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® Die Übergossene Alm www.hochkoenig.at Im Hintergrunde des lmlau- und Hölltales erblickt man eine mit ewigem Schnee bedeckte Hochflä- che von ein und drei Viertelstun- den Länge und drei Viertelstunden Breite; Sie bildet die Scheidewand zwischen Werfen und der Pinzgau- er Urslau und wird die „Übergosse- ne Alm“ genannt. Vor Zeiten stan- den hier inmitten freundlichem Waldesgrün, umgeben von saftige Wiesen, freundliche Sennhütten, in welchen gar schöne und reiche „Dirndln“ als Sennerinnen hausten. Wiewohl von ihren Eltern in Got- tesfurcht erzogen, arteten sie hier oben, wo sie sich so ganz allein über- lassen waren, aus und verfielen in Sünden aller Art. Sie verübten bald mancherlei Frevel und führten ein wahres Leben der Schande. Den Kühen hingen sie silber- ne Glocken um den Hals, den Stieren vergoldeten sie die Hörner, ließen den Wein fäs- serweise aus Salzburg brin- gen und bewirteten damit lustige Jägerburschen, mit welchen sie den ganzen Tag über tanzten und sangen. Das Beten hatten sie längst vergessen, dagegen taten sie alles, was sündhaft war: Pflasterten den Weg zu ih- ren Hütten mit Käslaiben, füllten die Lücken mit Butter aus, damit der Teufel mit seinen Brüdern et- was zu fressen hätte, wenn sie des Nachts kämen; ein andermal bade- ten sie sich in Milch oder formten aus Butter Kugeln, mit welchen sie sich scherzend bewarfen, mit ei- nem Worte, sie würdigten die Got- tesgaben auf jede mögliche Weise herab. Da kam eines Tages ein Wande- rer auf die Alpe, der vor Müdigkeit und Erschlaffung kaum noch soviel Kraft hatte, sich bis zur nächsten Al- phütte zu schleppen und daselbst um Nachtherberge zu flehen. Statt nun des alten Mannes Bitte zu er- füllen, wiesen sie den Armen mit den Worten ab: „Der Teufel mag dir Herberge geben, wir bedürfen kei- nes so ungebetenen Gastes!“ Noch- mals wiederholte jener sein Flehen, doch vergeblich. Jetzt war das Maß der Sünde voll, und den Frevlerinnen hatte das letzte Stündlein geschlagen. Kaum hatte sich der Wanderer entfernt, da wälzte sich‘s von den Teufels- hörnern her in dunklem, unheimli- chem Gewoge, und ein furchtbarer Sturm erhob sich, dass den Sünde- rinnen Angst und Bange wurde. Ihre Lippen versuchten zu beten, aber umsonst: Gottes Strafgericht brach herein. Große Schneemassen stürzten vom Himmel und begruben die Frevle- rinnen samt ihren Hütten für ewi- ge Zeiten. Unser wanderbares Sagendorf Dienten

Sagendorf Dienten

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Mit einem einzigartigen Einblick in die Welt der Sagen kann man nun auf den Wanderwegen in Dienten und Umgebung die geheimnisvollen Erzählungen aus früheren Zeiten erkunden. Für die 12 verschiedenen Sagen gibt es jeweils einen individuellen Sagen-Wanderweg. Mit großen Schautafeln werden die Geschehnisse erstmals auch mit Bildern und den dazugehörigen Texten vorgestellt. So kann sich der Betrachter nun auch eine Vorstellung machen, wie es sich damals zugetragen haben könnte

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Page 1: Sagendorf Dienten

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Die Übergossene Alm

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Im Hintergrunde des lmlau- und

Hölltales erblickt man eine mit

ewigem Schnee bedeckte Hochfl ä-

che von ein und drei Viertelstun-

den Länge und drei Viertelstunden

Breite; Sie bildet die Scheidewand

zwischen Werfen und der Pinzgau-

er Urslau und wird die „Übergosse-

ne Alm“ genannt. Vor Zeiten stan-

den hier inmitten freundlichem

Waldesgrün, umgeben von saftige

Wiesen, freundliche Sennhütten,

in welchen gar schöne und reiche

„Dirndln“ als Sennerinnen hausten.

Wiewohl von ihren Eltern in Got-

tesfurcht erzogen, arteten sie hier

oben, wo sie sich so ganz allein über-

lassen waren, aus und verfi elen in

Sünden aller Art. Sie verübten bald

mancherlei Frevel und führten ein

wahres Leben der Schande.

Den Kühen hingen sie silber-

ne Glocken um den Hals, den

Stieren vergoldeten sie die

Hörner, ließen den Wein fäs-

serweise aus Salzburg brin-

gen und bewirteten damit

lustige Jägerburschen, mit

welchen sie den ganzen Tag

über tanzten und sangen.

Das Beten hatten sie längst

vergessen, dagegen taten

sie alles, was sündhaft war:

Pfl asterten den Weg zu ih-

ren Hütten mit Käslaiben, füllten

die Lücken mit Butter aus, damit

der Teufel mit seinen Brüdern et-

was zu fressen hätte, wenn sie des

Nachts kämen; ein andermal bade-

ten sie sich in Milch oder formten

aus Butter Kugeln, mit welchen sie

sich scherzend bewarfen, mit ei-

nem Worte, sie würdigten die Got-

tesgaben auf jede mögliche Weise

herab.Da kam eines Tages ein Wande-

rer auf die Alpe, der vor Müdigkeit

und Erschlaffung kaum noch soviel

Kraft hatte, sich bis zur nächsten Al-

phütte zu schleppen und daselbst

um Nachtherberge zu fl ehen. Statt

nun des alten Mannes Bitte zu er-

füllen, wiesen sie den Armen mit

den Worten ab: „Der Teufel mag dir

Herberge geben, wir bedürfen kei-

nes so ungebetenen Gastes!“ Noch-

mals wiederholte jener sein Flehen,

doch vergeblich.Jetzt war das Maß der Sünde voll,

und den Frevlerinnen hatte das

letzte Stündlein geschlagen. Kaum

hatte sich der Wanderer entfernt,

da wälzte sich‘s von den Teufels-

hörnern her in dunklem, unheimli-

chem Gewoge, und ein furchtbarer

Sturm erhob sich, dass den Sünde-

rinnen Angst und Bange wurde. Ihre

Lippen versuchten zu beten, aber

umsonst: Gottes Strafgericht brach herein.

Große Schneemassen stürzten vom

Himmel und begruben die Frevle-

rinnen samt ihren Hütten für ewi-

ge Zeiten.

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Dienten

Die Übergossene AlmDie Übergossene Alm mancherlei Frevel und führten ein

ren Hütten mit Käslaiben, füllten

Page 2: Sagendorf Dienten

Das Geisterross aus Dienten

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Einst stiegen etliche

junge Leute aus Dienten

des Nachts zur Somme-

reralm auf. Schon waren

sie hoch oben bei der so

genannten Blauen Plaike

angekommen, da schlug

unten im Dorfe die Mit-

ternachtsstunde.

Sie blieben stehen und

blickten ins Tal hinunter.

In diesem Augenblick ge-

wahrten sie, wie in der

Tiefe, unten vom Friedhof

aus, ein Licht bergwärts

zu wandern begann und

mit großer Geschwindig-

keit denselben Weg ein-

schlug, den sie eben auf-

gestiegen waren.

„Es kommt uns noch ei-

ner unserer Kameraden

nach „, meinten die jun-

gen Leute und stiegen

weiter hinauf gegen den

Krinnsattel.

Plötzlich sahen sie das

Licht wieder, es war nun

schon ganz nahe gekom-

men; es leuchtete mit

gespenstisch bläulichem

Glanz, und im Wald unter

ihnen wurde ein Poltern

und Stampfen hörbar.

Je schneller sie gingen,

um so rascher kamen

auch das Licht und das

Geräusch nach. Und auf

einmal war es heran! Zu

ihrem Entsetzen gewahr-

ten sie ein starkes Ross

daherspringen, dem je-

doch der Kopf fehlte.

Die Gesellschaft fuhr

auseinander, jeder such-

te sein Heil in der Flucht.

Das geheimnisvolle Ross

aber fuhr mit schreckli-

chem Gewieher zu Boden

und war verschwunden.

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Page 3: Sagendorf Dienten

Die Frau auf der Filz

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Am Übergang von Hinterthal

nach Dienten, auf der so ge-

nannten Filz, stand einst ein

einsames Haus, in dem ganz

allein und verlassen eine alte

Frau lebte. Als sie starb, blieb

der Bau leer, und im Laufe der

Jahre verfi el er. An einem stür-

mischen Winterabend wan-

derte einst ein Jäger über die

Filz. Es begann heftig zu stö-

bern, und so war er froh, als er

die Ruine in der Dämmerung

vor sich auftauchen sah.

Er trat ein, suchte die Küche

auf, die noch halbwegs erhal-

ten war, machte im Herd ein

Feuer an und hing den Mantel

und die Schuhe zum Trocknen

auf. Plötzlich trat eine Frau in

den Raum. Der Jäger erkann-

te zu seinem Entsetzen, dass

es die längst verstorbene Be-

sitzerin war. Sie machte sich

mit dem Geschirr zu schaffen

und fi ng schließlich zu kochen

an. Der Jäger wagte vor Angst

kaum zu atmen, doch die Alte

wandte sich zu ihm und sagte:

„Magst ein Mus?“ Der Jäger

war so hungrig, dass er seine

Furcht vergaß und bat, mites-

sen zu dürfen.Das Mus duftete gar köst-

lich, und er setzte sich an den

Tisch, um das leckere Gericht

zu verspeisen. Da bemerkte

er, dass das Mus auf einer Sei-

te ganz schwarz geraten war,

während es auf der anderen

köstlich goldgelb aussah. Wo

sollte er zu essen anfangen?

Doch weil er ein bescheidener

Mann war, löffelte er zuerst

den verbrannten Teil hinun-

ter und verspeiste zuletzt den

goldgelben Rest. Die geheimnisvolle Frau sah

ihm unterdessen schweigend

zu, doch als er geendet hat-

te, ging ein verklärtes Lächeln

über ihr Gesicht und sie sprach:

„Wenn du es umgekehrt ge-

macht oder gar das Verbrannte

stehen gelassen hättest, wäre

es um dein Leben geschehen

gewesen, und ich hätte dir den

Hals umgedreht. Nun aber bin

ich erlöst.“ Nachdem sie diese

Worte ausgesprochen hatte,

stand sie auf, schritt hinaus in

die fi nstere, stürmische Nacht

und wurde seither nicht wie-

der gesehen. Der Jäger aber

verließ eiligst das Haus und

war froh, heil von dieser Stät-

te des unheimlichen Gesche-

hens wegzukommen.

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Page 4: Sagendorf Dienten

Geister auf Puregg

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Einst wollte der

Hirscheggbauer im Winter

von Dienten nach Maria

Alm wallfahren gehen. Auf

dem Wege zu dem Wald-

sattel, der in das Urslautal

hinüberführt, musste er

beim Puregglehen vorü-

ber.Dieses Haus war lange

Jahrhunderte der höchst-

gelegene Bauernhof des

Landes Salzburg, stand

aber zur damaligen Zeit

schon leer und diente nur

mehr als Sommerstall.

Plötzlich hörte der Bau-

er hinter sich ein Schlei-

fen und Rauschen und das

Knirschen von „Tatzen“

im Schnee. Erschrocken

konnte er eben noch zur

Seite springen, da sauste

auch schon mit höchster

Geschwindigkeit ein Holz-

schlitten an ihm vorüber,

so hoch und schwer bela-

den, dass den Bauer das

Grausen überkam.

Noch ein greller Juchzer,

tief unten vom Graben her,

dass es dem Hirschegger

kalt über den Rücken lief,

und das Ganze war ver-

schwunden. Als der Bau-

er hierauf am Pureggle-

hen vorüberkam, sah er im

Stall ein großes, helleuch-

tendes Feuer brennen.

Doch er getraute sich

nicht, Nachschau zu hal-

ten. So schnell ihn seine

Beine trugen, lief er weiter.

Als der Hirschegger aber

Stunden darauf von Maria

Alm her wieder des Weges

kam, fasste er sich ein Herz

und öffnete die Stalltür.

Doch wie groß war sein

Erstaunen, als er nirgends

ein niedergebranntes Feu-

er oder auch nur Asche ent-

decken konnte. Ringsum

im Walde war aber auch

kein Schlittengeleise zu

sehen, obwohl es die gan-

ze Zeit her nicht geschneit

hatte.

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Page 5: Sagendorf Dienten

Der goldene Wagen

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Vom Bürglloch unterhalb

der Alm wusste einstmals

der „Alte Mann“ zu erzäh-

len:Hier tief im Berg, wo der

uralte Stollen in die Tiefe

geht, liegen viele goldene

Schätze. Von Zeit zu Zeit

wird an hellen Vollmond-

nächten ein goldener Wa-

gen von Berggeistern bis

zum Grabeneingang ge-

zogen. Wer von den Men-

schenkindern diesen be-

gehrenswerten Schatz

ergreifen kann, wird sein

ganzes Leben reich und

glücklich sein.Zwei arme Hirtenbuben

aus Dienten hatten zum

ersten Mal das Glück, den

Wagen hellem goldenen

Glanz zu sehen. Der eine

Hirtenbub sagte zum an-

deren:

“Wenn es Gotteswille

ist, bekommen wir diesen

Schatz““Egal ob es Gotteswille

ist aber nicht“, sagte der

zweite.“Der goldene Wagen ge-

hört schon uns!“ In diesem Moment sank

unter ohrenbetäubendem

Poltern der Schatz in die

Tiefe und ist für immer

verschwunden.

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Page 6: Sagendorf Dienten

Der Kesselgeist

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Es war im Jahre 1882. Der Oberdacheben-

Bauernsohn Jakob Laubbichler war damals

noch ein kleiner Schulbub und musste

eine gute Wegstunde und oft länger von

der Schule nach Hause stapfen, wenn wie-

der Schnee auf der Straße lag. An diesem

Tag lag schon fast knietief Schnee, und

das kleine Büblein geriet im Kesselgraben

in die Dunkelheit. Als er zur Kesselbrücke

kam, sah das Büblein gegenüber am eisi-

gen, steilen Geschröff eine schwarze Kuh

stehen. Verwundert betrachtete der Bub

das Tier und ihre Keckheit und zog wieder

gedankenlos seines Weges. Beim Abend-

essen erzählte der „Jaggl“, was er auf dem

Schulweg gesehen hatte. Gruselnd hörte

das Gesinde zu. Jeder wusste, dass es mit

dieser Kuh Geisterhaftes auf sich hatte.

Am nächsten Tag suchte Jaggls Vater nach

der Spur, aber es war keine vorhanden.

Der alte Oberdachebenbauer, der Vater

vom Jaggl, erzählte, als er noch ein Bursche

von 16 Jahren war, dass er an einem Sonn-

tag, als er vom Gottesdienst nach Hause

ging, auf der Kesselbrücke einen Kronen-

wurm sah. Er wollte den Wurm erschlagen,

um die Krone zu erbeuten, aber es gelang

ihm nicht, der Wurm war verschwunden.

Eine uralte Sage erzählt, wer vom Kronen-

wurm die Krone erbeutet, der fi ndet auch

den Kessel mit dem goldenen Schatz, der

im Kesselgraben vergraben sein solle.

Später, so um das Jahr 1890, sah man in der

nahen Umgebung des Kesselgrabens und

im Dachebenmoos von Zeit zu Zeit kleine

und haushohe Feuerfl ammen aufl odern,

in den Kesselgraben hinabwandern und

wieder verschwinden. Meine Mutter, die

Oberdacheben-Ziehtochter war, war so-

gar Zeugin eines solchen Geschehens:

Es war Winterszeit. Das Mädchen muss-

te früh aus dem Bett, um den Dienstbo-

ten bei der Arbeit zu helfen. Auf einmal

warf es in die Küche einen hellen Schein.

Neugierig sprang sie zum Fenster, und da

sah sie oberhalb des Kesselgrabens eine

baumhohe Feuerfl amme, die langsam hi-

nunterwanderte zum Kesselgraben und

dort wieder verschwand.

In der Adventzeit sahen die Leute, als sie

mit dem Fraubild vom Niggenhäusl zum

Hirschegg hinaufstiegen, beim so genann-

ten „Schloapfstadl“ ein helles, großes Feu-

er brennen. Gleich waren ein paar Männer

bereit, Nachschau zu halten. Als sie zum

Stadl kamen, war keine Spur von einem

Feuer vorhanden.

Im Laufe der Zeit ließen diese Lichter-

scheinungen nach, und heute hört man

ganz selten davon erzählen, was früher ein

geisterhaftes Erlebnis der Dientner war.

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Dienten

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Page 7: Sagendorf Dienten

seine Raubgesellen

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Vom Salzachtal bei Lend zieht eine

wilde Schlucht gegen Norden, Hoch-

wässer, Muren und Lawinenstürze be-

drohen häufi g das schmale Bergsträß-

lein. Etliche Kilometer talein weitet

sich die Klamm dann allmählich; erns-

te, dunkle Wälder steigen zu fernen

Almböden, und darüber hebt sich mit

Türmen, Graten und himmelhohen

Wänden die „Übergossene Alm“, der

Hochkönig. Angesichts seiner Südab-

stürze liegt die Bergbauerngemeinde

Dienten.Dieses weltentlegene Dörfl ein und

seine Umgebung waren einstmals der

Aufenthalt des Fuchs Christa und sei-

ner Raubgesellen. Es war zu Anfang

des 18. Jahrhunderts, als im Fuchshof

in der Deant‘n zwei Brüder aufwuch-

sen; der ältere hatte in der Taufe den

Namen Christian erhalten, der jünge-

re wurde Kaspar geheißen. Schon in

jungen Jahren vollführten sie so arge

Streiche, dass sie talauf talab nur „die

wilden Fuchsbuben“ genannt wurden.

Die Schule war ihnen unbekannt, da-

für brachten sie ihre Zeit um so lieber

in der Einöde zu. Kein Stück Wild war

vor ihnen sicher, barfuss vollführten

sie in den Wänden des Hochkönigs die

waghalsigsten Klettereien nach den

Gemsen, und als es ihnen schließlich

gar einmal gelang, einem schlafenden

Jäger den Vorderladerstutzen zu steh-

len, kannte ihre Verwegenheit bald

keine Grenzen mehr. Fortan kehrten

sie nicht mehr in ihr Heimathaus zu-

rück, sondern lebten vom „Wilden Ja-

gen“, von Raub und Diebstahl.

Dieses wüste Leben gefi el auch an-

deren Männern, und gar bald bilde-

ten ihrer zwölf eine verschworene Ge-

meinschaft, deren Führung der Fuchs

Christa übernahm.

Nicht lange dauerte es, und der ganze

Unterpinzgau zitterte vor den verwe-

genen Räubern. Unzählbares Wild er-

beuteten die Gesellen, und im Blühn-

bachtal sollen viele pfl ichtgetreue

Jäger von ihnen ermordet worden sein.

Obwohl auf die Ergreifung des Fuchs

Christa eine hohe Belohnung ausge-

setzt war, wagte es niemand, den Preis

zu verdienen. Dies ging sogar soweit, dass der An-

führer der Räuber eines Tages bei hell-

lichtem Sonnenschein nahe dem Dorf,

beim so genannten „Schwefelhäusl“,

in aller Gemütsruhe am Straßenrand

saß und sein Gewehr putzte. Einem

Kind sagte er höhnisch, es soll nur ins

Dorf laufen und verkünden, wen es ge-

sehen habe. Doch als der Knabe laut

schreiend nach Deant‘n gelaufen kam,

da fand sich kein Mensch, der sich zum

Schwefelhäusl hinausgetraut hätte.

Einmal trug der Fuchs Christa ei-

nem ahnungslosen Händler die Kra-

xe von Lend nach Deant‘n, da sich die-

ser nicht allein ins Tal getraute, weil er

den „Fuchs Christus“, wie er einfältig

sagte, so fürchte. In einem Gasthaus

nahe dem Dorf kehrten sie schließlich

des Nachts zu, und als Christa von dem

Händler Abschied nahm, zeigte er ihm

den Armstummel mit der Lederhülle.

Der Händler fi el vor Schrecken fast

vom Stuhl, doch Christa sagte lachend:

„Brauchst dich nit zu fürchten, ich

nehm dir nichts, und sag den Leuten,

dass der, Fuchs Christa auch gut sein

kann!“ So trieb es die Bande viele Jah-

re, bis sie schließlich ein grausiges Ge-

schick ereilte. An einem trüben Spät-

herbsttag. waren die zwölf Gesellen ohne ihren

Hauptmann nach Blühnbach unter-

wegs, um dort Gämsen zu wildern. Wo

der Weg von der Torscharte ins Blühn-

bachtal abwärts führt, kam auf ihrem

Abstieg eine Lawine ins Rollen, und

alle zwölf wurden in die Tiefe gerissen.

Nur einer von ihnen konnte sich aus

den Schneemassen befreien. Obwohl

ihm ein Bein zweimal gebrochen war,

arbeitete er sich wieder zur Scharte

empor. Doch dann verließ ihn die Kraft.

Unter einem Felsvorsprung sitzend,

wurde er, ein Stück Brot in der Hand,

tot aufgefunden. So war der Räuber-

hauptmann Christa um seine Gesellen

gekommen. Er gab nun sein Handwerk

auf und zog zum Hirscheggbauer als

„Einleger“. Vom Hirscheggut aus besuchte er

fast alle Tage den Gottesdienst, ob-

wohl er früher jahrzehntelang keine

Kirche betreten hatte. Sein Haupt war

nun schneeweiß geworden, doch sei-

ne Riesenkraft hatte ihn nicht verlas-

sen! Einmal, als Christa vom Gottes-

dienst heimging, begegnete ihm im

Kesselgraben, dort wo der Weg zum

Hirscheggut abzweigt, ein Saalfeld-

ner Hagmoarranggler, der weitum be-

kannt war als großer Prahlhans. Die-

ser konnte es nicht unterlassen, dem

alten Fuchs Christa etliche höhnische

Worte zuzurufen. Aber noch hatte der

Hagmoar nicht ausgesprochen, so lag

er schon der Länge nach im Kesselbach!

Im Alter von 70 Jahren soll der Chris-

ta im Hirscheggut in der Tennkammer

einsam und verlassen gestorben sein.

Noch immer erzählt man sich aber

im Tal von ihm und seinen zwölf Ge-

sellen, und es ist sogar ein Lied über

ihn entstanden, von dem freilich nur

mehr eine Strophe erhalten ist:

Iatz ist da Fuchs Christa g‘storbn und

seine Knecht – iatz kunnt i Fuchs Chris-

ta wer‘n, dos wa ma recht!

Fuchs-Christa und

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Dientender Weg von der Torscharte ins Blühn-

®

Page 8: Sagendorf Dienten

Die Sage von der weißen und blauen Frau vom Zachhof

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Ober dem Dorf Dienten, nahe

den Wänden des Hochkönigs,

liegt der Zachhof. Hier lebte vor

vielen hundert Jahren der Ritter

Wolfgang von Zach.

Er hatte zwei Töchter, eine da-

von war blind. Als der Ritter Wolf-

gang Zach verstarb, hinterließ er

den Töchtern einen Schatz, den

sich die beiden teilen sollten. Die

Sehende stellte zu diesem Zweck

zwei Gefäße auf den Tisch, wie

sie zum Messen des Getreides

verwendet werden und die man

Metzen nennt. Abwechselnd ließ sie einmal in

den einen und dann wieder in den

anderen Kornmetzen ein Gold-

stück fallen, und die Blinde horch-

te begierig diesem Klang. Von Zeit

zu Zeit jedoch tastete sie in ihrem

Gefäß nach der Höhe des Gold-

haufens.Aber die sehende Schwester hat-

te eine böse List ersonnen! Sie

stellte den Metzen der Schwes-

ter verkehrt auf, so dass das Gold

bald den niederen Rand des Bo-

dens füllte! Lange Zeit merkte

die Blinde nichts von dem Betrug,

zuletzt aber kam sie doch dahin-

ter. Da hob zwischen den beiden

Schwestern ein wildes Ringen an,

das nicht eher endete, bevor nicht

beide tot zu Boden sanken.

Seit dieser Zeit ist es auf dem

Zachhof nicht mehr geheuer, die

beiden Schwestern gehen dort

als Geister um und bewachen ihre

Schätze. Wer reinen Herzens und

ohne Sünde ist, der kann der Wei-

ßen und der Blauen Frau einmal

im Jahre begegnen.

Er muss in der Christnacht al-

lein im Haus sein, dann steigt ge-

nau um die Mitternachtsstunde

die Blaue Frau vom Keller hinauf

ins Unterdach, und ihre weiße

Schwester wechselt mit ihr und

wandert von oben in den tiefen

Keller. Die beiden zeigen dann

dem, der ihrer ansichtig wird, die

Stelle im Haus, an der ihre Schät-

ze versteckt liegen.

Bis heute ist es noch keinem

Menschen gelungen, alle Bedin-

gungen zu erfüllen; entweder

war er unreinen Herzens, oder er

hatte die rechte Zeit versäumt. So

müssen die Weiße und die Blaue

Frau noch immer unerlöst auf

dem Zachhof umgehen, und ihre

Schätze blieben bis zur Stunde

ungehoben.

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Dienten

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Page 9: Sagendorf Dienten

Sagengestalt Kollmannseggloder

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Kollmannsegg, das

war der bedeutendste

Erzplatz im Dientner

Tale. Hier liegt ein Erz-

stock aus Spatenstein,

wo das meiste Eisen

gewonnen wurde.

Auf der Höhe des Koll-

mannseggs, auf dem

Dientner Erzberge,

stand einst der Koll-

mannseggloder. Das

war eine Holzfi gur mit

eisernem Helm und

einer riesigen Tabak-

pfeife in der Hand.

Nach Beendigung des

Handels wurde er um-

geschnitten und ab-

getragen.

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Dienten

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Page 10: Sagendorf Dienten

So entstanden die Teufelslöcher

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Die Senner und Sennerin-

nen in der Alm unter dem

Hochkönig hatten Tag und

Nacht gesungen, getanzt

und getrunken.Eines Abends erschien auf

der Alm ein alter Mann,

bekleidet mit einem grau-

en Pilgermantel. Er hielt

einen Wanderstock in der

Hand, den Hut tief ins Ge-

sicht gezogen und bat gar

demütig um ein Obdach.

Die Sennerinnen aber lach-

ten ihm ins Gesicht und

schickten ihn fort.

Am nächsten Tag sam-

melte sich eine Wolke um

den Berg - schwarz und

gewaltig. Selbst die ältes-

ten Leute konnten sich

nicht erinnern, derartiges

je gesehen zu haben. Blit-

ze zuckten um den Gip-

fel, und der ganze Pinzgau

bebte unter Donnerschlä-

gen. Über der Alm ergoss

sich eine mächtige Flut

und erstarrte sogleich zu

Eis. Die Teufel aber fuhren

schreiend durch die Löcher

der Felswand.Falls ihr die Geschichte

bezweifelt, schaut hinauf

zum Hochkönig – die Teu-

felslöcher könnt Ihr heute

noch sehen.

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Dienten

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Page 11: Sagendorf Dienten

Die Beilsteinwirtsage

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Vor vielen Jahren erzählte man

von dem „Beilsteinwirtshaus“

(Stöcklwirt) im Dorf Dienten fol-

gende Sage:Im Beilsteinwirtshaus ging es

wieder einmal hoch her. Lusti-

ges Dientner Volk drehte sich in

Begleitung der fl otten Tanzmu-

sik. Gar mancher unter den Berg-

knappen, Bauern, Fuhrleuten und

Holzknechten ließ seine blanken

Geldstücke in der Tasche erklin-

gen. Die immer gefüllte Flasche

geht durch die Runde, und zur

alkoholischen Stimmung gesell-

te sich schön langsam der Über-

mut. Da erschien unter der Tür

ein stolzes, schmuckes Mädchen,

von dem gesprochen würde, dass

sie die schönste Dientnerin sein

solle. Voll Stolz, die Schönster der

Anwesenden zu sein, schritt sie

hochaufgerichtet zu ihren Freun-

den und Freundinnen die Tisch-

reihen entlang, dem Bauerntisch

zu. Hinter im Winkel erhob sich

ein Bäuerlein und sagte:“

Dirndl, möchst mit mir tanzen

gehn, mit dir tanzert i gern, weil

du bist ja so schö?“

Empört gab sie dem Bäuerlein

abweisend zu Antwort:

„Geh hoam in dei Keuschen und

tanz mit die Wanzen, bevor i mit

dir geh, tua i mit‘n Teuf‘l tanzen!“

Über diese frechen Worte ver-

stummte plötzlich der Tumult im

Saal. Beschämt über diesen Fre-

vel verließ das Bäuerlein die lus-

tige Gesellschaft. „Madl, dann

gehst mit mir“, sagte plötzlich ein

strammer Jäger, der von hinten

auftauchte. Voll Stolz bot sie ihm

den Arm zum Tanz. Der Partner

warf ohne zu überlegen den Mu-

sikanten ein blankes Goldstück

hin und mit zauberhaften Ryth-

mus tanzte das Mädchen mit den

Fremden durch den Saal.

Auf einmal hörte man im Saal

einen lauten Schrei, Lichter erlo-

schen und Schwefelgestank er-

füllte den Raum. Grauen befi el die

Gesellschaft, und der eine oder

andere machte ein Kreuzzeichen.

Als wieder Licht war, sah man auf

den Fußboden nur mehr die Spur

des Teufels. Der Jäger mit dem

stolzen Mädchen blieb für immer

verschwunden. Ab dieser Zeit nannte man die-

sen Raum beim Stöcklwirt, in dem

der Teufelstanz stattfand, die Teu-

felskammer.

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Dienten

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Page 12: Sagendorf Dienten

Der verlorene Brotlaib

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An einem schönen Tag des Jahres

1827 war der Rappoldbauer Johann

Glanzhofer mit seinem Fuhrwerk

unterwegs zur Mitterberger Alm,

knapp unter dem heutigen Arthur-

haus. Dabei macht sich unter dem

Rumpeln des Wagens ein Brotlaib

selbstständig, der den Dienstleu-

ten zur Jause bestimmt war, und

kollerte hangbawärts in ein Bach-

bett. Dort war sein Schwiegersohn

Thomas Plenk gerade mit dem

Streumachen beschäftigt. Er ging

dem verlorenen Brot nach, fand es

endlich und dazu etliche Steinbro-

cken mit einem so hellen Schim-

mer, dass die Fundstücke für Gold

hielt und mit einsteckte. Von ei-

ner Benachrichtigung der Obrig-

keit sah man aus verständlichem

Grund vorerst ab und ver-

suchte es mit heimlichen

Schmelzversuchen daheim

im Kirchsteinlehen. Ganz

Geheim blieb die Sache

aber trotzdem nicht, bald

war das Gerücht im Umlauf,

am Kirchsteinlehen paktie-

re man mit dem Leibhafti-

gen, um Gold zu gewinnen.

Nicht lang danach wurde

ein Wünschelrutengän-

ger vorstellig, der sich als

sachverständiger Bera-

ter und in weiterer Folge

als brauchbarer Helfer er-

wies. Er nahm einige Gesteinspro-

ben auf seine nächste Wanderung

durch den Pinzgau und nach Tirol

mit und klopfte schließlich auch

bei der Kanzlei der k.k. Eisenhütte

Pillersee an, wo sich der Oberhut-

mann Josef Zötl (1789-1861) der

Erzproben annahm. Im Mai 1829

besuchte er endlich das Lagerstät-

tengelände und fand dieses so viel

versprechend, dass er die zustän-

dige Bergbehörde in Lend verstän-

digte. Dort winkte man freilich ab:

„ Wir kennen den Mitterberg be-

reits, dort haben die Alten alles

verhaut (abgebaut) und wir haben

überdies noch Kupfer im Vorrat“.

Daraufhin wurde Zötl in Eigenre-

gie tätig. Er gründete eine Gewerk-

schaft, die sich freilich aus kleinen

Kuxen-(Anteils-) Besitzern zusam-

mensetzte, und es begannen ers-

te Vorarbeiten für das Anschla-

gen des Mariahilf-Stollens. Erst als

beim prähistorischen Pingenzug

der spätere Josephi-Stollen ange-

schlagen und die Arbeit dort auf-

genommen wurde, wo sie die Illy-

rer oder Kelten einst niedergelegt

hatten, stellte sich der Erfolg ein.

Von da an sollte das Kupfererz

von Mühlbach am Hochkönig dem

armen, einschichtigen Hochtal auf

100 Jahre Arbeit und Einkommen

sichern. Die Versorgung der Knap-

pen mit Milch, Butter und Fleisch

sicherten wie vor 4000 Jahren

schon die ausgedehnten Grünal-

men unter dem Hochkönig. Für die

Herstellung von Käse waren üb-

rigens schon zu Zeiten der Illyrer

Kupferkessel in Gebrauch.

Der verlorene Brotlaib Grund vorerst ab und ver-

suchte es mit heimlichen

Schmelzversuchen daheim

im Kirchsteinlehen. Ganz

Geheim blieb die Sache

aber trotzdem nicht, bald

war das Gerücht im Umlauf,

am Kirchsteinlehen paktie-

re man mit dem Leibhafti-

gen, um Gold zu gewinnen.

Nicht lang danach wurde

ein Wünschelrutengän-

ger vorstellig, der sich als

sachverständiger Bera-

ter und in weiterer Folge

als brauchbarer Helfer er-

Unser wanderbares Sagendorf

Dienten

®