerging technologies and standardization issues. The results of the study will be shared with participants and will enable future development of RFID technologies. To understand your point of view on RFID, your current experience and usage, as well as your RFID strat-egy and action plan for the next years, we kindly ask you to invest 60 minutes of your time. The study cov-ers the current and planned application of RFID technologies in your company, the reasons for implementa-tion and your assessment on the technology and its standardization. We would also like to discuss your approach for developing your RFID solution and to understand your RFID partnering. We believe that the included quantitative questions add enormous value to the results of this study and yourself as one of the interviewees. It would therefore be very helpful if you would provide us with rough numbers where requested. Booz Allen Hamilton and the Auto-ID Center Lab at University of St. Gallen will adhere to the strictest non-disclosure rules regarding the information gained form specific interviews. The information will be used for the study and for further research at the University of St. Gallen. We will take the survey anonymously and make results public in an aggregated form only. But, subject to your agree-ment, we would like to include your company’s name in our study as one of 30 interview partners. Please let us know prior to the interview if you don’t want to be mentioned on this list.

Instructions The following questionnaire contains the following issues: motivation for usage of RFID, expected business value, current status of your RFID activities, standardization and technology, and challenges/risks in adop-tion and usage. Please feel free to answer the questions ahead of the interview. But please note that some of the issues require a more detailed discussion in person. Usually we do conduct personal interviews, but eventually we might decide to proceed with telephone interviews. Thank you in advance for your time and effort.

Interview Background

Date of Interview

Interviewer

Industry Segment

Company

Interviewee(s)

Title of Interviewee

Area of Responsibility

Contact Information

Confidentiality Statement

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260 Anhang B Empirische Erhebung

Questions

1 Motivation for Usage of RFID Technology

1.1 What is your attitude towards RFID? strategic technical innovator early follower observer

1.2 How important are the following items for your internal motivation to use RFID?

Important Not important

improving process efficiency: new products/services: technology upgrade: _______________________

1.3 How important are the following items for your external motivation to use RFID?

Important Not important

customer demands: laws: insurance: _______________________

1.4 Do you consider RFID as an enabling tech-nology to any of the following trends?

ECR (Efficient Consumer Response) JIT/JIS

Mass Customization Outsourcing TQM

Supply Chain Visibility Traceability

Other:__________________

2 Expected Business Value

2.1 How important is improving the efficiency of the following processes for you?

Important Not important

tracking & tracing: check-in/out at warehouse: inventory management: theft control: production control: mass customization: picking and packing: distribution/order management: customs: counterfeit protection: recall: maintenance: recycling: asset management: _______________________

2.2 What are the specific error cost/handling cost you have today in those processes? (If possible please quantify)

error-ratio: delivery reliability: reduction of claims: transit time per item: handling cost per item: _________________________________________

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Anhang B Empirische Erhebung 261

2.3 How large are the (expected) efficiency gains for those processes? (If possible please quantify with baseline)

error-ratio: delivery reliability: reduction of claims: reduction of transit time per item: reduction of manual labor per item: flexibility: _______________________ _______________________

2.4 How important are the following new prod-ucts, product features or services to you?

Important Not important

tracking & tracing: cool chain management: pay per use: pay per risk: _______________________

2.5 What are the benefits that are expected from those services?

competitive advantage: new customers: improved services: cross selling: _______________________ _______________________

3 Status of own RFID Activities/Organization

3.1 What RFID projects exist within your com-pany and what is their status?

concepts: pilots: operative applications:

3.2 To what processes or products/services are those RFID projects related? (short de-scription of project goal)

3.3 What are the specific benefits that are expected/were achieved for each project? (please quantify if possible)

3.4 What are the RFID plans for the next 1, 2, 5 years? Amount of resources involved with RFID today and in 1, 2, 5 years. Does a Roadmap exist?

1 years: 2 years: 5 years:

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262 Anhang B Empirische Erhebung

3.5 What organizational units are today and will be involved in RFID activities in 2 years?

Involved Not involved

Today strategic management: operational management: IT management: In house consulting: _______________________ In 2 Years strategic management: operational management: IT management: In house consulting: _______________________

3.6 How does your project organization look like:

Yes No Only local independent activities: Umbrella program exists: RFID roadmap (>1year) exists: Roll-Out plan exists: Government function in place

3.7 What is the role of external players in your RFID projects?

Involved Not involved

suppliers: customers: industrial organizations: standardization bodies: technology providers: consultants: _______________________

3.8 What percentage of the R&D budget are

today used for RFID and will be used in 2

years?

today: 1 year: 2 years:

4 Standardization

4.1 What role do standards play for your RFID

activities/plans?

not important additional benefits

necessary

4.2 What standardization bodies are you

watching for RFID?

Watching Not watching

ANSI: Auto-ID Center/EPC: ISO: Industrial organizations: _______________________

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Anhang B Empirische Erhebung 263

4.3 What standards for automatic identifica-

tion are important to you?

Important Not important

EAN: EPC GTAG/ISO 18000: ISO 15459: _______________________

4.4 Are you involved in the creation of stan-

dards?

Industrial organizations: Standardization bodies: others:

5 Technological Matters

5.1 Which Auto-ID technologies are currently

used in your company?

Used Not used

Barcode: 2D-Code: Alphanumeric Codes/OCR: RFID: _______________________

5.2 What kind of RFID technology do you

(plan to) use?

active passive rewritable memory sensors positioning

frequency:

130kHz 13,56MHz UHF ____

5.3 What problems do you have with RFID

technology?

Problem No problem

maturity: plug & play readiness: reliability: metal: _______________________ _______________________

5.4 How important is integration of RFID

technology into existing IT systems and

how do you plan to do the integration?

Important Not important

integration: replaces previous Auto-ID tech: self developed interface: standard software interface: _______________________

5.5 What requirements must be achieved in

order to use RFID technology within your

company?

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264 Anhang B Empirische Erhebung

6 Challenges and Risks in Adoption and Usage

6.1 What are the major challen-

ges/pitfalls/risks/roadblocks for the adop-

tion of RFID in your company?

Problem No problem

standards: technology: knowledge: cost/benefit sharing: collaboration: costs of hardware/software _______________________

6.2 When (2, 5, 10 years) and how do you

expect could theses problems be solved?

standards: technology: knowledge: cost/benefit sharing: collaboration: costs of hardware/software: _______________________

6.3 Which migration effort (cost) is linked to

RFID implementation? (If possible please

quantify)

RFID equipment/readers: Adoptions of the backend systems: Ongoing expenses for RFID tags (in 1, 2, 5 years): _______________________ How many tags will be necessary/year (in 1, 2, 5 years): _______________________

6.4 How do you take into account security/

privacy issues into your RFID strategy?

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Anhang C Interviewverzeichnis 265

Anhang C Interviewverzeichnis Firma Experte Funktion Ort, Datum

Rainer Hofman Director Supply Chain Operations Europe

Rüsselsheim, 10.11.03 Adam Opel

Ralf Technau Manager Supply Operations Europe - Plant MPC Coordination

Rüsselsheim, 10.11.03

Dr. Bettina Böckle Abteilungsleiterin Vorplanung Tranport-logistik und Transportkostenkalkulation

München, 26.11.03

Marc Lüderitz Gesamtlogistik, Kundenprozess und IT München, 26.11.03

BMW Group

Roman Gesatzki Logistikplanung und -steuerung München, 18.6.04

BLG IL Wolf Lampe Director Logistics Consulting Bremen, 17.11.03

Bosch Carsten Frost Forschung und Vorausentwicklung München, 18.6.04

Chep Andy Robson Business Development Manager London, 19.11.03

Continental Dr. Siegfried Rainer Information Technology Tires Hannover, 27.11.03

Dr. Ralf Hinz Manager On Board Service Integration Sindelfingen, 2.12.03

Christian Mathews Logistikplanung und Prozesscontrolling Sindelfingen, 2.12.03

DaimlerChrysler

Jürgen Straub Leiter Ladungsträgermanagement Sindelfingen, 2.12.03

Ford Alfons Smeets Synchronous Material Flow Coordinator Genk, 4.11.2003

Identec Solutions Prof. Wilhelm Gantner Chief Executive Officer Lustenau, 6.11.03

Monika Bremer Manager Customer Solutions, Ident Solutions

München, 11.11.03 Infineon Technologies

Dr. Frank Gillert Director Customer Solutions, Ident Solutions

München, 11.11.03

Magna Cosma Bernd Geiger Logistik/Systeme Telefoninterview, 1.3.04

Porsche Hans-Joachim Schulze Manager Informationstechniken Leipzig, 16.12.03

Renault Brand Noel Director Programmes Transverses & Enterprise Etendue

Telefoninterview, 10.12.03

Andreas Schulze Business Development, Business Unit Automotive

Telefoninterview, 19.12.03

Markus Kerle Head of Solution Management, Indus-try Business Unit Automotive

Telefoninterview, 19.12.03

SAP

Dr. Christian Kuhn Director Solution Development Telefoninterview, 19.12.03

Siemens VDO Henry Strobel Development Technologies Telefoninterview, 2.2.04

Sokymat Marc Schnippering Business Development Manager Telefoninterview, 5.11.03

VDA Dr. Rüdiger Meier Logistik und elektronischer Geschäfts-verkehr

St. Gallen, 20.11.03

Frank Hesse Leiter CKD-Versand Wolfsburg, 5.3.04

Christoph Pelich Dedizierte Rechnersysteme, Fertigung und Logistik

Wolfsburg, 8.12.03

Pierre Pommer Logistikoptimierung, Logistik-Prozesse Telefoninterview, 24.8.04

Osman al Šaqaqy Konzern Informationssysteme Produkt-herstellung

Wolfsburg, 1.11.04

Volkswagen

Stefan Volk CKD-Prozessplanung/-analyse Wolfsburg, 5.3.04

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266 Anhang C Interviewverzeichnis

Firma Experte Funktion Ort, Datum

Antonio Cocca Orginalteile-Geschäftsfeldentwicklung Kassel, 18.11.03 Volkswagen Ersatzteilezentrum Norbert Fischer Leiter Fahrzeug Intelligente Bauteile Kassel, 18.11.03

WhereNet Marc Onnen Sales Manager Europe St. Gallen, 15.5.03

ZF Friedrichshafen Claas-Hinrich v. Goesel Leitung Montage und Logistik Telefoninterview, 12.1.04

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Lebenslauf

Name: Martin Strassner

Geburtsdatum: 6. Juli 1975

Geburtsort: Darmstadt (Deutschland)

Nationalität: Deutsch

Werdegang

1987-1994 Viktoriaschule in Darmstadt (Deutschland)

1994 Abitur mit der Note 1,3 (Jahrgangsbester)

1994-2001 Studium der Wirtschaftsinformatik an der Technischen Universität Darmstadt

1998 Praktikum bei Nationwide Professional, Kuala Lumpur (Malaysia)

2001 Abschluss: Diplom-Wirtschaftsinformatiker (Dipl.-Wirtsch.-Inform.) mit Auszeichnung

2001-2004 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Instituten für Wirtschafts-informatik und Technologiemanagement der Universität St. Gal-len bei Prof. Dr. Elgar Fleisch; Doktorandenstudium an der Uni-versität St. Gallen (Schweiz)

2005 Gastwissenschaftler an der Graduate Business School, Stanford University (USA) bei Prof. Hau Lee

2005 Fertigstellung der Dissertation