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SCHULE und BERATUNG Fachinformationen aus der Landwirtschaftsverwaltung in Bayern Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Positive Leadership Güllebasierte Biogasanlagen – Erfahrungen aus der Beratung Senioren-Wohnen auf dem Bauernhof Die Förderung der Bienenhaltung in Bayern 7-8/2016

SCHULE und BERATUNG - Bayern€¦ · Führung hat die Aufgabe, unter Bedingungen von Un-sicherheit, Unklarheit und Risiko Orientierung zu geben. Führung ist überhaupt nur dann wirklich

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Page 1: SCHULE und BERATUNG - Bayern€¦ · Führung hat die Aufgabe, unter Bedingungen von Un-sicherheit, Unklarheit und Risiko Orientierung zu geben. Führung ist überhaupt nur dann wirklich

SCHULE und BERATUNG

Fachinformationen aus der

Landwirt schafts verwaltung

in Bayern

Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

→ Positive Leadership → Güllebasierte Biogasanlagen – Erfahrungen aus der Beratung → Senioren-Wohnen auf dem Bauernhof → Die Förderung der Bienenhaltung in Bayern

7-8/2016

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INHALT

FÜHRUNG

ENERGIE

SOZIALE LANDWIRTSCHAFT

DIGITALISIERUNG

TIERHALTUNG

MILCH

ERNÄHRUNG

WEIN- UND GARTENBAU

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INHALT

4 Positive Leadership 7 Gelebte Wertschätzung 11 Von der Schwierigkeit gelebter Wertschätzung 12 Buchbesprechung: Wertschätzung – Die inspirierende Kraft der gegenseitigen Achtung

13 Güllebasierte Biogasanlagen – Erfahrungen aus der Beratung 18 Man – Einer – Jemand müsste … – Rapsölkraftstoff als Chance begreifen – ein Kommentar

20 Senioren-Wohnen auf dem Bauernhof 23 Koordinationsstelle Wohnen im Alter 25 Buchbesprechung: Ein Handbuch für Soziale Landwirtschaft: Boden unter den Füßen

26 Duales Studium für den IuK-Nachwuchs 28 Ein Jahr Mitarbeiterportal 32 Gewusst wie: Besprechungen organisieren in Outlook 34 Online-Umfragen als Unterrichtselement

37 Haltung von nicht schnabelbehandelten Legehennen 39 Ein Geflügelbetrieb setzt auf Direktvermarktung 41 Fütterungsberatung für Schweine im Verbund weiterentwickeln 44 Neuerungen zum Immissionsschutz 47 Die Förderung der Bienenhaltung in Bayern

52 Milchpreisrückgang hält noch an 55 Milch, Käse & Co. – Echte Multitalente in der Ernährung 57 Ernährung diskutiert: Milch ist ein gesundes Lebensmittel

58 Genussvoll mitten im Leben 61 Ernährungsupdate 2016 63 Ernährung aktuell 66 Innovationsförderung in der Ernährung 69 Rückblick auf den Kreativ-Workshop „ProWert“

70 Fränkische Winzer bauen und denken um 72 Schöne Gärten, begeisternde Führungen, aktive Netzwerke

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Positive LeadershipZufriedenheit – Leistung – Sinn am Arbeitsplatz

von RUTH SELIGER: Positive Leadership ist ein neues, auf wissenschaftlicher Basis beruhen-des Verständnis und Instrumentarium von Führung. Es bedeutet eine radikale Veränderung unserer Bilder von Organisationen, Menschen und Führung selbst. Im Zentrum steht der Ge-danke, dass Erfolge der Menschen und damit Produktivität von Organisationen dann ent-stehen, wenn Führung sich auf die Stärken beider ausrichtet und darauf aufbaut. Heute ist dieser Ansatz in vielen Organisationen erprobt. Die Staatliche Führungsakademie für Ernäh-rung. Landwirtschaft und Forsten stellte diesen neuen Führungsansatz in ihrer neuen Reihe „Landshuter Führungsgespräche“ bei den Führungskräften der Verwaltung und Leiterinnen und Leitern Landshuter Behörden zur Diskussion.

Unsere Welt ist in einem tiefgreifenden Wandel begriffen. Wir erleben aufgrund technologischer Entwicklungen, globaler Vernetzungen und neuer gesellschaftlicher Wertorientierun-gen (Stichwort „Generation Y“) eine bisher unbekannte Dy-namik, Komplexität und neue Problemstellungen („Klima-wandel“), mit denen sich Organisationen und ihre Führung auseinandersetzen müssen. Es zeigt sich zunehmend, dass die Lösungen von gestern nicht mehr zu den Herausforderungen von morgen passen. Positive Leadership ist eine – und wirk-lich nur eine – Antwort auf diese neue Situation.

Führen heißt Energie steuernFührung ist eine der wichtigsten Funktionen, um die Ar-beits- und Leistungsfähigkeit – und damit den Erfolg – einer Organisation und der Menschen, die dort arbeiten, zu ge-währleisten. Positive Leadership ist ein neues Verständnis, aber auch neues „Denk- und Werkzeug“ von Führung, das seinen Ursprung im systemischen Denken hat. Ausgehend von der Überlegung, dass Arbeit, die in Organisationen ge-leistet wird, schlussendlich immer „vergegenständlichte“

Energie ist, kommt Führung die Aufgabe zu, die organisa-tionale Energie zu steuern. Führung hat die Aufgabe und auch den Sinn, dafür zu sorgen, dass Menschen mit hoher, produktiver Energie, also mit Freude, Überzeugung und En-gagement ihre Arbeit verrichten und die Organisation – ihre Strukturen, Prozesse, Systeme, aber auch ihre „Kultur“, ihre Werte und Prinzipien – so zu gestalten, dass die Organisa-tion selbst ein Rahmen, eine „Arbeitsbedingung“ wird, in der diese produktive Energie fließen kann.

Weg von der Fehleranalyse hin zu den StärkenWährend sich traditionelle Führungskonzepte vor allem da-rauf konzentrieren, Defizite und Schwäche zu minimieren und Fehler zu vermeiden, geht Positive Leadership davon aus, dass Energie in Organisationen dann entsteht, wenn sich die Aufmerksamkeit der Menschen – aber besonders der Führung – auf die Stärken, Qualitäten, auf Erfolge, den gemeinsamen Sinn und auf die Möglichkeiten der Über-nahme von Verantwortung richten.

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→ Präsidentin Ingeborg Bauer (links) konnte mit Dr. Ruth Seliger eine

Kapazität in Sachen „Positive Leadership“ begrüßen

→ Das Interesse an dem neuen Führungsansatz war sowohl unter den

Führungskräfte aus dem Geschäftsbereich des StMELF als auch unter

den Leiterinnen und Leitern Landshuter Behörden groß

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Positive Leadership hat ihre Wurzeln in: → Systemischem Denken und den Erkenntnissen über

die „Funktionsweise“ lebender Systeme (nachzule-sen etwa bei H. Maturana und F. Varela). Lebende Systeme wie Menschen oder Organisationen bauen auf ihren Ressourcen auf und sind Systeme, die sich ständig weiterentwickeln und über sich selbst hin-auswachsen können.

→ Positiver Psychologie (verbunden mit dem Namen Martin E.P. Seligman), die erforscht, welche Fakto-ren dazu beitragen, dass Menschen „Glück“ erleben und langfristig ein glückliches Leben führen.

→ Organisations-Psychologie (verbunden mit dem An-satz „Appreciative Inquriy“ und den Namen Diana Whitney und David Cooperrider), die Methoden und Instrumente bereitstellt, um die Ressourcen, Stärken, Qualitäten von Organisationen zu erfor-schen und für die eigene Entwicklung und das eige-nen Wachstum verfügbar zu machen.

→ Der Gehirnforschung, die uns aufzeigt, dass unser Gehirn in vielerlei Hinsicht „positiv“ gepolt ist: Es kennt keine „Negation“ (denken Sie NICHT an einen grünen Elefanten), es reagiert stark auf positive Emotionen und Vertrauen. Wir lernen einfach bes-ser unter Bedingungen von Vertrauen, positivem Feedback und Wertschätzung.

Adressaten von Führung und AufgabenPositive Leadership ist eine „Marke“ geworden, die viele die-ser Erkenntnisse integriert. Ruth Seliger hat sie zu einem Mo-dell zusammengefasst.

Führung hat die Aufgabe, unter Bedingungen von Un-sicherheit, Unklarheit und Risiko Orientierung zu geben. Führung ist überhaupt nur dann wirklich erforderlich, wo Unsicherheit besteht. In Situationen der Sicherheit können Situationen auch gut „verwaltet“ werden. Führungsarbeit

richtet sich unter dieser Voraussetzung an drei Adressaten (siehe auch Abbildung 1):

→ Menschen/Mitarbeiter führen: Hier geht es darum, Leistungsprozesse zu begleiten und zu unterstüt-zen. Das Medium dieser Aufgabe heißt Kommuni-kation.

→ Die Organisation (den eigenen Verantwortungsbe-reich) führen: Hier geht es darum, die Organisation in ihren Strukturen, Prozessen, Systemen und in ih-rer Kultur so zu gestalten, dass die Aufgabe, die die Organisation hat (ihre „Mission“) von den Menschen mit hoher produktiver Energie („Motivation“) erfüllt werden kann. Das Medium dieser Führungsaufgabe ist Entscheiden.

→ Sich selbst führen: Diese meist sehr wenig prakti-zierte Aufgabe bedeutet, sich selbst immer wieder zu thematisieren und sich an der Schnittstelle „Ich als Person“ mit allen meinen persönlichen Wertvor-stellungen, Eigenheiten und Fähigkeiten und „Ich in meiner professionellen Rolle“ mit allen an mich gerichteten Erwartungen und allen mir verfügba-ren Vorstellungen über meine Aufgabe und meinen Instrumenten zu bewegen. Das Medium dieser Füh-rungsaufgabe ist Reflexion.

Führungsprinzipien: Sinn-Zuversicht-EinflussDie Prinzipien, die Führung entsprechend den Erkenntnis-sen von Positiver Leadership steuern sollten, haben das An-liegen, Führung so zu gestalten, dass dadurch Energie ent-steht. Diese positiven Prinzipien lassen sich auf drei große Themen zusammenfassen:

→ Sinn: Darunter verstehen wir das Bewusstsein, Teil eines größeren Ganzen zu sein. Führung mit Sinn bedeutet, die zu verrichtende Arbeit immer wieder auf ihren Zweck, auf ihren Nutzen für andere(s) zu beziehen. Führung kommt die Aufgabe zu, den ei-genen Mitarbeitern, der eigenen Organisation und sich selbst immer wieder bewusst zu machen, was das „große Bild“ der Organisation und ihrer Leistun-gen ist und welchen Beitrag jede einzelne Person zu Erfüllung dieses Sinns leistet. Das Verständnis über den Sinn der eigenen Arbeit, den eigenen Be-trag dazu schafft Energie.

→ Abbildung 1: Aufgaben von Führung

→ Das erste Landshuter Führungsgespräch bot behördenübergreifend

Gelegenheit sich auszutauschen

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→ Zuversicht bedeutet, sich der eigenen Ressourcen, Stärken und Qualitäten bewusst zu sein und zu wis-sen, worauf man sich stützen kann, wann man den Sinn erfüllen will. Auch die schwierigste Aufgabe wird leichter bewältigt, wenn man weiß, auf welche Ressourcen man sich stützen kann. Führung – „Posi-tive Leadership“ – richtet die Aufmerksamkeit eher auf die Lösungen, Erfolge, auf „das Beste“, das in den Menschen und in der Organisation steckt und bearbeitet weniger Fehler, Mängel oder Probleme. Das erzeugt Zuversicht und Energie.

→ Einfluss nehmen bedeutet, Verantwortung zu über-nehmen, sich einzubringen, sich in den Resultaten der Arbeit wieder zu finden. Führung entscheidet immer über die Handlungs- und Entscheidungs-spielräume in der Organisation. Je größer die Ent-scheidungsspielräume und die Verantwortungs-bereiche sind, umso mehr ist die Führung entlastet und umso mehr Energie haben Mitarbeiter.

Diese drei Prinzipien ergeben gemeinsam mit den Aufgaben von Führung ein Bild (siehe Abbildung 2).

Positive Leadership macht einen deutlichen Unterschied von einer defizit- und kontroll-orientierten Führung hin zu einer auf Lösungen und Stärken ausgerichteten Führung. Das Konzept bewährt sich seit vielen Jahren in zahlreichen Organisationen.

Um den Prinzipien von Positiver Leadership mehr Be-deutung zu geben, müssten wir bereits in unseren Schulen beginnen, die Stärken der Kinder zu fördern, weniger die Fehler rot zu unterstreichen und mehr auf die Erfolge und Fortschritte aufbauen. So könnten wir beginnen, die „Posi-tiven Leader“ von morgen zu entwickeln.

Breite Diskussion über Führung wünschenswertSoweit die Theorie. Die anschließende lebendige Diskus-sion beim ersten Landshuter Führungsgespräch brachte eine Reihe von Fragen:

→ Wie kann man sich in den engen Spielräumen, die Führung in ihren Organisationen vorfindet, eine Veränderung vorstellen? Die Antwort war: Die Enge ist oft nur eine Enge im Denken. Wer weiter, grö-ßer denkt, das Ungewohnte wagt, wird auch neue Räume entdecken.

→ Motivation: Hier entbrannte die Diskussion rund um die Frage, ob Motivation überhaupt möglich ist. Die Referentin bezweifelt, ob man andere Menschen überhaupt motivieren kann, und stellte die provo-kante Frage, warum Führung so stark an einer Idee festhält, die nicht nur nicht möglich ist, sondern auch sehr anstrengend. Die Mobilisierung über die Faktoren „Sinn“ (das große Bild der gemeinsamen Aufgabe, das große Bild der Ziele und der hohe Wert des eigenen Beitrags), „Zuversicht“ (die Auf-merksamkeit auf die Stärken, Ressourcen, Qualitä-ten richten) und „Einfluss“ (Verantwortung geben, Vertrauen haben und aufbauen, Empowerment) sorgen dafür, dass Menschen „von sich aus“ und mit hoher Motivation arbeiten.

→ Eine Frage war, warum man immer nur die Füh-rungskräfte ausbildet, und nicht die Mitarbeiter. Nun, Führung führt, und dafür muss sie Wissen und Können, aber auch Haltung und Werte entwickeln.

→ Eine wichtige Frage war: Was ist, wenn alle Mitarbei-ter immer im „Flow“ sind? Eine wichtige Frage, denn sie führt uns zur Überlegung, dass es auch im Rah-men von Positive Leadership ein „zuviel des Guten“ geben kann, nämlich dann, wenn Menschen ihre eigenen Grenzen aus den Augen verlieren. Auch darauf muss Führung achten.

Gut ist, wenn eine breite Diskussion über Führung einsetzt. Die Veranstaltung am 31. März 2016 war ein gelungener Be-ginn.

DR. RUTH SELIGER MANAgINg DIrECTOr [email protected]

→ In kleinen Gesprächsrunden konnten die Teilnehmerinnen und

Teilnehmer die Ansätze von Positive Leadership diskutieren

→ Abbildung 2: Prinzipien von Führung

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Gelebte Wertschätzung Schmiermittel für die Zusammenarbeit

von ULRICH LIEBERTH: Immer wieder äußern Beschäftigte, dass sie zu wenig Wertschätzung in ihrer Arbeit erfahren. Dabei zeigt sich, dass Beschäftigte, die durch ihre Vorgesetzten Wert-schätzung erfahren, sich besser mit ihrem Aufgabenbereich identifizieren, motivierter sind, ein höheres Leistungsvermögen haben und seltener krank sind. Ein wertschätzender Um-gang ist allerdings keine rein hierarchische Angelegenheit zwischen Mitarbeiter und Füh-rungskraft. Es ist ein grundlegendes Thema im Umgang zwischen allen Beschäftigten – von „oben nach unten“, horizontal als auch von „unten nach oben“ – aber wie so oft gilt auch hier: die Führungskraft muss mit Vorbild vorangehen.

Die Leistungsvermögen in den Organisationseinheiten der Verwaltung werden von der Summe der Mitarbeiter getra-gen. Aufgabe der Führungskräfte ist es, ihre Mitarbeiter in die Lage zu versetzen, eine bestmögliche Leistung erbrin-gen zu können. Sie sollen auch adäquate Impulse geben, da-mit die Mitarbeiter ihr Leistungsvermögen ausbauen und/oder ändern.

Mehrere Umfragen belegen klar, dass hohe Wertschät-zung gegenüber den Mitarbeitern, transparente und klar definierte Entwicklungsmöglichkeiten sowie Anerkennung „den größten Einfluss auf das Mitarbeiter-Engagement“ haben. Während im Durchschnitt nur 52 Prozent der Mit-arbeiter hoch engagiert und motiviert sind, liegt ihr Anteil in Spitzenunternehmen bei immerhin zwei Dritteln der Be-legschaft.

Läuft es nicht so gut oder verweigern die Mitarbeiter gar ein kundenadäquates Leistungsverhalten dann hat dies meist auch seine Ursache im Verhalten der Führungskräfte. Es mangelt oft an einer wertschätzenden Managementkul-tur und/oder an wertschätzendem Führungsverhalten. Dies führt schleichend aber stetig zu mangelhaftem Leistungs-verhalten, was wiederum zu Abwertung (sich selbst und an-deren gegenüber) führt – eine Spirale nach unten.

Werte als Basis von WertschätzungDie Bedeutung von Wertschätzung lässt sich wunderbar vom Wort selbst ableiten. Es geht um das Schätzen von Wer-ten allgemein und im Speziellen. Im Führungskontext geht es um das Schätzen von Werten des Beschäftigten, erfolg-reicher Verhaltensweisen und der gesamten Person. Jeder Beschäftigte hat einen Wert an sich, ist wertvoll und einzig-artig, aber es geht auch um die Werte und Talente mit denen er sich in seinen Aufgabenbereich einbringt.

Diese Werte gilt es zu suchen, zu sehen, zu erkennen bzw. zu finden. Hier könnte man auch bildlich gesprochen von der Bergung eines Schatzes oder von Schätzen, die sich

womöglich zunächst im Verborgenen befinden, sprechen. Erst danach können sie aktiv benannt, positiv bewertet und gezielt gefördert werden. In der Konsequenz heißt das, die Werte (= Schätze) einer Person aufmerksam zu suchen, zu erkennen, gezielt zu benennen und gegebenenfalls zu för-dern. In der Mitarbeiterführung allgemein und der Personal-entwicklung speziell gibt es den Leitsatz „Stärken stärken“, was auf unterschiedliche Weise erfolgen kann. Ein Leitstern könnte lauten: Die Stärken eines Beschäftigten mit den An-forderungen seines zugeordneten Aufgabenbereichs best-möglich in Einklang bzw. in Passung zu bringen. Das be-deutet, dass die Rolle der Führungskraft darin besteht, ihre Mitarbeiter zu befähigen, zu begleiten und so zu beraten, dass diese ihre Potentiale möglichst optimal in den Arbeits-prozess einbringen können. Doch diese Haltung birgt das Risiko, nur dass wertzuschätzen, was den Zielen der Arbeit offensichtlich nutzt. Der Wert eines Menschen an sich kann dann leicht auf der Strecke bleiben oder im extremsten Fall: Wer nichts oder wenig nutzt, hätte keinen bzw. kaum ei-nen Wert. Doch auch diese Menschen möchten ein Min-destmaß an Wertschätzung erfahren – zweifelsohne eine große Herausforderung! Kurzum: Beschäftigte möchten als Individuum bzw. Persönlichkeit gesehen und angenommen, respektvoll, tolerant und ihren Eigenheiten entsprechend angemessen behandelt, eingesetzt und gefördert werden.

Menschen, die wir wertschätzen oder akzeptieren, ach-ten und respektieren wir. Das drückt sich u. a. darin aus, dass Mitarbeiter als mündig, engagiert und verantwortungsbe-wusst, also als die Quelle des Erfolgs der Organisation be-trachtet werden können.

Wertschätzung im FührungskontextMein Gegenüber erfährt durch mich, d. h. durch meine in-nere Haltung ihm gegenüber, eine positive Bewertung. Der Beschäftigte wird von mir als Person wahr-, an- bzw. ernst-genommen. Ich schätze den Anderen als wertvoll bezogen

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auf seine Person und sein Wirken. Ich tue dies grundsätzlich, da dieses einzigartige menschliche Wesen mir seine Lebens-zeit, von der jede Sekunde nur einmal gelebt werden kann, in diesem Moment widmet. Wertschätzen heißt: wahrneh-men und das auch aktiv und gesondert zum Ausdruck zu bringen – besonders dann, wenn es über das übliche Maß hinausgeht.

Wertschätzung = Anerkennung?Jegliche Anerkennung ist auch eine Art von Wertschätzung, doch wenn ein Mitarbeiter Wertschätzung erfährt, dann muss dies noch keine Anerkennung sein. Ein Beispiel: Eine Führungskraft widmet seine Zeit den Anliegen des Mitarbei-ters in Form eines Gesprächs. Der Vorgesetzte zeigt damit In-teresse an der Aufgabe bzw. dem Anliegen des Mitarbeiters – eine Form der Wertschätzung, aber eher (noch) keine Aner-kennung. Es gibt folglich vielfältige Möglichkeiten, Beschäf-tigten wertschätzend zu begegnen; damit ist jedoch noch keine Anerkennung verbunden. Jemanden aufmerksam – ohne Zeitdruck – zuzuhören ist ein Ausdruck von Wertschät-zung ohne jegliche Anerkennung damit zu verbinden.

Selbstverständlich ist es für den Beschäftigten darüber hinaus auch wichtig, dass seine Werte und sein Wirken aner-kannt werden – und sich das auch in der Bewertung seiner Leistung (= Beurteilung etc.) widerspiegelt.

Voraussetzung für einen wertschätzenden UmgangNur wenn sich eine Person mit ihrem Selbstwert befasst hat, kann sie er auch anderen Menschen wertschätzend begeg-nen. Wertschätzung muss bei einem selbst beginnen. Erst muss ich mich selbst wert schätzen (können), dann wird es auch leichter fallen, andere wert zu schätzen! Dies gilt für alle Beschäftigten gleichermaßen – die Führungskraft, die Kollegin bzw. den Kollegen und/oder den Mitarbeiter.

Daher muss sich besonders eine Führungskraft, die das nicht gewährleisten kann, fragen, ob sie selbst der Aufgabe, Mitarbeiter wertschätzend zu begegnen, gerecht wird bzw. einen ordentlichen Job macht. Neben der anlassbezogenen Kritik gehört eben auch eine konkret adressierte positive Rückmeldung zum Aufgabenbereich eines Vorgesetzten.

Die Absicht von Wertschätzung ist spürbarNicht authentisch wirkt Wertschätzung, die allein aus dem Wissen geäußert wird, dass es „vernünftig“ ist, jemand ent-sprechend zu begegnen. Der Verstand ist das eine, die auf-richtige authentische Empfindung das andere. Effektive Per-sonalführung benötigt beide Qualitäten: Nur wenn „ratio“ und „emotio“ hier gemeinsam in eine Richtung wirken, wird das, was ein Vorgesetzter vermitteln möchte, stimmig! Wert-schätzung zu zeigen, ist ausschließlich eine Sache des Her-zens und nicht der Kopfebene.

Die Konsequenzen mangelnder WertschätzungDie emotionale Bindung von Beschäftigten zur eigenen Or-ganisation(-seinheit) hängt zu einem hohen Grad davon ab, wieviel Wertschätzung der jeweilige Mitarbeiter erfährt. Be-kommen Beschäftigte den Eindruck, dass es vollkommen egal ist, ob sie sich mit vollem Engagement ihrer Aufgabe widmen oder schlicht anwesend sind, steigen Frust und Unzufriedenheit und die Produktivität sinkt. Eine solche At-mosphäre ist dem Betriebsklima insgesamt nicht zuträglich. Fehlzeiten, eine innere Kündigung und verschlechterte Ge-sundheit des Personals können die Folge sein.

Der Werkzeugkasten für Wertschätzung Bevor ich als Person andere wertschätzend behandeln kann, muss ich mich selbst wertschätzen können, ich muss eins mit mir selbst sein (kongruent). Es geht darum, dass ich eine grundlegend wertschätzende Haltung zu mir und zu dem, was ich tue, entwickle. Geeignete Fragestellungen hierbei sind beispielsweise:

→ Was schätze ich an mir und meiner Arbeit? → Wie kann ich das für mich Wertvolle realisieren bzw.

in meine Arbeit einbringen? → Wie kann ich das in Übereinstimmung mit meinen

Potenzialen tun? → Was schätze ich an anderen und deren Arbeit? → Wie kann ich das für uns Wertvolle in konkreten Si-

tuationen verwirklichen?

Auf diesem Weg lerne ich meine eigenen Talente und die der anderen wertzuschätzen. Um gute Arbeit leisten zu können, brauchen wir einander – besonders die unterschiedlichen und sich ergänzenden Talente aller Beteiligten.

Wertschätzung geschieht über KommunikationKommunikation und Führung hängen eng zusammen. Kom-munikation ist die Grundlage von Führung und ohne Kom-munikation ist keine Führung möglich. Eine erfolgreiche Kommunikation ist allerdings nur möglich, wenn wir unse-rem Gegenüber die Chance geben, sein Selbstwertgefühl zu schützen bzw. wenn wir vermeiden, dieses zu untergraben. Daher ist es wichtig, dass Führungskräfte ihr Kommunikati-onsverhalten regelmäßig sensibel hinterfragen, gegebenen-falls schulen und ihr diesbezügliches Bewusstsein schärfen.

Wertschätzendes Kommunikationsverhalten in Füh-rungszusammenhängen meint damit, dass mir mein Ge-genüber (Mitarbeiter) nicht gleichgültig ist. Er oder sie darf grundsätzlich einen anderen Standpunkt haben, ohne dass ich ihn oder sie deshalb geringschätze. Gleichzeitig kann ich meinen Standpunkt ganz entschieden vertreten.

Selbstverständlich ist ein höflicher, respektvoller Um-gang untereinander die Grundlage jeglicher positiven

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→ Abbildung: Wertschätzungskodex am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Uffenheim

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Unternehmenskultur. Einige Tipps, um Wertschätzung angemessen auszudrü-cken zeigt die Infobox.

Vorgelebte bzw. erlebte Wert-schätzung im TeamFührungskräfte leben vor, wie mitein-ander umgegangen wird bzw. werden kann. Die Führungskraft, die wertschät-zend mit dem Personal umgeht, leistet somit einen wesentlichen Beitrag zur Kultur einer Organisationseinheit. Da-rüber hinaus sind Vorgesetzte verant-wortlich, Wertschätzung untereinan-der einzufordern, das heißt aber auch zügig und konsequent zu reagieren, wenn abwertend (ohne jegliche Wert-schätzung) über Einzelne gesprochen wird.

Einen wertschätzenden Umgang von Seiten der Behördenleitung zum Thema zu machen, wie z. B. in den Jah-ren 2012 und 2013 im Amt für Ernäh-rung, Landwirtschaft und Forsten Uf-fenheim geschehen (siehe Abbildung), ist eine Form, Zeichen zu setzen. Selbst-verständlich sind das zunächst einmal nur Regeln und Absichtserklärungen, die es in der Folge konsequent umzusetzen gilt. Grundlage für den „Wertschät-zungs-Codex“ war ein Artikel des Personalratsvorsitzendes und des Behördenleiters des AELF Uffenheim – ein schönes Signal für die Beschäftigten eines Amtes, wenn diese beiden Rollen gemeinsam an einem Strang ziehen.

Als Teil des Gesamtsystems kann eine praktizierte und er-lebbare wertschätzende Haltung einer Führungskraft auch nach oben ausstrahlen und Wirkung zeigen. Wer sich für seine Mitarbeiter einsetzt und damit seine Haltung deut-lich zum Ausdruck bringt, setzt Zeichen.

Literatur[1] https://www.lecturio.de/magazin/mitarbeiter-wertscha-

etzung/[2] https://www.lecturio.de/magazin/wertschaetzung-aus-

druecken/[3] DR. THOMAS BARTSCHER: Gelebte und erlebte Wert-

schätzung: Voraussetzung erfolgreicher Führungsar-beit; erschienen in Management und Training 2004, 4/2004

[4] www.imfluss.de

[5] ROGERS, C. (2002): Entwicklung der Persönlichkeit, 14. Auflage, Stuttgart

[6] KÖNIG, RAINER (2010): Wertschöpfung durch Wertschät-zung

[7] http://www.business-wissen.de/artikel/motivations-bremse-mitarbeiter-erhalten-zu-wenig-wertschaet-zung/

[8] Gegenseitige Wertschätzung und offenes Miteinander in unserem Berufsalltag am AELF Uffenheim; Dezem-ber 2013

[9] DR. LUDWIG ALBRECHT UND NORBERT PFEUFER: Ar-beiten darf auch Spaß machen. Betriebliches Ge-sundheitsmanagement am AELF Uffenheim. „SuB“ 11-12/2013, Seite 35

ULRICH LIEBERTHAMT Für ErNÄHrUNg, LANDWIrTSCHAFT UND FOrSTEN [email protected]

• Wertschätzung zu zeigen geht am besten über das direkte Gespräch (und nicht per Email auf dem elektronischen Weg).

• Nehmen Sie sich die Zeit dafür!• Gehen Sie von sich aus auf Ihre Mitarbeitenden zu.• Interessieren Sie sich aufrichtig. „Wie geht es Ihnen?“ Dies vermittelt nicht

nur, dass der Mitarbeiter von Ihnen geschätzt wird und sein Wohlergehen Sie aufrichtig interessiert. Sie haben so auch die Chance zu erfahren, wo der Beschäftigte im Augenblick steht, welche Anliegen er hat und was er möglicherweise braucht.

• Hören Sie aufmerksam zu.• Stellen Sie Fragen, die ein Zeichen für Ihr aufrichtiges Interesse sind.• Geben Sie keine vorschnellen Antworten, um den Mitarbeiter möglichst

schnell wieder loszuwerden.• Bleiben Sie im Gespräch freundlich, höflich und wohlwollend.• Beziehen Sie Ihre Beschäftigten bei Entscheidungen ein, soweit es möglich

ist.• Erkennen Sie die Leistungen und die Arbeit Ihrer Beschäftigten an.• Suchen Sie aktiv nach den Stärken Ihrer Beschäftigten und benennen Sie

diese!• Versuchen Sie, Ihre Beschäftigten dort einzusetzen, wo sie ihre individuellen

Stärken haben.• Haben und zeigen Sie Vertrauen in Ihr Personal, und kommunizieren Sie das.

Infobox: Tipps für Führungskräfte, Wertschätzung auszudrücken

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Von der Schwierigkeit gelebter Wertschätzung

von ULRICH LIEBERTH: Einen wertschätzenden Umgang kann jeder von uns zu jeder Zeit und jedem gegenüber pflegen. Doch leider klappt es nicht immer leicht, das 1:1 umzuset-zen. Vor kurzem bin ich über den nachfolgenden Beitrag von Bernd Schmid gestolpert, der in genialer Weise die Tücken aufzeigt. Dr. Bernd Schmid (Jahrgang 1946) ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Systemische Beratung in Wiesloch sowie Lehrtrainer u. a. im Bereich Coaching, Supervision sowie Organisations- und Personalent-wicklung. In seinem Blog 131 befasst er sich mit dem Thema „Achtsamkeit“ und komplettiert damit den Beitrag „Gelebte Wertschätzung“ in idealer Weise. Jeder kann einen wertschätzen-den Umgang leben – unabhängig von der Frage, ob die Führungskraft mit positivem Beispiel vorangeht oder nicht.

Was löst in mir Achtung und Großmut, was Verachtung und Kleinmut aus? Was dabei bin ich und was bist Du? Will ich Dich nur als Spiegel meiner selbst benutzen oder gibt es mehr, vor dem wir uns beide verneigen?

Von Zeit zu Zeit spüre ich nach, mit wem ich mich gerne verbunden fühle, wessen Achtung mir wichtig ist und mit wem ich verbleibende Lebenskraft teilen will. Uneinge-schränkt positiv ist die Bilanz selten. Das muss ja auch nicht sein, denn jeder hat seine Macken, ich auch. Und andere müssen genauso Kompromisse mit mir machen, Unverträg-lichkeiten erdulden. Ich akzeptiere, wenn jemand mit meinen schwierigen Zonen nicht umgehen mag, auf Abstand geht und womöglich der Beziehungsfaden reißt. So ist das eben.

Was befremdet/befreundet mich am meisten? Was lässt mich näher oder weiter weg rücken? Ein Schlüsselwort dabei ist Achtung. Achtung vor dem Gegenüber. Das kann auch der sein, den ich morgens im Spiegel sehe. Ich empfinde Achtung, wenn ich berührt bin davon, wie sich jemand sei-ner Existenz stellt, sich um Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit, Tap-ferkeit und liebevolle Haltungen bemüht. Da hab ich vor ei-nem Gescheiterten, dem Würde noch etwas bedeutet, mehr Respekt als vor einem, der nur noch seine Privilegien wahrt. Manchmal setze ich mich lieber an einen anderen Tisch, auch wenn dieser aus einfachem Holz ist.

Was z.  B. entfremdet mich von Menschen? Wenn je-mand missbraucht und ausbeutet – ohne erkennbare Skru-pel- und Rechtfertigungen dafür pflegt! Oder: Wenn jemand bei Gleichstarken den Sensiblen gibt und Schwächeren ge-genüber „die Sau rauslässt“. Oder: Wenn sich jemand nur für den eigenen Bauchnabel interessiert und nicht dafür, wofür er anderen gut sein könnte. Auch Demagogie löscht meine Achtung, wegen der Besessenheit und wegen der ange-richteten Schäden. Hirne von wohlmeinenden, aber unkri-tischen Geistern werden vernebelt. Intellektuelle Redlich-

keit wird als fehlender Enthusiasmus oder gar als Verrat an großen Ideen verunglimpft. Das sind die einfacheren Fälle. Doch verliere ich auch Achtung – meist schleichend und erst mit der Zeit –, wenn ich chronisch kaschierten Egoismus er-lebe. Nicht dass jemand etwas für sich zu gewinnen sucht, ist dann mein Problem, sondern dass es unter anderen Mo-tivvorgaben verdeckt wird. Oft ist das subtil und nicht of-fensichtlich verwerflich, es fehlt die Basis für ein klärendes Gespräch. Und doch wirkt es in mir, ob ich will oder nicht. Auch haben schon Menschen wegen nicht ergründbarer Un-aufrichtigkeit meine Achtung verloren. Ich hätte auch mit ihren dunklen Seiten Freundschaft gehalten, wenn ich über sie nicht trotz Begegnungsversuchen meinerseits getäuscht worden wäre.

Bei manchen verlorenen Beziehungen fühle ich Bedau-ern. Andere kann ich eher schmerzlos auf Abstand driften lassen. Eigentlich bin ich nicht rigoros. Wie z. B. eine Freun-din, die immer mal wieder recht radikal ihre Beziehungen „ausmistet“. Ich bin verträglich und besonnen bis träge. Doch manche Auseinandersetzung hätte bei Bestehen auf „Klärung“ eh nur in den Beziehungsabbruch geführt. Manch-mal ist es gut, Differenzen im stillen Einvernehmen auf sich beruhen zu lassen. In einigen Fällen ist danach wieder eine achtungsvolle Beziehung gewachsen. In anderen Fällen blie-ben die Wege getrennt. Nicht leicht zu entscheiden, ob man Richtung Konfliktangst und falsche Kompromisse oder Rich-tung Toleranz und Heilung durch Zuwendung unterwegs ist. An Konfrontationsmut fehlt es mir eigentlich nicht. Doch meist, wenn ich meinte, jetzt mal „Nägel mit Köpfen machen zu müssen“, ist wenig dabei herausgekommen. Evolution geht anders. Doch bleibt: Beziehungen ohne gegenseitige Achtung sind auf Sand gebaut.

Auch im Organisationsbereich und bei den Begeg-nungen dort bewegen mich solche Fragen. Da geben sich

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Unternehmen und ihre Stiftungen ethisch und sozial, betrei-ben ihre Zentrale vorbildlich ökologisch. Sie gewinnen Men-schen, die das ernst nehmen und Chancen für das Gute nut-zen wollen. Soll man da in die Suppe spucken? Doch kann ich schlecht vergessen, wie dieses Geld vermutlich verdient wurde. Muss das nicht wenigstens offen gehandhabt wer-den? Soll man gute Miene machen, wenn sich da jemand eine saubere Weste umhängt? Oder geht es um ethisch ver-tretbare Unternehmenskultur? Auf welche schaue ich, wenn ich mir eine Meinung bilde, und ist deren Einfluss relevant? Soll man „kiebig“ sein, obwohl vielleicht ein Neu-Anfang Achtung und Unterstützung verdient? Träfe Achtung und Verachtung die Richtigen? Sind Achten oder Ächten über-haupt akzeptable Mittel?

Egal wie, ich muss mit meinen Verachtungs-Reaktionen umgehen. Z. B. wenn ich von einer wachsenden Juristenzunft erfahre, die das Erfinden von Schadensersatzforderungen zum Geschäftsmodell macht, Investoren auf die Idee bringt, mit der Finanzierung solcher Blutsauger-Manöver Geld ver-dienen zu wollen [2]. Ja toll, dass dabei auch Kohle genug ab-fällt, dass man jungen, begeisterungsfähigen Menschen beste Anwaltskarrieren gewähren kann. Man braucht schließlich Nachwuchs auf den Piratenschiffen. Und wie sauertöpfisch scheint man daher zu kommen, wenn man einen so betörten

jungen Menschen darauf hinweist, dass er sich zwar wie ein Kronprinz fühlt, bei genauem Hinsehen aber vielleicht eher dem Hänsel ähnelt, der von der Hexe gemästet wird.

Eigentlich liegt mir „Richter“ oder „Staatsanwalt“ nicht. Wer soll aber sonst dafür sorgen, dass die Piratenschiffe nicht überhand nehmen und den anständigen Teil der Wirtschaft ruinieren? Lieber würde ich auf andere Weise mithelfen, dass die gestärkt werden, die versuchen, ihren Teil mit Anstand zu verdienen und dabei den Garten zu pflegen, aus dem wir alle leben. “

Literatur[1] Schmid, Bernd: Blog 131: Achtung voreinander – Von

Bernd Schmid 23. Februar 2016[2] https://www.phoenix.de/content/phoenix/die_sen-

dungen/konzerne_klagen_wir_zahlen/1033498?-datum=2016-02-18

Abdruck genehmigt von Dr. Bernd Schmid.

ULRICH LIEBERTHAMT Für ErNÄHrUNg, LANDWIrTSCHAFT UND FOrSTEN [email protected]

Der Benediktinermönch Dr. Anselm Grün hat ein wunderbares Buch über Wertschät-zung geschrieben und lässt den Leser gleich zu Beginn wissen, dass zwei Bedin-gungen hierfür notwendig sind. Einerseits müssen wir um unseren eigenen Wert wissen, das heißt, „uns selbst annehmen und anerkennen und andererseits in die Menschen unserer Umgebung einfühlen.“

Pater Anselm möchte mit seinem Buch die Leser nicht nur einladen, über Wertschätzung nachzudenken, son-dern diese auch einzuüben. Deshalb gibt es neben den theoretischen Tex-ten stets auch Übungskapitel.

Unmissverständlich macht der Autor deut-lich, dass nur derjenige, der sich selbst als wertlos empfindet, andere abwerten oder entwerten muss. Wertschätzen be-deute, dem anderen einen Wert zuzuord-nen, ihn somit als wertvoll zu erachten. Pater Anselm ist davon überzeugt, dass

Wertschätzung – Die inspirierende Kraft der gegenseitigen Achtung

Wertschöpfung nur durch Wertschät-zung entsteht. Untersuchungen zei-gen, dass Betriebe, die auf Werte setzen, auf Dauer erfolgreicher sind. Ein Grund mehr sich des Themas anzunehmen.

Beim Empfänger wirkt Wertschätzung „aufrichtend, befreiend, als Wiederher-stellung der Würde“ (S.65). Wer Wert-schätzung schenken möchte, benö-tigt eine bestimmte Haltung dem Empfänger gegenüber, so der Au-tor. Hier nennt und beschreibt er nä-her: Respekt, Höflichkeit, Dankbarkeit, Freundlichkeit und Anerkennung. 

Sehr nachdenklich stimmte mich, was Pater Anselm im Hinblick auf schwierige Menschen sagt. Diese nämlich decken un-sere Schattenseiten auf und zwingen uns geduldiger, auch liebevoller zu werden.

Wie Wertschätzung sich selbst gegen-über, auch in der Familie und im Berufs-

leben ausschauen kann, wird ebenfalls zur Sprache gebracht. Der Autor geht so-gar so weit,  prakti-sche Anregungen zu geben, sei es durch Beispiele für Worte des Lobes, des Dankes, kleiner Komplimente, einfacher Gesten und kleiner Geschenke.

Wer gerne wertschätzt, weiß wie wohl-tuend sich dieses Verhalten auf uns selbst auswirkt. Man ist einfach glück-lich, wenn man seine Anerkennung für andere zum Ausdruck bringen kann.

Zu beziehen unter: http://www.vier-tuerme-verlag.de/neu-er-scheinungen-herbst-2014/958/wertscha-etzung-die-inspirierende-kraft-der-ge-genseitigen-achtung?c=435

Helga König, Freie Journalistin, Mitglied im DVP-Verband für Journalisten

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Güllebasierte BiogasanlagenErfahrungen aus der Beratung

von THERESA STREIBL: Das EEG 2014 hat größeren viehhaltenden Betrieben die Möglichkeit gegeben, mit einer güllebasierten Biogasanlage ein weiteres Standbein zu schaffen. Neben Faktoren wie den betrieblichen Gülle- und Mistmengen oder der Investitionssumme gibt es viele weitere Gründe, die für oder gegen einen Bau sprechen können. Oft sind keine zusätz-lichen Flächen verfügbar, oder die vorhandene Arbeitsbelastung ist ohnehin schon zu hoch. Die realisierten Anlagen sind dann meist genau so unterschiedlich wie die Betriebe, die sich für den Bau entschieden haben: schlüsselfertig oder mit einem hohen Maß an Eigenleistung errichtet, ausschließlich mit Gülle- und Mist-Einsatz oder zusätzlich mit Mais- oder Grassilage. Die Betriebe, bei denen die Voraussetzungen stimmten, sind froh, sich für eine güllebasierte Biogasanlage entschieden zu haben.

Aus den aktuellen Vergütungssätzen des EEG 2014 erge-ben sich für landwirtschaftliche Betriebe nur mehr wenige Möglichkeiten, wirtschaftlich in eine Form der Erneuerbaren Energien zu investieren und ihren Betrieb so auf mehrere Standbeine zu stellen. Eine von der Gesetzgebung gewollte Form ist der Ausbau güllebasierter Biogasanlagen mit einer maximalen Leistung von 75 kW wegen der betrieblichen Reststoffverwertung. Diese Anlagen haben im EEG mit Ab-stand die höchsten Vergütungssätze gegenüber allen ande-ren Energieformen. Eine Kilowattstunde eingespeister Strom wird derzeit mit bis zu 23,37 Cent vergütet, vorausgesetzt der Strom wird direkt vermarktet. Ohne Direktvermarktung ist die Vergütung um 0,2 ct/kWh geringer. Herkömmliche Biogasanlagen bis 150 Kilowatt erhalten derzeit nur mehr maximal 13,46 ct/kWh. Für Anlagen, die 2016 in Betrieb ge-nommen werden, verringert sich die Vergütung pro Quartal späterer Inbetriebnahme um 0,5 Prozent. Im Dienstgebiet des Fachzentrums für Diversifizierung und Strukturentwick-lung am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Rosenheim (AELF), das sieben Landkreise des südöstlichen Oberbayerns umfasst (AÖ, BGL, MB, MÜ, RO, TÖL, TS), haben sich die Berater von LandSchafftEnergie entschlossen, eine Beratungsinitiative für güllebasierte Kleinbiogasanlagen zu starten. Im Folgenden sollen die Erfahrungen aus den Be-ratungen aufgezeigt werden, die oft für oder auch gegen einen Bau solcher Anlagen sprechen.

Aktuelle LageEnde 2014 gab es in Bayern rund 90 solcher güllebasier-ter Biogasanlagen. Die Leistung der Anlagen reicht dabei von etwa 20 bis maximal 75 Kilowatt. Im Dienstgebiet des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF)

Rosenheim wurden im Jahr 2015 insgesamt 17 Anlagen geplant und teilweise noch in Betrieb genommen. Die-ser Trend wird sich auch in diesem Jahr weiter fortsetzen. Der Großteil der güllebasierten Biogasanlagen nach EEG 2012 beziehungsweise EEG 2014 in Bayern, etwa 70 Anla-gen, hat eine in stallierte elektrische Leistung von 75 kW und wird als 80/20 Anlage betrieben. Das heißt, es darf zusätzlich zu Gülle und Mist maximal 20 Prozent weitere Biomasse eingesetzt werden. Grund für die überwiegende Anlagengröße von 75 kW sind die hohen spezifischen In-vestitionskosten pro kW. Die Betreiber versuchen, die ho-hen Festkosten, die sich bei den verschiedenen Anlagen-größen nicht so stark unterscheiden, auf einen möglichst hohen Stromertrag zu verteilen. Reine Gülleanlagen findet man eher im kleineren Anlagenbereich um 30 Kilowatt, da das Gaspotential im Verhältnis zu den großen Mengen an Gülle und Mist recht gering ist. Eine Tonne Maissilage hat etwa den zehnfach höheren Gasertrag als ein Kubikmeter Rindergülle.

Das EEG schreibt einen Mindesteinsatz von 80 Massen-prozent Gülle oder Mist im Jahresmittel vor. Unter diese Ka-tegorie fallen: Rinderfestmist, Rindergülle, Schweinefestmist und Schweinegülle, Pferde-, Schaf- und Ziegenmist.

Im Umfang der verbleibenden 20 Masseprozent darf durch sonstige Biomasse ergänzt werden. Meist werden dabei Nachwachsende Rohstoffe wie Mais- oder Grassilage eingesetzt. Die qualitativ schlechteren Silageanteile eines Betriebes landen tendenziell in der Biogasanlage, die gute Qualität dient vorwiegend als Futter im Stall. Auch Futter-reste können in der Anlage verwertet werden.

Aufgrund der sehr hohen Gülle- und Mistmengen, die für den Anteil von 80 Masseprozent benötigt werden, kommen

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nur größere viehhaltende Betriebe oder Betriebsgemein-schaften für eine solche Anlage in Frage.

Individuelle Beratung für interessierte LandwirteDa es für diese Anlagen keine pauschale Lösung gibt, ist es wichtig, in einer persönlichen Beratung die betriebsindivi-duelle Situation zu betrachten und auf dieser Grundlage eine erste Wirtschaftlichkeitsberechnung zu erstellen. Diese erste Abschätzung zeigt dann meist schon, ob sich eine Wei-terverfolgung des Projektes lohnt. In den beiden vergan-genen Jahren haben im Dienstgebiet etwa 75 individuelle Beratungen zu diesem Thema vor Ort stattgefunden, meist auf Milchviehbetrieben.

Die erste Orientierung für einen möglichen Ertrag ist der Viehbesatz eines Betriebes. Als Faustzahl kann bei Gülle eine elektrische Leistung von 15 Kilowatt je 100 Großvieheinhei-ten angenommen werden. Unsere Berechnungen orientie-ren sich an Erfahrungs- und Durchschnittswerten. Mit den betriebsindividuellen Daten lässt sich dann eine noch ge-nauere Wirtschaftlichkeitsberechnung erstellen und ver-schiedene Szenarien können durchgespielt werden.

Flächenverfügbarkeit:Wenn die Gülle- und Mistmengen für den alleinigen Be-trieb einer Anlage nicht ausreichen, muss geprüft werden, ob Fläche für Biogassubstrat zur Verfügung steht. Müssen Rohstoffe zugekauft werden, sind die zusätzlichen Nähr-stofffrachten zu beachten, die dem Betrieb zugeführt wer-den. Eventuell kann auch Gülle von benachbarten Betrieben

eingesetzt werden. Aufgrund der geringen Transportwür-digkeit der Gülle ist dies jedoch in wenigen Fällen und nur in begrenztem Umfang ein Thema. Anders verhält es sich bei Mist, der aufgrund des höheren Gaspotenzials auch et-was weiter transportiert werden kann. Viele Anlagen setzten auch Pferdemist aus umliegenden Höfen ein.

Futterverwertung:Die Anlage ermöglicht es den Landwirten, die schlechteren Siloqualitäten zu verwerten, etwa die oberste Siloschicht. So wandert das beste Futter in den Stall, was sich in der Leis-tung und der Gesundheit der Tiere bemerkbar macht. Auch Futterreste können in der Anlage eingesetzt werden.

Güllelagerraum:In vielen Betrieben steht aufgrund des knappen Güllelager-raumes oft eine Investition in eine neue Güllegrube an. In diesem Fall kann man darüber nachdenken, die geplante Grube als Endlager in eine Biogasanlage mit einzubinden. Bei reinen Gülleanlagen ist hier nach dem EEG keine gas-dichte Abdeckung notwendig. Bei 80/20er Anlagen müssen die Endlager so ausgelegt sein, dass insgesamt 150 Tage Ver-weilzeit im gasdichten Raum eingehalten werden. In diesem Fall wäre der Biogasanlage kostenmäßig nicht der gesamte Grubenbau anzurechnen, sondern lediglich die gasdichte Abdeckung sowie das nötige zusätzliche Behältervolumen.

Auch Bestandsgruben können oft in die Anlage einge-bunden und als Endlager genutzt werden. Die wasserrecht-lichen Anforderungen hierfür sind unbedingt individuell zu klären, beispielsweise mit den Fachstellen für Wasserwirt-schaft an den Landratsämtern. Weiter muss beim Thema Gülle- bzw. Gärrestelagerraum bedacht werden, dass der Bau einer Biogasanlage zukünftig das Vorhalten von neun Monaten Gärrestelagerraum erfordern könnte.

Zusätzlicher Arbeitsaufwand:Gerade Familienbetriebe in der Größenordnung über 150 GV sind arbeitswirtschaftlich ohnehin oft schon am Limit und können nur bedingt weitere Betriebsbereiche stemmen. Un-ter bestimmten Voraussetzungen, z. B. wenn der Hofnach-folger bereits auf dem Hof mitarbeitet oder der Schritt zur Fremdarbeitskraft bevorsteht, ist für neue Betriebszweige oft eher Arbeitskapazität verfügbar. Ein Vorteil kann dann sein, dass durch den Biogasbereich getrennte Verantwortungsbe-reiche mit abgrenzbaren Zuständigkeiten entstehen.

Der Arbeitsaufwand bei reinen Gülleanlagen ist meist geringer als bei 80/20 Anlagen, da die Substratwirtschaft entfällt. Abhängig von der eingesetzten Mistmenge ist hier in der Regel auch die Dauer der Beschickung der Anlage geringer. Für den täglichen Anlagenrundgang und die Kon-trolle der Daten wird meist eine halbe Stunde pro Tag aus-reichend sein. Bei den 80/20 Anlagen wird rund eine Stunde

• Maximale Anlagenleistung: 75 kW• Vergütung aktuell (3. Quartal 2016): 23,38 ct/kWh,

ohne Direktvermarktung 23,18 ct/kWh• Unterscheidung in reine Gülleanlagen und sogenann-

ten 80/20er Anlagen• Stromerzeugung am Standort der Biogasanlage (kein

Satelliten-BHKW)• Nachweis der Einsatzstoffe über Einsatzstofftage-

buch, kein Umweltgutachter• Reine Gülleanlage:

• Einsatz von Gülle, Mist und Futterresten• Gemäß EEG keine vorgeschriebene Mindestver-

weilzeit• Kein gasdichtes Endlager

• 80/20er Anlage:• 150 Tage Verweilzeit im gasdichten Raum• Maximaler Einsatz von 20 Masseprozent sonstiger

Einsatzstoffe

Infobox 1: Grundvoraussetzungen für güllebasierte Biogasanlagen

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kalkuliert. Insgesamt rechnen wir für reine Gülleanlagen etwa 300 h/a und für die übrigen Anlagen 500 h/a, mit gro-ßen Abweichungen je nach Automatisierungsgrad.

Gebäudeheizung:Für viele Betriebe war in der Tat ein entscheidender Beweg-grund für den Bau einer Biogasanlage die anstehende Inves-tition in eine neue Heizanlage. Aufgrund der großen Volu-mina, die im Fermentersystem aufgeheizt werden müssen, haben güllebasierte Biogasanlagen einen sehr hohen Ei-genbedarf an Wärme. Mit der Überschusswärme einer 75 Kilowatt-Anlage können aber in der Regel problemlos über das ganze Jahr das bestehende Betriebsleiterhaus sowie oft auch Altenteiler- oder Nachbarhäuser geheizt werden. Für den eigenen Betrieb entfallen so fast komplett die Heizkos-ten. Der eingesparte Brennstoff, oft Hackschnitzel, kann wei-terverkauft werden. Auch werden im Sommer mancherorts kleine Trocknungsanlagen mit der BHKW-Wärme betrieben.

Bei kleineren Anlagen um 30 Kilowatt reicht die verblei-bende Wärme meist auch noch aus, um das eigene Wohn-gebäude zu heizen. Dennoch empfiehlt es sich hier, die alte Heizung weiterhin betriebsbereit zu halten, um damit Spit-zen im Wärmebedarf abdecken zu können.

Was bei der Beheizung der eigenen Wohnräume mit be-dacht werden muss, ist die fällige Umsatzsteuer für die ge-nutzte Wärme, die ans Finanzamt abgeführt werden muss. Als Grundlage wird meist der aktuelle Fernwärmepreis he-rangezogen oder auch die vermiedenen Brennstoffkosten, falls die eigene Heizung noch funktionstüchtig ist.

Standortfrage:Gibt es am Betrieb einen geeigneten Standort für eine kleine Anlage? Können möglicherweise auch Bestandsgebäude als BHKW- und Technikraum mitgenutzt werden? Für die An-lage sollte ein Standort gewählt werden, der nahe am Stall ist, um kurze Leitungswege zu generieren. Ein natürliches Gefälle ist dabei von Vorteil. Beim Einsatz von Silage oder auch Siloabraum sollte darauf geachtet werden, die Fahr-wege so kurz wie möglich zu halten.

Innerbetriebliche Konkurrenz:Eine innerbetriebliche Konkurrenz zur Tierhaltung durch den Bau einer kleinen Biogasanlage sollte vermieden wer-den. Diese ist nach wie vor das Hauptstandbein der Betriebe. Falls Nachwachsende Rohstoffe in der Anlage eingesetzt werden, darf keine Flächenkonkurrenz im Betrieb auftre-ten bzw. durch die Verknappung des Faktors Fläche die weitere betriebliche Entwicklung behindert werden. Man muss sich bewusst sein, dass die Anlage für mindestens 20 Jahre betrieben werden muss. Für diese Zeit sollten auch die Viehhaltung und die Flächenausstattung nach Möglichkeit

gesichert sein. Zudem darf die vergleichsweise hohe Inves-titionssumme den Betrieb nicht in seiner weiteren Entwick-lung hemmen.

Gülleuntersuchung:Die theoretischen Gaserträge, die in der Berechnung an-genommen werden, weichen in der Realität oft von diesen Werten ab. Für eine genauere Abschätzung ist es notwendig, die eigene Gülle analysieren zu lassen. Gerade der TS-Ge-halt schwankt meist stark, abhängig von Wassereinsatz im Betrieb. Der Gasertrag ist auch stark von der Milchleistung und der Menge an eingesetztem Kraftfutter abhängig. Für eine Biogasanlage ist es am besten, wenn die Gülle so frisch wie möglich zugeführt wird. Der Gasertrag kann so kom-plett für die Biogasproduktion verwendet werden. Gülle aus Schieber entmistung hat daher tendenziell ein höheres Gas-potential als Gülle, die zuvor noch einige Zeit in Güllekellern oder Kanälen liegt und dort schon teilweise ausgast.

Bauherrenmodell oder Komplettanbieter?Beim Bau einer solchen Anlage entscheiden neben den Roh-stoffkosten und dem Gasertrag vor allem die Investitions-kosten über die Wirtschaftlichkeit. Bei einer 75 Kilowatt-An-lage bedeuten 50 000 Euro Mehrkosten einen verminderten Gewinnbeitrag von etwa 5 000 €/Jahr. Beim Bau selbst sollte aber unbedingt, wie in anderen Bereichen auch, auf einen gewissen Standard geachtet werden, damit die Anlage zu-verlässig läuft.

Bei einem Komplettanbieter bekommt man eine schlüs-selfertige Anlage, bei deren Bau sich das beauftragte Unter-nehmen komplett um alles kümmert. Gerade für Betriebe, die keine freie Arbeitskapazität für den Bau haben, ist das oft ein entscheidender Faktor. Der schlüsselfertige Bau schlägt sich auch im Anlagenpreis nieder. Dieser ist mit etwa 6 000 bis 8 000 €/kW installierter elektrischer Leistung deutlich über dem der Bauherrenmodelle. Wenn Anlagen nach die-sem Modell gebaut werden, handelt es sich meist um 75 Kilowatt-Anlagen. Wichtig ist zu erwähnen, dass bei fast al-len Biogasanlagenherstellern Eigenleistung in einem vorher definierten Umfang eingebracht werden kann, was die Bau-kosten auch hier entsprechend verringert.

Echte Bauherren-Modelle sind in der Regel günstiger, allerdings ist der Landwirt bei diesem System selbst stär-ker gefordert. Das heißt nicht, dass er die Anlage komplett selber baut, wohl aber dass er in die Organisation des Anla-genbaus und auch in den Bau selbst meist wesentlich stär-ker eingebunden ist. In der Regel beauftragt man eine Pla-nungsfirma, die alle Unterlagen erstellt und den Landwirt beim Bau begleitet. Die Kosten bei einer 75 Kilowatt Anlage liegen dann etwa bei 4 500 €/kW bis 6 000 €/kW installierter elektrischer Leistung.

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Welche Betriebe bauen? Die Betriebe, die sich auf unsere Beratung hin für den Bau einer kleinen, güllebasierten Anlage entschieden haben, sind genauso verschieden wie ihre geplanten Anlagen. Da-bei bauen nicht unbedingt nur die viehstärksten Betriebe. Für viele Betriebe passt eine Anlage gut in ihr Konzept, da sie häufig neben den anfallenden Güllemengen auch über hohe Mistanteile verfügen, beispielsweise weil das Jungvieh auf Tretmist steht oder auch Bullen gemästet werden. An-dere Betriebe möchten gerne investieren, aber die Viehhal-tung nicht weiter ausbauen. Ein 90-Kuh Betrieb mit kleiner Bullenmast baute so beispielsweise eine 50 Kilowatt Gülle-anlage. Möglich machen diese Leistung die hohen Mistmen-gen, die am Betrieb anfallen. Bei so einer Konstellation sind die Baukosten entscheidend, weshalb diese Anlage von ei-

nem freien Planungsbüro geplant und als Bauherrenmodell gebaut wurde. Neu gebaut wurde hier ein Fermenter, in dem der ganze Biogasprozess abläuft. Die bestehenden Gruben werden als offene Endlager genutzt, da zumindest gemäß EEG keine Mindestverweilzeit eingehalten werden muss.

Ein weiterer großer Milchviehbetrieb hatte bereits im vergangenen Jahr eine große Güllegrube gebaut, die auch den Anforderungen an ein Biogas-Endlager gerecht wird. Diese Grube wird nun in die Anlage eingebunden und mit einem Tragluftdach gasdicht abgedeckt, um die geforder-ten 150 Tage Verweilzeit im gasdichten System einzuhalten. Durch den Einsatz von etwas Gras- und Maissilage wird eine Leistung von 75 Kilowatt erreicht.

Ein Milchviehbetrieb mit etwa 250 GV möchte die Anlage lediglich zur Gülleaufwertung verwenden und aufgrund der

Christian Sonderhauser hat zusammen mit seinem Sohn Matthias innerhalb eines halben Jahres eine 75 Kilowatt Biogasanlage nach dem sogenannten „Rosenheimer Modell“ realisiert. Der Betrieb der Familie befindet sich in Engelsberg im Landkreis Traun-stein und hat neben einer Bullenmast mit 100 Plätzen etwa 30 Pensionspferde auf dem Betrieb untergebracht. Auf den ersten Blick schien der Betrieb nicht unbedingt für den Bau geeignet zu sein, da die Gülle- und Mistmengen zu gering erschienen und damit verbundene Substratpreise die Rentabilität in der Planungsrechnung stark schmälerten. Christian und Matthias ließ die Idee einer Biogasanlage jedoch nicht los, und so besichtigten sie viele verschiedene Anlagen, holten Angebote ein und überlegten sich, wie die Anlage für sie am besten umgesetzt werden kann.Matthias Sonderhauser ist Elektriker, in seiner Hand lag die Organisation der Baumaßnahme. Durch eine hohe Eigenleistung und den Verzicht auf eine übermäßige technische Ausstattung konnte der Bau so kostenmäßig gut im Rahmen gehalten werden. Bei-spielsweise wurde auf eine große Visualisierung der Anlage verzichtet, das BHKW wurde gebraucht gekauft und in ein Bestands-gebäude integriert. Der Fermenter ist mit einer Biolene-Folie gasdicht abgedeckt, eine günstigere Alternative zu einer Betondecke. So kamen Kosten von etwa 4 700 €/kW netto zu Stande, die Anschaffung eines neuen Trafos inbegriffen.Die Biogasanlage ist kurz vor Weihnachten 2015 störungsfrei in Betrieb gegangen und wird derzeit mit etwa 90 Prozent Mist und Gülle betrieben. Die restlichen Einsatzstoffe sind Maissilage und Getreideschrot. Täglich ist Matthias Sonderhauser etwa eine Stunde mit der Anlage beschäftigt. Vergleichbare Lösungen können sicher nicht auf jedem Betrieb umgesetzt werden. Dennoch zeigt die Familie, dass sich auch unter schwierigeren betrieblichen Voraussetzungen eine kleine Biogasanlage realisieren lässt.

Infobox 2: Mit hoher Eigenleistung und Engagement eine Anlage realisiert

→ Die umgesetzte Anlage der Familie Sonderhauser → Christian und Matthias Sonderhauser vor ihrer Biogasanlage

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ohnehin knappen Flächenausstattung gänzlich auf Subst-rateinsatz verzichten. Auch zusätzliche Nährstoffe können im Betrieb nur schwer untergebracht werden. Zudem soll eine innerbetriebliche Konkurrenz vermieden werden, da-mit die Biogasanlage nicht die weitere Entwicklung in der Milchwirtschaft behindert. Mit dem Einsatz von Gülle, et-was Mist und den Futterresten wird der Betrieb eine 40 Ki-lowatt-Anlage betreiben. Der bauliche und finanzielle Auf-wand ist geringer als bei den übrigen Anlagen, da auch hier lediglich ein Fermenter gebaut werden muss, und die beste-henden Gruben als Gärrestelager genutzt werden können.

Sehr viehstarke Betriebe, oft Betriebsgemeinschaften, bringen aufgrund der hohen Güllemengen sehr gute Vor-aussetzungen für einen wirtschaftlichen Betrieb mit. In vie-len Fällen ist meist eine weitere Güllegrube ohnehin eine sinnvolle Ergänzung für den Betrieb. Hier werden in der Regel ein kompakter Fermenter und ein großes Endlager gebaut, dessen Volumen komplett auf die Lagerdauer an-gerechnet werden kann. Um vor allem die Festkosten der Anlage zu verdünnen, werden dann meist 75 Kilowatt in-stalliert. Die fehlende Gasmenge wird durch den Einsatz von geringen Silagemengen generiert. Diese Anlagenkonstella-tion ist oft wirtschaftlich sehr interessant.

Geplante Anlagenleistung ist oft entscheidend ...Es gibt keine generelle Aussage darüber, wer welche Anlage baut bzw. mit welchem Anlagenbauer am häufigsten ge-baut wird. Tendenziell fällt aber auf, dass kleinere Anlagen bis etwa 50 Kilowatt meist nach einem Bauherrenmodell er-richtet werden. Der Grund dafür liegt wohl in den Investiti-onskosten. Gerade bei kleineren Anlagen kann bzw. sollte man nicht teuer bauen, da die Wirtschaftlichkeit schnell negativ werden kann. Auch technisch können die reinen Gülleanlagen meist einfacher gehalten werden. Beim Gru-benbau reicht oft ein Fermenter aus, da bestehende Gru-ben als offene Endlager genutzt werden können. Bei einer Anlagenleistung von 75 Kilowatt werden öfters auch Kom-plettanbieter beauftragt. Der schlüsselfertige Bau und der damit verringerte Arbeitsaufwand ist für die Betriebe oft ein wichtiger Faktor.

THERESA STREIBL AMT Für ErNÄHrUNg, LANDWIrTSCHAFT UND FOrSTEN [email protected]

Die Betriebsgemeinschaft Kochelseemilchhof befindet sich in Schlehdorf im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Der Betrieb hat etwa 220 Milchkühe mit weiblicher Nachzucht. Die Biogasleistung soll hauptsächlich aus der Gülle und dem Mist kommen – zusam-men über 7 000 m³. Da die landwirtschaftlich genutzte Fläche hauptsächlich Grünland mit einigen Streuwiesen ist, wird die Fläche für die Futtermittelerzeugung benötigt. Die Anlage soll daher mit Futterresten und geringen Mengen an Grassilage auskommen und keinesfalls zur Futterkonkurrenz der Milchproduktion werden.Das Konzept erstellte eine Planungsfirma aus München. Aufgrund der hohen innerbetrieblichen Arbeitsbelastung entschied sich die Kochelseemilchhof GbR für die Vergabe der wesentlichen Bauab-schnitte. Derzeit befindet sich die Anlage in der Anfahrphase. Es ist zu erwarten, dass sie ausschließlich mit Gülle, Mist und den anfal-lenden Futterresten betrieben werden kann. Die Anlage selbst ist aber als 80/20 Anlage errichtet und genehmigt. Die größte Her-ausforderung bei der Planung war die Standortfindung, da die Hofstelle aufgrund der Flächenbesitzverhältnisse relativ eingeengt ist. Der Gasspeicher musste daher in einem Hochsilo untergebracht werden. Andernfalls hätten die notwendigen Abstände zu den angrenzenden Grundstücken nicht eigehalten werden können. Der Bau selbst dauerte etwa sechs Monate und wird sich auf etwa 6 600 €/kW belaufen. Auch in diesem Fall musste zusätzlich in einen neuen Trafo investiert werden. Aufgrund der großen Gülle-mengen sind bei dieser Anlage natürlich deutlich größere Behältervolumina erforderlich. Das treibt die Baukosten und damit die Festkosten im Vergleich zum ersten Umsetzungsbeispiel nach oben. Weil aber hier aufgrund der großen Gülle- und Mistmengen quasi keine Zufütterung erfolgen muss, sind die Rohstoffkosten sehr gering. Das beeinflusst die Wirtschaftlichkeit sehr positiv.

Infobox 3: Betrieb mit großem Viehbestand setzt auf mehr Unterstützung beim Bau

→ Die Anlage der Kochelseemilchhof GbR

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Man – Einer – Jemand müsste …Rapsölkraftstoff als Chance begreifen – ein Kommentar

von DR. EDGAR REMMELE: Es ist nahezu unumstritten, dass der Einsatz von Biokraftstoffen in der Land- und Forstwirtschaft mehr Chancen als Risiken mit sich bringt, notwendig und sinnvoll ist. Doch mangelt es an Initiative, Anreizen bzw. anderweitigen Rahmenbedingun-gen, um Schritt für Schritt die Kraftstoffversorgung umzustellen. Individuelle Verantwortung wird häufig nicht übernommen, Zuständigkeit wird anonymisiert oder verdrängt. Höchste Zeit, dass sich alle Beteiligten ihrer Aufgaben bewusst werden und sich gemeinsam auf den Weg machen, die Kraftstoffversorgung der Land- und Forstwirtschaft auf Biokraftstoffe um-zustellen.

„Man“ müsste eigentlich Rapsölkraftstoff fahren, um un-seren Kindern und Enkeln Lebensbedingungen zu hin-terlassen, die mit den heutigen noch vergleichbar sind. Rapsölkraftstoff würde ja auch in den Land- und Forst-maschinen eingesetzt, wenn „einer“ dafür sorgen würde, dass es nicht teurer als mit Agrardiesel wird und es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen gegenüber Landwirten aus anderen Staaten der EU kommt. „Jemand“ muss es nur wol-len, dann würden auch mehr Land- und Forstmaschinen mit Biokraftstoff-Freigaben entwickelt und am Markt ange-boten. – Doch was stellte schon Axel Hacke [1], Kolumnist des SZ-Magazins, fest: Immer, wenn sie was tun müssten, sind Herr Man, Frau Jemand und Fräulein Einer wie vom Erdboden verschluckt!

Viele Vorteile für RapsölkraftstoffEs besteht kaum Zweifel, Rapsölkraftstoff ist für den Einsatz in der Land- und Forstwirtschaft prädestiniert: Er bringt eine hohe Energiedichte mit und beansprucht deshalb nur ge-ringfügig mehr Tankvolumen als Dieselkraftstoff. Er redu-ziert Treibhausgasemissionen im Vergleich zu Dieselkraft-stoff um 80 Prozent und schont Boden und Gewässer bei Havarien. Rapsölkraftstoff wird aus heimischer Ölsaat pro-duziert, ermöglicht dadurch eine krisensichere Nahrungs-mittelproduktion und höhere Wertschöpfung im ländlichen Raum. Außerdem ist das bei der Ölgewinnung entstehende Koppelprodukt ein willkommenes Eiweißfuttermittel, das importiertes Sojaschrot ersetzt. Nicht zuletzt ist Rapsölkraft-stoff im Vergleich zu anderen klimaschonenden Kraftstoffen äußerst preiswert.

Agieren statt reagierenMit dem Wissen, dass gerade die Landwirtschaft beson-ders vom fortschreitenden Klimawandel betroffen ist, und der Tatsache, dass Land- und Forstwirte seit jeher die Not-wendigkeit nachhaltigen Wirtschaftens wie kaum eine an-dere Berufsgruppe verinnerlicht und vorgelebt haben, wäre nichts selbstverständlicher, als dass sie mit gutem Beispiel

voranschreiten und in eigenem Interesse die Kraftstoffver-sorgung auf Biokraftstoffe Schritt für Schritt umstellen. Je-doch ist der Prozess ins Stocken geraten. Nachhaltig pro-duzierte Biokraftstoffe sind verständlicherweise teurer als die aus der Erde geplünderten fossilen Energieträger. Kost-bare Zeit zur Eindämmung der Folgen des Klimawandels verstreicht, in der Hoffnung, dass sich alles von selbst regelt, wenn nur die fossilen Kraftstoffe knapper und damit teurer werden.

„Man“, „Einer“ und „Jemand“ verkennen zum Teil ihre individuelle Verantwortung, verstecken sich in der Anonymität und verlassen sich häufig darauf, dass jeweils der andere den ersten Schritt macht.

Solche Situationen lösen sich entweder dadurch auf, dass die Eigenverantwortung erkannt oder, dass der Leidens-druck zu groß oder, dass durch Sanktionen von außen ein Handeln erzwungen wird. Die Erfahrung lehrt, dass insbe-sondere die letzte Option für die Akteure zumeist sehr un-befriedigend ist. Agieren statt reagieren sollte die Devise für die Land- und Forstwirtschaft sein.

Man, Einer und Jemand tragen VerantwortungDie Landwirtschaft steht zunehmend als Verursacher von klimawirksamen Gasen in der Kritik. Spezifische Zielvorga-ben für die Landwirtschaft zur Treibhausgasreduktion sind bereits festgelegt. Der schrittweise Ersatz von Dieselkraft-stoff durch Rapsölkraftstoff geht in die richtige Richtung und ist zudem mit hoher gesellschaftlicher Akzeptanz und vielen Chancen über den Klimaschutz hinaus verbunden. „Man“ – Land-, Forstwirte und Lohnunternehmer – kön-nen heute bereits biokraftstofftaugliche Maschinen kau-fen und Biodiesel wie auch Rapsölkraftstoff in den jeweils freigegebenen Maschinen sofort einsetzen – „Man“ muss

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es nur tun. Die Frage, was es einem persönlich wert ist, diesen Beitrag zum Wohl der Allgemeinheit – Teil davon sind auch die Familien, die von Land- und Forstwirtschaft leben – zu leisten, muss jeder für sich selbst entscheiden. Beispielsbetriebe, vor allem in den neuen Bundesländern mit eigener Rapserzeugung und -verarbeitung, Rapsöl-kraftstoff- und Presskuchennutzung, zeigen, dass selbst bei den gegenwärtig niedrigen Mineralölpreisen dieses Wirtschaften in regionalen Stoffkreisläufen rentabel ist. Aber auch die Repräsentanten des Berufstands können handeln, indem sie, neben den tagesaktuell zweifelsfrei wichtigen Debatten zu Tierwohl, Glyphosat und Dünge-verordnung etc., das Thema nachhaltige Kraftstoffversor-gung bei ihren Mitgliedern, bei den Partnerorganisationen in anderen EU-Staaten, bei politischen Entscheidungsträ-gern und gegenüber der Gesellschaft kommunizieren und notwendige Rahmenbedingungen für den Biokraft-stoffeinsatz vorschlagen und einfordern. Unter diesen Voraussetzungen fällt es „Einem“, der die politische Ver-antwortung trägt, leichter, den politischen Rahmen neu abzustecken. Der Parlamentarier, der Rückendeckung aus seiner Wählerschaft verspürt, wird Initiative ergreifen. Für eine EU-weit harmonisierte Energiesteuer für (Agrar-)kraftstoffe, die den Einsatz von klimaschonenden Kraft-stoffen und Antriebssystemen begünstigt, besteht Hand-lungsbedarf. Forschungsförderung zur Weiterentwick-lung und Optimierung der Biokraftstoff-Technologien im Off-Road-Sektor hilft Hemmschwellen bei der Land- und Forstmaschinenindustrie zu überwinden, schafft bei den Anwendern Vertrauen und beschleunigt den Umbau der Kraftstoffversorgung. Nicht zuletzt steht auch „Jemand“ – der Geschäftsführer des Industrieunternehmens – in der Pflicht, klimafreundliche Antriebssysteme zu entwickeln, die in der Handhabung und Betriebssicherheit, bei Einhal-tung aller gesetzlichen Emissionsanforderungen, der Die-sel-Technik in nichts nachstehen. Neben der gesellschaft-lichen Verantwortung zum Klima- und Ressourcenschutz, der auch die Unternehmen unterliegen, sind drohende

Sanktionen einer Klimagas-Einsparungsverpflichtung für Off-Road-Maschinen möglicher Auslöser, den ersten Schritt zu tun.

Höchste Zeit also, dass sich, bevor Sanktionen verhängt werden, „Man“, „Einer“ und „Jemand“ ihrer individuellen Ver-antwortung bewusst werden und sich gemeinsam auf den Weg machen, die Kraftstoffversorgung der Land- und Forst-wirtschaft auf nachhaltige Biokraftstoffe umzustellen – eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten ist sicher.

Literatur[1] AXEL HACKE: Die Christbaumkugel. In: Das Beste aus

meinem Leben. Verlag Antje Kunstmann, 2006.

DR. EDGAR REMMELE TECHNOLOgIE- UND FÖrDErZENTrUM IM KOMPETENZZENTrUM Für NACHWACH-SENDE [email protected]

Pflanzenöltraktoren haben in Prüfstands- und Feldversu-chen des Technologie- und Förderzentrums einen hohen Entwicklungsstand unter Beweis gestellt. Nähere Informa-tion finden Sie unter anderem in den kürzlich erschiene-nen TFZ Berichten Nr. 44 und 47. Download unter www.tfz.bayern.de. Diese aktuellen Forschungsarbeiten wurden vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Me-dien, Energie und Technologie sowie vom Bundesministe-rium für Ernährung und Landwirtschaft finanziert.

Im Dezember 2015 und Januar 2016 sind die aktualisierten Normen DIN 51623 und DIN 51605 für Pflanzenölkraftstoff bzw. Rapsölkraftstoff erschienen, in denen die Anforderun-gen an die Kraftstoffqualität unter Berücksichtigung von Abgasnachbehandlungssystemen festgelegt sind. Die Nor-men sind zu beziehen unter www.din.de.

Seit vielen Jahren wird auf den Versuchsgütern des Staats-ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit gutem Beispiel voran gegangen und werden bevor-zugt Pflanzenöl-Traktoren beschafft. Die Flotte umfasst derzeit 17 Pflanzenöltraktoren der Abgasstufen I bis IV. Das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie fördert derzeit in Bayern über das Förderprogramm RapsTrak200 die Anschaffung pflanzenöl-tauglicher Traktoren. Mehr Informationen zum Förderpro-gramm und Antragsformulare finden Sie unter www.tfz.bayern.de/rapstrak200.

Infobox: Informationen zu Prüfstands- und Feld-versuchen, DIN-Normen, Förderung

→ Der Teller-Tank-Gewerbesteuer-Konflikt (Foto: Dr. Remmele, TFZ)

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Senioren-Wohnen auf dem BauernhofEine Einkommensalternative für landwirtschaftliche Betriebe mit Sinn für soziales Unternehmertum und leer stehender Bausubstanz

von CLAUDIA OPPERER: Die demographische Entwicklung hin zu einem höheren Anteil an älteren Menschen in unserer Gesellschaft, die Zunahme der Singlehaushalte in den vergange-nen Jahrzehnten, das lockerer Werden von familiären Beziehungen und nachbarschaftlichen Netzwerken hat dazu geführt, dass immer mehr Menschen für das Alter nach einer neuen Wohnsituation suchen. Dabei sollen nicht nur die Wohnbedürfnisse erfüllt werden, sondern auch ein Netz an Sicherheit und Geborgenheit bestehen. Inwiefern landwirtschaftliche Be-triebe geeignet sind, diesen Anforderungen gerecht zu werden, und ob ein Einkommens-potenzial für den Betrieb vorhanden ist, soll der Artikel beleuchten.

Erfahrungen aus dem Beratungsalltag„Wir sind ein Ehepaar, das lange Jahre in den USA gelebt hat und nun seinen Lebensabend im Chiemgau verbringen will. Wir lieben beide das Leben in der Natur und möchten auf ei-nem Bauernhof unseren Lebensabend verbringen. Können Sie uns Adressen vermitteln?“

„Ich bin Single und möchte nicht eines Tages nach meh-reren Monaten mehr oder weniger zufällig in meiner Woh-nung tot aufgefunden werden. Deshalb suche ich für das Alter eine Wohnsituation auf einem Bauernhof. Noch bin ich rüstig und würde auch gerne meine Mithilfe anbieten“

So oder ähnlich lauten die Anfragen, die am Fachzent-rum Diversifizierung in Rosenheim eingehen und ein Schlag-licht darauf werfen, welche Personengruppe die Nachfrage nach Wohnraum speziell auf dem Bauernhof sucht. Gefragt ist nicht nur ein Vermieter von Wohnraum, sondern auch das soziale Netz, das eine landwirtschaftliche Familie bie-ten kann, und die Geborgenheit in einer überschaubaren Gemeinschaft.

„Es wird nach einem geschaut.“

Oft werden auch die bisherige Wohnung und ihr Umfeld als zu groß empfunden. Die Familie ist geschrumpft oder die Intensität der sozialen Beziehungen hat sich verändert, so dass ein Haus, eine große Wohnung, ein ausgedehnter Gar-ten zur Belastung werden.

Die Nachfrager wünschen sich ein naturnahes Umfeld, möchten Umgang mit Tieren haben, lieben es, ein Stück Gar-ten selbst zu bewirtschaften, möchten Kontakt mit Gleich-gesinnten haben und suchen vor allem die Sicherheit, nicht in der Anonymität einer Stadt zu vereinsamen. Das „Notfall-

netz“, das in der landwirtschaftlichen Familie gesehen wird, ist sehr wichtig.

Zugleich besteht der Wunsch, selbstbestimmt zu leben, sich jedoch exakt die Hilfe zu holen, die in der jeweiligen Le-benssituation nötig ist, z. B. Hilfe in der Haushaltsführung, me-dizinische und pflegerische Hilfe, Versorgung mit Mahlzeiten.

Die Nachfrager kommen meist nicht aus der näheren Umgebung, sondern suchen sich für den neuen Lebens-abschnitt des Alters ganz bewusst ein neues Umfeld. Die Erfahrungen auf Reisen, im Urlaub oder die ursprüngliche Herkunft spielen dabei eine Rolle.

Ressourcen eines landwirtschaftlichen BetriebsIn der Regel wird ein landwirtschaftlicher Betrieb keine Heimsituation schaffen wollen und können. Die Abgrenzung zwischen stationären Pflegeeinrichtungen und betreuten Wohnformen geht aus dem Pflege-Wohn-Qualitätsgesetz (PfleWoqG) hervor. Zwei wichtige Kriterien sind:

→ die Selbstbestimmung der Mieter/-innen, die sich in ei-nem Gremium der Selbstbestimmung organisieren und

→ die freie Wählbarkeit von Dienstleistungsanbietern für Zusatzleistungen, d. h. jeder Dienstleister ist Gast und unterhält sein Büro nicht im selben Gebäude.

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• Seniorenhausgemeinschaft, • Seniorenwohngemeinschaft,• Betreutes Wohnen (auch Service-Wohnen oder ambu-

lant betreutes Wohnen),• ambulant betreute Wohngemeinschaft (abWG), und

Pflege-Wohngemeinschaft (Pflege-WG).

Infobox 1: Denkbare Wohnformen für Seniorenwohnen auf dem Bauernhof

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Grundleistungen sind allgemeine Betreuungsleistungen wie:• Hausnotruf,• Hilfe bei Vermittlung von Dienst- und Pflegeleistungen

(Zusatzleistungen),• Information und Beratung,• Hausmeisterservice,• eventuell Betreuungskraft mit Sprechzeiten,• eventuell Hausnotruf (Zusammenarbeit mit Trägern der

Wohlfahrtspflege wie BRK, Caritas, Diakonie).

Das Pauschalpaket der Grundleistungen ist im Mietver-trag enthalten. Je kleiner das Paket an Grundleistungen ist, umso individueller kann der Bewohner sein Miet- und Be-treuungspaket gestalten. Und umso „günstiger“ errechnen sich die monatlich fixen Ausgaben für Wohnen.

Zusatzleistungen• hauswirtschaftliche Dienstleistungen (Einkaufshilfe,

Wohnungsreinigung, Wäschedienst, Versorgung mit Mahlzeiten…),

• pflegerische und therapeutische Dienste,• Fahr- und Bringservice,• Besuchs- und Begleitdienste (auch Einbindung von Eh-

renamt möglich).

Die Zusatzleistungen müssen frei wählbar sein und sind nicht pauschal im Mietvertrag enthalten. Pflegedienste und therapeutische Dienste dürfen nur von zugelassenen Pflegediensten erbracht werden.

Infobox 2: Grund- und Zusatzleistungen beim Betreuten Wohnen auf dem Bauernhof

Die Ressourcen, über die landwirtschaftliche Betriebe im Einzelfall verfügen, sind:

→ landschaftlich schöne Lage, → freie Gebäudekapazitäten, die den Einbau von Woh-

nungen mit genügend Bewegungsflächen ermög-lichen,

→ vorhandene Flächen, um Wohn- und Nutzgarten anzubieten mit der Möglichkeit in unterschiedlicher Intensität darin tätig zu sein,

→ Bewegungsflächen im Wohnumfeld für Freizeitakti-vitäten,

→ Möglichkeit, eigene Tiere mitzubringen oder Kon-takt zu Tieren zu haben,

→ eine Tätigkeit auszuüben, die der Bewohner aus sei-nem früheren Leben kennt.

Neben diesen materiellen Voraussetzungen muss die Fa-milie bereit sein, Ansprechpartner für ältere Menschen zu sein, es muss eine positive Einstellung zu älteren Menschen vorhanden sein. Ferner kann die bäuerliche Familie Infor-mationsdrehscheibe sein, wenn es um die Vermittlung von Dienstleistungen geht. Dabei steht lediglich die Hilfe bei der Vermittlung im Mittelpunkt, nicht die Entscheidung darüber, welcher Dienstleister in Anspruch genommen wird. Die Ei-genständigkeit und Selbstbestimmung der Bewohner, bzw. deren Betreuer steht an oberster Stelle. Denkbare Wohnfor-men zeigt Infobox 1.

Für bäuerliche Familien, die sich mit dem Gedanken tra-gen, Anbieter im Bereich Senioren-Wohnen auf dem Bauern-hof zu werden, ist es sinnvoll, frühzeitig mit den Ansprech-partnern an den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kontakt aufzunehmen. Ebenso empfiehlt es sich, Informationen bei der FQA-Stelle am zuständigen Landrats-amt einzuholen. Darüber hinaus ist die Koordinationsstelle für Wohnen im Alter ein wichtiger Ansprechpartner, wenn es um die Erörterung des Bedarfs, die Abklärung der Markt- und Konkurrenzsituation und um Förderungen seitens der Ministerien für Arbeit und Soziales, bzw. Gesundheit und Pflege geht (Infobox 3).

SeniorenhausgemeinschaftenDiese Wohnform richtet sich an aktive Senioren, die in eige-nen, abgeschlossenen Wohnungen wohnen und Gemein-schaftsräume gemeinsam nutzen. Die Gemeinschaft ist auf gegenseitige Unterstützung und Hilfe ausgelegt mit dem Ziel, möglichst lange selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden zu leben.

Der Landwirt tritt hier lediglich als Vermieter von alters-gerecht ausgestattetem Wohnraum auf. Außerdem kann die bäuerliche Familie Ansprechpartner und Moderator beim gegenseitigen Kennenlernen der Mieter sein, beim Ein-holen von Informationen und dem Vermitteln von Dienst-leistungen. Die Einkommenserzielung geschieht über den

Mietpreis. Falls die bäuerliche Familie Dienstleistungen, z. B. hauswirtschaftliche Versorgung anbietet, geschieht dies in Konkurrenz zu anderen Anbietern. Dieses Angebot ist nicht Bestandteil des Mietvertrages. Es wird im gegebenen Fall als eigenständige Auftragsvergabe abgerechnet.

Die Senioren-WohngemeinschaftHier mieten Senioren als Gemeinschaft eine abgeschlossene, (barrierearme bzw. barrierefreie) Wohnung, in welcher jeder Bewohner ein Zimmer zur eigenen Verfügung hat, eventu-ell mit eigenem Sanitärbereich. Daneben gibt es Gemein-schaftsräume in der Wohnung, die gemeinsam genutzt wer-den. Dies sind in der Regel ein gemeinsamer Wohnraum, Küche und ein barrierefreies Bad. Der Unternehmer (Land-wirt) schließt einen Mietvertrag mit jedem Mieter ab, dieser beinhaltet die Miete für den individuellen Wohnraum und die anteilige Miete für Gemeinschaftsräume. Ein einziger Miet-vertrag mit der Gemeinschaft wäre aus Anbietersicht güns-tiger, wird jedoch den Nachfragern von den einschlägigen

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Stellen nicht empfohlen. Scheidet ein Mieter/-in aus, hat die Gemeinschaft ein Mitspracherecht bei der Neuvermietung. Das Einkommenspotenzial dieses Angebots und die Nach-frage nach dieser Wohnform ist auf landwirtschaftlichen Be-trieben eher gering. Senioren-WGs werden eher in hochprei-sigen Wohnlagen nachgefragt, um die Mietkosten für den einzelnen Mieter/-in zu senken (siehe Infobox 2).

Betreutes Wohnen in eigenen WohnungenHier leben Senioren in eigenen, abgeschlossenen, barriere-armen, bzw. barrierefreien Wohnungen oder Appartements. Für Grundleistungen kann zusätzlich zur Miete im Mietver-trag eine Vergütung vereinbart werden. Die Zusatzleistun-gen müssen frei wählbar sein und werden außerhalb des Mietvertrages vergütet. Die Einkommenserzielung für die bäuerliche Familie geschieht über die Miete und die Pau-schale für Grundleistungen (siehe Infobox 2).

Ambulant betreute Wohngemeinschaften (abWG)Die sog. abWG stellen die höchsten Anforderungen an den landwirtschaftlichen Betrieb und die Familie. Hier leben pfle-gebedürftige Menschen aller Pflegestufen in einer Wohnge-meinschaft zusammen. Aus rechtlichen Gründen (PfleWoqG) ist die Anzahl der Bewohner auf zwölf Personen beschränkt. Zu empfehlen sind acht bis zehn Personen. Die Pflegebedürf-tigen leben in einer häuslichen Gemeinschaft zusammen, als Alternative zur stationären Versorgung in einem Heim.

Der Landwirt bietet eine großzügig bemessene Wohnung an, die jedem Bewohner ein eigenes Zimmer gegebenen-falls mit eigenem Bad bzw. Sanitärbereich bietet. Darüber hinaus stehen Gemeinschaftsräume zur Verfügung. Die Ein-nahmen für den Landwirt resultieren aus dem Mietpreis, der in Konkurrenz zu den Angeboten eines Pflegeheimes steht. Die Grundleistungen werden zusätzlich zur Miete vereinbart und erhöhen den Preis des Gesamtangebotes. Im Mietpreis niederschlagen muss sich jedoch auch das erhöhte Wohnflä-chenangebot pro Person für den Individualbereich und den Gemeinschaftsbereich.

Auch bei dieser Angebotsform steht die Selbstbestim-mung der Mieter, bzw. der Angehörigen im Vordergrund. Die Mieter/-innen bilden ein Gremium der Selbstbestimmung. Dieses trifft die Entscheidungen über die Inanspruchnahme von Zusatzleistungen.

Alle Dienstleister müssen „Gast“ in der abWG sein. Somit dürfen innerhalb der abWG keine Büroräume eines Pflege-dienstes oder eines hauswirtschaftlichen Dienstes unterge-bracht sein. Führt z. B. ein Mitglied der bäuerlichen Familie einen Hauswirtschaftlichen Fachservice oder einen Pflege-dienst, müssen diese räumlich von der abWG getrennt sein. Die Inanspruchnahme darf nicht im Mietvertrag enthalten sein, Vermieter und Dienstleister müssen getrennte Unter-nehmen sein. Grundsätzlich ist die abWG, organisatorisch und wirtschaftlich selbstständig.

Mehr als zwei abWG des gleichen Initiators (Träger, Ver-mieter) dürfen nicht in unmittelbarer Nähe sein. Das bedeu tet für einen Landwirt als Anbieter, dass er maximal zwei Wohngemeinschaften mit je acht bis zehn Plätzen (maxi-mal 12) anbieten kann. Nicht zu unterschätzen sind in jedem Falle die Auflagen des Brandschutzes

Positive Grundeinstellung entscheidendZusammenfassend lässt sich sagen, dass für die ein oder an-dere landwirtschaftliche Familie das Senioren-Wohnen auf dem Bauernhof eine Einkommensalternative oder zusätzli-che Einkommensquelle darstellt, wenn die positive Grund-einstellung zur Zielgruppe in der Familie vorhanden ist. Die Nachfrage ist gegeben, allerdings sind die Investitionen je nach vorhandener Bausubstanz beachtlich. Weitere Hürden können in der Baugesetzgebung, im § 35 BauGB, Bauen im Außenbereich begründet sein, sowie vor allem beim Betreu-ten Wohnen in den Anforderungen an den Brandschutz.

Die Rentabilität steht und fällt mit der Höhe der Umbau-kosten und den erzielbaren Mieteinnahmen. Dabei kann sich die Miete nicht nur an dem ortsüblichen Mietpreis für „nor-male“ Wohnungen orientieren, sondern muss höher sein, da ein großzügiger Zuschnitt der Wohnungen/Appartements und eine aufwendigere Ausstattung honoriert werden müs-sen. Die Landwirtsfamilie hat jedoch den Vorteil gegenüber anderen Anbietern, bereits über ein Baugrundstück zu ver-fügen, sowie evtl. über ein vorhandenes Gebäude. Dies ist ein Wettbewerbsvorteil gegenüber einem nicht-landwirt-schaftlichen Unternehmer.

Literatur bei der Autorin.

CLAUDIA OPPERER AMT Für ErNÄHrUNg, LANDWIrTSCHAFT UND FOrSTEN rOSENHEIM FACHZENTrUM DIVErSIFIZIErUNg UND [email protected]

• FQA-Stellen (Fachstellen für Pflege- und Behindertenein-richtungen – Qualitätsentwicklung und Aufsicht – früher Heimaufsicht) an den zuständigen Landratsämtern

• Koordinationsstelle Wohnen im Alter: www.wohnen-alter-bayern.de

• Fachzentren L3.11 in Neustadt/Saale (Karl-Heinz Suhl), Uffenheim (Ulrike Buchner) und Rosenheim (Claudia Opperer), sowie die Ansprechpartner/-innen für Soziale Landwirtschaft an den ÄELFs Kempten, Passau und Wei-ßenburg (Genovefa Kühn, Kerstin Rose, Werner Vollbracht)

Infobox 3: Weiterführende Informationen

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Koordinationsstelle Wohnen im AlterDas Projekt des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration feiert sein 10-jähriges Bestehen

von SABINE WENNG und UTE WERNER: Wohnwünsche im Alter sind vielfältig. Der überwie-gende Teil der älteren Menschen möchte gerne zu Hause wohnen bleiben; zunehmend gibt es jedoch auch Ältere, die sogenannte „neue Wohnformen“ suchen. Die Koordinationsstelle Wohnen im Alter, die vor zehn Jahren im Auftrag des Bayerischen Ministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration ihre Arbeit aufnahm1, ist bei allen Fragen rund um das Thema „Wohnen im Alter“ unterstützend und beratend tätig und trägt bewährte, tragfähige Ansätze sowie innovative Wohnmodelle in ganz Bayern in die Fläche.

Die Gruppe der älteren Menschen und deren Lebensent-würfe und Bedürfnisse verändern sich und werden vielfäl-tiger. Zum einen gibt es mehr Seniorinnen und Senioren, die vor allem aufgrund besserer medizinischer Versorgung mehr aktive Jahre vor sich haben, als es noch bei früheren Generationen der Fall war. Zum anderen ändern sich Fami-lienstrukturen und zwar überwiegend dahingehend, dass immer mehr Frauen berufstätig sind und sich familiäres Unterstützungspotential – auch in ländlichen Gebieten – verringert. Lebensentwürfe von Seniorinnen und Senioren unterscheiden sich zudem immer mehr und werden vielfäl-tiger. Konzepte und Projekte, die Seniorinnen und Senio-ren in das Blickfeld rücken, müssen daher die Heterogenität der Zielgruppe berücksichtigen und entsprechend differen-zierte Angebote vorsehen.

Ganzheitliche Betrachtung der WohnsituationDas Thema „Wohnen bleiben“ betrifft vorrangig, aber nicht nur den konkreten Wohnraum. „Wohnen bleiben“ ist durch-aus in einem weiter gefassten Zusammenhang zu sehen – beispielsweise mit dem Wohnumfeld, der Nahversorgung, Angeboten für Hilfeleistungen, Betreuung und Pflege sowie den sozialen Angeboten. Daher sind ganzheitliche Struk-turen zu schaffen, die ein möglichst selbstständiges bzw. selbstbestimmtes Leben bei weitgehender Aufrechterhal-tung der Lebensqualität ermöglichen.

Wohnen zu Hause und Wohnen wie zu HauseKonzepte, Strategien und Ideen, die die oben genannten As-pekte berücksichtigen, sind für das Wohnen zu Hause zum ei-nen Angebote der Wohnungsanpassung, Betreutes Wohnen

zu Hause, Nachbarschaftshilfen, Seniorengenossenschaften, niedrigschwellige Betreuungsangebote, Wohnen für Hilfe, etc. Für das Wohnen wie zu Hause sind Angebote möglichst in der vertrauten Umgebung zu schaffen wie Betreutes Woh-nen / Wohnen mit Serviceleistungen, Seniorenhausgemein-schaften, generationenübergreifendes Wohnen oder am-bulant betreute Wohngemeinschaften. Für letztere ist die „Koordinationsstelle ambulant betreute Wohngemeinschaf-ten in Bayern“ Ansprechpartner und berät im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege.

Lokale Seniorenkonzepte eignen sich, einen sozialen Nahraum (einen Stadtteil oder eine Gemeinde) so zu gestal-ten, dass ältere Menschen dort wohnen bleiben können. Bei der Erarbeitung dieser Konzepte werden die Möglichkeiten dafür mit Expertinnen und Experten sowie Bürgerinnen und Bürgern erörtert und Entwicklungsprozesse zu verschiede-nen Handlungsfeldern angestoßen.

Ziele und Aufgaben der KoordinationsstelleDie Koordinationsstelle „Wohnen im Alter“ widmet sich diesem komplexen Themenfeld und hat zum Ziel, über Wissenstransfer, Informations- und Öffentlichkeitsarbeit, Beratung und Vernetzung bedarfsgerechte und maßge-schneiderte Lösungen für in die Zukunft gerichtete Senio-renkonzepte für Städte, Märkte und Gemeinden in Bayern zu entwickeln.

Die Aufgaben der Koordinationsstelle liegen in den Be-reichen

→ Beratung von Kommunen und Initiatoren; → Erfassung von Konzepten für das Wohnen zu Hause

und alternative Wohnformen;

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1 Im Jahr 2006 wurde die Koordinationsstelle unter dem Namen „Koordinationsstelle Wohnen zu Hause“ vom damaligen Bayerischen Staatsministerium

für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen gegründet.

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→ Weiterentwicklung von Konzepten des Wohnens; → Beratung zu Fördermöglichkeiten; → Multiplikator für Kommunen, Wohlfahrtsverbände,

private Initiativen, Architekten, Praktiker und sons-tige Akteure;

→ Vernetzung von Akteuren untereinander.

Um flächendeckende Beratungsangebote zur Wohnungsan-passung in Bayern zu schaffen, wurde außerdem am 1. Sep-tember 2015 innerhalb der Koordinationsstelle „Wohnen im Alter“ die Agentur zum Aufbau von Wohnberatung, eben-falls im Auftrag des Bayerischen Ministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration, eingerichtet. Die Agentur bietet ein Informations-, Beratungs- und Serviceangebot zum Aufbau von Wohnberatung an. Insbesondere unter-stützt sie auch bei Anträgen nach dem Förderprogramm SeLA des Sozialministeriums.

Informationen, Veranstaltungen und AktionenFür die Informationsverbreitung dienen vorwiegend die Website (siehe Infobox), der „Newsletter“, die Flyer und die Förderbroschüre, aber auch Informationsveranstaltungen und die Präsenz bei Messeveranstaltungen. Erfolgreiche Pro-jektideen werden über Steckbriefe auf der Website präsen-tiert und können heruntergeladen werden. Um das Thema „Wohnen im Alter“ in Gemeinden, Märkten und Städten zu einem zentralen Thema werden zu lassen und größere Klar-heit über neue Wohnformen und weiteren relevanten Fra-

gen zu schaffen, nicht nur bei den kommunalen Akteuren, wurde im letzten Jahr die bayernweite Aktionswoche „Zu Hause daheim“ vom Bayerischen Sozialministerium initiiert und von der Koordinationsstelle mit unterstützt. Innerhalb dieser Woche wurden in vielen Städten und Gemeinden ca. 200 Veranstaltungen rund um das Thema Wohnen im Alter durchgeführt. Vom 5. bis 14. Mai 2017 wird aufgrund der positiven Resonanz eine weitere Aktionswoche stattfinden.

Im Rahmen der Aktionswoche wird außerdem erstmalig der landesweite Innovationspreis „Zu Hause daheim“ verlie-hen, bei dem das Sozialministerium die besten Ideen aus-zeichnet, die ein selbstbestimmtes Wohnen und Leben im Alter ermöglichen und Vorbildfunktion haben. Informatio-nen dazu bekommen Sie beim Sozial ministerium oder der Koordinationsstelle.

Vernetzung von AkteurenVernetzung findet in besonderem Maße bei Informations-veranstaltungen, Austauschtreffen und Fachtagen statt, z. B. zu den Themen Wohnberatung, Nachbarschaftshilfe, Betreu-tes Wohnen zu Hause, Seniorengenossenschaften und lo-kale Seniorenkonzepte.

Die Koordinationsstelle Wohnen im Alter versteht sich außerdem als Kooperationspartner für alle Einrichtungen und Institutionen, die dazu beitragen, die vielfältigen Wohn-wünsche älterer Menschen zu berücksichtigen. Deshalb un-terstützen wir innovative Projekte, bieten fachlichen Rat an und vernetzen Akteure zu spezifischen Themen.

Die Koordinationsstelle Wohnen im Alter sowie die Agentur zum Aufbau von Wohnberatung stehen Kommunen und Initiatoren in Bayern für Infor-mationen und Beratung zur Verfügung. Die Erstberatung ist grundsätzlich kostenfrei. Wir sind von Montag bis Freitag von 8:00 – 16:00 Uhr zu erreichen unter der Telefonnummer 089 20189857 und [email protected]. Infos unter: http://wohnen-alter-bayern.de/http://wohnen-alter-bayern.de/agentur-zum-aufbau-von-wohnberatung.html

Anmeldung zum Newsletter über http://wohnen-alter-bayern.de/newsletter.html oder per E-Mail an [email protected] möglich.

Literaturtipp Publikationen des Bayerischen Ministeriums für Arbeit und Soziales, Fami-lie und Integration zum Thema „Wohnen im Alter“ finden Sie zum Download oder zum Bestellen unter www.zukunftsministerium.bayern.de/senioren/pu-blikat/index.php#wohnen

Förderbroschüre mit aktuellen Zusatzblättern: http://wohnen-alter-bayern.de/foerdermoeglichkeiten.html

Infobox: Weiterführende Informationen

→ Die Faltblätter mit Informationen über die

Koordinationsstelle Wohnen im Alter sowie die

Agentur zum Aufbau von Wohnberatung sind zu

beziehen unter [email protected] bzw.

Telefon 089 20189857

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Organisation der Koordinationsstelle Verantwortlich für das Projekt „Koordinationsstelle“ ist die Arbeitsgruppe für Sozialplanung und Altersforschung GbR (AfA), die seit 1984 mit einem Team von Gerontologen, So-ziologen und Geografen individuelle und praxisnahe Lösun-gen für das Leben und Wohnen im Alter entwickelt. Die Lei-tung der Koordinationsstelle „Wohnen im Alter“ hat Sabine Wenng (Diplom-Psychogerontologin, Diplom-Geografin) inne, Stellvertreterinnen sind Brigitte Herkert (Diplom-Geo-grafin, Case Managerin (DGCC), exam. Krankenschwester), Doris Rudolf (Diplom-Geografin).

Die Agentur zum Aufbau von Wohnberatung wird von Anja Preuß (Geografin BA) geleitet in Zusammenarbeit mit Sabine Wenng und Brigitte Herkert.

SABINE WENNG UTE WERNER KOOrDINATIONSSTELLE „WOHNEN IM ALTEr“ArBEITSgrUPPE Für SOZIALPLANUNg UND [email protected]@afa-sozialplanung.de

Was ist Soziale Landwirtschaft, Grüne Sozialarbeit und Social Farming? Was verbirgt sich dahinter? Dieser Frage, aufbereitet und geschrieben für ein interessiertes Publikum in landwirt-schaftlichen, grünen und sozialen, pädagogischen bzw. therapeutischen Berufen, geht dieses 2013 erschienene Buch „Boden unter den Füßen – Grüne Sozialarbeit – Soziale Landwirtschaft – Social Farming“ von Alfons Limbrun-ner und Thomas von Elsen nach.

Für die beiden Herausgeber und Mitbe-gründer der Deutschen Arbeitsgemein-schaft Soziale Landwirtschaf (DASoL) ging es darum, ein bis zu diesem Zeitpunkt in der Öffentlichkeit relativ unbekanntes Ter-rain publik zu machen. Basis dafür waren u. a. Forschungsprojekte, insbesondere das vom Bundeslandwirtschaftsminis-terium 2010 und 2011 geförderte Pro-jekt „Soziale Landwirtschaft auf Biohö-fen in Deutschland“. Bis dahin spiegelte sich die Verbindung von Landwirtschaft und Sozialarbeit eher rar in verstreuten Zeitschriftenbeiträgen, studentischen Abschlussarbeiten und unveröffentlich-ten Forschungsberichten. Ein systemati-scher Überblick, der die Potentiale Sozialer Landwirtschaft aufzeigte, fehlte bis dahin.

Zielsetzung des Buches ist es, die vielfälti-gen Möglichkeiten und Ansätze Sozialer Landwirtschaft beispielhaft, praxisorien-tiert und lebensnah zu beschreiben. Es

Ein Handbuch für Soziale Landwirtschaft: Boden unter den Füßen

besteht aus vier Abschnitten, die in einen einführenden und abschließenden Dialog der Herausgeber eingebunden sind. Teil 1 verschafft einen Überblick, wie sich die Verbindung von Sozialarbeit und Land-bau entwickelt hat und wie sie sich in ihrer Vielfältigkeit bei uns und im euro-päischen Ausland beschreiben lässt. Im zweiten Abschnitt werden unterschiedli-che Praxisfelder vorgestellt. Beispiele, die stellvertretend für die vielen Ansätze und Konzepte demonstrieren, wie Soziale Land-wirtschaft funktionieren kann. Der dritte Teil zeigt Beschäftigungs- und Fördermög-lichkeiten auf und widmet sich Fragen der Gründung und der notwendigen beruf-lichen Voraussetzungen für diese Form sozialer und landwirtschaftlicher Arbeit. Im vierten Abschnitt werden schließ-lich historische und aktuelle Dokumente vorgestellt, die Wegmarken der Entwick-lung Sozialer Landwirtschaft darstellen.

Die Wieder- bzw. Neuentdeckung der Po-tenziale, die in der bewussten Verbindung von landwirtschaftlicher und sozialer Ar-beit liegen, öffnen neue Chancen sowohl für die betreuten Menschen als auch für die Anbieter. Dieses innovative land-wirtschaftlich-soziale Unternehmertum erfordert die Bereitschaft zur interdiszipli-nären Zusammenarbeit. Das kommt auch in den fast 30 Beiträgen zum Ausdruck.

Das Buch macht deutlich, was sich in die-sem scheinbar randständigen Bereich

entwickelt hat. Es finden sich vielfältige Träger- und Organisati-onsformen, die mit unterschied-lichen Gruppen von Klienten je-weils spezifische Zielsetzungen verfolgen. Ihnen gemeinsam ist, dass ihr zentrales Medium überwiegend in grünen Tätigkeiten bzw. in landwirtschaft-lichen Arbeitsvollzügen besteht, das sich in einem schier unerschöpflichen Spekt-rum darstellen. Arbeit in, mit und an der Natur samt Nutztierhaltung ist das eine Wesensmerkmal. Das andere, dass bei all dem nicht nur das erwirtschaftete mate-rielle Produkt eine Rolle spielt, sondern das immaterielle Ziel der Entwicklung der individuellen Menschen mit all ihren Talenten und Problemen, die in diesem Bereich tätig sind. Dabei ist das Mittel der Arbeit immer, mal mehr, mal weniger, in ergänzende Formen der sozialen Unter-stützung und Begleitung eingebunden.

Alfons LimbrunnerThomas van Elsen (Hrsg.) Boden unter den Füßen, Grüne Sozialarbeit – Soziale Landwirtschaft – Social Farming 2013, 180 Seiten, broschiert, € 29,95 ISBN 978-3-7799-2879-9

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Duales Studium für den IuK-NachwuchsVerwaltungsinformatiker an der FüAk

von MARTINA GILLHUBER: „Du studierst Verwaltungsinformatik? – Nie gehört.“ So oder so ähnlich geht es den meisten Verwaltungsinformatikern, die Freunden und Verwandten von ihrem Studium berichten. Dabei bietet die Bayerische Staatsverwaltung bereits seit 2001 auch in der Informations- und Kommunikationstechnik einen dualen Studiengang Verwal-tungsinformatik für die 3. Qualifikationsebene an, wie er aus der Finanzverwaltung oder Rechtspflege bekannt ist. Damit soll der immer wieder auftretenden Bewerberflaute in die-sem Bereich entgegengewirkt werden. Doch was ist ein Verwaltungsinformatiker und wie wird man es?

Bereits während der Oberstufe habe ich mich er-folgreich für das duale Studium zur Verwaltungs-informatikerin beim Staatsministerium für Er-nährung, Landwirtschaft und Forsten beworben. Nach meinem Abitur begann ich dann im Sep-tember 2012 zu studieren und wurde in das Be-amtenverhältnis auf Widerruf übernommen. Nach Beenden meines Studiums bin ich an der Staat-lichen Führungsakademie für Ernährung, Land-wirtschaft und Forsten eingestellt worden.

Studiendauer und StudieninhaltDas Studium zum Diplom-Verwaltungsinformati-ker bzw. zur Diplom-Verwaltungsinformatikerin dauert drei Jahre und gliedert sich in drei Teilbereiche. Dabei wechseln sich der verwaltungswissenschaftliche Teil mit dem fach-theoretischem Teil sowie den Praktika ab.

Die nachfolgende Abbildung zeigt grob den Ablauf der drei Jahre; genaue Studienpläne der letzten Jahre finden sich unter www.verwaltungsinformatiker.de.

In den insgesamt sechs Monaten an der Beamtenfach-hochschule (FHVR) in Hof stehen allgemeine rechtliche und betriebswirtschaftliche Kenntnisse auf dem Lehrplan, wie z. B. Privatrecht, Verwaltungshandeln oder Controlling und Kosten-Leistungsrechnung.

Die ersten beiden Semester an der Hochschule (FHVR) in Hof legen die Grundkenntnisse in der Informatik, welche dann in den späteren zwei Semestern vertieft werden. So beginnt man mit einer Vorlesung Grundlagen der Informa-tik im ersten Semester, sowie Datenbanken 1, Objektorien-tierte Programmierung 1 usw. In den späteren Semestern bauen dann die Kurse Datenbanken 2, Rechnernetze 2 usw. darauf auf.

Zwischen den Einheiten des Studiums an den beiden Hochschulen, die optimal nebeneinander angesiedelt sind, ermöglichen Praktika die praktische Anwendung des Gelern-ten. Meine Praktika habe ich im Bayerischen Staatsministerium

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→ Abbildung: Studienablaufplan Verwaltungsinformatik

→ Hof bietet gute Studienbedingungen und ein vielfältiges Freizeitange-

bot: hier der Untreusee (Foto: Martina Gillhuber, FüAk)

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für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in München ab-solviert. Um einen tieferen Blick auch in andere Behörden des Ressorts zu bekommen, durfte ich zusätzlich je zwei Wochen an der Führungsakademie und am Amt für Ernäh-rung, Landwirtschaft und Forsten in Töging Einblicke in die IT bekommen.

Die IT-Abteilung der FüAk gliedert sich in zwei größere Teilbereiche, die Systemintegration und die Anwendungs-

entwicklung. Mein Schwerpunkt im großen Praktikumsab-schnitt war ein eigenes kleines Projekt in der Anwendungs-entwicklung, wo ich bereits die verwendete Architektur der Softwareentwicklung kennen lernen konnte. Im Praktikum am Amt bekam ich Einblicke in den Bereich der Systeminte-gration und arbeitete bei der Installation von PCs und Schul-anlagen mit. Die meiste Erfahrung sammelte ich allerdings in der Anwendungsentwicklung, deshalb bin ich seit Been-

den meines Studiums im Bereich der Java-Pro-grammierung tätig.

Studieren als BeamterWas unterscheidet dieses duale Studium von an-deren? Die Studierenden erhalten von Beginn des dualen Studiums an ein Anwärtergehalt. Da-rüber hinaus verschaffen die verschiedenen Prak-tika Einblicke in die zukünftige Arbeit. Nach ei-nem erfolgreichen Abschluss des Studiums steht der Übernahme ins Beamtenverhältnis auf Probe und damit der Übernahme bei der Einstellungs-behörde in den meisten Fällen nichts mehr im Wege. Ich musste mir nach meinem Studium also keine Sorgen machen, einen Job zu finden, son-dern habe ganz im Gegenteil während des Studi-ums schon sehen können, welche Tätigkeiten zu meinem Beruf gehören.

Studienort HofAls Kältekammer Bayerns zu Recht bekannt, sei vorweg aber betont: Hof ist besser als sein Ruf. Die Beamtenfachhochschule bietet das ganze Jahr über verschiedene Freizeitmöglichkeiten an, wie Tennis, Beachvolleyball oder einen Lauftreff. Musikbegeisterte treffen sich im Bläser ensemble oder im Hochschulchor. Das Besondere ist, dass die Studierenden alles aktiv mitgestalten. Ich habe selbst als Übungsleiterin wöchentlich eine Stunde „Bodyworkout“ gegeben und dadurch viele Studierende kennen gelernt. Nicht zu ver-gessen ist die wöchentliche Beamtendisco auf dem Campus oder die Boom-Party im Gebäude der FH Hof. Der Sommer lässt sich hervorragend am Untreusee genießen und die schönen Biergär-ten sorgen für Abwechslung im Lernalltag.

MARTINA GILLHUBER STAATLICHE FüHrUNgSAKADEMIE Für ErNÄHrUNg, LANDWIrTSCHAFT UND FOrSTEN [email protected]

Voraussetzungen• Hochschulreife, Fachhochschulreife• Durchschnittsnote 3,0 in den Fächern Deutsch, Mathematik und

Englisch• Erfolgreiche Teilnahme am IT-Eignungstest• Deutsche oder EU-Staatsangehörigkeit

Studieninhalte• Verwaltungswissenschaftliche Studieninhalte

• Allgemeines Staats- und Verwaltungsrecht • Datenschutz• Recht der Informationstechnologie einschließlich Vertragsrecht• Wirtschaftsführung in der öffentlichen Verwaltung• Verwaltungsorganisation und Geschäftsprozesse• Personalmanagement• Kommunikationstraining• Büro- und Verwaltungsautomationssysteme • DV-Anwendungen• Beschaffung von IT-Leistungen

• Informatik• Mathematik, Statistik• Grundlagen der Informatik, Rechnertechnik• Betriebssysteme• Rechnernetze• Programmiersprachen: Java, C/C++• Software Engineering, Geschäftsprozessmodellierung• Datenbanken• Algorithmen und Datenstrukturen• Geografische Informationssysteme

• Berufspraktische Studienzeiten an der Einstellungsbehörde

Studiendauer und StudienortInsgesamt: 3 Jahre• Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege,

Fachbereich Innere Verwaltung, Hof• Hochschule für angewandte Wissenschaften, Hof• Berufspraktische Studienzeiten an der Einstellungsbehörde

Weitere Infos unter: www.verwaltungsinformatiker.de

Infobox: Der Studiengang im Überblick

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Ein Jahr MitarbeiterportalErfahrungen am Amt für Ländliche Entwicklung Niederbayern

von MATHIAS MEHLER: Das Mitarbeiterportal löste 2015 im Geschäftsbereich des Staatsmi-nisteriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten das Intranet ab. An einigen Behörden läuft es nun schon über ein Jahr. Zeit um über erste Erfahrungen zu berichten. Den Anfang macht das Amt für Ländliche Entwicklung in Niederbayern. Mathias Mehler berichtet über die Einführung, „wie sie wirklich war!“: Nach dem Abschiedsschmerz von den vertrauten Struktu-ren des alten Intranets und ersten Startschwierigkeiten hat sich das MAP dort zu einem zen-tralen Medium der internen Kommunikation entwickelt.

Im April 2015 begann ich meine Tätigkeit am Amt für Länd-liche Entwicklung Landau in Niederbayern (ALE) und wurde mit dem Aufbau der neuen Intranet-Struktur betraut. Ziel-vorgabe war eine prozess- und ablauforientierte Gliederung des Mitarbeiterportals (MAP). Die bisherige Inhaltsorganisa-tion nach organisatorischem Aufbau hatte ausgedient. Be-sonders langjährige Mitarbeiter taten sich zu Beginn sicht-lich schwer mit dieser neuen, themenbezogenen Struktur, waren sie doch die Gliederung nach Sachgebieten viele Jahre gewohnt.

Einige Sachgebiete hatten ganz präzise Vorstellungen, wo genau ihre Formulare, Dokumente etc. „landen“ sollten. Gelieferte Grafiken oder Skizzen erleichterten das Erstel-len einiger Strukturobjekte sehr. Gespräche mit anderen Sachgebieten verliefen dafür ergebnislos. Etliche Kollegen waren mit dem MAP noch nicht vertraut oder taten sich schwer, die wirklich wichtigen Inhalte aus dem alten In-tranet herauszufiltern und dies dann an die MAP-Projekt-gruppe zu kommunizieren. Sachgebieten ohne eigene Layout-Vorstellung wurden die – meines Erachtens – wich-tigsten Dokumente ins MAP kopiert. Während der Einfüh-rungsphase liefen MAP und dessen Vorgängerversion im Doppelbetrieb. Nach und nach konnten so die Inhaltsseiten befüllt werden.

Auch ein Einstellantrag wurde online gestellt, in der Pra-xis jedoch kaum genutzt. Vielmehr kamen die Einstellwün-sche per Mail oder die Kollegen persönlich vorbei. Für mich durchaus positiv, da ich so eine Vielzahl der Mitarbeiter kurz kennenlernen konnte.

Abschaltung des „alten“ IntranetsEnde April 2015 – nach gut einem Monat Bearbeiten, Ko-pieren, Löschen, Einfügen, Ausschneiden, Speichern unter – waren nahezu alle Strukturobjekte unseres ALE-Mitarbeiter-portals weitestgehend befüllt. Anfang Mai 2015 vollzogen

wir den Radikalschnitt: Das alte Intranet wurde komplett ab-geschaltet. Unsere Mitarbeiter, die bereits in der Winterfort-bildung über Funktionsweise und den täglichen Umgang mit dem MAP informiert wurden, mussten das (noch unge-liebte) neue Intranet nun auch intensiv nutzen und taten dies auch.

Probleme bei der UmstellungDoch aller Anfang ist schwer, und so stand mein Telefon di-rekt nach der Abschaltung des alten Intranets nicht mehr still. „Besorgte“ Kollegen fanden plötzlich ihre Formulare nicht mehr. Dateien, die jahrelang am gleichen Speicherort lagen, waren auf einmal verschwunden. Sachgebiete be-mängelten, dass ihre Inhalte nicht an der richtigen Stelle im MAP zu finden seien (zumeist genau die Sachgebiete, die vorher eher wenig zur erfolgreichen Umstellung beitrugen).

Erst nachdem unsere Mitarbeiter keinen Zugriff mehr auf das alte Intranet hatten, wurden Wünsche an uns herangetragen, wo genau welches Dokument zukünftig gespeichert werden soll.

Zufriedenheit wuchs mit RoutinePrinzipiell waren alle Sachgebiet mit der bereitgestellten Struktur (siehe Abbildung 1) und den meisten Inhalten zu-frieden. Zwar flog ein Teil der von uns eingepflegten Da-teien wieder raus – dafür kamen andere Dokumente neu hinzu. Und so wuchs nicht nur bei mir, sondern auch bei allen ALE-Mitarbeitern die Sicherheit im Umgang mit dem bisher eher ungeliebten MAP. Die Anrufe „Wo find ich dies?“ oder „Das war immer da gespeichert, und jetzt find ich´s nicht mehr“ und „Heißt das jetzt anders?“ wurden spürbar

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weniger, denn wer einmal die für sich wichtige Datei gefunden hat, der wird beim nächsten Mal selbst fündig.

Rückblickend war für mich persönlich die rigorose Abschaltung des Vorgän-ger-Intranets der einzig rich-tige Weg, auch wenn dieser Schritt einige Nerven kos-tete. Durch die Flut an Rück-meldungen und Reklamatio-nen aus dem Haus bekamen wir ein ziemlich gutes Feed-back, denn ALLE Mitarbeiter mussten sich mit dem MAP in irgendeiner Art und Weise auseinandersetzen.

Workflow hat sich eingespieltMittlerweile nimmt die Pflege der Inhalte nur noch begrenzt Zeit in Anspruch, abgesehen vom Jahres-wechsel – hier müssen et-liche Dateien aufs neue Geschäftsjahr angepasst werden. Inhaltliche Ände-rungen werden von den Fachredakteuren oft kurz telefonisch durchgegeben. Neue Dateien kommen per Mail aus den Sachgebieten und werden meist nur aus-

gewechselt oder ergänzt – Änderungen bestehender Inhalte gehen erfahrungsgemäß zügiger von statten, als die kom-plette Neuerstellung von Inhaltsseiten.

Layout des MAP ist ein großes Plus Das neue MAP kommt durch Features wie Pop-up-Fotos, Teasern, Foren, Umfragen, Wikis, Tabellen und vielen wei-teren Vorlagentypen viel moderner und zeitgemäßer da-her als unser altes Intranet. Wer ein wenig tüftelt und nicht nur strikt nach den Benutzerhandbüchern publiziert, be-kommt auch durchaus ansehnliche Bildergalerien ins MAP gezaubert.

Tools erleichtern Redaktionsarbeit und NutzungPublikationsredakteure haben die Möglichkeit bestimmte Einträge zeitlich begrenzt zu veröffentlichen (z. B. bei Beför-derungen, Bekanntgabe von Ranglistenplätzen usw.). Soll-ten Meldungen, mal eine Woche oder zwei Wochen früher eintrudeln, dann können diese mit Sorgfalt bearbeitet und schon im Voraus zum gewünschten Termin oder Zeitraum „scharf geschaltet“ werden.

Über die Suchfunktion, die seit Einführung des Mitarbei-terportals ständig erweitert und verfeinert wurde, ist eine schnelle und zielsichere Suche nach Inhalten und Personen möglich. Für unser Amt ist die allgemeine Such-Funktion (rechts oben im MAP) jedoch ab und an verwirrend, denn hier tauchen in den Ergebnissen nicht nur Landauer Inhalte sondern sämtliche Themen des Geschäftsbereiches auf. Da-für gibt es die Funktion „Ab hier suchen“ unter dem Themen-baum des ALE Niederbayern, welche eine gezieltere Inhalts-suche nur im geschützten Intranet erlaubt.

Ein Bild sagt mehr als tausend WorteDurch die Verwendung passender Fotos oder Grafiken wird das MAP lebendig. Wer kämpft sich schon gern durch einen Berg aus Texten und nichtssagenden Verlinkungen? Ein Bild sagt mehr als tausend Worte – auch wenn es nicht immer ein passendes Foto zu „LMS E386 Strich Punkt 0815“ gibt, so lebt nicht nur das World Wide Web von der Fülle an Bildern, sondern meiner Meinung nach auch unser Intranet.

Wählt der Redakteur ein vernünftiges und zum Beitrag stimmiges Foto aus, so kann der Intranet-Nutzer schon auf den ersten Blick entscheiden, ob der jeweilige Beitrag für ihn lesenswert oder irrelevant ist (siehe Abbildung 2 und 3).

Kinderkrankheiten müssen sich noch auswachsenBesonders ärgerlich entpuppte sich nach der Umstellung unsere Vorgehensweise bei der Datenspeicherung. Wir lu-den relativ wenig Dateien im MAP als Anhang-Dokument hoch, sondern bevorzugten die Speicherung unserer ver-linkten Dateien in einer parallelen File-Struktur am Server

→ Abbildung 1: Interne Themen-

struktur am ALE Niederbayern

→ Abbildung 2: Im Mitarbeiterprofil ist Platz für ein Portrait vorgesehen

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des BZA. Weit über 400 (!!!) Verlinkungen auf die Ordner-struktur machten sich schließlich bemerkbar, als das BZA den Server abschaltete und all unsere Verlinkungen – Seite pro Seite – Meldung für Meldung – Link für Link – manuell neu gesetzt werden mussten.

Das gute alte Leerzeichen: Es verschwand regelmäßig bei der Speicherung. Im CMS-Webeditor sah alles perfekt aus, nicht aber in der Live-Ansicht. Eine auf Anhieb fehlerfreie Inhaltsseite zu erstellen war in der MAP-Einführungszeit schier unmöglich. Gleiches galt für Tabellen. Für Ungeübte eine Wochenaufgabe im Editor eine Tabelle nach eigenen Geschmack zu zaubern.

Die im CMS-Webeditor integrierte Bilderverwaltung scheint ebenfalls ausbaufähig zu sein.

Jedes Bild muss einzeln ausgewählt, hochgeladen, be-schriftet und eingefügt werden. Der Upload von 20 Fotos mit je 4 MB kann dann schon mal einen halben Tag und län-ger in Anspruch nehmen. Nicht mehr benötigte Fotos müs-sen in der Bilderverwaltung separat gelöscht werden – viel

zu umständlich und zeitintensiv. Hier bedarf es einer deut-lichen Verbesserung.

Vier-Augen-Prinzip sichert QualitätNatürlich ist für ein funktionierendes Intranet oberste Prä-misse, schnell und mit wenigen Klicks zur gewünschten In-formation, z. B. PDF, Grafik, LMS, Person, Tabelle etc., zu ge-langen.

Keiner vergeudet gern Arbeitszeit mit unnützer oder gar vergeblicher Suche nach Inhalten.

Eine reine Infoplattform oder gar ein Datenfriedhof ist das Mitarbeiterportal jedoch keinesfalls. Zeitgesteuerte Pub-likationen regeln die automatische Löschung veralteter Bei-träge – doch auch hier gilt: Zu viele Köche verderben den Brei. Je mehr Publikationsredakteure am Behördenintranet mitwirken, desto größer ist die Gefahr von Datenmüll und Mehrfachspeicherung.

Das Vier-Augen-Prinzip im Workflow (Publikations-vorschlag an weiteren Redakteur oder Behörden-Admin)

→ Abbildung 3: Startseite des MAP in Landau: Bilder und Grafiken erleichtern die Zuordnung und machen Lust, die Meldung zu lesen

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bietet eine praktische Ab-sicherung für Kollegen, die wenig mit bereits publi-zierten Inhalten vertraut sind. Hier können alle Bei-träge vor Veröffentlichung Korrektur gelesen und auf ihre Notwendigkeit über-prüft werden. In der Redak-tionsübersicht erhalten die Redakteure einen raschen Überblick zu bereits pub-lizierten, nachträglich ge-änderten oder noch un-veröffentlichten Inhalten (Abbildung 4). Der Publika-tionsredakteur sollte sich stets bewusst sein, dass seine Inhalte von zahlrei-chen Intranet-Nutzern kon-

sumiert werden. Daher ist eine orthografisch und gramma-tikalisch saubere Ausdrucksweise unerlässlich.

„Hier rührt sich was“Die Aktualität der Beiträge ist ein immens wichtiger Aspekt: ständig neue Inhalte, kurze und leicht verständ liche Texte, aussagekräftige Bilder. Vor allem in unseren aktuellen Mel-dungen und Terminen auf der Startseite des MAP sollte eine gewisse Fluktuation herrschen – um bei den Intranet-Nut-zern das Bewusstsein zu stärken, hier lohnt es sich reinzu-schauen, weil sich was rührt.

Für mich als „Neuling“ im ALE war es gleich doppelt schwer an Informationen zu kommen. Zumeist erhält man als Redakteur eine PDF- oder Word-Datei, aus der dann ein sinnvoller und auf den ersten Blick erkennbarer Teaser kre iert werden muss. Ein passendes Bild wurde in den sel-tensten Fällen direkt mitgeliefert. Immer häufiger lag es in meinem eigenen Ermessen, was wichtig und was eher un-wichtig für unsere Intranet-Nutzer sein könnte. Verwaltung und Sachgebietsleitung ließen mir bei der redaktionellen und grafischen Gestaltung relativ viel Spielraum, was mir in meinen MAP-Anfängen natürlich sehr zugute kam.

Heute sind Inhalte aus dem MAP natürlich auch Ge-sprächsthema im Haus: „Hast du das nicht im MAP gelesen?“. Ein verstecktes Kompliment für jeden Redakteur, dass des-sen Arbeit Wertschätzung findet. Belanglose Reklamationen bezüglich der falschen Verwendung von Kommata und Satz-zeichen zeugen von einer hohen Beachtung der publizier-ten Inhalte.

Die Klickrate von einzelnen Artikeln (Beförderungen, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, LMS) belegt die in-tensive Nutzung durch alle Beschäftigte des Hauses und bie-tet dem Redakteur eine zwar komplett anonyme, aber dafür verlässliche Statistik über Zugriffszahlen aller Inhaltsseiten und Strukturobjekte (siehe Abbildung 5).

MATHIAS MEHLER AMT Für LÄNDLICHE ENTWICKLUNg NIEDErBAYErN [email protected]

→ Abbildung 5: Bereichsauswertungen zeigen die Klickraten und geben Rückmeldung, wie das MAP genutzt wird

→ Abbildung 4: Die individuelle

Redaktionsübersicht erleichtert

den Redakteuren die Übersicht

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Gewusst wie: Besprechungen organisieren in Outlook

In Outlook können Sie Besprechun-gen planen und andere Personen hierzu einladen. Outlook unterstützt Sie dabei, eine geeignete Zeit für die Besprechung zu finden, zu der alle Teilnehmer zur Verfügung stehen. Werden Sie eingeladen, an einer Be-sprechung teilzunehmen, erhalten Sie eine Besprechungsanfrage, mit der Sie bequem zu- oder absagen können.

Um eine Besprechung zu organisieren, klicken Sie im Kalender auf Neue Bespre-chung. Wählen Sie die Teilnehmer der Besprechung über das Feld An… aus dem Adressbuch aus. Füllen Sie die Felder Betreff und Ort aus und schrei-ben Sie Ihren Einladungstext in das Textfeld unten (siehe Abbildung 1).

Einen gemeinsamen Termin findenÜber den Button Terminplanungs-Assistent haben Sie die Möglichkeit zur Termin-übersicht zu wechseln. Das Frei/Gebucht- Gitternetz zeigt die Verfügbarkeit der Teilnehmer an. Je nach Berechtigung, die Sie auf den Kalender der Besprechungsteilneh-mer haben, können Sie auch Termindetails lesen. Die grüne vertikale Linie markiert den Beginn, die rote vertikale Linie das Ende der Besprechung . Durch Scrollen auf der Zeitachse finden Sie ein Zeitfenster, in dem alle Besprechungsteilnehmer Zeit ha-ben (siehe Abbildung 2).

Über die Schaltfläche Teilnehmer hinzu-fügen … könnten Sie weitere Teil-nehmer ganz leicht hinzufügen. Auch Ressourcen wie z. B. Besprechungs-räume können hier gebucht werden.

Sollten bei einem Teilnehmer alle Zeitabschnitte mit Schraffur mar-kiert sein, so kann dies daran lie-gen, dass dieser noch keinen Ter-min in Outlook eingegeben hat.

Klicken Sie anschließend auf Ter-min , um wieder in die Terminansicht zu wechseln. Sind alle Felder ausge-füllt, können Sie die Besprechung über die Schaltfläche Senden abschicken.

Alle ausgewählten Teilnehmer erhal-ten jetzt eine Einladung per E-Mail mit der Bitte um Antwort. Sie kön-nen über die Icons in der Gruppe Ant-worten rasch ihre Verfügbarkeit zum Besprechungstermin mitteilen.

Zu- bzw. Absagen prüfenAls Besprechungsorganisator können Sie anhand dieser Rückmeldungen rasch den Status überprüfen und sehen, wer

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→ Abbildung 1: Mit dem Besprechungsmanagement im Kalender von Outlook Teilnehmer, Ort und

Zeit festlegen und verschicken

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→ Abbildung 2: Die Terminübersicht zeigt im Frei/Gebucht-Gitter die Verfügbarkeit der Teilnehmer

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zu- bzw. abgesagt hat (Abbildung 3). Öff-nen Sie den Besprechungstermin in Ihrem Kalender. Wählen Sie die Schaltfläche Sta-tus . So erhalten Sie eine Auflistung der Rückmeldungen der Teilnehmer.

Besprechungszeit/-datum ändernWenn Sie Datum oder Uhrzeit der Be-sprechung ändern möchten, öffnen Sie eine von Ihnen organisierte Bespre-chung per Doppelklick (siehe Abbildung 4). Ändern Sie nun den Termin über die jeweilige Schaltfläche bzw. über den Terminplanungsassistenten .

Verschicken Sie die Änderungen wieder über den Button Senden. Outlook ver-schickt nun eine erneute Terminanfrage mit aktualisiertem Datum oder neuer Uhrzeit an alle Besprechungsteilneh-mer. Die Änderungen sind dabei sofort ersichtlich: neuer Zeitpunkt in orange, alter Zeitpunkt in Klammern, grau, kursiv und durchgestrichen (siehe Abbildung 5). Die Teilnehmer haben nun erneut die Möglichkeit zu- oder abzusagen.

Besprechungsteilnehmer hinzufügen/löschenWenn Sie den Teilnehmerkreis einer be-reits verschickten Besprechung ändern möchten, öffnen Sie die von Ihnen orga-nisierte Besprechung mit Doppelklick.

Fügen Sie weitere Besprechungsteil-nehmer über die Schaltfläche An … oder den Terminplanungsassistenten hinzu oder löschen Sie bereits einge-ladene Personen aus dieser Zeile.

Wenn Sie nun auf Senden klicken, er-kennt Outlook, dass sich nur etwas am Teilnehmerkreis verändert hat. Sie haben nun die Möglichkeit diese Aktualisie-rung an alle Besprechungsteilnehmer erneut zu versenden, oder lediglich die hinzugefügten bzw. gelöschten Teilneh-mer zu informieren (siehe Abbildung 6).

Silvia Wölfl, FüAk

→ Abbildung 5: Die neue Besprechungsanfrage zeigt sofort die Änderungen in der Terminanfrage

→ Abbildung 6: Outlook erkennt Änderungen in der Teilnehmerliste

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→ Abbildung 4: Termine lassen sich leicht über Schaltflächen oder den Terminplanungsassistenten

ändern

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→ Abbildung 3: Die Statusanzeige zeigt, wer zur Besprechung zugesagt oder abgesagt hat

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Online-Umfragen als Unterrichtselement

von PETER WEYMAN: Der Publikumsjoker bei „Wer wird Millionär?“ ermittelt und visualisiert das Wissen der Gesamtgruppe. Das geht mit internetfähigen Mobilgeräten der Studierenden und speziellen Programmen auch im Klassenzimmer. Online-Umfragen haben gegenüber der normalen Meinungsabfrage Vorteile: Abfragen können sehr differenziert gestaltet werden, liefern ein schnelles Feedback und aktivieren die Studierenden. Bei anonymen Umfragen ist mit einer größeren Offenheit zu rechnen. Die Rückmeldungen werden in Echtzeit als Grafik dargestellt. Die im Beitrag genannten Programme sind kostenfrei einsetzbar.

Abstimmungen per Handzeichen las-sen sich bei kleineren Gruppen rasch durchführen. Bei komplexeren Rück-meldungen, größeren Gruppen oder gewollter Anonymität nehmen Ab-fragen mehr Zeit in Anspruch. Wort-meldungen müssen nacheinander aufgerufen werden. Anonyme Abstim-mungen über Zettel müssen ausge-wertet werden. Hier beginnen die Vor-teile der digitalen Werkzeuge. Sie sind Teil der „Audience Response Systeme“. Die Lehrenden holen über Smartpho-nes die Meinung aller Anwesenden ein. Lediglich die tech-nischen Voraussetzungen dafür müssen gegeben sein (siehe Infobox 1) und die Vorgehensweise muss vorher überlegt sein (siehe Infobox 2).

Schnelle Reflexion der InhalteDie Lernenden melden anonym zurück, ob die Inhalte be-reits bekannt oder verstanden wurden. Die Echtzeit-Aus-wertung wird als Diagramm dargestellt. Die Lehrenden re-

agieren direkt auf Verständnisprobleme. Schwierigkeiten werden nicht erst durch schlechte Noten bei schriftlichen Leistungsnachweisen sichtbar.

Steuerung des UnterrichtsEs gibt Probleme, für die mehrere Lösungswege zum Ziel führen. Die Studierenden signalisieren per Abstimmung, welche Variante für sie von größerer Bedeutung ist. Dieser wird dann als Schwerpunkt im Unterricht behandelt.

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Im Unterrichtsraum Bei den Lernenden

Computer mit InternetzugangBeamer und große Projektionsflächesinnvoll: WLAN*

Evtl. installierte Software

Mobilgeräte mit InternetzugangQR-Code App** installiert

* WLAN bietet schnelles Internet, ist unabhängig von Mobilfunknetzen und für die Anwender kostenfrei.

** Es gibt viele QR-Code Leseprogramme für jedes Betriebssystem der Mobiltelefone. Der Verfasser emp-

fiehlt, kostenfreie Anwendungen mit wenigen Zugriffrechten zu installieren.

Infobox 1: Technische Voraussetzungen

98701https://arsnova.eu/mobile/#id/234234

1. Formulierung der Fragestellung am PC/Laptop durch die Lehrenden

2. Abrufen der Fragen durch die Lernenden über Mobiltelefone mit Internetverbindung über einen QR-Code, eine Ziffernfolge oder eine Internetadresse

3. Beantwortung durch die Lernenden

4. Echtzeit-Auswertung der Antworten, Darstel-lung in grafischer Form durch die Lehrenden

Infobox 2: Vorgehensweise

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Gegenseitige Stärkung der InformationsaufnahmeDie Methode „peer instruction“ nach Mazur [2] fordert die Lernenden.

→ Die Lehrkraft stellt eine Aufgabe. → Die Studierenden setzen sich damit gedanklich aus-

einander und geben ihre individuellen Lösungen ab. → Die Lehrkraft präsentiert die Antworten.

→ Die Studierenden überzeugen ihre Nachbarn von der eigenen Antwort.

→ Es erfolgt eine erneute individuelle Abstimmung. → Die Lehrkraft überprüft und entscheidet, ob weitere

Erklärungen nötig sind.

Feedback und Evaluierung

Verschiedene Abfrageformen für Online-Umfragen

ja/nein/unentschieden

Bewertungsskala, z. B. von 1 bis 10, niedrig bis

hoch, sehr gut bis mangelhaft

Multiple-Choice:Einfach- oder Mehrfachauswahl

Abfrage über Bilder (Smiley und andere)

Infobox 3: Verschiedene Abfrageformen für Online-Umfragen

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Die Lernenden bewerten Vorträge von anderen Studie-renden. Durch die Anonymität kann die Bewertung ob-jektiver, unter Umständen aber auch emotionaler als bei einer öffentlichen Äußerung sein. Die Lehrkraft kann eine Unterrichtseinheit von den Lernenden auf Praxisnähe und Nutzen bewerten lassen. Das macht entweder zu Beginn Sinn, um die Erwartungen darzustellen, oder für eine Eva-luierung am Ende.

Kostenfreie Umfrage systemeUniversitäten und Hochschulen haben folgende kosten-freien Anwendungen für Bildungseinrichtungen entwi-ckelt:

→ ARSnova: Für den Feedback- und Abstimmungsser-vice der TH Mittelhessen gibt es einen Demo-Zu-gang, um sich damit vertraut zu machen. Es gibt speicherbare Hörsaalfragen, Rückmeldungen und Abfragen zum Lernstand. Die Lernenden loggen sich über Zahlencode, QR-Code oder Web-Adresse ein. https://arsnova.eu/

→ Free QuizDome: Das Dozententool FQD (Uni Bielefeld) bietet anonyme Echtzeit-Umfragen, Lernfortschritts- und Meinungsabfragen. Die Ab-fragen können gespeichert und exportiert werden. Das Programm muss auf dem PC mit Admin-Rech-ten installiert werden. Die Teilnehmer kommen über einen QR-Code oder die Eingabe einer Inter-netadresse zur Abfrage. http://www.freequizdome.com/

→ OnlineTED: Für das Abstimmungssystem der TU München ist eine Registrierung per Email-Adresse erforderlich. Ein QR-Code oder eine Zifferneingabe führt die Lernenden zur Umfrage bzw. Abstim-mung. Es gibt einen Fundus von Beispielumfragen. Die Daten sind speicherbar. https://onlineted.de/

→ PINGO: Um eine Umfrage auf der Plattform von der Uni Paderborn zu erstellen, ist eine Registrierung per Mail erforderlich. Die Umfragen können spon-tan formuliert oder vorher geplant werden. Die TN kommen ohne Registrierung über eine Ziffernfolge auf die Internetseite. Dort gibt es auch Informati-onen zum technischen und methodisch-didakti-schen Einsatz. http://trypingo.com/de/

Welches Umfrage-System ist geeignet?Die im Artikel beschriebene Anwendung FreeQuizDome ist leicht zu bedienen, muss aber installiert werden. Ein bis zweimal im Jahr wird ein Update verlangt, das auch wieder Admin-Rechte erfordert. FQD ist als Software „paketiert“ und

steht auf Nachfrage bei den IuK-Beauftragten zur Installation bereit. ARSnova, OnlineTED und PINGO sind etwas komple-xer in der Bedienung, es bedarf aber keiner Installation. Dies ist bei der Auswahl der Umfrage-Systeme bei der Installation auf Schulrechnern zu berücksichtigen.

Persönliches FazitDie Werkzeuge verlagern die Unterrichtsaktivitäten auf die Lernenden. Es gibt Meinungsabfragen, konkrete Übungen zur Anwendung des Lernstoffes, Lernzielkontrollen und Eva-luierungen. Diese Werkzeuge gestalten – dosiert eingesetzt – den Unterricht abwechslungsreich und nachhaltig. Sie sind eine Ergänzung zur direkten Kommunikation. Der Einsatz ist technisch einfach, muss aber methodisch genau über-legt sein. Erforderlich ist ein hoher Digitalisierungsgrad bei der Ausstattung – sowohl bei den Schulen als auch bei den Studierenden.

Literatur[1] BLOG „E-Assessments & E-Klausuren“ http://ep.elan-ev.

de/wiki/Audience_Response[2] ERIC MAZUR (2006): Peer Instruction: Wie man es schafft,

Studenten zum Nachdenken zu bringen. http://www.bmo.physik.uni-muenchen.de/~riedle/E2p/skript/Mazur_22744.pdf

[3] HAW: Qualitätspakt Lehre: Peer Instruction als Beispiel neuer Lehrmethoden https://www.youtube.com/watch?v=T3FTTVFPglw

PETER WEYMAN STAATLICHE FüHrUNgSAKADEMIE Für ErNÄHrUNg, LANDWIrTSCHAFT UND [email protected]

Auf Youtube präsentiert die Hochschule Amberg-Weiden ein 2-Minuten-Video über den praktischen Einsatz der Lehr-methode. Die im Video gezeigten Klicker sind vergleichbar mit den Publikums-abstimmungen bei „Wer wird Millionär“.

Diese Klicker können durch Abfrage-Tools wie ARSnova oder FreeQuizDome und Mobiltelefone der Lernenden er-setzt werden. Voraussetzung hierfür ist eine leistungsstarke Internetverbindung über WLAN und ein hoher Ausstat-tungsgrad mit Mobilgeräten.

Infobox: Peer Instruction als Beispiel neuer Lehrmethoden

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Haltung von nicht schnabelbehandelten LegehennenDer Bayerische Weg Staatsminister Helmut Brunner beim Geflügelbetrieb Paletta

von WALTRAUD AUERNHAMMER: Das Thema Tierwohl genießt in der Gesellschaft einen ho-hen Stellenwert. Die Umstellung von Käfig- auf Bodenhaltung hat bei den Legehennen die Probleme „Federpicken“ und „Kannibalismus“ verstärkt. Die langjährige Praxis, den Hennen deshalb die Schnabelspitze zu kürzen, wird kritisiert und als vermeidbarer Eingriff angese-hen. Der „Runde Tisch Tierwohl“, initiiert durch Landwirtschaftsminister Helmut Brunner, hat dies aufgenommen und nach Lösungen gesucht. Der Betrieb von Christine und Christian Pa-letta beteiligt sich mit seinen Legehennen an dem Projekt „Verzicht auf Schnabelbehandlung bei Legehennen“, das mit wissenschaftlicher Begleitung durch die Tierärztliche Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München unter Mitwirkung der Geflügelfachberatung Maß-nahmen erprobt, die ein Kürzen der Schnäbel überflüssig machen.

Landwirtschaftliche Familienbetriebe flächendeckend in Bayern wettbewerbsfähig zu halten, ist das erklärte Ziel von Staatsminister Helmut Brunner. Individuelle Alternati-ven zu finden, statt sich dem Motto „Wachsen oder Weichen“ zu beugen, ist der Weg, die vielfältige Struktur, die flächen-deckende Bewirtschaftung und somit die Kulturlandschaft in Bayern zu erhalten. Ein Betriebsbesuch führte Staatsmi-nister Helmut Brunner zum Geflügelbetrieb von Christian und Christine Paletta in Holzheim im Landkreis Donau-Ries. Der Minister: „Ich will nah an der Praxis bleiben und mich selber informieren, ich bekomme teilweise gefilterte Infor-mationen.“ Der Bachbauernhof der Familie Paletta ist ein Er-folgsbeispiel der Direktvermarktung, der sich durch kurze Wege, Frische der Produkte, gute Beratung und persönli-chen Kontakt zu den Kunden auszeichnet. Der Minister hob hervor, dass der Ansatz des Betriebes, eine größtmögliche Wertschöpfung in der Region zu erreichen, den Zielen seiner Agrarpolitik entspräche.

Situation der Geflügelhaltung in BayernDie Geflügelhaltung hat eine große Bedeutung für unsere Landwirtschaft: 930 Betriebe halten ca. 5,7 Millionen Le-gehennen. Dabei überwiegt als Haltungsform wie auch in Holzheim die Bodenhaltung. Bei dem geringen Selbstver-sorgungsgrad von Eiern könnte dieser Betriebszweig auch für andere Betriebe eine Alternative sein. In der Mast domi-nieren Hähnchen mit mittlerweile sechs Millionen Plätzen, gefolgt von Pute und Ente mit rund 800 000 bzw. 500 000 Plätzen. Die Haltung von Gänsen ist ein kleines, aber feines Nischensegment für einige hundert Betriebe. Die Nachfrage nach Geflügelfleisch ist in den letzten Jahren kontinuierlich

angestiegen, mittlerweile werden 50 Prozent mehr Geflügel- als Rindfleisch gegessen. Geflügelfleisch ist ein hochwer-tiges Nahrungsmittel, ernährungsphysiologisch wertvoll, fett arm und es kann vielseitig und relativ einfach zuberei-tet werden. Zudem hat Geflügelfleisch den großen Vorteil, dass es in allen Religionen akzeptiert wird.

Tierschutzdiskussion in der GeflügelhaltungAllerdings wird die Geflügelhaltung in der Gesellschaft kontrovers diskutiert. Fast jede Zeitungslektüre zeigt, dass die Haltung der landwirtschaftlichen Nutztiere und deren Wohlergehen die Menschen interessiert und bewegt. Des-halb hat Minister Brunner eine Initiative gestartet, durch die im letzten Jahr mehr als 30 Organisationen und Verbände

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→ Florian Paletta, Christian Paletta und Staatsminister Helmut Brunner

(von links) im Stall mit den nicht schnabelkupierten Legehennen

(Foto: Tobias Hase, StMELF)

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eine „Gemeinsame Erklärung zur Rolle der Tierhaltung und zur Verbesserung des Tierwohls in der bayerischen Land-wirtschaft“ unterzeichnet haben. Auch wurden Betriebe mit der Vergabe eines Tierwohlpreises ausgezeichnet und die staatliche Investitionsförderung gezielt auf besonders tiergerechte Haltungsformen ausgerichtet. Verbesserungen sind aber nur im Einklang mit wissenschaftlichen Untersu-chungen möglich. Ausgehend vom „Runden Tisch Tierwohl“ wurde beispielsweise das Problem der Schnabelbehand-lung bei Legehennen thematisiert. Mit wissenschaftli-cher Begleitung durch die Tierärztliche Fakultät der Lud-wig-Maximilians-Universität München und gemeinsam mit der landwirtschaftlichen Fachberatung am Amt für Ernäh-rung, Landwirtschaft und Forsten Pfaffenhofen, Fachzent-rum Kleintiere, wurde ein Projekt gestartet, das Praktikern aufzeigen soll, wie die Haltung von Legehennen ohne ku-pierten Schnabel funktionieren kann. Dabei sind sich schon jetzt alle Beteiligten einig, dass es nicht „die richtige Me-thode“ oder „das richtige Heilmittel, z. B. Beschäftigungs-material oder Futter“ gibt, sondern es ein „multifaktorielles Geschehen“ ist. Das sogenannte Picken kommt auch bei schnabelbehandelten Legehennen vor und hat schon Prof. Grzimek vor 60 Jahren bei kleinen Gruppen von Rassege-flügel beschrieben. Bedauert wird von allen Beteiligten der feste Termin 1. Januar 2017, ab dem keine schnabelkupier-ten Legehennen mehr eingestallt werden dürfen. Mehr Er-fahrung wäre nötig. Im Folgenden ein paar wichtige Anmer-kungen aus der Diskussion:

→ Bernd Adleff vom Geflügelwirtschaftsverband stellt fest: „Die Politik hat die Landwirte mit dem Termin überrollt.“

→ Der Minister hat Ställe mit kupierten und nicht ku-pierten Tieren gesehen und fragt sich: „Handeln wir idealistisch? Ist der Nutzen für Verbraucher und Tiere gegeben?“

→ Ruth Meißler, BBV-Kreisbäuerin Donau-Ries, bemän-gelt die niedrigen Preise auch bei geprüfter Qualität von z. B. Schweineschulter für 1,98 €/kg und 2,98 €/kg bei Hähnchenfleisch.

→ Minister Brunner: „Dem Lebensmitteleinzelhandel ist es im Prinzip egal, was das Fleisch kostet, Haupt-sache die Konkurrenz ist nicht billiger. Zudem fehlt die Konsequenz der Bürger beim Einkauf. Der Bay-erische Weg ist abhängig von den Bürgern. Jeder soll seinen Beitrag leisten, dazu ist ein wichtiger Bil-dungsprozess im Kopf notwendig.“

In der Kritik steht auch die Tötung der männlichen Küken von spezialisierten Legelinien. Die Alternative „Geschlech-tererkennung im Brutei“ ist in Entwicklung. Darüber hinaus werden auch andere Lösungen diskutiert: Zweinutzungs-

hühner oder die Aufzucht der männlichen, weniger mastfä-higen „Bruderhähne“. Beide Wege können mit entsprechen-der Vermarktungsstrategie eine Nische besetzen. Auch hier werden am Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum für Geflügel- und Kleintierhaltung Kitzingen entsprechende Projekte be-gleitet. Der Betrieb Paletta hat sich für eine langsamer wach-sende Geflügelrasse entschieden und bietet den Hähnchen einen Wintergarten an. Der Betrieb schlachtet die selbst er-zeugten Tiere und die Biohähnchen der Firma Feneberg, au-ßerdem stellt der Bachbauernhof Geflügelsuppe her.

Schlachtung auch für andere BetriebeBei der Betriebsbesichtigung wurde neben den Stallungen auch das neu errichtete Schlachthaus besichtigt. Der Minis-ter betont die Besonderheit dieser Schlachtstätte. Für viele kleinere Bauernhöfe wird eine gesetzeskonforme Schlach-tung immer mehr zum Problem. Zwar gibt es eine Reihe von größeren Betrieben, die die Möglichkeit von „vereinfachten Schlachträumen“ für die regionale Vermarktung nutzen. Diese dürfen aber nur eigenes Geflügel schlachten.

Die Familie Paletta bietet hingegen mit einer aufwendi-geren Lösung, nämlich der EU-Zulassung ihres Schlachthau-ses, eine Lohnschlachtung auch für kleinere Betriebe an. Der Minister würde sich solche Kooperationen auch für andere Regionen Bayerns wünschen.

Vieles ist in der Geflügelhaltung auf den Weg gebracht worden, es gibt aber auch Herausforderungen, die noch gemeistert werden müssen. Vielen Betrieben sind die Pro-bleme der Haltung von nicht schnabelkupierten Legehen-nen noch nicht bewusst und deren hohe Anforderungen an das Management.

Der Betrieb Paletta ist beispielhaft vorgegangen und hat schnabelunkupierte Legehennen eingestallt. Er hat sich mit der Aufzucht der Legehennen auseinandergesetzt, die Fut-terration durchdacht und Lichtprogramme getestet. Der Be-trieb ist gerüstet für die kommende Zeit und kann Erfahrun-gen an andere Betriebe weitergeben.

Der Minister appelliert an das bewusste Kaufverhalten der Verbraucher. Landwirte, die in neue Einrichtungen für mehr Tierschutz investieren und mehr Zeit für Tierbeobach-tung und Management aufwenden, sind auf angemessene Preise angewiesen. Er ist davon überzeugt, dass die Geflü-gelhaltung in Bayern eine Zukunft hat und dass der Bayeri-sche Weg im Miteinander von Klein und Groß eine ständige Weiterentwicklung ermöglicht.

WALTRAUD AUERNHAMMER AMT Für ErNÄHrUNg, LANDWIrTSCHAFT UND FOrSTEN [email protected]

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Ein Geflügelbetrieb setzt auf DirektvermarktungInterview mit Christine und Christian Paletta, Geflügelbetrieb im Projekt „Haltung von nicht schnabelbehandelten Legehennen“

Der Bachbauernhof von Christian und Christine Paletta liegt in Holzheim im Landkreis Donau-Ries. Dort bewirtschaften sie mit ihren Söhnen Florian, Matthias und Thomas und Schwiegertochter Theresa einen vielseitigen Geflügelbetrieb mit Legehennen, Hähnchen-, Enten- und Gänsemast sowie eigener Schlachtung und Vermarktung. Der Betrieb Paletta war einer der ersten Betriebe, die sich freiwillig zum Projekt „Haltung von nicht schnabelbehan-delten Legehennen“ gemeldet haben.

Herr und Frau Paletta, was macht Ihren Betrieb so beispielhaft für den Bayerischen Weg?Der familiäre Rückhalt ist entscheidend. Alle Entwicklungs-schritte wurden in unserer Familie abgestimmt und von al-len getragen. So sind jetzt auch alle drei Kinder im Betrieb engagiert. Wir haben uns aus Überzeugung für artgerechte Tierhaltung über den gesetzlichen Standards entschieden. Sämtliche Erträge aus dem Ackerbau werden im eigenen Betrieb verwertet; zugekauft wird nur Weizen und Mais aus der Region und GVO-freies Soja sowie Mineralfutter.

Frau Paletta, was kennzeichnet Ihren Betrieb?Die gut ausgebildete Betriebsleiterfamilie: Jeder unserer Fa-milienmitglieder hat seinen eigenen Schwerpunktbereich, in dem er arbeitet. Unser moderner Betrieb wird mit einem ansprechenden Hofladen sehr gut präsentiert. Ich selbst betreibe noch einen Stand in der Viktualienhalle des Augs-burger Stadtmarktes. Dank guter Flächenausstattung verfü-gen wir über eine weitgehend eigene Futtergrundlage. Wir waren immer aufgeschlossen gegenüber gesellschaftlichen Entwicklungen. Deshalb haben wir z. B. die Forderung nach mehr Tierwohl aufgegriffen und machen freiwillig mit bei der Erprobung des Verzichts auf die Schnabelbehandlung.

Herr Paletta, schildern Sie doch mal, wie sich Ihr Betrieb entwickelt hat.Der elterliche Betrieb, genannt der „Bachbauernhof“, wurde vor gut 30 Jahren von meiner Frau übernommen, damals mit dem Betriebszweig Schweinemast und 750 Legehennen. Aufgrund schlechter Schweinfleischpreise bauten wir 1994 einen Legehennenstall mit 6 000 Tieren, damals der erste Volierenstall mit Wintergarten. 2005 stieg die nächste Ge-neration mit ein. Wir pachteten zu und bauten den ehemals kleineren Betriebszweig Geflügelhaltung mit der Vermark-

tung als Schwerpunkt aus. 2011 erfolgte ein Stallneubau für 12 000 Legehennen im Außenbereich nach Schweizer Tier-schutznormen. Derzeit halten wir ca. 20 000 Legehennen sowie 8 000 Masthähnchen mit einer langsamer wachsen-den Rasse, die sich durch strukturiertes Fleisch auszeichnet. Im zweiten Halbjahr werden Enten und Gänse im Freiland gehalten. In den Jahren 2014/15 bauten wir eine EU-zuge-lassene Geflügelschlachtstätte für ca. zwei Mio. Euro. Hier-schlachten wir unser eigenes Geflügel und ermöglichen auch Lohnschlachtungen. Wir pflegen ein partnerschaftli-ches Verhältnis mit unserem Kunden, der Firma Feneberg.

Was hat sich durch den Bayerischen Weg für Ihren Betrieb verändert oder verbessert?Die Bayerische Agrarpolitik mit dem Leitbild des bäuerlichen Familienbetriebes hat wesentlich dazu beigetragen, dass die

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→ Die drei Generationen des Bachbauernhofes (von links): Thomas und

Christian Paletta, Staatsminister Helmut Brunner, Christina, Florian,

Teresa und Matthias Paletta sowie die Enkeltöchter Cilia und Amelie

Paletta (Foto: Tobias Hase, StMELF)

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Wertschätzung von Produkten aus der Region in Bayern be-sonders hoch ist. Damit wurde auch die Grundlage für eine erfolgreiche Direktvermarktung geschaffen.

Was sind die wichtigsten Betriebskennzahlen, an denen Ihr Erfolg gemessen werden kann?Alle drei Kinder und die Schwiegertochter arbeiten Vollzeit im Betrieb. Zusätzlich beschäftigen wir 20 Vollzeit- und zehn Teilzeitarbeitskräfte. Der erfolgreiche Ausbau der Direktver-marktung zeigt sich an der Entwicklung von einem kleinen Biertisch auf Bauernmärkten hin zu zwei eigenen Läden, ei-nem mitten in der Augsburger Innenstadt (Viktualienhalle), ein zweiter, ein ehemaliges Möbelgeschäft, als Spezialitä-tenladen in einem Augsburger Stadtteil. Wir vermarkten auch direkt an Bäckereien, Gaststätten, Kantinen, Metzge-reien und Privatleute. Das auf fast 80 Hektar erzeugte Futter verwerten wir vollständig im unserem Betrieb.

Wie sehen die nächsten Entwicklungsschritte in Ihrem Betrieb aus?Wir wollen einen weiteren Hähnchenstall für 5 000 Mast-hähnchen mit Wintergarten bauen und den bestehenden Hähnchenstall mit einem Wintergarten nachrüsten. Eine überdachte Mistplatte für den gesamten Geflügelmist soll auch errichtet werden.

Was hat sich für die Ihre Familie geändert?Die kontinuierliche Weiterentwicklung ermöglichte auch unseren Kindern den Einstieg in den Betrieb. Alle drei ver-dienen ihren Lebensunterhalt auf dem Betrieb.

Und wie hat Ihr Betrieb den Ort bzw. die Region ver-ändert?Es entstanden 30 Arbeitsplätze. In der Region kann der Ver-braucher Geflügelprodukte mit bekannter Herkunft und hohen Qualitätsstandards auch hinsichtlich Tierhaltung ein-kaufen. Kleinere und mittlere Geflügelhalter im weiteren Um-kreis von Oberbayern und Schwaben können ihre Tiere bei uns kostengünstig und rechtskonform schlachten lassen.

Wie und wo erfolgt der Dialog mit dem Verbrau-cher? Was kommt beim Verbraucher an?Die Vermarktung am Hof und in zwei Läden in Augsburg bedeutet ein Höchstmaß an Kontakt mit Verbraucherinnen und Verbrauchern. Der Erfolg spricht für sich: Unsere Offen-heit und das Erkennen der Trends bzw. Verbraucherwünsche werden honoriert. Die Akzeptanz dieser Form der Nutztier-haltung und Vermarktung ist sehr hoch. Verbraucher haben Vertrauen, weil Offenheit gelebt wird. Viele Verbraucher wer-den durch die regelmäßigen Hoffeste angesprochen und als Kunden gewonnen.

Welchen Nutzen bzw. Mehrwert hat der Betrieb durch die Unterstützung, Beratung und Förderung durch die Landwirtschaftsverwaltung?Unser Betrieb wurde bei allen Entwicklungsschritten von dem zuständigen Fachberater für Geflügel am Amt für Er-nährung, Landwirtschaft und Forsten, Herrn Zinnecker, un-terstützt und begleitet. So auch bei der Erprobung des Ver-zichts auf die Schnabelbehandlung. Die intensive Beratung und Unterstützung durch die Fachberatung und die Univer-sität München ist in diesem Fall besonders wichtig: Ein Über-sehen der ersten Anzeichen von Federpicken kann zu erheb-lichen Verletzungen bei den Tieren führen. Im schlimmsten Fall kann das Geschehen nur durch tagelanges Abdunkeln des Stalles wieder in den Griff bekommen werden.

Unser Betrieb erhält jährliche Zuwendungen aus den Di-rektzahlungen und aus Agrarumweltmaßnahmen. Der Neu-bau des Legehennenstalles für 12 000 Tierplätze im Jahre 2011 wurde bezuschusst.

Wie können die gewonnenen Erfahrungen an andere Betriebe weitergegeben werden?Der Zusammenhalt innerhalb unserer Familie und die Auf-geschlossenheit gegenüber den Kunden und der Öffent-lichkeit hat wesentlich zum Erfolg beigetragen. Unsere Betriebsentwicklung wurde begleitet von der landwirt-schaftlichen Fachberatung, diese kann als Multiplikator das gewonnene Wissen an andere Betriebe weitergeben.

DAS INTERVIEW FÜHRTE:WALTRAUD AUERNHAMMER AMT Für ErNÄHrUNg, LANDWIrTSCHAFT UND FOrSTEN [email protected]

→ Karlheinz Götz (Kreisobmann), Ruth Meißler (Kreisbäuerin), Stefan Rößle

(Landrat Lkr. Donau-Ries), Staatsminister Helmut Brunner, Christian

Paletta und Friedrich Mayer (StMELF) (von links) am Wintergarten der

schnabelkupierten Legehennen (Foto: Tobias Hase, StMELF)

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Fütterungsberatung für Schweine im Verbund weiterentwickelnStärken-/Schwächen-Profil Fütterung übergeben

von EVA-MARIA BRUNLEHNER, GÜNTHER PROPSTMEIER und DR. STEPHAN SCHNEIDER: In der Schweinehaltung beträgt der Anteil der Futterkosten an den variablen Kosten 50 bis 70 Prozent. Zudem bestimmen die Art und Weise der Fütterung den Nährstoffanfall aus der Tier-haltung und damit den Gülleflächenbedarf sowie die betriebliche Nährstoffbilanz. Wichtig ist ein objektives Kontrollsystem, welches nicht nur Optimierungspotenziale aufdeckt, sondern das gesamte Fütterungsgeschehen betrachtet. Dafür entwickelte das Institut für Tierernäh-rung und Futterwirtschaft der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) das Stär-ken-/Schwächen-Profil Fütterung. Dieses Beratungsmodul bietet die Möglichkeit, Reserven und Optimierungspotenziale in der Schweinefütterung aufzuzeigen und die einzelbetriebli-chen Produktionskennzahlen mit denen anderer Ringbetriebe zu vergleichen und somit die eigenen zu bewerten.

In der Schweineproduktion ist die Fütterungsberatung ein fester und wichtiger Bestandteil der Verbundberatung. Grund hierfür ist, dass die Fütterung die Höhe der variab-len Kosten, aber auch die Tiergesundheit, das Tierwohl und die Umwelt wesentlich beeinflusst. Zum Beispiel sinken die Stickstoffausscheidungen um zehn Prozent, wenn der Roh-proteingehalt der Ration um einen Prozentpunkt reduziert wird. Ferner hat die Fütterung einen wesentlichen Einfluss auf die Tiergesundheit. Dies betrifft neben der Gesundheit des Darms auch die Atemwegsgesundheit. Jedoch bleibt in der täglichen Routinearbeit auf den Betrieben meist nicht genügend Zeit, um die betriebliche Fütterungsstrategie zu analysieren und zu hinterfragen.

Neues Beratungsinstrument gemeinsam entwickeltDas Beratungsinstrument wurde als Verbundprojekt zwi-schen dem Institut für Tierernährung und Futterwirtschaft der LfL, den Fachzentren für Schweinezucht und -haltung, der Ringberatung und dem LKV Bayern entwickelt und auch bereits in den letzten drei Wirtschaftsjahren durchgeführt. Teilnehmen können sowohl Schweinemäster, Ferkelerzeu-ger mit und ohne Ferkelaufzucht, als auch Betriebe im ge-schlossenen System.

Ziel des Stärken-/Schwächen-Profils Fütterung ist es, den Ringberatern des LKV in einfacher Form wichtige Kenngrö-ßen zur Optimierung der Schweinefütterung und der damit verbundenen Bereiche Wirtschaftlichkeit, Umwelt und Tierge-sundheit eines Beratungsbetriebes an die Hand zu geben. Die

Verbundberatung wird mit dem Stärken-/Schwächen-Profil Fütterung hochwertiger und konkurrenzstärker.

Datenauswertung zeigt Stärken und Schwächen aufFür die Auswertung werden die Futterdaten des Betriebes vollständig erfasst, wobei die Datenerfassung für den Land-wirt keine Mehrarbeit bedeutet, da diese der Ringberater im Rahmen der Fütterungsberatung übernimmt. Der Landwirt erhält die wichtigsten Ergebnisse zur schnellen Übersicht als Balkendiagramm (siehe Abbildung 1). Dieses stellt die Stär-ken und Schwächen des Betriebes dar. Hierzu werden die Leistung des Betriebes, die wichtigsten Kennzahlen der ein-gesetzten Rationen (bei Ferkelerzeugern mit eigener Ferkel-aufzucht beispielsweise tragende und säugende Sauen, Fer-kelfutter II) sowie die Ausscheidungen aufgezeigt und diese Werte mit gleichgelagerten Betrieben verglichen.

Eine detaillierte Datenanalyse zeigt auf zwei weiteren Seiten eine Fülle von Ansätzen zur Produktionsoptimierung.

Bei der Auswertung ist insbesondere die Energiekonzen-tration, der Rohprotein-, Lysin-, Rohfaser-, Kalzium- und Phosphorgehalt der verschiedenen Rationen von Interesse. Hiermit können in Kombination mit den Futtermengen Kennzahlen wie der Lysinaufwand pro Kilogramm Zuwachs

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berechnet und sodann Aussagen über den effizienten Einsatz der Futtermit-tel in der Schweinemast getroffen wer-den. Abschließend zeigt die Auswer-tung die Nährstoffausscheidungen, welche betriebsindividuell anhand der Leistungen und Art der Fütterung be-rechnet werden.

Jeder Betrieb hat Optimierungs-möglichkeitenBei der Auswertung der Futterdaten des Beispielbetriebes (siehe Abbildung 1) wird auf einen Blick sichtbar, wo die Stärken (grüne Balken) und Schwächen (orange Balken) liegen. Der ausgewer-tete Ferkelerzeuger hat mit 25,5 abge-setzten Ferkeln pro Sau und Jahr eine höhere Leistung als der Durchschnitt. Als Leistungsdaten werden die Ergeb-nisse der Leistungsprüfung herangezo-gen. Bezüglich der höheren Leistung ist nun fraglich, ob diese effizient erreicht wurde. Der Futterblock zeigt überwie-gend grüne Balken. Es scheint somit eine gut durchdachte Fütterungsstra-tegie zu sein. Nur im Säugefutter fällt ein Wert ins Auge: Der Lysingehalt liegt bei 10,3 g/kg Trockenfutter deutlich über dem Durchschnitt und über den Empfehlungen der LfL von maximal 9,6 g/kg Trockenfutter, welcher selbst für hohe Leistungen ausreichend ist. Diese Überversorgung kann verschie-dene Gründe haben. Der leicht erhöhte Rohproteingehalt könnte zudem auf einen erhöhten Einsatz von Eiweiß-komponenten, wie beispielsweise Soja- oder Rapsextrak-tionsschrot, Fischmehl oder trockener Bierhefe, schließen lassen. Die Detailzahlen auf der zweiten und dritten Seite erlauben eine Ursachenforschung: In diesem Beispiel ist der Eiweißfutteranteil im Vergleich zu gleichgelagerten Betrie-ben tatsächlich leicht erhöht. Entscheidender ist aber das verwendete Mineralfutter, da dieses eine hohe Ausstattung an synthetischen Aminosäuren aufweist und somit eine Re-duktion des Eiweißfutteranteils möglich machen würde.

Das Vorhalten von Rohprotein lässt sich auch an einer zweiten Stelle ablesen, nämlich an den Futterkosten pro Fer-kel. Zur Berechnung dieser Kennzahl werden die gesamten Futterkosten, die in der Ferkelproduktion entstehen – also

die Summe des Sauen- und Ferkelfutters – durch die Anzahl der verkauften Ferkel geteilt. Grundsätzlich gilt: Je höher die Leistung, desto höher sind die Futterkosten pro Sau. Werden die gesamten Futterkosten jedoch auf die Anzahl der verkauf-ten Ferkel bezogen, sinken die Futterkosten pro verkauftem Ferkel mit steigendem Leistungsniveau.

Die Erkenntnisse aus dieser Futterdatenauswertung die-nen als Grundlage für eine Fütterungsberatung und können Potenziale in der Fütterung aufzeigen. Bei diesem Betrieb könnte eine Absenkung des Rohproteingehaltes durch eine Reduzierung des Eiweißfutteranteils im Säugefutter zu einer bedarfsgerechteren Fütterung beitragen und Kosten ein-sparen.

→ Abbildung 1: Analyse der Schweinefütterung, Auszug aus Stärken-/Schwächen-Profil Fütterung

Analyse der SchweinefütterungFerkelerzeugung 2014

RB-Nr: Betrieb: VST: Adresse Betrieb Datum:9999 999 99 24.03.2015

Ihr Betrieb Alle Betriebe (183) - 25 % + 25 %Sauenbestand 226 130 58 211

Futterfläche in ha 34,0 35,0 14,8 62,0

ZS/ha Futterfläche 6,6 4,2 1,9 6,9

Fütterungs-Profil Schwächen Stärken Betrieb Alle

Aufgez.FE/ZS/J n 25,5 23,3Ferkelgewicht kg 31,0 30,6MJ ME MJ/kg 12,19 12,15Rohfaser g/kg 71 63Rohprotein g/kg 129 131Lysin g/kg 6,3 6,4Phosphor g/kg 3,9 4,5MJ ME MJ/kg 13,50 13,10Rohprotein g/kg 171 169Lysin g/kg 10,3 9,7Phosphor g/kg 4,6 5,3MJ ME MJ/kg 13,19 13,21Rohfaser g/kg 42 37Rohprotein g/kg 174 175Lysin g/kg 11,5 11,8Phosphor g/kg 5,1 5,3Ges.futter/ZS dt/ZS 23,4 21,4Ges.futter/FE kg/FE 91,3 94,4Futteraufwand FE kg/kg 3,1 3,2Futterkosten ZS €/ZS 678,1 596,3Futterkosten FE €/FE 26,5 26,2Futterrendite g/€ 1117 1124N-Ausscheidung kg/Tier 39,1 36,3P-Ausscheidung kg/Tier 6,7 7,2

- - - Mittel + ++

Das Fütterungsprofil gibt die Stärken und Schwächen eines Betriebes innerhalb derVergleichsgruppe wieder. Die Angaben zum Futter beziehen sich auf Trockenfutter (88% TM). DieBezugsgröße 'pro ZS' beinhaltet anteilig das Ferkelfutter, 'pro Ferkel' beinhaltet anteilig dasSauenfutter.

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In der Ferkelerzeugung ist eine solche Futter-datenauswertung absolutes Neuland und bietet den Betrieben und ihren Beratern erstmals die Möglichkeit, die eigene Fütterungsstrategie im Kontext zu gleichgelagerten Betrieben zu be-werten.

Fütterung als wichtiges ZukunftsthemaDie Praxisdaten können spezielle Themen, wie die stickstoff- und phosphorreduzierte Fütte-rung, aber auch die Frage nach der Herkunft des Futters beleuchten. Die Relevanz der stickstoff- und phosphorreduzierten Fütterung steigt un-ter den Eindrücken der sich verändernden Rah-menbedingungen. Einerseits spart eine effiziente Fütterung teure Eiweißfuttermittel und senkt die Kosten, andererseits wird auch die Nährstoffaus-scheidung der Tiere maßgeblich durch die Füt-terung beeinflusst. Eine Faustzahl besagt, dass „(…) eine Absenkung des Rohproteingehaltes im mittleren Mastfutter um einen Prozentpunkt, den Stickstoffaustrag über die Gülle um (durchschnitt-lich) zehn Prozentpunkte senkt“ [1]. Somit ist die Fütterung ein entscheidender Hebel, wenn es um die Nährstoffströme im Betrieb geht. Diesen Gesichtspunkt beleuchtet die Aus-wertung ebenfalls. Es werden nicht nur die Stickstoff- und Phosphor ausscheidungen pro Tier berechnet, sondern auch die Stickstoff- und Phosphorausbringung über die Gülle auf die Flächen des Betriebes. Vor allem für flächenschwache Betriebe bzw. intensive Veredlungsbetriebe wird diese The-matik immer wichtiger. Hier will die Beratung ansetzen und Hilfestellung bieten.

Zudem kann sich jeder interessierte Mäster- bzw. Ferkel-erzeugerbetrieb im Ring am Ende des Wirtschaftsjahres die Vollversion mit Detailauswertung erstellen lassen.

Gezielte Auswertungen für die BeratungIm Rahmen der Futterdatenerhebung konnten auch wei-tere, zahlreiche und fundierte Auswertungen für die Be-ratung erstellt werden. Ein Beispiel ist die Rohfaserversor-gung der Sauen. Die Analyse der bisher erstellten Stärken-/Schwächen-Profile Fütterung zeigt, dass die Bedeutung der Rohfaserversorgung mit steigender biologischer Leistung der Sauen zunimmt. Eine weitere wichtige Erkenntnis ist, dass hochleistende Sauen auch mit günstigen und unkom-plizierten, aber dafür in sich stimmigen Rationen gefüttert werden können.

Anfang des Jahres wurde das Stärken-/Schwächen-Profil Fütterung dem Verbundpartner LKV zur Weiterführung über-geben (siehe Bild).

Ein mittelfristiges Ziel ist es, dass jeder Schweinemastbetrieb nach Abschluss eines Mastdurchganges auf Wunsch das dazugehörende Stärken-/Schwächen- Profil Fütterung erhält.

Literatur[1] LINDERMAYER, H. (2015): Protein- und Phosphorab-

senkung im Schweinefutter – wie weit geht es? in: www.lfl.bayern.de/ite/schwein/101185/index.php

EVA-MARIA BRUNLEHNER GÜNTHER PROPSTMEIER DR. STEPHAN SCHNEIDER BAYErISCHE LANDESANSTALT Für LANDWIrTSCHAFT INSTITUT Für TIErErNÄHrUNg UND FUTTErWIrTSCHAFT [email protected]@[email protected]

→ Bild: Symbolische Übergabe des Stärken-/Schwächen-Profils Fütterung im März

2016 in Schwarzenau (von links): Dr. Stephan Schneider (LfL-ITE Schweinefütterung),

Landwirtschaftsminister Helmut Brunner, Uwe Gottwald (LKV-Geschäftsführer)

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Neuerungen zum ImmissionsschutzSchwerpunkt Rinderhaltung

von DR. STEFAN NESER und KARIN PÖHLMANN: Die Einführung der Richtlinien VDI 3894 Blatt 1 (2011) und VDI 3894 Blatt 2 (2012) veränderte die Rahmenbedingungen der immissi-onsfachlichen Bewertung für die landwirtschaftliche Nutztierhaltung in Bayern. Dem wurde mit der Aktualisierung der Arbeitspapiere des Bayerischen Arbeitskreises Immissionsschutz in der Landwirtschaft in 2013 und damit auch der Überarbeitung der Abstandsregelung für Rinderhaltungen Rechnung getragen. Die seit 2003 in Bayern eingeführten linearen Ab-standskurven für Anlagen zur Rinderhaltung wurden durch das Abstandsmodell nach der Richtlinie VDI 3894 Blatt 2, welches im Wesentlichen eine vereinfachte Umsetzung der Ge-ruchs-Immissions-Richtlinie GIRL (LAI 2008) darstellt, ersetzt.

In der Beratung wird ein mit der Umweltverwaltung abge-stimmtes Programm auf Excel-Basis eingesetzt. Im Jahr 2015 erhielt mindestens ein Mitarbeiter pro Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in der Handhabung die-ses Programmes eine Schulung.

Insbesondere Vorbelastungsbetrachtungen innerhalb ei-nes Ortsgebietes mit bäuerlicher Rinderhaltung zeigten je-doch bei dieser Anwendung keine realistische Belastungssi-tuation. In vielen bayerischen Dorfgebieten lägen demnach schädliche Umwelteinwirkungen durch erhebliche Geruchs-belästigungen aus Rinderställen vor, die „Ortsüblichkeit“ spiegelte sich in den Prognosen nach GIRL bzw. der VDI-An-wendung nicht wider. Erweiterungen waren unter diesen Vorgaben kaum noch genehmigungsfähig.

Mit einer geplanten Öffnungsklausel für klei-nere Rinderbestände (bis zu ca. 250 GV) in der GIRL bzw. im neuen Anhang 7 der derzeit in Über-arbeitung befindlichen TA Luft wird der Weg für eine Wiedereinführung der o.g. und bewährten bayerischen Abstandsregelung für Rinderhaltun-gen aus dem Jahre 2003 geebnet, welche hier kurz vorgestellt wird.1

AbstandsregelungDie Mindestabstände werden nach den Rin-der-Großvieheinheiten (GV) bemessen, der ver-wendete GV-Schlüssel2 unterscheidet sich z. T. vom INVEKOS-Schlüssel.

Für die Abstandsbestimmung aller frei gelüfteten Ställe ist die der Wohnbebauung am nächsten gelegene emis-sionsrelevante Stallaußenwand, bei Ställen mit Laufhof gegebenenfalls die näher gelegene Umgrenzung dieses Laufhofes, maßgebend. Abstandsbemessungspunkt für zwangsgelüftete Wärmställe ist der Abluftkamin bzw. im Falle mehrerer Kamine der daraus errechnete Emissions-schwerpunkt. Die sich so ergebenden Abstände sind in den Abbildungen 1 und 2 dargestellt. Dabei grenzt jeweils die untere Gerade die Abstände ein, bei deren Unterschreitung schädliche Umwelteinwirkungen zu vermuten sind. Wegen der Vielzahl der Haltungstechniken und Stallbauformen

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→ Abbildung 1: Abstand von Rinderhaltungsbetrieben zu Wohngebieten

1 Das gesamte Arbeitspapier wurde dem LMS vom 5. Februar 2016 hinzugefügt bzw. ist im Bayerischen Behördennetz eingestellt unter

http://www.stmug.bybn.de/landwirtschaft/index.htm2 Arbeitspapiere des AK Immissionsschutz, Kap. 2.1.1

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muss im Einzelfall ein gewisser Ermessensspiel-raum gewährleistet sein. Dieser Ermessensspiel-raum erstreckt sich auf den Bereich zwischen der unteren und der oberen Geraden. Bei größeren Abständen (grüner Bereich) ist davon auszuge-hen, dass keine schädlichen Umwelteinwirkun-gen aufgrund von Geruchseinwirkungen vorlie-gen.

EinzelfallprüfungFür die Durchführung einer Einzelfallprüfung kön-nen folgende Hinweise gegeben werden: Neben den für alle Tierhaltungen bei der Einzel-fallprüfung zu berücksichtigenden Faktoren wie Wind richtung, Vorbelastung, Topographie, Bebau-ungssituation usw. sind für den Bereich Rinderhal-tung noch folgende Punkte zu berücksichtigen:

→ Mastkälber sind wegen der eiweißreichen Fütte-rung emissionsträchtiger und daher negativer zu bewerten als Mastbullen- oder Milchviehhaltung.

→ Außenklima- und Offenställe sind im Nahbereich im Gegensatz zu frei gelüfteten wärmegedämmten Ställen (z. B. mit Trauf-First- , Quer- oder Schacht-lüftung) negativ zu beurteilen, die Abstandsermitt-lung sollte sich an der oberen Abstandskurve orien-tieren. In der Praxis nur sehr selten vorkommende Warmställe mit Zwangslüftung sind dagegen im Nahbereich als günstig zu bewerten. Für solche Ställe kann die untere Abstandskurve als Orientie-rung dienen.

→ Generell sollten emissionsrelevante Anlagenteile wie offene Stallseiten, Laufhof, Melkkammer (Lärm), Fahrsilos und Güllegruben auf der der Wohnbebau-ung abgewandten Seite geplant werden.

→ Immissionsorte im Außenbereich können zunächst einmal auf der Grundlage des Abstandsdiagram-mes für Dorfgebiete beurteilt werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Wohnen im Außenbereich mit einem immissionsschutzrecht-lich geringeren Schutzanspruch verbunden ist und damit tendenziell geringere Abstände ausreichend sein können.

→ Bei größeren Rinderbeständen ab etwa 150 GV sind die Mindestabstände nach Abbildung 1 bzw. 2 auf-grund des linearen Kurvenverlaufes konservativ.

→ Sollte im Einzelfall der nach den Abbildung 1 und 2 ermittelte Mindestabstand auch unter Ausschöp-fung des o. g. Ermessensspielraumes (Abstands-bereich zwischen der oberen und unteren Kurve) nicht erreicht werden, kann auf eine Ausbreitungs-rechnung zur Ermittlung der Geruchsbelastung zu-rückgegriffen werden.

Im Arbeitspapier sind zudem noch Hinweise für Nebenein-richtungen im Nahbereich (wie Gärfuttersilos, Festmist-lagerstätten, Güllelagerung) und zum Umgang mit Vor-belastungen ausgeführt, die die Verwendung dieser Abstandsregelung einschränken können.

Bestandsgrößen über 250 GVMit dieser Arbeitshilfe können in Bayern die meisten bau-rechtlich zu genehmigenden Rinderanlagen beurteilt wer-den. Für Rinderhaltungen mit Bestandsgrößen über 250 GV, auch soweit sie die Genehmigungsschwelle zum Verfahren nach §19 BImSchG überschreiten, ist der erforderliche Ab-stand in einer Einzelfallprüfung festzulegen. Als Orientie-rungshilfe wird hierbei die entsprechende Abstandsrege-lung der Richtlinie VDI 3894 Blatt 2 empfohlen.

BauleitplanungFür die Bauleitplanung sollte aus Gründen der planerischen Vorsorge bis auf weiteres ein Abstand zwischen Rinderhal-tung und Wohnbebauung von 120 m angestrebt werden. Für eine Sicherung der Entwicklungsfähigkeit landwirt-schaftlicher Betriebe kann in vielen Fällen ein deutlich grö-ßerer Abstand notwendig sein. Dies sollte im Einzelfall an-gepasst werden.

FazitDieser Rückgriff auf eine bewährte Regelung stellt speziell für An- und Umbauten bestehender Rinderställe im Dorf eine große Erleichterung dar, kann aber auch ein weiteres Heranrücken von Wohnhäusern an bestehende Stallungen ermöglichen. Die zukünftigen Entwicklungen zur Abstands-findung im Innenbereich insgesamt sind noch nicht abzuse-hen. Daher sollten bei Beratungsfällen zur Sicherung der Zu-kunftsfähigkeit besonders bei Stallbauvorhaben, bei denen eine deutliche Ausweitung der Tierhaltung vorgesehen ist,

→ Abbildung 2: Abstand von Rinderhaltungsbetrieben zu Dorfgebieten

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und gegebenenfalls zukünftig weitere Wachstumsschritte (> 250 GV) geplant sind, entsprechende Abstandsreserven einkalkuliert bzw. auch eine (Teil-) Aussiedlung in Erwägung gezogen werden. Ebenso ist bei Standorten mit Vorbelas-tungen durch weitere Quellen zu verfahren.

LiteraturAK IMMISSIONSSCHUTZ IN DER LANDWIRTSCHAFT (2016):

Arbeitspapiere des Arbeitskreises Immissionsschutz in der Landwirtschaft, Stand 24. März 2016, http://www.stmug.bybn.de/landwirtschaft/index.htm

BUNDES-IMMISSIONSSCHUTZGESETZ (BImSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2013 (BGBl. I S. 1274), zuletzt geändert am 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474)

LAI (2008): Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmis-sionen (Geruchsimmissions-Richtlinie – GIRL) in der Fassung vom 29. Februar 2008 und einer Ergänzung vom 10. September 2008 mit Begründung und Ausle-gungshinweisen in der Fassung vom 29. Februar 2008

VDI (2011): Richtlinie 3894 Blatt 1: Emissionen und Immissi-onen aus Tierhaltungsanlagen – Haltungsverfahren und Emissionen – Schweine, Rinder, Geflügel, Pferde. Beuth-Verlag, Berlin

VDI (2012): Richtlinie 3894 Blatt 2: Emissionen und Immis-sionen aus Tierhaltungsanlagen – Methode zur Ab-standsbestimmung – Geruch. Beuth-Verlag, Berlin

DR. STEFAN NESER KARIN PÖHLMANN BAYErISCHE LANDESANSTALT Für LANDWIrTSCHAFT INSTITUT Für LANDTECHNIK UND TIErHALTUNg [email protected]@lfl.bayern.de

Die tierschutzgerechte Betäubung von Mastgeflügel ist ein neuer Ar-beitsschwerpunkt an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. In Zusam-menarbeit mit der Stauss Geflügel GmbH, einem Tochterunternehmen der Schweizer Micarna-Gruppe, sol-len unter Leitung von Prof. Dr. Ulrike Machold am Standort Triesdorf aktu-elle Fragen der Gewinnung von Ge-flügelfleisch untersucht werden.

Immer wieder wird Kritik von Tierschüt-zern laut, dass das aktuell eingesetzte Betäubungsgas Kohlendioxid, das bei der Geflügel-, aber vor allem auch bei der Schweineschlachtung zum Einsatz kommt, nicht tiergerecht sei. Diesem Fragenkom-plex widmet sich nun die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf am Campus Triesdorf. Unter Leitung der Veterinärme-dizinerin Prof. Dr. Ulrike Machold (Foto) soll im Rahmen eines Tierschutzprojektes im Studiengang Lebensmittelmanage-ment die Optimierung der Gas-Betäubung bei Masthähnchen vorangetrieben wer-den. Gibt es eine tierschutzgerechtere Be-

Tierschutzgerechte Betäubung beim Mastgeflügel

täubung für Masthühner? Wo sind mög-liche Ansätze zu deren Optimierung z. B. beim Applikationsprozeß oder durch den Einsatz einer geeigneteren Gasmischung?

Durchgeführt wird das Projekt in Zusam-menarbeit mit der Stauss Geflügel GmbH. Diese feierte kürzlich die Einweihung ihres komplett modernisierten Schlachtbetrie-bes. Die Stauss Geflügel GmbH produziert nach den strengen eidgenössischen Vor-gaben zum Tierschutz und bietet ideale Rahmenbedingungen für die Durchfüh-rung der geplanten Untersuchungen.

Forschungsschwerpunkt des Teams um Prof. Machold ist insbesondere die Phase von der Einleitung der Betäu-bung bis zum Verlust des Bewusstseins der Tiere. Das Geflügel soll hier mög-lichst schnell, aber vor allem stressfrei in die Phase der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit übergeführt werden. In vorausgegangenen La-boruntersuchungen ermittelte Ergeb-nisse sollen dabei in eine praxistaugli-che Anwendung überführt werden.

Das bis Ende 2017 angesetzte Projekt wird maßgeblich unterstützt durch die Micarna- Gruppe, eine der in Sachen Nachhaltige Landwirtschaft und Lebensmittelverar-beitung führenden Spezialisten in der Schweiz und in Europa. Deren Zielset-zung ist es, bestehende Schlachttechnolo-gien an die wachsenden Anforderungen an Tierwohl und Tierschutz anzupas-sen und kontinuierlich zu verbessern.

Hochschule Weihenstephan‐Triesdorf

→ Prof. Dr. Ulrike Machold, leitet das

Forschungs projekt tierschutzgerechte

Betäubung beim Mastgeflügel

(Foto: Machold)

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Die Förderung der Bienenhaltung in BayernWarum wird ein Hobby staatlich bezuschusst?

von EVA-MARIA EIDELSBURGER: Imkern liegt voll im Trend! Das ist eine erfreuliche Entwick-lung, denn die Biene ist für die Natur- und Kulturlandschaft von großer Bedeutung. 80 Pro-zent der heimischen Nutz- und Wildpflanzen sind auf Bienen und andere Insekten als Bestäu-ber angewiesen. Und wer sichert nun die flächendeckende Bienenhaltung in Deutschland? Der Freizeitimker mit durchschnittlich acht Völkern. Über 95 Prozent der Bienenhalter betrei-ben die Imkerei als Hobby. Das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und die EU unterstützen mit derzeit zehn Fördermaßnahmen die Imker in ihrem Engagement. Für die Förderabwicklung ist die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Abteilung Förderwesen und Fachrecht, zuständig.

Die Unentbehrlichkeit der Biene für den Obst- und Ge-müsebau ist allgemein bekannt. Weit weniger verbreitet ist jedoch die Kenntnis, dass intensiver Bienenflug den Er-trag auch im Ackerbau steigert z. B. bei Raps um 25 Prozent bzw. 10 dt/ha [1]. Der volkswirtschaftliche Nutzwert der Be-stäubungsleistung ist um ein Vielfaches höher zu bewer-ten als der Erlös aus dem Verkauf von Honig und anderen Bienenprodukten. Darum stellt die Honigbiene nach Rind und Schwein das drittwichtigste Nutztier in der Landwirt-schaft dar [2]. Wissenschaftler haben untersucht, welchen wirtschaftlichen Wert Bienen und andere Insekten durch die

weltweite Bestäubung von Agrarpflanzen im Jahr 2005 er-zielt haben: 153 Milliarden Euro [3].

Die bayerische Imkerschaft wird derzeit mit zehn ver-schiedenen Fördermaßnahmen unterstützt:

Investive Maßnahmen der ImkerHonig, das „süße Gold des Imkers“, ist ein naturbelassenes und sehr reines Lebensmittel. Um wirtschaftlich und qualita-tiv hochwertig produzieren zu können, sind moderne Geräte zur Honig- und Wachsgewinnung nötig. Dies stellt eine nicht unerhebliche finanzielle Belastung dar. Daher unterstützt

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→ Bild 1: Der Rapsertrag erhöht sich bei ausreichendem Bienenflug um 25 Prozent

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der Freistaat Bayern die Bienenhalter mit Zuschüssen zur Anschaffung der Geräte zur Honig- und Wachsgewinnung. 2015 betrug die Förderquote 23,7 Prozent der Nettokosten.

Einsatz von VarroosebehandlungsmittelDie Bekämpfung der Varroose bleibt leider nach wie vor eine wichtige Aufgabe in der Bienenhaltung. Varroa destructor gilt als der bedeutsamste Bienenschädling weltweit. Die Milbe schwächt die Biene durch Parasitierung im Larven-stadium und überträgt darüber hinaus pathogene Viren, was in Summe zu hohen Völkerverlusten führt. Die Varroamilbe ist omnipräsent und kann sich insbesondere bei Völkerzu-sammenbrüchen schnell in der Umgebung verbreiten. Die konsequente Bekämpfung der Varroose ist deshalb nicht nur für die eigenen Bienen wichtig, sondern auch für diejenigen in der Umgebung [4].

Sie erfordert engmaschige Kontrolle und entsprechende Behandlung. Neben der fachlichen Beratung fördert der Staat arzneimittelrechtlich zugelassene Varroosebehand-

lungsmittel. 2017 wird die Maßnahme auf Applikatoren umgestellt. Die Verdunstung der Ameisensäure über diese Applikatoren stellt eine moderne, effektive und vergleichs-weise bienenschonende Behandlungsform dar.

Analyse physikalisch-chemischer MerkmaleImker, die die Qualität eines Honigs aus der eigenen Imke-rei labortechnisch analysieren lassen, können hierfür einen Zuschuss von 75 Prozent der Nettokosten erhalten. Die Ana-lyse-Ergebnisse dienen in erster Linie der Selbstkontrolle. Viele Imker verwenden den Labor-Befund aber auch zu Wer-bezwecke, um beispielsweise dem Kunden die Rückstands-freiheit des Honigs zu beweisen.

Fortbildungen für Imker durch VereineEine wichtige Aufgabe der Imkervereine ist es, den Mitglie-dern Fortbildungen anzubieten, die den aktuellen Wissens-stand widerspiegeln. Für Fortbildungsveranstaltungen mit qualifizierten Referenten erhalten die Imkervereine einen ge-staffelten, teilnehmerorientierten Zuschuss. Die Schulungen

Eine bienenfreundliche Agrarlandschaft bietet während der gesamten Vegetationsperiode (und nicht nur zur Rapsblüte) Trachtpflanzen z. B. auf Blühstreifen an. Mehrjährige, artenrei-che Blühflächen sind ökologisch besonders wertvoll [4] [5]. Die Anlage von attraktiven und abwechslungsreichen Feldrainen mit zeitlich gestaffelten Blühaspekten stellt ne-benbei auch eine öffentlichkeitswirksame Maßnahme zur Imageverbesserung der modernen Landwirtschaft dar.

Hohe Stickstoffgaben und Selektivherbizide im Grünland sollten vermieden werden, da dadurch blütentragende Bei-kräuter zurückgedrängt werden. Bienen und andere blüten-besuchende Insekten finden im reinen Futtergrasbestand kein Nahrungsangebot.

Infobox 2: Bienenfreundliche Landwirtschaft

→ Abbildung 1: Entwicklung des Fördervolumens bei der Imkerfortbildung→ Bild 2: Biene beim Nektarsammeln an einer Storchschnabelblüte

• Es sollen möglichst viele Imker Bienen halten, um die flächendeckende Bestäubung in Bayern zu sichern.

• Die Bienenvölker sollen gesund, friedlich und leistungsstark sein.

• Wer Bienen hält, soll die Bedürfnisse der Bienen kennen.

• Das Prinzip der Regionalität soll gestärkt werden – „aus der Region, für die Region“.

• Der steigenden Nachfrage nach heimischem Bio-Honig soll entsprochen werden.

Infobox 1: Fünf Ziele der staatlichen Bienenförderung

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werden öffentlich angekündigt und unabhängig von einer Vereinsmitgliedschaft können alle an der Imkerei interes-sierten Personen teilnehmen. Im Jahr 2015 wurden 1 400 Veranstaltungen mit einer Summe von fast 200 000 Euro gefördert (siehe Abbildung 1).

Förderung der BelegstellenBienenvölker sollen gesund, friedlich und leistungsstark sein. Deswegen unterstützt der Freistaat Bayern staatlich anerkannte Belegstellen (kontrollierte Areale für die An-paarung der Bienenköniginnen) bei der Züchtung von Bie-nenköniginnen, die mit ihrer Genetik in besonderem Maße diesen Anforderungen entsprechen.

Bienengesundheitswarte bekämpfen KrankheitenDas Fachzentrum Bienen an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim bildet besonders engagierte Imker in mehrtägigen Kursreihen zu Bienengesundheits- und Bienenfachwarten aus.

Die Bienengesundheitswarte besuchen ehrenamtlich die einzelnen Imker vor Ort und unterstützen diese bei der Di-agnose und Bekämpfung von Bienenkrankheiten. Für diese

Tätigkeit erhalten die Bienengesund-heitswarte einen staatlichen Zuschuss, der aber nur einen kleinen Teil der ent-stehenden Kosten deckt.

Im Falle des Auftretens der Ameri-kanischen Faulbrut, einer für das Bie-nenvolk tödlich verlaufenden bakte-riellen Bienenkrankheit, unterstützen die Bienengesundheitswarte die Ver-terinärbehörden in der Bekämpfung der Seuche und Sanierung befallener Bienenstände.

Imkern an Schulen Auch Imker brauchen Nachwuchs! Deshalb liegt es nahe, be-reits Schulkinder an die Bienenhaltung heranzuführen und sie für die Imkerei zu begeistern. Immer mehr Schulen bie-ten erfreulicherweise entsprechende Wahlkurse an. Kinder und Jugendliche werden durch die Betreuung eines Bienen-volkes für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen sensibilisiert. Die Schülerinnen und Schüler lernen im Wahl-kurs „Imkerei“ alle Arbeiten rund um das Bienenjahr kennen (siehe Bild 3).

Dieses Engagement wird vom Freistaat Bayern mit ei-nem Zuschuss von bis zu 300 € pro Schuljahr unterstützt. Im Jahr 2015 wurden 119 Schulen gefördert. Die Zahl der Antragsteller hat sich damit innerhalb von sieben Jahren vervierfacht.

Imkern auf ProbeMit dem „Imkern auf Probe“ wird es Interessierten leicht ge-macht, ohne große Verbindlichkeiten in die Imkerei „hinein zu schnuppern“. Imkervereine, die das „Imkern auf Probe“ an-bieten und damit den Imkernachwuchs unterstützen, erhal-ten einen jährlichen Festbetrag von 100 Euro je Probe imker. Auch ein zweites Probeimkerjahr kann gefördert werden.

→ Abbildung 2: Fördervolumen beim Probeimkern

→ Bild 3: Wahlkurs „Imkerei“ in Schulen: Die Bienen auf dem Rähmchen

werden genau beobachtet

→ Bild 4: Erläuterungen an der offenen Beute

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Interessierte wenden sich an einen Imkerverein und wer-den „Imker auf Probe“. Sie betreuen dann unter Anleitung eines erfahrenen Imkers ein Bienenvolk (siehe Bild 4 und 5). Die Zahl der Probeimker steigt seit 2008 kontinuierlich stark an (siehe Abbildung 2), dabei sind ein Drittel der Teilnehmer Frauen. Die Imkervereine haben 2015 über 3 000 Interessier-ten die Bienenhaltung näher gebracht und wurden dabei mit 329 000 Euro unterstützt.

Öko-ImkernDamit Honig das Bio-Siegel tragen darf, muss er beson-dere Qualitäts-Standards erfüllen. Bienenhalter, die ihre Imkerei-Produkte mit diesem Label kennzeichnen dürfen, unterziehen sich regelmäßigen, kostenpflichtigen Kontrol-len gemäß der EG-Öko-Verordnung VO (EG) Nr.834/2007. Mindestens einmal pro Jahr überprüft ein Mitarbeiter der Kon trollstelle, ob alle einschlägigen Vorgaben eingehalten werden. Die staatliche Fachberaterin Barbara Bartsch erläu-tert in „SuB“ 1-2/2016 detailliert die Unterschiede zwischen konventioneller und ökologischer Imkerei. Seit 2014 erhal-

ten die Imker für die Teilnahme am Öko-Kontrollverfahren einen Festbetrag von 200 Euro pro Jahr.

Professionalisierung der MultiplikatorenEin gelungener Vortrag ist nicht nur abhängig vom fachli-chen Inhalt. Das „Wie“ der Wissensvermittlung ist mindes-tens genauso wichtig. Seit Herbst 2015 fördert der Freistaat Bayern deswegen „Schulungen zur Professionalisierung von Fach- und Gesundheitswarten als Multiplikatoren“.

Fortbildungen in den Bereichen Didaktik, Rhetorik und Präsentation sollen dazu beitragen, die Vortragstechnik der Fach- und Gesundheitswarte zu verbessern. Letztendlich

profitiert die Imkerschaft enorm, wenn der Fach- bzw. Gesundheitswart später im Imkerverein als Referent nicht nur über gutes Fachwissen verfügt, son-dern dies auch einprägsam und an-schaulich weitergeben kann.

Nutzung der einzelnen Maßnah-menSechs Bienenprogramme werden aus rein bayerischen Mitteln finanziert, vier weitere werden zu 50 Prozent von der EU kofinanziert. Insgesamt wurden 2015 knapp eine Million Euro ausbezahlt (siehe Abbildung 3). Nicht → Abbildung 3: Bienenförderung 2015, gegliedert nach den einzelnen Maßnahmen

Die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft spielt eine große Rolle für die Sicherung der landwirtschaftlichen Erträge. KULAP (Kulturlandschaftsprogramm) und Greening haben unter anderem das Ziel, die Biodiversität in der Fläche und damit auch das Blühangebot zu erhöhen. Viele Landwirten sind bereit, durch umweltschonende Bewirtschaftung die biologische Vielfalt zu erhalten bzw. zu erweitern. „Lebensräume verbessern – Wildtiere fördern – Menschen und Natur verbinden“ lautet das Motto der Wildlebens-raumberater, die es seit 2015 in jedem Regierungsbezirk gibt. Sie unterstützen Landwirte und Jäger bei Fragen zur ökologischen Bereicherung der Agrarlandschaft z. B. durch Vernetzungsprojekte. Dabei wird die gesamte heimische Fauna gestärkt, angefangen bei den Feldhasen, Rebhüh-nern, Rehen, Vögeln bis hin zu den Wildinsekten und den Honigbienen. www.lfl.bayern.de/wildlebensraum

Infobox 3: KULAP, Greening, Wildlebensraumbe-ratung

→ Bild 5: Erfahrene Imker geben ihr Wissen weiter

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Alle Unterlagen zur Förderung (Merkblätter, Anträge etc.) unter • www.lfl.bayern.de/foerderprogramme/index.php • oder im Förderwegweiser unter

www.stmelf.bayern.de/agrarpolitik/foerde-rung/003555/index.php Unterpunkt „Bienen“

Detaillierter Jahresbericht 2015:www.lfl.bayern.de/mam/cms07/foerderprogramme/da-teien/lfl-afr_jahresbericht-bienen-2015.pdf

Fachliche Informationen zur Bienenhaltung der Landesan-stalt für Wein- und Gartenbau: www.lwg.bayern.de/bienen/

Infobox 4: Weitere Informationen

eingerechnet sind hier die Beratungsleistungen durch das Fachzentrum Bienen bzw. durch die staatliche Fachbera-tung für Bienenzucht und die labortechnischen Untersu-chungsmöglichkeiten beim Bienengesundheitsdienst.

FazitWarum wird nun also ein Hobby wie die Bienenhaltung staatlich bezuschusst? Weil der Imker mit seiner Bienen-haltung eine wichtige gesamtgesellschaftliche Leistung er-bringt und nicht nur seinem privaten Interesse nachgeht; denn Bienen sind als Bestäuber für die Landwirtschaft und für die Wildpflanzendiversität unverzichtbar.

„Die Erhaltung der biologischen Vielfalt ist eine der wichtigsten Herausforderungen der Zukunft“,

betonte deshalb auch Staatsminister Helmut Brunner am 7. Juni 2016, als die beiden Gemeinden Aiterhofen und Sal-ching (Landkreis Straubing-Bogen) von der UN für ihr vor-bildliches Engagement zur Biodiversität ausgezeichnet wur-den.

Wir brauchen viele engagierte und gut informierte Imker, damit die flächendeckende Bienenhaltung auch zukünftig gesichert ist. Wie das Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr

und der Übungsleiter im Sportverein dient der Mensch, der Bienen hält, der Gesamtgesellschaft. All diese Personen ha-ben ein gemeinsames Leitbild, an dem sie sich orientieren: Verantwortungsgefühl, das weit über das private Umfeld hinausreicht.

Und diesem Engagement für das Gemeinwohl gebührt Wertschätzung, was sich nicht zuletzt auch in Form einer staatlichen Förderung widerspiegelt.

Literatur[1] Bestäubungsleistung der Honigbiene, Doktorarbeit, Di-

pl-Ing. Dr. Stefan Mandl, Universität für Bodenkultur, Wien, 2006

[2] Der praktische Imker: Lehrbuch der rationellen Bienen-zucht von C. J. H. Gravenhorst

[3] Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH – PM 15. September 2008

[4] Fachzentrum Bienen, LWG, www.lwg.bayern.de/bienen/[5] Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und

Verbraucherschutz (BMELV)

EVA-MARIA EIDELSBURGER BAYErISCHE LANDESANSTALT Für LANDWIrTSCHAFT ABTEILUNg FÖrDErWESEN UND [email protected]

„Langfristig und nachhaltig können Lebensmittel nur dort erzeugt werden,

wo Qualität, Ökologie und Ökonomie in Einklang gebracht werden.“

Jakob Opperer, Präsident der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft

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Milchpreisrückgang hält noch anvon ULRIKE HEYNE und LUDWIG HUBER: Nach dem dramatischen Einbruch der Auszah-lungspreise für konventionelle Kuhmilch in 2014 setzte sich der Preisrückgang auch im Jahr 2015 und in den ersten Monaten 2016 weiter fort. Wenngleich der Milchmarkt sich Mitte Mai auf sehr niedrigem Niveau stabilisieren konnte und erste Festigungstendenzen zeigt, werden die Auszahlungspreise in Bayern auch in den nächsten Monaten noch nach unten gehen.

Verantwortlich für die Datenerfassung im Rahmen des Mel-dewesens in der Milchwirtschaft ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Sie veröffentlicht ne-ben den Anlieferungsmengen nach Landkreisen und den Herstellungsmengen von Milchprodukten wie, z. B. Frisch-milcherzeugnisse, Käse, Trockenmilcherzeugnisse, auch die Milchauszahlungspreise in den einzelnen Bundesländern sowie für Deutschland gesamt. Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), Institut für Ernährungswirtschaft und Märkte (IEM), prüft die zur Verfügung gestellten Daten und nutzt diese im Rahmen ihrer Informationsarbeit.

Nachdem zum Ende 2013 die Veröffentlichung der Preise für Rohmilch gesamt (alle Tierarten) nach Molke-reistandort eingestellt wurde, stehen seit 2014 nur noch die Preise für konventionell und biologisch erzeugte Kuhmilch nach Erzeugerstandort zur Verfügung. Erzeuger-standort bedeutet dabei, dass maßgeblich ist, was die bay-erischen Erzeuger von ihren Molkereien, die auch außer-halb Bayerns liegen können, für ihre angelieferte Rohmilch erhalten haben.

Die endgültigen Preise des Jahres 2015 wurden von der BLE Ende April 2016 für konventionelle Kuhmilch und biologische Kuhmilch veröffentlicht. Auch im laufenden Jahr 2016 stellt die BLE monatlich folgende Preise online:

→ Preise für konventionelle Kuhmilch – nach Bundes-ländern und für Deutschland gesamt,

→ Preise für ökologisch/biologisch erzeugte Kuhmilch – nach Bundesländern und für Deutschland gesamt,

→ Preise für Kuhmilch gesamt (konventionell und öko-logisch/biologisch erzeugt), Deutschland gesamt,

→ Preise für Ziegenmilch gesamt (konventionell und ökologisch/biologisch erzeugt), Deutschland gesamt.

Alle Preise sind ohne Umsatzsteuer angegeben. Die monatli-chen Preise werden ohne Abschluss-/Nachzahlungen ausge-wiesen, da diese zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallen und dadurch zu Verzerrungen führen würden. Die rechne-rische betriebseigene Auszahlung eines Jahres wird jedoch einschließlich Abschlusszahlungen, Preiskorrekturen und Rückvergütungen ausgewiesen. Zuschläge für Milch ohne Gentechnik (ohne gentechnisch verändertes Futter erzeugt), Heumilch, Bergbauern, Weidemilch usw. sind in den jewei-ligen Preisen enthalten und können nicht separat ausge-wiesen werden.

Für das Bundesland Bayern kann wegen der geringen Zahl der Melder sowie der marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens kein Auszahlungspreis für Ziegenmilch veröffentlicht werden.

Das IEM weist monatlich auf seiner Internetseite (www.lfl.bayern.de/iem/milchwirtschaft) die Milchpreise für Bay-ern sowie die Herstellungsmengen der bayerischen Molke-reien aus.

Auszahlungspreise Bayern 20152015 wurden an die bayerischen Erzeuger 31,22 Cent je Kilogramm konventionelle Kuhmilch bei 4,0 Prozent Fett ( –7,53 Cent/kg zu 2014) ausbezahlt, wie Tabelle 1 zeigt. Die Abschlusszahlungen, Milchpreiskorrekturen und Rückvergütungen, die darin enthalten sind, betrugen 0,67Cent/kg.

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→ Tabelle 1: Auszahlungspreise Kuhmilch konventionell und Bio-Kuhmilch – Erzeugerstandort Bayern, netto, in Cent/kg (BLE, LfL)

ohne Abschlusszahlungen mit Abschlusszahlungen

Jahr

bei tats. Inhaltsstof-

fen

bei 4,0 Pro-zent Fett;

3,4 Prozent Eiweiß

bei 4,2 Pro-zent Fett;

3,4 Prozent Eiweiß

bei tats. Inhaltsstof-

fen

bei 4,0 Pro-zent Fett;

3,4 Prozent Eiweiß

bei 4,2 Pro-zent Fett;

3,4 Prozent Eiweiß

Abschluss-zahlungen,

Rückvergütungen etc.

Kuhmilch konventionell 2015

31,43 30,55 31,09 32,10 31,22 31,76 0,67

Kuhmilch konventionell 2014

38,86 37,99 38,53 39,62 38,75 39,29 0,76

Bio-Kuhmilch 2015 47,65 47,76 48,34 47,98 48,08 48,66 0,32

Bio-Kuhmilch 2014 48,06 48,28 48,86 48,55 48,77 48,35 0,49

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Die Umrechnung der Auszah-lungspreise auf den Fettgehalt von 4,2 Prozent erfolgte bei Kuhmilch kon-ventionell mit dem durchschnittlichen Nettofettwert von 2,693 Cent, für Bio-Kuhmilch mit 2,880 Cent je Fetteinheit. Die monatlichen Auszahlungspreise für konventionelle Kuhmilch seit 2013 sind in Abbildung 1 dargestellt.

Im gesamten Bundesgebiet gin-gen 2015 die Erlöse für konventionelle Kuhmilch zurück. Im Bundesdurch-schnitt lag der Erzeugerpreis für kon-ventionelle Kuhmilch 2015 bei 29,29 Cent/kg (–8,29 Cent). In Nordeutsch-land gingen die Preise am stärksten zurück. Die bayerischen Milcherzeu-ger erhielten die zweithöchsten Aus-zahlungspreise nach den Betrieben im Nachbarland Baden-Württemberg. In diesen beiden Ländern wurde für das Kilogramm konventionelle Milch rund 7,5 bzw. 7,3 Cent we-niger bezahlt als im Vorjahr (vgl. Tabelle 2). Im März 2016 lag der durchschnittliche Auszahlungspreis in Bayern bei 27,83 Cent/kg.

Bio-Milchpreise auf hohem Niveau Insgesamt übertraf die Erfassungsmenge an Milch in Bay-erns Molkereien die Menge des Vorjahres nur um 0,3 Pro-zent, da erst in der zweiten Jahreshälfte die Erzeuger die Anlieferungsmenge deutlich steigerten. 24 bayerische Mol-kereien erfassten 2015 rund 429 100 Tonnen Bio-Milch (+ 2,5 Prozent zum Vorjahr). Der Anteil der biologisch erzeugten Milch an der gesamten Milcherfassung betrug insgesamt 4,95 Prozent und lag damit nur geringfügig über dem Vor-jahresniveau. Die Auszahlung für Bio-Milch, die von baye-

rischen Erzeugern an die Molkereien geliefert wurde, ging 2015 um nur 0,7 Cent/kg gegenüber dem Vorjahr auf 48,08 Cent/kg zurück (vergleiche Tabelle 2).

Die Auszahlungspreise für Bio-Kuhmilch blieben im Ver-lauf des Jahres 2015 nahezu konstant, weshalb sich der Ab-stand zur konventionellen Kuhmilch weiter vergrößerte von ca. 10 Cent im Jahr 2014 auf nahezu 17 Cent im Jahr 2015 (Preiskorrekturen, Abschlusszahlungen und Rückvergütun-gen sind enthalten). Im März 2016 zeichnete sich ein erster Rückgang auch bei den Auszahlungspreisen für Bio-Milch ab. Es wurden 49,39 Cent/kg Bio-Milch ausbezahlt, das wa-ren über 21 Cent mehr als für konventionelle Milch gezahlt wurde (vergleiche Abbildung 2).

In den letzten beiden Jahren konnte sich der Bio-Milchmarkt den negativen Entwicklungen am Markt für

→ Abbildung 1: Monatliche Auszahlungspreise für konventionell erzeugte Kuhmilch bei 4,0

Prozent Fett und 3,4 Prozent Eiweiß ab Hof, netto, in Cent/kg, ohne Abschlusszahlungen und

Rückvergütungen (BLE, LfL)

An die bayerischen Erzeuger wurden in 2015 31,22 ct je Kilogramm konventionelle Kuhmilch bei 4,0 % Fett (-7,53 ct/kg zu 2014) ausbezahlt wie Tabelle 1 zeigt. Die Abschlusszahlungen, Milchpreiskorrektu-ren und Rückvergütungen, die darin enthalten sind, betrugen 0,67ct/kg.

Tabelle 1: Auszahlungspreise Kuhmilch konventionell und Bio-Kuhmilch - Erzeugerstandort Bayern, netto, in ct/kg (BLE, LfL)

Jahr

ohne Abschlusszahlungen mit Abschlusszahlungen Abschluss-zahlungen, Rückvergü-tungen etc.

bei tats. Inhalts-stoffen

bei 4,0 % Fett; 3,4 % Eiweiß

bei 4,2 % Fett; 3,4 % Eiweiß

bei tats. Inhalts-stoffen

bei 4,0 % Fett; 3,4 % Eiweiß

bei 4,2 % Fett; 3,4 % Eiweiß

Kuhmilch konven-tionell 2015

31,43 30,55 31,09 32,10 31,22 31,76 0,67

Kuhmilch konven-tionell 2014 38,86 37,99 38,53 39,62 38,75 39,29 0,76

Bio-Kuhmilch 2015 47,65 47,76 48,34 47,98 48,08 48,66 0,32 Bio-Kuhmilch 2014 48,06 48,28 48,86 48,55 48,77 48,35 0,49

Die Umrechnung der Auszahlungspreise auf den Fettgehalt von 4,2 % erfolgte bei Kuhmilch konventi-onell mit dem durchschnittlichen Nettofettwert von 2,693 ct, für Bio-Kuhmilch mit 2,880 ct je Fett-einheit. Die monatlichen Auszahlungspreise für konventionelle Kuhmilch seit 2013 sind in Abbildung 1 dargestellt.

2015: Ø 31,22

27

29

31

33

35

37

39

41

Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jahr

Milc

hpre

is [c

t/kg]

2013 2014 2015 2016

2013: Ø 37,40

Jahres-Ø inkl. Abschluss-zahlungen, Rückvergütungen,

Milchpreisberichtigungen

2014: Ø 38,75

Abbildung 1: Monatliche Auszahlungspreise für konventionell erzeugte Kuhmilch bei 4,0 % Fett und 3,4 % Eiweiß ab Hof, netto, in ct/kg, ohne Abschlusszahlungen und Rückvergütungen (BLE, LfL)

→ Tabelle 2: Auszahlungspreise ausgewählter Bundesländer bei 4,0 Prozent Fett, 3,4 Prozent Eiweiß, netto, in Cent/kg (BLE, LfL)

Kuhmilch konventionell Kuhmilch Bio

Region 2015 2014 Veränd. 2015 2014 Veränd.

Bayern 31,22 38,75 –7,53 48,08 48,77 –0,69

Baden-Württemberg 31,36 38,67 –7,31 48,30 48,69 –0,39

Rheinland-Pfalz,Saarland, Hessen

30,11 38,31 –8,20 46,66 47,21 –0,55

Nordrhein-Westfalen 29,40 38,07 –8,67 47,21 47,82 –0,61

Thüringen 29,13 37,36 –8,23 * *  

Mecklenburg-Vorpommern 27,82 36,84 –9,02 * *  

Niedersachsen/Bremen 27,83 36,59 –8,76 46,92 47,77 –0,85

Schleswig-Holstein 27,66 36,39 –8,73 45,30 46,85 –1,55

Deutschland 29,29 37,58 –8,29 47,68 48,38 –0,70

Milchgeldauszahlung ab Erfassungsstelle, inkl. Zu- und Abschläge, Nachzahlungen und Preiskorrekturen, netto; * Datenschutz, Zahlen werden nicht veröffentlicht

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konventionelle Milch nahezu vollständig entziehen. Der at-traktive Bio-Milchpreis führte aber dazu, dass auch die Anlie-ferung der Bio-Milcherzeuger in den letzten Monaten kräftig zulegte. So lieferten die bayerischen Bio-Milcherzeuger im März 2016 rund 11 Prozent mehr Milch als im Vorjahresmo-nat. Der sehr große Abstand zum Preisniveau für konven-tionelle Milchprodukte zeigt erste Wirkung im Lebensmit-teleinzelhandel (LEH).

Es ist zu befürchten, dass nun auch die Preise für Bio-Pro-dukte gesenkt und die Auszahlungspreise für Bio-Milch in der Folge zurückgehen werden. Für das aktuell sehr hohe Preisniveau bei Bio-Milch in Bayern wirken sich auch die niedrigeren Preise in den Nachbarregionen negativ aus. In Österreich zahlten die Molkereien im März 2016 schließlich rund 8 Cent weniger für ein Kilogramm Bio-Milch als die Mol-kereien in Bayern. Weiterer Druck könnte am Bio-Milchmarkt entstehen, weil sich deutlich mehr Erzeugerbetriebe in der Umstellungsphase befinden als in den Vorjahren. Deren Milch wird dann zusätzlich in 2017 auf den Markt kommen.

Marktaussichten Am Milchmarkt sind erste Anzeichen festzustellen, die auf eine Festigung der Preise bei einigen Milchprodukten hindeuten. In erster Linie sind es die Preise für Butter und Vollmilchpul-ver, die zuletzt am internationalen Markt etwas zulegen konn-ten. In der EU zeigt die Intervention von Magermilchpulver Wirkung und trägt zur Stabilisierung bei. Wichtig sind die im Mai eingetretenen Verbesserungen bei Schnittkäse. Die ext-rem niedrigen Preise von unter 1,80 € je Kilogramm Edamer sind verschwunden. Anfang Juli lag das Preisniveau bei 2,40 €

je Kilogramm. Zudem bewegen sich die Preise für Versandmilch nach oben. Für bayerische Molkereien ist dies im Ge-schäft mit Italien immer noch von Be-deutung.

Diese ersten positiven Entwicklun-gen dürfen jedoch nicht darüber hin-wegtäuschen, dass sich die Verwertung von konventioneller Kuhmilch über Standardprodukte wie Butter, Mager-milchpulver, Schnittkäse oder Trink-milch auf absolut niedrigem Niveau be-finden. Molkereien, die nur über solche Verwertungen verfügen, können kaum Auszahlungspreise von 21 Cent (netto) je Kilogramm Rohmilch erwirtschaften.

Mit dem saisonalen und milchpreis-bedingten Rückgang der EU-Milchanlie-ferung könnten sich die Verbesserungs-tendenzen noch etwas verstärken. Die wachsende Zahl an Schlachtkühen lässt zudem darauf schließen, dass der Kuh-bestand eher zurückgehen wird. Die

weitere Entwicklung wird aber wesentlich bestimmt werden von Veränderungen auf der Nachfrageseite. Eine Reihe von Fragen sind hier ungeklärt: Was passiert mit Russland, dem ehemals größten und wichtigsten Importeur von EU-Käse? Kaufen China und andere ostasiatische Länder wieder stärker ein? Was passiert in den Krisenregionen im Nahen Osten und in Nordafrika, die sich bis vor kurzem als Nachfragemärkte vor der Haustüre Europas hoffnungsvoll entwickelten? Ziehen die Preise für Erdöl und Erdgas weiter an, damit einige Länder wie-der ausreichend Geld in die Kasse bekommen, um sich Milch-produkte leisten zu können? Auch Fragen im Hinblick auf die weltweite wirtschaftliche Entwicklung und die Wechselkurse bleiben offen.

Weil die Auszahlungen an die Milcherzeuger den aktu-ell realisierbaren Verwertungen hinterherlaufen, ist in Bayern auch noch in den nächsten Monaten mit einem Rückgang der Erzeugerpreise zu rechnen. Vor allem die vor kurzem mit dem LEH abgeschlossenen Verträge im Frische- und Käsesektor werden sich in den Auszahlungen niederschlagen. Der größte Teil der dabei für die Molkereien erzielbaren Erlöse ist in je-dem Fall für sechs Monate festgeschrieben.

ULRIKE HEYNE LUDWIG HUBER BAYErISCHE LANDESANSTALT Für LANDWIrTSCHAFT INSTITUT Für ErNÄHrUNgSWIrTSCHAFT UND MÄ[email protected] [email protected]

→ Abbildung 2: Monatliche Auszahlungspreise für konventionell und biologisch erzeugte Kuhmilch

bei 4,0 Prozent Fett und 3,4 Prozent Eiweiß ab Hof, netto, in Cent/kg, ohne Abschlusszahlungen

(BLE, LfL) sowie Preisabstand zwischen konventioneller und biologisch erzeugter Kuhmilch

die bayerischen Bio-Milcherzeuger im März 2016 rund 11 % mehr Milch als im Vorjahresmonat. Der sehr große Abstand zum Preisniveau für konventionelle Milchprodukte zeigt erste Wirkung im LEH.

Es ist zu befürchten, dass nun auch die Preise für Bio-Produkte gesenkt und die Auszahlungspreise für Bio-Milch in der Folge zurückgehen werden. Für das aktuell sehr hohe Preisniveau bei Bio-Milch in Bayern wirken sich auch die niedrigeren Preise in den Nachbarregionen negativ aus. In Österreich zahlten die Molkereien im März 2016 schließlich rund 8 ct weniger für ein Kilogramm Bio-Milch als die Molkereien in Bayern. Weiterer Druck könnte am Bio-Milchmarkt entstehen, weil sich deutlich mehr Erzeugerbetriebe in der Umstellungsphase befinden als in den Vorjahren. Deren Milch wird dann zusätzlich in 2017 auf den Markt kommen.

Abbildung 2: Monatliche Auszahlungspreise für konventionell und biologisch erzeugte Kuhmilch bei 4,0 % Fett und 3,4 % Eiweiß ab Hof, netto, in ct/kg, ohne Abschlusszahlungen (BLE, LfL)sowie Preis-abstand zwischen konventioneller und biologisch erzeugter Kuhmilch

Marktaussichten

Am Milchmarkt sind erste Anzeichen festzustellen, die auf eine Festigung der Preise bei einigen Milchprodukten hindeuten. In erster Linie sind es die Preise für Butter und Vollmilchpulver (VMP), die zuletzt am internationalen Markt etwas zulegen konnten. In der EU zeigt die Intervention von Ma-germilchpulver Wirkung und trägt zur Stabilisierung bei. Wichtig sind die im Mai eingetretenen Ver-besserungen bei Schnittkäse. Die extrem niedrigen Preise von unter 1,80 € je Kilogramm Edamer sind verschwunden. Mitte Mai lag das Preisniveau bei 2,10 ct/kg. Zudem bewegen sich die Preise für Ver-sandmilch nach oben. Für bayerische Molkereien ist dies im Geschäft mit Italien immer noch von Bedeutung.

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Milch, Käse & Co. – Echte Multitalente in der ErnährungReferentinnen für Hauswirtschaft und Ernährung geschult

von MANUELA BIER: Den gesundheitlichen Nutzen von Milch und Milchprodukten heraus-zustellen und die geschmackliche Vielfalt zu präsentieren hatte eine Fortbildungsveranstal-tung im Herbst 2015 zum Ziel. Im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten schulten die Kolleginnen des Amtes für Ernährung, Landwirt-schaft und Forsten Ansbach 27 Referentinnen für Hauswirtschaft und Ernährung aus der Re-gion. Das durchwegs positive Echo der Teilnehmerinnen zeigt, dass eine gute geplante und sehr praxisorientierte Veranstaltung ihren Aufwand wert ist.

Die Referentinnen für Hauswirtschaft und Ernährung be-sitzen in der Regel eine hauswirtschaftliche Ausbildung und stammen überwiegend aus der Landwirtschaft [1]. Als Unternehmerinnen im Rahmen des Erzeuger-Verbrau-cher-Dialoges informieren sie Interessierte über Herkunft, Entstehung, Qualität und Hygiene von Lebensmitteln. Zu ihren Aktivitäten zählen z. B. die Durchführung von Koch-kursen oder Kochvorführungen unter Verwendung hofeige-ner oder regionaler, Produkte. Sie vermitteln in ihren Kursen praktisches Ernährungswissen und Produktkenntnisse an Kinder und Erwachsene. Die jährliche Fortbildung der Er-nährungsfachfrauen ist damit ein wesentlicher Teil des An-gebotes im Bereich der Verbraucherbildung [2].

Theorie und Praxis im WechselInhaltliche Schwerpunkte der Fortbildung waren die ernäh-rungsphysiologische Bedeutung, Warenkunde und Senso-rik (inkl. Schmelzverhalten von Käse und Verkostung) von Milch und Milchprodukten. Die Fachlehrerinnen Adelheid Meier und Gabriele Hermann übernahmen den praktischen Teil. Sie stellten in ihrer Kochvorführung zehn verschiedene Rezepte vor. Mittags gab es für die Teilnehmerinnen ne-ben süßer Lasagne und herzhaftem Zwiebel-Speck-Kuchen auch Lauchcremesuppe mit Käseklößchen zu probieren. Das zweite Frühstück stand ebenfalls ganz im Zeichen der Milch. Neben verschiedenen selbstgemachten Käseaufstrichen, z. B. ein scharfer Paprika-Dip, konnten die Ernährungsfach-frauen schmackhafte Käsepralinen probieren (siehe Bild 1 und 2). Die geschmackliche Vielfalt begeisterte die Teilneh-merinnen.

Heike Straußberger und Manuela Bier übernahmen den theoretischen Teil der Schulung. Da der Fokus bei den Refe-rentinnen für Hauswirtschaft und Ernährung auf der Praxis

lag, nahm dieser Teil zeitlich nur ca. ein Drittel der Fortbil-dung ein. Neben dem Rezeptheft und dem Kompendium des Kompetenzzentrums für Ernährung (KErn) erhielten die Referentinnen für Hauswirtschaft und Ernährung thema-tisch passende Infomaterialien der Landesvereinigung der Bayerischen Milchwirtschaft e. V.

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→ Abbildung 1: Die fachlichen Grundlagen lieferte ein Kompendium des

Kompetenzzentrums für Ernährung

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Zielgruppengerechte Vorträge Ziel der Fortbildung ist, die Teilnehmerinnen so umfassend zu schulen, dass sie alle auftretenden Verbraucherfragen be-antworten können. Damit der Lernzuwachs für die Teilneh-merinnen möglichst groß ist, ist es wichtig sich zu fragen [2]: Wer ist meine Zielgruppe? Welche Vorbildung bringen die Teilnehmerinnen mit? Welche unternehmerischen Tätigkei-ten üben die Ernährungsfachfrauen aus? Welche Zielgrup-pen haben sie dabei im Blick? (siehe Infobox 1).

Folgende Konsequenzen ergaben sich aus der Zielgrup-penanalyse:

→ Die Teilnehmerinnen verfügen über ernährungs-physiologisches Wissen.

→ Wichtige Aspekte sollen kurz wiederholt und fach-lich vertieft werden.

→ Neben einem fundierten fachlichen Wissen ist die Praxis für die Referentinnen besonders wichtig.

→ Die Referentinnen sprechen mit ihren Veranstaltun-gen verschiedene Zielgruppen an, so dass auf Risi-kozielgruppen, wie Schwangere oder ältere Men-schen, kurz eingegangen werden muss.

→ Bild 1: Scharfer Paprika Dip (mit Joghurt und Crème fraîche)

(Foto: Manuela Bier, AELF Ansbach)

→ Bild 2: Käsepralinen zum Probieren (Foto: Manuela Bier, AELF Ansbach)

Berufliche Qualifikation • Meister/in in der Hauswirtschaft• Techniker/in für Ernährungs- und Versorgungsmanagement• Betriebswirt/in für Ernährungs- und Versorgungsmanagement• Diätassistent/in• Diplom-Ökotrophologe/in

Grundqualifikation Qualifizierung zur Referentin/zum Referenten für Hauswirtschaft und Ernährung

Ziel Alltagskompetenzen praktisch und theoretisch vermitteln

Einsatzmöglichkeiten • Referentinnen im Netzwerk „Junge Eltern/Familien – Ernährung und Bewegung“, in Kindergärten und Schulen

• in der Erwachsenenbildung generell• in Betrieben und Firmen für sogenannten „Gesundheitstage“

Zielgruppen der Ernährungsfachfrauen

je nach Einsatzgebiet:• Schwangere• Mütter mit Kleinkind• Kindergarten- und Grundschulkinder

Kooperationspartner • Ämter der Landwirtschaftsverwaltung in Bayern• Verbraucherservice Bayern e.V.• Bayerische Bauernverband• Bayerischer Landesausschuss für Hauswirtschaft

Infobox 1: Zielgruppenanalyse

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Nach Austausch mit den Kolleginnen und Analyse der Li-teratur, ergaben sich drei Themen für den Kurzvortrag: die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Milchverzehr hinsicht-lich Osteoporose und Krebs sowie das Allergiepotenzial von Milch. Dass Milch eine wertvolle Calciumquelle ist, darüber waren sich alle einig. Über Informationen zum Thema Krebs und Milchverzehr waren die Teilnehmerinnen dankbar. Im Gegensatz zu den anderen „Mythen“ bestanden hier ge-wisse Wissensdefizite. Das Allergiepotenzial der Milch ist ein emotional behaftetes Thema, welches häufiger in Kur-sen der Referentinnen für Ernährung und Hauswirtschaft angesprochen wird. Daher stuften die Teilnehmerinnen die Vertiefung dieser Thematik als wertvoll für ihre Arbeit ein. Rückblickend betrachtet, wäre es sinnvoll gewesen, ausrei-chend Zeit für Diskussionen einzuplanen und den fachlichen Erfahrungsaustausch z. B. durch eine Pinnwandwanderung gezielt anzuregen und zu dokumentieren.

Abschluss und Fazit der FortbildungIn den Ergebnissen der Evaluierung spiegelte sich das große Interesse der Referentinnen für Hauswirtschaft und Ernäh-rung am Thema „Milch, Käse & Co.: Echte Multitalente in der Ernährung“ wider. Bereits während der Fortbildung zeigten sich die Referentinnen für Hauswirtschaft und Ernährung sehr interessiert und stellten Fragen zur Ernährung bei Lak-toseintoleranz und Milchproteinallergie. Sie nutzten die Pau-sen zum Erfahrungsaustausch. Hierbei stuften sie die prakti-

schen Tipps und Tricks im Umgang mit Milchprodukten als besonders wertvoll für ihre Arbeit ein.

Literatur[1] GISELA HAMMERSCHMID: Qualifizierung zur Referentin/

zum Referenten für Hauswirtschaft und Ernährung. In: „SuB“ 1-2/08, Seite IV-3.

[2] LYDIA WALLER: Ernährungsfachfrauen – Referentinnen in der praktischen Erwachsenenbildung. In: „SuB“ 8-9/07.

[3] KOMPETENZZENTRUM FÜR ERNÄHRUNG (KErn): Milch, Käse & Co. – Echte Multitalente in der Ernährung. 1. Auflage 2015, September 2015.

[4] KOMPETENZZENTRUM FÜR ERNÄHRUNG (KErn): Frei-spruch für die Milch! – Ein Überblick über die aktuelle wissenschaftliche Literatur.

MANUELA BIER AMT Für ErNÄHrUNg, LANDWIrTSCHAFT UND FOrSTEN [email protected]

Macht Kuhmilch den Menschen krank oder profitieren wir von den zahlreichen Ma-kro- und Mikronährstoffen dieses uralten Lebensmittels? Wer im Internet zum Thema Milch recherchiert, wird mit zahlreichen negativen Aussagen konfrontiert. Unter-sucht man Schlagzeilen wie „Ein Glas Milch kann tödlich sein“ oder „Milch schützt nicht vor Osteoporose, sie fördert sie“ genauer, stößt man nicht selten auf Eigeninteressen, Fehlinterpretationen wissenschaftlicher Studien oder auf längst widerlegte Mythen. Das Kompetenzzentrum für Ernährung KErn hat auf seiner Plattform „Ernährung diskutiert“ den Experten Prof. Dr. Bern-hard Watzl zu diesen Vorwürfen befragt. Der Direktor und Professor am Max Rub-ner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel, Karlsruhe

Ernährung diskutiert: Milch ist ein gesundes Lebensmittel

und Leiter des Instituts für Physiologie und Biochemie der Ernährung kann sich das derzeitige Hinterfragen von traditionellen Lebensmitteln nicht erklären. Die Milch sei seiner Meinung nach immer noch ein sehr gesundes Lebensmittel. Sowohl das Max Rubner-Institut als auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) emp-fehlen weiterhin den Verzehr von Milch und Milchprodukten. Fundierte Antwor-ten zu den gängigen Vorwürfen gegen die Milch, von ihrer Rolle bei Arteriosklerose bis zum Verschleimen der Atemwege und des Darms sind zu lesen unter www.kern.bayern.de/milch-kontrovers-diskutiert

Immer mehr Verbraucherinnen und Ver-braucher informieren sich auf Webseiten, in Foren oder Blogs über Ernährungs-

themen. Sie suchen nach Empfehlungen zu einer gesunden Ernährungsweise, lesen die neusten Erkenntnisse oder informieren sich über Ernährungstrends. Die Qualität der Ernährungsinformationen im Internet ist jedoch unterschiedlich. Für Laien ist es bisweilen schwer zu entscheiden, welche Informationen neutral und wissenschaft-lich gesichert sind. In der Rubrik „Ernäh-rung diskutiert“ greift das KErn aktuelle Ernährungsthemen auf, die von Experten aus Wissenschaft und Forschung diskutiert werden und bereitet diese zielgruppen-gerecht auf unter: www.kern.bayern.de/ernaehrung-diskutiert

KErn

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Genussvoll mitten im LebenDer neue Schwerpunkt in der Ernährungsbildung für die Zielgruppe der älteren Menschen

von ANGELA DIETZ: Die demografische Entwicklung macht deutlich, wie notwendig ein ge-sundes und aktives Älterwerden ist. Zahlreiche Faktoren nehmen darauf Einfluss, ob wir mög-lichst lange gesund bleiben oder vorzeitig unsere Leistungsfähigkeit einbüßen. Der persön-liche Lebensstil mit den Faktoren Ernährung und körperliche Aktivität gehört dazu. Wie den körperlichen Veränderungen mit einer dem Alter angepassten Ernährung und Bewegung be-gegnet werden kann, ohne auf Genuss zu verzichten, zeigt der neue Jahresbildungsschwer-punkt der Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ÄELF). Er ergänzt die Dienstauf-gaben der ÄELF in der Ernährungsbildung und bietet die Möglichkeit, aktuelle Akzente zu setzen. Das Thema für den Zeitraum Juni 2016 bis Ende Mai 2017 lautet „Genussvoll mitten im Leben“ und richtet sich an die Zielgruppe der über 65-Jährigen.

Die Bevölkerung in Deutschland wird älter wie die Vorausbe-rechnungen des Statistischen Bundesamtes zeigen: Im Jahr 2060 wird jeder Dritte älter als 65 Jahre sein, im Jahr 2009 war es jeder Fünfte [1]. Auch eine gestiegene Nettozuwan-derung nach Deutschland wird den Trend nicht umkehren, allenfalls etwas abmildern.

Wenn über 65-Jährige nach den größten Wünschen für ihre Zukunft gefragt werden, steht verständlicherweise ganz oben, möglichst lange körperlich und geistig fit zu bleiben und unabhängig von der Hilfe anderer zu sein [2].

Untersuchungen zeigen, dass sich gesundheitsfördernde Maßnahmen wie tägliche Bewegung und eine altersange-passte Ernährung bis in das hohe Alter positiv auswirken [3].

Die „jungen Alten“ und ihre BesonderheitenDie Zielgruppe der älteren Menschen wird auf die Al-

tersspanne der etwa 65- bis etwa 75-Jährigen ein-gegrenzt. Das sind nach der De-finition der Welt-gesundheitsor-ganisation die „jungen, aktiven Alten“. Es sollen Menschen ange-sprochen wer-den, die körper-lich und geistig fit sind, mit nur moderaten ge-sundheitlichen

Problemen, die noch selbstbestimmt und aktiv ihr Leben gestalten können.

Die Zielgruppe weist Besonderheiten auf, die es im Vor-feld bei der Konzeption und insbesondere bei der Ansprache der Zielgruppe zu berücksichtigen galt [4][5]:

→ Mit dem Erreichen des Alters von etwa 60 bis 65 Jahren ist für die meisten Menschen ein einschnei-dendes Erlebnis verbunden: Sie wechseln von der aktiven Arbeitsphase in den Ruhestand. Dies ist für viele Menschen nochmals eine Zeit des Umbruchs, in der eine größere Offenheit für Reflexion und Be-reitschaft für Veränderungen da ist.

→ Senioren sind eine sehr heterogene Zielgruppe. Die Bandbreite unterschiedlicher Lebensumstände, die physischen und psychischen Merkmale älterer Men-schen variieren innerhalb der Altersklassen stark, ebenfalls die Art und Weise der Freizeitgestaltung oder die Affinität für neue Medien.

→ Besonderes Merkmal: Die heutigen Alten fühlen sich deutlich jünger als ältere Menschen früherer Generationen. Im Schnitt sind es rund zehn Jahre, wodurch das gefühlte Alter vom tatsächlichen Alter abweicht.

→ Im Gegensatz zu den Kindern geht es bei den älte-ren Menschen nicht mehr um die Geschmacksent-wicklung und -prägung, sondern es sind bereits ausgeprägte Gewohnheiten und Vorlieben vorhan-den.

→ Ältere Menschen lernen anders als Kinder oder jün-gere Menschen: Vermieden werden sollten Konkur-renzdruck, Wettbewerbssituationen und Zeitdruck. Positiv wirken sich die Möglichkeit für Dialog und Aus-tausch mit einem fachlichen Ansprechpartner aus.

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→ Titelbild der Aktion „Genussvoll mitten im

Leben“ (Foto: © Robert Kneschke – Fotolia.com)

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Der Körper verändert sichDas Älterwerden verläuft individuell sehr ver-schieden, das jeweilige Alter ermöglicht keine Aussage, inwieweit jemand körperlich und geis-tig fit ist. Grundsätzlich kommt es jedoch bei je-dem Menschen zu körperlichen Veränderungen, die die Organfunktionen, den Stoffwechsel und den Hormonhaushalt betreffen.

Zu den Altersveränderungen, die Auswirkun-gen auf die Ernährung haben, zählt beispiels-weise eine Veränderung der Körperzusammen-setzung, das heißt die Muskelmasse und die Knochenmasse nehmen ab, die Fettmasse nimmt zu. Das Durstempfinden lässt nach, und aufgrund der Veränderungen im Magen-Darm-Bereich min-dert sich die Verträglichkeit von Speisen.

Deutlich wird auch ein Nachlassen der Sinnes-wahrnehmungen. Starke Auswirkungen auf das Erleben von Genuss und Geschmack haben dabei die nachlassenden Geruchs- und Schmeckfähigkeiten, die meist bereits ab dem 60. Lebensjahr auftreten. Sie bewirken, dass ältere Menschen Aromastoffe in Lebensmitteln nicht mehr so intensiv wahrnehmen. Viele sagen dann „Früher hat es besser geschmeckt!“. Die Folgen können nachlassender Appetit sein. Aber auch steigende Nahrungsaufnahme wird beobachtet und ein stärkeres Nachwürzen mit Salz und Zu-cker. Durch die enge Verbindung von Gerüchen mit positi-ven Situationen fallen angenehme Erinnerungen bzw. die Warnfunktion von Gerüchen weg.

Kernbotschaft von „Genussvoll mitten im Leben“Eine zentrale Aussage steht im Mittelpunkt: Mit zunehmen-den Jahren sinkt der Energieverbrauch, der Bedarf an wich-tigen Nährstoffen wie Vitaminen, Mineralstoffen, Ballaststof-fen und ungesättigten Fettsäuren bleibt aber gleich bzw.

steigt sogar. Wird genauso wie in jungen Jahren weiter ge-gessen und die Ernährung und Bewegung nicht den ver-änderten Bedürfnissen des Körpers angepasst, kommt es leicht zu einer Gewichtszunahme und zu Übergewicht mit den damit verbundenen Begleiterkrankungen. Dazu zählen Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Er-krankungen sowie Gelenkprobleme. Der Nährstoffbedarf kann steigen, wenn Erkrankungen vorliegen und Medika-mente eingenommen werden wie beispielsweise Diuretika oder Abführmittel.

Die Lebensmittelauswahl sollte daher eine hohe Nähr-stoffdichte berücksichtigen.

Genuss kennt kein AlterDie Ansprache ist niedrigschwellig und erfolgt über den As-pekt Genuss und die Möglichkeit einer Verkostung. Mit dem Aspekt Genuss wird ein positiver und ressourcenorientier-ter Akzent gesetzt. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund wichtig, da der Blick auf die Zielgruppe häufig defizitär und krankheitsbetont ist. Im Mittelpunkt stehen oft die abneh-menden Kompetenzen älterer Menschen und Fragen wie „Was mache ich bei Pflegebedürftigkeit?“, „Sollte ich meine Wohnung altersgerecht umbauen?“ o. ä. Die Orientierung am Genuss stellt hingegen eine Möglichkeit dar, über posi-tive Assoziationen und eigene Erfahrungen zu sprechen. Es ergeben sich viele Gesprächsanreize und Anregungen für die Umsetzung in den Alltag.

Das Angebot „Genussvoll mitten im Leben“ zeigt anhand von vier Genuss- und Bewegungsinseln auf, wie eine alters-angepasste Ernährung mit nährstoffdichten Lebensmitteln und tägliche Bewegungseinheiten im Alltag umsetzbar sind. Die Teilnehmer werden beispielsweise an der Genus-

→ Die Ansprache der Besucher erfolgt über den Genuss: Das Verkosten eines

Smoothies und eines Dips sollen zeigen, wie leicht es ist, täglich mehr Milchpro-

dukte und Gemüse zu verzehren (beide Fotos: AELF Landshut)

→ Die zentrale Herausforderung in der Ernährung beim Älterwerden: Der

Energiebedarf sinkt, der Nährstoffbedarf bleibt gleich bzw. steigt

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sinsel zum Thema „Brot“ mit einem Brottest angesprochen. Sie können verschiedene Brotsorten verkosten und sol-len das Vollkornbrot herausschmecken. Die Genuss insel „Pflanzliche Öle“ bietet eine Verkostung von Rapsölen, um die verschiedenen Geschmacksnoten sensorisch zu tes-ten und die Einsatzmöglichkeiten in der Küche kennen zu lernen. An der Genussinsel „Kräuter und Gewürze“ er-fahren sie bei einem Gewürzmemory, wie Würzen heute aussehen kann. Die Teilnehmer können sich außerdem davon überzeugen, wie leicht die Verzehrsempfehlungen bei Obst, Gemüse und Milchprodukten umzusetzen sind. Sie lernen einfache Bewegungsübungen kennen und wie sie diese in ihren Tagesablauf integrieren können. Ergän-zend zum Thema Bewegung erleben die Besucher unter dem Motto „Wertvoller Tagesbegleiter“, wie leicht Was-ser in Form von Leitungswasser oder Mineralwasser ge-schmacklich mit Kräutern, Gewürzen und Zitrusfrüchten aufgepeppt werden kann.

Begleitende Medien und SettingAls Blickfang für die Aktion dient ein Roll-Up. Plakate an den Genussinseln lassen den Besucher schnell das Thema erken-nen, um das es bei der Insel geht. Auf Aufstellern ist die „Auf-gabe“ für die Besucher beschrieben, eine betreuende Person steht bei fast allen Inseln als Gesprächspartner zur Verfügung. Die Teilnehmer können sich darüber hinaus bei einem Kurz-vortrag während des Aktionstages detaillierter zu den The-men Ernährung und Bewegung älterer Menschen informie-ren. Infokarten, die an jeder Insel ausliegen, und ein Flyer mit zentralen Informationen und Botschaften zu Ernährung und

Bewegung im Alter können von den Besuchern mitgenommen werden und sollen den Transfer in den Alltag gewährleisten.

Als Setting bietet sich ein Aktionstag, der in Kooperation mit regionalen Partnern wie Kran-kenkassen und Wohlfahrtsverbänden stattfinden kann. Alternativ ist die Aktion auch im Rahmen einer Messe möglich.

Startschuss mit Minister Helmut BrunnerDen offiziellen Startschuss für den diesjährigen Schwerpunkt in der Ernährungsbildung der Äm-ter gab Minister Helmut Brunner am 20. Juni 2016 in der Musikschule in Essenbach. Rund 80 Besu-cher folgten der Einladung zur Auftaktveranstal-tung. Die darauffolgenden Aktionen der Ämter finden im Zeitraum Juni 2016 bis Mai 2017 statt. Genauere Informationen zu den Terminen gibt die Homepage jedes Amtes, siehe www.stmelf.bayern/aemter

Literatur[1] 13. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, Sta-

tistisches Bundesamt, 2015, siehe https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Bevoel-kerung/VorausberechnungBevoelkerung/Bevoelke-rungDeutschland2060Presse5124204159004.pdf?__blob=publicationFile

[2] Die „Generali Altersstudie 2013“ befasst sich mit der Le-benssituation und den Lebensumständen von älte-ren Menschen in Deutschland. Dazu wurden Inter-views mit insgesamt über 4 000 Personen im Alter zwischen 65 und 85 Jahren durchgeführt.

[3] CHERNOFF R (2001): Nutrition and Health Promotion in Older Adults. Journals of Gerontology: Series A 2001, Vol. 56 A: 47-53

[4] DEUTSCHER ALTERSSURVEY (DEAS): Die zweite Lebens-hälfte, siehe https://www.dza.de/forschung/deas.html

[5] „Generation 55+“ – Chancen für Handel und Konsumgü-terindustrie, siehe http://www.htp-sg.ch/data/publi-cations/1285601513_Generation%2055Plus%20(01-06).pdf

[6] VOLKERT D (2015): Ernährung im Alter. Walter de Gruyter GmbH, Berlin

ANGELA DIETZ KOMPETENZZENTrUM Für ErNÄHrUNg [email protected]

→ Minister Helmut Brunner beim Rundgang durch die Genuss- und Bewegungsinseln

zusammen mit (von links) Hubert Aiwanger, MdL, Theresa Stachelscheid vom

Kompetenzzentrum für Ernährung in Freising, Peter Dreier, Landrat des Landkreises

Landshut und Ludwig Robold, Bürgermeister von Ergoldsbach

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Ernährungsupdate 2016Aktuelle Trends im Fokus der Fachtagungen für Gemeinschaftsverpflegung

von DOROTHEE TRAUZETTEL: Aktuelle Trends, Entwicklungen und Veränderungen bei Ver-zehrsempfehlungen standen im Blickpunkt der siebten niederbayerischen Fachtagung für Gemeinschaftsverpflegung in Essenbach. Sie wurde von dem Fachzentrum für Ernährung und Gemeinschaftsverpflegung am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Lands-hut ausgerichtet. Sieben weitere Fachtagungen der Fachzentren in Bayern folgten. Rund 100 Küchenleiter und Verpflegungsverantwortliche aus Gesundheits- und Sozialeinrichtungen, Seniorenwohnheimen, aber auch aus Kinder- und Jugendhäusern folgten der Einladung. Thematische Schwerpunkte im Hauptvortrag von Professor Dr. med. Johannes Erdmann waren die Energiezufuhr, Mikronährstoffe und vegane und vegetarische Kost. Am Nachmit-tag boten drei praxisorientierte Foren Neues zum vegetarischen Speiseangebot und zur Vollkostenrechnung in der Küche sowie feine Kulinarik mit einer Käsesommelière.

Ernährungszufuhr dem Bedarf anpassenWie können Verantwortliche der Gemeinschaftsverpflegung dem Übergewicht vorbeugen? Welche Mikronährstoffe wer-den unzureichend zugeführt? Wie sind vegetarische und vegane Ernährung im Vergleich zum Fleischverzehr zu be-werten? Prof. Dr. med. Johannes Erdmann, Internist, Endo-krinologe, Diabetologe und Ernährungsmediziner an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, nannte als vorrangige Ursache für die weit verbreiteten Gewichtsprobleme ener-giereiche Mahlzeiten zum Frühstück, Abendessen und vor allem Zwischenmahlzeiten. Sie weisen aufgrund des hohen Brot-, Butter-, Wurst-, Käse- und Snackverzehrs eine beson-ders hohe Energiedichte auf.

Zwei Lösungen bieten sich für Gemeinschaftsverpfle-ger an: Zum einen die durchschnittliche Energiedichte (kcal/g Lebensmittel) der angebotenen Speisen auf unter 1,5 kcal/g abzusenken, beziehungsweise die Speisen durch eine Energiedichteampel zu kennzeichnen. So kann der von Übergewicht betroffene Tischgast gezielter auswäh-

len. Ein anderer Weg statt Portionsgrößen zu reduzieren ist energiereduzierte Speisen servieren, vor allem als Mit-tagsmahlzeit. Der Vorteil: Diese erzeugen trotzdem das-selbe Sättigungsgefühl, der Volumeneffekt der Nahrung im Magen bleibt erhalten. Dies ist ein wichtiger Aspekt der Kundenzufriedenheit.

Mikronährstoffe – kleiner Einsatz, große WirkungBei der Mikronährstoffversorgung sind in der Gemeinschafts-verpflegung keine groben Ernährungsmängel zu erwarten, wenn das Nahrungsmittelangebot leitliniengerecht zusam-mengestellt ist. Besonderes Augenmerk gilt dem Vitamin D, das besonders in der Haut bei ausreichender Sonneneinstrahlung gebildet wird. Mit dem Älterwerden nimmt die Fähigkeit der Haut ab, Vitamin D zu bilden. Ein manifester Vitamin-D-Man-gel betrifft besonders ältere Heimbewohner und Kranke so-wie Menschen, die sich wenig im Freien aufhalten, und Men-schen mit dunkler Hautfarbe. Im Winter ist eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung durch natürliche Nahrungsmittel, auch

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→ Von links: Dorothee Trauzettel, die Leiterin des Fachzentrums, Prof. Dr.

Johannes Erdmann und Werner Eberl, Leiter des Amtes für Ernährung,

Landwirtschaft und Forsten Landshut

→ Prof. Erdmann brachte Neuerung zu Energiezufuhr, Mikronährstoffe

und vegane und vegetarische Kost (alle Fotos: Gudrun Schraml und

Dorothee Trauzettel, Fachzentrum)

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bei erhöhtem Fischverzehr nicht möglich. Personen mit man-gelhafter Sonnenlichtexposition sollten mit zwischen 800 bis 3 000 IE Vitamin D pro Tag unterstützt werden.

Vegetarische und vegane KostProf. Erdmann ging auch auf die Frage ein, ob Veganer

gesünder leben. Studien zeigen, dass Veganer, also Men-schen, die auf sämtliche Lebensmittel tierischen Ursprungs verzichten, im Durchschnitt sehr schlank sind (Body –Mass-Index 24) und sich überhaupt mehr um ihre Gesund-heit kümmern: Sie sind aktiver, rauchen weniger, trinken sel-tener Alkohol. In gut situierten gesellschaftlichen Schichten ist der Anteil der Veganer größer. Als Ernährungsmediziner hat er nichts einzuwenden gegen eine gut geplante vegeta-rische oder vegane Kost – im Erwachsenenalter. Von veganer Ernährung bei Kindern, Jugendlichen, Schwangeren und äl-teren Menschen rate er allerdings ab. In diesen Lebenspha-sen ist eine ausreichende Proteinzusammenstellung nur mit erheblichem Fachwissen und Aufwand möglich.

Sein abschließender Rat, wie sich eine gesunde Le-bensweise definieren lässt, klingt einfacher als er umzu-setzen ist: „Gesunde Lebensweise heißt: Pflanzliche und tie-rische Lebensmittel, die satt machen, schmecken und das Gewicht im Normalmaß halten; dazu ein realistisches Maß an Bewegung“.

Praxisorientierte Foren am NachmittagMit Dr. Claudia Osterkamp-Baerens diskutierten die Teilneh-mer über die Herausforderungen, die ein vegetarisches Spei-senangebot für die Gemeinschaftsverpfleger mit sich bringt. Die Referentin – Coach für die Schulverpflegung in München – betonte die Verantwortung der Küchenleiter und Verpfle-gungsverantwortlichen für die gesunde Ernährung bei He-ranwachsenden: Die Mittagsmahlzeit bringe den Hauptteil der täglichen Nährstoffe.

Mit ihr tauschten die Forumsteilnehmer Tipps aus, wie sich der Appetit auf fleischlose Gerichte steigern lässt: „Ge-

müse sortenrein anbieten“, „Gemüse attraktiv verpacken“. Auch könnte man bekannte Garformen, wie das Panieren, für Gemüse verwenden.

Vollkostenrechnung – auch für kleine Küchen geeignetEin immer „heißes“ Thema ist die Vollkostenrechnung in der Küche. Marlies Richter von der Firma ROP IT aus Eichenau bot die Grundlagen dazu, aber auch die Vorteile und Nutzen ei-ner Deckungsbeitragskalkulation mit einem beispielhaften Warenwirtschaftsprogramm. Das Forum machte die Preisbil-dung für beispielsweise ein Mittagessen für 2,60 Euro in einer Kita transparent und lieferte somit Argumentationshilfen für Kita-Leiterinnen gegenüber Eltern und Sachaufwandsträgern.

„Wir haben bisher auf Wolke sieben gelebt – ahnungslos, worauf der Preis einer Mittagsmahlzeit für ein Kitakind beruht und welche Auswirkungen er z. B. auf die Qualität des Essens hat.“

Zitat einer Kita-Leiterin

Käse und Wein schmecken feinEine Käseverkostung mit passenden Weinen durch die Kä-se-Sommelière Elisabeth Zeilhofer ergänzten die Fachtagung rund um die Gemeinschaftsverpflegung. Nach der Devise „We-niger ist mehr“ stellte sie passende Kombinationen an Käse und Wein vor. Viele Tipps zu Einkauf, Lagerung und natürlich die Verkostung machten Lust, sich in der eigenen Küchenpra-xis mit dem Lebensmittel genießerisch zu beschäftigen.

DOROTHEE TRAUZETTELAMT Für ErNÄHrUNg, LANDWIrTSCHAFT UND FOrSTEN LANDSHUT LEITErIN FACHZENTrUM ErNÄHrUNg/ gEMEINSCHAFTSVErPFLEgUNg [email protected]

→ Verkostung mit passenden Kombinationen von Wein und Käse → Die Fachtagungen sind auch willkommene Gelegenheit zum

fachlichen Austausch

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Ernährung aktuellUGB diskutiert über ernährungswissenschaftliche und gesellschaftliche Themen, Aspekte eines gesunden Lebensstils und visionäre Perspektiven

von ALINA REISS: Die Themen der Tagung „Ernährung aktuell“ der Unabhängigen Gesund-heitsberater e. V. (UGB) in Gießen reichten von innovativen Ansätzen für alternative Lebens-modelle im Alter über Themen der Nachhaltigkeit, wie Flugimporten und Lebensmittelver-schwendung, bis hin zum Nutzen von Superfood. Etwas medizinischer wurde es bei den Zusammenhängen zwischen Ernährung und Multipler Sklerose sowie den neusten For-schungserkenntnissen zum Thema Fasten. Die Frage, wie viel Protein es sein darf, und Neues aus der Placeboforschung brachten gleichzeitig die Teilnehmer auf den neusten Stand der Wissenschaft. Theatralisch wurde es beim innovativen Ansatz in der Ernährungskommunika-tion mit theaterpädagogischen Elementen – spielt man mit Essen vielleicht doch?

Sinnvolles Altern statt „Restlaufzeit“„Wir sind gefangen in einem Netz aus Zahlen […]. Höchste Zeit, Wohlbefinden neu zu definieren.“ Mit diesen Worten lei-tete Fernsehmoderator und Autor Dr. phil. Hajo Schumacher das Tagungsprogramm ein. Vom Berufsleben in die Rente und dann? Die 65 trennt nach unserem Denken und Verhal-ten das nützliche vom unnützen Leben. Diese Ansicht über das Alter ist seit Jahrhunderten gelernt. Seit Generationen orientieren wir uns an der damit verknüpften Vorstellung von der Dreiteilung des Lebens Lernen-Arbeiten-Verfall. Aber ist das wirklich so, bzw. muss das so sein? Im Grunde wissen wir, dass Lernen und Arbeiten auch im Alter mög-lich sind, oder, dass Altersmodelle schon in jungen Jahren beginnen können, wenn die Eigenheime bereits barriere-frei gebaut beziehungsweise der Platz in der gewünschten Pflegeresidenz schon angemeldet wird. Jedoch berücksich-tigt keines der bisherigen Alterskonzepte die dem medizi-nischen Fortschritt gedankten zusätzlichen zehn, zwanzig, dreißig Lebensjahre. Und wer sagt, dass ein Leben in einer teuren Seniorenresidenz mit Rund-Um-Betreuung und so-zialen „Bespaßungs-Angeboten“ wirklich erfüllend ist. Be-deutet es nicht vielleicht eigentlich nur ein langsames, lang-weiliges Dahinsiechen. In diesem Zusammenhang und vor dem Hintergrund seiner Recherche zum Buch „Restlaufzeit“, für das er sich Altersmodelle auf der ganzen Welt anschaute, kam Dr. Hajo Schumacher zu dem Schluss:

Es ist eigentlich nur der Wunsch eines jeden Menschen, egal ob jung oder alt, nützlich und beschäftigt zu sein.

Jedoch braucht es für eine glückliche und erfüllte „Restzeit“ nicht unbedingt viel Geld oder ein nobles Seniorenheim. Viel

wichtiger sind eine positive Grundeinstellung zum Leben, Alterskonzepte, die den Demographischen Wandel berück-sichtigen, und soziale Kontakte [1].

Nachhaltigkeit ade? Angesichts des Klimawandels, der weltweiten CO2-Proble-matik und der Müllmassen stellen der Luftverkehr, als ei-ner der größten CO2-Verursacher, und das Wegwerfen von Lebensmitteln gravierende ökologische Probleme dar mit absolutem Handlungsbedarf. Ein Großteil der (Übersee-)Importe erreicht Deutschland per Hochseeschiff. Demge-genüber spielen Lebensmittel-Flugtransporte im innereu-ropäischen Handel keine so große Rolle. Jedoch werden ins-besondere leicht verderbliche Waren, v. a. aus Drittländern, oftmals eingeflogen. Zu den am häufigsten per Flugzeug transportierten Lebensmittel zählen vor allem Seefischfi-lets, frisches (Tropen-)Gemüse, exotische Früchte (Guave, Mango, Papayas etc.) sowie Rind- und Pferdefleisch [2, 3]. Für den Verbraucher ist es schwierig Flugware im Handel zu er-kennen, denn es gibt keine Kennzeichnungspflicht und nur wenige bezeichnende Symbole. Als Faustregel gilt deshalb, dass fast ausschließlich Ware aus Übersee auf dem Luftweg transportiert wird und deshalb mit Bedacht gekauft werden sollte. Vor dem ganzen klimatischen Hintergrund ist jedoch zu berücksichtigen, dass einige Länder auf Flugimporte an-gewiesen sind, um ihre Produkte nach Europa exportieren zu können. Dies gilt auch für Bio-Produkte und Produkte aus fairem Handel. Hier muss letztendlich die ökologische ge-genüber der sozialen Nachhaltigkeit abgewägt werden [4]. Das heißt, möchte man Drittländer im wirtschaftlichen Han-del unterstützen oder die Umwelt schonen?

Noceboeffekte in der ErnährungGibt es eine Wirkung ohne Wirkstoff (Placebo vs. Nocebo), was ist die „richtige“ Ernährung bei multipler Sklerose oder

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wie viel Protein darf es eigentlich sein? All diese Fragen be-schäftigen aktuell die Wissenschaftler.

Bei einem „Placebo“ (lat. „ich werde gefallen“) handelt es sich um eine Scheinsubstanz oder -behandlung, die die positiven Wirkungen eines Arzneimittels oder einer Inter-vention nachzuahmen vermag, ohne aber dabei den spezi-fischen Wirkstoff oder die spezifische Behandlungsmethode zu beinhalten. „Nocebos“ (lat. „es möge schaden“) sind das Gegenteil zu den Placebos. Es handelt sich hierbei ebenfalls um Scheinarzneimittel ohne Wirkstoff, die jedoch Symptome verschlechtern bzw. verursachen können oder eine Symp-tomverbesserung verhindern. Ein Beispiel eines Noceboef-fektes ist das Auftreten von Nebenwirkungen, die im Bei-packzettel aufgeführt sind, obwohl der Wirkstoff gar nicht enthalten ist. Häufig werden Placebos/Nocebos in Medika-mentenstudien eingesetzt, um Medikamentenwirkungen zu verblinden. Durch das Verursachen der gleichen Nebenwir-kungen wie das zu testende Medikament weiß der Proband nicht, ob er Placebo oder Wirkstoff bekommt. Im Bereich der Ernährungswissenschaft ist die Verwendung von Placebos schwieriger, da beispielsweise ein Nährstoff beim Menschen selten isoliert, sondern nur im Verbund des Lebensmittels oder der Mahlzeiten untersucht werden kann. Jedoch fin-den sich diverse Noceboeffekte in der Ernährung. Ein Beispiel wäre die Zunahme an Menschen mit einer angeblichen Lak-toseintoleranz, obwohl nur fünf bis zehn Prozent der Gesamt-bevölkerung wirklich an einem Laktasemangel leiden. Für die Zunahme von Menschen mit angeblicher Laktoseintole-ranz spielen vermutlich eher die Vermarktungsstrategien der Lebensmittelindustrie oder die Berichterstattung der Presse eine entscheidende Rolle nach dem Motto: Wenn es im Darm zwickt, leidet man bestimmt an Laktoseunverträglichkeit und sollte Milchprodukte lieber meiden [6].

Mediterrane Kost statt einseitiger DiätformenEine gezielte Lebensmittelauswahl kann laut Beobachtun-gen von Ärzten und Patienten und den Resultaten verschie-denster naturheilkundlicher Ernährungskonzepte den Ver-lauf einer Multiplen Sklerose positiv beeinflussen. Zu den positiv beeinflussenden Ernährungsformen zählt beispiels-weise die Öl-Eiweiß-Diät nach Johanna Budwig, gekennzeich-net durch eine extrem kohlenhydratarme Kost mit hohem Anteil anti-entzündlich wirkender Omega3-Fettsäuren. Die Kosumine-Diät, die der Budwig-Kost ähnelt und nur den Säu-re-Base-Haushalt sowie die Darmhygiene berücksichtigt, scheint den Krankheitsverlauf ebenfalls günstig zu beein-flussen. Weiterhin zeigt sich eine naturbelassene Frischkost nach Dr. med. Joseph Evers symptomlindernd. Dabei handelt es sich um eine vorwiegend vegetarische Ernährung kombi-niert mit fettarmen Milchprodukten und einem hohen Ge-halt an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen. Die beschriebenen Ernährungsformen sind aber sehr einseitig in der Lebensmittelauswahl. Demgegenüber vereinigt die me-

diterrane Kost mehrere Vorteile der vorherigen Konzepte, wie hoher Anteil pflanzlicher Lebensmittel, geringer Fleischkon-sum, günstige Fettsäuremuster und reich an Omega3-Fett-säuren. Zudem ist die mediterrane Ernährung nährstoff- und abwechslungsreich. Letztendlich werden allerdings insbeson-dere den anti-entzündlich wirkenden Omega3-Fettsäuren sowie einer bedarfsdeckenden Vitamin D-Aufnahme in Ver-bindung mit einer Obst und Gemüse reichen Ernährung die besten Wirkungen auf den Verlauf einer Multiplen Sklerose, aber auch präventiv, zugesprochen [7].

Wie viel Protein es in der Ernährung sein darf, ist auch aktuell wieder Gegenstand der populär-wissenschaftlichen Diskussion. Eine kohlenhydratarme bzw. -freie, aber eiweiß-reiche Ernährung steht gesellschaftlich hoch im Kurs. Der Proteingehalt westlicher Ernährung liegt mit zehn bis 15 Prozentanteil an der Energieaufnahme (= 60 – 90 g/Tag), weit über den empfohlenen acht bis zehn Energie-Prozent (=50-60 g/Tag). Aber ist eine so hohe Proteinaufnahme wirk-lich gesundheitlich bedenkenlos? Neben der Menge ent-scheidet darüber vor allem die Proteinqualität, gemessen an der biologischen Wertigkeit. Eine gute Qualität bedeutet, dass alle für den Körper lebensnotwendigen (essentiellen) Aminosäuren in ausreichender Menge aufgenommen wer-den. Alles, was der Körper nicht braucht, scheidet er norma-lerweise über die Nieren aus. Deshalb sind bei gesunden Menschen bei etwas erhöhter Proteinaufnahme erstmal keine körperlichen Schäden zu erwarten. Aber bei Kostfor-men mit sehr hohem Proteingehalt (über 30 bis 35 Prozent der Nahrungsenergieaufnahme) sind langfristig negative Wirkungen nicht auszuschließen. Gesundheitliche Folgen können beispielsweise eine Ammoniumintoxikation mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfall in Folge des überlaste-ten Nierenfiltrationssystems oder Calciumverluste mit ver-bundenem erhöhtem Risiko für Osteoporose sein. Zudem bedeutet eine erhöhte Proteinzufuhr, gerade über tierische Lebensmittel, auch eine hohe Aufnahme an Begleitstoffen, wie gesättigte Fettsäuren, Cholesterin, Salz und säurebil-denden Substanzen. Das führt nicht nur zu einer mit nega-tiven Auswirkungen verknüpften Übersäuerung des Kör-pers, sondern auch zu erhöhtem Cholesterinspiegel und Blutfettwerten.

Eine moderate Proteinaufnahme sollte bei max. 15 Prozent der Energieaufnahme liegen primär aus gut kombinierten, pflanzlichen Proteinquellen.

Obwohl es bisher keine offiziellen Angaben für Obergrenzen einer Proteinzufuhr gibt, wird von einem Anteil von mehr als 25 Energie-Prozent abgeraten. Darüber hinaus wird emp-fohlen, sinnvoll kombinierte, vor allem pflanzliche Protein-

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quellen zu nutzen und damit die Aufnahme tierischer Be-gleitsubstanzen möglichst zu reduzieren [8].

Fasten und SuperfoodDen Abschluss der populär-gesellschaftlichen Diskussion bildeten die neusten Forschungserkenntnisse zum Thema Fasten und dem Nutzen von Superfood. Fasten (also eine deutliche Reduktion der Energieaufnahme für maximal eine Woche) verlängert zwar nicht das Leben, bietet aber we-sentliche gesundheitliche Vorteile. Der derzeitige Wahn um Superfood wie Chiasamen, Acai und Co ist dagegen völlig unbegründet. Denn auch einheimisches „Superfood“ wie Leinsamen oder Walnüsse liefern die entsprechend positiv assoziierten Nährstoffe und födern damit das gesundheitli-che Wohlbefinden – und dabei sind sie noch regional! [8, 9].

Mit Essen spielt man doch?!Übergewicht und Adipositas sind zentrale Probleme der Ge-sellschaft, die es zu thematisieren gilt. Denn über 50 Prozent der deutschen Bevölkerung sind davon betroffen. Erschre-ckend ist, dass jedes fünfte Kind bereits Gewichtsprobleme hat. Ursächlich für diese Problematik ist unter anderem, dass Essen heutzutage im Gegensatz zu früher seine Bedeutung als „Hungerstiller“ verloren hat. Heute wird es Frage des Le-bensstils, wie Ernährungstrends im Sinne von vegan, Paleo1

und Co zeigen, oder Instrument der Bedürfnisbefriedigung bzw. Trostpflaster. In diesem vor ständig neuen Herausfor-derungen stehenden Feld bewegt sich die Ernährungsbe-ratung. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper und dem eigenen Ernährungsverhalten sind dabei ebenso zentrale Bestandteile eines Abnahmeerfolgs, wie es das Verknüpfen des vorhandenen Ernährungswissens mit dem Ernährungsverhalten oder die Berücksichtigung von indi-viduellen Bedürfnissen und Verhaltensweisen sind. Bisher erfolgt die Ernährungsberatung meist rein kognitiv über Gespräche. Das vermittelt zwar Wissen, ist aber wenig ver-haltenswirksam. Es ist wichtig, auch den Körper mit seinen Fähigkeiten, Ressourcen und Grenzen sowie die Emotionen mit einzubinden. Nur dann ist ein langfristiger Erfolg zu er-warten. Genau hier greifen die theaterpädagogischen Ele-mente in das Konzept der Gesprächsbasierten Ernährungs-beratung ein. Nach dem Motto „Mit Essen spielt man doch!“ werden Körperarbeit und Emotionen mit einbezogen. Das hat einerseits den Vorteil, dass sich die eigene Körperwahr-nehmung bessert und damit eine Reflexion, Veränderung und Wahrnehmung vom eigenen (Ernährungs-)Verhalten, Konsumgewohnheiten und Umgangsformen erreicht wird. Andererseits werden Emotionen erzeugt. Diese lösen beim 1 Paleo = Ursprungsernährungsweise, entsprechend der Ernährung der

Menschen in der Steinzeit. Es wird alles gegessen, von dem man ausgeht,

dass es damals schon existiert hat, wie Obst, Gemüse, Fleisch, Nüsse und

Samen. Verarbeitete Produkte, wie Milchprodukte, Getreide/-produkte, in-

dustriell hergestellte Lebensmittel und Fertigprodukte sind zu meiden [11].

Betroffenen einen „Aha-Effekt“, entweder über emotionale Betroffenheit (= erschüttert über das eigene Verhalten) oder über die Förderung einer humorvollen Sichtweise des Pro-blems, aus. Humor wird zur unterstützenden Kraft, die Her-ausforderungen des Alltags anzunehmen und anzugehen. Die Körperarbeit lässt zudem die Betroffenen erleben, dass Bewegung Spaß machen kann und nicht unbedingt etwas mit Sport oder Leistungsdruck zu tun haben muss. Durch die Anwendung vielfältiger theaterpädagogischer Elemente werden die Menschen befähigt, ihre eigenen Vorstellungen für sich und andere sichtbar, mitteilbar und dadurch erleb-bar und veränderbar zu machen [10].

Literatur[1] HAJO SCHUMACHER: Restlaufzeit. Eichborn Verlag, Köln

2014[2] MARKUS KELLER: Flugimporte von Lebensmitteln und

Blumen nach Deutschland. Eine Untersuchung im Auftrag der Verbraucherzentralen. Frankfurt 2010

[3] L SCHELENZ: Mengen- und Klimabilanz von Lebens-mitteln, die im Jahre 2013 mit dem Flugzeug nach Deutschland importiert wurden. Bachelorarbeit, Mar-tin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 2013

[4] MARKUS KELLER, DR. OEC.TROPH.: Flugimporte von Lebensmittel – Nachhaltigkeit ade? Vortrag UGB-Ta-gung 2016, Gießen; www.ugb.de

[5] PAUL ENCK, PROF. DR.: Placebo und Nocebo – Wirkung ohne Wirkstoff. Vortrag UGB-Tagung 2016, Gießen; www.ugb.de

[6] RAINER STANGE, DR. MED: Multiple Sklerose und Ernäh-rung. Vortrag UGB-Tagung 2016, Gießen; www.ugb.de

[7] CLAUS LEITZMAMNN, PROF. DR. RER. NAT.: Protein – wie viel darf es sein? Vortrag UGB-Tagung 2016, Gießen; www.ugb.de

[8] RAINER STANGE, DR. MED: Aktuelle Forschung – länger fit durch Fasten. Vortrag UGB-Tagung 2016, Gießen; www.ugb.de

[9] JOHANNE FEICHTINGER, M.SC.: Superfood – sinnvoll oder überflüssig? Vortrag UGB-Tagung 2016, Gießen; www.ugb.de

[10] STEPHANIE HOY, DR. OEC. TROPH.: Mit essen spielt man doch! – ein innovativer Ansatz in der Ernäh-rungsberatung. Vortrag UGB-Tagung 2016, Gießen; www.ugb.de

[11] NICO RICHTER: PALEO Power for life. Christian Verlag 2015

ALINA REISSAMT Für ErNÄHrUNg, LANDWIrTSCHAFT UND FOrSTEN EBErSBErg FACHZENTrUM ErNÄHrUNg/ [email protected]

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Innovationsförderung in der ErnährungDer neue Förderleitfaden „Food Innovation“ des Kompetenzzentrum für Ernährung

von DR. ANDREA SPANGENBERG und CHRISTINE RÖGER: In Deutschland gilt der Mittel-stand als das Rückgrat der Lebensmittelwirtschaft, bedingt durch den traditionell hohen Anteil an KMU („Kleine und Mittlere Unternehmen“). Für den wirtschaftlichen Erfolg sind Forschung und Innovation ausschlaggebend. Leider bleibt die Nahrungsmittel- und Genuss-branche hier mit notwendigen Investitionen weit hinter vergleichbaren Branchen zurück. Dabei verlangen veränderte Ernährungsgewohnheiten und Rohstoffentwicklungen durchaus nach innovativen, zukunftsorientierten Produkten. Um KMU, aber auch Wissenschaftler im Dschungel der staatlichen Fördermittel für Ernährung zu unterstützen hat KErn einen Förder-leitfaden entworfen.

„Die Lebensmittel- und Getränkeindustrie ist mit 1 244 Mrd. Umsatz (Zahlen von 2013) der größte produzierende Sektor der EU und mit 4, 2 Mio. Beschäftigten ein führender Arbeit-geber [1]. KMU (Definition siehe Infobox) leisten einen Bei-trag von knapp 50 Prozent zu diesem Umsatz, die Großindu-strie verwirklicht das Übrige. Die Investitionen für Forschung und Innovation liegen europaweit dagegen mit einem An-teil von 0,27 Prozent am Produktionsergebnis denkbar ge-ring [1]. Die deutsche Ernährungsbranche spiegelt diese EU-Situation recht gut wider, nur dass es bei den Investitio-nen für Innovationen noch schlechter aussieht. In der deut-schen Ernährungsindustrie waren 2012 gut 555 000 Men-schen in knapp 6 000 Betrieben beschäftigt [2]. Die daher überwiegend von kleinen und mittelständischen Unterneh-men geprägte Branche ist der viertgrößte Industriezweig in Deutschland und bietet vielfältige Beschäftigungsmöglich-keiten [2]. Die Investitionen für Forschung und Innovation liegen in Deutschland mit rund 0,2 Prozent jedoch sogar im

unteren Mittelfeld der EU-Vergleichsländer – noch hinter Slowenien [1].

Es herrscht also verstärkter Aufholbedarf, wenn die Branche nicht den Anschluss an den weltweiten Wettbe-werb verlieren will. Als größte Barrieren für höhere Inves-titionen werden insbesondere bei KMU unüberschaubare Risiken insgesamt, die Unkenntnis über Förderprogramme und der hohe Aufwand bei der Antragstellung (teilweise bedingt durch mangelnde Erfahrung) angesehen. Genau hier setzt der Förderleitfaden des KErn an, indem er über die wichtigsten Förderprogramme informiert und Hilfestel-lung gibt, um an staatliche Fördermittel für Forschung und Innovation zu gelangen.

Was der Leitfaden bietet„Food Innovation“ informiert über Förderprogramme auf drei Ebenen – EU, bundesweite Fördermittel und Bayeri-sche Förderungen. Darüber hinaus bietet der Leitfaden

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Die derzeit gültige KMU-Definition1 gilt seit 2005. Damals wurde die Kategorie „Kleinstunternehmen“ eingeführt, die KMU-Schwellenwerte wurden angehoben.

Unternehmenskategorie Zahl der Mitarbeiter Umsatz Bilanzsumme

Mittelgroß < 250 bis € 50 Mio. € 43 Mio.

Klein < 50 bis € 10 Mio. € 10 Mio.

Mikro-/Kleinstunternehmen < 10 bis € 2 Mio. € 2 Mio.

1 www.forschungsrahmenprogramm.de/kmu-definition.htm

Infobox: Definition Kleine und Mittlere Unternehmen KMU

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nützliche Tipps und hilfreiche Information zur Antragstellung, Unternehmens-gründung (z.  B. Businesspläne oder Marketing für Startups) und Innovationsma-nagement. Dazu gehören auch Hinweise für Fir-mengründungen, die Aufarbeitung rechtlicher und politischer Barrie-ren in der Ernäh-rungswirtschaft sowie Übersich-ten zu Themen der Zukunft. Um nicht nur auf For-

schung und Innovation zu setzen, werden auch Programme für Kredite von Bauvorhaben und einiges mehr integriert. In der Onlineversion, die als Entscheidungsunterstützungs-werkzeug (DSS – decision support system) programmiert wird, beschränkt man sich auf die wichtigsten Programme, die nachweislich für KMU am interessantesten sind. Diese Onlineversion wird aktuell vom KErn zusammen mit dem Bayerischen Cluster Ernährung umgesetzt.

Zu Beginn der Printausgabe steht eine tabellarische Übersicht mit allen für die Ernährungs- und Lebensmittel-branche relevanten Förderprogrammen. Den zentralen Kern des Leitfadens bildet ein Entscheidungsbaum, der Forscher und Unternehmer durch gezielte Eingrenzungen zu den für ihr Vorhaben in Frage kommenden Programmen führt. Die-ser Entscheidungsbaum wird Grundlage des DSS in der On-lineversion. Derzeit liegt der Leitfaden zum Herunterladen als pdf bereit [3].

EU holt Wirtschaft ins Boot Im ersten Teil des Leitfadens werden die neuen EU-Förder-programme erklärt. Mit Beginn des neuen EU-Rahmen-programms für Forschung und Innovation „Horizon 2020“ (Laufzeit 2014-2020) hat sich die europäische Forschungs-förderung einmal mehr neu erfunden. Im Unterschied zu al-len Vorgängerprogrammen wird der Innovationsförderung höchste Priorität eingeräumt. Es gilt, die europäische Wett-bewerbsfähigkeit mit Forschungs- und Innovationsmaßnah-men („F & I – Förderung“) zu erhalten und gleichzeitig neue

Wirtschaftsgebiete aufzubauen. Das lässt sich die EU immer-hin fast 80 Mrd. Euro (in laufenden Preisen) kosten. Eigens zu diesem Zweck neu aufgelegte Förderinstrumente sollen ökonomisch relevante Forschungsergebnisse viel stärker als bisher nutzen, Wissenschaftler damit endgültig aus dem El-fenbeinturm holen. KMU werden intensiver als jemals zu-vor mit öffentlichen Mitteln in der Produktentwicklung ge-fördert. Um die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken steht die Unterstützung der gesamten Wertschöpfungskette im Vordergrund. Deutschland zieht mit am gleichen Strang bzw. war für manch ein neues Programmteil der EU bereits Vordenker.

Vernetzung von Wissenschaft und WirtschaftEine zentrale Voraussetzung für Innovation ist ein funk-tionierender Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Verblieb dieses Anliegen in der Vergangenheit häufig theoretisch, hat man inzwischen gelernt, dass der erfolgversprechendste Weg über die Anwendung, also praxisorientierte, gemeinsame F&E-Projekte (Forschung & Entwicklung) führt. Um die Voraussetzungen für die Betei-ligung von KMU zu verbessern gilt in „Horizon 2020“ ein 20-Prozent-Ziel: Insgesamt 20 Prozent der Gesamtmittel sollen an KMU gehen. Dies erfolgt sowohl im Rahmen der klassischen Verbundforschung (z. B. „Eurostars“) als auch über spezifische neue Instrumente (z. B. „KMU-Instrument“, siehe Tabelle).

Darüber hinaus stehen weitere Förderinstrumente für KMU wie COSME (Zugang zu Finanzmitteln), PPPs (Pu-blic-private partnerships) oder die vom EIT (European Institute of Innovation and Technology) finanzierten „Knowledge and Innovation Communities“ (KICs) zur Ver-fügung (4).

Neue Plattformen zur InnovationsförderungUm insbesondere am Ende der Innovationskette nicht nur Information zu bieten, sondern auch konkrete Hilfestellung zu leisten entstanden in der Vergangenheit zahlreiche neue Plattformen und Netzwerke in der Startup-Szene. Der Bun-desverband Deutsche Startups e. V. (https://deutschestar-tups.org) repräsentiert die Szene und engagiert sich in der Politik für ein gründerfreundliches Deutschland. Neben Berlin als deutscher „Gründerhauptstadt“ findet sich beson-ders in den Regionen Frankfurt, Köln, München und Ham-burg eine aktive Gründerszene mit Dienstleistern für Grün-dungsunterstützung. Private Unternehmen und staatlich unterstützte Sites, u. a. Für-Gründer.de GmbH (Frankfurt), Gründerküche.de (Frankfurt), deutsche-startups.de (Köln), BayStartUP (München), deutscherstartupmonitor.de (Berlin), existenzgruender.de (Berlin), bieten direkte oder indirekte Unterstützung bei der Businessplanerstellung (Geschäfts-

→ Abbildung 1: Titelbild des Förderleitfadens,

der rund 250 Seiten umfasst. In der

Online-Version wird die Information in

„kleineren Häppchen“ zur Verfügung stehen

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modell, Marktanalyse, Marketing), der Firmengründung, Pa-tentanmeldung, Vermarktung und einiges mehr. Auch mit einer Initiative zur Bündelung aller Kräfte der Gründungskul-tur (www.gruenderland-deutschland.de) tritt der Staat an, in diesem Fall das Bundeswirtschaftsministerium.

Wer den Weg einer Start-up Gründung nicht allein ge-hen möchte ist beim Business Angels Netzwerk Deutschland e. V. (BAND) gut aufgehoben. Der Dachverband steht für das Leitbild des „zweiflügeligen” Business Angels, der sich so-wohl mit Kapital als auch Know-How an jungen, innovativen

→ Tabelle 1: Auswahl einiger Programme zur Innovationsförderung mit öffentlichen Mitteln

Programm F&E KMU/Industriebeteiligung Details

EU – International

KMU-Instrument Ja Ja, treibend Produkt- und Dienstleistungsentwicklung; Zugang zu Risikofinanzierung

EIT – KICs Ja Ja, KMU wichtige Partner Bildung, Wirtschaft, Wissenschaft; themenspezifisch (u. a. Food4Future)

FTI (Fast Track to Innovation) (Ja) Ja, treibend Schnelle Markterschließung für Produkte/Dienstl.; themenoffen

National (bundesweite Programme, z. T. transnational)

KMU-innovativ (BMBF) Ja Ja, treibend Themenspezifisch – u. a. Biotechnologie/Medi-zintechnik/Produktionsforschung

Eurostars/EUREKA Ja Ja, treibend Zwischenstaatliche Initiative, > 30 Mitgliedslän-der; Produkt- und Dienstleistungsentwicklung, themenoffen

ZIM (BMWi) Ja Ja F & E-Kooperationsprojekte zur Entwicklung in-novativer Produkte, Verfahren oder technischer Dienstleistungen; themenoffen

IraSME (transnationaler Teil von ZIM Koop.) – BMWi

Ja Ja, treibend Produkt- und Dienstleistungsentwicklung; mit best. Ländern; themenoffen

IGF – BMWi Ja Ja Themenoffen, industrielle Gemeinschaftsfor-schung

VIP+ – Validierung des Innovations-potentials wiss. Forschung (BMBF)

Ja Start-up Förderung/Grün-dung

Produkt- und Dienstleistungsentwicklung

EXIST (BMWi)• Forschungstransfer• Gründerstipendium

Ja Start-up Förderung/Grün-dung

Produkt- und Dienstleistungsentwicklung

ERP/KfW und HTGF (BMWi) - Unternehmensfinanzierung Förderprodukte der KfW (Kredite), High-Tech-Gründerfonds

go-Inno, go-effizient, SIGNO (BMWi) - Innovationsberatung Innovationsgutscheine für Management, Materi-aleffizienz, Fachauskünfte zu Patenten etc.

GO-Bio Ja Ja Wettbewerb, themenspezifisch Lebenswissen-schaften

Förderprogramme BMEL Ja Ja Themenspezifisch: Pflanzen/Tiere/Technik/LandwirtschaftÖkolandbau, Nachwachsende Rohstoffe,Bioökonomie International

Regional (Bayern)

BFS – Bayerische Forschungsstiftung Ja Ja Antragstellung bei Bayerische Forschungs-stiftung; Forschungspartner zusammen mit KMU-Partner (www.forschungsstiftung.de)

BayTOU - Ja Zuschüsse für Unternehmensgründungen

FLÜGGE/Hochsprung Gründerförde-rungen

- Für Unternehmensgründer Beratungsmaßnahmen, Beschäftigungszu-schüsse

Cluster Ernährung Indirekt Ja Vernetzung der bayer. Akteure im LM-/ER-Bereich

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Start-ups beteiligt. Wer lieber mit anonymem Kapital aus der „Crowd“ gründet, findet ebenfalls zahlreiche Portale. Auch hier muss das Siegel „privat betrieben“ nicht unbedingt effi-zienter zum Ziel führen; die Plattform „Crowdmapped.com“ bietet einen Überblick für die europäischen Länder: http://www.crowdmapped.com/loc/europe/

Bei den Venture Capitals hat Deutschland die Nase vorn, der High-Tech Gründerfonds ist inzwischen einer der be-währtesten Förderer der Szene.

Neugründungen in Deutschland weiterhin negativTrotz umfangreicher Förderung ist der Existenzgründungs-saldo zum dritten Mal in Folge seit (2012, 2013, 2014) in Deutschland negativ [5], d.  h. innerhalb eines Zeitraums wurden mehr Start-ups liquidiert als gegründet. Zudem ist die Zahl der gewerblichen Existenzgründungen im Jahr 2014 um rund 28 000 bzw. 8,3 Prozent zurückgegangen und lag bei rund 309 900. Das Institut für Mittelstandsforschung sieht den Grund dafür in der anhaltend starken Nachfrage nach Fachkräften und der stabilen Beschäftigungssituation in der deutschen Wirtschaft.

Die Zahlen zeigen, dass das Innovationsklima in der Er-nährungsbranche eher negativ zu werten ist. Die Vorausset-zungen dafür sind gerade in der Ernährungsbranche sehr komplex. Insbesondere rechtliche, finanzielle, individuelle und inhaltliche Gründe sowie ganz allgemein politische Rahmenbedingungen liefern handfeste Innovationshürden. Ein Grund mehr, einen Blick in den neuen Förderleitfaden des KErn zu werfen.

Literatur [1] EUROPEAN FOOD AND DRINK INDUSTRY 2014-2015:

Data & Trends. FoodDrinkEurope, Brussels, 25 Seiten. www.fooddrinkeurope.eu

[2] KENNZAHLEN DER ERNÄHRUNGSINDUSTRIE. http://www.bve-online.de/themen/branche-und-markt/branchenportrait/deutsche-ernaehrungsind2013 (letzte Abfrage: 11. November 2015)

[3] https://www.kern.bayern.de/mam/cms03/wissenschaft/dateien/food_innovation_gesamt.pdf (letzte Abfrage 11. November 2015)

[4] http://eit.europa.eu/collaborate/2016-call-for-kics; letzte Abfrage 12. Oktober 2015

[5] INSTITUT FÜR MITTELSTANDSFORSCHUNG, (IfM), 2016. Daten zu Gründungen und Liquidationen im gewerb-lichen Bereich (http://www.ifm-bonn.org/statisti-ken/gruendungen-und-unternehmensschliessun-gen/#accordion=0&tab=0, letzte Abfrage 11. Januar 2016)

DR. ANDREA SPANGENBERG CHRISTINE RÖGER KOMPETENZZENTrUM Für ErNÄHrUNg [email protected]@kern.bayern.de

Welche Handelskanäle und Verpackungs-konzepte sind aus bioökonomischer Sicht nachhaltig? Welche technologischen Pro-dukte und Dienstleistungen werden die Zukunft bestimmen? Diese und weitere Themen diskutierten fachkundige Exper-ten gemeinsam mit Start-up Gründern, Kleinunternehmern und Forschern am 9. und 10. Juni 2016 an der Landesanstalt für Landwirtschaft in Freising. Veranstalter des Kreativ-Workshops waren das Kompe-tenzzentrum für Ernährung (KErn) sowie die Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). Am ersten Tag des Workshops wurden biobasierte Produktideen mit Hilfe mo-derierter Gruppenarbeiten als „Think

Rückblick auf den Kreativ-Workshop „ProWert“ – Biobasierte Produktideen entlang der Lebensmittel-Wertschöpfungskette

Tanks“ entworfen und gesammelt. Am zweiten Tag wurden ausgewählte Ideen über das Instrument der „Value Proposi-tion Canvas“ in konkrete Geschäftsmo-delle übersetzt. Die vier Einzelgruppen

1. Potenziale ursprünglicher Kul-turarten für die Bioökonomie

2. Rohstoffpotenziale für die Wei-terverarbeitung – Chemie-bausteine aus der Natur

3. Gesunde Ernährung und Nachhal-tigkeit – Wege zum Verbraucher

4. Direktvermarktung und moderne Handelskonzepte – neue Wege der Partnerschaft zwischen bäuerli-chem Produzent und Konsument

waren dabei sehr gut besucht und entwi-ckelten interessante Projektvorschläge. Am Ende der zwei Tage konnten sich Teilnehmer in Einzelgesprächen zu Fra-gen der Finanzierung oder Drittmittelak-quise für ihre Projekte beraten lassen.

Der bereits eine Woche vor Beginn ausgebuchte Workshop war somit ein klassisches und sehr erfolgreiches Inst-rument des Innovationsmanagements, um Ideen an der Schnittstelle zwischen Bioökonomie und Ernährung zu fördern und in konkrete Projekte umzusetzen.

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Fränkische Winzer bauen und denken umBauen für den Wein am Beispiel „Weingut Georg Zang – Sommerach“

von CHRISTIANE WECKERT: Die oftmals charmanten Höfe blieben bisher dem Betrachter meist hinter hohen Mauern und geschlossenen Hoftoren verborgen. Mund-zu-Mund-Propa-ganda war bislang die vorherrschende Verkaufsstrategie. Die Probierstuben waren oft nur den wissenden Stammkunden vorbehalten. Um hinein zu kommen musste geklingelt wer-den. Damit ist jetzt Schluss, wie das Weingut Georg Zang in Sommerach beispielhaft beweist. Die Winzer öffnen ihre Höfe, gewähren Einblicke, bieten Transparenz und ihre Gebäude fallen auf. Die Neugierde der Kunden ist geweckt.

Die drei fränkischen Weingüter „Reiss aus Unterdürrbach“, „Steinmann aus Sommerhausen“ und „Rainer Sauer aus Nordheim“ haben der Öffentlichkeit bereits im Frühjahr 2015 ihre individuell gestalteten und schick umgebauten Verkaufsräume präsentiert. In Sommerach reiht sich nun ein weiteres Highlight in die Perlenkette der fränkischen Vino-theken.

Geöffnete Hofstelle lädt Kunden einGeorg Zang bewirtschaftet zusammen mit seiner Frau Heike bereits in der fünften Generation erfolgreich das rund 7,5 Hektar große Familienweingut (siehe Bild 1). Die Liebe zum Wein, das Traditionsbewusstsein und die Offenheit für zu-kunftsweisende Technologien spiegeln sich in höchster Weinqualität wider, was zahlreiche Auszeichnungen be-weisen. Um für ihre Weine einen zeitgemäßen Rahmen zu schaffen, sollte die alte rustikale Probierstube modernisiert werden (siehe Bild 2). Bereits 2012 holte die Familie Zang das Team der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) als Fachberatung mit ins Boot, um erste Ideen für die Weiterentwicklung des Betriebes zu skizzie-ren. Für das zur Straße hin hofbegrenzende bestehende Gebäude sowie einen Gebäudeteil im hinteren Bereich des Anwesens wurde jeweils ein erstes Raum- und Funktions-konzept als Entscheidungshilfe für das Betriebsleiterpaar entwickelt. Klar war von Anfang an, dass der typisch frän-kische geschlossene Hof geöffnet werden muss, um dem Kunden die Hemmschwelle zu nehmen.

Fingerspitzengefühl bei der UmgestaltungNach weiterer Reifung der Idee und der Entscheidung für ei-nen Umbau des Straßengebäudes, beauftragte der Bauherr ein erfolgreiches junges Architekturbüro mit der Planung des Vermarktungsbereichs. Mit Sinn für moderne Architektur, De-

signkompetenz und viel Herz zum Detail gestalteten die Ar-chitekten mit Fingerspitzengefühl die alte Probierstube zu einem Verkaufsjuwel um. Der bestehende Baukörper wurde einfühlsam und zurückhaltend modernisiert (siehe Bild 3). Der Einblick gewährt die Sicht auf eine stilisierten Qualitäts-pyramide oder besser, einen Weinberg in dem die Produkte präsentiert werden. Der Fassadenputz wurde im Erdgeschoß mit einem dezenten und erhabenen Relief aus Weinblättern verziert, welche an die alten Fassaden-Rebstöcke erinnern, die leider im Zug der Baumaßnahme nicht erhalten werden konnten (siehe Bild 4). Durch ein zurückversetztes, offenes Tor werden die Straßenfront geöffnet und Barrieren abgebaut. Der Kunde fühlt sich eingeladen, wird neugierig, verliert die Scheu in den idyllischen Hof einzutreten, wo sich der Eingang zur Vinothek befindet. Beim Eintreten fällt der Blick auf die indirekt beleuchtete Verkostungstheke mit dem Weinguts-logo „Georg Zang“.

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→ Bild 1: Georg Zang und Ehefrau Heike mit den drei Kindern, die auch

bereits Interesse am Weinbau zeigen und im Weinberg und Keller

mithelfen (Foto: Zang)

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→ Bild 2: Das Weingut Zang mit der typisch fränkischen, geschlossenen

Hofstelle (Foto: Christiane Weckert, LWG)

Heimische Materialien und klare LinieDie neue Vinothek ist schlicht gehalten und ausschließlich mit heimischen Materialien ausgestattet. Das Highlight ist eine mit Rebholz gestaltetet Wand, die magisch anzieht. Eines der in den eigenen Weinbergen gewachsenen Hölzer zieht der Betriebsleiter gerne aus der Verkleidung, um es den erstaun-ten Gästen in die Hand zu geben. Dieses kleine haptische Er-lebnis zeigt eine große Wirkung. Das Eis ist gebrochen. Es bie-tet Gesprächsstoff. Der Hausherr verrät das Alter der Hölzer und erklärt den interessierten Kunden die Herkunft der alten Stöcke. Dann wird über die Gegend, die Familiengeschichte und letztendlich über die Weine gesprochen. Eine kuschelige kleine Kaminecke mit einem im Raum frei hängenden runden Designer-Holzkaminofen sorgt für Behaglichkeit. Zusammen mit den tropfenförmigen Hängelampen, die ganz weitläu-fig an kleine Bocksbeutel erinnern, ergänzt er die charmante, unaufdringliche Wohlfühlatmos phäre. Das mittlerweile frei gewordene Obergeschoß wurde ebenfalls in die Planung einbezogen und geschmackvoll als Weinprobenraum für Gruppen eingerichtet. Um dem Raum Leichtigkeit zu ver-leihen, wurde die ehemalige Austragswohnung komplett

entkernt und bis unter die Dachhaut geöffnet. Der großzü-gige, lichtdurchflutete Raum bietet das perfekte Ambiente zur Verkostung der preisgekrönten Weine des Hauses. Auch hier dominieren warme Materialien, Farbtöne und natürli-che Oberflächen.

„Die Stammkunden sind begeistert, und wir haben einen enormen Zuwachs an Neukunden!“

georg Zang

Philosophie des Winzers baulich umgesetztDas zeitlose Gebäude fügt sich harmonisch in die Umge-bung des denkmalgeschützten Ensembles des Ortes ein. Aber was das Allerwichtigste ist: Der gelungene Umbau passt hervorragend zur Winzerfamilie. Der Betriebsleiter und seine Frau fühlen sich in den neuen Räumlichkeiten sichtlich wohl und können dort authentisch und mit Leidenschaft ihre Weine präsentieren. Die freundliche Offenheit, der Cha-rakter und die Lebensart der Winzerfamilie spiegeln sich im Gebäude sowie in der Innenarchitektur wider.

Individueller Charme mit bleibendem Erinnerungswert ist ein Erlebnis für die Gäste. Eine einladende Fassadenge-staltung, die Ausstattung der Räume, die Farbgebung, das Material und das Licht wirken unterbewusst auf das Wohl-befinden und das Verhalten der Kunden. Alle diese Aspekte stehen zusammen mit der Fachkompetenz des Winzers für die Qualität des Produktes.

CHRISTIANE WECKERT BAYErISCHE LANDESANSTALT Für WEINBAU UND [email protected]

→ Bild 3: Die großzügige Eckverglasung des Umbaus wird schon von weitem

als Akzent im Straßenzug wahrgenommen (Foto: Christiane Weckert, LWG)

→ Bild 4: Erst beim näher kommen, fällt die stilisierten Weinblattstruktur

angenehm ins Auge (Foto: Christiane Weckert, LWG)

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Schöne Gärten, begeisternde Führungen, aktive NetzwerkeDer Gartentourismus in Bayern blüht auf

von DR. ANDREAS BECKER und CLAUDIA SCHÖNMÜLLER: Gärten liegen im Trend – sowohl das Angebot als auch die Nachfrage von Gartenreisen nehmen zu. Wer in Internet-Suchma-schinen den Begriff „Gartenreisen“ eingibt, hat Mühe unter der Vielzahl an Anbietern und Angeboten das Richtige herauszufinden. Die meisten Reisen gehen ins Ausland – zu Unrecht. Bieten doch unsere heimischen privaten und öffentlichen Gärten und Parks ein ebenso brei-tes Spektrum an sehenswerten Ausflugs- und Reisezielen. Die Bayerische Gartenakademie unterstützt durch die Ausbildung zum Gästeführer Gartenerlebnis Bayern und durch die Ver-netzung verschiedener Initiativen.

Flaggschiffe der Gartenkultur sind die Gärten und Parks, die über die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen gepflegt werden. Im perfekten Einklang mit den historischen Gebäuden begeistern sie Pflanzenlieb-haber und kulturell-historisch Interessierte gleichermaßen. Die im Dezember 2015 neu aufgelegte Besucherinforma-tion „Staatliche Schlösser und Gärten in Bayern“ entführt die Besucher in die herrschaftlichen Anwesen der Könige und Fürstbischöfe Bayerns.

Ebenso befinden sich viele kleinere und größere Schlös-ser mit entsprechenden Gärten in Privatbesitz. Sie sind nicht immer für die Öffentlichkeit zugänglich, können aber meist im Rahmen von kulturellen Veranstaltungen, Gartenfestivals oder zu festen Besichtigungsterminen angeschaut werden. Doch auch kleinere Schaugärten, Kreislehrgärten oder pri-vate Gärten, bewirtschaftet und gepflegt von engagierten Freizeitgärtnern, öffnen sich mehr und mehr dem Garten-tourismus. Oft bieten sich gerade hier ganz spezielle Einbli-cke – so gibt es Therapiegärten, Bibelgärten, Kräutergärten, Insektengärten oder Gärten, die sich bestimmten Anbaufor-men, wie der Permakultur widmen (siehe Bild 1).

Klostergärten, Museumsgärten und – in den größeren Städten – botanische Gärten laden zu informativen Rund- und Spaziergängen ein. Überall werden kleinere und grö-ßere Parks bis hin zum Landschaftspark für die Freizeitgestal-tung genutzt. Letztere sind zwar Anziehungspunkte für viele Menschen, aber nur wenige wissen etwas über Geschichte, Konzept und Pflanzenzusammenstellung. Gerade das aber steht im Fokus des Gartentourismus: Unsere Gärten sagen viel über die Zeit ihrer Entstehung, über die verschiedenen Moden und Nutzungsarten und damit über die Gesellschaft

aus. In Bayern prä-gend waren die Klöster mit ihren Heil- und Nutz-pflanzengärten. Nach ihrem Vor-bild entwickelten sich die Hausgär-ten und Apothe-kergärten in den Städten. Eine bayerische Beson-derheit sind die Kreislehrgärten, die ehrenamtlich und mit Unter-stützung von den Kreisfachberatern bewirtschaftet werden. In vie-len Landkreisen bieten die Betrei-ber von Kreislehr- und Schaugärten Kurse und Veran-staltungen rund um das Thema Garten an und leisten dabei einen großen Beitrag zur Bewahrung und Weiterentwick-lung der bayerischen Gartenkultur. Einen kleinen Einblick in die Vielfalt der bayerischen Gärten gibt das 2012 von der Bayerischen Gartenakademie herausgegebene Buch „Gar-tenschätze Bayern“.

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→ Bild 1: Der Hortus Insectorum in Beyerberg

bietet Unterschlupf, Nahrungsangebot und

Brutplätze für Insekten (Foto: Markus Gastl,

Bayerische Gartenakademie)

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Gästeführer für Gartenerlebnisse mit allen SinnenDer Blick für die verschiedenen Gartenräume, Sichtachsen, verwunschenen Ecken und verwendeten Pflanzen wird am besten in Rahmen einer geführten Gartenbesichtigung geschärft. Im Sinne des Edutainments, der Verbindung von Bildung und Unterhaltung, vermittelt eine Führung in relativ kurzer Zeit die wichtigsten Aspekte, gibt Anre-gungen, sich auf eigene Faust weiter umzuschauen, und Ideen für die Gestaltung und Nutzung des eigenen Gar-tens. Dabei werden alle Sinne geschärft: Im Medizinhisto-rischen Museum in Ingolstadt kann man neben dem Arz-neigarten auch einen Duft- und Tastgarten erleben. Viele Privatanbieter sind mit kleinen Kostproben Ideengeber für die Verwertung der eigenen Gartengewächse in der Küche. Dabei gibt es so manche Überraschung, was alles essbar ist und früher auch zum alltäglichen Speisezettel gehörte (siehe Bild 2).

Mit der Ausbildung „Gästeführer Gartenerlebnis Bayern“ hat die Bayerische Gartenakademie an der Bayerischen Lan-desanstalt für Weinbau und Gartenbau diesen Trend aufge-griffen. Im Rahmen der Ausbildung erhalten die Teilnehmer das Rüstzeug, um ein erfolgreiches Angebot zu erstellen. Neben Gartenkunst, Gartenbewirtschaftung und Pflanzen-verwendung gibt es Unterrichtseinheiten im Bereich Prä-sentationstechnik, Kommunikation und Marketing sowie Vertrags- und Steuerrecht. Die Teilnehmer kommen aus den verschiedensten Bereichen – vom engagierten Freizeitgärt-ner bis hin zu Universitätsabsolventen im „grünen“ Bereich ist alles vertreten. Dies stellt die Referenten zwar vor eine nicht zu unterschätzende Herausforderung, aber es macht auch den Reiz der Qualifizierung aus, da die Teilnehmer vom

Austausch untereinander natürlich stärker profitieren, je un-terschiedlicher ihre Vorbildung ist.

Netzwerke zur Entwicklung des GartentourismusDer Vernetzungsgedanke wurde im letzten Jahr von der Bayerischen Gartenakademie noch einmal verstärkt auf-gegriffen und die Gründung einer Interessengemeinschaft „Gästeführer Gartenerlebnis Bayern“ initiiert. Die Interessen-gemeinschaft mit ihrer ersten Vorsitzenden Christine Ste-dele, Gästeführerin „Gartenerlebnis Bayern“ und Gartenbäu-erin, hat sich das Ziel gesetzt, das Angebot der Gästeführer mit gezielten Aktionen sowie einem gemeinsamen Inter-netauftritt bayernweit bekannter zu machen (siehe Bild 3). Ein neues Betätigungsfeld für die Gästeführer zeichnet sich

im Profi-Gartenbau ab. Auch in Gar-tenbaubetrieben steigt der Bedarf an qualifiziertem Personal, das dem in-teressierten Publikum die Arbeit in den Betrieben erlebnisorientiert nahe bringt.

Mit der gelungenen Vernetzung der Gästeführer hat die Bayerische Gartenakademie eine gute Basis für ein weiteres Ziel geschaffen: die Ver-netzung der Initiativen im Gartentou-rismus. In Bayern haben sich bereits verschiedene Initiativen zur Förde-rung des Gartentourismus gebildet. Hier wäre beispielsweise die Initiative „Frankens-Paradiese“ zu nennen. Da-hinter verbirgt sich ein aktiver Zusam-menschluss verschiedenster Gärten und des Tourismusverbands Franken e. V. Ein weiteres Gartennetzwerk ist

→ Bild 3: Ein tolles Team! Der Vorstand der neu gegründeten Interessengemeinschaft Gästeführer

Gartenerlebnis Bayern von links: Christine Stedele, Heike Reif, Marion Ratz, Gerd Janetz, Jutta

Steinmetz, Berta Müller und Helge Bunzmann (Foto: Marion Ratz)

→ Bild 2: Die Taglilie Hemerocallis hielt im späten Mittelalter Einzug in

die Bauerngärten – Blüten und Knospen sind essbar (Foto: Bayerische

Gartenakademie)

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der Verband bayersicher Parks und Gärten e. V., der unter seinem Dach Schloss- und Kurgärten, Museumsgärten, Pri-vatgärten und auch Gärtnereien vereint. Weitere Initiativen sind das „Netzwerk Privatgärten“, „Die Kräutergärten“ oder „Die Gartenführer Landkreis Tirschenreuth“.

Symposium Gartentourismus in SteingadenDer Startschuss, um diese Initiativen zusammen zu füh-ren, fiel am 2. Juni 2016 im Rahmen eines Gartentouris-

mussymposiums in Steingaden/Pfaffenwinkel, Landkreis Weilheim-Schongau. Ministerialdirigent Wolfram Schöhl eröffnete das Symposium, auf dem Experten die Themen Vernetzung, Entwicklungspotentiale sowie Best Practice Beispiele vorstellten. Eine Podiumsdiskussion mit verschie-denen Akteuren aus dem Gartentourismus arbeitete die Herausforderungen und Chancen einer verstärkten Zusam-menarbeit heraus. Es wäre wünschenswert, dass sich daraus eine fruchtbare Zusammenarbeit in den Regionen aber auch bayernweit entwickelt, um mit vereinten Kräften den Gar-tentourismus und die bayerische Gartenkultur zu stärken.

DR. ANDREAS BECKER CLAUDIA SCHÖNMÜLLER BAYErISCHE LANDESANSTALT Für WEINBAU UND gArTENBAU [email protected]@lwg.bayern.de

Auch für 2017 werden wieder motivierte Gartenfreunde mit Sendungsbewusstsein für die Qualifizierung zum Gästeführer Gartenerlebnis Bayern gesucht.

Information und Anmeldung unter: www.lwg.bayern.de/gartenakademie/index.php

Angebote der zertifizierten Gästeführer finden Sie unter: www.gartenerlebnis-bayern.de/

Infobox: Ausbildung und Angebot der Gästeführer

→ Kräuterschaugarten, Kräuterhof Eckersreuth (Foto: Franz Bogner, Bayerische Gartenakademie)

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Bauernregeln

Zeigt morgens sich ein Regenbogen,

fühlt sich der Bauer um einen Tag betrogen.

Regenbogen am Nachmittag,

bess‘res Wetter bringen mag.

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Die in „Schule und Beratung“ namentlich gekennzeichneten Beiträge geben die Auffassung des Autors wieder. Eine Überprüfung auf fachliche Richtigkeit ist nicht erfolgt.

Redaktionsschluss für Heft 11-12/2016: 1. Oktober 2016

Titelbild: Biene auf Dahlienblüte, siehe auch Beitrag „Die Förderung der Bienenhaltung in Bayern“ auf Seite 47 (Foto: Erhard Härtl)