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Samstag, 11. März 2017, 19.30 Uhr Sonntag, 12. März 2017, 11.00 Uhr SCHWARZ WEISS GESTREIFT Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) / Johann Sebastian Bach (1685-1750) Aus: Sechs Präludien und Fugen, KV 404a Nr. 1 in d Nr. 3 in F Nr. 6 in f Robert Schumann (1810-1856) Aus: Album für die Jugend I und II arr. Anssi Karttunen Nr. 1 Melodie Nr. 6 Armes Waisenkind Nr. 8 Wilder Reiter Nr. 9 Volksliedchen Nr. 10 Fröhlicher Landmann Nr. 12 Knecht Ruprecht Nr. 14 Kleine Studie Nr. 16 Erster Verlust Nr. 19 Kleine Romanze Nr. 20 Ländliches Lied Nr. 23 Reiterstück ***

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Samstag, 11. März 2017, 19.30 Uhr

Sonntag, 12. März 2017, 11.00 Uhr

SCHWARZ WEISS GESTREIFT

Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) /

Johann Sebastian Bach (1685-1750)

Aus: Sechs Präludien und Fugen, KV 404a

Nr. 1 in d

Nr. 3 in F

Nr. 6 in f

Robert Schumann (1810-1856)

Aus: Album für die Jugend I und II

arr. Anssi Karttunen

Nr. 1 Melodie

Nr. 6 Armes Waisenkind

Nr. 8 Wilder Reiter

Nr. 9 Volksliedchen

Nr. 10 Fröhlicher Landmann

Nr. 12 Knecht Ruprecht

Nr. 14 Kleine Studie

Nr. 16 Erster Verlust

Nr. 19 Kleine Romanze

Nr. 20 Ländliches Lied

Nr. 23 Reiterstück

***

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Robert Schumann

Aus: Album für die Jugend II

arr. Anssi Karttunen

Nr. 25 Nachklänge aus dem TheaterNr. 32 Sheherazade

Nr. 33 Weinlesezeit - Fröhliche Zeit!Nr. 35 Mignon

Nr. 36 Lied italienischer MarinariNr. 38a Winterzeit INr. 38b Winterzeit II

Nr. 41 Figurierter ChoralNr. 42 Silvesterlied

Eduardo Arolas (1892-1924)

El Marne (Tango)

Kurt Weill (1900-1950)

Tango – Ballade

arr. Ernst Kovacic

Julián Plaza (1928-2003)

Nocturna (Milonga)

arr. Anssi Karttunen

Ángel Villoldo (1861-1919)

El Choclo (Tango)

Zebra Trio: Ernst Kovacic, Violine

Steve Dann, ViolaAnssi Karttunen, Violoncello

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Zum Programm

Adagios und Fugen

Hektische Betriebsamkeit herrschte während derFastenzeit 1783 in der Wiener Wohnung der FamilieMozart. Die jungen Eheleute freuten sich auf dieGeburt ihres ersten Kindes, mit der sie im Juni rech-nen durften. Wolfgang glänzte in drei neuen Kla-vierkonzerten KV 413 bis 415, schrieb für seineSchwägerin Aloysia Lange eine fürchterlich schwe-re Konzertarie (KV 416) und für eine adlige Gönne-rin einen „Bardengesang“ über die Eroberung vonGibraltar durch die Engländer. Seine Auftragslage injenen Monaten war so gut, dass er es sich leistenkonnte, einen Auftrag der kaiserlichen Operninten-danz auszuschlagen, nämlich für eine „Comoediemit Arietten, betittelt Welche ist die beste Nation?“Werktags unterrichtete er bis 14 Uhr diverse Damender Wiener Gesellschaft am Klavier. Am Sonntag-morgen feierte er die Heilige Messe und fand sichanschließend gegen 12 Uhr beim Baron van Swietenein, um in einem Zirkel von Kennern zwei Stundenlang Kirchenmusik durchzusingen und Fugen zustudieren. „Ich gehe alle Sonntage um 12 uhr zum Baron vanSuiten – da wird nichts gespiellt als Bach und Hän-del,“ hatte Mozart schon am 10. April 1782 demVater berichtet. Der erlauchte Baron, Sohn des Leib-arztes von Maria Theresia und Präfekt der Kaiserli-chen Hofbibliothek, hatte „am Werthe einen sehrgrossen – an der zahl aber freylich sehr kleinenschatz von guter Musik“. Da gehörten BachischeWerke selbstverständlich hinzu, seit der Baron alskaiserlicher Botschafter am preußischen Hof mitCarl Philipp Emanuel Bach in engeren Kontaktgetreten war. Dies brachte nun auch Mozart in dieglückliche Lage, sich „eine Collection von den bachi-schen fugen“ anzufertigen, und zwar „so wohl Seba-stian als Emanuel und Friedemann Bach, dann auchvon den händlischen“. Ihren Niederschlag fanden diese Fugenstudien inStreichtrio-Bearbeitungen, die er anfertigte und teil-weise mit eigenen Einleitungen versah. Sie sind

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offenbar für den Musikkreis des Barons van Swietenentstanden, dessen „Grundlage ein Streichtrio bil-dete“ (Reinhold Bernhardt). Das pure Durchspielenam Fortepiano reichte den Wiener Kennern nichtaus. Sie wollten die Fugen im Streichersatz hören,um die Stimmführung besser verfolgen zu können.Zur feierlichen Einstimmung auf die Fuge dientejeweils ein Adagio. Für zwei der sechs StreichtriosKV 404a holte sich Mozart diese langsamen Sätzeaus den Orgeltriosonaten Bachs. In vier Fällen hat erdie Einleitungen selbst komponiert – analog zumspäteren Adagio und Fuge für Streichquartett KV546. Das Trio Zebra spielt drei seiner sechs Fugen-trios mit ihren Einleitungen:

Nr. 1 Adagio und Fuge d-Moll: Zur Einstimmungauf die erste Bachfuge schrieb Mozart ein hochbedeutendes d-Moll-Adagio von 41 Takten. Seinrhythmisch gezacktes Thema in der Geige wird vonBratsche und Cello mit einem Trillermotiv beant-wortet. Der weiche Sechsachteltakt eines „Siciliano“wird hier durch Staccati und punktierte Rhythmeneher ins Bizarre verkehrt. Das Geigenthema wirdnach f-Moll versetzt, macht dann einem chromatischweichen F-Dur-Gedanken Platz, der sich aber raschzu dramatischem Fortissimo steigert. Der ganze Satzwirkt wie ein theatralischer Dialog zwischen demabweisenden, unerbittlichen Forte und dem weichflehenden Piano. Damit hat Mozart den Boden füreine Bachfuge bereitet, die man von jeher als beson-ders tiefgründig empfand: die dis-Moll-Fuge ausdem ersten Teil des „Wohltemperirten Claviers“,BWV 853. Von der unbequemen Tonart mit sechsKreuzen versetzte sie Mozart um einen Halbton tie-fer ins leicht spielbare d-Moll, übertrug die dreiStimmen vom „Clavier“ auf die Streicher, ließ sieaber unbezeichnet, was Artikulation und Dynamikbetrifft. In flächig erhabener Manier sollte jenesFugenthema erklingen, das Bach aus Luthers Choral„Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ abgeleitet hat.

Nr. 3 Adagio und Fuge F-Dur: Tröstliches F-Dur ant-wortet auf das tragische d-Moll der Nr. 1. In schlich-ten Vierteln eines ruhigen Dreiertakts steigt ein sanf-

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tes Geigenthema auf und wandert anschließenddurch die drei Stimmen, aufs Schönste ausge-schmückt durch bewegte Gegenstimmen. Nach 40 Takten schließt die Einleitung auf einem Halb-schluss. Die folgende Bachfuge nämlich setzt nichtin F-Dur, sondern in C-Dur ein, mit einem Triller aufdem Leitton e, bevor der Grundton f erreicht wird,gefolgt von einem Abstieg in die Regionen der Sub-dominante. Es ist Bachs heitere Fis-Dur-Fuge ausdem zweiten Teil des „Wohltemperirten Claviers“,BWV 882. Die Bachforschung nimmt an, dass schonder Thomaskantor diese Fuge von F-Dur ins kom-plizierte Fis-Dur mit seinen sechs Kreuzen transpo-niert hat. Mozart hat diesen Vorgang gleichsamrückgängig gemacht. Die Fuge ist von ansteckenderFröhlichkeit, nicht nur wegen des Trillers und derplötzlichen Pause im Thema, sondern auch wegendes Tanzrhythmus’ eines Rigaudon, den Bach hierdurch alle Takte durchgehalten hat.

Nr. 6 Adagio und Fuge f-Moll: Dank Mozarts letzterStreichtrio-Bearbeitung kommen die Zuhörer in denGenuss, eine Fuge von Wilhelm Friedemann Bach zuhören, dem ältesten Sohn des Thomaskantors, densein Vater zum virtuosen Organisten ausbildete. Ab1733 spielte Friedemann in der Dresdner Sophien-kirche die beste Silbermann-Orgel Sachsens, ab 1746in der Frauenkirche zu Halle jene große Orgel vonCuntzius, die sein Vater 30 Jahre zuvor eingeweihthatte. An beiden Orgeln kamen seine acht großenFugen wunderbar zur Geltung, die er später in Ber-lin der Prinzessin Amalie von Preußen widmete. Derbizarre Stil seiner f-Moll-Fuge mit ihrem chroma-tisch absteigenden Thema und den vielen Synkopenregte auch Mozart dazu an, ein besonders grübleri-sches Adagio-Vorspiel zu schreiben, ganz in jenem„empfindsamen Stil“, wie ihn seine Berliner Kolle-gen kultivierten.

Album für die Jugend

Jede Klavierspielerin und jeder Klavierspieler kenntsie, von den Anfangsgründen des Musizierens her:den „Wilden Reiter“ und den „Fröhlichen Land-

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mann“, „Knecht Ruprecht“ und den „Ersten Ver-lust“. Die kurzen, bündigen Klavierstücklein ausRobert Schumanns „Album für die Jugend“ habenGenerationen von Anfängern den Weg in die poeti-sche Welt des romantischen Klavierstücks gewiesen,und zwar gleichsam mit großen, staunenden Kin-deraugen. Schumann ging es um nichts Geringeres,als den pädagogischen Ansatz mit einer Verklärungdes kindlichen Gemüts zu verbinden. Für ihn warendiese Stücke nicht „Rückspiegelungen eines Älterenfür Ältere“ wie die „Kinderszenen“ Opus 15, son-dern „Vorspiegelungen, Ahnungen, zukünftigeZustände für Jüngere“. Er zeichnete darin eine reine,unverdorbene Kinderwelt, eine von Abenteuernund freudigen Erwartungen durchdrungene Erleb-niswelt nach. Anssi Karttunen, der Cellist des ZebraTrios, hat zwanzig dieser Kinderstücke fürStreichtrio bearbeitet. Elf davon erklingen vor derPause, neun danach. Die ersten acht Stücke schenkte Schumann am 1. September 1848 seiner Tochter Marie zu ihremsiebten Geburtstag. Dann ging es in rascher Folgeweiter, bis die Zahl 40 erreicht war. Seinem Kompo-nistenkollegen Carl Reinecke beschrieb Schumanndie Euphorie des Schaffens: „Es war mir, als finge ichnoch einmal von vorn an zu komponieren. Und auchvom alten Humor werden Sie hier und da spüren.“ Der ursprüngliche Titel sollte „Weihnachtsalbum“lauten, weshalb denn auch weihnachtliche Themeneine große Rolle spielen: der Knecht Ruprecht undein Silvesterlied verschönern die „Winterzeit“, die inzwei eher düsteren c-Moll-Stücken geschildert wird.Weitere Themen sind das kindliche Spielen („WilderReiter“, „Reiterstück“), Nachklänge aus dem Thea-ter, aus der Kirche („Figurierter Choral“), aus derWeltliteratur („Sheherazade“, „Mignon“), Der Duftvon fremden Ländern weht herüber, etwa im Lieditalienischer Seeleute („Marinari“). Auch Rührendesund Trauriges mischt sich ein wie das arme Waisen-kind oder der „erste Verlust“.Dass Schumann diese Stücke im Sommer kompo-niert hat, kann man erahnen, wenn das „Volkslied-chen“ erklingt oder wenn ein fröhlicher Landmannsein Lied ertönen lässt.

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Trotz des klugen Aufbaus mit sehr einfachen Stü-cken am Anfang und komplexeren in der „2. Abtei-lung. Für Erwachsenere“ konnte Schumann seinenüblichen Verlag Breitkopf & Härtel nicht für die Ideeseines Jugendalbums begeistern. Stattdessen griffder Verleger Julius Schuberth zu und musste quasiim Handumdrehen eine zweite Auflage drucken,denn natürlich wurde das „Album für die Jugend“ein Verkaufsschlager, wie sein Komponist schonprophezeit hatte: „Von allen meinen Kompositio-nen, glaube ich, werden diese die populärsten.“ Zur2. Auflage mit ihren nunmehr 43 Stücken ließ Schu-mann als Anhang seine „Musikalischen Haus- undLebensregeln“ abdrucken.

Tangos

Argentinien ist in aller Munde, dank Lionel Messi,Königin Maxíma und Papst Franziskus. Als gebore-ne Argentinier lieben sie den Tango, was den Papstbetrifft, war dies jedoch nicht immer so: Anno 1914wurden die Römerinnen und Römer von einempäpstlichen Tangoverbot eiskalt erwischt. Der nach-mals heiliggesprochene venezianische Papst Pius X.verbot den anrüchigen Tanz, der seine Herkunft ausden Bordellen von Buenos Aires nicht verleugnenkonnte. Im Januar 1914 wusste die „Neue ZürcherZeitung“ darüber Erstaunliches aus Rom zu berich-ten: „Das päpstliche Tango-Verbot wirkt auf das Gesell-schaftsleben wie eine kalte Dusche, und dies um soschmerzlicher, als vor dem Papst bereits der Königden amerikanischen Eindringling aus der FamilieTerpsichore verpönt hatte. Wieweit nun die Mel-dungen verbürgt sind, wonach Pius X. erst zu einerVerurteilung des Tango gelangt sei, nachdem er ihnsich von dem römischen Patrizierpaar Antici Matteihabe vorführen lassen, vermag ich nicht zu ent-scheiden. Dagegen scheint die andere Kunde aufWahrheit zu beruhen, wonach der Papst in seinerweisen homiletischen Güte der tanzlustigen römi-schen Welt aus eigenem Antrieb einen Erlass für dieihr entgangene Tango-Freude geboten habe. DieserErlass besteht in einem alten friaulanischen Tanz

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namens Furlana, den der Papst persönlich aus sei-ner venezianischen Zeit her kennt und dem eineaußerordentliche Anmut nachgerühmt wird. Chro-nisten versichern, dass seit zwei Tagen die römi-schen Tanzmeister überlaufen würden von Mitglie-dern des Patriziats und der übrigen Gesellschaft, dienoch in aller Eile die Furlana erlernen möchten.Natürlich fehlt es nicht an Damen und Herrn, diedem verbotenen Tango eine verstohlene Träne nach-weinen, zumal in der Zeit des römischen Karnevals.Geben sich die meisten mit der Furlana als Ersatz fürden argentinischen Wildentanz zufrieden, so gibt esdoch auch Missvergnügte, welche ihre ablehnendeHaltung gegenüber der Furlana damit begründen,dass dieser Tanz ein Bauernreigen und sein Ur-sprung also plebejisch sei.“Mit dem Ausdruck „argentinischer Wildentanz“ hatder gewiefte Verfasser das Vorurteil seiner Genera-tion gegen den Tango ironisch zusammengefasst: Erwar ein Tanz aus dem „wilden“ Südamerika, an-rüchig wegen seiner Herkunft, unanständig wegenseiner Bewegungen, zwielichtig wegen der Eupho-rie, in die er die Tänzer versetzte. Wie beim Walzer100 Jahre zuvor musste man Gegenmaßnahmenergreifen, doch der Widerstand der Obrigkeit warzwecklos. Im Kommentar zu seiner Suite „Histoire du Tango“hat Astor Piazzolla die Ursprünge des Tango ge-schildert: „Der Tango wird im Jahre 1882 in BuenosAires geboren. Die ersten Instrumente sind Gitarreund Flöte, später kommen Klavier und Bandoneonhinzu. Der Tango ist eine anmutige, lebhafte Musik;sie spiegelt die gute Laune und die Beredtheit derFranzösinnen, Italienerinnen und Spanierinnenwider, die in den Bordellen von Buenos Aires lebenund Polizisten, Matrosen und Gauner in ihre Fängelocken. Der Tango ist eine fröhliche Musik. Um 1930wird er zur Musik der Cafés. Nun tanzt man ihnnicht mehr wie 1900; man beschränkt sich darauf,ihn anzuhören. Der Tango wird musikalischer, ja auch romantischer. Er verändert sich auf radi-kale Weise: die Bewegungen werden langsamer,neue Harmonien kommen hinzu, und das Ganzebekommt einen stark melancholischen Zug. Ein

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Tango-Orchester setzt sich aus zwei Geigen, zweiBandoneons, einem Klavier und einem Bass zusam-men.“ Anknüpfend an diese jüngere Tradition derTangos für Streicher haben Ernst Kovacic und AnssiKartunen drei berühmte Tangos und eine Milongafür ihr Streichtrio bearbeitet.

„El Marne“: Eduardo Arolas war ein legendärer Vir-tuose auf dem Bandoneon, der schon 1924 im Altervon 32 Jahren in Paris starb, nachdem ihn seine Fraumit seinem älteren Bruder betrogen und er sich inden Alkohol geflüchtet hatte. Mit seinem berühmte-sten Tango aus dem Jahre 1919 erinnerte er an dieblutigen Schlachten an der Marne während desErsten Weltkriegs. Daraus erklären sich die zackigenRhythmen und die harten Streicher-Klänge. Bei derErsteinspielung dieses Tangos in den USA wirktenauch zwei Geiger und ein Cellist namens HermannMeyer mit – ein schönes Vorbild für die Fassung des„Zebra Trios“.

„Tango-Ballade“: Als die „Dreigroschenoper“ vonBerthold Brecht im August 1928 im Theater amSchiffbauerdamm ihre Uraufführung erlebte, schlu-gen die Songs und Balladen von Kurt Weill in denheißen Berliner Asphalt ein wie Geschosse. EtlicheWeill-Melodien wurden von der Universal Editionin Wien sofort in Arrangements für Klavier oderInstrumental-Ensembles verwertet, darunter auchdie Tango-Ballade. Sie zeugt vom Berliner Tangofie-ber der „Goldenen Zwanziger“.

„Nocturna (Milonga)“: Mit Julián Plaza starb 2003 inBuenos Aires eine der Legenden des alten Tango derVierziger bis Sechziger Jahre. Der Musiker aus denPampas wirkte lebenslang in diversen Tango-Orche-stern in Buenos Aires, in Sextetten und Quartetten,als Pianist oder Bandoneon-Spieler. Seine Milongamit dem Titel „Nocturne“ stammt aus dem Jahre1969.

„El Choclo“: Ángel Villoldo Arroyo kann als einerder Väter des Tango gelten. 1861 südlich von BuenosAires geboren, machte er sich in der Hauptstadt als

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Sänger einen Namen. Nur begleitet von der Gitarrevermischte er Einflüsse der kubanischen Habaneras,der spanischen Tanguillos und anderer Musikfor-men zu den ersten gesungenen Tangos. Wie er sei-nen „Tango Criollo“ mit dem Titel „El Choclo“ selbstgesungen hat, kann man in einer Aufnahme von1912 hören: eher schnoddrig, als Sprechgesang,ohne großen Ausdruck, sehr zügig. Er beschreibtdarin den Aufstieg einer Bordellsängerin aus denSlums der Vorstadt in die vornehmen Cafés derHauptstadt. Dort erklang „El Choclo“ 1903 zumersten Mal in dem angesagten Restaurant „El Ame-ricano“. Der Titel des „kreolischen Tangos“ beziehtsich auf den Spitznamen eines Nachtclubbesitzers,den man „Maiskolben“ nannte, „Choclo“. Schon1911 gerieten die Berliner in den Sog dieses Tangos,der vom legendären rumänischen KapellmeisterGeorge Vintilescu im „Palais de Danse“ aufgeführtwurde.

Josef Beheimb

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Die Interpreten

Im Zebra Trio treffen drei Musiker auf einander, diesowohl reiche kammermusikalische Erfahrung mitsich tragen und denen auch die Arbeit mit zeit-genössischen Komponisten nicht fremd ist. Ziel desTrios war von Beginn an die Verschmelzung bekann-ter Meisterwerke mit neuen Kompositionen. In denKonzerten werden diese unterschiedlichen Richtun-gen schließlich auf kreative Weise kombiniert.Viele klassische Meisterwerke wurden durch dieHand des Ensembles zu Streichtrios: Schumanns„Album für die Jugend“, Brahms „Händel Variatio-nen“, Kurt Weills „Tango Ballade“, Angel Villoldos„El Choclo“ und Thelonius Monks „Criss Cross“.Mit dem wendigen, kreativen und höchst anpas-sungsfähigen Zebra haben der steirische GeigerErnst Kovacic, der kanadische Bratschist StevenDann und der finnische Cellist Anssi Karttunen eineTierart gefunden, die ihre Identität als Kammeren-semble perfekt repräsentiert, wie sie augenzwin-kernd erklären: „Trotz der Tatsache, dass kein Zebradem anderen gleicht, da jedes ihrer Streifenmustereinmalig ist, vermittelt eine Ansammlung vonZebras den Eindruck eines einzigen Organismus.Diese Verschmelzung ihrer Eigenheiten ermöglichtes ihnen, einen starken kollektiven Eindruck aufLöwen, Leoparden, Hyänen – und das Publikum zumachen. Allerdings ist die wohl wichtigste Eigen-schaft der Zebras ihre Weigerung, sich von deröffentlichen Meinung lenken zu lassen. Zebras sinddie einzigen Pferde, die nicht domestiziert wurden.Sie sind einfach zu stur. Könnten wir diese ganzeneue Musik in die Welt tragen, ohne auch ein bis-schen in diese Richtung zu tendieren?“Nach ersten Konzerten in Kanada und ihremeuropäischen Debüt im Museo Reina Sofia in Mad-rid, brachten die Musiker 2010 eigens für sie kom-ponierte Trios von Friedrich Cerha, Rolf Wallin undMiroslav Srnka zur Uraufführung. Kaija SaariahosCloud Trio wurde beim Båstad Chamber Music Fest-ival und Music Around aus der Taufe gehoben. Wei-tere Konzerte führten das Trio nach Österreich und

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Frankreich. Unter den Komponistinnen und Kom-ponisten, die für das Zebra Trio schreiben, sind KaijaSaariaho, Simon Bainbridge, Luca Francesconi, BeatFurrer, HK Gruber, Peter Lieberson, Mark Neikrugund Johannes Maria Staud.

***

Mit dem heutigen Konzert verabschiedet sich dieMozartgemeinde Graz für diese Saison bei Ihremgeschätzten Publikum. Wir danken unseren treuenBesucherinnen und Besuchern, die mit Ihrem Inter-esse und Ihrem Kartenkauf wesentlich zum Beste-hen und zur Fortführung der Konzertreihe „Meer-schein Matineen & Samstagabendkonzerte“ beitra-gen und freuen uns auf ein Wiedersehen im Novem-ber 2017.

AVISO AUS DEM HAUSE STYRIARTE:

Osterfestival PSALM „Fruchtbar“

9. bis 17. April 2017Helmut List Halle, Graz

Mit Rebkka Bakken (9.4.), Emma Kirkby, Jakob Lindberg & Armonico tributo-Consort

(The Virgin Queen, 10.4.), Ars Choralis Coeln (Magnificat, 11.4.),

La Venexiana (Freuden des Frühlings, 13.4.),Kalasri Tanz- und Musikensemble &

Mavie Hörbiger (Bharatanatyam 14.4.), Nobuntu (Mutter Erde, 16.4.) und

recreationBAROCK, Solisten & Stefan Gottfried (La Gloria di Primavera, 17.4.).

www.meerschein.at