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SCHRIFTLICHES REFERAT Perspektiven moderner Astrophysik Tobias Buck Sommersemester 2011 Universität Heidelberg Schri"liches Referat: Perspektiven moderner Astrophysik 1

SCHRIFTLICHES REFERAT Referat.pdf · ermöglichen, die gegenseitige Beeinflussung von Sternentstehung und AGN zu entschlüsseln. 4. Mittelschwere Schwarze Löcher Die Beziehungen

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  • SCHRIFTLICHES REFERATPerspektiven moderner Astrophysik

    Tobias BuckSommersemester 2011Universität Heidelberg

    Schri"liches Referat: Perspektiven moderner Astrophysik# 1

  • PERSPEKTIVEN MODERNER ASTROPHYSIK

    GRAVITY, Event Horizon Telescope und European Pulsar Timing Array

    Tobias BuckBSc. Physik

    Sommersemester 2011

    EinleitungDerzeit existieren drei Projekte, die maßgeblich an der Spitzenforschung im Bereich der Ast-ronomie und Astrophysik beteiligt sind: GRAVITY, das „Event Horizon Telescope“ und das „European Pulsar Timing Array“ (EPTA). Diese bieten zum einen neue Beobachtungsmetho-den und Messgenauigkeiten, zum anderen bieten sie erstmals die technische Möglichkeit eini-ge der spektakulärsten Phänomene im Kosmos bildlich darzustellen. Mit ihrem Bestreben die Grenzen des Wissen voranzutreiben, betreten die beteiligten Forscher nicht nur neue Gebiete der Forschung, sondern eröffnen auch ganz neue Bereiche der instrumentellen Beobachtung.

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    Abb. 1: ESO Teleskope auf dem Paranal; Abb. 2: Projektlogo GRAVITY; Abb. 3: Radioteleskop Effelsberg; abb. 4: Projektlogo EPTA; Abb.5: künstlerische Darste%ung von Pulsaren auf gekrümmter Raumzeit

    GRAVITY ist Bestandteil des „Very Large Telescope Interferometers“ (VLTI) und wurde spe-ziell dazu entwickelt, hochrelativistische Bewegungen in optisch dichten und von Staub umge-benen Regionen mittels aktiver Optik im Nah-Infraroten zu beobachten.

    Das „Event Horizon Telescope“ ist ein Instrument zur Beobachtung des Zentrums der Milch-straße, das auf der Basis von „Very Long Baseline Interferometrie“ (VLBI) arbeitet. Ziel dieses Projektes ist es unter anderem, den „Schattens des Schwarzen Loches“ abzubilden. Diese Technik wird auch auf das Supermassive Schwarze Loch in der benachbarten nahen Galaxie M87 anwendbar sein.

    Das „European Pulsar Timing Array“ (EPTA) ist ein multi-nationales Teleskop-Projekt zum direkten Nachweis von Gravitationswellen durch Nutzung von hoch präzisen Messungen der Radiopulse von Millisekundenpulsaren sowie deren durch Gravitationswellen hervorgerufenen

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  • Zeitverzögerungen. Ein weiteres Ziel dieses Projektes ist das Auffinden neuer Pulsar-Kandita-ten für ein Pulsar-Timing-Array.

    GRAVITYGRAVITY ist ein Nah-Infrarot-Instrument, das die Infrastrukturen des ESO Very Large Tele-scope Observatoriums auf dem Paranal / Chile nutzt, um durch Interferometrie und Nutzung adaptiver Optiken hochauflösende Bilder dunkler Objekte zu schießen und Kleinwinkel- Astrometrie zu betreiben.

    Es handelt sich hierbei um ein gemeinsames Projekt von zur Zeit sieben Forschungsinstituten und der ESO. Das Projektmanagement hat das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Phy-sik in Garchingen inne.

    GRAVITY wird durch die eingebauten Infrarotwellenfrontsensoren in der Lage sein, beson-ders dunkle und von Staub bedeckte Objekte im All mit hoher Auflösung zu beobachten. Dies sind vor allem besonders junge stellare Objekte sowie das Galaktische Zentrum der Milchstra-ße. Damit bietet GRAVITY in Zukunft die instrumentellen Vorraussetzungen für die Be-obachtung hochrelativistischer Objekte nahe des Ereignishorizontes des Schwarzen Loches von Sgr A*.

    Im astrometrischen Beobachtungsmodus wird GRAVITY den Astronomen die Möglichkeit bieten, den Winkelabstand zweier Objekte mit einer Genauigkeit von 10 µas bei einem Ge-samtbeobachtungsfeld von 2“ zu messen. Dies bedeutet, dass es den Astronomen möglich sein wird, die Bewegungen der Objekte im nahen Universum zu verfolgen, da eine Bogengeschwin-digkeit von 10 yas/yr in einer Entfernung von 100 pc dann einer Objektgeschwindigkeit von 5 m/s entspricht.

    Die wichtigsten Forschungsbereiche von GRAVITY lassen sich in 5 Hauptpunkten zusam-menfassen:

    1. Stellare Orbits um Sgr A*

    Radio- und Nah-Infrarotmessungen diverser stellarer Objekte und ihrer Bahnen im Zentrum der Milchstraße haben ergeben, dass im Zentrum der Milchstraße ein Schwarzes Loch mit ca. 4 Mio. Sonnenmassen existieren muss und mit der Radioquelle Sgr. A* zusammenfällt. Bis jetzt werden diese Beobachtungen sehr gut durch die Newtonschen Gesetze einer Punktmasse be-schrieben, doch Abweichungen auf Grund der Speziellen Relativitätstheorie werden erwartet. Um diese Abweichungen zu messen, ist es notwendig, hochauflösende Astrometrie und Spekt-roskopie zu betreiben.

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  • 2. Infrarotflares von Sgr A*

    Am 16. Juni 2003 wurden das erste Mal ein Infrarotausbruch von Sgr. A* beobachtet. Seit die-sem Zeitpunkt wurden viele solcher Infrarotausbrüche mit quasi-periodischer Substruktur be-obachtet. Diese deuten auf einen umlaufenden Hotspot um Sgr. A* auf dem „innermost circu-lar Orbit“ hin. Die Bewegung einer heißen Gasblase sollte bei gegebenen Daten von 4 Mio. Sonnenmassen des Schwarzen Loches und einer Entfernung von 8 kPc durch Nah-Infrarotin-terferometrie beobachtbar sein. Somit können die Flares als Testobjekte für die gekrümmte Raumzeit um ein Schwarzes Loch sowie zum Testen der Allgemeinen Relativitätstheorie in der Umgebung sehr großer Massen dienen. Daher stammt der Name GRAVITY.

    3. Active Galactic Nuclei

    Die Standardtheorie aktiver Galaxiekerne besagt, dass AGNs Masse akkretierende Supermassive Schwarze Löcher sind, die von einer Akkretions-scheibe mit Staubtorus umgeben sind. Durch Inf-rarotinterferometrie war es in letzter Zeit möglich, ca. zehn AGNs und deren Staubscheiben aufzulö-sen und abzubilden. GRAVITY wird es möglich sein, diese Objekte mit noch größerer Auflösung abzubilden. Außerdem wird GRAVITY in der Lage sein, via Spektroskopie Sternentstehungsregionen im AGN aufzulösen und so Daten zu liefern, die es ermöglichen, die gegenseitige Beeinflussung von Sternentstehung und AGN zu entschlüsseln.

    4. Mittelschwere Schwarze Löcher

    Die Beziehungen zwischen der Masse der spheroidalen Sternkomponenten einer Galaxis und deren Schwarzes Loch im Zentrum legen nahe, dass in genügend großen Sternhaufen mittel-schwere Schwarze Löcher existieren können. Jedoch ist der Einflussbereich dieser mittel-schweren Schwarzen Löcher kleiner als einige Bogensekunden und daher nur mit den höchsten Auflösungen zu beobachten. Daher wird GRAVITY in einigen Fällen Daten für die Analyse solcher Schwarzer Löcher liefern.

    5. Junge Stellare Objekte

    GRAVITY bietet gute Voraussetzungen, um junge Stellare Objekte zu beobachten. Diese Ob-jekte sind in dichte Staubscheiben eingebettet, die ihrerseits Strukturen aufweisen können, z.B. Spiralstrukturen und Lücken auf Grund von Planetenentstehung. Solche Systeme wurden mit GG Tau und Formalhaut schon beobachtet. GRAVITY wird hier die Beobachtungen mit wesentlich höherem Kontrast und Auflösung möglich machen. Außerdem wird es den For-

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    Abb. 6: Künstlerische Darstellung eines AGN

    Abb. 6

  • schern möglich sein, die Bewegung eines Exoplaneten und eines Sterns um den gemeinsamen Schwerpunkt zu beobachten sowie den inneren Rand der Staubscheibe aufzulösen, der wieder-um Aufschluss über die Planetenentstehungsbedingungen gibt.

    Auch die Entstehung von Jets in solchen jungen stellaren Objekten ist bis jetzt ungeklärt. Mit-tels GRAVITY können die Forscher den Jet sowie dessen Entstehungsgebiet, das ca. 0,5 AU vom Stern entfernt liegt, auflösen.

    Event Horizon TelescopeDas „Event Horizon Telescope“ ist kein Teleskop im eigentlichen Sinne. Es ist ein Instrument, das auf der Basis der „Very Long Baseline Interferometry“ (VLBI) im Millimeterwellenlängen-bereich arbeitet und mehrere Teleskope in Amerika und Europa zum einem „Riesenteleskop“ zusammenschaltet. Bisherige VLBI-Beobachtungen nutzen das Submillimeter Telescope des Arizona Radio Observatory (SMT), das Combined Array for Re-searche in Millimeter-wave Astronomy (CARMA), Teile des James Clerk Maxwell Telescope sowie das Submillimeter Array auf dem Mauna Kea. In naher Zukunft wird es möglich sein, diesen Verband von Teleskopen über folgende Teleskope auszudehnen: das Atacama Submillimeter Telescope Experiment (ASTE) oder das Atacama Pathfinder Experiment (APEX) in Chile; das Large Millimeter Tele-scope (LMT), welches in Mexico gebaut wird; das 30m Teleskop des Institut de Radioastronomie Millimètrique (IRAM) auf dem Pico Veleta in Spanien und das IRAM Plateau de Bure Interfero-meter in Frankreich.

    Das Ziel dieses Unterfangens wird sein, ein Bild des Galaktischen Zentrums zu schießen, auf dem der theoretisch vorhergesagte Schatten des Schwarzen Loches zu sehen sein wird. Aus den Daten des Event Horizon Telescope werden nicht nur Bilder des Schwarzen Loches entstehen, sondern auch viele physikalische Daten, wie z.B. der Spin des Schwarzen Loches, ableitbar sein. Dies wird sogar noch vor der eigentlichen Abbildung des Schwarzen Loches geschehen können. Außerdem werden mit VLBI-Beobachtungen die Ausbrüche um Sgr. A* analysiert. Die frequenten Ausbrüche von Sgr. A* lassen Rückschlüsse auf sich schnell ändernde Quellenstruk-turen zu. Mit VLBI-Beobachtungen und deren zeitlicher Auflösung, die viel geringer als die Umlaufperioden um Sgr. A* ist, wird es möglich sein, die Flares zeitlich und lokal während ei-ner Nacht aufzulösen und abzubilden. Weiterhin wird die Sensitivität der VLBI Beobachtun-gen in den nächsten Jahren so gut werden, dass Strukturen der Größe des Schwarzschildradiu-ses in Zeitperioden von 10 Sekunden auflösbar werden. Damit werden umlaufende Hotspots detektiert, um den Spin sowie den innersten stabilen Orbit des Schwarzen Loches genau zu messen.

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    Abb. 7: Computersimulation des Schattens eines Schwarzen Lochs

    Abb. 7

  • European Pulsar Timing ArrayDas Europäische Pulsar Timing Array (EPTA) ist ein Zusammenschluss verschiedener Institute aus Frankreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden und Großbritannien. Das EPTA erhält seine Daten von fünf großen europäischen Radioteleskopen, die allesamt ein laufendes Pulsar-Programm mit Schwerpunkt auf Millisekundenpulsaren besitzen. Die beteiligten Teleskope sind das 100-Meter Radioteleskop in Ef-felsberg / Deutschland, das 76-Meter Lovell Radioteleskop am Jodrell Bank Observatorium / England, das 94-Meter-Durchmesser-äquivalente Nançay Radio-teleskop / Frankreich, das 14 x 25-Meter Teleskop-Array WSRT von ASTRON / Niederlande sowie das 64-Meter Sardinia Radioteleskop (SRT), das gerade am Na-tionalen Institut für Astrophysik (INAF) in Italien gebaut wird.

    Pulsare sind spezielle, hoch magnetisierte Neutronensterne, die ein zeitlich sehr stabiles, pul-sierendes Radiosignal mit einer Periode von ca. 1 Sekunde aussenden. Dies liegt daran, dass ih-re Magnetpole nicht mit den Rotationspolen zusammenfallen. Doch es gibt eine Gruppe von Pulsaren, die durch Massenakkretion eines umkreisenden Nachbarobjektes ihre Rotationspe-riode auf einige Millisekunden steigern konnten. Diese Pulsare nennt man Milisekundenpulsa-re (MSP). Ihre Rotationsperioden sind noch stabiler als die der „normalen“ Pulsare.

    Millisekundenpulsare können benutzt werden, um einen stochastischen Gravitationswellen-hintergrund, der durch die gravitative Wirkung supermassiver Doppelsysteme aus Schwarzen Löchern oder anderen Masse reichen exotischen kosmischen Objekten, wie z.B. kosmischen Strings, gebildet wird, direkt nachzuweisen. Hierbei wird ein Ensemble von Pulsaren als Arme eines sehr großen Gravitationswellen Detektors genutzt. Die Gravitationswellen verursachen einen signifikanten Zeitunterschied in den ankommenden Pulsarsignalen, der dann als direkter Nachweis für die verursachenden Gravitationswellen dient. Für den Nachweis der Gravitati-onswellen sind Pulsare mit Zeitverzögerungen von durchschnittlich weniger als 100 ns über einen Zeitraum von 5 bis 10 Jahren notwendig, da ein erwartetes Gravitationswellensignal eine Zeitverzögerung von weniger als 1 µs erzeugt. Dies macht den direkten Nachweis von Gravita-tionswellen so schwierig. Daher gibt es seit 2010 das Projekt LEAP, Large European Array for Pulsars, das die Europäischen Institute und Teleskope um die EPTA in einem kohärenten Ar-ray zusammenfasst und deren Potential zur Entdeckung von Gravitationswellen steigern soll. Hierzu werden sowohl existierende Techniken aus anderen Bereichen wie z.B. VLBI-Beobach-tungen, als auch ganz neue Beobachtungstechniken verwendet. Dies wird die Pulsartiming Er-gebnisse der bisherigen PTA Pulsare wesentlich verbessern und gleichzeitig wird die Sensitivi-

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    Abb. 8: Parkes 64 m Teleskop; Abb. 9: Effelsberg 100 m Teleskop Images: CASS,MPIfR

    Abb. 8 Abb. 9

  • tät von LEAP ganz neue Millisekunden Pulsare, die ansonsten zu lichtschwach für das Array wären, für dieses erschließen. Außerdem ist mit dem LEAP Programm der erste Schritt hin zu einem internationalen Pulsar-Timing-Array (IPTA) getan, das aus den drei größten For-schungskollaborationen gebildet werden soll und für den direkten Nachweis von Gravitations-wellen unersetzlich sein wird. Weltweit gibt es drei große Forschungsgruppen zum Thema di-rekter Nachweis von Gravitationswellen, das Parkes Pulsar Timing Array (PPTA) in Australien, das das Parkes Radioteleskop nutzt, die North America Nanohertz Observatory for Gravitati-onal Waves (NANOGrav) Kollaboration in Nordamerika, die das Arecibo Teleskop oder das Green Bank Teleskop nutzen, und das Europäische Pulsar Timing Array (EPTA). Diese Kolla-borationen haben nun begonnen, eine Zusammenarbeit zu entwickeln und zu intensivieren.

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  • QUELLEN

    H. Bartko, G. Perrin et al.; GRAVITY: Astrometry on the galactic centrte and beyond; 2010

    H. Falcke, S. Markoff et al.; Sgr. A*: Observations, Models, and Imaging of the Event Horizon with VLBI; 2001

    V. L. Fish, S. S. Doeleman; Observing a Black Hole Event Horizon: (Sub)Millimeter VLBI of Sgr. A*; 2009

    R. Smith; The European Pulsar Timing Array; 2010

    http://www.mpe.mpg.de/projects-d.html#gravity

    Abb. 1: http://www.eso.org/sci/facilities/paranal/telescopes/vlti/

    Abb 2: http://www.mpe.mpg.de/projects-d.html#gravity

    Abb. 3: http://www.mpifr-bonn.mpg.de/public/teleskope/b0357-sm.jpg

    Abb. 4: http://www.astron.nl/~stappers/epta/lib/exe/fetch.php?w=&h=&cache=cache&media=eptafromps.jpg

    Abb. 5: http://www.mpifr-bonn.mpg.de/div/fundamental/pictures/Timing_Array_3_bright.gif

    Abb. 6: http://www.allmystery.de/i/tac6g6h_agn-cartoon.jpg

    Abb. 7: http://www.spektrum.de/sixcms/media.php/912/thumbnails/Schwarzes%20Loch.jpg.755585.jpg

    Abb. 8: http://4.bp.blogspot.com/_viputHRpZ2A/THKdOxXchqI/AAAAAAAAD58/y0fshoVdYSQ/s1600/figure+2.jpg

    Abb. 9: http://4.bp.blogspot.com/_viputHRpZ2A/THKdOxXchqI/AAAAAAAAD58/y0fshoVdYSQ/s1600/figure+2.jpg

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