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Daten undFakten......................................................18 DieArbeitdes UNHCR..............................................19 Das Amtfür Flüchtlingsangelegenheiten...................19 Eigene Erfahrungenweitergeben - DieForeignerAssociation.........................................20 Das GenderProblemCentre.....................................21 Adressen-Kontakte undInformationen ........26 Vorwort Polen Estland Litauen Lettland Schutzgebühr2,— DMplusVersandkosten

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InhaltVorwort

Zum Hintergrund ......................................................... 3

Die Reise..................................................................... 3

Polen

Daten und Fakten ....................................................... 4Besuch beim UNHCR in Warschau ............................ 5

Polen kein sicherer Drittstaat für Minderjährige ............5Integrationsprogramm nur ein Papiertiger.....................6Die Polska Akcja Humanitarna......................................7Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner - Flüchtlingeorganisieren sich selbst .................................................7

Refugee Board - die zweite Instanz im Asylver-fahren.......................................................................... 7Die Asylabteilung der Helsinki Foundation.................. 8Legal Clinic - ein Projekt studentischer Rechts-hilfe für Flüchtlinge ...................................................... 9Das Abschiebelager Lesznowola .............................. 10

Litauen

Daten und Fakten ..................................................... 12Beim UNHCR in Vilnius............................................. 12Die Migrationsbehörde .............................................. 13Gespräche mit dem Roten Kreuz, Caritas undSave the Children...................................................... 14

Caritas und Save the Children.....................................14Das Rote Kreuz ...........................................................14- Rechtsberatung für Flüchtlinge .................................14- Das Border Monitoring Projekt ..................................15

- Sozialarbeit in Rukla und Pabrade ........................... 15

- Öffentlichkeitsarbeit .................................................. 15

Das zentrale Registrations- und Abschiebe-lager für AusländerInnen in Pabrade.........................16

Lettland

Daten und Fakten......................................................18

Die Arbeit des UNHCR..............................................19

Das Amt für Flüchtlingsangelegenheiten...................19

Eigene Erfahrungen weitergeben -Die Foreigner Association .........................................20

Das Gender Problem Centre.....................................21

Estland

Daten und Fakten......................................................22

Der Flüchtlingsrat Estland .........................................22

Asyl und Illegalisierte in Estland - Besuch beimLegal Information Centre for Human Rights ..............23

Fluchtweg Ostsee

Schengen goes East .................................................25

Von Boat-People keine Spur? ...................................25

Adressen - Kontakte und Informationen........26

Impressum

Der Schlepper Nr. 16 erscheint als Themenheft zurSituation von Flüchtlingen in den Baltischen Staaten undin Polen. Die Redaktion möchte damit einmal mehr dieAufmerksamkeit der LeserInnen auf die Ostseeprojektar-beit des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein lenken. ImNovember 2001 laden Flüchtlingsrat und Kooperati-onspartner zahlreiche in der Flüchtlingshilfe allerOstseeanrainerländer Engagierte nach Bad Segeberg zurInternationalen Konferenz „Fluchtweg Ostsee“ ein.

Diese Ausgabe wird gefördert aus Mitteln des LandesSchleswig-Holstein durch den Kleinprojektefonds desBündnis Entwicklungspolitischer Initiativen in Schleswig-Holstein (B.E.I.).

Redaktion: Astrid Willer (V.i.S.d.P.)

Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.Oldenburger Str. 2524143 KielTel. 0431-735 000Fax 0431-736 077

e-mail:Büro: [email protected]: [email protected]

internet:www.frsh.dewww.baltic-refugee.net

Schutzgebühr 2,— DM plus Versandkosten

INHALT

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Vorwort

Zum HintergrundAngesichts der Dynamik der Migrationsbewegun-gen im Kontext des Beitritts der skandinavischenStaaten zur Schengenregion und der EU-Osterwei-terung gibt es eine verstärkte Vernetzung vonSicherheitsbehörden im Ostseeraum, die dasProblem Flucht und Migration ausschließlich unterdem Sicherheitsaspekt im Zusammenhang mitorganisierter Kriminalität und illegaler Migrationbetrachten. Auf diesem Hintergrund hat derFlüchtlingsrat Schleswig-Holstein in Kooperationmit anderen Organisationen ein Projekt initiiert, dasbeabsichtigt, in der Flüchtlingsarbeit engagierteNGOs, Initiativen und Einrichtungen der Ostseean-rainerstaaten in Kontakt miteinander und einelangfristige Kooperation auf den Weg zu bringen.Im Vordergrund dieser Vernetzung sollen prakti-sche Aspekte der Flüchtlingshilfe sowie dieFlüchtlinge selbst, ihre Schicksale, Motive undPerspektiven stehen. Auftakt für das Projekt ist eineKonferenz mit dem Titel „Fluchtweg Ostsee“, dievom 16. - 18. November 2001 in der EvangelischenAkademie Nordelbien in Bad Segeberg stattfindenwird und an die sich eine weitere Kooperation u. a.über den Austausch im Rahmen einer Mailinglisteanschließen wird.

Die Reise

Vom 1. - 8. Juli 2001 unternahmen Beteiligte ausdem Trägerkreis des Ostseeprojektes eineExkursionnachPolenund indiebaltischenStaaten,um das Projekt bekannt zu machen, erste Kontaktezu knüpfen und mehr über die Situation vonFlüchtlingen und MigrantInnen in diesen Ländernzu erfahren.

Am 1. Juli starteten wir in einem Kleinbus in Kielund durchreisten innerhalb einer Woche Polen,Litauen, Lettland und Estland. Die kurze Zeit, diefür die Reise zur Verfügung stand, konnte natürlichnicht Land und Leuten gerecht werden. DieBesuche mussten sich auf die Hauptstädte undeinige gezielte Kontakte beschränken. Trotzdemwar die Reise ein Erfolg. Zum einen haben wir einenEinblick in die Struktur der Flüchtlingsarbeit in denverschiedenen Ländern bekommen und vor allemdurch die persönliche Begegnung gegenseitigeBerührungsängste abbauen und Interesse für die

jeweiligen Projekte wecken können. Darüberhinaus haben wir wichtige Hintergrundinformatio-nen zu Asylverfahren, Ausländergesetzgebung,Zahlen und Herkunftsländern und einen Eindruckvon den jeweils spezifischen Problemlagenerhalten. IndiesemZusammenhanggiltunserDankvor allem den MitarbeiterInnen der UNHCR Bürosin Polen, Litauen und Lettland für die Hilfe bei derOrganisation der Exkursion und der Herstellungvon Kontakten. Ohne ihre unbürokratische undumfangreiche Vermittlung zu verschiedenenBehörden, Organisationen und Initiativen wäre dieExkursion sicher nicht so effektiv gewesen.

Im Folgenden sollen einige wesentliche Eindrückeder Reise und Hintergrundinformationen zu denLändern zusammengefasst werden. WeitereInformationen werden langfristig auf der Projektho-mepage www.baltic-refugee.net veröffentlicht wer-den.

Astrid WillerFlüchtlingsrat Schleswig-Holstein

September 2001

Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. istder Dachverband der unabhängigen imnördlichsten deutschen Bundeslandengagierten Gruppen und Organisationen dersolidarischen Flüchtlingshilfe. Der Verein istMitglied in der BundesarbeitsgemeinschaftPRO ASYL . Der Flüchtlingsrat berät seineMitglieder und andere interessierte Gruppen zuFragen der Asyl- undAusländerrechtsentwicklung, er organisiertöffentliche Veranstaltungen, Pressearbeit undFortbildungen zu FrageninternationalerMigration und er will die Vernetzung der in derFlüchtlingssolidarität Tätigen auch multilateralweiterentwickeln. Der Flüchtlingsrat nimmtmittels regelmäßiger Gespräche mit Parteien,übergeordneten Behörden und derLandesregierung Einfluss auf die Flüchtlings-und Migrationspolitik.

VORWORT

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Polen

Daten und FaktenIm Jahr 2000 haben 4500 Personen Asyl in Polenbeantragt. (Zum Vergleich: 1999 waren es 3000 und für2001 werden nach Auskunft des UNHCR 6000 erwartet.)Anerkannt wurden in 2000 lediglich 52 Flüchtlinge.

Polen war bis Ende der 80er selbst ein Herkunfts- undTransitland für Flüchtlinge. Erst nach dem Ende derSowjetunion wurde es auch im Kontext der europäischenFlüchtlingspolitik und der verschlossenen Wege nachWesten zu einem Aufnahmeland. 1991 unterzeichnetePolen die Genfer Flüchtlingskonvention. Im gleichen Jahrschloss Polen Abkommen mit den damaligen Schengen-staaten über die Rücknahme sowohl eigener Staatsbür-gerInnen als auch von DrittstaatlerInnen, die über Polenversuchten, indieSchengenländereinzureisen.1993gabes zwischen Deutschland und Polen eine Kooperations-vereinbarung, die Zusammenarbeit bei der Grenzsi-cherung und eine Art Lastenausgleich beinhaltete.Zwischen 1993 und 1996 erhielt Polen 120 Millionen DMzur Sicherung der Ostgrenze und zum Auf- und Ausbaueines eigenen Asyl- und Abschiebesystems.

In der Folge schloss Polen auch Rückübernahmeabkom-men mit den Ländern, aus denen oder über dieMigrantInnen einreisen: Rumänien, Tschechien, Slowa-kei, Rumänien, Bulgarien und Ukraine.

Grundlage für die Erlangung des Flüchtlingsstatus ist dieGenfer Flüchtlingskonvention und seit 1997 ein Absatzin der Verfassung, der besagt, dass Flüchtlinge in PolenAsyl erhalten können in Übereinstimmung mit internatio-nalen Vereinbarungen, an denen Polen beteiligt ist. BisEnde 1997 konnten Personen, die legal oder illegal nachPolen eingereist waren, zu einem beliebigen Zeitpunkteinen Asylantrag stellen. Im Dezember 1997 trat im Zugeder polnischen EU-AnwärterInnenschaft ein neuesAusländergesetz inKraft. Es regelt u.a., dassAsylanträgespätestens 14 Tage nach Grenzübertritt gestellt werdenmüssen und führte das Konzept der sicheren Drittstaatenein. In der Folge wurden später gestellte Anträgeabgelehnt. Dem UNHCR und der Helsinki Foundationgelang es in mehreren Fällen erfolgreich gegenentsprechende Urteile zu klagen, was in der rechtlichenPraxis dazu führte, dass auch Asylanträge angenommen

werden, die später als 14 Tage nach der Einreise gestelltwerden.

Die Bearbeitung der Asylanträge oblag bisher in derersten InstanzderAbteilung fürMigrationundFlüchtlinge,die im Innenministerium angesiedelt war. Das Innenmi-nisterium hat bis zur Einführung der GesetzesänderungEnde 1997 im Falle von Anfechtungen die Entscheidungder eigenen Behörde geprüft. Mit der Gesetzesänderungwurde eine zweite Instanz eingeführt, der sogenannteFlüchtlingsrat, der unabhängig vom InnenministeriumKlagen prüfen soll und seit 1999 tätig ist. DasOberverwaltungsgericht prüft im Falle einer Klage gegendie Entscheidung der zweiten Instanz in Hinblick aufVerfahrensfehler.

Seit 1. Juli 2001 ist eine weitere Änderung desAusländergesetzes inKraft.SiesiehtdieEinführungeinesneuen Amtes für Repatriierungs- und Ausländerfragenvor, das als erste Instanz an die Stelle der bisherigenAbteilung des Innenministerium treten soll. Diewesentlichen Neuregelungen des Gesetzes, insbeson-dere die Einführung eines beschleunigten Verfahrens fürsogenannte „offensichtlich unbegründete“ Asylanträgeund die Schaffung von Regelungen für einenvorübergehenden Schutz, z.B. für Bürgerkriegsflüchtlin-ge, lassen erkennen, dass hier die europäischenVorgaben in Hinblick auf die EU-Mitgliedschaft erfülltwerden sollten und mit dem Begriff des temporärenSchutzes schon auf den neuesten Stand gebracht sind.Weitere Neuregelungen sind die Einführung einesAufenthaltsstatus fürabgelehnteFlüchtlinge,dieaberaushumanitären Gründen nicht abgeschoben werdenkönnen,undUnterstützungsmaßnahmenfürGruppenmitbesonderen Bedürfnissen, z.B. Flüchtlingskinder.

Ein besonderes Problem ist in Polen das Fehlen vonIntegrationshilfen. Eine ebenfalls Anfang 2001 in Kraftgetretene Verordnung soll hier Abhilfe schaffen.Demnach bekommen anerkannte Flüchtlinge ein Jahrlang eine Summe zwischen 350 und 1000 Zloty (ca. 200- 600 DM) monatlich. Allerdings kommen nur Flüchtlinge,die nach dem 1.1. 1998anerkannt wurden, inden Genussdieses Geldes. Darüberhinaus muss der Antrag bis 20.1. 2001 gestellt werden. Für alle, die später anerkanntwurden und werden, gibt es eine Antragsfrist von 30Tagen nach Zustellung der rechtskräftigen Anerkennung.

POLEN

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Besuch beim UNHCRin WarschauDer UNHCR unterhält seit 1991 einBüro in Warschau. Es gibt dort zurZeit keinen offiziellen Leiter, son-dern das Büro wird kommissarischvon dem aus Polen stammendenUNHCR-Mitarbeiter Wojciech Tro-jan geführt. Anlässlich unseresBesuches hatte er auch einenMitarbeiter der polnischen HelsinkiFoundation, eine Mitarbeiterin vonder Polska Akcja Humanitarna undeine Vertreterin einer neu gegrün-deten Organisation von anerkann-ten Flüchtlingen eingeladen. Au-ßerdem war noch eine Studentinder Legal Clinic in Krakau zugegensowie ein Praktikant aus Deutsch-land, die uns auch zu unserennächsten Stationen begleiteten.

Wojciech Trojan gab einen umfas-senden Bericht über die Zahlen undHerkunftsländer von Asylbewerbe-rInnen und die Anerkennungsquo-ten. Während die Zahl der Asylbe-werberInnen steigt, sinkt die Aner-kennungsrate. Die Haupther-kunftsländer haben sich in denletzten Jahren verändert. Waren esursprünglich vorwiegend Flüchtlin-ge aus Afrika und Asien, z.B.Somalia, Sudan, Afghanistan, SriLanka und Bangladesh, kommenheute mehr Asylsuchende aus denehemaligen Sowjetrepubliken. Anerster Stelle der Herkunftsländerstanden im Jahr 2000 Roma ausRumänien, gefolgt von Tschet-schenen und Armeniern. Auch dieFlüchtlingszahlen aus Beloruss-land steigen. Bemerkenswert ist,dass Polen wohl das einzige Landist, das Flüchtlinge aus Beloruss-landanerkannthat.Vonden imJahr2000 anerkannten Flüchtlingenwaren 50% aus Tschetschenien,10% aus Somalia, 10 % ausÄthiopien und 8% aus Georgien.

Entscheidungen über Asylanträgevon Tschetschenen wurden langeausgesetzt. Das führte zu einerBürobesetzung durch tschetsche-nische Flüchtlinge in dem zentralenAufnahmelager in Debak, die eineBearbeitung ihrer Asylanträge er-reichen wollten. Es ist zu erwarten,

dass sie jetzt unter die neuenRegelungen des temporärenSchutzes fallen werden. DerUNHCR sieht die Einrichtung destemporären Schutzes kritisch, danicht gewährleistet ist, dass dieFlüchtlinge in Einzelfällen Zugangzum Asylverfahren bekommen.Das wäre ein Verstoß gegen diepolnische Verfassung.

Auch die übrigen Neuerungen dergerade am Tag unseres Besuchesin Kraft getretenen Änderung desAusländergesetzes, wie dieEinfüh-rung eines beschleunigten Asylver-fahrens, betrachteten die Anwe-senden als einen weiteren Schrittvon Polens Einbindung in dieFestung Europa auf dem Weg zueiner EU-Mitgliedschaft.

Polen kein sicherer Drittstaatfür Minderjährige

Eine Thematik auf die WojciechTrojan besonders aufmerksammachte, ist die Situation vonMinderjährigen. Der UNHCR Polenvertritt die Ansicht, dass Polen fürMinderjährige kein sichererDrittstaat ist, sie also auch nichtz. B. von Deutschland hierhinabgeschoben werden sollten. ImJahr 2000 wurden allein ausDeutschland 13 Minderjährige zu-rückgeschoben. Der Fall einestschetschenischenMinderjährigen,

der zu seiner in Hamburg lebendenMutter wollte, ging auch in Deutsch-land durch die Presse. Er wurdebeim illegalen Einreiseversuchnach Deutschland aufgegriffen undnach Polen zurückgeschoben. Dortwurde ihm nicht geglaubt, dass ernoch minderjährig ist, und einHandknochentest bestätigte dieFehldiagnose. Er wurde daraufhinin ein Abschiebgefängnis gebracht.Erst das Eingreifen des HamburgerAnwalts der Mutter konnte das Alterrichtig stellen.

Unbegleitete minderjährige Flücht-linge werden von den Grenzbehör-den häufig so behandelt wieErwachsene,d.h.siekommenohnedas Hinzuziehen von rechtlichenVertreterInnen in die Aufnahmela-ger für Flüchtlinge oder in Abschie-behaft. Kinder und Jugendliche, dieillegal eingereist und ausreise-pflichtig sind, weil sie keinenAsylantrag gestellt haben oderdieser negativ beschieden wurde,werden zum Teil in der sogenann-ten Emergency Care Unit, einer ArtJugendgefängnis, gemeinsam mitstraffälligen Jugendlichen unterge-bracht. Eigentlich sollen sie dort nurmaximal 3 Monate bleiben, aberhäufig ist die Aufenthaltsdauerlänger, weil sie zwar keinenAufenthaltsstatus bekommen, aberauch nicht abgeschoben werdenkönnen.

Beim UNHCR in Polen

POLEN

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Von den unbegleiteten minderjäh-rigen Flüchtlingen, die in denJahren 1996 bis 1999 nach Polenzurückgeschoben wurden (1999waren es 40, 2000 13) sind alle imLaufe der Zeit aus den jeweiligenEinrichtungen verschwunden, ver-mutlich um erneut einen Weiterrei-seversuchzumachen.Dieaufsicht-

führenden Behörden wissenhäufig nicht, was aus ihnengeworden ist.

Zwar gibt es auch im polni-schen Familienrecht die Insti-tution eines Vormunds oderTutors, aber das Recht aufVormundschaft gilt nicht fürAusländerInnen, da für siedas Recht des Herkunftslan-des angewendet wird. Trotz-dem wird in Einzelfällen einTutor oder eine Tutorin ge-stellt,diesich jedochkaummitden Belangen von Flüchtlin-gen auskennen.

Das neue Ausländergesetzbietet mit dem Vorsatz,Unterstützungsprogrammefür besonders bedürftigeGruppenzuschaffen,Ansatz-punkte für Veränderungen.Der UNHCR ist im Gesprächmit den Ministerien und demFamiliengericht, um die regel-

mäßige Einsetzung von speziellenVormündern für Flüchtlinge sowieihre Unterbringung in jugendge-rechten Unterkünften zu erreichen.Einen Erfolg sieht W. Trojan darin,dass eine Abschiebung nunmehrerst erfolgen darf, wenn dieFamilien-bzw.Betreuungssituationim Herkunftsland geklärt ist.

Unbegleitete Minderjährige, die inPolen als Flüchtlinge anerkanntwerden, haben kein Recht aufFamilienzusammenführung – fürden UNHCR ein eindeutiger Ver-stoß gegen die Kinderrechtskon-vention.

Der UNHCR Polenhofft imRahmendes Evaluationsprojektes, das derUNHCR international in Verbin-dung mit Kinderrechtsorganisatio-nen auf den Weg gebracht hat,Aufmerksamkeit für die dramati-sche Situation von unbegleitetetenMinderjährigen in Polen zu schaf-fen. Herr Trojan wies darauf hin,dass die UNHCR Vertretung inWarschau die Vertretung in Berlinauf die Missstände bezüglich derBehandlung von minderjährigenFlüchtlingen in Polen aufmerksamgemacht hat. Diese habe jedochbisher – so Herr Trojan – nichtreagiert. Nach seiner Ansichtmüsse die Berliner Vertretung desUNHCR sich dringend für dieAussetzung der Abschiebung vonunbegleiteten Minderjährigen ein-setzen.

Integrationsprogramm nur einPapiertiger

Zur Einschätzung der im Januar2001 erlassenen Integrationsver-ordnung schalteten sich in das

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Gespräch auch Amina, eineRechtsanwältin aus dem Sudanund als Flüchtling anerkannt, unddie Vertreterin der Polska AkcjaHumanitarna ein.

Bemerkenswert war zunächst,dass die in der Verordnungvorgesehene, auf ein Jahr befriste-te finanzielle Unterstützung bis jetztausMangelanvorhandenenMittelndes zuständigen Arbeits- undSozialministerium nicht gezahltwerden konnte. Davon abgesehenwird die Maßnahme schon wegender kurzen Fristen für ungenügendgehalten. Anerkannte Flüchtlingesind im Prinzip auf sich gestellt. Siemüssen praktisch sofort eineWohnung und eine Arbeit finden.Angesichts der hohen Arbeitslosig-keit in Polen ist das jedoch kaummöglich. Darüber hinaus reichendie vom Arbeitsministerium finan-zierten Sprachkurse nicht aus, umsich weiterzuqualifizieren oder einehöher qualifizierte Tätigkeit aus-übenzukönnen.Denmeistenbleibtnur illegale Arbeit.

Die Polska Akcja Humanitarna

Der Wohlfahrtsverband PolskaAkcja Humanitarna ist mit derBetreuungvonanerkanntenFlücht-lingen beauftragt. Die Polska AkcjaHumanitarna wird für bestimmteAufgaben von der Regierungbezuschusst und finanziert sichdarüber hinaus über Gelder vonverschiedenen Stiftungen.

In der Abteilung für Flüchtlingearbeiten sechs MitarbeiterInnen.Die Regierung stellt Geld für dieAnmietung von Wohnungen fürFlüchtlinge zur Verfügung. Es gibtjedoch nur wenige und häufig sindsie für Familien zu klein.

Die Organisation betreibt außer-dem ein eigenes Flüchtlingsheimmit21Plätzen.UrsprünglichwardieUnterkunft ein Containerhaus ineinem Obdachlosenviertel. Vor 5Jahren hat die PAH jedoch einbesseres Gebäude von der Regie-rung bekommen. Einziehen kön-nen anerkannte Flüchtlinge undAsylsuchende, die keinen Platz imzentralen Aufnahmelager Debak

bekommen haben.ZurZeitwohnendort eine anerkannte Familie und 7alleinstehende AsylbewerberIn-nen. Letztere sollten in der Regelnur die vorgeschriebenen zweiWochen bis zur Anhörung bleibendürfen, sofern danach über ihrenweiteren Verbleib befunden wird.

Frau Majewska deutete an, dassviele Flüchtlinge unzufrieden mitihrer Lage sind, und mehr von derOrganisation erwarten. Sie ist derMeinung,dieFlüchtlingeseiennichtdarauf vorbereitet, was sie in Polenerwartet. Einige würden trotzAnerkennung versuchen, wegenihrer schlechten sozialen Situationdas Land zu verlassen. Wenn siedabei scheitern, haben sie alleerworbenen Rechte verloren.

Hilf dir selbst sonst hilft dirkeiner – Flüchtlingeorganisieren sich selbst

Die Unzufriedenheit wird bestätigtin unserem Gespräch mit dersudanesischen Rechtsanwältin,die sich bemüht eine Flüchtlings-selbsthilfeorganisation ins Lebenzu rufen. Hintergrund ist die schongeschilderte schlechte sozialeLage und die Erkenntnis, dass sieals anerkannte Flüchtlinge vonoffiziellen Stellen wenig Hilfe zuerwarten haben.

Die bisher aktiven ca. 50 Beteiligtenleben über ganz Polen verstreut.Ihre Ziele sind die Organisierungvon Sprachkursen und von Rechts-hilfe auch für Asylsuchende. Vonder Gründung eines Vereins ver-sprechen sich die Beteiligten mehrMöglichkeiten, ihre Anliegen undProbleme öffentlich zu machen undsich durch Mobilisierung der eige-nen Ressourcen gegenseitig zuunterstützen. Als eingetragenerVerein eröffnet sich ihnen darüberhinaus die Möglichkeit, Projekte zuinitiieren und Gelder zu acquirieren.Daher war ein Anliegen unsererGesprächspartnerin die Suchenach UnterstützerInnen und Ko-operationspartnerInnen im Aus-land.

Zur Zeit wickelt die Gruppe dieamtliche Registrierung ihrer Orga-

nisation ab und wird dann über eineGeschäftsadresse erreichbar sein,die wir gerne auf Anfrage aninteressierte Organisationen wei-tergeben.

Refugee Board –die zweite Instanz inAsylverfahrenDieKlagekammerarbeitetseit1999(siehe Kasten Seite 4) und bestehtaus 12 Mitgliedern unterschiedli-cher Profession, u. a. zwei Univer-sitätsprofessoren, einem Richterdes Verwaltungsgerichts sowieRegierungsvertreterInnen, die derPremierminister auf Vorschlag desJustiz- und Außenministerium er-nennt. Sie bleiben jeweils 5 JahreimAmt.UnserGesprächspartner istHerr Koslowsky, der 1991 bis 1995Chef der damals neu gegründetenAbteilung für Flucht und Migrationdes Innenministeriums war. BevorHerr Koslowsky Mitarbeiter derKlagekammer wurde, war er inBrüssel in verschiedenen EU-Gre-mien, die sich mit Migrationspolitikbeschäftigen, tätig. Nach seinerAuskunft soll die Kammer eineunabhängige Prüfung gewährlei-sten, daher waren die Entscheide-rInnen bisher nicht hauptamtlichbeschäftigt. Aufgrund der wach-senden Zahl von Klagen sollendemnächst 4 Mitglieder die Mög-lichkeit haben, hauptamtlich in derKammer tätig zu sein.

Wenn die Entscheidung der Kam-mer angefochten wird, kann ein Fallnoch dem Oberverwaltungsgerichtzur Prüfung von Verfahrensfehlernvorgelegt werden. Es sei eineTendenz zu beobachten, dass dasOVG zunehmend auch die Sub-stanz der Fälle begutachtet. Es wirdnur selten eine Entscheidung derzweiten Instanz vom Oberverwal-tungsgericht angefochten.

Im Jahr 2000 wurden 200 Klageneingereicht. Nach Auffassung vonHerrn Koslowsky sind die Mehrheitder bei ihnen eingereichten Klagenoffensichtlich unbegründet. z. B.von Asylsuchenden aus Bulgarien.Nur ca. 10% seien es wert, genauer

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geprüft zu werden. Einige könntenGefahren bei der Rückkehr glaub-haft machen, fielen jedoch nichtunter die Kategorie der politischenVerfolgung.NurwenigeerfülltendieKriterien der Genfer Flüchtlings-konvention, wie einige Flüchtlingeaus Vietnam, die zum Teil auch vonDeutschland nach Polen gekom-men sind. Die meisten der Flücht-linge kämen aus Osteuropa, nurnoch wenige aus asiatischenLändern. Seiner Ansicht nachwürden die falschen Flüchtlingenach Polen kommen. Einige wür-den sich in den Lagern alsFluchthelferInnen betätigen undPersonen zu Weiterwanderungs-versuchen überreden.

Hinsichtlich des neu eingeführtenbeschleunigten Verfahrens äußer-te Herr Koslowsky Zweifel, dass esetwas ändern werde, da dennochjeder Fall einzeln geprüft werdenmüsse solange keine offizielle Listevon sicheren Herkunftsstaaten vor-läge. Daran werde seiner Meinungnach auch die kurze Klagefrist von3 Tagen nichts ändern.

Auf unsere Frage, woher dieKammer denn die Informationen

über die Situation in den Herkunfts-ländern erhält würde und wer dasrecherchiert in Anbetracht desnebenamtlichen Charakters derTätigkeit verwiesunserGesprächs-partner auf so aussagekräftigeQuellen wie das Außenministeriumund das Internet. Darüber hinausbestünde auch Kontakt zu amnestyinternational und unabhängigenExpertInnen.

Sowohl der Besuch als auchvorsichtige Andeutungen unsererGesprächspartnerInnen aus demNGO Bereich hinterließen bei derDelegation den Eindruck, dass dieKammer nur sehr ungenügendarbeitet und insgesamt gegenüberFlüchtlingen voreingenommenagiert. Allein die Ausführungen vonHerrn Koslowsky über ökonomischund politisch motivierte Fluchtgrün-de sowie über die der Kammer zurVerfügung stehenden Informati-onsquellen hinsichtlich der Länder-informationen ließendiesüberdeut-lich werden.

Die Asylabteilung derHelsinki Foundation

Die Helsinki Foundation ist eineMenschenrechtsorganisation, diein Polen seit 1989 offiziell arbeitet.Sie unterhält verschiedene Abtei-lungenu.a. internationaleTrainingszu Menschenrechten.

Seit 1992 gibt es ein Rechtshilfe-programm für Flüchtlinge undMigrantInnen. Hier werden Migran-tInnen unabhängig von ihremStatus mit und ohne Papierevertraulich und kostenlos rechtlichberaten. Bei unserem Besuch warder Andrang in den engen mitDokumenten und Büchern vollge-stopften Räumen groß und es wardeutlich zu sehen, dass dieMitarbeiterInnen alle Hände voll zutun hatten.

Aufgrund personeller Engpässegelingt es den MitarbeiterInnen derOrganisation nur sehr unregelmä-ßig in Flüchtlingsunterkünfte zufahren, die außerhalb von War-schau liegen. In der Regel kommendie Flüchtlinge zur rechtlichenBeratung selbst nach Warschau.Abschiebegefängnisse werden vonden VertreterInnen der Organisati-onnichtbesucht.Dieshateinerseitsdamit zu tun, dass es mit großenSchwierigkeitenverbunden ist,einepolizeiliche Erlaubnis für solcheinen Besuch zu bekommen.Andererseits ist jedoch innerhalbder Organisation eine gewisseZurückhaltung bezüglich der Unter-stützung von Abschiebehäftlingenfestzustellen. Allerdings liegennach Auskünften von Irina Rze-plinska, der Leiterin des Pro-gramms, in Lesznowola Informati-onsblätter der Helsinki Foundationaus, so dass sie sich für Asylantrag-stellung oder andere Rechtshilfe andas Büro wenden können.

Die Helsinki Foundation gibt auchStellungnahmen zu Gesetzesvor-haben ab und unterstützt Klagen,teilweise gemeinsam mit demUNHCR, die grundsätzlichen Cha-rakter haben.

Herr Koslovsky, Regfugee Board

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Auf unsere Frage nach derEinschätzung der beschleunigtenAsylverfahren hatten unsere Ge-sprächspartnerInnen die Auffas-sung, dass damit der Zugang zueinem korrekten Asylverfahren aufjeden Fall erschwert wird, da eineKlagefrist von 3 Tagen kaum Zeitlässt, sich einen Rechtsbeistand zubesorgen. Allerdings teilte dieLeiterin der Abteilung die MeinungunseresGesprächspartnersbeiderKlagekammer, dass viele derAsylsuchenden in Polen keineFlüchtlinge imSinnederGFKseien,sondern aus ökonomischen Grün-den nach Polen kämen. Aufgrundeines fehlenden Zuwanderungsge-setzeswürdensie indieAsylantrag-stellung drängen.

Legal Clinic - einProjekt studentischerRechtshilfe fürFlüchtlinge an derUniversität inWarschauDie Legal Clinic ist ein Rechtsbera-tungsprojekt unterstützt vomUNHCR. Sie geht zurück auf eineIdee aus Amerika, kostenfreieRechtshilfe im Rahmen des Studi-ums zu leisten. In Polen entstanddie erste Legal Clinic in Krakau. DerAbleger in Warschau ist die zweiteEinrichtung dieser Art in Polen. DieLegal Clinic hat 7 Abteilungen. Einedavon beschäftigt sich mit Auslän-der- und Asylrecht. JurastudentIn-nen leisten hier ein Jahr langkostenlose Rechtshilfe für Flüchtlin-ge und können dies auf ihr Studiumanrechnen lassen. Die StudentIn-nen können die Flüchtlinge nicht vorGericht vertreten, aber sie könnensie juristisch beraten und mit ihneneine Klage vorbereiten. Die Mitar-beiterInnen der Legal Clinic dürfenbei der ersten Anhörung dabei seinund können intervenieren, z.B. beiÜbersetzungsfehlern.

Unsere Gesprächspartnerinnenwaren die Projektkoordinatorin, dieauf der Basis einer Halbtagsstelle,finanziert vom UNHCR, das Projekt

leitet, und zwei Studentinnen, diegerade ihre Zeit in der Legal Clinicabsolvieren. Teilnehmen könnennur StudentInnen ab dem 3.Studienjahr, d.h. sie müssen schonBasiskenntnisse mitbringen. Aufunsere Frage, ob der ständigeWechsel der PraktikantInnen nichtdie Qualität der Arbeit beeinträchti-ge, erfuhren wir, dass es immerwiederMitarbeiterInnengibt,diedieArbeit so interessant finden, dasssie auf freiwilliger Basis weiterma-chen. Auch eine unserer Ge-sprächspartnerInnenhattediesvor.Darüber hinaus kommen die neuenPraktikantinnen so frühzeitig, dasssie von den ausscheidenden inRuhe eingearbeitet werden kön-nen. Im Jahr 2000 hatte die LegalClinic ca. 100 KlientInnen.

Die Flüchtlinge hören von demAngebot zum Teil durch Flugblätterin den Unterkünften oder durchMund zu Mund Propaganda. Au-ßerdem besuchen die StudentIn-nen die Flüchtlingsunterkünfte undAbschiebegefängnisse in der Um-gebung von Warschau, anderewerden von der Gruppe in Krakaubetreut. Außerdem arbeitet dieLegal Clinic mit den örtlichenVertretungen der Caritas zusam-men, soweit diese sich um Migran-tInnen kümmert.

Ein aktueller Schwerpunkt ist dieProblematik der unbegleiteten min-derjährigen Flüchtlinge. Die LegalClinic arbeitet diesbezüglich mit derOrganisationSave theChildrenund

dem UNHCR im Rahmen desForschungsprojekts zu unbegleite-ten Minderjährigen zusammen.Häufig werden die MitarbeiterInnenvom Familiengericht als Rechtsver-tretung bestellt. Sie sind auch inständigem Kontakt mit der Emer-gency Care Unit, wo die Kindereigentlich nur maximal 3 Monatebleiben sollen, die Aufenthaltsdau-er aber häufig länger ist, weil derAsylantrag der Jugendlichen zwarabgelehnt ist, sie aber nichtabgeschoben werden können auf-grund der ungeklärten Familiensi-tuation im Herkunftsland.

Ein weiteres Problem sind Flücht-linge, die in der 1. Instanz abgelehntwurden. Mit der Zustellung desnegativen Bescheids erlischt auchdas Recht in der Flüchtlingsunter-kunft zu wohnen. Während desKlageverfahrens haben sie wederUnterkunft noch Papiere. Die LegalClinic versucht zur Zeit zu errei-chen, dass ihnen wenigstens eineBescheinigung ausgestellt wird, diebestätigt, dass ihr zweites Verfah-ren noch läuft.

Unsere Delegation beurteilte dasProjekt einhellig als gute Lösung,den Mangel an kostenloser Rechts-hilfe aufzufangen. Unsere Ge-sprächspartnerInnen wirkten sehrengagiert und es scheint nichtunwahrscheinlich, dass der eineoder die andere später als AnwältInExpertIn für Ausländerrecht wird.Durch die Anerkennung der Tätig-keit im obligatorischen Teil des

Im Büro der Legal Clinic, Warschau

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Studiums werden viele Jurastuden-tInnen regelmäßig mit diesemRechtsfach konfrontiert und ver-traut gemacht. Bedauerlich ist,dass dieses Modell nicht aufdeutsche Verhältnisse übertragbarist wegen des Rechtshilfegesetzes,aufgrund dessen in Deutschlandzum Teil sogar Beratungsstellenwegen unrechtmäßiger Rechtsbe-ratungverklagtwurden,wiekürzlichmit der Caritas in Stuttgart gesche-hen.

Das AbschiebelagerLesznowola

Lesznowola liegt ca. 60 km südlichvon Warschau und ist das zentraleAbschiebelager, das einzige seinerArt in Polen. Daneben gibt esungefähr 24 Abschiebegefängnis-se, 20 unterstehen dem Grenz-schutz, 4 der Polizei.

In Lesznowola sollen in der Regelalle AusländerInnen interniert wer-den, die ohne Papiere in Polenaufgegriffen werden oder derenAsylverfahren beendet sind und dieauf ihre Abschiebung warten müs-sen. Lesznowola unterscheidetsich von einem Gefängnis insoweit,als es keine vergitterten Zellen gibtund die Häftlinge sich innerhalbihres Traktes frei bewegen können.Das Abschiebelager wird aus demPolizeibudget finanziert und ist Teilder Polizeistruktur, nicht des Grenz-schutzes. Die Insassen werdenaufgrund eines Gerichtsbeschlus-ses und eines Beschlusses derWojwodschaft eingewiesen. Ge-gen den Beschluss können sieinnerhalb von 7 Tagen Widersprucheinlegen. In Lesznowola gibt es 130Plätze. Die MigrantInnen müssendort maximal 90 Tage einsitzen.Werden sie nach 90 Tagenentlassen, bekommen sie eineAusreiseaufforderung. Dies bedeu-tet, dass sie das Land innerhalb von10 Tagen zu verlassen haben.Geschieht dies nicht, kann eineerneute Kontrolle wieder zur Ein-weisung in ein Abschiebegefängnisführen.

Das zentrale AbschiebelagerLesznowola liegt abgelegen imWald. Es befindet sich auf einemehemaligensowjetischenMilitärge-lände. BesucherInnen müssen sichnamentlich anmelden und werdenam Tor abgeholt. Besuche beiInsassen sind nur unter Schwierig-keiten und bei Angabe der Namender Betreffenden möglich. DasGelände ist eingezäunt und be-wacht. Es gibt einen Frauen- undeinen Männertrakt. Im Frauentraktbefinden sich auch die Kantine undder Essenssaal.

Wir werden von dem Kommandan-ten abgeholt und in sein Bürogeführt. Fotografieren ist verboten,ansonsten ist der Kommandantrecht mitteilungsfreudig. Auch hiererfahren wir, dass sich die Zusam-mensetzung der Insassen in denletzten Jahren verändert hat.Früher kamen die Flüchtlinge vorallem aus Irak, Pakistan, Indien,Bangladesh und Sri Lanka. Heutesind sie hauptsächlich aus Bulgari-en, Rumänien und der RussischenFöderation. Der Kommandant be-gründet diese Entwicklung unteranderem damit, dass die Routender FluchthelferInnen zunehmendzerschlagenwurdenunddieFlücht-linge aus Asien gar nicht mehr bisPolen kommen oder andere Wegezum Beispiel über Tschechienwählen.

Viele der einsitzenden Frauen sindProstituierte aus Bulgarien. Offenbleibt, ob sie bei der Einreise odergezielt bei Razzien in Bordellenaufgegriffen wurden. Im Frauen-trakt leben auch Mütter mit Kindern.Zur Zeit sind es 8 Minderjährige, diemitmindestenseinemElternteildortsind. Der Kommandant berichtetvon Unklarheiten, wie mit Kindernumgegangen werden soll, da dieEltern zum Teil nach Lesznowolagebracht werden, ohne dass be-kannt ist, dass sie Kinder in Polenhaben. Manchmal werden dieKinder dann von Bekannten nachLesznowola gebracht, was dieLagerleitung vor die Frage stellt, obsie ohne gerichtlichen Einwei-sungsbeschluss aufgenommenwerden können. Besondere Ein-richtungen fürKinderz.B.Unterrichtgibt es in Lesznowola nicht.Allerdings arbeitet hier ein Kinder-arzt. Außerdem ist in der Gesund-heitsabteilung halbtags ein Internistfür die medizinische Versorgungder Inhaftierten zuständig.

NachAussagedesKommandantenliegt indenGebäudenInformations-material der Helsinki Foundationund anderer NGOs aus, so dass dieInsassen über Hilfsmöglichkeiteninformiert seien. Insgesamt gäbeesein hohes Niveau der Zusammen-arbeit mit NGOs.

POLEN

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Die MigrantInnen dürfen ihre Han-dys benutzen soweit vorhanden.Für diejenigen, die kein Geld undkein Telefon besitzen, gibt es dieMöglichkeit kostenlos zu telefonie-ren, allerdings nur auf Antrag. DerKommandant liest uns mit sichtli-chem Vergnügen einige derzwangsläufig etwas eigenwilligenFormulierungenindenAntragsbrie-fen vor. Angesichts der Gesamtla-ge, in der sich die AntragstellerIn-nen befinden, fällt es uns schwermitzulachen. Den moslemischenInsassen steht auch ein von ihneneingerichteterGebetsraumzurVer-fügung. Der Kommandant betontdas gute Verhältnis, dass er zuseinen “Schützlingen” habe. Eingroßes Problem seien allerdingsdie Auseinandersetzungen unterdenHäftlingen.Diesmal führterunszur Anschauung ein Arsenal vonselbstgebauten Waffen vor. VonWiderstand gegen das Personal istnicht die Rede, auch die Aktion vonTamilen, die 1998 in den Hunger-streik traten, um gegen die unkor-rekte Durchführung ihres Asylver-fahrens und die ihrer Ansicht nachunrechtmäßige Abschiebung zudemonstrieren, wird nicht erwähnt.

Die Entscheidung, ob jemand nachLesznowola oder in ein Abschiebe-gefängnis kommt, hängt nachAussage des Kommandanten, vonfreien Kapazitäten in Lesznowolaab. Letztendlich ist das die Ent-scheidung des Gerichts. In Leszno-wola landen nur Wenige, die ausDeutschland zurückgeschobenwurden. Er hat keine Informationendarüber, wie viele direkt an denGrenzen inhaftiert oder gleichzurück-bzw.weitergeschobenwer-den.

Seiner Auskunft nach werden ca40% der Insassen von Lesznowolaabgeschoben, die übrigen 60%werden entweder nach 90 Tagenauf freien Fuß gesetzt oder könnendas Lager verlassen, weil sie einenAsylantrag gestellt haben. Im 1.Halbjahr 2001haben175Personenin Lesznowola Asyl beantragt.

Abschiebungen finden vor allem indie Ukraine statt. Der Transport zurGrenze wird von Lesznowola aus

organisiert. Es wird jedoch auch perFlugzeug abgeschoben, da dieNachbarländer zum Teil auf einemTransitvisum bestehen. Auch fürdie Organisation dieser Abschiebe-flüge ist der Kommandant inLesznowola zuständig. Vor allemnach Bulgarien und Rumänienwerden Militärflugzeuge einge-setzt.

Für die Beschaffung von Reisepa-pieren benachrichtigt die Lagerlei-tung die entsprechende Botschaftin Polen. Nach Angaben desKommandantenerfolgtdieBenach-richtigung nur mit Zustimmung derBetroffenen, da es in der Vergan-genheit Fälle von zwangsweiserVorführung von Leuten gegebenhat, z. B. den Fall eines irakischenFlüchtlings, der als RegimegegnerAsyl in Polen beantragt hatte undso gefährdet wurde. Dies kämeheute nicht mehr vor.

Zum Abschluss unseres Besuchesmachen wir einen kurzen Rund-gang. Hygienisch macht das Lagerinklusive der Kantine und derGesundheitsabteilung einen ein-wandfreien Eindruck. Gerne führtuns der Kommandant den mosle-mischen Gebetsraum vor, wo wirsogar fotografieren dürfen. Offen-sichtlich ein Vorzeigeprojekt. Ohnedie Betreffenden zu fragen führt er

uns auch noch in das Zimmer vonArmeniern, die ihre Wände mitreligiösen, diesmal christlichen,Bildern bemalt haben. Den offenenEindruck, den der Kommandantuns wohl vermitteln möchte, ma-chen zum einen die mit diversenKampfausrüstungen ausgestatteteKabine des Wachpersonals amZugang zur Etage zunichte, zumanderen die Szene des Antretensder Männer im Hof, die unterBewachung von der Kantine wiederin ihren Trakt zurückgeführt wer-den.

Gebetsraum in Lesznowola

POLEN

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Litauen

Beim UNHCR inVilnius

Auch in Litauen beginnt unserAufenthalt mit einem Besuch beimUNHCR. Hier treffen wir in einemwinzigen Büro im Gebäude desAußenministeriums auf LyraVysockiene und Wladimiras Sinio-vas. Lyra Vysockiene hat uns sehrhilfsbereit die Kontakte in Vilniusvermittelt und beeindruckt uns jetztmit einem ebenso komprimiertenwie informativen Vortrag über dierechtliche Situation von Flüchtlin-gen und die aktuelle Entwicklung inLitauen (siehe Kasten).

Der UNHCR ist seit 1996 in Litauenaktiv und sieht seine Hauptaufgabein der Etablierung eines aninternationalen Menschenrechts-standards orientierten Asylsy-stems. Er unterhält gute Kontaktezu den Ministerien und war an derEntstehung der Flüchtlingsgesetz-gebung maßgeblich beteiligt.

Lyra Vysockiene hält das neueFlüchtlingsgesetz grundsätzlich füreinen Fortschritt, sieht aber Proble-me bei der praktischen Umsetzung.Insbesondere die Vorprüfung ander Grenze lässt befürchten, dassAntragstellerInnen das Asylverfah-ren vorenthalten wird. Ebenso giltes, die Umsetzung des neu

eingeführten beschleunigten Asyl-verfahrens kritisch zu beobachten.

Ein weiteres Problemfeld ist dieSituation der Flüchtlinge in demzentralen Ausländerregistrierungs-zentrum Pabrade, die dort unterHaftbedingungen auf die Zulas-sung ihres Asylantrages wartenmüssen, ebenso wie die der

Daten und FaktenBis 1997 war Litauen ausschließlich ein Transit- undHerkunftsland für Asylsuchende, die nach Westeuropawollten.

Im Januar 1997 unterzeichnete Litauen die GenferFlüchtlingskonvention. Sie trat gemeinsam mit dem schon1995 verabschiedeten Gesetz über den Flüchtlingsstatusin Kraft. Ende 1998 wurde ein Ausländergesetzverabschiedet, das das Flüchtlingsrecht ergänzte, indem eseinen Aufenthaltsstatus aus humanitären Gründen einführ-te. Im Juni 2000 wurde ein neues erweitertesFlüchtlingsgesetz verabschiedet in einer korrigiertenFassung nachdem Präsident Adamkus aufgrund derIntervention von UNHCR und Europarat gegen den erstenEntwurf Veto eingelegt hatte. Das neue Gesetz trat am 29.Juni 2000 in Kraft.

Es sieht ein beschleunigtes Asylverfahren für sogenannte„offensichtlich unbegründete“ Asylanträge vor und einprescreening an der Grenze, wo das erste Interviewdurchgeführt und vorab geprüft wird, ob die Einreise auseinem sicheren Herkunftsland oder über einen sicherenDrittstaat erfolgt ist. Das Interview und eine Einschätzungder Grenzpolizei gehen an die Asylabteilung des

Innenministeriums, die innerhalb von 48 Stunden über dieErlaubnis zur Einreise befindet.

Flüchtlinge, die nicht gleich an der Grenze abgewiesenwerden, kommen ebenso wie Personen, die ohne Papiereaufgegriffen werden, zunächst nach Pabrade in dassogenannte Registrationszentrum für AusländerInnen, undwarten dort quasi unter Haftbedingungen entweder auf ihreZulassung zum Asylverfahren oder auf ihre Abschiebung.Diejenigen, die zum Asylverfahren zugelassen werden,werden im Flüchtlingsaufnahmezentrum in Rukla unterge-bracht.

Seit Juni 2000 hat sich auch der Instanzenweg geändert.Die erste Instanz ist die Migrationsabteilung im Innenmini-sterium geblieben, während der Rat für Flüchtlingsangele-genheiten als zweite Instanz abgelöst wurde durch dasVerwaltungsgericht, das seit der Gesetzesänderung direktangerufen werden kann.

Von 1997 bis März 2001 haben insgesamt 808 Personenin Litauen Asyl beantragt. 58 wurden auf der Basis derGenfer Flüchtlingskonvention anerkannt und 109 Personenerhielten eine befristete Aufenthaltserlaubnis aus humani-tären Gründen.

Lyra Vysockiene, UNHCR Vilnius (rechts)

LITAUEN

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Personen,diedort inAbschiebehaftsitzen. Eine erhebliche Gesetzes-lücke besteht darin, dass es keinzeitliches Limit für die Abschiebe-haft gibt und einige der Abschiebe-häftlinge dort schon sehr langeunter sehr schlechten Bedingun-gen einsitzen.

Die illegalenEinreisennachLitauensind rückläufigunddieFluchtroutenhaben sich von den baltischenStaaten wegverlagert aufgrund derAufrüstung der Außengrenze imRahmen der EU Anwärterschaftund nicht zuletzt wegen derdrakonischen Strafen für Fluchthel-ferInnen, die mit bis zu 15 JahrenGefängnis rechnen müssen.

Das vorhandene Integrationspro-gramm für anerkannte Flüchtlinge,das eine einjährige Sozialhilfesowie Sprachkurs und Unterstüt-zung bei der Wohnungssuchevorsieht, reicht nicht aus, umFlüchtlinge bzw. Personen mit derbefristeten Aufenthaltserlaubniswirklich zu integrieren. Daherversuchten viele der anerkanntenFlüchtlingediebis2000vorwiegendaus Afghanistan, Somalia und Irakkamen, weiter zu wandern nachSkandinavien oder nach Westen.

Seit 2000kommt die größte Gruppeder AsylantragstellerInnen ausTschetschenien. Die meisten vonihnen bekommen den humanitären

Aufenthaltsstatus. Sie haben nachMeinung unserer Gesprächspart-nerInnen ein Interesse inLitauen zubleiben, was schon daran zuerkennen sei, dass sie mit dem Zugvon Moskau Richtung Kaliningradkommen und direkt am Hauptbahn-hof in Vilnius aussteigen. Nach demErhalt des Bleiberechts werdenhäufig Familienmitglieder nachge-holt. Der UNHCR hält es fürdringend nötig in Litauen angemes-sene Lebensbedingungen für dieFlüchtlinge zu schaffen, damit sieeinen Anreiz haben zu bleiben. Einmindestens ehrgeiziges Unterfan-gen in einem Land, in dem auch dieeinheimische Bevölkerung vor wirt-schaftlichenProblemensteht.EinerUmfrage des UNHCR bei 1000litauischen BürgerInnen zufolgespricht sich eine Mehrheit gegenSozialhilfe für Flüchtlinge aus undvertritt die Ansicht, dass sie bis zueiner Entscheidung interniert seinsollten. Lyra Vysockiene vomUNHCR führt diese negative Hal-tung zum einen auf eine rassisti-sche Pressekampagne zurück, dieim wesentlichen über Illegalisierteberichtete, zum anderenauf ökono-mische Ängste.

Der UNHCR arbeitet eng mit demRoten Kreuz zusammen, das einekostenlose Rechtsberatung undsoziale Betreuung für Flüchtlingeanbietet.

Die MigrationsbehördeDie beiden UNHCR MitarbeiterIn-nen begleiten uns in die Asylabtei-lung der Migrationsbehörde desInnenministeriums. Hier empfan-gen uns zwei junge Frauen, dieLeiterin der Asylabteilung und ihreStellvertreterin. Sehr bald wirddeutlich wie neu sie in diesemMetier sind. Formal werden unsereFragen, die wir vor der Reise aufihre Bitte hin schiftlich gestellthatten, beantwortet:

Seit1997prüftdieMigrationsbehör-de des Innenministeriums Asylan-träge. 1998 wurde eine eigeneAsylabteilung eingerichtet. Hierarbeiten 10 Personen, 3 davon sindzuständig für die Recherche, weite-re 7 arbeiten direkt an den Fällenund treffen die Entscheidungen.Seit Mitte 2000 befindet dieAbteilung auch über die befristeteAufenthaltserlaubnis aus humani-tären Gründen. Auf unsere Fragennach den Informationsquellen derEntscheiderInnen werden wir auchhier auf das Internet verwiesen. Esscheint kein Informationssystem zuexistieren, das sachgerechte Ent-scheidungen ermöglicht.

Ein Asylantrag muss direkt bei derPolizei an der Grenze aber späte-stens 48 Stunden nach der Einreisebei einer anderen Institution gestelltwerden. Die erste Anhörung findetalso in der Regel bei der Grenzpo-lizeistatt.DieGrenzbeamtenführendas erste Interview, nehmen per-sönliche Daten von Asylsuchendenauf, überprüfen die Reiseroute unddie Angaben über Motive für dieAsylantragstellung. Diese Informa-tionenwerdendirektzurMigrations-behörde geschickt, die innerhalbvon 48 Stunden über die Erlaubniszur Einreise nach Litauen entschei-det.

DieAsylabteilungderMigrationsbe-hörde entscheidet auch darüber, obein beschleunigtes oder reguläresVerfahren durchgeführt wird. Dasbeschleunigte Verfahren dauert inder Regel einen Monat. Auf unsereFrage, ob die Grenzpolizei dennfachlich in der Lage sei, einequalifizierte Anhörung durchzufüh-Lyra Vysockiene, UNHCR Vilnius (links) und die Leiterin der Asylabteilung Litauens

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ren, wird uns mitgeteilt, dass dieGrenzbeamten in Kooperation mitdem UNHCR in Trainingsprogram-men geschult werden.

Die Flüchtlinge, die illegal einge-reist sind warten ihre Zulassungzum Asylverfahren, sozusagen ihreeigentliche Einreiseerlaubnis, indem Ausländerlager in Pabrade ab.WerdendieAntragstellerInnenzumregulären Asylverfahren zugelas-sen, werden sie in der Aufnahme-einrichtung in Rukla untergebracht,das vom schwedischen Außenmi-nisterium finanziert wurde. Einereguläres Asylverfahren dauert ca.12 Monate. Nach einem ablehnen-den Bescheid kann Klage direktbeim Verwaltungsgericht erhobenwerden.

Insgesamt machte der Besuch imMigrationsbüro deutlich, dass Li-tauen in der jetzigen Form noch einsehr junger Staat ist und dasPhänomen AsylbewerberInnenund Flüchtlinge ebenfalls eine neueProblematik darstellt. Entspre-chend unerfahren wirkten dieZuständigen in der AsylabteilungAngesichts des starken Engage-ments des UNHCR in Gestalt vonLyra Vysockiene, die im Gesprächab und zu sekundieren musste,könnte sich dies positiv auf dieRahmenbedingungen für Flüchtlin-ge auswirken. Aber natürlich ist derUNHCR auch in einer problemati-schen Rolle, indem er dafür sorgensoll, dass die europäischen Stand-ards, die im Kern restriktiv sind,umgesetzt werden. So wäre auchinteressant, was denn die Grenz-polizei in den erwähnten Trainingslernt.

Gespräch mit demRoten Kreuz Litauen,Caritas und Save theChildrenAuch die MitarbeiterInnen desRoten Kreuzes, die uns in ihrenRäumen in Vilnius empfingen undzu dem Gespräch auf unserenWunsch auch MitarbeiterInnen vonCaritas und Save the Children

geladen hatten, waren erstaunlichjung und dabei kompetent undengagiert.

Caritas und Save the children

Die Caritas kümmert sich imwesentlichen um den materiellenBedarfvonFlüchtlingen inPabrade.Sie besuchen das Lager einmal imMonat und bemühen sich dort vorallem dem Mangel an Hygienearti-keln abzuhelfen. Außerdem gibt esseit einem Jahr ein Integrationspro-grammvonCaritas,dasanerkannteFlüchtlinge unterstützen soll.

Save the children arbeitet mit demUNHCR im Rahmen des Evaluati-onsprogramms für Kinderflüchtlin-ge zusammen und versucht dieSituationvonunbegleitetenMinder-jährigen zu erfassen. Zur Zeit gibtes nur 4 unbegleitete Minderjähri-ge, die bisher keinen Anspruch aufeinen Vormund haben. Im Zuge derGesetzesänderung soll neuerdingsdirekt bei Antragstellung ein Vor-mund beauftragt werden, der/diesich um das Asylverfahren küm-mert.

Darüber hinaus organisiert Savethe children parallel zum RotenKreuz Freizeitaktivitäten für Kinder.

Das Rote Kreuz

Das Rote Kreuz ist die offizielleBetreuungsorganisation für Flücht-linge in Litauen und arbeitet eng mitdem UNHCR zuammen. Es unter-hält mehrere Projekte:

Rechtsberatung für Flüchtlinge

Auf Initiative des UNHCR wurde1997 eine Vereinbarung überkostenlose Rechtshilfe für Asylsu-chende zwischen dem Roten Kreuzund dem Innenministerium Litau-ens getroffen. Das UNHCR ver-pflichtet sich darin zur Ko-Finanzie-rung der Beratung. Im März diesenJahres wurde dieses Abkommenerneuert und an die neue Gesetz-gebung angepasst. Mit dieserVereinbarung haben die dafüreingestellten MitarbeiterInnen desRoten Kreuzes das Recht, kosten-lose Rechtsberatung durchzufüh-ren und dafür auch an die nötigenInformationen seitens der Migrati-onsbehörden heranzukommen.Das heißt, sie werden überAsylantragstellungen informiertund bekommen Akteneinsicht. Siedürfen auch bei derAnhörungdabeisein und werden über den weiterenFortgang des Verfahrens infor-miert. Sie können darüber hinausEmpfehlungen abgeben und Kla-gen vor dem Verwaltungsgerichtvorbereiten.

Im Rechtsberatungsprojekt arbei-ten 4 MitarbeiterInnen und 2KoordinatorInnen. In Litauen wer-den wie in Polen als Rechtsberate-rInnen nicht nur aprobierte Anwäl-tInnen akzeptiert, sondern in derVereinbarung werden ausdrücklichauch Jura-StudentInnen genannt.Die MitarbeiterInnen leistenRechtsberatung von der Antrag-stellung bis zum Ablauf desgesamten Verfahrens. Sie gehen

Beim Roten Kreuz in Vilnius

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einmal wöchentlich sowohl in dieFlüchtlingsunterkunft in das 120 kmvon Vilnius entfernte Rukla undnach Pabrade. Marius Urbelis,Koordinator des Rechtsberatungs-projektes, erwähnt allerdings, dasssie keinen Zugang zu den Men-schen in Abschiebehaft haben. BisEnde 1999 sei es noch möglichgewesen, unterstützt durch einProgramm der IOM, Abschiebe-häftlinge in Pabrade rechtlich zuberaten. Dies sei ihnen inzwischenuntersagt, weil ihnen vorgeworfenwordensei,siewürdendieHäftlingedazu animieren, Asylanträge zustellen.

Das Border Monitoring Projekt

Dieses Projekt des UNHCR exi-stiert seit 1999 und soll dieVorgänge bei der Asylantragstel-lunganderGrenzebeobachtenundaufzeichnen. Es wurde anlässlichder Änderung des Asylgesetzes insLeben gerufen, das das beschleu-nigte Asylverfahren und die Instru-mente Sicheres Herkunftsland undSicherer Drittstaat einführte unddamit diverse Gründe geschaffenhat, AusländerInnen den Zutrittzum Land zu verwehren. DenGrenzpolizisten kommt so eineentscheidende Funktion hinsicht-lich des Zugangs zum Asylverfah-ren zu.

Im Auftrag des UNHCR ist das RoteKreuz bemüht, in regelmäßigenAbständen die relevanten Grenz-übergangsstellen zu besuchen undInformationsblätter über das Asyl-verfahren in verschiedenen Spra-chen auszulegen. Dies gilt auch fürden Grenzübergang am Flughafenin Vilnius. Hier wurden zwischenMai 2000 und Mai 2001 121 voninsgesamt 125 Asylanträgen ge-stellt, wobei der Großteil derAntragstellerInnen an dem direktam Flughafen gelegenen Haupt-bahnhof in Vilnius eingetroffen ist.Fast alle Asylsuchenden reistenohne gültige Papiere ein undwurden demzufolge in das Auslän-derregistrationszentrum in Pabra-degeschicktzurEntscheidungüberihre Zulassung zum normalenAsylverfahren, während die dreilegal Eingereisten direkt in die

Flüchtingsunterkunft nach Ruklaüberführt wurden. Darüber hinausversuchtenmehrals200Menschenillegal nach Litauen einzureisen.Zum Teilwurdensiezurückgescho-ben, zum Teil nach Pabradegebracht und zum Teil an Polizei-dienststellen weitergeleitet.

Der Jahresbericht der beidenKoordinatorInnen des Projektes fürdenZeitraumMai2000bisMai2001fällt in der Bewertung der Grenzpo-lizei recht freundlich aus und gibtleider wenig Informationen überden Hintergrund der versuchtenEinreisen. Auffällig bei der Aufli-stung der Herkunftsländer ist, dassbis auf 10 Vietnamesen an derpolnischen Grenze kein Flüchtlingoder illegal Einreisender aus Asienoder Afrika verzeichnet ist. Eindeutliches Zeichen, dass die Routeüber Litauen für diese Flüchtlingegeschlossen ist.

Sozialarbeit in Rukla undPabrade

Das Rote Kreuz leistet auchSozialarbeit inderFlüchtlingsunter-kunft Rukla und in Pabrade. InPabrade geht es im wesentlichenum Versorgungsleistungen wie dieOrganisation einer Kleiderkammerund einer Bibliothek. In derFlüchtlingsunterkunft in Rukla initi-iert das Rote Kreuz Freizeitaktivitä-ten und führt Sprachkurse durch.Die Sozialarbeiterin Audrone Silei-

kyte betont, dass es darum geht,die Flüchtlinge zu aktivieren undpsychisch zu stabilisieren. UmKontakte mit der Bevölkerungherzustellen, werden Kulturveran-staltungen organisiert, und jährlichfindet ein gemeinsames Sommer-camp mit Flüchtlingskindern undKindern aus Litauen statt. In Ruklasind zur Zeit 119 Flüchtinge, diemeisten aus Tschetschenien.

Öffentlichkeitsarbeit

Die Einrichtung dieses Arbeitsbe-reiches trägt der Tatsache Rech-nung, dass ein Großteil derLitauerInnen Flüchtlingen ableh-nend gegenübersteht. Mit Presse-arbeit und Fortbildungsmaßnah-men insbesondere an Schulen solldieser Haltung entgegengewirktwerden. Zum Programm gehörenauch Kulturveranstaltungen undVeranstaltungen zum internationa-len Tag des Flüchtlings.

Die Zusammenarbeit der Projektemit der Unterkunftsleitung in Ruklaist gut, während es in Pabradeähnlich wie in Hinblick auf dieRechtsberatung häufiger Konfliktegibt.

Marius Urbelius führt das auf dengrundsätzlich widersprüchlichenAuftrag des Ausländerregistrie-rungszentrumzurück.Zumeinen istes für die Unterbringung und dieVersorgung von Flüchtlingen zu-

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ständig, zum anderen für dieAbschiebung und Inhaftierung vonsogenannten Illegalen. Diese Ziel-setzungen lassen sich seinerMeinung nach nur schwer mitein-ander vereinbaren.

Das zentraleRegistrations- undAbschiebelager fürAusländerInnen inPabradePabrade selbst ist ein kleinerunscheinbarer Ort in der Nähe vonVilnius. Die Fahrt dorthin dauert ca.eineDreiviertelstunde.DasAuslän-derregistrierungszentrum ist leichterkennbar durch die Mauern undden Stacheldraht, die es umgeben.Überhaupt gestalten im wesentli-chen Zäune und Stacheldraht dasganze Gelände und bringen schonbei der Ankunft den Gefängnischa-rakter der Einrichtung zum Aus-druck, auch wenn der Leiter,Polizeikommissar Algimantas Var-nelis, versucht, das Ganze alsUnterkunft vorzustellen.

Wir besichtigen zunächst dieFlüchtlingsunterkunft, in der dieje-nigen untergebracht sind, die überihre Zulassung zum Asylverfahrenund damit auf ihre Verlegung nach

Rukla warten, wenn sie nicht imRahmen des beschleunigten Ver-fahrens abgelehnt werden.

Das Gebäude ist vor zwei Jahrenneu errichtet worden und entsprichtdaher nicht mehr den katastropha-len Zuständen, die eine Besuche-rInnengruppe der EvangelischenStudentengemeinde Berlin 1998noch feststellen musste und dieAnlass für Kritik aus dem Auslandund von internationalen Organisa-tionen waren. Die Baracken, die

früher der Unterbringung derFlüchtlinge dienten, stehen nochzum Abriss freigegeben auf demGelände und lassen ahnen, was dieBesucherInnen aus Berlin damalsvorfanden.

Jetzt kann uns der Direktor vonPabrade mit sichtlicher Genugtu-ung durch ein ordentliches undhalbwegs freundlich mit neuenIkea-Möbeln ausgestattetes Ge-bäude führen. Es gibt eine Gesund-heitsstation, in der zwei Ärztinnen

Das Lager in Pabrade ist eine Einrichtung des LitauischenGrenzschutzes, der wiederum dem Innenministeriumuntersteht. Es wurde im Januar 1997 eröffnet. In Pabradewerden AusländerInnen untergebracht, die ohne Papiereim Land aufgegriffen werden, ausländische ehemaligeGefängnisinsassen, die keine Identitätspapiere haben,AusländerInnen, deren Abschiebung z.B. nach abgeschlos-senem Asylverfahren beschieden wurde sowie Flüchtlinge,die illegal eingereist sind und einen Asylantrag gestellthaben.

In Pabrade werden die Angaben der Asylsuchendenüberprüft. Aufgrund der Informationen aus Pabradeentscheidet die Asylabteilung der Migrationsbehörde, ob einreguläres Asylverfahren durchgeführt wird. Währenddes-sen sind die Flüchtlinge in der auf dem Gelände befindlichenFlüchtlingsunterkunft untergebracht. Sie dürfen dasGelände nur mit ausdrücklicher Genehmigung für maximal3 Tage verlassen. Werden sie zum Asylverfahrenzugelassen, erfolgt die Verlegung in die zentraleFlüchtlingsunterkunft in Rukla, wo sie auf den Ausgang desVerfahrens warten. Bei einer Ablehnung wird in Pabrade

ihre Ausreise vorbereitet bzw. die Abschiebung durchge-führt.

Die AusländerInnen, für die die Abschiebung feststeht oderdie aufgegriffen wurden und keinen Asylantrag gestellthaben, sitzen in Pabrade in Abschiebehaft. Das Lager istdafür zuständig, Ausreisepapiere zu beschaffen und dieAbschiebung durchzuführen.

Damit hat Pabrade die paradoxe Funktion gleichzeitigFlüchtlingsunterkunft und Abschiebegefängnis zu sein.Asylsuchende wie Abschiebehäftlinge leben auf demgleichen Gelände mit Sichtkontakt und durch Stacheldrahtgetrennt allerdings unter sehr unterschiedlichen Unterbrin-gungsbedingungen.

Von 1997 bis 2000 waren 2777 AusländerInnenvorübergehend im Lager in Pabrade untergebracht. 438davon wurden zum regulären Asylverfahren zugelassen undkonnten in die zentrale Flüchtlingsunterkunft in Ruklaumziehen, während 2235 abgeschoben wurden.

Pabrade - Verwaltungsgebäude

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arbeiten, und einen Schulraum, derallerdings etwas verwaist wirkt.Eine Lehrerin kommt über das RoteKreuz zweimal in der Woche nachPabrade. Begleitet von AudroneSileykite vom Roten Kreuz sehenwir auch die Kleiderkammer und dieBibliothek, die jedoch nur anwenigen Terminen geöffnet undsehrbescheideninkleinenRäumeneines Anbaus untergebracht sind.

Kinder beherrschen die Szene vordem Haus, und es gibt auch eineArt Spielplatz. Trotzdem wirkt allesaufgrund des Stacheldrahtes so-wohl um das Haus herum als auchum das Gefängnis für die Illegali-sierten eher gespenstisch undbedrückend. Es besteht Anwesen-heitspflicht. Die Flüchtlinge könnendie Unterkunft lediglich mit Geneh-migung für maximal drei Tageverlassen. Sollten sie bis dahinnicht wieder auftauchen, laufen sieGefahr ihren Status als Flüchtlingezu verlieren.

Anschließend gehen wir in dasebenfalls eingezäunte Gelände fürFrauen mit illegalem Aufenthalts-status. Zur Zeit befinden sich dortnur fünfFrauen. DasHauswirktdenUmständen entsprechen in Ord-nung. Es gibt eine Kochgelegenheitund Mehrbettzimmer. Sprechenkönnen wir mit den Frauen nicht.

Weit deprimierender ist der Besuchim Gelände für diezur Abschiebungvorgesehenen Männer. Wieder istdas Gelände eingezäunt, und esgibt darüber hinaus noch einge-zäunte Zugänge zu der gemeinsa-men Kantine, zum einen umFlüchtlinge und Inhaftierte voneinander fernzuhalten, zum ande-ren um keine Fluchtmöglichkeitenzu bieten. In dem Gebäude, das ineinem sehr schlechten Zustand ist,gibt es ein Zwei-Klassensystem.

In der ersten Etage wohnendiejenigen, die sich mit ihrer Lagehalbwegs arrangiert haben. DerKommissar weist uns darauf hin,dass sie sogar ihren Flur farbiggestaltet haben. Im zweiten Stocksind dann die schwierigen Fälleuntergebracht, die sich auch schonmal zur Wehr setzen. Das wird

allerdings erst deutlich, als derKommissar uns zunächst einenFitnessraum zeigt und dann nocheinmal einen getrennten Raumohne jedes Sportgerät, der fürInsassen des 2. Stocks als Trai-ningsraum dient. Auf Nachfrageerfahren wir, dass es dieseTrennung gibt unter anderem seiteiner der Insassen versucht hateinen Hungerstreik zu initiieren.

Der 2. Stock hat auch einabgetrenntes Außengelände. Aufdem Flur ist nichts von Gestaltungdurch die Bewohner, allerdingsauch nicht durch das Personal zuerkennen. Wir treffen dort einenVietnamesen, der nach Auskunftunserer Begleiterin vom RotenKreuz schon fast zwei Jahre einsitztund für den es keine Perspektivezu geben scheint. Der Leiter vonPabrade erzählt, dass der Vietna-mese nach gescheitertem Asylan-trag zurückgehen wollte, nun aberkeine Papiere aus dem Herkunfts-land bekommt. Ebenfalls über zweiJahre leben hier ein Russe und einKongolese. Der Russe war vorseiner Zeit inPabrade imGefängnisund sitzt nach seiner Entlassung inAbschiebehaft, da er keine Identi-tätspapiere hat und seine Nationa-lität offiziell ungeklärt ist. Er istaufgrund dieser Umstände psy-chisch krank. Insgesamt konnteman den Insassen den Lagerau-fenthalt und die Perspektivlosigkeitdeutlich ansehen.

Beim späteren Gespräch im Bürodes Lagerleiters erfuhren wir dannim Gegensatz zu unserem Besuch

im Abschiebelager in Polen jedeMenge Zahlen. Herr Varnelis teilteuns nicht ohne Stolz mit, dass imJahr 1997 277 Insassen die Fluchtaus dem Lager in Pabrade gelang,während es unter seiner Amtszeitim Jahr 2000 nur noch 9 und indiesem Jahr 5 waren. Er begründe-te dies mit härteren Sicherheits-maßnahmen, die er durchgeführthat, und mit dem Bemühen, dieHaftzeiten durch schnellere Durch-führungderAbschiebungzuverkür-zen.

Tatsächlich konnten wir anhand derStatistik einen Rückgang der Haft-dauer von durchschnittlich 153Tagen in1997und49Tagen in2000feststellen, wobei die Statistiknatürlich nicht die Schicksalederjenigen wiedergibt, die dort einbis zwei Jahre und länger inhaftiertbleiben.

Herr Varnelis bestätigte die Verän-derung der Herkunftsländer. 1997kamen 20% der Insassen ausAfghanistan und 13% aus Pakistan,nur 5% waren russischer Nationa-lität. Dieses Verhältnis hat sich inden letzten zwei Jahren umgekehrt.

Die Zahl der Zugänge nachPabrade und demzufolge derAbschiebungen ist zurückgegan-gen von 1050 in 1997 auf 227 in2000. In der ersten Hälfte diesenJahres kamen 259 Menschen nachPabrade und im gleichen Zeitraumwurden 151 abgeschoben. Diesenstarken Rückgang der Zugangs-zahlen erklärteHerrVarnelismitderVerstärkung der Grenzsicherung ,

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Lettland

Daten und FaktenLettland hat 1997 die Genfer Flüchtlingskonvention und dasProtokoll von 1967 unterzeichnet und verabschiedete imJuni des gleichen Jahres ein Gesetz, das das Asylverfahrenregelt und im Januar 1998 in Kraft trat. Seitdem gab es keineGesetzesänderungen. Erst Anfang 2001 wurde ein neuerGesetzentwurf auf den Weg gebracht, der auf Anraten vonUNHCR und verschiedener EU-Institutionen einigeSchutzlücken im lettischen Asylrecht schließen soll.

Zur Zeit gibt es nur den Flüchtlingsstatus nach der GenferKonvention, im neuen Gesetzentwurf sind auch alternativeAufenthaltserlaubnisse aus humanitären Gründen oder fürBürgerkriegsflüchlinge vorgesehen. Asylanträge müssenan der Grenze gestellt werden oder spätestens 72 Stundennach Einreise. Die erste Anhörung wird in der Regel vonder Grenzpolizei geführt. Das Protokoll und sonstbeigebrachte Dokumente werden in der ersten Instanz beimAmt für Asylangelegenheiten geprüft. Eine erstinstanzlicheEntscheidung erfolgt innerhalb von 3 Monaten, inbesonderen Fällen kann diese Frist auf 6 Monate verlängertwerden.

Gegen eine negative Entscheidung kann Widersprucheingelegt werden, allerdings in der extrem kurzen Frist vonnur 6 Tagen. Über den Widerspruch entscheidet eineKlagekammer, die wie die Migrationsbehörde und das Amtfür Migration dem Innenministerium unterstellt ist. DieEntscheidung soll innerhalb von zwei Monaten erfolgen.

Bei Einreise aus einem sogenannten sicheren Herkunfts-oder Drittland wird ein beschleunigtes Asylverfahrendurchgeführt. Eine Entscheidung nach diesem Verfahrensoll innerhalb von 5 Tagen getroffen werden und eineablehnende Entscheidung geht automatisch ohne Mitwirkender Asylsuchenden an die 2. Instanz, die Klagekammer, die3 Tage Zeit für eine Prüfung der Entscheidung hat. Eineweitere Instanz gibt es nicht.

Neben der Problematik der kurzen Fristen ist ein weiteresProblem in Lettland die Inhaftierung von Flüchtlingen.AsylbewerberInnen werden während der Aufnahme ihresAsylantrages und während des beschleunigten Verfahrensin geschlossenen Einrichtungen in der Regel bei derGrenzpolizei untergebracht. Asylsuchende, die abgelehntwurden und nicht innerhalb von 7 Tagen das Land verlassen,z.B. aufgrund fehlender Papiere kommen in Abschiebehaft.Es gibt kein Zeitlimit für die Inhaftierung, so dass Flüchtlingeteilweise Monate bis Jahre in Haft sitzen.

Es gibt seit 1999 eine zentrale Unterkunft für Flüchtlinge inMucinieki in der Nähe von Riga, die aus den USA, vomUNHCR und Schweden finanziert wurde mit einermaximalen Aufnahmekapazität von 250 Menschen.

Die Zahlen der AsylbewerberInnen in Lettland sind sehrgering. Von 1998 bis 2000 gab es insgesamt 85 Asylanträge,davon 7 Anerkennungen. In der ersten Hälfte des Jahres2001 wurden lediglich 4 Anträge gestellt, von denen einerpositiv entschieden wurde. Für die anerkannten Flüchtlingegibt es keine Integrationsmaßnahmen.

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die dazu führt, dass die meistenEinreisewilligen schon an derGrenze abgewiesen werden, wasauch aus dem Grenzbeobach-tungsbericht des Roten Kreuzeshervorgeht. Nach Pabrade kom-

men demzufolge nur noch diejeni-gen, die keine Papiere haben.

Abschließend lobt unser Ge-sprächspartner noch die Zusam-menarbeit mit der deutschen

Grenzpolizei. Es gibt ein Aus-tauschprogramm mit der Deut-schen Polizei insbesondere nachSchleswig-Holstein und Branden-burg. Diese Kontakte sollen weiterausgebaut werden. Die praktischeZusammenarbeit erfolgt u.a. beimAbgleich von Fingerabdrücken undInformationsbeschaffung über Rei-sewege und Herkunftsländer.

Bei der Abfahrt stellt er uns einejunge Kollegin vor, die gerade einPraktikum in Anklam gemacht hatund gut Deutsch spricht. Siebedauert, dass sie dort nur Kontaktzur Grenzpolizei hatte. Allerdingshat sie nicht, wie wir zunächstvermuten, den Kontakt zur Bevöl-kerung vermisst, sondern siebemängelt, dass sie so wenig überdie Schutzpolizei erfahren hat.

LITAUEN

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Lettland

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Die Arbeit des UNHCRDas Büro des UNHCR in Riga istseit 1999 u.a. gemeinsam mit demIOM in dem UN-Gebäude in derAltstadt von Riga untergebracht.Die Leiterin Karolina Lindholm istSchwedin. Sie ist die Koordinatorinder UNHCR-Aktivitäten in denBaltischen Staaten. Zur Zeit gibt esin drei Staaten 6 UNHCR-Mitarbei-terInnen, deren Zahl aufgrund derFinanzmisere auf eine Personreduziert werden soll, die dannalleine für das Baltikum zuständigsein wird.

Ein wesentliches Betätigungsfelddes UNHCR in Lettland ist diekritische Begleitung der Entwick-lung eines neuen Ausländergeset-zes, das die Mängel der bisherigenGesetzgebung beheben soll, nachMeinung des UNHCR jedoch nochlange nicht weitgehend genug denSchutz für Flüchtlinge gewährlei-stet.

Der UNHCR kritisiert an demneuenGesetzentwurf, dass die kurzenFristen sich im Zusammenhang mitdem beschleunigten Asylverfahrennoch verkürzen. Es ist vorgesehen,dass die Behörde für Flüchtlingsan-gelegenheiten innerhalb von 2Tagen nach Erhalt des Anhörungs-protokolls von der Grenzpolizeiüber den Fall entscheiden soll unddie AsylbewerberInnen nur einenWerktag Zeit für einen Einspruchhaben. Die Klagekammer soll danninnerhalb von zwei Tagen eineendgültige Entscheidung treffen.Kaum vorstellbar, dass im Rahmendieser kurzen Zeitvorgaben einAntrag fundiert geprüft wird. Aus-schlaggebend für eine Entschei-dung bleibt so das Anhörungspro-tokoll, womit der Grenzpolizei diewesentliche Funktion im Rahmender Schutzgewährung zukommt.Für die Flüchtlinge bleibt keine Zeit,einen Rechtsbeistand zu findenoder Dokumente übersetzen zulassen.

Darüber hinaus sieht der Gesetz-entwurf keine Regelung für den Fallvor, dass abgelehnteAsylbewerbe-rInnen aus rein technischen Grün-den nicht abgeschoben werden

können. Dies geschieht nachAussage von Karolina Lindholmschon deshalb häufiger, weil Lett-land nicht über ausreichendefinanzielle Mittel verfügt, um kost-spielige Abschiebeflüge in dieWege zu leiten. In solchen Fällenbleiben die Betroffenen ebenfalls inAbschiebehaft, häufig Monate, inEinzelfällen sogar Jahre.

Bisher gab es für Flüchtlinge ohnelegalen Aufenthaltsstatus eineHaftanstalt in der Nähe von Riga inOlaine. Selbst der UNHCR hatkeinen Zutritt zum Trakt derAbschiebehäftlinge. Seit ca. zweiMonaten ist ein weiteres Abschie-begefängnis eröffnet worden. Esscheint noch unklar zu sein, ob inZukunft alle Abschiebehäftlinge indiesem Gefängnis untergebrachtwerden sollen. Frau LindholmschiendenEindruckzuhaben,dassdie Verhältnisse in der neuenEinrichtung besser seien als in deralten Anstalt. Es war jedoch nichtgenau zu klären, ob der UNHCR dieGelegenheit hatte, die neue Ein-richtung zu besuchen.

Außerdemgibtes keineVorkehrun-gen wie mit Flüchtlingen umgegan-gen wird, die aus den Nachbarlän-dern zurückgeschoben werden,weil sie über Lettland als sicheremDrittstaat eingereist sind. Im bishereinzigen Fallwurde der Betreffende

als Illegaler inhaftiert, bis derUNHCR einschritt und ein Asylver-fahren durchtsetzte, somit ist fürRückgeschobene der Zugang zumAsylverfahren zumindest fraglich.

Karolina Lindholm berichtet, dassdieHaltungderBevölkerungFlücht-lingen gegenüber trotz der ver-schwindend geringen Zahl negativist. Viele Menschen befürchten,dass mit Beitritt zur EuropäischenUnion mehr Menschen nach Lett-land kommen werden. Schon derUmgang mitder russischenMinder-heit ist Anlass zu Auseinanderset-zungen innerhalb der Gesellschaft,und nach wie vor gibt es Ängste,selbstwiederMinderheitzuwerden.

Auch auf diesem Hintergrund istnicht zu erwarten, dass der neueGesetzentwurf wesentliche Ver-besserungen bringen wird.

Das Amt fürFlüchtlings-angelegenheitenDas „Refugee Affairs Centre“ hatseinen Sitz in der Migrationsbehör-de und untersteht dem Innenmini-sterium. Wir sprechen mit DaceZwarte, der Abteilungsleiterin, undzwei weiteren MitarbeiterInnen.Das Büro existiert seit Einführung

Die Migrationsbehörde in Riga

LETTLAND

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des Asylverfahrens im Jahr 1998,ist also wie in Litauen eine nochrecht neue und angesichts dergeringen Zahl von Asylanträgenkleine Behörde.

Unsere GesprächspartnerInnen in-formieren uns über den Ablauf desAsylverfahrens (siehe Kasten). DieMitarbeiterInnen treffen die Ent-scheidungen anhand derErstanhö-rung, die von der Grenzpolizeioder,im Falle einer schon vorhererfolgten Einreise, von anderenPolizeistellen durchgeführt wird.Sie sind einzige Grundlage derEntscheidung, die EntscheiderIn-nen sprechen in der Regel nichtselbst mit den Flüchtlingen. Flücht-linge, die von der Grenzpolizei oderder zuständigen Polizeidienststellean die Migrationsbehörde überstelltwurden und sich somit in einemVerfahren befinden, werden in diezentrale Unterkunft Mucenieki ge-bracht. Zum Zeitpunkt unseresBesuches waren dort drei Einzel-personen undeine Familie unterge-bracht.AufunsereFragenach ihrenInformationsquellen über die Situa-tion in den Herkunftsländern erhal-ten wir, wie schon in Polen undLitauen, die Antwort, dass eineInformationsquelle das Internet sei.Darüber hinaus betonen unsereGesprächspartnerInnen ihre Quali-fikation durch das Training imRahmendesEU-Phare-Horizontal-Programms. Dieses Programm

dient zum einen der Analyse derAsylsysteme in den verschiedenenLändern, um die Standards anzu-gleichen. Ein Ergebnis ist der neueGesetzentwurf für das Ausländer-und Asylgesetz in Lettland. Zumanderen beinhaltet das ProgrammTrainings- und Austauschprogram-me für Grenzpolizei und Mitarbeite-rInnen von Asylbehörden. Dabeisind vor allem Behörden ausSchweden, Dänemark und Norwe-gen aber auch das Bundesamt fürdie Anerkennung ausländischerFlüchtlinge (Bafl) aus Nürnbergvertreten. Dies wird denn auch inunserem Gespräch als Informati-onsquelle genannt. Ziel des Pro-grammes ist die Angleichung derAsylstandards und des Grenzregi-mes auf EU-Ebene. Auf Kontaktezu Menschenrechtsorganisationenwie amnesty international befragt,verweisen unsere Gesprächspart-nerInnen auf Kontakte nach Öster-reich zu einem Dokumentations-und Informationszentrum für Mittel-und Osteuropa (ACCORD), dar-über hinaus scheint es wenigentsprechenden Austausch zu ge-ben. Bei der Delegation blieb derEindruck zurück, dass die Informa-tionsquellen nicht besonders inten-siv genutzt werden.

Die zweite Instanz im Asylverfah-ren, die Klagekammer für Flüchtlin-ge, setzt sich aus einem Vorsitzen-den und 4 weiteren Personen

zusammen, die vom Justizministe-rium eingesetzt werden. In derRegel handelt es sich um AnwältIn-nen.

Wir fragen, ob es ein Integrations-programm für anerkannte Flüchtlin-ge gibt und erhalten die Antwort, dieFlüchtlinge bekämen 12 Monatelang Sozialhilfe. Darüber hinauslohne es sich nicht, für die 7 seit1998 Anerkannten ein Programmaufzulegen. Das leuchtet ein, esdrängt sich trotzdem die Frage auf,ob diese wenigen Menschen nichtsogar einzeln intensiv betreutwerden könnten.

Eigene Erfahrungenweitergeben – dieForeigner AssociationHaisam Abu Abda, Mitbegründerder Foreigner Association, weißwovonerspricht,wennersagt,dassAusländerInnen in Lettland Unter-stützung brauchen.

Mit 17 kam er vor zehn Jahren alsStudent nach Lettland. In Folge desGolfkrieges wurde Herr Abda alsPalästinenser staatenlos und fandsich, als seine Aufenthaltserlaubnisals Student ablief, als Illegaler imAbschiebetrakt des GefängnissesvonOlainewieder.ErbeschreibtdieZustände dort als unerträglich. DieHäftlinge hätten kaum Kontakt zurAußenwelt,sie leidenunterMangel-erscheinungen und sind in völligerUngewissheit über die Dauer derHaft. Er selbst hat dort 10 Monateeingesessen und berichtet voneinem Iraker, der seinen Angabennach schon 5 Jahre dort einsitzt.Karolina Lindholm, in deren Bürowir das Gespräch mit Haisam AbuAbda führen, bestätigt, das selbstder UNHCR keinen Zugang zumAbschiebetrakt hat. Rechtshilfebekommen die Inhaftierten eben-falls nicht.

Jetzt ist Haisam Abu Abda alsFlüchtling in Lettland anerkannt,doch Reisen ins Ausland sind nachwie vor ein großes Problem, da erein lettisches Reisedokument hat,das in anderen Staaten nicht als

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solches anerkannt wird, d.h. ermuss für jede Auslandreise einVisum beantragen.

Die Foreigner Association ist offenfür AusländerInnen jeder Nationali-tät unabhängig vom Status, dennauch für diejenigen, die über eineAufenthaltserlaubnis verfügen, istdie Integration ein problematischesUnterfangen. So erzählt Haisambeispielsweise wie schwierig es ist,sich als Ausländer zu legalisieren:Grundsätzlich muss man, um sichbei den Behörden anmelden zukönnen, einen Arbeitsplatz haben.EinenArbeitsplatzwiederumkönneman allerdings nur dann bekom-men, wenn man irgendwo ange-meldet sei. Haisam Abu Abdamöchte durch die OrganisationUnterstützung bei der Bewältigungder vielen bürokratischen Hürdenleisten.

An unserem Gespräch nimmt aucheine Vertreterin des Roten Kreuzesteil, das mit Haisam Abu Abdazusammenarbeitet. Sie konnte erstwenig berichten, denn die Projektestehen noch ganz am Anfang, wasdeutlich macht wie wenig Gewichtdieses Thema in Lettland hat.Schon länger kümmert sich dasRote Kreuz um Probleme bei derFamilienzusammenführung, die inLettland u.a. problematisch ist, daes kein geregeltes Verfahren dafürgibt. Der neue Gesetzentwurf siehtzwar die Entwicklung eines solchenVerfahrens vor, knüpft die Famili-enzusammenführung aber an um-fangreiche Bedingungen, z.B dieVorlage zahlreicher Dokumente,was für Flüchtlinge meist einüberwindbares Hindernisbedeutet.

Gemeinsam mit der ForeignerAssociation will das Rote Kreuz einIntegrationsprogramm und Trai-nings für Lehrer starten, um übersie als MultiplikatorInnen auf dierassistischen Tendenzen in derBevölkerung einzuwirken.

Der Lebensweg von Haisam AbuAbda ist trotz der vielen Schwierig-keiten, die er zu überwinden hatte,eine Erfolgsgeschichte. Er arbeitetals Übersetzer, studiert Informatikund ist seit kurzem mit einer Lettin

verheiratet. Die Ausgangsbedin-gungen für solch eine Entwicklungsind in Lettland allerdings denkbarungünstig.

Das Gender ProblemCentreLettland ist eines der Haupt-Her-kunftsländer von Frauen, die überverschiedene Formen des Frauen-handels nach Westeuropa kom-men und dort häufig in Zwangsver-hältnissen leben und arbeitenmüssen.Hauptzielland istDeutsch-land. Die Leiterin des GenderProblem Centre, Tatjana Kurova,berichtet von 18 % der jungenMenschen, die versuchen insAusland zu gehen, um denschwierigen wirtschaftlichen Ver-hältnissen zu entkommen. Dies seivor allem ein Problem im ländlichenRaum, da insbesondere Frauendort kaum eine Perspektive haben.

Das Zentrum hat sich zum Zielgesetzt das öffentliche Bewusst-sein für diese Problematik zuwecken. Die ausschließlich weibli-chen Mitarbeiterinnen bieten Bera-tung für Frauen an, die einenAuslandsaufenthalt über ein Ar-beitsverhältnis, ein Eheverspre-chen o.ä. beabsichtigen. Inhalt derBeratung ist nach Angaben vonFrau Kurova, Anhaltspunkte zuprüfen, inwieweit die Angeboteseriös sind und eventuelle Risikenmit den Betreffenden zu bespre-chen. IndieBeratungkommenauchAngehörige von Frauen, die im

Ausland den Kontakt zur Familieverloren haben. Weitere ProjektesinddieArbeitmitProstituierten,dieBereitstellungen eines Schutzrau-mes und Aufklärung über Aids-Prä-vention. Nach Aussage von FrauKurova kommen viele der Prostitu-ierten aus asiatischen Ländern.

Das Büro des Gender ProblemCentres ist gut ausgestattet und wirerfahren, dass es über Mittel einerStiftung aus den Niederlandensowie von internationalen Partner-organisation im Zusammenhangmit konkreten Projekten finanziertwird. Insgesamt wirkt die Arbeitprofessionell, unser Gespräch ge-staltet sich allerdings aufgrund derstarken Präsenz der Leiterin einwenig schwierig. Ihre jungen Mitar-beiterinnen bekommen wenig Ge-legenheit, ihre Projekte im einzel-nen vorzustellen. Angesichts dervielen möglichen Herangehenswei-sen an das Thema Frauenhandelaus unterschiedlichen Perspekti-ven von Polizei, Beratungsstellen,Frauenprojekten etc. interessiertuns, wie das Center seine Arbeit indiesem Kontext einordnet. Auf-grund der Gesprächsstruktur undder Kürze der Zeit bleibt das in derDiskussion etwas unklar. Ein Grundmehr, Möglichkeiten des Austau-sches und der Debatte zwischenNGOs und Initiativen zu schaffen,ummehrvondenVerhältnissenunddem Selbstverständnis der unter-schiedlichen Organisationen in denverschiedenen Ländern zu erfah-ren.

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Estland

Der FlüchtlingsratEstland

Der Flüchtlingsrat Estland existiertseit Januar 2001 und ist hervorge-gangen aus einem Kooperations-projekt des UNHCR, des RotenKreuzes EstlandundderConcordiaUniversität mit dem Ziel kostenloseRechtshilfe für Flüchtlinge zuermöglichen, die von Jura-Studen-tInnen bzw. AbsolventInnen desJura-Studiums geleistet wird.

Gefördert wurde das Projekt durchdie Open-Estonia Foundation. Die-se Förderung ist jetzt ausgelaufen.Aus dem ehemaligen Projektstudentischer Rechtshilfe wurdedann Anfang des Jahres mitUnterstützung des UNHCR derFlüchtlingsrat. Die KoordinatorinLehte Roots empfängt uns in demkleinen Büro, das im Gebäude derNationalbibliothek in Tallinn unter-gebracht ist. Sie berichtet, dass derFlüchtlingsrat zur Zeit im wesentli-

chen ehrenamtlich arbeitet auf-grund der fehlenden finanziellenMittel. Die ehemaligen und Noch-JurastudentInnen bereitendieFällevor, die dann von AnwältInnenvertreten werden. Es bestehenVerträge mit 4 AnwältInnen, die mitdem Flüchtlingsrat zusammenar-beiten.

Zur Zeit gibt es 15 AsylbewerberIn-nen, die in der zentralen UnterkunftIllukauntergebrachtsind.DasHeimist in einem guten Zustand aber esliegt ca. 4 Autostunden von Tallinnentfernt an der russischen Grenze.Die Flüchtlinge haben zweimalmonatlich die Möglichkeit nachTallinn zu fahren um u.a. denFlüchtlingsrat für die Rechtsbera-tung aufzusuchen. Darüberhinausbesteht Telefonkontakt. Die Flücht-linge erhalten monatlich 500 Estni-sche Kronen (ca 60 DM) sowieEssen und Hygieneartikel außer-dem eine Telefonkarte im Wert vonca. 15 DM.

Anerkannte Flüchtlinge haben dasRecht auf eine Privatwohnung,doch bisher hat von den 4anerkannten Flüchtlingen in Est-land erst einer durch Vermittlungdes zuständigen Sozialministeriumeine Wohnung gefunden. Dieanderen leben nach wie vor in derUnterkunft. Ein weiteres Problemsind die Flüchtlingspässe. In Est-landgibteseinenPassfürestnischeStaatsbürgerInnen. Die russischenEinwohnerInnen Estland erhaltenebenso wiedie anerkanntenFlücht-linge einen grauen Pass, der alsReisedokument aber nur mit einemVisum gültig ist. Allerdings istgeplant bis 2002 internationaleFlüchtlingspässe zu erteilen.

Flüchtlinge,dieohnePapiereanderGrenze aufgegriffen werden, wer-denentwedergleichzurückgescho-ben oder kommen in Abschiebe-haft. Im Prinzip können sie Asylbeantragen und haben auch An-spruch auf Kontakt zu einemRechtsbeistand, doch es ist weder

Daten und FaktenAm 9. Juli 1997 trat die Genfer Flüchtlingskonvention inEstland in Kraft. Auf dieser Basis wurde im gleichen Jahrein Flüchtlingsgesetz verabschiedet.

Seit 1. September 1999 wurde das Flüchtlingsgesetz imZuge der Angleichung an EU-Standards mehrmalsgeändert, u.a. wurde die Zuständigkeit für Asylverfahren derBehörde für Einbürgerung und Einwanderung übertragenund das beschleunigte Asylverfahren im Falle einer Einreiseüber einen sogenannten sicheren Drittstaat oder einsicheres Herkunftsland eingeführt. Seit Oktober 1999 gibtes darüberhinaus einen temporären Schutz aus humanitä-ren Gründen.

Der Asylantrag soll bei der Grenzpolizei oder bei schonerfolgter Einreise bei einer anderen Polizeibehörde gestelltwerden. Es gibt keine Frist innerhalb derer der Asylantraggestellt werden muss. Eine Verzögerung muss aberbegründet werden. Das erste Interview wird innerhalb von48 Stunden nach der Antragstellung durchgeführt. Ist einbeschleunigtes Asylverfahren vorgesehen erfolgt einzweites Interview, das Grundlage für die Entscheidung ist.Dieses Verfahren dauert in der Regel nur 7 Tage. Im Falleeiner Ablehnung beträgt die Frist für eine Klage beimVerwaltungsgericht 10 Tage

Die Klagefrist für das normale Verfahren beträgt 30 Tage.Im Rahmen des regulären Verfahrens erfolgt dieUnterbringung der Flüchtlinge in der zentralen UnterkunftIlluka, die im Juni 2000 eröffnet und von Finnland undSchweden finanziert wurde. Die Unterkunft liegt relativabgelegen im Osten Estlands. Sie kann zur Zeit 31Flüchtlinge aufnehmen, soll aber perspektivisch Platz für100 Personen bieten.

Bis Juni 2000 haben 47 Menschen Asyl beantragt. Nur 3wurden anerkannt. 8 wurden abgelehnt. 20 Fälle sind nochnicht entschieden, die übrigen haben sich erledigt, weil derAntrag nicht weiterbetrieben wurde u. U. weil diebetreffenden Flüchtlinge versuchten, in ein andereseuropäisches Land weiterzuwandern.

Der geringen Zahl von AsylbewerberInnen stehen 12Abschiebungen und nach Berichten des InternationalenHelsinki-Komitees 1309 Aufforderungen zur freiwilligenAusreise von sogenannten “Illegalen” gegenüber. Hierhandelt es sich nur zu einem Bruchteil um Flüchtlinge,sondern vielmehr um Angehörige des russischenBevölkerungsteils, die im Rahmen der Einbürgerungsge-setzgebung nach der Unabhängigkeit Estlands ihrenAufenthaltsstatus verloren haben.

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geklärt, wie sie Kontakt aufnehmenkönnen, noch wer die Rechtshilfebezahlt. In den meisten Fällen läuftder Kontakt über den UNHCR.

Die Herkunftsländer waren 1998vor allem Afghanistan, Pakistanund Algerien, neuerdings auchGeorgien, Armenien, Russland,Ukraine. Lehte Roots vertritt dieAnsicht,dassdiemeisten inEstlandsozusagen aufgehalten werden aufihrem Weg nach Skandinavien.Finnland ist auf dem Seeweg nur80 km von Tallinn entfernt.

Der Beitritt zur EU wird ihrerMeinung nach Estland als Transit-land interessanter machen abernicht als Zielland.

Die Zukunft des FlüchtlingsratesEstland ist wegen der fehlendenFörderung ungewiss. Aufgrund dergeringen Flüchtlingszahlen wirddieser Arbeit nicht so viel Bedeu-tungbeigemessen.ZurZeitwirdderFlüchtlingsrat noch vom UNHCRunterstützt, der aber keine langfri-stige Förderung sondern nurStarthilfe leisten kann. Ein weitererPartner ist das Estnische Institut fürMenschenrechte (EIHR) das imgleichen Gebäude untergebrachtist.

Asyl und Illegalisiertein Estland –Besuch beim LegalInformation Centre forHuman RightsIm Legal Information Centre emp-fängt uns gleich ein größererMitarbeiterInnenstab: der Leiterdes Zentrums, Alexej Semjonow,seine Stellvertreterin Larissa Sem-jonova, Vadim Potestchuk, der fürdie Internetpräsentation zuständigist, und der Leiter der Rechtshilfe-abteilung Andrei Arjupin, dessenInformationsbroschüre für Asylbe-werberInnen uns schon beimFlüchtlingsrat mitgegeben wurde.Das Zentrum wurde 1994 ausPrivatinitiative gegründet und wirdvon verschiedenen DänischenNGOs unterstützt. Die Mitarbeite-rInnen leisten kostenlose Rechts-hilfe, sammeln Informationen überdie Menschenrechtssituation inEstland, werten sie aus undveröffentlichen sie. Ein besonderesAugenmerk hat die Organisationauf die unterschiedliche Behand-lung der verschiedenen Bevölke-rungsteile seit der UnabhängigkeitEstlands.

So erfahren wir im Gespräch, dassin Estland nach Schätzung desLICHR 30.000 bis 80.000 Men-

schen ohne legalen Status leben.In der Mehrheit handelt es sichdabei um Angehörige der russi-schen Minderheit, die aufgrund derNeuregelungen des Einbürge-rungsrechts ihren Aufenthaltssta-tus verloren haben. Es handelt sichdabei z.B. um Menschen, die miteiner vorübergehenden Aufent-haltserlaubnis in der früherenSowjetrepublik lebten und daherkein Recht hatten, eine unbefristeteAufenthaltserlaubnis im unabhän-gigen Estland zu beantragen oderdie aus verschiedenen Gründenu.a. wegen fehlender Dokumentedie Antragsfrist nicht einhaltenkonnten. Weiterhin handelt es sichum Personen, die während desUmbruchs im Gefängnis waren undaus diesem Grunde keinen Antragstellen konnten. Seit 1997 kommtzu den Illegalisierten auch dieGruppe der Flüchtlinge, derenAsylantrag abgewiesen wurde.

Das Ausländergesetz unterschei-det nicht zwischen den neuzugereisten MigrantInnen und denschon in Estland lebenden Perso-nen, die ihren legalen Auftenhalts-status verloren haben. Beide Grup-pen gelten als AusländerInnen undals illegal. Sie erwartet die Abschie-bung. Seit 1999 gibt es ein Gesetz,dasdasAbschiebeverfahrenregelt.Demnach sollen Personen, die z.B.wegen ungeklärter Identität oderfehlender Dokumente nicht abge-schoben werden können, in einemAbschiebelageruntergebrachtwer-den. Da es entsprechende Einrich-tungen in Estland noch nicht gibt,bleiben die Betreffenden im Ge-fängnis gemeinsam mit Straffälli-gen inhaftiert.GrundsätzlichsollderGefängnisaufenthalt nicht längerals 10 Tage und der Aufenthalt imAbschiebelager nicht länger alseinen Monat betragen. Es gibt aberfür die Einbürgerungs- und Migrati-onsbehörde die Möglichkeit, beimVerwaltungsgericht eine Verlänge-rung der Haft zu beantragen. Fürdie Verlängerung gibt es keineZeitbegrenzung mehr. Nach Aus-sage von Andrei Arjupin kann dieHaftzeit aufdiesem Wege ineinigenFällen unendlich lange dauern,wenn die Betreffenden keine Mög-lichkeit haben, ihren Status zu

Das Gebäude der Europäische Kommission in Tallinn

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legalisieren, aber auch nicht abge-schoben werden können, da sieüber keine Dokumente einesanderen Landes verfügen. Diessind beispielsweise Personen, diein einem Kinderheim in Estlandaufgewachsen sind und keineFamilienangehörigen haben oderdie keinen Wohnsitz nachweisenkönnen, wie es bei entlassenenStrafgefangenen der Fall ist.

Es gibt einen Abschiebetrakt imStadtgefängnisvonTallinnundeineFrauenabteilung in Haklu. DieLebensbedingungen in den Ge-fängnissen sind sehr schlecht. DieErnährung und Versorgung mitHygieneartikeln ist unzureichend.Theoretisch haben die Inhaftiertendie Möglichkeit, gegen den Ab-schiebebeschluss Klage zu erhe-ben bzw. aus dem Gefängnisheraus unter Vorlage entsprechen-der Nachweise eine Aufenthaltser-laubnis zu beantragen. Es mangeltjedoch an der nötigen Rechtshilfe,da die von den Behörden gestelltenAnwältInnen wenig Kenntnissedieser speziellen Problematik ha-ben. Für AnwältInnen von außen istder Zugang nicht gewährleistet. Soberichtet unser Gesprächspartner,dass er bis vor kurzem Zugang zumGefängnis hatteundmehrereLeutebeiderBeantragungvonKlagenetcunterstützen konnte. Bei seinemletzten Besuch sei ihm jedoch derZutritt ohne Angaben von Gründenverwehrt worden. Er führt dieseRestriktion auf die Tatsache zu-rück, dass er Berichte über dieSituation von Illegalisierten imAusland veröffentlich hat.

Im Juni dieses Jahres hat dasParlament Gesetzesänderungenbezüglich der „Verpflichtung dasLand zu verlassen und des Verbotsder Einreise“ verabschiedet, diesowohl die Abschieberegelungenals auch das Ausländergesetzbetreffen. Diese Änderungen bein-halten das Angebot, den Aufent-haltsstatus zu legalisieren inner-halb einer Frist von 90 Tagen.Bedingung ist allerdings die Zah-lung einer Gebühr von bis zu 10000Estnischen Kronen (ca. 1200 DM),was für die Betreffenden geradewegen ihrer Situation kaum zu

leisten ist. Darüberhinaus ist dieFrist von 90 Tagen unrealistisch, dabisher die Bearbeitungszeit fürAufenthaltserlaubnisanträge bis zueinem Jahr beträgt.

DaherkanndiesesGesetznureinerganz kleinen Gruppe zu Gutekommen. Für die anderen werdengleichzeitig die Rahmenbedingun-gen des Abschiebeverfahrens ver-schärft. Abschiebeverfügungenkönnen nunmehr von einem/ einerMitarbeiterIn der Migrantionsbe-hörde erlassen werden und solleninnerhalb von 48 Stunden von derGrenzpolizei durchgeführt werden.Darüber hinaus haben Klagengegen die Abschiebeverfügungkeine aufschiebende Wirkung.

Die MitarbeiterInnen des LICHRinterpretieren diese restriktivenMaßnahmen als Versuch, die Zahlder russischen Bevölkerung zureduzieren. Nach Auskunft vonLarissa Semjonowa ergibt eineAnalyse der offiziellen Bevölke-rungsstatistiken, dass zwischendem letzten Zensus und demaktuellen eine Differenz von 60.000Personen festzustellen ist. DerAnteil der Estnischen Bevölkerungbeträgt nach offiziellen Angaben69%, der Anteil der russischenBevölkerung wurde seit der Unab-hängigkeit zumindest zahlenmäßig

auf ein Fünftel reduziert. Viele dernicht mehr Gezählten leben nachwie vor im Land, aber eben ohnelegalen Status.

Andrei Arjupin weist darauf hin,dass die große Zahl der Illegalisier-ten u.a. auch ein Effekt desAusbaus der Festung Europas ist,da den Behörden in diesem KontextzahlreicheMittelzurSchließungderGrenzen und zum restriktivenUmgang mit Menschen ohneAufenthaltstitel an die Hand gege-ben werden. Dabei wird keineRücksicht auf die besonderenVerhältnisse bezüglich der Bevöl-kerungsstruktur und der Nationali-tätenfrage in Folge der Umbruchsi-tuation genommen, in der sich diebaltischen Staaten noch immerbefinden. Für die Delegationsteil-nehmerInnen wurde in diesemGespräch noch einmal deutlich,dass die Fragestellungen hinsicht-lich einer Migrationspolitik insbe-sondere in Lettland und Estlandganz anders gelagert sind als inWesteuropa. Die Problematik desAsylrechts tritt hier hinter denFragen der Staatsangehörigkeitund der Frage des Status vonMinderheiten zurück. Aber auchletztere werden von der Migrati-onspolitik der EU beeinflusst.

... und eine Graffiti gegenüber: „Where is Estonia“

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Fluchtweg OstseeSchengen goes EastSchengen goes East und damitauch die Flüchtlinge. Dies ist eineindeutiges Ergebnis dessen, wasdie Delegation auf der Reiseerfahren hat. In allen vier Ländern,die wir besuchten, wurde deutlich,das die Angleichung der Asylsyste-me an „EU-Standards“ weit fortge-schritten ist.Dieshatzumeinendenpositiven Effekt, dass es überhauptVerfahrensregeln bezüglich derAsylantragstellung gibt. Es bedeu-tet aber auch die Einführungentsprechender restriktiver Ele-mente wie das beschleunigteAsylverfahren, das Instrument dersicheren Drittstaaten bzw. dersicheren Herkunftsländer etc. Desweiteren führt diese Angleichungdazu,dassdieGrenzennachOstenweiter abgeschottet werden undFlüchtlinge gar nicht erst dieGelegenheit bekommen sich aufentsprechende Asylverfahren zuberufen.

In allen vier Ländern ist zuverzeichnen, dass Flüchtlinge ausAfghanistan oder Pakistan sowieaus afrikanischen Ländern, die bis1999 den Hauptteil der Asylantrag-stellerInnen ausgemacht haben,dort keine Chancen mehr sehen,sondern neue Wege suchen müs-sen, um Schutz vor Verfolgung undNot zu finden. Die Fluchtrouteverlagert sich nach Auskunft unse-rer GesprächspartnerInnen weiterRichtung Tschechien, aber es istnur eine Frage der Zeit bis auchdieser Weg verschlossen ist. Sowerden die EU-Beitrittskandidatendurchdie fürdenBeitritt notwendigeÜbernahme der Schengen-Verein-barungen zu Vorposten der euro-päischen Migrationspolitik imOsten.

Ein Instrument für die Angleichungder Asylregelungen und die Vorbe-reitung der Grenzpolizeien auf ihrezukünftigen Aufgaben ist dasPhare-Horizontal-Programm, dasdie EU-Kommission zum Zweckeder Fortbildung aufgelegt hat und

das uns in unseren Gesprächen vorallem mit VertreterInnen der Behör-den immerwiederbegegnete. Auchdieses Programm hat den Dop-pelcharakter, durch die Mitwirkungu.a des UNHCR einerseitsSchutzlücken zu schließen, ande-rerseits das System des Grenzre-gimes auf die baltischen Staaten zuübertragen. Besonderheiten, wiedie Frage der Bevölkerungstrukturder ehemaligen Sowjetrepublikenund damit verbundener aufent-haltsrechtlicher Probleme für einennicht unerheblichen Teil der Bevöl-kerung, werden dabei wenig be-rücksichtigt. Ebenso wenig wie diegewachsenen Strukturen persönli-cher und wirtschaftlicher Natur anden zukünftigen EU-Außengren-zen.

Auch für die Kooperation der in dersolidarischenFlüchtlingshilfeenga-gierten Gruppen und Einrichtungenin der Ostseeregion ist es notwen-digdiesebesonderenBedingungenzu bedenken und den Fokus nichtnur auf das Asylrecht zu richten,sondern auch Minderheitenfragenoder die Problematik von Frauen-handel mit einzubeziehen.

Von Boat-Peoplekeine Spur?

InPolenunddenbaltischenStaatengibt es wie in Deutschland nichtviele über die See einreisendeFlüchtlinge. Doch es werden mehrund sie bleiben häufig unbemerkt.Sowohl in Lettland als auch inLitauen berichteten uns die Mitar-beiterInnen des UNHCR von Blin-den Passagieren, die im Hafen vonRiga und in Klaipeda entdecktwurden, aber die keineGelegenheitbekamen an Land zu gehen undeinen Asylantrag zu stellen. In Rigagelang es dem UNHCR mit denFlüchtlingen zu sprechen. Eineweitere Unterstützung war nichtmöglich, da das Schiff mit denFlüchtlingen weiterfuhr ohne dassdiese Behörden kontaktieren konn-

ten. Der UNHCR ist über dasweitere Schicksal dieser Menschennicht informiert. Es ist nichtunwahrscheinlich, dass sie keinsder angelaufenen Länder betretenkonnten und wieder die Rückkehrins Ausgangsland antreten muss-ten. InsolchenbeispielhaftenFällenwäre eine Kooperation hilfreich,indem in der Flüchtlingsarbeit tätigeOrganisationen in den Zielhäfendirekt kontaktiert und informiertwerden können, so dass sie schonbei Ankunft des Schiffes vorbereitetsind.

Alle unsere GesprächspartnerIn-nen gingen davon aus, dass nachdem EU-Beitritt die Zahl vonFlüchtlingen in Polen und denbaltischen Staaten steigen wird,auch weil ein Transit nach Skandi-navien oder Deutschland durch dieDubliner Übereinkunft nicht mög-lich sein wird. Nichtsdestotrotzwerden Flüchtlinge weiter versu-chen zu Familienangehörigen zugelangen, wenn nötig auf illegalemWeg und auch per Schiff. Selbst derBundesgrenzschutzverzeichnetanden Ostseehäfen in Mecklenburg-Vorpommern Aufgriffe von Perso-nen ohne Papiere vor allem bei derAusreise. Meist handelt es sich umPersonen, die auf dem Weg zuFamilienangehörigen in Skandina-vien sind, häufig nach gescheiter-tem Asylverfahren in Deutschland.

Dieses Phänomen ebenso wie dasFestsitzen von verschiedenen Fa-milienmitgliedern in verschiedenenEU-Ländern wird ein weiteresThema zukünftiger KooperationenvonOrganisationenderFlüchtlings-hilfe sein.

FLUCHTWEG OSTSEE

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Deutschland

FlüchtlingsratSchleswig-HolsteinOldenburger Str. 2524143 KielFax 0431-736 077www.frsh.deOstseeprojekt:www.baltic-refugee.nete-mail: [email protected]

FlüchtlingsratMecklenburg-VorpommernKörnerstr. 1719055 SchwerinFax 0385-58 15 791

Landesflüchtlingsbeauftragter Schleswig-HolsteinKarolinenweg 124105 KielFax: 0431-988 12 93

ForschungsgesellschaftFlucht und Migration e.V.Gneisenaustr. 2 a10961 BerlinFax 030-69 50 86 42/43www.ffm-berlin.de

Estland

Estonian Refugee CouncilEndla 310122 Tallinn/EstoniaFax 372-63 07 383www.estref.org

LICHR EstlandLegal Information Centrefor Human RightsNunne Str. 210133 Tallinn/EstoniaFax 372-64 64 272www.lichr.ee

Lettland

Latvian Gender Centre91/93, A.Caka Str., of. 9/101011 Riga/LatviaFax 0371-7 315 899

Latvian Foreigners Associati-onSkolas street 1/Room N.41010 Riga/LatviaFax 0371-733 66 53

Red Cross RigaSkolas 11010 riga/LatviaFax 0371-7 310 902awww.redcross.lv

UNHCR RigaPils iela 211167 Riga/LatviaFax 00371-750 36 02

Litauen

Lithuania Red CrossGedimino eve.3 aVilnius/LithuaniaFax 00370-2 61 99 23www.redcross.lt

UNHCR Litauenc/o Ministry of Foreign AffairsP.O.Box 622000 Vilnius/LithuaniaFax 00370-2 22 42 74www.undp.lt

Save the ChildrenGelbekit vaihusTotorin 152001 Vilnius/LithuaniaFax 00370-2 61 08 37

Polen

Helsinki Foundation for Hu-man Rights18 Bracka St., apt. 6200-028 Warszawa/PolenFax 0048-22 828 10 08www.hfhrpol.waw.pl

Klinika PrawaStudencki Osrodek pomocyPrawnejUniwersytet WarszawskiKrakowskie Przedmiescie26/2800-927 Warszawa/PolenFax 0048-22 826 92 94

Polska Akcja HumanitarnaSzpitalna 5/2 st.00-031 Warszawa/PolenFax 0048-22 831 99 38wwww.pah.ngo.pl

UNHCRAl. Roz 200-556 Warszawa/PolenFax 0048-22 625 61 24

ADRESSEN

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