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Seuchenherd Aralon

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Nr. 45Seuchenherd AralonSchlachtflotten sind einsatzbereit - doch die galaktischen Mediziner kämpfen nicht mitherkömmlichen Waffenvon Clark Darlton

Die Geschichte der Dritten Macht in Stichworten:1971 - Die Rakete STARDUST erreicht den Mond, und Perry Rhodan entdeckt den gestrandetenForschungskreuzer der Arkoniden.1972 - Aufbau der Dritten Macht gegen den Widerstand der irdischen Großmächte und Abwehr außerirdischerInvasionsversuche.1975 - Die Dritte Macht greift erstmals in das galaktische Geschehen ein. Perry Rhodan stößt auf die Topsiderund versucht das »galaktische Rätsel« zu lösen.1976 - DIE STARDUST II entdeckt den Planeten Wanderer, und Perry Rhodan erlangt die relativeUnsterblichkeit.1980 - Perry Rhodans Rückkehr zur Erde und Kampf um die Venus.1981 - DER OVERHEAD greift an.1982 - Die Springer kommen, um die Erde als potentielle Konkurrenz im galaktischen Handel auszuschalten.1984 - Perry Rhodans erster Kontakt mit Arkon und Einsatz als Bevollmächtigter des regierendenRobotgehirns im Kugelsternhaufen M-13.Heilen und Helfen! - Das ist der Gedanke, der Perry Rhodans Handeln bestimmt. Denn tatenlos zusehen, wie700 seiner besten Leute trotz Tiefschlaf und künstlicher Ernährung einer langsamen, aber unaufhaltsamenAuflösung entgegengehen, ist nicht seine Art.Hilfe für die an der Hyper-Euphorie Erkrankten können jedoch nur die Urheber der Seuche selbst leisten. Undwenn sie es nicht freiwillig tun, müssen sie dazu gezwungen werden! - SEUCHENHERD ARALON ist daher dasZiel der TITAN ...

Die Hautpersonen des Romans:Perry Rhodan - Das regierende Robotgehirn von Arkon stellt ihm eine Schlachtflotte zur Verfügung.Julian Tifflor - Man will ihn in Spiritus legen.Wuriu Sengu - Der »Späher« des Mutantenkorps der Dritten Macht.Thora - Die schöne Arkonidin weiß nichts von ihrer Verlobung.Gucky - Der Mausbiber verweigert den Befehl.Themos - Die Nonus-Pest ist seine Schöpfung.Talamon - Kornmandant einer Flotte der »Überschweren«.

1.

Inmitten des Kugelsternhaufens M-13, etwa 32000Lichtjahre von der Erde entfernt, umkreiste einRiesenplanet seine gelblich leuchtende Sonne. DieseSonne wurde in den Katalogen der Arkoniden Mooffgenannt, der Riesenplanet entsprechend denVorschriften Mooff VI.

Es war eine grauenhafte und unerfreuliche Welt.Als Perry Rhodan gegen Ende September des

Jahres 1984 auf ihr landete, wurde er lebhaft anJupiter erinnert, wenn Mooff VI im Vergleich zu demsolaren Riesenplaneten auch intelligentes Leben trug.

Aber was für ein Leben war das ...!Die Mooffs waren breitflächige und doch

meterhohe Wesen, die an überdimensionale Quallenerinnerten. Sie waren harmlos und friedfertigverständigten sich durch Telepathie, verzichteten auf

den Aufbau einer bemerkenswerten Zivilisation undwaren glücklich, wenn man sie in Ruhe ließ.

Das tat Rhodan dann auch, als er feststellen mußte,daß, die Mooffs nichts mit der schrecklichen Seuchezu tun hatten, der seine Mannschaft zum Opfergefallen war. Er nahm fünfzig von ihnen an Bordseines Schiffes, richtete ihnen einen speziellenAufenthaltsraum mit der heimatlichenMethan-Atmosphäre ein und hoffte überdies, mitihrer schwachen Suggestionsgabe die ausgefallenenMutanten seines Spezialkorps vorübergehendersetzen zu können, falls er sie benötigen sollte.

Vor dem Start versammelte Rhodan einige dergesund geblichenen Leute in der Zentrale. Crest, derhochgewachsene und weißhaarige arkonidischeWissenschaftler, nahm in einem der Sessel Platz. Inseinen rötlichen Augen schimmerte nur wenigZuversicht. Zu hart hatte das Schicksal zugeschlagenund Rhodan in eine fast aussichtslose Lage gebracht.

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Leutnant Tifflor schien es leichter zu nehmen. Ersaß vor dem Navigationsroboter und wartete ruhigauf die Entscheidung Rhodans, dem er äußerlich sehrähnlich sah, wenn er auch bedeutend junger war.

Der japanische »Späher« Wuriu Sengu blieb stillund bescheiden stehen, wie es seinem Wesenentsprach.

Nicht so Gucky. Der Mausbiber, fähigster ParaRhodans, machte sich auf einer Couch breit. Er sahaus wie eine vergrößerte Mickymaus mit breitemStützschwanz, besaß ein rostbraunes Fell undgutmütig blickende, braune Hundeaugen. Die großenOhren und die spitze Schnauze verliehen ihm einulkiges Aussehen, das einen Fremden leicht über diewahre Natur des Mausbibers hinwegtäuschte. Guckywar Telepath, Telekinet und Teleporter zugleich. Ersprach fließend das gebräuchliche Interkosrno,Arkonidisch und Englisch.

Hell und fast zirpend erklang seine Stimme in dergroßen Zentrale der TITAN, eines Super-Raumersvon anderthalb Kilometer Durchmesser:

»Wir wären startbereit, Rhodan. Also doch nachArkon?«

»Ich sehe keine andere Möglichkeit. Wir wissen,daß die Aras die Urheber der Hyper-Euphorie sind.Siebenhundert unserer Leute sind erkrankt, darunterdas Mutantenkorps und auch Thora. Bully nicht zuvergessen. Wenn jemand Heilung bringen kann, dannnur die Aras. Also werden wir neue Informationenvon Arkon holen müssen. Niemand weiß, wo dieZentralwelt der Aras liegt.«

»Das Robotgehirn von Arkon weiß es«, nickteCrest und sah plötzlich sehr interessiert aus. »Es wirduns helfen.«

»Im eigenen Interesse«, stimmte Rhodan zu. »Seitdie Arkoniden von dem gewaltigen Robotgehirn inihrer Herrschaft über das Imperium abgelöst wurden,geht es aufwärts. Und warum? Weil das GehirnInitiative zeigt. Ich bin sicher, es wird auch dieBedrohung der Aras erkennen und uns weiterhelfen.Noch Fragen? Wenn nicht, starten wir.«

Leutnant Tifflor hob die Hand wie ein folgsamerSchüler.

»Haben wir nicht Gefangene? Aras! Verrieten sienicht die Position ihrer Heimatwelt?«

»Das schon«, gab Rhodan zu. »Aber wir benötigendie Bestätigung von Arkon, um nicht in eine Falle zugeraten. Nur das Robotgehirn weiß, ob die Angabender Gefangenen stimmen. Der Weg nach Arkon kannuns also nicht erspart bleiben.«

»Worauf warten wir dann noch?« schrillte Guckyund blieb ausnahmsweise ernst. »Starten wir. BisArkon ist es nur ein Katzensprung.«

»Wohl mehr ein Mausbiber-Sprung«, sagte Tifflorund spielte damit auf die TeleporterfähigkeitenGuckys an. »Etliche Lichtjahrzehnte, wenn ich nicht

irre.«»Wir werden es auch mit zur Hälfte ausgefallener

Mannschaft schaffen«, blieb Rhodan zuversichtlich.»Gut! Dann bereiten wir uns auf den Start vor. DieGANYMED erhält die gleichen Koordinaten. Wirfliegen gemeinsam nach Arkon.«

Arkon war der Mittelpunkt eines Sternenreiches,das sich über den Kugelsternhaufen M-13 erstreckte,der mehr als zweihundert Lichtjahre Durchmesserbesaß, sowie über angrenzende Bereiche derMilchstraße. Dort stand auf einem der dreiHauptplaneten das Robotgehirn, dessen Partner PerryRhodan geworden war.

Sein Schiff, die TITAN, gehörte einst denArkoniden. Er hatte es gestohlen, aber großzügighatte das Gehirn Rhodan das Schiff überlassen - untereiner Bedingung: Rhodan mußte versprechen, es nurzugunsten des Imperiums einzusetzen.

Der Kampf gegen die Aras geschah für das Wohldes Imperiums.

Die TITAN war eine Kugel miteintausendfünfhundert Meter Durchmesser. Sie hattenach dem Willen des arkonidischenFlottenkommandos 1500 Mann Besatzung. Mit einerBeschleunigung von 600 Kilometern proSekundenquadrat erreichte sie in knapp zehn Minutendie Lichtgeschwindigkeit und konnte dann durchTransition in den Hyperraum gehen. Mit einemeinzigen Sprung durch die fünfte Dimension ließensich Zehntausende von Lichtjahren zurücklegen. DieGANYMED war Rhodans ursprünglichesFlaggschiff. Mit ihm war er von der Erde nach Arkongeflogen. Auch die GANYMED überwand den Raummit Hilfe der Hyperraum-Transition. Außerdem hattesie zwei Einrichtungen an Bord, die selbst demallwissenden Robotgehirn auf Arkon unbekanntgeblieben waren. Der Fiktiv-Transmitter konntejeden beliebigen Gegenstand entmaterialisieren undirgendwo - zum Beispiel in einem anderen Schiff -wieder zu Materie werden lassen. Damit hielt Rhodaneine unvorstellbar gefährliche Waffe in der Hand.Die zweite Errungenschaft, von der Technik derSpringer übernommen, war derStruktur-Kompensator. Wurde er eingeschaltet,konnten die einzelnen Transitionen von fremdenPeilstationen nicht mehr festgestellt werden. Auchdie TITAN besaß seit Wochen einen solchenKompensator.

Auf den Bildschirmen war eine urweltlicheLandschaft zu sehen. Kahle und mit Schnee bedeckteGebirge ragten hoch in den dunstigen Himmel.Ammoniakseen schimmerten in der schwachenSonne. Kein Leben regte sich. Die Mooffs hatten sichnach der Verabschiedung zurückgezogen. Dieschwere Bedrohung war von ihnen genommenworden. Nicht sie, sondern nur die Aras kamen als

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die Täter in Betracht. Die Aras waren es, die versuchthatten, das Imperium von Arkon zu erobern - mitgemeinen und heimtückischen Methoden. Im Zugedes Kampfes waren 700 Leute Rhodans mit derKrankheit infiziert worden, die man Hyper-Euphorienannte. Die davon Betroffenen fühlten sich leicht undsorglos, tanzten und sangen - aber sie aßen nichtmehr. Sie verhungerten, ohne etwas davon zu wissen.Die Glückseligkeit ließ sie alles vergessen auch dieNahrungsaufnahme.

Um sie am Leben zu erhalten, hatte Rhodan seineLeute in einen Dauerschlaf versetzen lassen. Siewurden künstlich ernährt. Das aber würde sie nichtretten können, wenn nicht bald Hilfe eintrat. Und nurdie Aras konnten helfen, denn sie waren es ja auchgewesen, die den Infektionsstoff erfunden hatten.

»Start in zehn Minuten!« kam Rhodans letzteEntscheidung. »Koordinaten sind bekannt, Tiff.Bleiben Sie in Bildverbindung mit Oberst Freyt.«

Freyt war Kommandant der GANYMED.Gucky rutschte von der Couch und watschelte zur

Tür.»Ich gehe lieber in meine Kabine, wenn die

Transition stattfindet. Hier wird man ja doch nurgestört.«

Sie sahen ihm lächelnd nach. Nur Crest blieb ernst.»Ich möchte dabei sein, Perry, wenn Sie mit dem

Robotgehirn sprechen.«»Wir werden alle an diesem Gespräch

teilnehmen«, versicherte Rhodan. »Nur habe ich eineBitte: Niemand darf erwähnen, daß wir siebenhundertKranke an Bord haben. Ich werde nur Thora undeinige andere als krank melden. Das Gehirn denktlogisch. Wenn es uns nicht mehr für volleinsatzbereit hält, wird es uns vielleicht seine Hilfeversagen. Und die benötigen wir jetzt - leider.«

Sie besprachen noch weitere Einzelheiten. DieZeiger der Uhren rückten vor. Start ...!

Fast schwerelos erhoben sich die beiden Giganten- die GANYMED war ein Zylinder von 840 MeterLänge und zweihundert Meter Breite dank ihrerAntigravfelder. Dann erst begannen die Abstoßfelderzu arbeiten. Die Riesenwelt der Mooffs versank unterihnen in der Tiefe des Alls. Als sie nur noch ein Sternwar, erreichten beide Schiffe dieLichtgeschwindigkeit.

Dann verschwanden sie einfach aus dem normalenRaum. Sie flimmerten ein wenig, wurden undeutlich- und waren nicht mehr vorhanden.

Die fünfte Dimension, in der Zeit und Raum keineBedeutung mehr besaßen, hatte sie verschluckt.

Irgendwo, an einer anderen Stelle, materialisiertensie wieder - jetzt, in dieser gleichen Sekunde.

Und mit ihnen materialisierte alles, was sich zumZeitpunkt der Transition an Bord befunden hatte.

*

Arkon lag fast im Zentrum des Kugelsternhaufens.Die beiden Raumschiffe kamen drei Lichtmonate

von der flammenden Sonne entfernt aus demHyperraum. Relativ bewegungslos verharrten sie hierund bereiteten sich auf den neuen Einsatz vor.

In den Krankenstationen der TITAN ruhten dieErkrankten in ihren Betten. Sie schliefen tief undwußten nichts mehr von ihrer Umwelt. Die kürzlichvon der Erde eingetroffene Verstärkung hatte sichinzwischen mit den Einrichtungen des Schiffeseinigermaßen vertraut gemacht und die Posten derArbeitsunfähigen übernommen. Für Rhodanbedeutete das eine unangenehme Umstellung. Erhätte Wochen benötigt, die Männer auf die TITANrichtig einzuschulen, aber er hatte es nun in wenigenTagen tun müssen.

Ärzte und Wissenschaftler kümmerten sich um dieKranken, aber wenn sie die Bedauernswerten aucham Leben erhielten, so gelang es ihnen nicht, einGegenmittel zu entwickeln.

Rhodan rief Crest, Tiff, Sengu und Gucky in dieFunkzentrale, in der das Hyperfunkgerät bereitseingeschaltet worden war. Nebenan im Kontrollraumwarteten zwei Mediziner darauf, die nur halbeingeschläferte Thora zu Rhodan zu bringen, wenndieser das Zeichen dazu gab.

Auf dem großen Bildschirm flimmerten dieverschlüsselten Simultansendungen des Gehirns.Farbige Muster veränderten ohne Unterlaß ihreFormen und bildeten ein unverständlichesDurcheinander. Nur die richtig eingestelltenEntschlüsselungsgeräte würden die abstrakten Bilderverdeutlichen können. Synchron zu den optischenEindrücken drangen aus dem Lautsprecher nicht zuidentifizierende Geräusche, die an elektronischeMusik erinnerten.

Rhodan nickte den Gefährten zu und schaltete nunauch den Sender hinzu.

»Hier meldet sich die TITAN, Kommandant Thoraaus der Sippe der Zoltral. Zweiter KommandantPerry Rhodan. Ich bitte um Bestätigung derVerbindung.«

Seine Worte gingen von der Antenne aus sofort inden Hyperraum und wurden ohne jeden Zeitverlust indrei Lichtmonaten Entfernung vom Empfänger in denNormalraum zurücktransferiert. In der gleichenSekunde, in der Rhodan sprach, konnte erLichtmonate oder gar Lichtjahre entfernt gehörtwerden. Der Hypersender der TITAN verfügte übereine kaum vorstellbare Reichweite.

Das farbige Muster auf dem Schirm erstarrte zueinem abstrakten Bild, veränderte sich aber dannsofort wieder. Langsam entstand die bekannte

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Riesenhalle mit der auf ihrer Schnittfläche ruhendenHalbkugel aus schimmerndem Metall.

Das Robotgehirn von Arkon, Herrscher einesSternenreiches unvorstellbarer Größe.

Eine kalte, mechanische und unpersönlicheStimme kam aus dem Lautsprecher und sagte:

»Identifikation anerkannt, Sperrkanal aktiviert.Sprechen Sie.«

Das Gehirn hatte also wieder dafür gesorgt, daßniemand ihr Gespräch abhören konnte, da es nichtverschlüsselt geführt wurde. Rhodan starrte auf diestählerne Kuppel, unter der das größtePositronensystem des Universums ruhte. Er empfandihm gegenüber so etwas wie Sympathie, wenngleichdas niemals der richtige Ausdruck für seine Gefühlesein konnte. Immerhin waren sie Partner geworden -die annähernd unfehlbare Maschine und er.

»Die TITAN meldet sich vom Einsatz zurück.Leider ohne Erfolg. Zwar verhinderten wir dieVernichtung des Planeten Mooff VI durch diearkonidische Kampfflotte, aber wir kamen unseremZiel nur um einen Schritt näher. Wir wissen jetzt, daßdie Mooffs keine Schuld an der Revolution auf Zalittragen und auch nicht für die Hyper-Euphorieverantwortlich gemacht werden können. Sie habendamit ebensowenig zu tun wie die Eingeborenen desPlaneten Honur. Die allein Schuldigen sind die Aras.Sie stecken hinter allem.«

»Die Aras sind eine Sippe der Springer, auchGalaktische Händler genannt. Es bestehen aber keinefreundschaftlichen Verbindungen zwischen ihnen.Die Aras sind praktisch die Mediziner und Biologendes Imperiums.«

»Aber sie stammen von den Händlern ab!« sagteRhodan mit eigenartiger Betonung. »Sie leben nichtvon der Wissenschaft allein, sondern auch vomHandel. Sie werden dieses Erbe ihrer Art nicht los.Leider handeln sie nicht nur mit Medikamenten,sondern auch mit dem Tod.«

»Beweise!«Rhodan seufzte. »Beweise fanden wir genug auf

Honur und Mooff VI. Wir wissen, daß die Arasganze Planeten infizieren und dann später dasentsprechende Gegenmittel für teures Geld liefern.Halten Sie das für eine faire Methode, Regent?«

Das Robotgehirn benötigte eine Sekunde, dieAntwort zu formulieren:

»Es ist ein Verbrechen gegen die Gesetze desImperiums, aber wir benötigen die Aras, sonst würdeich die sofortige Vernichtung ihrer Welt einleiten«Rhodan nickte. »Ich stimme Ihnen zu. Aber es mußeinen Weg geben, sie zur Einhaltung der Gesetze zuzwingen, ohne auf ihre Hilfe verzichten zu müssen.Ich benötige dringend ein Heilmittel gegen dieHyper-Euphorie. Thora von Zoltral ist erkrankt.«

Rhodan vermeinte, in der unpersönlichen Stimme

so etwas wie Erregung zu spüren, aber es konntegenauso gut eine Täuschung gewesen sein.

»Thora krank ...? Von den Aras infiziert? Ja, ichweiß schon. Sie berichteten es mir bereits. So erfolgtenoch keine Heilung?«

»Nur die Aras können sie bringen.«»Sie besitzen keine eigentliche Heimat, haben aber

viele planetare Stützpunkte.«»Zum Beispiel den Planeten Aralon«, warf Rhodan

den Köder aus.In der Tat. Das Robotgehirn ließ fast fünf

Sekunden verstreichen, ehe es antwortete:»Aralon gilt als die Zentralwelt der Aras. Woher

wußten Sie das, Perry Rhodan von Terra?«»Gefangene verrieten es mir, aber ich war nicht

sicher, ob sie die Wahrheit sprachen. So stimmt esalso? Aralon ist die Hauptwelt der galaktischenÄrzte?«

»Ja. Aralon umkreist als vierter von insgesamtsieben Planeten die kleine, gelbleuchtende SonneKesnar, deren Position ich Ihnen noch zuleitenwerde. Weitere wichtige Informationen sind: Aralonist unbewaffnet und besitzt keine eigentlicheRaumflotte. Die Aras haben es nicht nötig, Gegnerabzuwehren. Wie ich jetzt weiß, sorgen sie seitJahrtausenden dafür, daß die Infektionskrankheitennicht aussterben. Die gesamte Galaxis benötigt dieAras und ihre Medikamente und stellt sich daher gutmit ihnen. Die Aras sind, so betrachtet, dasmächtigste Volk des Imperiums - dabei haben siekeinerlei Waffen und Schlachtschiffe. Man kann sienicht zwingen, ein Medikament gegen ihren Willenherzustellen und abzugeben.«

»Aber es gibt ein Mittel, den Aras das Handwerkzu legen. Zum Wohl des gesamten Imperiums undaller intelligenten Völker der Milchstraße muß esangewandt werden.«

»Welches Mittel?« fragte das Gehirn.»Die List!«»Erklären Sie näher, was Sie meinen«, forderte der

Regent ungerührt.»Vorher möchte ich Ihnen zeigen, was aus den

Arkoniden werden kann, wenn es den Aras einfällt,die Seuche nach Arkon zu bringen«, sagte Rhodanund gab Crest einen Wink. Der weißhaarigeWissenschaftler verschwand und kehrte Sekundenspäter mit dem fahrbaren Bett wieder, auf dem Thoralag. Ihre Augen waren geöffnet, und sie lächeltestrahlend. Ihr Gesicht zeigte eine völligeSorglosigkeit, aber ihre Züge waren hager undeingefallen. Selbst die künstliche Ernährung konntenicht verhindern, daß die Kranken langsam undunaufhaltsam bei lebendigem Leib verhungerten.»Das ist Thora von Zoltral, die Kommandantin diesesSchiffes. Sie weiß nicht, daß sie krank ist, aber derTod greift bereits nach ihr, Regent. Sie wird lächeln,

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auch dann, wenn sie stirbt. Die Aras infizierten sie -und nur sie können sie wieder heilen.«

Das Robotgehirn schwieg fast eine Minute.»Erklären Sie mir Ihre List, Rhodan. Wenn Sie

mich überzeugen, daß ein Angriff auf Aralon ohneGefahr für das Imperium ist, werde ich Ihnen allemeine Hilfsmittel zur Verfügung stellen.«

Rhodan atmete auf. Er sorgte dafür, daß Thorawieder in die Krankenstation zurückgebracht wurde,zeigte auf Leutnant Tifflor, der im Hintergrund derFunkzentrale neben dem Japaner Sengu stand, undsagte:

»Meine List heißt Leutnant Tifflor, Regent. Schoneinmal rettete dieser Terraner eine bewohnte Weltvor dem Zugriff der Galaktischen Händler, indem ersich als >kosmischer Lockvogel< zur Verfügungstellte.«

»Kosmischer Lockvogel?«»In seinem Körper ist ein winziger Sender

eingebaut, der unaufhörlich Impulse ausstrahlt. DasEntscheidende dabei ist, daß die Impulse ohneZeitverlust fortgepflanzt werden und bis zu zweiLichtjahren Entfernung aufzunehmen sind. Und zwartelepathisch, nicht durch mechanische Funkgeräte.Somit ist Leutnant Tifflor ein künstlicher Telepath,der seine Gedanken zwei Lichtjahre weit übertragenkann - wie gesagt, ohne jeden Zeitverlust.«

»Das ist eine Technik, die mir unbekannt ist. Sieverfügen über Dinge, die dem Imperium sehr nützlichsein können, Perry Rhodan.«

»Deshalb wurden wir Partner«, erinnerte Rhodandas Robotgehirn, um sachlich fortzufahren: »Ichwerde Tifflor auf Aralon absetzen. Ein einzelnerMensch erregt kein Aufsehen und kann kaum alsVorbote einer galaktischen Streitmacht gewertetwerden. Wir werden stets von dem unterrichtet sein,was danach auf Aralon geschieht. Dann können wireingreifen.«

»Ein sehr gewagtes Unternehmen«, gab das Gehirnzu bedenken.

»Thora muß geheilt werden! Es ist daherunerläßlich, daß wir ein Risiko eingehen. Aber wennwir weiterhin in Betracht ziehen, daß nicht nur Thora,sondern ganz Arkon von dieser Krankheit ergriffenwerden könnte, ist das Risiko gering. Die Arasmüssen davon überzeugt werden, daß sie demImperium bessere Dienste leisten können, wenn sieehrlich arbeiten. Ihr Betrug an der Gesundheit desImperiums kommt einem Hochverrat gleich.«

»Lassen Sie mir Zeit, die erhaltenen Informationenauszuwerten«, bat der Regent. Das Knacken imLautsprecher zeigte an, daß die akustischeVerbindung unterbrochen wurde. Das Bild bliebbestehen.

Rhodan schaltete den Sender aus und wandte sichan Tifflor:

»Sie sehen Tiff, Ihnen steht einiges bevor. MeinPlan ist noch nicht klar, aber so ungefähr weiß ich,wie wir die Aras packen können. Wuriu Sengu undThora werden Sie nach Aralon begleiten.«

Crest trat unwillkürlich einen Schritt vor. SeineAugen starrten erschrocken auf den Sprecher.

»Sie wollen Thora in Gefahr bringen, Perry?«Rhodan lächelte schwach. »Im Gegenteil, Crest,

Thora wird die erste sein, die das Heilserumbekommt. Und zwar aus der Hand der Ärzte vonAralon. Damit erhalten wir den Beweis, daß sie auchdie Urheber der Seuche sind - und gleichzeitig wissenwir, daß die Heilung möglich ist.«

»Und wie sollen die Aras dazu gebracht werden?«»So genau weiß ich es noch nicht, aber es fällt mir

ein, bis wir vor Aralon stehen - eine militärischeMacht im Rücken, die jedem Angreifer die Stirnbieten kann.«

»Ich hörte, Aralon sei unbewaffnet und völligabgerüstet ...«

»... was aber keineswegs bedeutet, daß Aralonschutzlos sein muß, Crest. Ich glaube, die Aras habenmächtige Freunde, wenn es darauf ankommt.«

»Die Aras und Freunde? Wen?«»Immerhin gehören sie zum Volk der Springer«,

erinnerte ihn Rhodan, winkte dann aber hastig ab. ImLautsprecher hatte es geknackt. Schnell schaltete erden Sender wieder ein. Sekunden später ertönte diekalte Stimme des Regenten:

»Die Sonne Kesnar ist achtunddreißig IhrerLichtjahre von Arkon entfernt. Alle anderen Datenstimmen mit denen überein, die Sie von IhrenGefangenen haben. Sie erhalten von miruneingeschränkte Vollmachten und können nacheigenem Ermessen handeln. Weiter stelle ich Ihneneine robotgesteuerte Schlachtflotte zur Verfügung,die bis auf weiteres nur Ihren Befehlen zu gehorchenhat. Identifikation erfolgt auf der gleichen Frequenz,auf der ich mit Ihnen spreche. Sie sind Kommandantdieser Flotte. Die Einheiten werden in vierzigMinuten zu Ihrer Verfügung stehen. Unterrichten Siemich von Ihren Maßnahmen, sobald diese eingeleitetsind. Achtung, Warnung: Greifen Sie Aralon nichtohne Grund an! Wir benötigen die Aras nochdringend! Noch gibt es Krankheiten auf den Weltendes Imperiums!«

»Ja, das stimmt, Regent. Und es wird sie so langegeben, wie die Aras ungestört arbeiten dürfen.«

»Sie erhielten meine Anordnungen«, erwiderte derRegent unbewegt. »Halten Sie sich daran, wenn wirPartner bleiben sollen. Im übrigen wünsche ich Ihnenviel Glück und Erfolg, Perry Rhodan. Wenn Sie Hilfebenötigen, rufen Sie mich. Ende.«

Rhodan wartete, bis das Bild dunkel wurde, dannschaltete er Sender und Empfänger ab. Mit einembefreiten Aufatmen ließ er sich in den nächsten

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Sessel sinken. Für lange Augenblicke saß erzusammengesunken da, den Kopf in die Händegestützt. Niemand wagte es, seine Ruhe zu stören.Sogar Gucky blieb still. Crest wartete geduldig.

Endlich sah Rhodan auf, lächelte ein wenig undsagte:

»Es kommt mir allmählich so vor, als habe michdas Robotgehirn zu einer Art Polizei gemacht.Schaffe Ordnung, und du wirst dafür bezahlt! Nun,solange seine Interessen sich mit den meinen decken,mag das angehen. Aber wehe, wenn unsereInteressen einmal konträr gehen. Was dann geschieht,ist mir noch nicht klar.«

»Dann setzen wir den Regenten einfach ab undübernehmen die Regierung«, zwitscherte Guckyzuversichtlich und rutschte von der Couch. Errichtete sich auf und warf sich in die mit helleremFell bedeckte Brust. In dieser Pose erinnerte er an dievergangenen Diktatoren der Erde. »Ich eigne michvorzüglich zum Außenminister.« Tiff grinste.

»Ich glaube eher, daß man dich zumVergnügungsminister ernennen sollte«, schlug er vor,wurde aber sofort wieder ernst. »Sie wollen michalso auf Aralon absetzen, Mr. Rhodan? Und was sollich dort? Ich kenne Aralon nicht.«

»Niemand kennt diese Welt, auf der die Aras ihremedizinischen und biochemischen Laboratorienbesitzen. Ich wette, wenn Sie erst einmal einige Tageauf Aralon weilen, wissen wir mehr darüber.«

»Und Thora kommt mit?«»Sie muß mit!« nickte Rhodan. »Ohne sie wäre

das Unternehmen sinnlos. Ja, was ist, LeutnantFuchs?«

Der schon ältere Offizier hatte die Aufgabe,während Rhodans Unterredung mit dem Robotgehirndie Bildschirme der Zentrale im Auge zu behalten,um eventuelle Veränderungen sofort zu melden.Nicht immer wollte Rhodan sich ausschließlich aufdie Instrumente verlassen. Normalerweise versahFuchs den Dienst im Funkraum als wachhabenderOffizier.

»Eine Flotte kommt aus der Transition. Wir sindbereits völlig von ihr eingeschlossen. Es sind Schiffeder Arkoniden.«

»Das wird die angekündigte Verstärkung sein«,sagte Rhodan ruhig und erhob sich. Zusammen mitden anderen ging er hinüber in die Zentrale und sahauf die Panoramabildschirme, die in Farbenaturgetreu den umgebenden Raum wiedergaben.

Es war ein wahrhaft furchterregender Anblick.Die massigen Schlachtraumer vom Typ der

STARDUST - Kugeln mit einem Durchmesser vonachthundert Metern - standen mehr im Hintergrund.Gestaffelt formierten sich zu ihrem Schutz dieKreuzer und Zerstörer, die Mündungen ihrergefährlichen Strahlgeschütze in Flugrichtung.

Wenige Jäger hatten den Geleitschutz übernommen.Rhodan wußte, daß nicht ein einziges organisches

Wesen dort auf den Raumschiffen weilte. Dieeinzelnen Kommandanten waren positronischeRoboter, deren programmiertes Wissen größer als dasder besten irdischen Wissenschaftler war. SämtlicheHandgriffe auf den Schiffen würden automatischerfolgen und positronisch gesteuert sein.

Was sich dort im Raum formierte, war diegewaltigste Militärmacht, die Rhodan je erblickthatte. Und sie stand zu seiner Verfügung.

Es war nicht nur Stolz, sondern in der HauptsacheGenugtuung, die ihn erfüllte. Der Mensch der Erdehatte es geschafft! Er hatte bewiesen, daß er derTraditionen Arkons würdig war. Das Robotgehirnerkannte Terraner als gleichberechtigt an, ja, es zogsie sogar den ursprünglichen Gründern desImperiums, den Arkoniden, vor.

Der Mensch hatte bewiesen, daß er die göttlicheOrdnung eines belebten Universums begriffen hatte.

Wie aus einem Traum erwachend, sagte Rhodanmit belegter Stimme:

»Fuchs, stellen Sie auf der Arkon-Frequenz eineDirektverbindung mit dem Flaggschiff derArkoniden-Flotte her und legen Sie die Verbindungzu mir in die Zentrale. Ich will mit demKommandanten der Kampfflotte sprechen.«

Leutnant Fuchs verschwand im Funkraum. Crestfragte:

»Was wollen Sie von ihm, Perry? Er wird seineBefehle vom Regenten erhalten haben.«

»Nur den Befehl, mir zu gehorchen«, gab Rhodanzurück.

Vom Nachrichten-Schirm herab blickte eineMinute später das starre Gesicht eines arkonidischenRoboters in die Zentrale der TITAN. In denKristallinsen reflektierte das Licht derKontrollbeleuchtung.

»Ich stehe mit meiner Flotte zu Ihrer Verfügung,Rhodan von Terra«, eröffnete er die Unterhaltung.»Wie lauten Ihre Anweisungen?«

Rhodan unterdrückte seine Befriedigung.»Wir fliegen das System Kesnar an. Das

Eintauchmanöver erfolgt drei Lichtmonate vonKesnar entfernt. Ihre Flotte bleibt stationär, währendich mit meinen beiden Schiffen mit einfacherLichtgeschwindigkeit weiterfliege. Wir bleiben vondiesem Augenblick an in permanenterBild-Funk-Verbindung. Weitere Anweisungenerfolgen nach Bedarf.«

»Verstanden. Wir haben Gravitationsbomben mitund können jederzeit ...«

»Ich wünsche nicht, daß die Bomben eingesetztwerden. Wie ist Ihre Bezeichnung?«

»Mein Name lautet OR-775, Rhodan von Terra.«»Gut, OR-775. Dann befolgen Sie meine

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Anordnungen und warten Sie auf die genauenSprung-Koordinaten, die Ihnen mein Funker sendenwird. Die Transition findet in einer Stunde statt.«

»Verstanden! Ich bleibe auf Empfang.« DerBildschirm erlosch. Crest, der dicht neben Rhodanstand, stieß einen Seufzer aus. Rhodan wandte sichihm ein wenig erstaunt zu.

»Was haben Sie, Crest? Sorgen? Verläuft nichtalles viel besser, als wir je zu hoffen wagten?« DerArkonide nickte. »Eigentlich viel zu gut«, gab er zubedenken. »Wissen Sie überhaupt, was es bedeutet,Befehlshaber einer arkonidischen Kampfflottegeworden zu sein? Mir hat man vor dreizehn Jahrennicht einmal das Kommando über ein einziges Schiffanvertraut, obwohl ich zur regierenden Spitzegehörte. Sie, Perry, sind praktisch ein Fremder, derAngehörige einer primitiven Zivilisation - wenigstenswaren Sie das noch vor anderthalb Jahrzehnten.Heute handeln Sie bereits im Auftrag desgewaltigsten Imperiums, das es je in diesemUniversum gab. Perry, Sie haben Ihr Erbe praktischschon angetreten.«

Langsam schüttelte Rhodan den Kopf.»Nichts überstürzen. Crest. Niemand hat mir etwas

zu vererben. Da Universum gehört allen. Aber ichgebe zu, daß ich stolz bin, im Auftrag desRobotgehirns über die mächtigste Flotte verfügen zukönnen, die ich jemals sah. Sie können sich daraufverlassen, daß sie in guten Händen ist.«

Leutnant Fuchs streckte den Kopf in die Zentrale.»Die Koordinaten sind bestätigt, Sir. Soll ich sie

dem Kommandanten der Flotte durchgeben?«»Ja, tun Sie das, Fuchs. Die Transition findet in

genau fünfzig Minuten statt. Bis dahin gehen wir aufLichtgeschwindigkeit. Und dann wird es Zeit, daßwir uns den Kriegsplan überlegen. Tiff, Sie benötigeich dazu am dringendsten. Ebenfalls Sengu. Crest,ich wäre froh, wenn Sie ebenfalls dabei wären.«

»Und ich ...?« kam es vorwurfsvoll aus der Ecke,wo Gucky wieder zusammengerollt auf einemLiegebett lag und der Unterhaltung lauschte. Diegroßen Ohren war gespitzt, und die braunen Augenblickten treu und harmlos in die metallene Welt desRaumschiffes. »Ich habe so das seltsame Gefühl, alsgäbe es diesmal nichts für mich zu tun.«

»Du irrst gewaltig, Gucky«, belehrte ihn Rhodan.»In passiver Hinsicht hast du sogar eine Hauptrollezu spielen. Tiffs Gedankensendungen können einzigund allein von dir aufgenommen werden. Wir habenkeinen anderen Telepathen mehr zur Verfügung. Gut,zugegeben, du kannst nicht direkt mit nach Aralon,aber schließlich ist das eigentliche Abenteuer nichtimmer das wichtigste bei einem Unternehmen.Jedenfalls kann ich auf dich nicht verzichten.Zufrieden?«

Gucky pfiff schrill und unmelodisch.

»Was bleibt mir übrig? Also gut, dann erläuteredeinen Kriegsplan. Ich bin gespannt wie eine Folter.«

»Was bist du? Hat Bully dir das beigebracht? Ichfürchte, du wirfst wieder einmal die Begriffedurcheinander« Rhodan lächelte flüchtig und wurdesofort wieder ernst. »Also gut, dann hört zu. Ich willeuch meinen Plan in aller Kürze erläutern. Wirtransistieren in fünfundvierzig Minuten und werdenin drei Lichtmonaten Entfernung von Kesnarrematerialisieren. Dann werden wir ...«

Rhodan sprach eine halbe Stunde, und er wurdekein einziges Mal von seinen gespannt lauschendenZuhörern unterbrochen.

Der Plan, den er entwickelte, war spannend wie einutopischer Roman ...

2.

Die Sonne Kesnar war ein kleiner, gelber Stern inden Zielbildschirmen der TITAN. Drei Lichtmonateließen selbst einen Riesen zu einem Zwerg werden -und Kesnar war alles andere als ein Riese.

Unbeweglich verharrte die gewaltige Flotte derArkoniden im Raum. Rhodan hatte OK-775 dieletzten Koordinaten übermitteln lassen. Wenn dieKampfflotte jetzt in Transition ginge, würden siewenige Lichtsekunden von Aralon entferntmaterialisieren.

Die TITAN und GANYMED flogen mit einfacherLichtgeschwindigkeit weiter auf das System zu. Beidiesem Tempo würden die beiden Schiffe dreiMonate benötigen, um Aralon zu erreichen.

Die große Stunde Tiffs war abermals gekommen.Thora war wieder in tiefen Schlaf versetzt worden.

Die Arkonidin lag unbeweglich in ihrem fahrbarenBett, mit Lederriemen angeschnallt, damit sie nichtinfolge einer unverhofften Bewegung herausfallenkonnte.

Wuriu Sengu, der Späher, der kraft seines Willensdurch feste Materie sehen konnte und außer Guckyder einzige parapsychisch Begabte, der nicht von derKrankheit befallen worden war, trug seine schlichteUniform, die ihn als Mutanten der Dritten MachtRhodans kenntlich machte. Auch Tiff trug dieUniform. Es bestand nicht die geringste Absicht, ihreIdentität zu verheimlichen.

Im kleinen Hangar der TITAN, in dem man dieGazelle untergebracht hatte, wurden die letztenEinzelheiten besprochen. Die Gazelle war einFernaufklärer in Diskusform. Ihr Durchmesser betrugnur dreißig Meter, während sie in der mittlerenVerdickung achtzehn Meter hoch war. Immerhinkonnte auch dieses kleine Raumschiff bis zu dreiLichtjahren in einem einzigen Hypersprungzurücklegen und besaß einen Aktionsradius vonfünfhundert Lichtjahren.

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Rhodan nahm Tiff beiseite. »Sie wissen genau,welche Rolle Sie zu spielen haben, Tiff?«

»Es wird mir nicht immer leichtfallen, Sir, anIhnen zum Verräter zu werden.«

»Das gehört zu Ihrer Aufgabe - und vergessen Siesie niemals! Denken Sie alle Gespräche mit, damitGucky stets darüber orientiert ist, was geschieht.Besonders wenn die Aras reden, wiederholen Sie ihreWorte im Geiste. Nur so ist es Gucky möglich, denGesprächen zu folgen.«

»Wenn nur Thora nichts geschieht.«»Unbesorgt, Tiff. Die Aras wissen genau, wie

wertvoll die Geisel ist, die sie in den Händen zuhaben glauben. Und auf der anderen Seite werden siegroßen Wert darauf legen, Ihnen zu beweisen, wiegroß ihre medizinischen Fähigkeiten sind. Sie werdensehen, es wird alles ganz glattgehen so wie wir es unsausdachten. Ja, es wird Zeit. Ich wünsche Ihnen vielGlück, Tiff. Auf Wiedersehen.«

»Auf Wiedersehen - möglichst bald!« gab Tiffzurück und reckte seine hagere Gestalt. In seinengrauen Augen funkelte es entschlossen auf. Er bücktesich und streichelte Gucky über das Fell. »Machs gut,alter Freund. Wenn ich zurückkehre, kannst du dichbei mir melden. Ich werde dir eine halbe Stunde denNacken kraulen.«

»Das hat Bully schon mal fünf Stunden langgetan«, tat der Mausbiber geringschätzig. »Aber einehalbe Stunde ist besser als nichts.« Crest klopfte Tiffauf die Schulter. »Viel Glück, Leutnant. Passen Siegut auf Thora auf.«

»Ich hüte sie wie meinen Augapfel, Crest«,versprach Tiff und kletterte in den Einstieg. Senguerwartete ihn bereits. Dann, nach einem letztenWinken, schloß sich die Luke.

Die Gazelle lag startbereit in dem Hangar. Rhodan,Crest und Gucky verließen ihn und kehrten in dieZentrale zurück. Von hier aus folgten sie denEreignissen auf dem Bildschirm. Eine halbe Minutelang geschah nichts, dann schoß plötzlich die Gazelleseitlich ins Blickfeld. Sie strebte mit unerhörterBeschleunigung auf die ferne Sonne zu undentmaterialisierte von einer Sekunde zur anderen. Siewürde im gleichen Augenblick, drei Lichtmonateentfernt, wieder aus dem Hyperraum kommen - undauf Aralon landen.

Alles Weitere war reine Spekulation.Und viel Glück, wenn es nach Plan verlief.

*

So wohl fühlte sich Tiff absolut nicht.Niemand wußte, wie die Aras reagieren würden,

wenn ein fremdes Schiff auf ihrer Zentralweltlandete. Sicher, sie waren als ein friedfertiges Volkbekannt, aber das schloß keinesfalls aus, daß sie sich

zu wehren verstanden, wenn es um ihre Interessenging. Immerhin hatten sie ja versucht, mit Hilfe dersuggestiv veranlagten Mooffs die Bevölkerung desPlaneten Zalit unter ihre Kontrolle zu bringen, umdas Robotgehirn auf Arkon zu vernichten und dieHerrschaft über das Imperium an sich zu reißen.Ganz so harmlos und ohne Ehrgeiz, wie sie immertaten, waren die Aras also nicht Als die Gazellematerialisierte, war sie zwanzig Lichtminuten vonAralon entfernt und raste mit der Geschwindigkeitdes Lichtes auf den Planeten zu, dabei ständigverzögernd.

Es blieb Tiff Zeit genug, sich durch denAugenschein zu orientieren. Aralon stand genau inFlugrichtung, ein hell funkelnder Stern, der mit jederSekunde heller und größer wurde.

Sengu erhob sich von dem Liegebett. Er trat nebenTiff und sah auf den Schirm.

»Wann werden sie uns entdecken?« fragte erbesorgt. Tiff zuckte die Schultern. »Keine Ahnung,das kommt darauf an, wie gut ihr Meldesystemfunktioniert. Vielleicht haben sie uns schon längst aufden Bildschirmen ihrer Ortungsgeräte.«

»Soll ich mit den Funkgeräten auf Empfanggehen?«

»Das wäre jedenfalls kein Fehler. Vielleichtgelingt es Ihnen sogar, eine Verbindung zu erhalten.Geben Sie aber keine Antwort, sondern überlassenSie das mir.«

Der Japaner nickte und machte sich an denFunkeinrichtungen zu schaffen.

Die Minuten vergingen und wurden zu einerhalben Stunde.

Längst schon war die Geschwindigkeit starkgesunken. Die Gazelle bewegte sich mit knapptausend Kilometern pro Sekunde. Aralon war einhellgrün schimmernder Planet mit Kontinenten undOzeanen. Er erinnerte an die weit entfernte Erde.

Im Empfänger für Normal-Funk war ein nicht zuentwirrendes Durcheinander Hunderter von Stimmen.Sengu verstand kaum ein Wort. Die Sprache war zumgrößten Teil Interkosrno, die Umgangssprache desarkonidischen Imperiums. Alle Meldungen warenverschlüsselt.

Als Tiff mehr auf die Seitenbildschirme achtete,sah er zwei walzenförmige Raumschiffe auf dieGazelle zueilen. Ehe er sich überlegen konnte, was ertun sollte, waren sie schon vorbei. Sie machten eineSchwenkung nach links und flogen, wie er, aufAralon zu, ohne ihn weiter zu beachten.

Das hatte Tiff noch nie erlebt. Da näherten sie sicheiner unbekannten Welt, die hoch zivilisiert war -und man kümmerte sich nicht um sie.

Ihm blieb keine Zeit, weiter über das Phänomennachzudenken, von dem Gucky bereits unterrichtetsein mußte, wenn er nicht gerade schlief. Leider

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bestand nicht die Möglichkeit, mit demKörper-Sender auch Nachrichten zu empfangen. DasGerät wirkte nur einseitig.

Von rechts kamen drei weitere Schiffe, ebenfallswalzenförmig. Sie überholten die Gazelle undstürzten mit irrsinniger Geschwindigkeit auf Aralonzu. Im Vergrößerungsschirm erkannte Tiff, daß sieauf den Hauptkontinent zuflogen, um dort zurLandung anzusetzen.

»Ziemlicher Verkehr hier«, bemerkte er trocken zuSengu, der dem Vorbeiflug der fremden Schiffe mitoffenem Mund zugeschaut hatte. »Wenn das keineTarnung ist, wird man kaum auf uns achten.«

Er ahnte noch nicht, wie nahe er mit seinerVermutung der Wahrheit kam.

Eine Umrundung genügte, um den Raumhafen zuorten. Es war ein freies Feld mit glattemKunststoffboden, fast rund und mit einemDurchmesser von gut dreißig Kilometern.

So etwas hatte Tiff außer auf Arkon noch niegesehen.

In langen Reihen standen die gelandeten Schiffeauf dem Feld, riesige Kugeln von der Art derArkonidenfahrzeuge, walzenförmige Giganten undhoch emporragende Torpedos. Es gab Hunderteverschiedener Typen und mehr als zehntausendSchiffe. Das unaufhörliche Kommen und Gehenwirkte derart verwirrend, daß Tiff zu träumenglaubte. So etwa hatten sich phantasiebegabteAutoren das Leben und Treiben auf einemRaumhafen der Zukunft vorgestellt - und warenausgelacht worden. Nun erlebte er selbst, daß diePhantasie dieser Autoren längst nicht ausgereichthatte, die Wahrheit auch nur annähernd zu erkennen.

Je tiefer er kam, desto gewaltiger wurde derEindruck. Die Reihen der gelandeten Schiffe säumtenregelrechte Straßen, auf denen schnellfahrendeWagen hin und her flitzten und so die Verbindung zuden flachen Randgebäuden herstellten, die das Feldwie ein Ring umgaben.

Tiff sank tiefer und erspähte eine freie Stelle, diePlatz genug für die kleine Gazelle bot. Wie einZwerg zwischen Riesen kam er sich vor, als er sanftaufsetzte und den Antrieb ausschaltete.

Aber keiner der Riesen schien seine Ankunft zubemerken. Niemand kümmerte sich um ihn. Es war,als habe er auf der Erde seinen Wagen in einer Lückezwischen tausend anderen Wagen geparkt.

Sein Nachbar war ein Walzenschiff von mehr alsdreihundert Meter Höhe. Tiff sah, wie einige derBesatzungsmitglieder mit einem Lift in die Tiefefuhren und in einen bereitstehenden Wagen stiegen,um dann davonzufahren. Sie schenkten dem Diskusnicht einmal einen Blick.

In dem Wald der Metallungeheuer hatte er dieOrientierung verloren. Mit Hilfe der Bordinstrumente

rechnete er sich ungefähr aus, wo die langenGebäude mit der Beflaggung liegen mußten, die erkurz vor der Landung gesehen hatte. Er vermutete,daß sie so etwas Ähnliches wie eine Anmeldungdarstellten.

Sengu starrte immer nur verwundert auf dieunzähligen Raumschiffe; er mochte sich geradeausrechnen, daß in einer Minute durchschnittlichfünfzig landeten und starteten. Von irgendwelchenSicherheitsmaßnahmen war nichts zu bemerken.Vielleicht wäre den Aras das genauso lächerlicherschienen, als wollte man auf der Erde parkendeAutos mit Radar einwinken.

»Unfaßbar!« stöhnte Tiff und begriff überhauptnichts mehr. »So also sieht es auf einer wahrhaftzivilisierten Welt aus. Wenn ich daran denke, daßnoch vor zwanzig Jahren auf der Erde einRaketenstart eine besondere Sensation darstellte ...«

»Die Zeiten ändern sich - und sie ändern sichschnell«, faßte Sengu zusammen. »Übrigens kommtda schon der Wagen, der uns abholen soll.« Er saheinfach durch die Wandung der Gazelle. »So ganzohne Organisation geht es also doch nicht.«

»Ein Wagen?«»Ja, allerdings ohne Fahrer. Ferngesteuert.«Tiff schüttelte den Kopf, faßte sich aber wieder.»Wir lassen Thora in ihrer Kabine. Die

Einstiegluke wird so verschlossen, daß niemandeindringen kann. Aber ich glaube nicht, daß jemandhier darauf erpicht ist, ein Schiff zu stehlen, obwohles aller Wahrscheinlichkeit nach nicht einmalauffiele. Waffen nehmen wir keine mit Wir haben esmit einer friedfertigen Rasse zu tun.«

Er sagte es mit einiger Bitterkeit, während ersämtliche Kontrollen blockierte. Thoras Kabinewurde abgeschlossen. Die Arkonidin hatte erstkürzlich eine Nährinjektion erhalten. Sie schlief.Dann verließen sie die Gazelle, verschlossen dieLuke und sprangen auf den harten, glatten Boden.

Der Wagen stand in einigen Metern Entfernungund wartete mit geöffneter Tür. Statt des Fahrersfüllte ein automatisches Armaturenbrett denVorderteil aus. Hinten war Platz genug, sechsPersonen aufzunehmen.

Kaum saßen sie, da schloß sich geräuschlos dieTür. Das Fahrzeug setzte sich in Bewegung und rastedie Raumschiffstraße entlang, bog einmal nach linksab und erhöhte die Geschwindigkeit.

Bis zum Rand des Landefeldes waren es von hieretwa zwanzig Kilometer. Wenn man die Richtungbeibehielt. Tiff hatte genug damit zu tun, seineEindrücke an Gucky zu übermitteln, dessen Gesichter jetzt gern gesehen hätte.

Es war Tiff unmöglich, während der rasendenFahrt die verschiedenen Typen der Schiffe einzeln zubeschreiben. Er begnügte sich mit einer umfassenden

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Schilderung und bekam allmählich eine gewisseÜbung darin, zumindest grobe Unterschiedefestzustellen und weiterzugeben.

Sengu war des eintönigen Anblicks bald müde. Erlehnte sich in die Polster zurück und schloß dieAugen.

Fast zehn Minuten dauerte die Fahrt, dann wurdendie Lücken zwischen den Schiffen größer, bis sichendlich der Rest des Feldes frei vor den Augen derbeiden Terraner ausbreitete. Der Wagen fuhrgeradewegs auf das langgestreckte Gebäude mit denFlaggen zu, das Tiff schon aus der Luft beobachtethatte.

Sie durchquerten die Barriere. Eine lange Reihevon Wagen stand nebeneinander wie auf einemParkplatz. Sie fanden eine Lücke, und wie vonunsichtbarer Hand gelenkt schob sich das Fahrzeuggenau hinein.

Die Türen öffneten sich. Tiff nickte Sengu zu, undsie stiegen aus. Niemand verlangte eine Bezahlung,und Tiff war auch nicht sicher, ob sich der Automatmit der arkonidischen Währung zufriedengegebenhätte, die Crest ihm vorsorglich mitgegeben hatte.

»Was nun?« fragte Sengu ratlos. Die Menge derSchiffe war durch eine Unzahl von parkendenFahrzeugen abgelöst worden. »Wohin?«

Tiff zupfte seine Uniform zurecht. Er brachte einschwaches Lächeln zustande und zeigte auf das naheGebäude.

»Dorthin!«Vor denn Bau herrschte ein reger Verkehr.

Humanoide gingen hinein und kamen wieder heraus.Dazwischen erkannte Tiff mehr als einmalnichtmenschliche Gestalten, die er aber derEntfernung wegen nicht genau identifizieren konnte.Ein Mooff in einem Druckbehälter wurdevorbeigefahren und verschwand ebenfalls in demoffiziell aussehenden Gebäude. Breite und buntgefärbte Stufen führten zu einem Portal hinauf, hinterdem einige schalterähnliche Einrichtungen sichtbarwurden.

Tiff gab das Nicken eines hochgewachsenenWesens zurück, das es eiliger zu haben schien und anihnen vorbeihastete. Wer war das gewesen? EinSpringer vielleicht? Oder der Angehörige eineranderen Spezies, die mit den Arkoniden verwandtwar?

Langsam und mit einem ständig anwachsendenGefühl relativer Unsicherheit schritten die beidenTerraner auf das Gebäude zu. Dort mußte sichentscheiden, ob Rhodans Theorie mit der Praxis zuvereinbaren war.

Ein stämmiger und höchstens ein Meter großerFremdling in geschlossenem Raumanzug kann ihnenentgegen, warf ihnen einen forschenden Blick zu -und ging weiter. Tiff vermeinte, hinter der

Sichtscheibe ein froschähnliches Gesicht gesehen zuhaben, das von grünlichen Atmosphäreschleierneingehüllt war.

»Alle Völker der Galaxis geben sich hier einStelldichein«, flüsterte er Sengu zu, der seineUmgebung mit zusammengekniffenen Augenbeobachtete. »Ich hätte mir niemals träumen lassen,daß es so etwas gibt.«

»Jedenfalls ist hier mehr los als auf Arkon«, nickteder Japaner. »Sieht mir eher aus wie die Hauptwelteines Imperiums.«

Das war eine sachliche und bittere Feststellung,deren Berechtigung nicht von der Hand zu weisenwar. Tiff gab das innerlich zu - und erblickte endlichdie ersten Aras.

Sie waren Abkömmlinge arkonidischer Siedler,genau wie die Springer oder Galaktischen Händler.Ihre hohen, zwei Meter großen Gestalten waren dievon Albinos. Die farblose Haut, die weißen Haareund die roten Augen bewiesen das zur Genüge. Siewaren unvorstellbar dünn und schienen nur aus Hautund Knochen zu bestehen.

Drei Aras waren es, die den beiden Terranernneugierige Blicke zuwarfen, sich dann aber nichtweiter um sie kümmerten. Sie trugen weiße Mäntel,auf denen in Brusthöhe einige Zeichen in Goldschimmerten. Ihr Gang war gravitätisch und erhaben,verriet Selbstbewußtsein und Überlegenheit.

»Eingebildet sind die aber auch nicht«, murmelteSengu, als die drei Aras außer Hörweite waren. »Wassollen die weißen Mäntel?«

»Vielleicht sind es Ärzte«, vermutete Tiffnachdenklich. »Auf einem Raumhafen wäre das nichtweiter verwunderlich.«

Sie erreichten die Portalstufen und gingen miteinigen anderen Humanoiden in das Gebäude hinein.Es mußte sich doch endlich einmal jemand um siekümmern.

In langer Reihe waren rechts und links nurSchalter, hinter denen weibliche Aras saßen undAnfragen zu beantworten schienen. Jedenfallsunterhielten sie sich mit vor den Schaltern stehendenKunden, schoben Formulare hin und her und fülltenPapiere aus.

Die drei Aras in den weißen Mänteln schrittendurch die Menge und warfen forschende Blicke nachallen Seiten. Es war, als suchten sie etwas. Dannverschwanden sie schließlich durch einenrückwärtigen Ausgang.

Tiff gab Sengu einen leichten Rippenstoß undsteuerte auf den nächsten Schalter zu.

Eine recht hübsche Ära blickte ihnen interessiertentgegen.

Tiff räusperte sich, aber noch bevor er den Mundzu einer Frage öffnen konnte, sagte das Mädchen ingebräuchlichem Interkosrno:

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»Hier - Ihr Formular. Füllen Sie es bitte aus.«Tiff nahm den doppelten Bogen und starrte einige

Sekunden verdutzt auf die bekannten Schriftzeichen.Er hatte die Sprache der Arkoniden in derHypno-Schulung gelernt. Es würde ihm also nichtschwerfallen, die auf dem Formular gestellten Fragenzu beantworten. Kommt nur darauf an, dachte er, obich gewillt bin, sie alle zu beantworten.

Er nickte dem Mädchen zu und ging mit Sengu zueinem der zahllosen Schreibpulte, die in der weitenHalle standen. Ein magnetisch gesicherterSchreibstift stand jedem Besucher zur Verfügung.Man hatte also hier die gleichen Erfahrungengemacht wie auf der Erde, stellte Tiff amüsiert fest,legte das Formular auf die Platte, nahm den Stift undstarrte dann verwundert auf die erste Frage, die unterder Aufforderung, Name und Heimatplanetanzugeben, stand.

1.) Welcher Art ist die Krankheit, die Sie nachAralon führt? (Ortsübliche Bezeichnung angebenoder Symptome beschreiben.)

Sengu sah Tiff über die Schulter und verzog dasGesicht. »Nimmt man hier vielleicht an, jederRaumfahrer sei krank?«

Tiff gab keine Antwort.Er las weiter:2.) Wünschen Sie Direktbehandlung und sofortige

Entlassung, oder ist eine längere Kur geplant?3.) Geben Sie die gewünschte Klasse der

Behandlung an.4.) Sind Sie in der Krankenversicherung »Arakos«

oder in einer anderen Versicherung? (Bitte genauangeben!)

Tiff sah auf und begegnete Sengus Blick.»Ich glaube, ich habe den falschen Schalter

erwischt«, murmelte er unsicher. »Vielleicht habensie eine Extraabteilung für erkrankte Raumfahrer.«

»Versuchen wir es doch einfach an einemanderen«, schlug der Japaner vor.

Tiff schob das Formular zusammengefaltet in dieTasche und ging mit gleichmütigem Gesicht zueinem anderen Schalter, der gerade frei wurde. Ohneihn überhaupt anzusehen, schob ihm die hübsche,aber furchtbar dürre Ära ein Formular zu. Tiff nahmes, obwohl er bereits wußte, daß es sich von demvorher erhaltenen in nichts unterschied.

Er begann die Wahrheit allmählich zu ahnen.Sie kehrten zu dem Schreibpult zurück. Tiff nahm

den Stift und begann, das Formular auszufüllen.Name: Thora aus der Sippe der Zoltral.

Arkon-System.Art der Krankheit: Hyper-Euphorie.Wo erkrankt: Planet Honur, System Thatrel.Gewünschte Klasse: Erste Klasse. Versicherung:

Privatpatientin. Art der Behandlung: Direkt und ohneKur.

Sengu schüttelte mehrmals den Kopf und sah sichvorsichtig nach allen Seiten um. Die Geschichtebegann ihm allmählich unheimlich zu werden.Niemand kümmerte sich um sie. In der Halleherrschte ein Gedränge wie auf einem Markt.Mehrmals erblickte der Japaner Aras in weißenKitteln, die langsam und selbstbewußt durch dieMenge schritten und die Neuankömmlinge musterten.Einige sprachen sie an, unterhielten sich mit ihnenund gingen dann weiter.

»Tiff, ich verstehe das alles nicht. Wo sind wir?Was geschieht hier? Sind wir verrückt geworden?«

Tiff setzte schwungvoll seinen Namen unter dasausgefüllte Formular und blinzelte Sengu vertraulichzu.

»Wir sind nicht verrückt geworden, lieber Freund.Und was hier geschieht? Das ist sehr einfach. Wirsind auf Aralon gelandet, der Zentralwelt der Aras,eines Volkes, das ausnahmslos aus Medizinern undderen Hilfskräften besteht. Was ist somit natürlicher,als aus einem ganzen Planeten ein einziges Hospitalzu machen? Ja, Sengu, wir befinden uns hier in dieserHalle in der Anmeldung zu einem Hospital. Wernach Aralon kommt, ist krank. Er will geheiltwerden. Heilung aber findet er nur hier - an derQuelle aller Krankheiten. Die Aras wollen auch lebenund sie leben von der Krankheit der anderen.«

Sengu fiel es wie Schuppen von den Augen. DieAras in den weißen Mänteln - das waren Ärzte, dieuntätig umherschlenderten und sich die neuenPatienten ansahen. Die vielen Schalter - an ihnenwurden die Neuzugänge nach Art der Erkrankungund Zahlungsfähigkeit registriert und verteilt.

Ein Planet - ein Krankenhaus ...!? »Das ist ... dasist unfaßbar!«

»Ist es das? Ich finde es ganz natürlich. Wir hättenes wissen müssen, bevor wir landeten. Nun, ich habedas Formular für Thora ausgefüllt. Liefern wir es abund warten wir, was geschieht.«

»Und wir? Benötigen wir keine Anmeldung?«»Für Gesunde besteht anscheinend keine

Meldepflicht. Wahrscheinlich halten sich Gesundenicht länger auf Aralon auf, als unbedingt notwendigist. Man bringt die erkrankten Freunde oderFamilienmitglieder her und verschwindet wieder.Später holt man den geheilten Patienten wieder ab.Ganz einfaches System und sicherlich auch ein sehrlohnendes. Ein ganzer Planet lebt davon.«

Er lächelte ein kurzes und sehr kaltes Lächeln,nahm das Formular in die Hand und marschierte aufden nächsten Schalter zu. Sengu folgte ihm miteinem merkwürdigen Gefühl in der Magengegend.

Die Ära nahm das Formular entgegen, überflog eskurz und sah dann Tiff mit einem verbindlichenLächeln an. »Diese ... Thora aus der Sippe der Zoltral... sie ist eine Verwandte von Ihnen?«

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Es klang ein wenig ungläubig. Natürlich sah manauf den ersten Blick, daß Tiff und Sengu keineArkoniden waren. Es gab so viele Völker imImperium Arkons, daß die Ära sicherlich keineAhnung hatte, zu welchem die beiden Besuchergehörten.

»Nein, natürlich nicht. Wir bringen sie nur imAuftrag ihrer Sippe.«

Das Mädchen nickte und machte einen Vermerkauf das Formular, ehe sie es niederlegte. Sie schienaber noch nicht endgültig zufrieden zu sein. Miteinem erneuten Lächeln beugte sie sich etwas vorund sah Tiff in die Augen, als suche sie in ihnen nachder Antwort.

»Es geht mich ja nichts an, aber von welchemSystem stammen Sie? Nicht von Heroinka?«

Tiff schüttelte so heftig den Kopf, daß manannehmen konnte, er hielte Heroinka für die Hölle.

»Heimatplanet Terra, System Sol«, sagte erleichthin. »Kennen Sie das?«

Sie schüttelte den Kopf, genauso heftig wie Tiffzuvor.

»Noch nie gehört. Hatten bisher noch keineKranken von dort. Wo liegt es?« Tiff zuckte dieAchseln. »Weit von hier - viele tausend Lichtjahre.«

Sie riß die Augen auf und starrte Tiff an. Dannlachte sie melodisch auf. In diesem Moment sah siedirekt nett und hübsch aus.

»Sie scherzen. Kein System kann mehr als ein paarhundert Lichtjahre von hier entfernt sein.« Tiffwußte, daß der Begriff mit dem irdischen in etwaidentisch war. Aralon wanderte in dreihundertachtzigTagen einmal um sein Zentralgestirn. »Wenigstensdann nicht, wenn es zum Imperium gehört.«

»Terra«, sagte Tiff langsam und bedächtig, »gehörtnicht zum Imperium.«

Die Ära hörte auf zu lachen. Sie machte einigeVermerke auf das Formular und warf es in eineMetallkiste. Ein kurzes und gepreßtes Schnaufenertönte - und das Formular war verschwunden.

Sie nahm aus einem Fach eine runde Metallscheibeund gab sie Tiff.

»Damit bezahlen Sie einen Krankenwagen, mitdem Sie Thora aus Ihrem Schiff holen können. DerWagen bringt Sie automatisch in die richtige Station.Sie liefern die Patientin ab und können dann zuIhrem Schiff zurückkehren. Ein langes Lebenwünsche ich.«

Und sie wandte sich dem nächsten Besucher zu,einem unförmigen Etwas in Druckanzug undAtemmaske.

Tiff zog Sengu mit sich. Die Metallmarke hatte erin der Tasche verschwinden lassen. Als sie draußenim Freien standen, atmeten sie unwillkürlich auf. DieLuft war gut und lauwarm. Sie erinnerte an einenirdischen Frühlingstag.

»Man macht es uns hier verdammt schwer,Aufsehen zu erregen«, sagte Tiff ernstlich besorgt.»Es ist wie in einem wirklichen Krankenhaus auf derErde. Da kann man auch hineingehen, ohne, daß mangefragt wird, wer man ist und was man wünschtvorausgesetzt natürlich, es handelt sich um ein großesKrankenhaus. Betritt dagegen ein normalesMietshaus! Jeder schaut dir nach und will wissen,wer du bist und zu wem du willst. Und nun ist dieserganze Planet ein Hospital! Kein Wunder, wenn ihnenganz egal ist, wer wir sind.

Wenn wir nur einen Patienten und damit Geldbringen ...«

»Und was tun wir jetzt? Wir können Thora dochnicht einfach abliefern und dann alleinzurücklassen.«

»Das habe ich auch nicht vor. Das Mädchen hatschon ihre Bemerkungen auf das Formular gesetzt. Inder Zentrale, wo alle Informationen zusammenlaufen,wird man stutzig werden. Insbesondere dann, wennman etwas von Terra liest.«

»Du glaubst, man hat von Terra gehört?« Tiffnickte zuversichtlich. »Auf jeden Fall wird manstutzig! Hat man nie davon gehört, dann genauso, wiewenn Informationen vorliegen, die kaum beruhigendsein dürften. Man wird also sehr daran interessiertsein, uns kennenzulernen. Ich wette, man erwartetuns bereits dort, wohin uns der Wagen mit Thorabringen soll.«

Sie fanden neben dem Autopark, den sie bereitskannten, einen anderen. Hier standen Fahrzeugeverschiedener Art herum, die ebenso verschiedeneArten von Patienten aufnehmen konnten. Einer besaßsogar die Form eines großen Aquariums und war mitWasser gefüllt. Tiff hatte Phantasie genug, sich dendarin beförderten Patienten vorstellen zu können.

Er zog die Metallmarke aus der Tasche undbetrachtete sie genauer. Sie besaß eine Markierung.Die ebenfalls runde Markierung auf denSeitenwänden des fahrbaren Aquariums jedenfallswar nicht mit ihr identisch.

Sie hatten nicht lange zu suchen, bis sie den für siebestimmten Wagen fanden. Er erinnerte lebhaft aneinen ganz normalen Krankenwagen. An Stelle derKlinke war ein Schlitz, darunter wieder dieZeichnung der Münze.

»Raffiniert«, murmelte Tiff. »Selbst einAnalphabet fände sich hier zurecht.«

Gelassen schob er die Marke in den Schlitz.Die Tür öffnete sich geräuschlos und wie von

Geisterhänden bewegt. Sie stiegen ein. Die Türschloß sich, und der Wagen setzte sich in Bewegung.Er fuhr hinaus auf das Feld und hielt auf die breiteStraße zu, die zwischen den Raumschiffenhindurchführte.

»Woher will der Automat-Lenker denn wissen, wo

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wir unser Schiff stehen haben?« fragte Sengu miteiner Spur von Triumph. »Es gibt keinen einzigenHinweis, wo die Gazelle parkt. Gibt es dafürvielleicht eine vernünftige Erklärung?«

»Ich denke schon«, entgegnete Tiff und sah dieriesigen Schiffe mit rasender Geschwindigkeit aufsich zukommen. Von einer Erschütterung war nichtszu spüren. »Schließlich hat uns ja auch ein Wagenabgeholt. In seinem positronischen Gehirn ist dieRoute zu unserem Schiff genau aufgezeichnet. Siebraucht nur angefordert zu werden, und schon sendetdas winzige Robotgehirn des Autos die gewünschtenDaten, die wiederum dem Krankenwageneinprogrammiert werden. Sie sehen, Sengu, es istalles sehr einfach.«

Der Japaner gab es auf. Wortlos wartete er, wasgeschah. Und als der Wagen mit einem sanften Ruckgenau unter der Einstiegluke der Gazelle anhielt,brachte er nur ein anerkennendes Grunzen über dieLippen. Thora war wach. Sie lächelte den beidenMännern entgegen, ohne zu begreifen, was um siegeschah. Da sie mit Riemen an das Bett gefesseltwar, verzichtete Tiff darauf, sie erneuteinzuschläfern. Mit Hilfe eines kleinen tragbarenAntigravgerätes bugsierten sie das Bett aus derKabine, durch den engen Gang und schließlich in daswartende Auto. Wieder wurde der Einstiegverschlossen. Dann, als sie beide ebenfallseingestiegen waren, schlossen sich die Türen desFahrzeuges, und es setzte sich abermals inBewegung. Diesmal fuhr es eine andere Route.

*

Sie verließen das Landefeld nach fünfzehnMinuten und erreichten eine breite Straße, die sichallmählich zu senken begann und in einen Tunnelhinabführte, der unter der Oberfläche von Aralonverschwand.

Sengu beobachtete die Veränderung mitgemischten Gefühlen.

»Soll das eine Falle sein, Tiff? Was hat einKrankenhaus unter der Erde zu suchen?«

Tiff hatte die Augen eng zusammengekniffen.»Ich weiß es nicht, aber ich könnte mir vorstellen,

daß die Aras das Sonnenlicht nicht besondersschätzen. Sie sind Albinos, vergessen Sie das nicht.Je nach Art der Patienten werden sieKrankenabteilungen unter und über der Erde haben.Ich nehme an, wir werden zuerst zu einerVerteilerstelle gebracht.«

Kein Wagen überholte sie, aber es kamen ihnenmehrere entgegen. Alle fünfhundert Meter zweigtenschmalere Straßen nach links und rechts ab. Inregelmäßigen Abständen verbreiteten in der Deckeeingelassene Rundlampen ein dämmriges Licht.

Die Fahrt verlangsamte sich plötzlich. Der Wagenbog nach rechts ein und nahm wieder Tempo auf.

»Jetzt kann es nicht mehr lange dauern, bis wirwissen, woran wir sind«, vermutete Tiff. »Ich binrichtig froh, wenn die Ungewißheit vorüber ist.«

»Ich auch«, murmelte Sengu, aber es klang nichtsehr überzeugend.

Weiter vorn wurde es hell. Und dann glitt ihrFahrzeug aus dem Tunnel auf einen weiten Platz,fuhr eine schmale Rampe empor und hielt vor einemTor an. Es dauerte einige Sekunden, dann öffnete essich wie durch Geisterhand. Der Wagen fuhr wiederan und hielt endgültig in einer hell erleuchtetenHalle, in die verschiedene Gänge mündeten.

Alles blitzte vor Sauberkeit. Aras in weißenMänteln gingen eilig hin und her, unterhielten sichlebhaft miteinander, warfen dem Wagen flüchtigeBlicke zu - und verschwanden wieder.

Aus der anderen Richtung kamen fünf Aras undhielten bei dem Wagen an. Ihre ernsten Gesichterschienen Tiff wie eine Vorahnung dessen zu sein,was ihn erwartete. Vielleicht aber war es nur eineTäuschung.

Einer von ihnen warf eine Marke in denRegistrierautomaten, und die Türen desKrankenwagens öffneten sich.

»Sie bringen die Patientin Thora von Arkon?«fragte einer der Aras und blickte Tiff forschend an.Tiff nickte.

»Sie irren sich nicht«, gab er zu und klettertesteifbeinig aus dem Sitz, um sich die Füße zuvertreten. »Ist dies hier die Abteilung fürHyper-Euphorie?« Der andere reagierte nicht. »Wersind Sie?«

»Leutnant Tifflor vom Planeten Terra, System Sol- falls Ihnen das ein Begriff sein sollte.«

»Und der dort?« Er zeigte auf den Japaner, derebenfalls ausgestiegen war.

»Wuriu Sengu, ebenfalls Terraner«, gab TiffAuskunft.

Der Ära nickte, als erführe er etwas, das er schonlängst wußte.

»Also Terra«, murmelte er befriedigt. »Wir ahntenes.«

Tiff konnte seine Neugier nicht länger zügeln.»Sie haben schon von Terra gehört? Bei welcher

Gelegenheit, wenn ich fragen darf?«»Sie werden noch genug Anlaß finden, sich mit

uns zu unterhalten. Folgen Sie uns jetzt.« Tiff zeigteauf den Wagen. »Was ist mit Thora? Sie ist krankund bedarf der sofortigen Hilfe.«

»Wir werden uns um sie kümmern, keine Sorge.Die Nonus-Pest ist eine verhältnismäßig einfacheInfektionskrankheit. Morgen weiß die Patientin nichtmehr, daß sie überhaupt krank gewesen ist. Und nunkommen Sie endlich mit, wir haben mit Ihnen zu

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reden.«Tiff zögerte noch. Der Gedanke, Thora jetzt allein

zu lassen, behagte ihm nicht. Aber sie ließen ihmkeine Zeit, weitere Verzögerungstaktikenanzuwenden. Auf einen Wink des Aras hin eilten vierstämmig gebaute Männer herbei, die im Vergleich zuden anderen Eingeborenen Aralons wahre Hünenwaren. Je zwei von ihnen ergriffen Tiff und Sengu.Rücksichtslos bogen sie die Arme der Überraschtennach hinten und schoben sie vor sich her, auf eineTür zu.

Der Japaner machte Anstalten, sich zur Wehr zusetzen, aber Tiff rief ihm zu:

»Nicht, Sengu! Wir müssen erst erfahren, was sievon uns wollen. Keine Gegenwehr also!«

Eine Tür wurde aufgerissen. Die vier Stämmigenschoben ihre Opfer in den dahinter liegenden Raumund ließen sie vorerst noch nicht los. Drei der fünfÄrzte folgten. Hinter einem breiten Tisch saßen dreiweitere Aras mit den üblichen weißen Mänteln. Siesahen Tiff und Sengu äußerst interessiert entgegen.

»Dürfen wir vielleicht erfahren«, fragte Tiff scharf,»was das alles zu bedeuten hat? Wir bringen Ihneneine Patientin, und Sie behandeln uns wieVerbrecher.«

Der älteste von den Aras nickte langsam und warfdann einen Blick in ein Aktenbündel, das vor ihm aufdem Tisch lag. Dann sah er wieder auf und blickteTiff mit seinen rötlich schimmernden Augen,ausdruckslos an.

»Das ist es ja eben - Sie bringen uns nur einePatientin! Den erhaltenen Informationen nach muß eseinige hundert Erkrankte geben. Was ist mit ihnen?«

Darauf war Tiff natürlich nicht gefaßt. Er benötigteeinige Sekunden, ehe er antworten konnte:

»Vielleicht bin ich persönlich nur daraninteressiert, daß Thora geheilt wird.« Der Alte beugtesich vor. »So?« Erneut blätterte er in den Akten. »Siekommen von Terra, einem mehr als dreißigtausendLichtjahre entfernten Planeten, der bisher keinenKontakt mit dem Imperium hatte. Ihr Kommandantheißt Perry Rhodan und hatte bereits mehrereZusammenstöße mit den Galaktischen Händlern.Warum sollten wir darauf erpicht sein, die Gegnerunserer Freunde zu heilen?«

Beinahe hätte Tiff geantwortet: Weil ihr sie auchkrank gemacht habt! Aber er beherrschte sich.

»Wer sagt Ihnen, daß Thora ein Freund Rhodansist?« fragte er. »Was berichten Ihre Informationensonst noch?«

»Einiges«, murmelte der Alte. »Sie werden sichentsinnen, daß Rhodan auf einem Planeten, den dieSpringer Goszuls Planet nennen, künstlich eineSeuche erzeugte, um Besitz von dieser Welt zuergreifen - oder vergaßen Sie das schon? Eineschändliche Methode, wie Sie zugeben müssen. Die

erkrankten Springer kamen nach Aralon, um Hilfe zuerhalten. Dadurch erfuhren wir von der Sache. ZumGlück handelte es sich um eine selbstheilendeInfektionskrankheit. Immerhin hatte sich PerryRhodan durch diese Affäre einen traurigen Ruferworben, und wir kennen nun die Terraner.«

Tiff war nicht bereit, noch länger zu schweigen.»So, Sie kennen uns?« fauchte er und befreite sich

mit einem Ruck aus dem Griff der beiden Wärter.»Ich benötige keine Aufpasser, ihrFliegengewichtler!« Und wieder zu dem Alten hinterdem Tisch gewandt fuhr er fort: »Rhodan versuchtees mit der gleichen Methode, die Grundlage derExistenz für alle Aras ist, nicht wahr? Und das ärgerteuch besonders. Oder wollt ihr abstreiten, daß ihr inder ganzen Milchstraße die schlimmstenKrankheitserreger verbreitet, um an der Heilung dervon Seuchen Befallenen zu verdienen? Ohne dieAras gäbe es keine Krankheiten mehr - und ihrmüßtet wirklich arbeiten, um leben zu können. Sowenigstens denkt man hier. Dabei gäbe es genug füreine so intelligente Zivilisation zu tun und zuforschen. Künstliches Leben, ewiges Leben, dieBeseitigung des körperlichen Todes - die Liste istunendlich lang. Was aber tut ihr? Ihr fördert dieKrankheiten, damit dieses Hospital niemals leer wird.Nun, was haben Sie zu sagen, Alter?«

Der Albino hinter dem Tisch hatte aufmerksamzugehört, ohne die geringste Erschütterung zu zeigen.Er besprach sich leise mit seinen Kollegen. Dann saher Tiff fragend an.

»Warum versuchen Sie, mich zu reizen? WollenSie etwas erfahren? Will Rhodan etwas wissen, dasihm noch nicht bekannt ist?«

»Rhodan!« Tiff sagte es so voller Verachtung, daßer selbst erschrak. »Was geht mich Rhodan an? Er istes ja, der Thora für sich haben will. Die Krankheitkam ihm nur zu gelegen, denn Sie kennen ja dieSymptome der Hyper-Euphorie, wie wir das ewigeLächeln bezeichnen. Ich will offen mit Ihnen reden...«

»Mein Name ist Themos, Chef dieser Abteilungund Forschungsleiter der mit uns verbundenenLaboratorien. Reden Sie weiter.«

»Das war auch meine Absicht, Themos. Ich kamgegen den Willen Rhodans hierher! Glauben Siedenn, Rhodan hätte Ihnen nur Thora geschickt? Dasist Ihnen doch auch bereits aufgefallen, oder nicht?«

»Und warum brachten Sie Thora gegen den WillenRhodans zu uns?«

»Ich - nun, ich möchte ihr einen Dienst erweisen,Themos. Es gibt verschiedene Gründe dafür. Thoraist sehr mächtig und kann mir weiterhelfen, wenn siesich mir gegenüber zu Dank verpflichtet fühlt.Außerdem könnte ich sie davon überzeugen, daß ihrLeben in meinen Augen wertvoller ist als in denen

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Rhodans.«Themos beugte sich vor und starrte Tiff forschend

an. »Sie wollen Rhodan verraten? Wie soll ichwissen, ob Sie mich nicht anlügen?«

»Sie glauben mir - oder Sie glauben mir nicht. DieEntscheidung muß ich leider Ihnen allein überlassen.Heilen Sie Thora, wenn Sie können, und ich werdeIhnen meine Dankbarkeit schon beweisen.«

Der Alte betrachtete Tiff eine Weile, sah dann zuSengu, der merkwürdigerweise ein sehr großesInteresse an dem Boden zeigte, auf dem er stand, undbegann dann erneut eine leise geführte Unterhaltungmit den anderen fünf Aras.

Tiff hatte Zeit, Gucky einen telepathischen Berichtzu senden.

Die unverständliche Konferenz dauerte fast zehnMinuten, dann sagte Themos:

»Wir werden Thora heilen, aber wir können Ihneninzwischen nicht erlauben, zu Ihrem Schiffzurückzukehren. Betrachten Sie sich als unsereGäste. Sie erhalten ein Zimmer, das Sie nur mitbesonderer Genehmigung verlassen dürfen.Außerdem werden Sie wohl nichts dagegen haben,wenn wir Sie nach Waffen oderNachrichten-Instrumenten durchsuchen?«

Innerlich ärgerte sich Tiff zwar über dieseZumutung, aber auf der anderen Seite konnte er dieAras nicht besser von seiner und SengusHarmlosigkeit überzeugen. Sie besaßen ja in der Tatkeine sichtbaren Waffen oder Funkgeräte. Die Araswürden in ihrer Wachsamkeit nachlassen, wenn siesich davon selbst überzeugten.

»Natürlich haben wir nichts dagegen«, nickte Tiffseelenruhig. »Wenn es Sie beruhigt. Nur gefällt esmir nicht, in ein Zimmer eingesperrt zu werden. Ichmöchte wissen, was mit Thora geschieht und ob ihrsie wirklich heilen könnt.«

»Dafür garantiere ich mit meinemwissenschaftlichen Ruf«, versicherte Themosselbstbewußt. »Schließlich handelt es sich bei derNonus-Pest um eine von mir entwickelteErregerkrankheit, für die ich selbstverständlich auchdas Gegenmittel fand. Thora ist morgen bereitsgesund.« Er sah Tiff scharf an. »Weiß sie übrigens,wo und warum sie sich infizierte?«

»Woher sollte sie es wissen? Erst wenn sie gesundist, wird sie begreifen oder sich erinnern. Arkon wirdüber Ihre Methoden, Krankheiten zu erzeugen, nichtsehr erfreut sein.« Themos lächelte kalt. »Wir werdendafür sorgen, daß Arkon es nicht erfährt. Und da Sieja, wie Sie behaupten, gegen Rhodan stehen, werdenSie es Thora und den Arkoniden auch nicht verraten.Oder ...?«

Tiff gab keine Antwort. Sengu sagte plötzlich:»Ihre Laboratorien befinden sich tief unter der

Oberfläche - noch tiefer als diese Abteilung des

Hospitals?« Verblüfft nickte Themos. »Ja, woherwissen Sie das? Unsere ganzen Anlagen sind unterder Erde, weil die Strahlung der Sonne auf die Dauerunangenehme Nachwirkungen zeigt.«

»Wenigstens für Albinos«, warf Tiff mit Betonungein. Aber Themos schien nicht beleidigt.

»Ja, ganz richtig«, bestätigte er sachlich. »Das istder Grund, warum wir so wenig wie möglich an derOberfläche weilen. Es ist darum auch keine böseAbsicht, wenn Sie vorerst hier unten bleiben müssen,bis wir unsere Entscheidungen getroffen haben. Dergroße medizinische Rat von Aralon wird sich damitin den kommenden Wochen befassen müssen.« Tiffbeugte sich vor. »Wochen - sagen Sie? Glauben Siedenn, ich hätte so viel Zeit?«

»Haben Sie keine?« fragte Themos lauernd. »Wersollte denn auf Sie warten, wenn Sie nicht zu Rhodanzurückkehren wollen?« Tiff biß sich auf die Lippen.»Ich will mit Thora und meinem Freund zu einemabseits liegenden System, wo es einen idyllischenPlaneten gibt. Thora und ich werden dort heiraten.«

»Ach ...?« Themos schien erstaunt. »Ein gewisserEtztak berichtete mir, zwischen Rhodan und dieserThora bestünde eine Art - nun, sagen wir malFreundschaftsverhältnis. Was wird er dazu sagen?«

»Ist das unsere Sorge?« erwiderte Tiff leichthinund hätte in diesem Augenblick gern RhodansGesicht gesehen, wenn Gucky ihn von dem Gesprächunterrichtete. Ganz so kraß war die Entwicklungnicht geplant gewesen. »Wir werden Rhodan niemalsmehr wiedersehen.«

»Das halte ich sogar für sicher - ob Sie ihn nunverraten oder nicht«, behauptete Themos kalt undrichtete sich auf. »Doch genug des Geredes. Handelnwir lieber. Sie werden auf Ihre Zimmer gebracht unddort untersucht. Wehren Sie sich nicht, dann habenSie auch keine Schwierigkeiten. Morgen findet eineärztliche Untersuchung statt, die reineRoutineangelegenheit ist - also keine Beunruhigung.Danach können Sie die gesunde Thora begrüßen.Dann werden wir ja sehen, was sie zu IhrenHeiratsplänen sagt. Ich hoffe in Ihrem Interesse, daßsie sehr glücklich ist ...«

Tiff hörte die Drohung aus den Worten, kam abernicht mehr dazu, auch in dieser Hinsicht bestimmtauftretenden Mißverständnissen vorzubeugen. Vierkräftige Arme packten ihn von hinten, und dannwurde er aus dem Zimmer getragen. Sengu erging esnicht anders.

»Die Reise wird in die Tiefen des Planetenführen«, rief er Tiff zu und grinste verzerrt.»Ziemlich tief sogar, fürchte ich.«

»Ruhe!« donnerte einer der Wächter.»Das regt mich weniger auf«, gab Tiff zurück,

ohne sich um die Aufforderung des Aras zukümmern. »Viel weniger als der Gedanke, was Thora

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sagen wird, wenn sie erfährt, daß sie meine Verlobteist ...«

3.

Die TITAN und die GANYMED unternahmeneinen kleinen Hypersprung, der sie näher an dasSystem Kesnar heranbrachte. Weiterhin mitLichtgeschwindigkeit fliegend, waren sie noch einenLichttag von Aralon entfernt.

Die Ruheperiode war ohne Ereignisse geblieben.Tiff hatte von seiner und Sengus Unterbringung ineinem recht gemütlich eingerichteten Zimmerberichtet und betont, daß sie nun einige Stundenschlafen würden, da auf der Oberfläche von Aralondie Nacht angebrochen sei und auch in der Unterwelteine Art von Pause eintrete.

Gucky erwachte und lauschte als erstes auf dieKurzimpulse von Tiffs Körpersender. Sie kamenregelmäßig und ohne telepathische Botschaften. Tiffschlief also noch.

Der Mausbiber streckte sich, rutschte aus dem Bettund begab sich in den nebenan gelegenenDuschraum. Mit innerlichem Grausen watschelte erdann unter den kalten Wasserstrahl und redete sichimmerfort ein, die Prozedur säubere nicht nur seinFell, sondern sei auch noch gesund. Dann trockneteer sich unter dem Heißluftstrahl und machte sich aufden Weg zur Messe.

Er traf außer Crest und einigen Bekannten auchRhodan, der sich sofort erkundigte, ob inzwischenetwas Neues geschehen sei. Gucky konnte ihnberuhigen und widmete sich dann mit Hingabe demFrühstück. Zu seiner Freude fand er auf dem Tellereine Sonderration der köstlichen Rüben, die man vonder GANYMED geschickt hatte. Sie waren seineLieblingsspeise, von der er sich auch durch Bullynicht abbringen ließ.

»Wenn die Aras Wort halten, wird Thora heutenoch gesund sein«, sagte Rhodan und nahm einenSchluck des heißen Kaffe es, den er anderenKonzentratgetränken vorzog. »Und dann wissen wir,daß sie das Gegenmittel haben. Kein Grund alsomehr, länger zu warten.«

»Was hast du vor?« knödelte Gucky kauend, wasseinem einsamen Nagezahn nicht gerade leichtfiel.»Angreifen?«

»Was sonst?«Crest ließ die Hand mit der Tasse wieder sinken. In

seinen Augen schimmerte Besorgnis.»Aralon ist, wie wir nun wissen das galaktische

Hospital, Perry. Wir setzen uns automatisch insUnrecht, wenn wir Aralon angreifen.«

»Ja, Waffenlager unter dem Zeichen des RotenKreuzes - das ist eine auch mir bekannte Geschichte.Hier verhält es sich ähnlich. Wir haben in Tiff

immerhin den Beweis in der Hand, daß die Aras ihrKönnen und Wissen mißbrauchen.«

»Tiff ist in ihren Händen!« erinnerte ihn Crestruhig. Rhodan nickte. »Aber nicht mehr lange, Crest.Gucky weiß jederzeit, wo Tiff ist, und wenn wir nahegenug sind, daß Gucky ihn anpeilen kann, können sieihn kaum vor uns verstecken. Ich habe nicht dieAbsicht, die Aras mit Samthandschuhen anzufassen.Sie sind gefährlicher und skrupelloser als jederandere Gegner des Imperiums.« Crest bliebskeptisch. »Trotzdem werden Sie in den Augen deranderen Völker ein Unrecht begehen, wenn Sie diewehrlosen Ärzte angreifen. Bedenken Sie, daß vielenach Aralon kommen, um Hilfe gegen Krankheit undTod zu finden. Sie sind es ja, der die Helfer daranhindert, andere zu heilen. Und wenn Sie sie nochdazu töten ...«

»Mit keinem Wort«, sagte Rhodan sachlich, »habeich durchblicken lassen, daß ich auch nur eineneinzigen Ära töten werde.«

Crest atmete auf.»Dann ist es gut, obwohl ich mich vergeblich

frage, wie Sie sie durch bloße Drohung zumNachgeben zwingen wollen.«

»Wir werden sehen«, nickte Rhodan ehrlichgesagt, »so genau weiß ich es selbst noch nicht.«

Gucky sah plötzlich auf. Der Rest der Rübe fielihm aus den Pfoten und landete auf dem Teller. Inseinen Augen war ein waches Funkeln. Leiseflüsterte er.

»Tiff ist geweckt worden. Sie kommen, um ihnerneut zu verhören ...«

*

Die Tür wurde von außen aufgestoßen, und zweikräftige Aras traten ein.

Tiff und Sengu waren sofort wach. Der normaleDenkprozeß setzte wieder ein. VierundzwanzigLichtstunden entfernt fing Gucky die Impulse auf.

»Los, aufstehen! Themos will mit euch reden.«Tiff glitt seitlich aus dem Bett und nahm sich Zeit.

Auch Sengu wusch sich ausgiebig, ehe er dieUniform überstreifte. Die beiden Aras tratenungeduldig von einem Fuß auf den anderen, aber siemußten strenge Anweisungen erhalten haben, dieGefangenen nicht unnötig zu schikanieren.

Endlich war die Morgentoilette beendet.»Wann gibt es Frühstück?« fragte Tiff. »Oder ist

dies kein ordentliches Krankenhaus?«»Themos wird Ihnen Auskunft auf Ihre Fragen

geben«, sagte der eine Wärter und öffnete die Tür.»Sie kommen freiwillig mit?«

Weder Tiff noch Sengu hielten es für nötig, dieFrage zu beantworten.

Themos saß in seinem weißen Mantel wieder

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hinter dem bekannten Tisch mit der breiten,halbrunden Platte aus Kunststoff. Andere Aras warenbei ihm. Finster blickten sie den Eintretendenentgegen. Ihre Augen verhießen nichts Gutes.

Tiff vergaß das Frühstück. Er ahnte, wasgeschehen war. Und seine Befürchtung bestätigtesich schon beim ersten Satz Themos: »Wir habenThora geheilt, Terraner. Sie kann sich nichtentsinnen, Ihnen jemals Hoffnungen auf eine Heiratgemacht zu haben. Nach wie vor gilt ihre ganzeSympathie Perry Rhodan. Nun, was sagen Sie dazu,Leutnant Tifflor - oder wie Sie heißen mögen ...?«

Tiff ließ sich Zeit mit der Antwort. Er wiederholteWort für Wort die kurze Rede des Ära im Geiste,damit Gucky orientiert wurde. Dann erst zuckte erdie Achseln und meinte bedauernd:

»Wie schade. Die Krankheit muß einen Teil ihrerErinnerung gelöscht haben. Sie weiß eben nichtsmehr von den letzten Stunden, die wir gemeinsamverbrachten. Darf ich sie sehen?«

»Was wollen Sie noch von ihr? Thora ist eineArkonidin, sie wird weder mit Ihnen noch mit PerryRhodan eine Verbindung eingehen, dafür werden wirsorgen. Sie hat sich entschlossen, für immer aufAralon zu bleiben und ihre Kräfte dafür einzusetzen,Kranken und Hilfsbedürftigen zur Seite zu stehen.Glauben Sie nicht, daß das eine schöne Aufgabe ist -eine schönere jedenfalls, als einen Terraner zuheiraten?«

In Tiff begann es zu kochen. Er dachte intensivund ganz auf Gucky konzentriert: Sage Rhodan, daßes Zeit zum Handeln ist! Greift an! Ich werdeununterbrochen senden, damit du mich anpeilenkannst. Sie wollen Thora ...

»Warum antworten Sie nicht?« wurde er vonThemos unterbrochen, der gar nicht mehr derfreundliche alte Herr von gestern war. Tiff sah ihm indie roten Augen. »Weil ich mich wundere, Themos.Habe ich nicht Thora zu euch gebracht, weil ich sievon Rhodan forthaben wollte? Habe ich nichtRhodan verraten? Und was ist der Dank? Ihr wolltmich betrügen.«

»Sie brachten Thora nach Aralon, um ihr Heilungzu verschaffen denn nur wir sind es, die sie heilenkonnten. Nur wir besitzen das Serum gegen dieNonus-Pest! Und wir werden es auch niemals aus derHand geben. Wenn Ihr Rhodan noch Kranke an Bordseines Schiffes hat, so wird er zu uns kommenmüssen, wenn er sie gesund wissen will. Undvielleicht werden wir ihm dann zwei Verräterübergeben.«

Tiff gab keine Antwort. Er hatte etwas Ähnlicheserwartet. Es kam den Aras nur auf Thora an. Siemußten die Arkonidin für einen starken Trumpf inihren Händen halten kein Wunder, wenn sie ihnenverraten hatte, daß Perry Rhodan ihr etwas galt.

Themos gab den Wärtern einen Wink.»Bringt sie nach unten, in die

Experimentierstation. Wir müssen erfahren, wieTerraner organisch aufgebaut sind. Vielleicht könnenwir sogar feststellen, ob sie von frühen arkonidischenAuswanderern abstammen, oder ob sie eine eigeneArt sind.«

Tiff und Sengu hätten sich vielleicht wehrenkönnen, aber es wäre ein aussichtsloser Kampf gegeneine Übermacht gewesen. Warum ein nutzlosesRisiko eingehen? Rhodan hatte den Hilferuf bereitsempfangen und würde nicht zögern, Aralonanzugreifen. Es galt nicht nur Tiff und Sengu,sondern vor allen Dingen Thora zu befreien. Und dasSerum zu erlangen! Ein Lift, in den man sie stieß, fielmit zunehmender Geschwindigkeit in die Tiefe desPlaneten. Die beiden Wärter nahmen an der rasendenFahrt nicht teil.

Es war eine kleine, quadratische Kabine, derenRauminhalt kaum mehr als acht Kubikmeter betrug.An den Wänden war ein immer heller werdendesPfeifen. Tiff bemerkte, daß sein Körpergewicht sichum die Hälfte verringert hatte. Aralon besaß diegleiche Gravitation wie die Erde. Sie fielen also mitder halben natürlichen Fallbeschleunigung desPlaneten.

»Kannst du etwas sehen?« Der Japaner, der sichnach allen Seiten umsah und dessen Augenmerkwürdig starr dabei wurden, nickte.

»Wir gleiten mit zunehmender Geschwindigkeit anunzähligen Stationen vorbei - Krankenstationen. Derganze Planet muß unterhöhlt sein. Unter mir sehe icheinen endlosen Schacht. Mehr kann ich nichterkennen.«

»Wie haben sie es nur geschafft, so tief in ihreWelt einzudringen?«

»Sie sind ein seit Jahrtausenden hochzivilisiertesVolk und vertragen trotz aller medizinischen Künstedie Sonne nicht. Was blieb ihnen übrig, als in ihremPlaneten zu wohnen? Wir sind meiner Schätzungnach bereits drei Kilometer unter der Oberfläche.«

Die Sekunden wurden zu Minuten. Dann spürteTiff, wie er wieder schwerer wurde. Doppelt soschwer wie gewohnt. Die Verzögerung hatte mit zehnMeter pro Sekundenquadrat eingesetzt.

Dann hielt der Lift mit einem harten Ruck an.Es dauerte fast drei Minuten, ehe sich die schmale

Tür öffnete. Grelles Licht drang in die kleine Kabine.Tiffs Augen gewöhnten sich schnell an denHelligkeitsunterschied. Er blickte in dieentschlossenen Gesichter von mindestens einemDutzend Aras, die sie erwarteten.

»Worauf warten Sie?« fragte einer von ihnenbarsch.

Tiff nickte Sengu zu und verließ den Lift. Die Araswichen ein wenig zurück, als befürchteten sie eine

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ansteckende Krankheit. An die Möglichkeit, dieGefangenen könnten fliehen, dachten sie nicht. Hierunten, mehr als zehn Kilometer unter der Oberfläche,gab es diese Gefahr kaum noch.

Die Wände der großen Halle unterschieden sichnicht von jenen oben dicht unter der Oberfläche. Diegleiche Sauberkeit, die gleiche Helligkeit; die gleicheHoffnungslosigkeit für den, der unfreiwillig in ihnenweilte.

»Folgen Sie uns«, wurden die beiden Terraneraufgefordert. Die Aras gingen voran. Sie schienennicht daran zu zweifeln, daß Tiff und Sengu folgten.

Tiff schickte Gucky eifrig Informationen undbeschrieb ihre Lage. Seiner Schätzung nach mußtensie sich in zehn Kilometer Tiefe direkt unter demFlugfeldrand befinden, dem Verwaltungsgebäude mitden Flaggen etwa gegenüber.

Sie durchschritten einen Korridor und gelangten ineinen weiten Saal, in dem weiß gekleideteAra-Wissenschaftler an Tischen und unbekanntenGeräten arbeiteten. Das mußte eins der Laboratoriensein, von denen Themos gesprochen hatte - und dieman auf Aralon vermutet hatte. In großen Gefäßenerkannte Tiff mit fast stockendem Herzschlagplötzlich unbewegliche Lebewesen, die in einerkonservierenden Flüssigkeit schwammen. DieSchilder an den Gefäßen bewiesen, daß es sich umBeispiele der verschiedenen Arten handelte, dieaußerhalb des Imperiums beheimatet waren.

>Terraner in Spiritus<, dachte Tiff voller Ekel undsah sich bereits in einem Glasbehälter schwimmen,um für die kommenden Generationen derAra-Wissenschaftler aufgehoben zu werden. Underneut ging sein Hilferuf an Gucky: Beeilt euch, umGottes willen! Sie haben etwas Schreckliches mit unsvor!

Tiff und Sengu bemerkten nicht, daß sich hinterihnen die Türen stets völlig geräuschlos geschlossenhatten. Sie saßen in der vollkommensten Falle, die esjemals gegeben hatte. Nur der Weg nach vorn bliebfrei, aber er war alles andere als verlockend.

Die Aras waren stehengeblieben. Einer von ihnen,öffnete die Tür seitlich und gab sie frei.

»Ihr Zimmer, Terraner. Sie erhalten gleich etwaszu essen. Die Umgebung darf Sie nicht stören, eswird Ihnen nichts geschehen - wenigstens vorerstnicht« Tiff ging schweigend an ihm vorbei und tratein, als er sah, daß es sich in der Tat nur um einZimmer und keine Folterwerkstatt handelte. ZweiBetten, sanitäre Anlagen und ein Tisch mit vierStühlen machten den Raum sogar ein wenigwohnlich, wenn man die Nähe des Labors vergaß.

Sengu folgte ihm. Die Tür schloß sich mit einemdumpfen Laut.

Es war Tiff, als sei damit die letzte Möglichkeiteines Rückzuges abgeschnitten worden.

Er setzte sich seufzend auf eins der Betten und sahSengu an.

»Zehntausend Meter unter der Oberfläche ...!Kannst du mir verraten, wie wir hier wiederherauskommen sollen?«

Sengu sah auf den Boden. Er schüttelte den Kopf.Bei seiner Antwort benutzte er ebenfalls daskameradschaftliche Du.

»Nein, natürlich nicht. Aber es wird dich sicherinteressieren zu erfahren, daß unter uns ein anderesLabor ist. Es sieht eigentlich mehr wie eineVerpackungsanstalt aus. Daneben ein Lager mitTausenden von Kisten und Behältern. Ob dort dieMedikamente verpackt und gestapelt werden?«

»Wie tief liegt es unter uns?«»Nicht mehr als zehn Meter.« Der Blick des

Japaners glitt seitlich zur Wand und ging dann hochzur Decke, als verfolge er eine nach oben kriechendeFliege. »Ich sehe Thora. Sie wird im Aufzug nachoben gebracht.« Tiff unterdrückte das unheimlicheGefühl, das ihn unwillkürlich überkam, wenn derJapaner so einfach durch die festen Wände sah. »Washat sie hier unten zu tun?«

»Vielleicht«, vermutete Tiff, »zeigte man ihr dieVorräte an dem heilenden Serum, denn man nimmtan, Rhodan ist daran interessiert. Sie wird alsLockvogel eingesetzt - oder man wird Rhodan mit ihrerpressen wollen. Verdammt, ich fürchte, wir habenwieder einmal zu human gedacht. Diese Aras sindkeine Mediziner, wie wir sie von Terra her kennen,sie sind Teufel!«

Sengu sah immer noch gegen die Decke.»Bully sagte einmal: Wir werden auch mit dem

Teufel fertig. Ich glaube ihm aufs Wort, Tiff. Keinezehn Meter unter uns lauert der Stoff, den wirbrauchen. Sehen kann ich ihn, aber das hilft uns auchnicht weiter. Und doch weiß ich, daß wir ihn bereitsmorgen haben werden. Ganz bestimmt werden wirdas ...«

»Du bist Späher«, erwiderte Tiff ruhig, »keinProphet!«

*

Thora war bereits einige Stunden zuvor, mitten inder Nacht, zu sich gekommen.

Wie aus einem Traum erwachend, schlug sie dieAugen auf und starrte geblendet in die grellenLampen, die über ihrem Bett in der Deckeeingelassen waren.

Sie wußte nicht, was mit ihr geschehen war.Als sich ihre Augen an das grelle Licht gewöhnt

hatten, erkannte sie neben dem Bett das Gesicht einesälteren Mannes, der sie forschend ansah. In seinenAugen - den roten Augen eines Albinos - erkannte sieeine stumme Frage und eiskaltes Interesse.

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Ihre Erinnerung setzte ein. Ein Ära!Wo war sie? Was war mit Rhodan? »Wer sind

Sie?« Sie richtete sich hoch, sank aber sofort wiederin die Kissen zurück. Sie fühlte sich furchtbar elend.»Wo bin ich?«

»In Sicherheit und geheilt«, gab der Fremdezurück. Seine Stimme klang beruhigend, aber sieströmte eine sachliche Kälte aus, wie auch der ganzesaubere Raum kalt und unpersönlich blieb. »KennenSie einen Leutnant Tifflor aus dem System Sol?Heimatplanet Terra?« Thora nickte verwirrt. »Ja, ichentsinne mich ...«

»Entsinnen Sie sich auch, daß Sie ihn heiratenwollten?«

»Sind Sie verrückt? Was wollen Sie überhaupt vonmir? Wo bin ich, und wie komme ich hierher? Wasist mit Perry Rho ...?«

Sie stockte plötzlich. Der Ära lächelte wissend.»Sprechen Sie ruhig weiter! Wo Perry Rhodan ist

wollen Sie wissen? Sie werden es erfahren, wenn Siemir verraten, warum Sie Tifflor nicht zu heiratengedenken.«

»Wie kommen Sie auf die verrückte Idee? Tifflorist ein guter Freund, aber ich liebe ihn nicht. Wennich überhaupt einen Mann liebe, dann ...« Wiederunterbrach sie sich. »Vielleicht Rhodan?« fragte derÄra.

Sie gab keine Antwort, aber die Wahrheit war inihrem Gesicht zu lesen. Der Ära nickte zufrieden undbeugte sich ganz zu ihr hinab.

»Also doch Rhodan! Das freut mich sehr zuerfahren. Und Rhodan erwidert Ihre Zuneigung. Dasist ausgezeichnet. Dann wird er sicherlich sehr daraninteressiert sein, Sie lebendig wiederzusehen.«

Thora bäumte sich auf. In ihren rotgoldenen Augenflammte Zorn.

»Wer immer Sie auch sind, die Strafe desImperiums wird Sie treffen! Sie Scheusal ...!«

»Das ist der Dank, daß wir Sie heilten? Sie warenkrank. Sie weilen auf Aralon, dem galaktischenHospital der Aras. Und Sie werden erst dann freisein, wenn Rhodan unser Gefangener ist. TäuschenSie sich nicht über den Ernst der Lage hinweg. Undnoch etwas: Sie haben soeben das Todesurteil übereinen gewissen Tifflor gefällt. Er ist für uns wertlosgeworden.«

»Wie heißen Sie?« fragte die Arkonidin mit sehrbeherrschter Stimme. »Mein Name lautet Themos.Warum wollen Sie das wissen?«

Ohne mit der Wimper zu zucken, sagte Thora:»Weil in dieser Sekunde ein zweites Todesurteil

gefällt wurde. Über einen Ära mit Namen Themos.Verlassen Sie sich darauf, daß es innerhalb vonvierundzwanzig Stunden vollstreckt wird.«

Themos wurde noch blasser, als er ohnehin war.Stumm starrte er in das erbarmungslose Gesicht

der Arkonidin und erkannte plötzlich, wie schöndiese Frau war, und wie gefährlich.

4.

Die Zentrale der TITAN war groß, aber imVerhältnis zu der anderthalb Kilometer dickenRaumkugel konnte man sie nur als winzigbezeichnen. Trotzdem konnte es leicht passieren, daßman Gucky übersah, wenn man nicht genau hinsah.

Der Mausbiber lag auf seinem Lieblingsplatz,einer Couch neben dem Navigationsroboter, denmeistens Bully bediente. Jetzt wurde er von einemjüngeren Offizier, Leutnant Bristal, vertreten. Frischaus der Raum-Akademie Terras hatte Oberst Freytihn mitgebracht, als er Verstärkung von der Erdegeholt hatte.

Rhodan saß gespannt hinter den Hauptkontrollen,mit denen das riesige Schlachtschiff gesteuert wurde.Die Tür zum Funkraum war geöffnet. Crest standdicht neben ihr und wartete besorgt auf diebevorstehenden Entschlüsse. Ihm war nicht wohl beidem Gedanken, daß man kein anderes Mittel als dieGewalt gefunden hatte, Thora und ihre beidenBegleiter zu befreien und das Serum gegen dieKrankheit zu erhalten, die siebenhundert Menschenbefallen hatte.

Rhodan wandte sich an Gucky. »Nun, was ist?Keine Nachricht von Thora?«

»Sie muß wieder gesund sein, sonst hätte dieserThemos den Schwindel nicht aufdecken können.Tiffs Tod ist eine beschlossene Sache.«

»Aber noch keine ausgeführte!« gab Rhodangrimmig zurück. »Was sagt Tiff?«

»Sie sind noch in dem Zimmer neben dem Labor.Er glaubt, daß man ihre Sezierung bereitsvorbereitet.«

»Ist eine Anpeilung möglich?«»Ja«, zwitscherte Gucky zuversichtlich. »Tiff hat

beschrieben, wie es an der Oberfläche aussieht. Ichglaube, daß ich es finden werde. Dann allerdings gehtes noch zehn Kilometer in die Tiefe. Wie willst dudas mit der TITAN schaffen? Warum läßt du michnicht allein springen?«

»Wozu haben wir die arkonidischenKampfroboter?« erinnerte ihn Rhodan. »Sie werdensich den Weg unter die Oberfläche schon freimachenkönnen. Und wenn ich erst einmal diesen Themosvor meinen Fäusten habe, wird er froh sein, seinVorhaben noch nicht durchgeführt zu haben.«

Gucky gab keine Antwort. Er hatte sichaufgerichtet und hockte nun, mit dem Rücken gegendie Wand gelehnt, auf der Couch. Angestrengtlauschte er in sich hinein, die Augen dabeigeschlossen. Niemand störte ihn. In der Zentraleherrschte absolute Stille.

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Das Warten dauerte fast drei Minuten.»Es ist soweit«, flüsterte der Mausbiber endlich.

»Sie holen Tiff zuerst. Er wehrt sich verzweifelt, aberdie Übermacht ist zu groß. Er beschreibt einen grellerleuchteten Saal mit unheimlichen Geräten undblitzenden Instrumenten. Tiff meint, man wolle ihnoperieren, obwohl er kerngesund sei.«

»In seiner Lage - und noch Humor!« staunteRhodan. »Schnell, Gucky - ich benötige die letztenOrtungsangaben!«

»Unverändert! Handeln wir!«Rhodan nickte. Alles war vorbereitet. Der

Navigationscomputer hatte die genauen Daten dergeplanten Kurz-Transition bereits errechnet. DieTITAN würde erst in der Atmosphäre Aralons wiedermaterialisieren. Wenige Minuten später folgte danndie GANYMED und übernahm die Rückendeckungin Richtung Universum.

Es war ein gewagtes Unternehmen, wenn auch dieFahrt nun fast gestoppt war. Nur die halbe Besatzungwar aktionsfähig, aber kaum provisorischausgebildet. Nicht bloßes Können, sonderninsbesondere eine gute Portion Glück würdeentscheiden, ob Rhodans Plan gelang oder nicht. Unddann war es soweit. Das gewaltige Schiff verschwandaus dem Normalraum und materialisierte gleichzeitigdreißig Kilometer über dem Landefeld von Aralon.

Als die gigantische Kugel über der Ansammlungvon Raumschiffen erschien, stockte vielen dergalaktischen Besucher der Atem. Sie erkannten aufden ersten Blick, worum es sich handelte. Was hatteein arkonidisches Schlachtschiff dieserGrößenordnung auf dem Planeten derHilfsbereitschaft und Heilung zu suchen?

Aber Rhodan kümmerte sich nicht um dieGedanken der ihm fremden Wesen, sondern nahmnun keine Rücksicht mehr. Er ließ die TITANeinfach durchsacken und setzte sie dann am Randedes Feldes auf. Keine drei Sekunden später öffnetensich die unteren Ladeluken, Rampen wurdenausgefahren - und dann marschierten die Roboter.

Es waren stählerne Riesen, fast zweieinhalb Meterhoch und vierarmig. Die beiden unteren Arme warennichts als bewegliche Impulsstrahler, mit denen jederWiderstand im Keim erstickt werden konnte. DieEnergie dieser Strahler konnte, wenn man siebündelte, jede Materie verdampfen und somitverschwinden lassen. Schwer und rhythmischstampften die metallenen Beine der Kampfmaschinendie Rampen hinab, berührten den Boden Aralons und- marschierten weiter. Die Roboter formierten sich zuKolonnen, deren Spitze gegen das hohe Randgebäudegerichtet war, unter dem die Laboratorien lagen.

Rhodan gab über Funk das letzte Kommando.Die Armee der Roboter setzte sich in Bewegung.Wie gelähmt hatten einige Aras, die vor den

Portalen des administrativen Zentrums standen, demSchauspiel zugesehen. Ihre Gehirne schienen nichtbegreifen zu wollen, was ihre Augen erblickten. Aberdann, als die schimmernde Front auf siezumarschierte, löste sich der Krampf. Mit wehendenMänteln eilten sie in das Gebäude und warfen dieTüren hinter sich zu.

Völlig waffenlos verließ Rhodan mit Crest undGucky die TITAN. Die beiden Männer schrittenwürdevoll und mit betonter Gleichmütigkeit hinterihren Robotern her und gönnten den nahen Schiffenund ihren Besatzungen keinen Blick. Gucky, dem dasGehen schwerfiel und dessen Watschelgang auchalles andere als würdevoll wirkte, entsann sich seinerübernatürlichen Fähigkeiten. Er hob sichtelekinetisch um etwa zehn Zentimeter in die Höheund glitt schwebend über den glattenKunststoffboden dahin. Sein Anblick war nicht nurerhebend, sondern bis zu einem gewissen Grad auchunheimlich.

Etwa zehn Roboter marschierten ruhig weiter underreichten die Hauptportale desVerwaltungsgebäudes, in dessen Vorhof einige derKrankenwagen standen. Rhodan sah mehrereEnergiebündel aufblitzen, dann waren die Portalenicht mehr vorhanden. Ohne aufgehalten zu werden,drangen die Roboter befehlsgemäß in den Bau einund besetzten alle Ausgänge und Lifts, die in dieTiefe führten. Der ausdrückliche Befehl, niemand zutöten, blieb wirksam.

Rhodan schaltete den winzigen Sender imArmband ein.

»Leutnant Bristal? Alles in Ordnung?« DieAntwort kam sofort: »Alles klar. Man wagt nicht, unszu belästigen. Auf den anderen Schiffen keineVeränderung. Unsere Geschütze sind bemannt undaktionsbereit. Erwarten weitere Anweisungen.«

»Vorerst keine«, sagte Rhodan grimmig undschaltete ab.

In etwa drei Kilometer Entfernung senkte sich einachthundert Meter langer Zylinder langsam auf dasdort fast leere Feld nieder und kam zur Ruhe. DieGANYMED war ebenfalls gelandet und würde, wiebesprochen, zweihundert Roboter ausschleusen, dieeinen dichten Kordon um das Schiff bildeten. DieseMaßnahme war von Rhodan mehr als eineindrucksvolles Schauspiel gedacht. Man solltesehen, daß man Macht besaß. Ob man sie aucheinsetzte, hing einzig und allein von den Aras ab.Crest flüsterte:

»Dort drüben - ein Schiff der Springer. Es brachteKranke, nehme ich an. Die Aras verschonen also ihreeigenen Verwandten auch nicht.«

Rhodan sah genauer hin. Es war eine der ihmwohlbekannten Walzen, fast dreihundert Meter langund senkrecht auf den Teleskopstützen stehend. Sein

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Auge erfaßte eine Bewegung oben beim Bug. EinRing drehte sich und gab eine Öffnung frei, aus dersich nun der spiralige Lauf einer Energiekanoneschob und sich auf die marschierenden Roboterrichtete.

Rhodan handelte blitzschnell. »Leutnant Bristal!Alarm! Springer-Schiff zweihundert Meter Ost.Strahlkanone am Bug! Sofort unschädlich machen -nur Bug vernichten!«

Noch ehe der Springer seinen Schuß abgebenkonnte, blitzte es bei der TITAN kurz auf. Rhodanbemerkte, daß der Bug des vorwitzigenWalzenschiffes zu glühen begann und dannabschmolz. Die gefährliche Kanone verschwand.Von dem Bug war nicht viel übriggeblieben.

»Das genügt, Bristal. Justieren Sie Ihren Telekomauf die übliche Frequenz für Aralon und setzen Sieden Verstärker dazwischen. Ich möchte eine kurzeMeldung an die hier versammelten Kommandantendurchgehen.«

Nach einigen Sekunden kam die Bestätigung.Ohne sich aufzuhalten und auch weiterhin den

Robotern folgend, sagte Rhodan in sein Gerät:»Achtung, an alle auf Aralon stationierten Schiffe!

Hier spricht Perry Rhodan von Terra, im Auftrag desRegenten von Arkon. Es ergeht eine scharfeWarnung an alle Besucher Aralons, sich nicht in dielaufende Aktion einzumischen. Ich werde von nun ankeine Rücksicht mehr nehmen und jeden vernichten,der uns angreift oder den Aras zu helfen versucht. Eshandelt sich um eine Polizeiaktion im AuftragArkons. Ich wiederhole: Wer sich einmischt, hat dieKonsequenzen zu tragen!«

Rhodan wußte, daß jeder seine Worte hörte, dennkein Schiff ließ seine Funkstation unbesetzt. Jederwußte nun, mit wem er es zu tun hatte - und jederwürde sich Gedanken darüber zu machen beginnen,wer Rhodan von Terra sei. Ein Name, den man nochniemals zuvor gehört hatte.

»Sie schnallen Tiff auf dem Tisch fest«, schrillteGucky plötzlich in höchstem Alarm. »Seine Rufewerden dringender. Er weiß ja nicht, wo wir sind undob wir ihn auch bestimmt hören.«

»Der arme Teufel!« murmelte Rhodan undbeschleunigte seine Schritte. »Wenn sie ihm etwasantun, bringe ich die ganze Sippschaft um!«

Ganz so ernst war diese Drohung vielleicht nichtgemeint, aber sie ließ Crest blaß werden. Der guteRuf Arkons stand über allem.

»Leutnant Bristal! Lassen Sie die linkeRoboterkolonne die Bewachung zum Flugfeld hinübernehmen. Die rechte Kolonne soll sich zu meinerVerfügung halten. Ich möchte den Kommandantensprechen.«

Der Befehl wurde sofort von der TITAN aus perFunk an die Robots weitergeleitet. Der linke Flügel

schwenkte ein und nahm vor den langgestrecktenGebäuden Aufstellung. Ihre Waffen waren auf denWald von Raumschiffen gerichtet. Der rechte Flügelhingegen hielt an. Einer der massigen Gesellen kamzurück und blieb vor Rhodan stehen.

»Ihre Befehle?« fragte er mit seiner unpersönlichklingenden Stimme, die ein wenig an die desRobotgehirns von Arkon erinnerte.

»Ich möchte, daß mich drei Roboter begleiten. Dieanderen sorgen dafür, daß unser Vorstoß in dieunterirdischen Labors Rückendeckung erhält. Crestund Gucky begleiten mich.« Er wandte sich an denMausbiber: »Richtung? Genau, wenn ich bitten darf.«

Gucky zeigte schräg nach vorn auf den Boden.»Dort - in zehntausenddreiundzwanzig Meter

Entfernung.« Er sah wieder auf und heftete seinenBlick auf das vor ihnen gelegene Sicherheitsgebäudemit der Rampe und dem geöffneten Portal. »Und dortsind die Lifts, mit denen man in die Tiefe fahrenkann.«

Rhodan zögerte keine Sekunde mehr, als die dreiRoboter sich bei ihm meldeten. IhreSerienbezeichnungen standen in Form kleinerMetallschilder auf der schimmernden Brust. Siewirkten gleichzeitig als Ansprechkode.

»RK-935! Du gehst voran und beseitigstHindernisse materieller Art. Lebewesen nicht töten,sondern nur lahmen. RK-940 und RK-999übernehmen die Rückendeckung. Marsch!«

Der Vorhof schien ausgestorben. Einige Fahrzeugestanden leer und verlassen herum. Das geöffnetePortal sah aus wie ein hungriges Riesenmaul. Guckysagte plötzlich schrill:

»Dort vorn erwarten sie uns ebenfalls ohneWaffen. Sie wollen mit uns reden. Ja - einer vonihnen ist Themos. Ich konnte seine Gedanken genauidentifizieren. Er will dir einen Vorschlag machen,Rhodan einen hinterhältigen Vorschlag, glaube ich.Ja, es handelt sich um eine Art Geschäft.«

»Springer bleiben Springer«, murmelte Crest undbeeilte sich, um Rhodan folgen zu können. Guckywar vorgeeilt und erwartete die Gruppe bereits nebendem Portal.

Dahinter lag ein hell erleuchteter Gang. RK-935schritt wuchtig weiter, die beiden Waffenarmeschußbereit. Sein Kraftfeld war nicht aktiviert, daman mit keiner Gegenwehr rechnete.

Sie kamen in eine weiße Halle, die Tiff bekannterschienen wäre. Zwei Krankenwagen standenseitlich in einer Wandausbuchtung. Korridore undTüren führten in alle möglichen Richtungen.

Eine Gruppe weißgekleideter Aras kam Rhodanentgegen und hielt in einiger Entfernung an. Einervon ihnen, ein älterer Albino, hob beide Arme undfragte in würdevollem Vorwurf:

»Was soll eine bewaffnete Invasion auf dem

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Planeten der Heilkunst? Wie ich sehe, geschieht dasUngeheuerliche mit Wissen Arkons. Darf ich um eineErklärung bitten und fragen ...«

»Wenn hier jemand fragt, bin ich es!« unterbrachihn Rhodan kalt. »Sie sind Themos, wenn ich michnicht irre.«

Der Alte verriet Verwirrung. Woher wußte derFremde seinen Namen? War es der BeauftragteRhodans? Er konnte sich nicht vorstellen, daßRhodan selbst kam - dazu noch waffenlos, wenn auchin Begleitung einiger Roboter.

»Ja, ich bin Themos, Leiter derForschungsabteilung des außerimperialen Sektors.Was wollen Sie? Wer sind Sie?«

»Bevor ich Ihnen das sage, gebe ich Ihnen denguten Rat, sofort meine Leute auf freien Fuß zusetzen. Experimentieren Sie, mit wem Sie wollen,aber nicht mit Leutnant Tifflor und Sengu.«

Ein flüchtiges Lächeln huschte über das Gesichtdes Aras.

»Welches Interesse haben Sie an Leuten, die Sieverraten wollten? Wer sie bestraft, dürfte gleichgültigsein ...«

»Tun Sie, was ich Ihnen sagte, oder Sie tragen dieKonsequenzen.«

Themos zögerte. Er warf RK-935 einen kurzenBlick zu und wußte, daß hier mit Gewalt kaum etwasauszurichten war.

»Auf Thora legen Sie keinen Wert?« fragte erruhig. »Wir haben sie geheilt. Sie können Rhodandavon unterrichten, daß ...«

»Ich bin Rhodan!«Themos hatte es inzwischen erraten. Er zeigte

keine Überraschung mehr. Lediglich seine Begleiterschienen um einige Zentimeter kleiner zu werden.Gucky kam Rhodan zuvor. Er watschelte einigeSchritte vor, betrachtete Themos abschätzend - undsetzte seine telekinetischen Fähigkeiten aus.

Der alte Ara verlor plötzlich den Boden unter denFüßen und begann, schwerelos und strampelnd gegendie hohe Decke der Halle zu steigen. Als er mit demKopf gegen die runde Lampe stieß, gab es einendumpfen Laut. Sein Anblick wirkte nicht geradeermutigend auf die anderen Aras, die dem Vorfall mitweit aufgerissenen Augen und ungläubigen Blickengefolgt waren. Themos selbst hatte die Spracheverloren. Rhodan fragte:

»Welcher Lift führt zum Medikamentenlager?«Und als Themos keine Antwort gab, sagte er zuGucky: »Runterlassen - aber nicht zu schnell!«

Themos erhielt plötzlich sein natürliches Gewichtzurück und fiel die fünf Meter haltlos herab. Erst imletzten Augenblick bremste der Mausbiber den Sturz,aber nicht genug, um den harten Aufprall völlig zuverhindern.

Themos sackte zusammen und blieb mit einem

Aufschrei liegen.»Welcher Lift also?« wiederholte Rhodan. Einer

der Aras trat vor. »Dort drüben die Tür«, gab erbereitwillig Auskunft. Er schien eingesehen zuhaben, daß man gegen Roboter und übernatürlicheKräfte nichts ausrichten konnte. »Aber ich mache Siedarauf aufmerksam, daß es verboten ist ...«

»Menschenraub ist ebenfalls verboten!« schnittRhodan ihm das Wort ab. »Gehen Sie vor und zeigenSie uns den Weg. RK-940, du bleibst hier in derHalle und sorgst dafür, daß die Aras sich nicht vonder Stelle rühren.« Er klopfte Gucky auf den Rücken.»Was ist mit Tiff?«

»Sie holen erst Sengu. Vorerst besteht keinedirekte Gefahr. Aber ich konnte Thoras Gedankenempfangen. Sie ist in Sicherheit. In einem Raum,knapp hundert Meter unter uns, hat man sieeingeschlossen. Ich finde sie jederzeit.«

Der Ära, der ihnen den Weg zeigen wollte, hieltvor einer Tür an. Er drückte auf einen Knopf. Die Türglitt zur Seite. Dahinter wurde eine winzige Kabinesichtbar. Rhodan schüttelte den Kopf.

»Es muß Lastenaufzüge geben. Dieser ist zuklein.«

Der Ära zuckte mit den Schultern und schritt zueiner breiteren Tür, hinter der ein quadratischerRaum sichtbar wurde, der viermal so groß wie dererste war.

»Sie kommen mit uns«, befahl Rhodan und stießden Ära vor sich her. »Und nun keineVerzögerungstaktik mehr, mein Freund. Sie wissenja, wo unsere beiden Leute zu finden sind. BeeilenSie sich. Wenn wir zu spät kommen, wird keiner vonIhnen Gelegenheit erhalten, das Pensionsalter zuerreichen.«

»Ich bin bereit, Ihnen zu helfen«, murmelte derÄra verbittert, weil man seinen guten Willen nichtanerkannte. »Glauben Sie nur nicht, daß wir alle mitThemos Maßnahmen einverstanden sind.«

Rhodan sah Gucky an. Der Mausbiber forschte imUnterbewußtsein des Ära und schüttelte dann denKopf. Schrill gab er das Ergebnis seinertelepathischen Sondierung bekannt:

»Er lügt, weil er nicht anders kann. Die Aras lebenvon diesen Maßnahmen und halten sie für gesetzlichfür gesetzlich in ihrem Sinne, natürlich. Niemandlehnt sich gegen Themos auf. Und außerdem plantdieser Bursche, uns irrezuführen. Also Vorsicht.«

Mit unverhohlenem Entsetzen sah der Ära seinegeheimsten Gedanken bloßgelegt. Wer war diesesunheimliche Wesen, das seine Gedanken lesenkonnte? Gab es denn nichts, das diesen Rhodanabhalten konnte, die Existenzgrundlagen Aralons zuzerstören?

Der Ära faßte einen heroischen Entschluß. Wennnichts half, dann mußte er sich eben für sein Volk

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opfern. Wenn er starb und Rhodan starb mit ihm,würde niemals jemand erfahren, welches der Quelldes unerschöpflichen Reichtums war, aus dem dasVolk der Aras schöpfte.

Es war sein Vorteil, daß Gucky gerade in diesemAugenblick damit beschäftigt war, neue HilferufeTiffs aufzufangen. Sengu war herbeigeschafft worden- aber es war ein hoffnungsfreudiger Sengu, dennschon längst hatte er oben im Verwaltungsgebäudedie Ankunft Rhodans gesehen. Durch mehr alszehntausend Meter fester Materie blickte er hindurchund wußte, daß die Rettung nicht mehr fern seinkonnte. Es wurde aber auch höchste Zeit.

»Sie sind bereits im Lift!« flüsterte er Tiff zu, derfest angeschnallt auf dem weißen Tisch lag. GrellesLicht zwang ihn dazu, die Augen geschlossen zuhalten. »Nur noch Minuten ...«

Gucky fing die Gedanken Tiffs auf und wolltegerade Rhodan berichten, als der Ära mit einerschnellen Handbewegung zum Fahrthebel des Liftesgriff und ihn mit einem scharfen Ruck über dieBegrenzung hinausschob, mit aller Gewaltnachdrückte - und der Hebel abbrach.

Gleichzeitig wurden die Insassen der Kabinegewichtslos.

RK-999 war vorgetreten, um den Ära daran zuhindern, den Hebel überhaupt zu bewegen, daRhodan noch keine entsprechende Anweisunggegeben hatte. Nun hoben sich seine Beine vomKabinenboden ab, kein Widerstand stellte sich ihmentgegen. Schwerelos schwebte er auf den Ära zu,der ihm mit weitgeöffneten Augen entsetztentgegensah. Auch Gucky kam nicht mehr dazu, denungewollten Flug des schweren Kampfroboters zubremsen, der nun langsam, aber doch mit vollerWucht gegen den hilflosen Ära prallte und demschwachen und zerbrechlichen Abkömmling derArkoniden und Springer sämtliche Knochen brach.

Der Verräter hatte einen schnellen undschmerzlosen Tod.

Mit steigender Geschwindigkeit aber stürzte derLift haltlos in die Tiefe, dem Mittelpunkt desPlaneten entgegen.

*

»Nur noch Minuten ...« Sengu unterbrach sich.Niemand hinderte ihn daran, zu sprechen, aber erschwieg trotzdem erschüttert. Er hatte gesehen, wieder Ära den Lift zum Absturz brachte und dann starb.

»Was ist?« fragte Tiff und zerrte an denLederriemen, die ihn an den Tisch fesselten. »Warumsprichst du nicht weiter?«

Sengu starrte unverändert gegen die Decke. Ohnesich zu wehren, ließ er es geschehen, daß man auchihn anschnallte. Aras eilten geschäftig hin und her,

legten blitzende Instrumente zurecht und unterhieltensich leise.

»Was ist?« wiederholte Tiff seine Frage.Einer der Wissenschaftler warf ihm einen Blick zu,

kümmerte sich aber nicht weiter um die beidenTerraner, die in seinen Augen schon so gut wie totsein mochten.

»Der Lift ...!« stöhnte Sengu erschrocken. »Erstürzt in die Tiefe. Der Ära hat den Fahrthebelabgebrochen. Niemand kann die fallende Kabineaufhalten.«

Tiff war es, als schnüre ihm die Angst plötzlich dieLuft ab. Solange er Rhodan zu sich unterwegs wußte,hatte er zuversichtlich sein können, aber wenn derRetter selbst in der Falle saß, gab es keinen Auswegmehr. Die Aras konnten ihre teuflischen Absichtenungehindert in die Tat umsetzen. Und dann, einesTages, würden auch auf der Erde unbekannteSeuchen ausbrechen, zu deren Heilung nur dieunwahrscheinlich teuren Medikamente der Arasverhalfen. Der Kreis würde sich dann schließen.

Er bäumte sich auf und zerriß unter Anspannungaller seiner Kraftreserven den Riemen, der seinenlinken Arm an den Tisch fesselte. Sofort sprangeneinige der Aras auf ihn zu und drückten ihn zurück,aber auch mit einem Arm war Tiff ein gefährlicherGegner. Seine suchende Hand entdeckte einen hartenGegenstand. Er griff nach ihm und stieß demnächsten Ära das scherenähnliche Instrument in denLeib. Mit einem Schmerzensschrei taumelte derGetroffene zurück und sank, nach Halt um sichgreifend, langsam zu Boden.

Noch ehe Tiff sich nach einem neuen Angreiferumsehen konnte, verspürte er plötzlich einenstechenden Schmerz im Nacken. Er wirbelte herum,aber die Hand mit der Injektionsnadel zog sichschnell zurück.

Die Lähmung kam sofort und raste vom Gehirn inArme und Beine. Die Schere fiel zu Boden. Erwehrte sich nicht mehr, als sie ihm den Arm erneutan den Tisch fesselten.

Sengu schien von dem Vorfall nicht viel bemerktzu haben. Mit schreckgeweiteten Augen starrte erschräg nach oben gegen die Decke. Sein Blickwanderte dann zur Wand, glitt an ihr herab undendete schließlich auf dem Fußboden. Dann schloß erdie Augen. Es war, als wolle er nun nicht mehrsehen, was weiter passierte.

Teilnahmslos ließ er es geschehen, daß ein Ärasich näherte und ihm ebenfalls die lähmendeInjektion gab.

5.

Zehn wertvolle Sekunden verstrichen ungenutzt.In diesen zehn Sekunden aber war die Kabine fast

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fünfhundert Meter tief gestürzt, und dieFallgeschwindigkeit wuchs linear mit der Zeit. DerLuftwiderstand bremste ein wenig, aber es mußteeinen Ausweichschacht geben, sonst hätte sie sich zueinem Polster gestaut.

Rhodan schwebte mitten im Raum. Auf seinemGesicht zeigten sich Schrecken und momentaneRatlosigkeit, aber dann kehrte seine gewohnteÜberlegung zurück. »Gucky ... anhalten! Schnell!«Der Mausbiber konnte sich auch im Schwebezustandungehindert und zielbewußt bewegen. Trotz der mehrals bedenklichen Situation aber vergaß er nicht denZweck ihres Hierseins.

»Tiffs Sender ist ausgefallen - wenigstens dietelepathischen Impulse. Ich höre nur noch dienormalen Sendezeichen. Er muß schlafen oderbewußtlos geworden sein. Von Sengu spüre ichnichts mehr.«

»Die Narkose!« stieß Rhodan erschrocken hervor.»Beeile dich, Gucky! Wir benötigen für die zehnKilometer Fall eine knappe Minute. Eine halbe istvorbei!«

Der Mausbiber nickte gelassen und schob RK-999zur Seite, der wie ein Ballon in die andere Eckeschwebte. Der tote Liftführer folgte.

Fünfunddreißig Sekunden ... sechstausend MeterTiefe!

Und nun bewies Gucky, was ein Telekinetvermochte.

Sein Blick richtete sich auf den Metallhebel derSchalttafel, dessen abgebrochenes Ende silbernglänzte. Er konzentrierte sich und bündelte seinetelekinetischen Kraftströme auf diesen Stift, den ermit den Fingern nicht erreichen konnte.

»Vierzig Sekunden!« sagte Rhodan tonlos.»Nahezu achttausend Meter.«

Gucky hörte nicht. Seine Augen wurdenmerkwürdig starr.

Der abgebrochene Hebel bewegte sichmillimeterweise auf die Nullstellung zurück, über dieman ihn hinausgeschoben hatte. Er hörte in seinerBewegung nicht auf, sondern glitt weiter.

Rhodan sank auf den Boden der Kabine, diebeiden Roboter folgten ihm. Und dann spürte er, wiedas alte Gewicht zurückkehrte - sich allmählichverdoppelte. Der Andruck stieg. Rhodan brach in dieKnie und tat dann das Vernünftigste, was zu tunübrigblieb. Er legte sich flach auf den Rücken, Armeund Füße lang ausgestreckt. Crest folgte seinemBeispiel.

Eine Minute!Längst mußten sie die Zehn-Kilometer-Marke

überschritten haben, aber der Schacht nahm nochkein Ende. Niemand wußte, wie tief er sich in dieEingeweide des Planeten hineinbohrte. Gucky schienzu lauschen. Er sah nicht mehr auf den Hebel,

sondern schräg nach oben zur Decke.»Wir sind bereits tiefer als Tiff und Sengu - aber

der Lift steigt bereits wieder. Geschafft!«»Halte ihn an, wenn wir auf gleicher Ebene mit

Tiff sind«, rief Rhodan atemlos. Das Atmen fiel ihmschwer.

Wieder konzentrierte sich Gucky. Der Hebel krochlangsam in entgegengesetzter Richtung. Das Gewichtwurde normal. Und dann hielt der Lift an.

»Wir sind da«, zirpte Gucky und schien mit demErfolg seiner Tätigkeit zufrieden. »Tiff kann nichtweit sein, auf jeden Fall hält er sich in gleicher Höhewie wir auf.«

Rhodan suchte nach einer Vorrichtung, die Tür desLiftes zu öffnen, aber er fand keine. Gucky las inseinen Gedanken, pfiff schrill und - wie gewöhnlich -sehr unmelodisch. Mit gesträubtem Nackenfell lösteer das Problem ganz auf seine Art, ehe RhodanEinwendungen machen konnte.

»Aufpassen, RK-999 - und nicht erschrecken!«Ehe der schwere Kampfroboter wußte, was mit

ihm geschah, fühlte er sich in die Höhe gehoben,schwebte gegen die Rückwand der Kabine undschnellte dann - wie ein Pfeil von der Sehne eineskräftigen Bogens - in die entgegengesetzte Richtung.Mit einem splitternden Krachen brach er durch dieverschlossene Tür und stand in einer grellerleuchteten Halle. Rhodan sprang, ohne zuüberlegen, hinter ihm her, gefolgt von Crest, RK-935und Gucky, der sich strahlend wie ein Sieger nachallen Seiten umsah, als erwarte er Beifall von einemunsichtbaren Auditorium.

Aber die zufällig in der Halle anwesenden Arasdachten nicht an Beifall. Der Schreck fuhr ihnenderart in die dürren Glieder, daß sie reglos verharrtenund auf das Unbegreifliche blickten. Zwei metalleneMonstren, zwei Humanoide - einer von ihnenoffensichtlich ein Arkonide - und ein seltsames,kleines Wesen waren durch die Wand gekommen.

»Rhodan!« rief Gucky plötzlich schrill. »TiffsImpulse entfernen sich! Sie werden nicht schwächer,aber sie entfernen sich.«

»Man hat die Aras gewarnt«, vermutete Crest. »Siebringen ihre Geiseln in Sicherheit.«

»Gucky, folge den Impulsen schnell!« ordneteRhodan an. »Wir bleiben dir dicht auf den Fersen.Um die Aras hier brauchen wir uns nicht zukümmern.«

Gucky raste voran. Die Türen vor ihm öffnetensich wie durch Geisterhand. Aras blickten von ihrerArbeit hoch und rissen voller Entsetzen die Augenauf, als sie die unheimliche Gruppe vorbeistürmensahen. Als einer von ihnen im zweiten Labor eineunbedachte Bewegung machte, erfaßte ihn sofort dergebündelte Lähmstrahl eines Roboters. Mit einemAufschrei brach er bewußtlos zusammen.

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Als sie vielleicht fünfzig Meter zurückgelegt undmehrere Laboratorien durchquert hatten, blieb Guckyplötzlich stehen. Rhodan starrte auf die beiden Tischemit den daran befestigten. Lederriemen. Nur ein Ärastand im Hintergrund und schaltete gerade dasVisiphon ab.

Gelassen drehte er sich um und sah dieEindringlinge furchtlos an. In seinen Augen war einkaltes Flimmern.

»Sie kommen zu spät, Rhodan. Ihre Freunde sindin Sicherheit« Rhodan fragte Gucky: »Wo ist Tiff?«

»Sie bringen ihn nach unten, aber nicht weit.Höchstens zehn Meter. Jetzt hält der Lift. Ja, Tiff istnun direkt unter uns. Eine weitere Ortsveränderungerfolgt nicht.«

Mit ungläubigen Blicken hatte der Ära zugehört.Vielleicht begann er in diesen Sekunden an Zaubereizu glauben und hielt Rhodan für einenSupermenschen. Jedenfalls wußte er, daß dieüberstürzte Maßnahme, von der Zentrale angeordnet,umsonst gewesen war. Woher die Fremden wußten,wohin man die Gefangenen gebracht hatte, blieb einRätsel. Jedenfalls galt es, die Befreiung zuverhindern.

Ehe es jemand ahnen konnte, warf er einenwinzigen Hebel des Visiphons nach unten.

»Befehl von Themos - die Gefangenen soforttöten!« schrie er laut und eilte dann auf die geöffneteTür zu. Er rannte genau in das lähmendeEnergiebündel von RK-999 und stürzte, wie vomBlitz getroffen, zu Boden.

Rhodan wollte sich gerade in Bewegung setzen,um den Lift zu suchen, da fiel ihm eine bessereLösung ein.

»Gucky, zehn Meter sind wenig. Tiff ist also direktunter uns? Gut, dann hol ihn und Sengu. Wir habennur noch Sekunden. Schnell!«

Der Mausbiber nahm sich nicht die Zeitbestätigend zu nicken.

Die Luft begann zu flimmern, seine Gestaltverschwamm, als sei sie mit Wasser umgeben - unddann war Gucky verschwunden.

*

Die Wirkung der Narkose hielt nur wenigeMinuten an.

Als Tiff die Augen aufschlug, kam Sengu geradewieder zu sich. Sie lagen auf dem Deckel einergroßen und breiten Kiste in einem nur dürftigerhellten Raum. Hier war nichts von der blendendenSauberkeit der Labors zu sehen. Die Wände warendunkel und strömten eine eisige Kälte aus. Kistenund ganze Stapel versandfertiger Pakete füllten denRaum aus. Ein Fließband bewegte sich langsam längseines Ganges und endete in einem Schacht, der

senkrecht nach oben führte. Ein Lager!Ein Lager an Medikamenten! Tiff hatte keine

Ahnung, wieso eine Veränderung stattgefunden hatte.Eben noch hatte er auf dem weißen Operationstischgelegen und die lähmende Spritze erhalten, und nunwar er in einem Lagerraum. Drei Aras in weißenMänteln liefen aufgeregt hin und her. Sie stapeltenKisten vor der Tür, die aus dem Raum führte, alswollten sie den Zugang verbarrikadieren. Arbeiterkamen herbeigelaufen und halfen.

Und dann schrillte plötzlich eine Glocke.Gleichzeitig erklang eine laute und aufgeregteStimme. Tiff verstand jedes Wort:

»Befehl von Themos - die Gefangenen soforttöten!«

Die drei Ärzte ließen von ihrer Tätigkeit ab undsahen sich verwundert an. Einer von ihnen wischtesich mit müder Gebärde den Schweiß von der Stirn,warf Tiff und Sengu einen kurzen Blick zu und sagtezu seinen Kollegen:

»Was nützen sie uns tot? Wie sollen wir ihrenOrganismus studieren, wenn dieser nicht mehrfunktioniert? Ich verstehe allmählich ThemosAnordnungen nicht mehr. Zuerst bringen wir dieGefangenen in den Lagerraum, und nun sollen wir sietöten ...«

»Themos wird wissen, was er tut«, schnitt ihm einanderer das Wort ab und griff nach einer Eisenstange,die gegen eine der Kisten gelehnt stand. »Ich werdees so machen, daß die Körper nicht beschädigtwerden ...«

»Ich bin Wissenschaftler«, warf der erste Ära ein.»Ich bin aber kein Mörder. Ich will damit nichts zutun haben.«

Er kümmerte sich nicht weiter um seine Kollegen,wandte sich um und schritt würdevoll davon, in dasDunkel des Lagerraumes hinein.

Der Ära mit der Stange sah ihm eine Weile nach,dann lachte er gefühllos auf. Sein Blick ruhte kalt aufden beiden Gefangenen.

»Ich hätte zwar lieber gehabt, wenn ich euchlebendig ...« Er kam nicht weiter. Direkt zwischenihm und den beiden Terranern begann es in der Luftzu flimmern. Eine kleine Gestalt materialisierte.Gucky hockte auf seinem Hinterteil und stützte sichauf seinen breiten Biberschwanz, der an einen starkvergrößerten Löffel erinnerte. Mit einem Blickerfaßte er die Situation und erkannte den einzigengefährlichen Gegner.

Der Ära überwand seine Überraschung. Er gabsich nicht damit ab, eine Erklärung für dasUnerklärliche zu suchen, sondern hob dieMetallstange.

Gucky war keineswegs gewillt, sich den Schädeleinschlagen zu lassen.

»Ich bin der Klabautermann!« zwitscherte er mit

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süßlicher Stimme und streckte dem Ära beide Armeentgegen, der in seiner Bewegung jäh stockte. Miteinem sprechenden Geist, der wie ein Tier aussah,hatte er nicht gerechnet. Aber dann überwand er alleBedenken. Die schwere Stange kam hoch - und bliebüber ihm in der Luft hängen, als hielte sie jemandfest. Allerdings nicht er.

Sie machte sich selbständig, wirbelte wie eineLuftschraube aus seinen Händen, drehte einenvollendeten Looping und kreiste einmal durch denLagerraum und bog sich dann, von unsichtbaren undunfaßbaren Kräften dazu veranlaßt, zu einemvollendeten R. Dieses R schwebte wie das Schwertdes Damokles über dem Haupte des entsetzten undwie gelähmten Aras - dann fiel es.

Tiff sah, wie das metallene R nach unten stürzteund den zusammenbrechenden Ära unter sich begrub.

»Gucky!« rief er. »Das war Rettung in letzterSekunde!«

»Ich bin stets für Pünktlichkeit«, nickte derMausbiber gelassen und sah sich suchend nach einemGegenstand um, mit dem er die Fesselndurchschneiden konnte. Als er keinen fand, trat er zuTiff und sagte zu Sengu, der neben dem jungenLeutnant lag: »Mach dir keine Sorgen, Wuriu. Ichbringe Tiff hoch und bin in einer Sekunde wieder da.Die Maulwürfe werden es nicht wagen, dichanzugreifen, sonst lasse ich das ganze Alphabet aufihre Köpfe regnen. Bis gleich.«

Er umfaßte den gefesselten Tiff mit beiden Armen- und war Sekunden später mit ihm verschwunden.Sengu blieb allein zurück. Es dauerte länger als nureine Sekunde. Mit gemischten Gefühlen sah erhinüber zur Tür, wo der eine Forscher immer nochbewegungslos und wie an den Boden geschmiedetverharrte. Die Arbeiter hatten den Vorgängenverständnislos zugeschaut; sie begriffenoffensichtlich nichts und schienen es auch nichtgewohnt zu sein, daß man sie aufklärte. Dann kamGucky zurück. »Nun?« zirpte er voller Erwartung.»Ist eine Lektion fällig?«

»Sie waren brav«, stieß der Japaner erleichterthervor. »Und nun weg von hier - ich kann die Kistenbald nicht mehr sehen.«

Gucky grinste und teleportierte mit ihm einStockwerk höher, wo Tiff sich bereits dieHandgelenke rieb und die Blutzirkulation anregte.Aber der Mausbiber schien noch nicht völligzufrieden zu sein.

»Du wolltest von hier aus Themos mit demVisiphon anrufen?« erkundigte er sich bei Rhodan.Er hatte wieder einmal in den Gedanken seines Chefsherumspioniert. Rhodan nickte. »Gut, ich werdeinzwischen unten noch einmal nachsehen. Ich habeetwas vergessen.«

»Vergessen?« fragte Crest erstaunt.

»Ja, vergessen!« bestätigte Gucky und konntenicht mehr aufgehalten werden, weil er bereitsverschwunden war.

Rhodan zuckte die Achseln und trat zum Visiphon.Es fiel ihm nicht sehr schwer, damit umzugehen. Einkurzer Druck - und die Verbindung mit der Zentraleauf der Oberfläche war hergestellt. Auf dem kleinenSchirm erschien das Gesicht des alten Ära, das sichsofort mit Erschrecken und Überraschung überzog.An der Stirn schimmerte eine farbenprächtige Beule,aber sonst schien er den Sturz von der Decke gutüberstanden zu haben. »Sie ...?« stammelte erungläubig. »Wie Sie sehen, Themos«, gab Rhodanzurück. »Leutnant Tifflor und Sengu wurden befreit.Das Opfer Ihres Liftführers war vergeblich. Und nunwerden Sie Thora freilassen, sonst geht es Ihnenschlecht. Wenn ihr etwas zustößt, werde ich diesenPlaneten in eine Hölle verwandeln.«

»Das werden Sie nicht wagen, Rhodan. Sie hättendann die gesamte Galaxis gegen sich.«

»Kaum, wenn die Galaxis die Wahrheit erfährt. Siewissen, was ich damit sagen will, Themos. Es gibtnur einen einzigen Grund, warum ich Sie verschone:Ihr Volk ist intelligent und hat ungewöhnlicheErfahrungen auf dem Gebiet der Medizin. Die Araskonnten dem Imperium unschätzbare Diensteerweisen, ohne zum Betrug greifen zu müssen. Aberwenn sie unbelehrbar bleiben, gibt es nur eineAlternative: Aralon muß vernichtet werden - dieBrutstätte unzähliger Krankheiten. Habe ich michnun klar genug ausgedrückt?«

Themos starrte Rhodan haßerfüllt an.»Wer sind Sie in Wirklichkeit?«Rhodan lächelte kalt zurück. »Perry Rhodan von

Terra, Bevollmächtigter des Robotgehirns vonArkon! Meine Vollmachten, Themos, sindunbegrenzt. Sie reichen bis zur völligen VernichtungAralons. Und nun entscheiden Sie sich, sonst muß ichThora selber befreien. Daß es mir, gelingt, daransollten Sie nun nicht mehr zweifeln.«

Und dann geschah etwas sehr Merkwürdiges.Themos Gesichtsausdruck veränderte sich

plötzlich. Er lächelte, und es war eintriumphierendes, zufriedenes Lächeln, das Rhodansofort äußerst wachsam werden ließ.

»Also gut, Rhodan von Terra. Ich werde Thorafreilassen. Bedingungslos. Mein Befehl erfolgt nachunserem Gespräch. Wohin soll ich sie bringen?«

»Oben in der Halle wartet mein Roboter RK-940.Rufen Sie ihn.«

Es dauerte zwanzig Sekunden, dann sah Rhodan indie blitzenden Kristallaugen des Kampfroboters.

»RK-940! Hier spricht Perry Rhodan. Du wirst ingenau fünf Minuten Thora gegenüberstehen und siesofort zur TITAN in Sicherheit bringen. Wenn duThora nach fünf Minuten nicht bei dir hast, tötest du

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Themos und vernichtest sämtlicheNachrichtenanlagen der Zentrale.«

»Verstanden!« schnarrte RK-940. In seinemkomplizierten Innern begann es zu ticken. Die Zeitlief.

Das Gesicht des Aras erschien wieder auf demBildschirm des Visiphons.

»Beeilen Sie sich!« empfahl ihm Rhodan. »JedeSekunde ist kostbar. Und glauben Sie nur nicht, derRoboter würde Ihnen auch nur eine einzige Sekundenachlassen.«

Mit einem Ruck schaltete Rhodan das Gerät abund überließ Themos seinem Zwiespalt. RK-940würde sich mit der Präzision einer unfehlbarenMaschine an seine Anordnungen halten.

»Wo Gucky nur bleibt ...«, machte sich TiffSorgen. »Möchte wissen, was er noch im Keller zusuchen hat.«

»Keller ist gut!« erinnerte ihn Rhodan daran, daßsie zehn Kilometer unter der Oberfläche weilten. »Ichkann es mir schon denken, was er dort macht. Einerder Ärzte ist ja noch heilgeblieben, sagten Sie?«

»Ja, Sir. Meinen Sie etwa ...?«»Was sonst, Tiff? Wenn wir uns nicht irren, wird

Gucky bald mit einer sehr wertvollen Kisteauftauchen. Es ist die Kiste, wegen der unserUnternehmen gestartet wurde abgesehen davon, daßwir die Aras und ihre Methoden vor allen Rassen desImperiums entlarven wollten. Oder glauben Sie, ichhätte die Aktion ohne Grund so umfangreich undscheinbar unnötig kompliziert durchgeführt?«

Hinter ihnen krachte etwas zu Boden.Sie fuhren herum und sahen, wie Gucky

materialisierte. Die längliche Kiste war fünfzigZentimeter gefallen, hatte aber keinen Schadengenommen.

Gucky richtete sich auf und verkündete mit demStolz eines siegreichen Feldherren:

»Das Serum gegen die Lachkrankheit!«So umschrieb er die Hyper-Euphorie, die alles

andere als zum Lachen war.»Gut gemacht«, lobte Rhodan. »Aber - bist du

sicher, nicht ein falsches Medikament erwischt zuhaben?«

»Keine Sorge«, beruhigte ihn der Mausbiber undließ seinen Nagezahn sehen, was bei ihm gute Launeund Frohsinn verriet. »Der Ära mit dem weißenMantel war glücklich, plaudern zu dürfen. In seinenGedanken las ich dann die Wahrheit. Das Serum inder Kiste reicht für eine ganze Menge Personen. Wirbrauchen es nur zu injizieren. Es wirkt in einerStunde.«

Tiff atmete auf und sah in Richtung der Tür, die zuden anderen Laboratorien führte, hinter denen eineverdächtige Ruhe herrschte.

»Dann ab zur TITAN - fragt sich nur, wie wir an

die Oberfläche kommen. Der Lift istreparaturbedürftig, wenn ich recht verstanden habe.«

»Die werden lange benötigen, um den Lift wiederin Ordnung zu bringen«, bemerkte Guckygeistesabwesend. Er lauschte. Wahrscheinlichempfing er telepathische Impulse. Die Vermutungder anderen bestätigte sich. »RK-940 hat soebenThora in Empfang genommen. Sie ist frisch undmunter, aber sie macht sich Sorgen - große Sorgensogar.«

»Sorgen?« wunderte sich Rhodan. »Warum?«»Warum, das weiß ich nicht. Ich weiß nur, um

wen.«»So?« machte Rhodan. »Ja, um dich!« nickte

Gucky und ließ den Nagezahn sehen. »Das läßt ja tiefblicken ...«

Crest nahm sich Zeit, Rhodan mit einemwissenden Lächeln zuzunicken, wurde aberwiederum von Gucky unterbrochen, der dieGelegenheit für eine respektlose Bemerkung zu sehenglaubte.

»Da wird sich aber Tiff nach einer neuen Brautumsehen müssen.« Tiff wurde rot wie einSchuljunge. »Mir ... eine bessere Idee war mir nichteingefallen«, stammelte er verlegen. »Leider wußteThora nichts davon und war natürlich empört, als sieerwachte und erfahren mußte, daß ich mit ihr aufeinem idyllischen Planeten zu leben gedachte.« Nunlächelte auch Rhodan. »Es war immerhin einamüsanter Gedanke«, gab er zu, um sofort wiederernst zu werden. »Ich glaube, es wird Zeit, daß wirdie Medikamente in Sicherheit bringen. So ganz traueich den Aras noch nicht.«

Genau in dieser Sekunde war in dem Raum einleises Summen.

Rhodan hob den Arm und drückte den Knopf deswinzigen Funkgerätes ein, der am Armband saß.

Die Stimme Leutnant Bristals wiederholteaufgeregt: »Perry Rhodan - melden Sie sich!

Perry Rhodan melden Sie sich! Dringend! PerryRhodan, melden Sie ...«

Rhodan drückte einen zweiten Knopf.»Hier Rhodan! Was ist los?« Einen Augenblick

war Schweigen, dann gellte Bristals Stimme:»Alarmstufe eins! Wir werden von einer Flotte

angegriffen. Mehr als hundert Kampfschiffe derSpringer haben Aralon eingekesselt. Wir erwartenIhre Anweisungen ...«

Rhodan war blaß geworden. Er warf Crest einenhastigen Blick zu, ehe er sagte:

»Schutzschirme um TITAN und GANYMEDlegen. Kampf vermeiden, solange es geht. Wir sind inzehn Minuten dort. Aushalten!«

Bristal bestätigte. Der Empfänger verstummte.Langsam drehte Rhodan sich um und sah die

beiden Roboter an. Seine Stimme war ernst und

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seltsam kalt, als er sagte:»RK-999! Der Schonbefehl ist aufgehoben. Du

gehst voran und machst den Weg zu den Liften frei.Jeder Widerstand ist zu brechen.« Er drehte sich zudem anderen Roboter um. »RK-935! Für dich giltebenfalls die Aufhebung der Anordnung, niemand zutöten. Halte uns den Rücken frei. Jeder Angreifer istzu vernichten.« Dann wandte er sich an Crest, Tiffund Sengu: »Ihr nehmt abwechselnd dieMedikamentenkiste. Gucky, teleportiere nach obenund sorge dafür, daß Thora in Sicherheit gebrachtwird. Wenn der Angriff der feindlichen Flotte bereitsbegonnen hat, warte mit ihr und den Robotern imZentralgebäude. Am besten in der Halle, dort endenja auch die Liftschächte.« Er fügte ganz allgemeinhinzu: »Also los, wir dürfen keine Zeit mehrverlieren.«

Noch während RK-999 rücksichtslos dieTürfüllung durchbrach, entmaterialisierte Gucky.

Zehn Kilometer unter der Oberfläche von Aralonbegann Rhodans Vorstoß in die Freiheit.

6.

Als man Themos in sein Büro trug - der RoboterRhodans hinderte seine Leute nicht daran -, hatte ernur den einen Gedanken: Rache!

Doch dann erlitt er Rückschlag auf Rückschlag.Hunderte von frisch eingelieferten Patienten zogen

es vor, zu ihren Schiffen zurückzukehren, umwoanders Heilung zu finden. Die Zustände aufAralon schienen ihnen zu unsicher.

Dann erfolgte der mißglückte Versuch seinesAssistenten, Rhodan mit dem Lift umzubringen.

Und schließlich wurden die beiden Gefangenenbefreit.

Da zögerte Themos nicht länger. Er stellte dieDirektverbindung mit dem Verwaltungsgebäude aufder anderen Seite des Raumfeldes her und ließ sichmit dem Chefarzt des gesamten Sektors verbinden. Inkurzen Worten schilderte er den Ernst der Lage undbetonte, daß Rhodan im Besitz von Geheimnissensei, die Aralons Existenz gefährdeten.

»Angeblich handelt er im Auftrag des Imperiums,aber das erscheint zweifelhaft. Das Robotgehirnschenkt kaum uns Vertrauen, wie sollte es einemvöllig Fremden vertrauen können, der nicht einmalAngehöriger des Imperiums ist? Setzen Sie eineSpringer-Kampfflotte ein! Bitten Sie umUnterstützung der Überschweren!«

Das war viel verlangt. Die sogenanntenÜberschweren waren die Polizeitruppe derGalaktischen Händler. Sie lebten vom Krieg.Manchmal stellten sie den Geleitschutz für wichtigeHandelstransporte, aber genauso oft führten sie gegenWelten Krieg, die sich gegen die rigorosen Methoden

der Springer aufzulehnen wagten. Schon früh von derSpezies Springer abgesondert, lebten dieÜberschweren einst auf einem kleinen Planeten mitunvorstellbarer Schwerkraft. Sie waren rundanderthalb Meter groß und besaßen durchschnittlicheinen ebensolchen Durchmesser. So gewaltig wieihre körperliche Erscheinung war auch ihreKriegsmacht. Überall im Bereich des Imperiumsstanden ihre Flotten einsatzbereit. Der Chefarztzögerte. »Sie wissen, daß die Überschweren sehrteuer sind. Ihre Bezahlung ist nicht geradebescheiden zu nennen. Ich weiß nicht, ob Ihre Sorgeberechtigt ist. Vielleicht können Sie diesen eh -Rhodan täuschen.«

»Unmöglich!« fauchte Themos wütend, der seineNiederlage nur ungern zugab. »Wenn Sie noch einehalbe Stunde warten, sind wir erledigt. Wir könnendas Hospital schließen. Die Patienten fühlen sichnicht mehr sicher auf unserer Welt.«

Der Entschluß kam mit überraschenderSchnelligkeit.

»Also gut, Themos. Ich werde mit demHypersender die Zentrale der Überschweren anrufenund darum bitten, daß man uns umgehend ein starkesKontingent schickt. Sie tragen jedoch dieVerantwortung, Themos. Davon kann ich Sie nichtfreisprechen.«

»Machen Sie schon, wir haben keine Minute zuverlieren.«

Themos schaltete das Visiphon ab, schreckte aberaus seinen Gedanken hoch, als der Summer ertönte.

»Sie ...?« stammelte er erschrocken.»Wie Sie sehen«, gab Rhodan zurück und

verlangte, daß Thora, der letzte Trumpf in der Handdes Aras, freigegeben würde.

Nicht ohne heimliche Genugtuung stimmteThemos zu.

*

Der Überschwere Talamon hockte mit seinendreizehn Zentnern hinter den Kontrollen seinesSchiffes TAL VI. Er stand im Dragolan-Sektor; etwa47 Lichtjahre von Arkon entfernt als dieHyperfunkanlage eine für ihn bestimmte Sendungempfing.

Sie kam aus dem Hauptquartier der Überschweren.Talamon nickte zufrieden. »Das langweilige Wartenist zu Ende! Wird auch Zeit, daß wieder etwaspassiert, sonst werde ich frühzeitig aus dem Verkehrgezogen.«

Sein Humor war von etwas skurriler Art.Der Funker meldete, daß die Verbindung

hergestellt sei.Sekunden später meldete sich das Hauptquartier,

das nicht etwa auf einem Planeten, sondern in einem

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riesigen Walzenschiff stationiert war.»Talamon! Die Aras fordern bewaffnete Hilfe an.

Planet Aralon, System Kesnar. Koordinaten bekannt.Zwei Schiffe, das eine arkonidischen Ursprunges,sind zu vernichten. Kommandant ein gewisser PerryRhodan von Terra. Unbekannt. Wie viele Einheitenhaben Sie?«

»Einhundertacht.«»Das genügt. Gehen Sie sofort in Transition.«Noch ehe Talamon bestätigen konnte, schwieg das

Hauptquartier.Talamon gab den Kommandanten der anderen

Schiffe seine Anweisungen und handelte sofort.Noch während die Flotte auf Geschwindigkeit ging,sann er ständig über den Namen »Perry Rhodan«nach. Unbekannt ...? Nein, so unbekannt war ihm derName gar nicht. Irgendwo hatte er ihn schon gehört.Von Topthor etwa ...? Natürlich, Topthor! Irgendwo,mehr als dreißigtausend Lichtjahre von hier, warTopthor mit diesem Rhodan zusammengestoßen undhatte den kürzeren gezogen. Nun, das sollte ihm,Talamon, nicht passieren. Sollte dieser Rhodan malversuchen, gegenüber einhundert schwerbewaffnetenSchiffen etwas auszurichten, mochte er nun vonTerra oder aus der Hölle stammen.

Zehn Minuten nach Themos Hilferufmaterialisierte Talamons Flotte im System Kesnar,keine drei Lichtsekunden von Aralon entfernt. Sietrennte sich und schwenkte ein. Fünfzig schwereEinheiten riegelten den Hafen ab. In zwanzigKilometern Höhe spannten sie einundurchdringliches Netz über das riesige Raumfeld,an dessen Rand die gigantische TITAN lag.

Talamon verspürte einen Druck in derMagengegend, als er die Riesenkugel erblickte. Einso großes Schiff hatte er noch nie gesehen. Es mußtedas letzte Produkt aus Arkons Waffenschmiede sein.Nun, vielleicht war der Brocken nicht so gefährlich,wie er aussah. Das ließ sich feststellen. Er schalteteden Telekom ein.

»Regul, Sie nehmen zehn Ihrer Schiffe und starteneinen Angriff auf die Kugel dort unten. Setzen Siealle verfügbaren Strahler simultan ein, um dieSchutzschirme zu durchbrochen. Vernichten Sie dieKugel, wenn Sie es schaffen. Sie greifen in einerMinute an! Ende!«

Regul bestätigte und formierte seine Einheiten zumAngriff.

Talamon saß hinter den Kontrollen der TAL VIund wartete ab.

*

Gucky materialisierte. Drei, vier Aras sprangenerschrocken auseinander, als sie den Mausbiberplötzlich entstehen sahen. Einer von ihnen rannte mit

wehendem Mantel auf eine Tür zu, aber er gelangtenur wenige Schritte weit. Er fühlte sichemporgehoben und segelte dann wie ein Torpedo inweiter Kurve durch die Halle, um mit einem langenRutscher vor der Wand zu landen. Benommen, aberohne sichtlichen Schaden, blieb er liegen.

»Wo ist Themos?« fragte Gucky mit schrillerStimme und zeigte auf die beiden Aras, die still undheimlich verschwinden wollten. »Führt mich zu ihm -aber ein bißchen dalli, sonst mache ich Mondraketenaus euch. Die richtige Figur dazu habt ihr ja.«

Die beiden zögerten, aber als ihre Mäntel sichselbständig machten und so kraftvoll die Freiheitsuchten, daß sie zerrissen und als bessere Putzlumpeneinige Loopings drehten und dann müde zu Bodenflatterten, gaben sie es auf. Gehorsam drehten sie sichum und marschierten willig in einen Korridor hinein,an dessen Ende eine undurchsichtige Glastür war.Die Aufschrift besagte, daß hinter ihr der hohe Chefamtierte.

Gucky verjagte die beiden Aras mit einerHandbewegung und öffnete die Tür telekinetisch.Wie von Geisterhand bewegt schwang sie auf. Hinterseinem Tisch hockte Themos, von seinenstrategischen Maßnahmen völlig erschöpft. Die Beulean der Stirn war auch nicht kleiner geworden.

Gucky schloß die Tür hinter sich. Eigentlichschloß sie sich scheinbar von selbst. Themos sah esentsetzt und ahnte, daß die Periode der Wunder nochnicht beendet war. Was er nicht ahnte, war, daß erstjetzt die der blauen begann.

»Hast du Jammerfigur von einem Ära dieSpringer-Flotte zu Hilfe gerufen? Sprich, oder ichlasse dich wie eine rotierende Spirale bis zumMittelpunkt von Aralon hinabsausen!«

»Ich ... ich ...«»Danke«, nickte Gucky, »das genügt. Ich bin

Telepath und kann deine schmutzigen Gedankenlesen. Du hast uns also verraten. Auch dieÜberschweren sind es dazu, die du um Hilfe batest.Mann, das war aber ein unverzeihlicher Fehler vondir! Daß du rabiat bist, wußten wir bereits, aber, daßdu dazu auch noch vor Dummheit nicht aus denAugen gucken kannst ... Los! Komm mit!«

»Die Überschweren werden euch ...«»Die werden froh sein, wenn wir sie nicht ins

Paradies schicken«, unterbrach ihn Gucky, der sichkaum noch beherrschen konnte. »Du sollstmitkommen! Ich will dir etwas zeigen. Na, wird'sbald?«

Themos erhob sich zögernd. Er hatte kein gutesGefühl, war aber auch nicht neugierig auf das wasdieser kleine Teufel ihm zu zeigen gedachte.Bestimmt war es nichts Erfreuliches Gucky fingplötzlich Thoras Gedanken auf. Sie waren vollerPanik und Furcht. Draußen auf dem Landefeld war

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Page 31: Seuchenherd Aralon

eine heftige Abwehrschlacht entbrannt, soviel konnteer aus dem Wirrwarr herauslesen. Die TITAN wurdeangegriffen. In wilder Flucht hatte sich Thora in dasGebäude retten können, nachdem sie schon die halbeStrecke bis zum wartenden Schiff zurückgelegt hatte.Guckys Wut stieg. Rücksichtslos zwang er Themosunter telekinetische Kontrolle und ließ ihn zweiMeter über dem Boden vor sich herschweben. In derHalle angekommen, sah er gerade, wie Thora durchdas Portal stürzte und sich erschöpft in einen Sesselwarf. Sie schien vollkommen fertig zu sein. EinigeSekunden später folgte ihr RK-940 mit nochglühenden Waffenarmen.

Themos landete unsanft direkt vor Thoras Füßen.Die Arkonidin sah auf, erblickte zuerst Gucky und

dann den Ära. Ihr Gesicht verzerrte sich. Themoserhielt einen Stoß in die Seite, der die fastvergessenen Schmerzen wieder wachrief, die seinerster Sturz von der Hallendecke hervorgerufen hatte.Er jammerte wehleidig vor sich hin. Der Roboter hobseinen rechten Waffenarm und richtete ihn auf denVerräter.

»Halt!« rief Gucky. »Rhodan hat befohlen,niemand zu töten, der uns nicht angreift.«

»Themos hat den Tod verdient!« half Thora demRobot. Ihr Zorn war noch größer als der Guckys, waseiniges besagen mochte. »Warum soll er verschontwerden?«

»Rhodan muß das entscheiden, Thora«, zirpte derMausbiber begütigend. »Der Bursche entkommt unsnicht.«

»Wo ist Rhodan überhaupt?« fragte Thora. Erstjetzt schien sie sich seiner zu erinnern. »Weiß er, wasgeschehen ist?«

Gucky sah zu den Lifteingängen. »Eigentlichmüßte er jeden Augenblick erscheinen - unterwegs ister bereits mit Crest, Tiff und Sengu. Die beidenRoboter sollen nachkommen. Sie benutzen denkleinen Personenlift, weil der andere hinüber ist.«

Thora stand langsam auf und schritt auf den Liftzu. Es waren zwei Türen, von denen die eine schmal,die andere breit den Zutritt zu den Schächtenversperrte.

»Das ist die falsche!« rief Gucky, als sie mit einemKnopfdruck die breite Tür aufrollen ließ. KeineKabine war zu sehen, sondern nur ein großes,schwarzes Loch: der Schacht, der mehr als zehnKilometer in die Tiefe führte. »Der kleine Lift ist es,wie ich schon sagte.«

Thora ließ die breite Tür geöffnet und wandte sichdem Personenlift zu. Auch hier wurde der Schachtsichtbar, aber aus ihm drang ein gleichmäßigsurrendes Geräusch. Die Kabine kam hoch. Esdauerte noch zwei Minuten, dann hielt sie. Rhodantrat in die Halle, von seinen drei Begleitern gefolgt.Thoras Gesicht überzog sich mit einem Schimmer

freudiger Erleichterung, als sie auf Rhodan zueilteund seine beiden Hände ergriff. »Perry - ich bin sofroh ... ich ...«

Rhodan gab den Druck der Hände zurück.»Ich danke Ihnen, Thora. Sie haben mir jetzt eine

sehr große Freude gemacht. Nochmals Dank, Thora.Doch jetzt ist keine Zeit mehr für private Dinge.Sengu, die Kiste mit den Medikamenten. Geben Siesie RK-940.«

Gucky richtete sich vor Rhodan auf und wollteetwas sagen, als Thora einen Schrei ausstieß. Siehatte sich umgewandt, um wieder zu ihrem Sesselzurückzukehren, als ihr Themos einfiel.

Der Ära hatte mit Entsetzen gesehen, wie seinTodfeind unversehrt aus dem Lift stieg, gefolgt vonden Gefangenen und dem Arkoniden. Seine letztenKraftreserven zusammennehmend, sprang er auf,raste an Thora vorbei und sprang mit einem letzten,verzweifelten Satz in die Kabine. In der Flucht zudem unterirdischen Labyrinth sah er die einzigeMöglichkeit, der Rache Rhodans zu entgehen.

In seiner Aufregung verwechselte er die beidengeöffneten Türen. Eine Sekunde zu spät erkannte erseinen Irrtum. Einen markerschütternden Schreiausstoßend, stürzte er in den schwarzen Schachthinab.

Rhodan eilte zum Lift und starrte in die bodenloseTiefe, als könne er dem Verräter noch helfen, aberdann mochte er wohl eingehen, daß es für Themosnur eine einzige Hilfe gab.

»Gucky!« rief er scharf. »Hol ihn zurück, schnell!«Der Mausbiber warf Thora einen schnellen Blick

zu. Das Gesicht der Arkonidin, eben noch vorÜberraschung verzerrt, war wieder glatt undausdruckslos geworden.

»Gucky!« rief Rhodan in dringenderem Tonfall.»Hast du nicht gehört?«

Der Mausbiber watschelte zu Thora und sah aufderen Uhr.

»Themos fällt bereits dreißig Sekunden«, stellte ersachlich fest. »Das sind bald fünftausend Meter.Niemand darf annehmen, daß er genau senkrechtgefallen ist. Er ist schon längst tot.«

»Gucky!«Rhodans Stimme wurde schneidend. »Du tust

sofort, was ich dir gesagt habe!«»Vierzig Sekunden!« gab der Mausbiber ungerührt

zurück. »Das sind acht Kilometer. Rhodan, ichverweigere den Gehorsam. Themos ist ein gemeinerVerräter, der vom Schicksal selbst bestraft wurde.Niemand hat das Recht, dem Schicksal ins Handwerkzu pfuschen. Fünfzig Sekunden! Themos ist nun mitSicherheit tot.«

Rhodans Gesicht war fast weiß geworden. Inseinen Augen blitzten Zorn und Ärger.

»Das war Insubordination, Gucky! Wir sprechen

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uns noch, später.« Er stockte, als hinter ihm einGeräusch hörbar wurde, aber es war nur die Kabinedes Liftes, die in die Tiefe glitt, um die Roboterabzuholen. Dann schien er den Vorfall vergessen zuhaben. Ein Druck stellte den Kontakt zur TITAN her.»Leutnant Bristal? Kurzer Lagebericht! Schnell!«

»Zehn Feindschiffe greifen an. Schutzschirmehalten. Was soll geschehen?«

»Warten Sie. Ich bin in zehn Sekunden bei Ihnen.Schalten Sie den Hypersender ein.« Und zu Guckygewandt fuhr er fort: »Bringe uns in die Zentrale derTITAN. Thora und Crest, Sie werden sofort abgeholt,Tiff und Sengu ebenfalls. Bis gleich.«

Gucky umschlang Rhodan mit seinen kurzenArmen und verschwand mit ihm von einer Sekundezur anderen. Die Zurückbleibenden sahen es in denAugen des Mausbibers noch triumphierendaufblitzen.

*

Talamon war mit seinem Schiff höher gestiegen,um einen besseren Überblick zu erhalten. SeinemCharakter entsprechend erfüllte es ihn nicht mitmaßloser Wut und sinnlosem Haß, als er dievergeblichen Angriffe seiner zehn Schiffebeobachtete. Im Gegenteil, er empfand so etwas wieBewunderung für diesen Rhodan. An dem Burschenmußte etwas dran sein, und es wäre nichtauszudenken, was alles geschähe, wenn man ihn zumFreund hätte.

Aber dann entsann er sich seines Auftrages.Rhodan war zu vernichten. »Regul!« brüllte er in denTelekom. »Ziehen Sie sich zurück! Es ist sinnlos, dieKugel mit nur zehn Schiffen anzugreifen. ErhieltenSie kein Abwehrfeuer?«

»Nicht einen Schuß!« kam es ein wenig ungläubigzurück. »Nur die Schutzschirme sind eingeschaltetund nicht zu durchbrochen.«

»Wir werden mit allen fünfzig Schiffenangreifen«, entschied Talamon. »Der Feuerkraft vonfünfzig Schlachtkreuzern kann kein noch soenergiereicher Schirm widerstehen. Wir beginnenunsere Aktion in genau zwei Minuten.«

In der Zentrale der TITAN konnte Rhodan seinErstaunen nicht ganz unterdrücken, als er denplötzlichen Abzug der zehn Angreifer erkannte.Gucky materialisierte gerade mit Sengu, den er alsletzten aus der weißen Halle geholt hatte. Erschöpftsetzte er sich auf die Medikamentenkiste undmurmelte: »Was nun?«

»Dreierlei!« antwortete Rhodan kurz. »Sengu, Siebegleiten Crest zur Krankenstation und nehmen dieKiste mit. Dr. Haggard erhält die erste Injektion. Unddann werden wir alle mit dem Gegenmittel impfen.Zweitens wird Gucky sofort in das

Hauptverwaltungsgebäude auf dergegenüberliegenden Seite des Landefeldes springenund versuchen, den verantwortlichen Chef nach hierzu bringen. Es muß der Kerl sein, der mit Themossprach und der die Springer alarmierte. Die dritteAufgabe betrifft mich allein. Bristal, ist derHypersender funkbereit?«

Gucky seufzte und entmaterialisierte im Sitzen.Sengu nahm die Kiste unter den Arm und verließ

zusammen mit Crest die Zentrale. Tiff übernahm mitBristal den Kommandostand der TITAN. Rhodanund Thora gingen gemeinsam in den Funkraum.

Der große Bildschirm des Hyperkoms zeigte dasmajestätische Schauspiel der in Bereitschaftstehenden Robot-Flotte des Imperiums. Eine kurzeSchaltung, dann wurde das Gesamtbild durch denAnblick eines Roboters ersetzt. Rhodan erkannte ihnan dem Schild auf der Brust.

»OR-775! Hier spricht Rhodan von Terra. GehenSie mit der gesamten Flotte sofort in Transition undriegeln Sie das System Kesnar hermetisch ab. Einigeder Einheiten überwachen das Landefeld undvernichten jeden, der zu starten versucht. KeinAngriff, nur Abwehr! Bestätigung!«

»Transition erfolgt raschestens. Nur Abwehr, keinAngriff!«

Rhodan nickte. Das Bild wechselte. Wiedererschien die gesamte Flotte auf dem Schirm. EinSpezial-Funkschiff mußte es übermitteln. Und dann,von einer Sekunde zur anderen, zeigte der Schirm nurnoch die zahllosen und unpersönlich kalt funkelndenSonnen des Sternhaufens M-13.

Es war die gleiche Sekunde, die für Talamon dasEnde aller Hoffnungen auf einen reichen Gewinnzerstörte.

Der Alarm raste durch sein Schiff. Abwehrschirmelegten sich automatisch um alle Einheiten, die zumAngriff formiert über dem Landefeld standen und aufdas Kommando warteten. Funkmeldungen eiltenüberlichtschnell hin und her, erreichten auch dieSchiffe auf der anderen Seite des Planeten und amRande des Systems.

Die erste Ahnung wurde zur Gewißheit.Eine starke Kampfflotte der Arkoniden war

erschienen - so stark, daß sie die Springer in wenigenMinuten in einen wirren Haufen schmelzender undabstürzender Schiffswracks verwandeln konnte.

Talamon erkannte das mit erstaunlicherDeutlichkeit und schaltete blitzschnell. Diesebewundernswerte Reaktionsfähigkeit hatte ihm schonmehr als nur einmal das Leben gerettet. Sicherlichaber diesmal.

»Passiv verhalten!« brüllte er in das Mikrophonseiner Nachrichtenanlage. »Kein Angriff! Abwarten!Ich werde verhandeln.«

Aus dem Funkraum schrie jemand:

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»Wir werden angerufen! Ein gewisser Rhodan von...«

»Zu mir legen!« rief Talamon erschrocken zurück.»Schnell!«

Es dauerte einige Sekunden, bis der Schirm direktvor ihm aufglühte. Ein Gesicht erschien, und derÜberschwere sah in die kalten und grauen Augeneines Wesens, das wie ein Arkonide geformt war,aber mit Sicherheit keiner sein konnte. »Sie sind derKommandant der Überschweren?« fragte der Mannin akzentfreiem Interkosrno. »Antworten Sie!«

»Ich bin Talamon«, erwiderte Talamon undlächelte säuerlich. »Sie mißverstehen meineAbsichten ...«

»Wenn Sie meinen, ich könnte Sie mißverstehen,müssen Sie sehr eindeutig sein«, gab Rhodan zurück.»Sie wissen, wer ich bin?«

»Perry Rhodan von Terra«, sagte der Überschwerenicht gerade begeistert. »Ihre Begegnung mit Topthorist nicht unbekannt geblieben.«

»Um so erstaunlicher, daß Sie trotzdemversuchten, mich anzugreifen. Wer hat Sie gerufen?«

»Die Aras. Sie waren in Bedrängnis, und da war esunsere Pflicht, ihrem Ruf Folge zu leisten.«

»Erste Pflicht aller Angehörigen des Imperiums istes, dem Imperium zu dienen, Talamon! Sie solltendas wissen.«

»Die Aras dienen dem Imperium, Rhodan, das istbekannt. Wenn sie Hilfe anfordern, geschieht das imSinne des Imperiums.«

»Wie hieß der Ära, der Sie rief?«»Chefarzt Borat. Er leitet den Sektor Raumfeld

und ...«»Borat also?« Talamon sah, wie Rhodan sich zur

Seite wandte und zu einem anderen Gesprächspartnersagte: »Sie sind Borat? Gut, wir unterhalten unsspäter.« Und wieder zu Talamon blickend, fuhr erfort: »Was wissen Sie über die Aras und ihreMethoden, Talamon?«

Der Überschwere machte kein sehr geistreichesGesicht. Offenbar wußte er mit der Frage nichtsanzufangen. Er hob die massigen Schultern.

»Was alle wissen. Sie heilen die Kranken undentwickeln die besten Medikamente. Sie besitzenkeinerlei Bewaffnung und gelten als diefriedfertigsten Bewohner der Galaxis. Um sounverständlicher erscheint es mir, wenn Sie ...«

»Mehr wissen Sie also nicht? Gucky, spricht er dieWahrheit?«

Talamon sah zu seinem Erstaunen, wie einmerkwürdiges und kleines Pelzwesen Rhodan zurSeite drängte und auf dem Bildschirm erschien. Erblickte in ein Paar braune, gutmütige Augen, die ihnforschend ansahen. Dann nickte das Wesen undverschwand wieder. Rhodans Gesicht kehrte zurück.

»Sie haben Glück, Talamon. Sie wissen in der Tat

nichts von der wirklichen Tätigkeit der Aras. Dasentschuldigt Sie. Ich will es Ihnen aber sagen, damitSie die Völker des Imperiums davon unterrichtenkönnen, was auf Aralon geschieht.«

Die nächsten zehn Minuten waren für Talamon dieüberraschendsten seines ganzen Lebens. Schweigendhörte er zu, was Rhodan ihm berichtete. Das Lächelnaus seinem Gesicht verschwand und machte einergrimmigen Wut Platz.

Als Rhodan endete, schwieg er lange. Dann fragteer:

»Warum vernichten Sie Aralon nicht?«Rhodans kurzes Lächeln war nicht gerade

freundlich.»Habe ich Ihre Flotte vernichtet, als sie mich

angriff? Nein, nicht immer ist Vernichtung und Toddie letzte oder beste Antwort auf ein Problem. DieGalaxis wird erfahren, wie die Art der Aras zu ihremReichtum kam. Ihr Geheimnis ist ab heute keinesmehr. Wenn sie weiterbestehen will, muß sie sichumstellen und ihr Wissen dem Allgemeinwohl zurVerfügung stellen. Wenn jedoch noch einmalirgendwo im Imperium die Bewohner einer Welterkranken, und der Ursprung der Seuche ist aufAralon zu finden, dann allerdings hört dieser Planetauf zu existieren.«

Talamon nickte langsam.»Die Aras stammen von den Springern ab, das

Handeln liegt ihnen im Blut - wie uns Überschwerenauch. Wir leben vom Kampf, zugegeben, aber wirleben nicht von der Gemeinheit. Sie können jederzeitmit mir rechnen, Perry Rhodan, wenn dieGerechtigkeit zu schwach ist, sich zu verteidigen.«

Über Rhodans Gesicht huschte ein warmer Schein.»Danke, Talamon. Ich werde es nicht vergessen.

Und nun sammeln Sie Ihre Flotte und denken Siekünftig daran, was Sie mir versprachen. Auch dieSpringer sind nicht immer auf der Seite des Rechtes.Ich fürchte, Sie werden bald vor Aufgaben gestelltwerden, die Ihr Gewissen belasten.«

»Sie haben mein Wort, Rhodan. Ich bin reichgenug, gewisse Angebote meiner Kommandostellenablehnen zu können, wenn sie mir nicht passen. Darfich Ihnen noch meine Hyperfunkfrequenz geben, aufder ich jederzeit zu erreichen bin?«

»Gern werde ich von Ihrem Angebot Gebrauchmachen, falls es jemals notwendig sein sollte.«

»Und noch eine Frage«, fügte Talamon hinzu, undin seinen Augen war eine merkwürdige Scheu, diedem Fleischberg gar nicht stand. »Wie kommt es, daßdie Arkoniden so aktiv geworden sind? Eineoffizielle Schlachtflotte des Imperiums hat man seitJahrtausenden nicht mehr gesehen.«

»Die Zeiten beginnen sich zu ändern«, lächelteRhodan wissend. »Das Imperium steht vor einerneuen Epoche seiner Entwicklung. Machen Sie diese

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Entwicklung mit, Talamon, und Sie werden Ihrekämpferischen Fähigkeiten noch oft genug einsetzenkönnen - für das Recht!«

Talamon nickte. »Zählen Sie auf mich, Rhodan.Und wenn Sie jemals Ihren Heimatplaneten Terra inGefahr wähnen, rufen Sie mich. Viel Glück,Rhodan!«

Er schaltete ab, ohne auf eine Antwort zu warten.In seinen Augen war ein nachdenkliches Schimmern.

Dann hieb er mit wuchtiger Bewegung den Hebeldes Telekoms in Sendestellung.

»Flotte fertig zur Transition!« sagte er mit etwaszittriger Stimme, in der Erleichterung undgleichzeitig Entschlossenheit mitschwang.»Koordinaten wie vorher ...« Und nach einigenSekunden setzte er hinzu: »Auftrag erledigt.«

Zehn Sekunden später verschwand die FlotteTalamons vom Himmel.

7.

Rhodan starrte noch eine halbe Minute auf denleeren Bildschirm, ehe er sich umdrehte und Guckyansah.

»Nun, Kleiner? Was dachte er?« Der Mausbibergrinste. Sein Nagezahn rutschte ein Stück vor undgab seinem ganzen Gesicht ein pfiffiges Aussehen.Das Fell im Nacken legte sich wieder glatt.

»Er ist sehr beeindruckt. Zuerst war es nur dasmaßlose Erstaunen über die Robot-Flotte. Damithatte er niemals gerechnet. In seinen Augen sind dieArkoniden Schlafmützen und zu keiner Reaktionmehr fähig. Aber dann, als er die Wahrheit über dieAras erfuhr, änderte sich seine Einstellungerstaunlich schnell - diese Änderung war aufrichtigund überzeugend. Wir haben in Talamon einenechten Freund gefunden. Es hat ihm auch imponiert,daß wir unsere Überlegenheit nicht ausnützten, ihn zubestrafen. Er verlor kein einziges Schiff. Rhodan, erbewundert dich!«

»Danke, Gucky«, erwiderte Rhodan und sahrichtig gerührt aus. Aber nur für einen Augenblick,dann wurde sein Blick wieder hart. Mit kalterStimme wandte er sich an den Ära, der zitterndzwischen Tiff und Sengu stand. Er hatte anscheinenddie merkwürdige Art des blitzschnellen Transportesnoch nicht ganz verdaut. »Sie hörten, was ich zu demÜberschweren sagte, Borats. Das war keine bloßeDrohung. Aralon wird seine Produktion um dieHälfte einschränken müssen. In Zukunft werdenkeine Krankheitserreger mehr hergestellt, nur nochMedikamente. Alle durch Ihre Mittel erkranktenVölker werden kostenlos behandelt. ZurÜberwachung und Kontrolle lasse ich zweihundertKampfroboter auf Aralon zurück. Sie werden soprogrammiert, daß sie jede Verfehlung mit sofortiger

Vernichtung des Schuldigen ahnden. Glauben Sie nurnicht, einen Roboter mit positronischem Gehirntäuschen zu können. Selbst dann, wenn Sie die Mittelbesäßen, einen Roboter unschädlich zu machen,würde Ihnen das nichts nützen. Ihre gesamte Energiewürde dazu verwendet, einen Hyperfunkspruch andas Robotgehirn von Arkon zu senden. Die Folgewäre eine Strafexpedition, die nach RäumungAralons von den Kranken die Vernichtung desPlaneten zur Folge hätte. Habe ich mich klar genugausgedrückt?«

Chefarzt Borat nickte eifrig. In seinen Augen standnacktes Entsetzen und die Bereitwilligkeit, jetzt alleszu tun, was man von ihm verlangte. Trotzdem sagteer:

»Ich kann nicht allein entscheiden. Der Rat derÄrzte muß seine Zustimmung geben und ...«

»Kennen Sie jemand, der zustimmen würde, daßAralon zerstört wird?«

»Nein ... natürlich nicht, aber ...«»Kein >aber<, Borat! Es gibt keine andere

Alternative. Jeder Kompromiß ist ausgeschlossen. Eswar eben Ihr Fehler, mit dem Erreichten nichtzufrieden zu sein. Ihr zweiter Fehler war es, michanzugreifen. Es ist gut, Sie können das Schiffverlassen und ungehindert in Ihr Büro zurückkehren.Ich erwarte die Entscheidung des Rates innerhalb vondrei Stunden. Das ist Zeit genug. Leben Sie wohl -und bleiben Sie gesund, Borat. Tiff, bringen Sie ihnzur Luke.«

Mit einem kalten Lächeln sah er hinter dem Äraher, bis er verschwunden war. Dann wandte er sichan Gucky:

»Und nun zu dir, mein Freund. Du hast dichgeweigert, einen Befehl auszuführen. Hast du eineEntschuldigung für dein Verhalten?«

Der Mausbiber wurde um zwanzig Zentimeterkleiner. Er rutschte förmlich in sich hinein. Seinhilfesuchender Blick ging zu Thora, die Rhodanverlegen ansah. Eine leichte Röte färbte ihreWangen.

»Es war meine Schuld, Perry. Ich bat ihn, Themoszu töten.«

Rhodan blickte an ihr vorbei. »Sie haben einMenschenleben auf dem Gewissen, Thora.«

»Er war ein Verräter, Perry! Er hatte den Todverdient.«

»Können Menschen das entscheiden? Auch Borathätte den Tod verdient, wenn wir so urteilen wollen -und Tausende mit ihm. Sie sehen aber, daß er unslebendig mehr nützen kann. Auch Themos hättekünftig sein Vergehen wiedergutmachen können.«

»Haben wir ihn getötet?« verteidigte sich Thora.»Er sprang in den Schacht, den er uns als Todesfallezugedacht hatte. Er selbst war es, der sich tötete.Wenn Gucky ihm nicht half, so war das höchstens

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eine Unterlassung, aber kein Mord.«»Also mildernde Umstände?« fragte Rhodan

sarkastisch. Er schüttelte den Kopf. »Bitte, Thora,versuchen Sie künftig nicht mehr, meine Entschlüssezu ändern. Auf der anderen Seite kann ich Ihren Zornverstehen. Sprechen wir also nicht mehr darüber.« Erbeugte sich zu Gucky hinab. »Dir laß es eine Lehresein, Freundchen. Thora hat zwar mehr Geduld, dir inMußestunden das Fell zu kraulen und dir in derBordküche einige Mohrrüben zu besorgen, aber dasheißt noch lange nicht, daß meine Anordnungenignoriert werden dürfen. Hast du das verstanden?«

Guckys treue Augen blickten noch treuer. SeinNagezahn wagte den ersten Vorstoß zu einemGrinsen. Er nickte heftig mit dem Kopf.

»Verstanden, Chef!« Er lauschte in Richtung derTür. Sein Nagezahn nahm nun keine Rücksicht mehrauf die erhaltene Rüge. Gucky grinste vollerErwartung, als er quer durch die Zentrale watschelteund die Tür zur Seite gleiten ließ, Etwas verdutztüber die unerwartete Maßnahme stolperte Bully überdie Schwelle und sah auf Gucky herab, der als seinBusenfreund galt. Bullys rote Haarborsten lagenfriedlich auf dem runden Schädel, das breite Gesichtstrahlte Freude und Zufriedenheit aus. In den blauen,wäßrigen Augen schimmerte so etwas wie verhalteneTrauer, die im krassen Gegensatz zur besagtenZufriedenheit stand. Bully mußte sich in einem argenseelischen Zwiespalt befinden.

»Hallo!« machte er und winkte allgemein in dieLuft hinein. »Da wäre ich wieder. Ist inzwischenetwas passiert?«

Gucky schnaubte verächtlich.»Während wir die ganze Milchstraße retten, hast

du im Bett gelegen, geschlafen und still vor dichhingegrinst. Man muß den Aras dankbar sein, daß sieuns für einige Zeit vor deinem ständigen Anblickbewahrten. Und ausgerechnet ich habe dasMedikament besorgen müssen, das dich erweckte.Aber ich gehe noch einmal und hole den Erreger.«

Es geschah etwas völlig Unerwartetes. Bullyschien furchtbar zu erschrecken, dann ging er in dieHocke und sah dem Mausbiber tief in die treuenAugen, in denen jetzt der Schabernack funkelte.

»Aber Guckylein, bester Freund undKampfgenosse. Das wirst du mir doch nicht antun?Ich bin ausgeschlafen jetzt, glaube mir. Ausgeruhtund unternehmungslustig. Und Zeit habe ich auch,sagt Onkel Doktor Haggard, zwei Wochen Erholung.Stelle dir vor, zwei Wochen! Da könnte ich dir dochmanchmal den Gefallen tun und ...«

»Feil kraulen ...« staunte Gucky und begann zustrahlen. »Du willst mich kraulen, du Guter?Abgemacht! Jeden Tag zwei Stunden ...«

Bully machte ein Gesicht, als habe man ihn soebendreimal Zum Tode verurteilt. Ein Blick in das

strahlende Gesicht des Mausbibers brachte sein Herzfast zum Schmelzen. Ergeben nickte er.

»Abgemacht. Gucky.«Langsam erhob er sich und wankte zum nächsten

Sessel. Mit einem Aufstöhnen sank er hinein undschloß die Augen. Die Umwelt schien für ihn nichtmehr zu existieren.

Gucky stemmte die Arme in die Hüften. SeinNackenfell stand zu Berge. Er schüttelte fassungslosden Kopf.

»Hat er ja schön gesagt - aber was er jetzt denkt,ist so charakterlos und gemein, daß man es nichtdrucken könnte. Nun, die Hauptsache ist schließlich,was er tun wird. Und er wird sein Versprechenhalten.« Er richtete sich zur vollen Größe auf undwatschelte zu Thora, die ihm die Hand auf den Kopflegte und ihm zulächelte. »Er hat nämlich einemordsmäßige Angst vor mir.«

Aus dem Sessel, in dem Bully lag, kam einherzerweichendes Aufstöhnen. Dann war es so, alssei der so unverschämt Herausgeforderteeingeschlafen.

Wahrscheinlich die beste Lösung für ihn.Rhodan grinste und winkte Leutnant Bristal zu

sich.»Wir warten auf eine Nachricht von Borat, dann

starten wir. Veranlassen Sie, daß die Robot-Flottewieder nach Arkon zurückkehrt und sich dort zuunserer weiteren Verfügung hält. Wir haben in denAras einen Todfeind gewonnen, und ich weiß nochnicht, wie sich das auswirken wird. Vielleicht weißder Regent eine Antwort darauf. Immerhin sind wirdie ersten, die sich gegen zwei mächtigeZivilisationen auflehnten gegen die Springer und nungegen die Mediziner von Aralon, die Gesunde heilenwollten.«

Crest und Thora warfen sich einen Blick zu. DerArkonide sagte, als Leutnant Bristal die Zentraleverlassen hatte:

»Ihr Verhalten, Rhodan, wird Folgen haben, das istso klar wie das Quellwasser von Terra. Man wirdbeginnen, sich Gedanken zu machen und die Fragezu stellen, wer Perry Rhodan von Terra ist. Sie sindein neuer Faktor in den Berechnungen allerAngehörigen des arkonidischen Reiches. Man wirdlernen müssen, mit Ihnen zu rechnen. Da Sie imAuftrag des Regenten handeln, rechnet man alsokünftig auch mit den Arkoniden. Dafür, Perry, habeich Ihnen zu danken. Sie sind dabei, meinem Volkden alten Ruf der Handlungsfähigkeitzurückzugeben, den es vor einigen Jahrtausendenverlor.«

Thora nickte entschlossen. »Wenn wir weiterhingemeinsam handeln und vorerst in dem Robotgehirnden Regenten anerkennen, wird Arkons Reich zuneuer Blüte erstehen. Auch ich habe Ihnen zu

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danken, Perry - für alles.«Perry Rhodan war jedoch nicht der Mann, seineHerkunft zu vergessen, ganz gleich, wohin ihn dasseltsame Schicksal gestellt hatte, dem er vor dreizehnJahren auf dem irdischen Mond begegnet war, als ermit einer zerbrechlichen Flüssigkeitsrakete dortlandete und die in Not geratenen Arkonidenentdeckte. Was wäre er heute ohne diese Arkoniden?Wo stünde die Erde heute? Wüßte sie überhaupt, daßes außer den Menschen noch intelligente Wesen imUniversum gab? Ja, hätte sich die Menschheit ohnedieses seltsame Schicksal nicht schon längst imatomaren Krieg vernichtet?Er schüttelte den Kopf, trat auf Crest und Thora zuund reichte ihnen seine Hände.»Nein, Freunde, nicht ihr habt mir zu danken. Wasich heute bin und zu leisten vermag, ist einzig undallein euer Verdienst. Ihr seid es, die das Imperiumretten werden, denn was wäre ich ohne eure Hilfe vordreizehn Jahren? Ein irdischer Raumpionier, der jetztvielleicht, hätte es keinen Atomkrieg gegeben, aufdem Mars oder der Venus landete. Nein, Thora,Crest, nur wir gemeinsam zählen. Ohne mich wäretihr damals auf dem Mond gestorben, ohne euch wäreich heute nichts als der Angehörige einer primitivenKultur, die gerade den ersten Schritt zu den Sternenmacht und vielleicht dabei strauchelt. Gemeinsamaber sind wir ein Team, das zählt. Ein Freundesbund,der das Imperium der Arkoniden erhält und stärkt.«Er begegnete dem Blick der Arkonidin und spürte,wie sein Blut schneller zu kreisen begann. Es warnicht nur Bewunderung und Freundschaft in ihrenAugen, sondern klar und kompromißlos echte Liebe.Und in dieser Sekunde wußte er, daß alle seineheimlichen Hoffnungen nicht vergeblich sein würden...Leutnant Bristal trat ein und riß Rhodan aus seinerStimmung.»Meldung von Borat, Sir. Der Rat der Ärzte vonAralon hat Ihr Ultimatum angenommen. Diezweihundert Roboter wurden ausgeschleust. DieTITAN und GANYMED sind startbereit. IhreBefehle, Sir?«Rhodan sah ihn an, als erwache er aus einem Traum.»Meine Befehle ...? Transition nach Arkon, wassonst? Tiff übernimmt das Kommando. Ich habe

noch zu tun.«Bristal verschwand. Tiff kam Sekunden später hereinund ließ sich in Rhodans Sessel nieder. SeineKommandos klangen ruhig und gelassen. Die Zeitbegann zu laufen. In zwei Minuten würden diebeiden Schiffe in den klaren Himmel rasen undzehntausend verstörte und nachdenkliche Lebewesendort zurücklassen, die auf allen Welten desImperiums beheimatet waren - Intelligenzen, die esgewohnt waren, daß Arkon schlief. Nun hatten siemit eigenen Augen gesehen, wie ein gewisser PerryRhodan von Terra die trügerische Ruhe zerstörte, dieallen Feinden der Arkoniden ein willkommenerAnlaß gewesen war, eigene Herrschaftspläne zuentwickeln.Sie alle würden sich zu fragen beginnen: Wer istdieser Perry Rhodan? Und wo liegt seine HeimatweltTerra?»Noch eine Minute bis zum Start!« sagte Tiffsachlich.Rhodans Augen suchten erneut Thoras Blick.Da rappelte sich Gucky auf, der bisher inmerkwürdigem Schweigen auf der Couch gehockthatte. Er rutschte auf den Boden und watschelteunbeholfen zur Tür, die sich selbständig vor ihmöffnete und zur Seite glitt.»Hier bin ich überflüssig«, zwitscherte er und stießeinen grellen Pfiff aus, der sein Mißvergnügen zumAusdruck brachte. »Möchte wissen, wer mich inZukunft kraulen soll - wenn Bullys Schonzeitvorüber ist.«Sprachs, warf Thora einen vorwurfsvollen Blick zu,hoppelte in den Gang - und war verschwunden.»Start in zehn Sekunden!« sagte Tiff ungerührt. SeineHand lag auf den Kontrollen.Rhodan nickte Crest und Thora zu. »Gehen wir. Ichdenke, wir sollten uns noch überlegen, wie derBericht für das Robotgehirn aussehen soll.«Er schritt voran. Thora sah Crest hilfesuchend an, ehesie ihm folgte. Crest verließ die Zentrale als letzter.Sein stilles Lächeln war voll ehrlicher Freude.

E N D E

Viele Beobachter gab es, die Rhodans Unternehmen mit atemloser Spannung verfolgten, denn es war das ersteMal in der neueren Geschichte des Großen Imperiums, daß einer aufstand, mit harter Hand in dieGeschehnisse auf Aralon eingriff und den Galaktischen Medizinern eine bittere Lehre erteilte.Werden die Aras diese Lehre beherzigen und künftig nur noch zum Wohle der Galaxis wirken ...?

GESCHÄFTE MIT ARKON-STAHL

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