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S Alpmann Schmidt Skripten Weber-Grellet 6. Auflage 2014 Rechtsphilosophie und Rechtstheorie

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Skripten von Alpmann Schmidt – das komplette Examens-

wissen systematisch aufbereitet

Rechtsphilosophie und Rechtstheorie6. Auflage 2014

Aus dem Inhalt:

Rechtsphilosophie Fünf Minuten Rechtsphilosophie

Die Entwicklung der Rechtsphilosophie

Grundpositionen der Rechtsphilosophie

Verfassungsrecht und Grundwerte

Aktuelle rechtsphilosophische Probleme

Rechtstheorie Grundlagen und Abgrenzung

Gegenstand, Architektur und Funktion des Rechts

Die Wurzel und Werte des Rechts

Die Entstehung des Rechts – die Lehre von den Rechtsquellen

Ethik, Moral und Gewissen

Juristische Logik

Rechtsanwendung, Auslegung und Methodenlehre

ISBN: 978-3-86752-305-9

€ 1

9,9

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Alpmann Schmidt

Skripten

Weber-Grellet

6. Auflage 2014

Rechtsphilosophie

und Rechtstheorie

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Rechtsphilosophie

und Rechtstheorie

2014

Prof. Dr. Heinrich Weber-GrelletVorsitzender Richter am Bundesfinanzhof a.D.

ALPMANN UND SCHMIDT Juristische Lehrgänge Verlagsges. mbH & Co. KG48143 Münster, Alter Fischmarkt 8, 48001 Postfach 1169, Telefon (0251) 98109-0

AS-Online: www.alpmann-schmidt.de

01 Deckblatt.fm Seite 1 Montag, 24. März 2014 10:48 10

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Prof. Dr. Weber-Grellet, HeinrichRechtsphilosophie und Rechtstheorie

6., überarbeitete Auflage 2014ISBN: 978-3-86752-305-9

Verlag Alpmann und Schmidt Juristische LehrgängeVerlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Münster

Die Vervielfältigung, insbesondere das Fotokopieren der Skripten,ist nicht gestattet (§§ 53, 54 UrhG) und strafbar (§ 106 UrhG).

Im Fall der Zuwiderhandlung wird Strafantrag gestellt.

01 Deckblatt.fm Seite 2 Montag, 24. März 2014 10:48 10

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I

Inhalt

INHALTSVERZEICHNIS

1. Teil: Rechtsphilosophie ..................................................................................................................1

1. Abschnitt: Fünf Minuten Rechtsphilosophie .......................................................................11. Minute: Grundlagen .......................................................................................................12. Minute: Naturrecht und Positivismus .......................................................................23. Minute: Rechtsphilosophie heute .............................................................................24. Minute: Recht, Gesetz und Moral ...............................................................................35. Minute: Ausblick ...............................................................................................................4

2. Abschnitt: Die Entwicklung der Rechtsphilosophie .........................................................5A. Antike ..................................................................................................................................................5

I. Erste Anfänge ...........................................................................................................................5II. Die Emanzipation der Vernunft – die Sophisten .........................................................6III. Das Recht als Teilhabe an der Idee der Gerechtigkeit (Plato) .................................8IV. Ein früher Realist – wieder auf dem Boden der Tatsachen (Aristoteles) .............9V. Das Recht als Konvention – Epikur ................................................................................ 11VI. Die Weltvernunft – das stoische Naturrecht .............................................................. 12

B. Mittelalter und frühe Neuzeit .................................................................................................. 13I. Griechisches Erbe und neues Evangelium (Augustin) ........................................... 14II. Der Übergang zur Neuzeit ............................................................................................... 15III. Das Recht als Teil und Spiegel der göttlichen Weltordnung

(Thomas von Aquin) ........................................................................................................... 16IV. Die Wiederentdeckung der Antike – Renaissance .................................................. 17V. Recht als Sache der weltlichen Obrigkeit (Luther) .................................................. 18VI. Die Säkularisierung des Rechts – Empirismus ........................................................... 19VII. Die Lehre vom Staatsvertrag (Hobbes) ....................................................................... 20VIII. Die Idee der Volkssouveränität (Grotius) .................................................................... 21IX. Der Begründer des (demokratischen) Rechtsstaats (Locke) ................................ 22X. Trennung des Rechts von Religion und Moral – das Vernunftrecht ................. 23

C. Von der Aufklärung (17./18. Jahrhundert) bis zum Positivismus ............................... 24I. Vom Geist der Gesetze (Montesquieu) ........................................................................ 25II. Beseitigung der Ungleichheit und Unfreiheit (Rousseau) .................................... 25III. Der Einzug der Naturwissenschaften (Hume) ........................................................... 26IV. Formales Vernunftrecht zur Wahrung der äußeren Freiheit (Kant) .................. 27V. Die Totalität und Vollendung der Welt – der Idealismus (Hegel) ...................... 31VI. Historismus gegen Aufklärung und Naturrecht (Savigny) ................................... 35VII. Das Recht als Herrschaftsinstrument –

die materialistische Rechtsauffassung (Marx) ........................................................... 37VIII. Das Recht als Interessenvehikel – die Interessenjurisprudenz ........................... 38IX. Die Idee des positiven Rechts – der Positivismus .................................................... 39

1. Allgemeines .................................................................................................................... 392. Juristischer Positivismus ............................................................................................ 403. Allgemeine Rechtslehre ............................................................................................. 404. Relativismus .................................................................................................................... 41

RechtsphilosophieIVZ.fm Seite I Dienstag, 25. März 2014 11:04 11

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II

Inhalt

D. Die Zeit des Wandels (ab 1918) bis heute ........................................................................... 42I. Rechtsphilosophie in der Weimarer Zeit (1918–1933) .......................................... 42II. Die Entartung des Rechts – Rechtsphilosophie im 3. Reich ................................. 45III. Neubesinnung – Rechtsphilosophie in der Nachkriegszeit

(1945–1975) ........................................................................................................................... 47IV. Rechtsphilosophie heute .................................................................................................. 49

1. Grundpositionen – Naturrecht gegen Positivismus ........................................ 492. Gegenwärtige Diskussion (System- und Diskurstheorien) ............................ 503. Gerechtigkeitsdebatte ................................................................................................ 514. Analytik ............................................................................................................................ 515. Hermeneutik .................................................................................................................. 516. Sonstige Richtungen ................................................................................................... 52

3. Abschnitt: Grundpositionen der Rechtsphilosophie .................................................... 53A. Naturrecht ...................................................................................................................................... 55B. Vernunftrecht ................................................................................................................................ 61C. Positivismus ................................................................................................................................... 63D. Relativismus ................................................................................................................................... 69E. Reine Rechtslehre ........................................................................................................................ 70F. Analytische Rechtsphilosophie .............................................................................................. 74G. Gerechtigkeitstheorien .............................................................................................................. 76

I. Das Rawls’sche Vertragsmodell ..................................................................................... 76II. Dworkin ................................................................................................................................... 78III. Philosophische Anthropologie – Coing ...................................................................... 80IV. Formale Gerechtigkeitstheorien – Kant-Rezeptionen ........................................... 81

1. Maihofer ........................................................................................................................... 812. Höffe .................................................................................................................................. 82

H. Prozedurale Theorien ................................................................................................................. 83I. Systemtheorie (Luhmann) ............................................................................................... 83II. Diskurstheorie (Habermas) .............................................................................................. 87III. Argumentationstheorie .................................................................................................... 90

I. (Münsterscher) Rechtsrealismus ............................................................................................ 91J. Rechtsethik .................................................................................................................................... 95K. Existenzielles Rechtsdenken .................................................................................................... 96L. Kirchliches Rechtsdenken ......................................................................................................... 97

4. Abschnitt: Verfassungsrecht und Grundwerte ................................................................ 99A. Rechtsphilosophie als konkretisiertes Verfassungsrecht –

Positivierung der Rechtsphilosophie .................................................................................100B. Gerechtigkeit ...............................................................................................................................101C. Freiheit ...........................................................................................................................................104D. Gleichheit .....................................................................................................................................105E. Solidarität .....................................................................................................................................105F. Eigentum ......................................................................................................................................106G. Demokratie ..................................................................................................................................107H. Rechtsstaat ...................................................................................................................................108I. Frieden ...........................................................................................................................................110

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III

Inhalt

J. Völkerrecht ...................................................................................................................................111K. Menschenrechte ........................................................................................................................111L. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts –

Konkretisierungen .....................................................................................................................115

5. Abschnitt: Aktuelle rechtsphilosophische Probleme .................................................118A. Ziviler Ungehorsam ..................................................................................................................118B. Männerrechte – Frauenrechte ...............................................................................................119C. Würde der Natur (Ökologie; planetarisches Ethos) .......................................................120D. Das Recht der Fremden ...........................................................................................................120E. Strafe und Recht .........................................................................................................................121F. Organtransplantation und Hirntod; Gentechnologie ..................................................122G. Was ist der Embryo? ..................................................................................................................124H. Abtreibung ...................................................................................................................................125I. Sterbehilfe ....................................................................................................................................126J. Kruzifix, Schächten, Kopftuch, Beschneidung und Lebenspartnerschaft

Gleichgeschlechtlicher – Staat und Kirche – Freiheit und Toleranz ........................127K. Das Folterverbot – Eignung zum Bundesverfassungsrichter –

der Fall Dreier ..............................................................................................................................129L. Selbstbestimmung, Mitbestimmung, Selbstverwaltung –

noch zeitgemäß? 130M. Europa – Aufgabe des Nationalstaats ................................................................................130N. Evolution des Rechts – Weltrecht, Globalisierung .........................................................131O. Zusammenfassung ....................................................................................................................132

2. Teil: Rechtstheorie .......................................................................................................................134

1. Abschnitt: Grundlagen und Abgrenzung .........................................................................134

2. Abschnitt: Gegenstand der Rechtstheorie: Das Recht ...............................................138A. Begriff des Rechts ......................................................................................................................138B. Die Legitimität des Rechts ......................................................................................................140C. Recht und Zwang .......................................................................................................................140D. Verbindlichkeit des Rechts .....................................................................................................141E. Anerkennung des Rechts ........................................................................................................142F. Recht und Macht ........................................................................................................................142G. Sein und Sollen ...........................................................................................................................143H. Inhalt der Gesetze ......................................................................................................................145I. Widerstandsrecht .......................................................................................................................145J. Zusammenfassung ....................................................................................................................146

3. Abschnitt: Die Architektur des Rechts ................................................................................147A. Aufbau der Rechtsordnung ....................................................................................................147B. Aufbau der Justiz (Justizorganisation, Ministerien; Gerichtssystem) ......................148C. Aufbau eines Gesetzes .............................................................................................................148D. Aufbau einer einzelnen Norm ...............................................................................................148E. Bausteine des Rechts (Grundbegriffe, Dogmatik, Systematik, Prinzipien) ............149

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IV

Inhalt

4. Abschnitt: Die Funktion des Rechts .....................................................................................151

5. Abschnitt: Die Wurzeln und die Werte des Rechts .......................................................151

6. Abschnitt: Die Entstehung des Rechts – die Lehre von den Rechtsquellen ..................................................................153

7. Abschnitt: Ethik, Moral und Gewissen ...............................................................................154A. Ethik ................................................................................................................................................155B. Soziale Normen ..........................................................................................................................155C. Gewissen .......................................................................................................................................157D. Kein notwendiger Zusammenhang von Recht und Moral .........................................158

8. Abschnitt: Juristische Logik ....................................................................................................159

9. Abschnitt: Rechtsanwendung, Auslegung und Methodenlehre ...........................159A. Vorgang der Rechtsanwendung ..........................................................................................160B. Wechselseitige Annäherung von Sachverhalt und Norm ...........................................161C. Unzureichender Syllogismus .................................................................................................161D. Rechtsanwendung als Auslegung und Wertung ...........................................................161E. Auslegung als hermeneutischer Prozess ..........................................................................166F. Nicht-Normierung der Auslegungsgrundsätze ..............................................................168G. Wortlautgrenze ...........................................................................................................................168H. Systemkonforme Auslegung .................................................................................................169I. Rechtsfortbildung, Lücken und verdeckte Lücken ........................................................170J. Richterrecht .................................................................................................................................177K. Kant’sche Elemente der heutigen Rechtstheorie ...........................................................178L. Anforderungen an eine moderne Rechtsanwendung .................................................178

3. Teil: Glossar – zur Wiederholung, zur Vertiefung und zum Nachschlagen ......................................................................................................................180

Stichwortverzeichnis ........................................................................................................................201

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Rechtsphilosophie

1

1. Teil

1. Teil: Rechtsphilosophie

1. Abschnitt: Fünf Minuten Rechtsphilosophie1

1. Minute: Grundlagen

1Zentrales Thema der Rechtsphilosophie2 ist die Gerechtigkeit; Recht, Gerechtigkeit undRechtsphilosophie gehören zusammen. Rechtsphilosophie ist die Grundlage desRechts, das Fundament, auf dem das Recht gründet, und Teil der Rechtswissenschaft.Die Rechtswissenschaft ist eine gesellschaftliche Reflexionswissenschaft,3 die ohneRechtsphilosophie nicht denkbar ist. – Seit mehr als zweitausend Jahren ist der Menschauf der Suche nach Gerechtigkeit, ohne bis heute eine wirklich befriedigende und dau-erhafte Lösung gefunden zu haben. Rechtsphilosophie ist die Grundlage allen Rechts;Rechtsphilosophie begegnen wir (auch unbewusst) auf Schritt und Tritt, im Strafrechtbeim Nachdenken über den Zweck der Strafe, im Zivilrecht bei der Prüfung sittenwidri-ger Geschäfte, im öffentlichen Recht bei der Umsetzung des Asylrechts oder bei der Be-messung von Steuern. Die Grundrechte und das gesamte Verfassungsrecht sind letzt-lich „positivierte“ Rechtsphilosophie; Völkerrecht und Menschenrechte sind Ausdruckrechtsphilosophischer Grundüberzeugungen von der Würde und dem Leben des Men-schen.

Rechtsphilosophie ist nicht nur abgehobenes Denken über die letzten Dinge im Recht,sondern hat handfeste praktische Bedeutung.4 So hat das Bundesverfassungsgericht imsog. Mauerschützenprozess, in dem es um die strafrechtliche Verantwortung der sog.Mauerschützen ging, das strafrechtliche Rückwirkungsverbot letztlich mit der rechts-philosophischen Erkenntnis außer Kraft gesetzt, dass die Grundlage für das Rückwir-kungsverbot entfalle, wenn ein Staat Taten im Bereich schwersten kriminellen Unrechtsdurch Rechtfertigungsgründe decke und so die allgemein anerkannten Menschenrech-

1 Die ersten Auflagen sind – auch im universitären Bereich – überaus freundlich aufgenommen worden. Besonders anre-gend war die in RJ 17 (1998), 145 veröffentlichte Kritik aus dem berufenen Munde des bedeutenden Savigny-ForschersJoachim Rückert, der schon 1984 seine Habilitationsschrift „Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl vonSavigny“ mit der bedeutenden und den Forschungsaufwand wahrlich rechtfertigenden Erkenntnis abschloss, dass Sa-vigny „etwas Neues, eine ‚natürlich‘-philosophische Jurisprudenz im Geiste eines frühen, objektiv anzusetzenden meta-physischen Idealismus“ begründet habe (dazu unten Rdnr. 50 f.); ebenso eindrucks- und bedeutungsvoll ist dessenAussage „Der Alltag des Entscheidens prägt real die Praxis und fiktiv inzwischen die Universität.“ (Rückert, in: Fälle undFallen in der neueren Methodik des Zivilrechts seit Savigny, 1997, 21). – Gewidmet war die 3. Auflage dem Andenken anJosef Alpmann (gest. 26.10.2004), ohne dessen Ideen und Anregungen dieses Buch nicht entstanden wäre, und dem An-denken an Wolfgang Pleister (gest. 25.11.2004), der das Entstehen der 1. Auflage (1997) mit Rat und Tat begleitet hatte.– Die 4. Auflage ist – im Hinblick auf den Zusammenhang und die Nähe beider Komplexe – um die (in Lehre und Praxissträflich vernachlässigte) „Rechtstheorie“ erweitert worden. Rechtsphilosophie im engeren Sinne befasst sich mit derFrage nach der Gerechtigkeit; die Rechtstheorie konzentriert sich auf die formellen und strukturellen Elemente sowie aufdie Anwendung und Auslegung des Rechts. Die 5. und 6. Auflage sind um eine weitere Präzisierung und Vertiefung be-müht.In Assoziation zu Radbruch, Fünf Minuten Rechtsphilosophie, 1945 (Radbruch GA III, 78).

2 Zur Definition und Abgrenzung im Einzelnen s. Glossar.3 Haltern, Europarecht, 2. Aufl. 2007, Rdnr. 20; demgegenüber viel zu eng Hoerster, Was kann die Rechtswissenschaft?,

Rechtstheorie 2010, 13, der die Rechtswissenschaft auf die systematische Darstellung des jeweils geltenden Rechts be-schränken will; diese Auffassung bedeutet m.E. eine völlige Verkennung der Funktion von Recht in der Gesellschaft undführt zu einer höchst gefährlichen Reduktion der Rechtswissenschaft auf die schlichte Beschreibung des „Status quo“. –Rechtsanwendung ist Politikverwirklichung (Rüthers, Zeitgeist und richterliche Rechtsfindung – Recht und Juristen imWechsel der politischen System und Ideologien, in: Holzwarth u.a., Die Unabhängigkeit des Richters, 2009, 135, 139).

4 Bereits Aristoteles stellte fest: Wir müssen uns der Philosophie widmen, wenn wir unseren Bürgerpflichten richtig nach-kommen und unser Privatleben nützlich gestalten wollen. – Erste Aufgabe der Philosophie ist natürlich nach wie vor, ver-meintliche Sicherheiten zu zerstören und zum Nachdenken zu zwingen.

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Rechtsphilosophie

2

1. Teil

te in schwerwiegender Weise missachte. Ebenso liegen z.B. dem Beschluss des Bundes-verfassungsgerichts zum Anbringen von Kruzifixen rechtsphilosophische Vorstellungenüber das Verhältnis von Staat und Kirche zugrunde.5

Die nachfolgenden Ausführungen stehen in einer gewissen Nähe zu den Ideen desMünsterschen Rechtsrealismus,6 wobei bemerkenswert ist, welch grundlegende Aussa-gen bereits in der griechischen Sophistik (immerhin aus dem 5. Jahrhundert v. Chr.) zufinden sind. Der Münstersche Rechtsrealismus verbindet Rechtsphilosophie undRechtstheorie; wesentliche Elemente sind Autonomie, demokratische Mitbestimmung,Metaphysikfreiheit. Daraus folgt ein instrumentelles Rechts- und Staatsverständnis, daseine demokratisch organisierte, den Menschenrechten und der Humanität verpflichteteGesellschaft zum Ziel hat.

2. Minute: Naturrecht und Positivismus

2 Bis in die heutige Zeit wird die rechtsphilosophische Entwicklung durch den (vermeint-lichen) Gegensatz von Rechtspositivismus7 (Gleichsetzung von Gesetz und Recht) undNaturrecht8 bestimmt; dieser Gegensatz lässt sich bis in die Anfänge der antiken Philo-sophie zurückverfolgen.9 Ob wirklich ein Gegensatz besteht, sei hier dahingestellt. DieAuslieferung des Rechts an partikulare Interessen ist das besondere Problem desRechtspositivismus; die Ideologisierung des Rechts aber ist das Problem der Natur-rechtslehren.

„Vor dem Gesetz steht ein Türhüter. Wer das Schwert des Gesetzes schwingen will, den muss er hin-durchlassen. Früher war es ein Priester. Heute ist es ein Rechtsphilosoph. Nie war die Tür verwaist. Dochfast immer haben die Mächtigen das Gesetz in ihre Hand gebracht. Denn die Türhüter sind sich über dieGesetze des Türhütens nicht einig. Einige lassen sich von den Mächtigen ein Papier vorlegen, das be-weist, dass ihre Ermächtigung formal in Ordnung ist. Das sind die Rechtspositivisten. Andere lassen sichvon den Mächtigen erzählen, was sie inhaltlich mit der Macht anfangen wollen, und prüfen, ob das wohlmit rechten Dingen zugeht. Das sind die Naturrechtler. Beide Fraktionen werfen einander vor, sie öffne-ten den Mächtigen viel zu schnell die Tür ... Was ist nun recht im Umgang mit Recht?“10

3. Minute: Rechtsphilosophie heute

3 In unserer Zeit wird der Inhalt der Gesetze durch die Verfassung und die Institutionendes demokratischen Rechtsstaats gesichert und garantiert. Angesichts der Positivierungder Grundrechte ist die Frage nach einer bestimmten Rechtsphilosophie heute eher vongeringerer Tragweite. Das Grundgesetz ist konkretisierende Rechtsphilosophie; es ver-langt Gleichheit und schützt die Würde des Menschen, Freiheit und Eigentum. Anderer-seits ist es nach ganz überwiegender Meinung kaum möglich, allgemein gültige, ewigeWahrheiten zu formulieren. Die heutige Rechtsphilosophie widmet sich daher in vielenFällen mehr einzelnen Fragen der Gesamtheit des Rechts.

5 S. im Einzelnen Rdnr. 152 und Rdnr. 168 ff.6 Vgl. Weber-Grellet, Rechtstheorie 2005, 301.7 S. Rdnr. 87 ff.8 S. Rdnr. 77 ff.9 S. im Einzelnen Rdnr. 77 ff. und Rdnr. 87 ff.

10 Bahners, Hüter ohne Haus, 15. Weltkongress der Rechtsphilosophen in Göttingen, FAZ v. 29.08.1991, 25.

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Fünf Minuten Rechtsphilosophie

3

1. Abschnitt

Die Systemtheorie begreift und erklärt das Recht als schlichte Funktion zur Stabilisierung der Gesell-schaft, die Diskurstheorie hofft durch den idealen Diskurs auf die Kraft der Vernunft, und die Gerechtig-keitstheorien amerikanischer Herkunft sind weitgehend utilitaristisch inspiriert.11 Manche Positionender Rechtsphilosophie beschränken sich auf die „Feinjustierung“ des Rechts und die Lösung spezifi-scher (begrenzter) Probleme (z.B. Fragen der Medizin und der Ökologie).

4. Minute: Recht, Gesetz und Moral

4Nicht jedes Gesetz ist Recht. Dem Gesetz muss die Absicht zugrunde liegen, das sozialRichtige und Gerechte unter den Voraussetzungen und Bedingungen der Zeit zu ver-wirklichen. Im demokratischen Rechtsstaat des Grundgesetzes gilt das parlamentari-sche Gesetz. Kontrolliert werden kann das Gesetz (institutionell) durch das Bundesver-fassungsgericht sowie inhaltlich an den Maßstäben der Verfassung, die sich an traditio-nellen abendländischen Werten, an naturrechtlichen und vernunftrechtlichen (men-schenrechtlichen) Überlegungen und auch am Maßstab des kategorischen Imperativsorientieren; danach müssen die Gesetze ein ausgewogenes Verhältnis von Freiheit,Gleichheit und Solidarität gewährleisten. Verwerfungskompetenz hat prinzipiell alleindas Bundesverfassungsgericht.

Das Verdienst des Positivismus und der reinen Rechtslehren ist die Unterscheidung zwi-schen dem positiven Recht, der Moral und den dem Recht zugrunde liegenden Werten.Das Recht ist ein Instrument zur Regelung und zum Ausgleich konfligierender Interes-sen.12 Recht und Staat dienen der Steuerung der gesellschaftlichen Verhältnisse einerdemokratisch verfassten Gesellschaft; diese Aufgabe verlangt ein funktionales Staats-und Rechtsverständnis, das frei ist von aller Metaphysik. Dieser funktionalen Be-schränktheit ungeachtet ist das Fundament des Rechts – wie auch aller anderen Lebens-bereiche – die Humanität sowie die Ehrfurcht vor dem Leben und der Natur.

Der Geltungsgrund des Gesetzes ist der demokratische Volkswille. Gesetze sind verbindlich, aber nichtkraft quasi-religiöser Satzung, nicht als Ausdruck von (unterwerfendem) Gehorsam, sondern kraft Ver-einbarung und demokratischer Legitimation. Bei Nichtbefolgung treten – wiederum vereinbarungsge-mäß – die vorgesehenen Rechtsfolgen ein.

Gegenüber gesetzlichem Unrecht besteht in den Grenzen des Art. 20 Abs. 4 GG ein Recht und u.U. sogareine Pflicht zum Widerstand. Niemand kann sich auf den Satz „Gesetz ist Gesetz“ berufen, sofern es sichum krasses Unrecht handelt. Bei Konflikten zwischen Recht auf der einen und Moral- und Gewissens-normen auf der anderen Seite geht das staatliche Recht vor; der Einzelne kann dennoch seiner Über-zeugung gemäß handeln, muss aber die staatlichen Sanktionen ertragen.

„Obrigkeit“ und „Gehorsam“ sind Begriffe, die mit dem aufgeklärten Menschenbild und der freien Stel-lung des Menschen in Staat und Gesellschaft nicht vereinbar sind. Gesetze werden nicht qua obrigkeits-staatlicher Anordnung, sondern kraft Einsicht in die Notwendigkeit des Rechts befolgt.

Die Entartung des Rechts im Dritten Reich beruhte nicht auf einer bestimmten rechts-philosophischen Grundhaltung. Weder der Positivismus noch das Naturrecht als solchewaren schuld am Versagen im Dritten Reich; Schuld waren der Mangel an Gerechtigkeit,der menschliche Ungeist, die menschliche Kälte, die Beschränktheit der Ideologien,letztendlich fehlende Humanität.

11 Dazu im Einzelnen Rdnr. 113 ff.12 Funke, Allgemeine Rechtslehre als juristische Strukturtheorie, 291.

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Rechtsphilosophie

4

1. Teil

5. Minute: Ausblick

5 Im Laufe der letzten beiden Jahrhunderte hat sich ein fester Bestand an gemeinsamenRechtsüberzeugungen herausgebildet, wie er z.B. im Grundgesetz und in den Erklärun-gen der Menschen- und Bürgerrechte zum Ausdruck kommt. Die Rechtsphilosophie istnicht am Ende, sondern steht in Gestalt des Grundgesetzes, der Grundrechte-Charta derEuropäischen Union, der UN-Charta und der Menschenrechtsdeklarationen in „hoff-nungsvoller Blüte“.13 Allerdings darf der erreichte Stand nicht darüber hinwegtäuschen,dass in vielen Bereichen noch erhebliche Defizite bestehen; Krieg, Hunger und Vertrei-bung sind längst noch nicht beseitigt.

Der Versuch der spekulativen Philosophie, Ethik aus der Erkenntnis des Wesens der Weltzu begründen, ist fehlgeschlagen.14 Die Ethik hat von der Erkenntnistheorie nur wenigzu erwarten, wie andererseits aber eine Ethik ohne fundierte Erkenntnistheorie Gefahrläuft, zur Ideologie zu verkommen. Kant hat den Begriff der absoluten Pflicht aufgestellt,ohne ihm einen Inhalt zu geben.15 Nach Albert Schweitzer hingegen ist Ethik die Hinge-bung an das Leben und die Ehrfurcht vor dem Leben; Ethik ist die Verantwortung gegenalles, was lebt.

13 Görres, Sonnenaufgang der Weltgerechtigkeit?, Süddeutsche Zeitung v. 24.06.2013, 18.14 Schweitzer, Kultur und Ethik, 268.15 Schweitzer, Kultur und Ethik, 307.

„Erneuerung der Kultur ist nur dadurch möglich, dass die Ethik wieder die Sache derdenkenden Menschen wird. ... Gelten lassen wir nur, was sich mit der Humanität ver-trägt. Die Rücksicht auf das Leben und auf das Glück des Einzelnen bringen wir wiederzu Ehren. Die heiligen Menschenrechte halten wir hoch, nicht die, die die politischenMachthaber bei Banketten verherrlichen und in ihrem Handeln mit Füßen treten, son-dern die wahren. Gerechtigkeit erlangen wir wieder, ... die von dem Werte jedes Men-schendaseins erfüllt ist. Das Fundament des Rechts ist die Humanität.*

* Schweitzer, Kultur und Ethik, 352 f.

Rechtsphilosophie.fm Seite 4 Dienstag, 1. April 2014 11:47 11

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Die Entwicklung der Rechtsphilosophie

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2. Abschnitt

V. Die Totalität und Vollendung der Welt – der Idealismus (Hegel)Hoffmann, Hegel – Eine Propädeutik, 2004; Arthur Kaufmann, in Kaufmann/Hassemer/Neumann, Ein-führung, 64 f.; Marcic, Hegel und das Rechtsdenken, 1970; Seubold, Hegels „Aufhebung“ des Natur-rechts, ARSP 1998, 326; Welzel, Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, 4. Aufl. 1962, 173 ff.; Koslowski,Hegel als Theoretiker der bürgerlichen Gesellschaft und des modernen Staats?, ARSP 2008, 86; Zabel,Wie modern ist Hegel, ZRph 2012, 81.

44Hegel (1770–1831), in Stuttgart geboren, studierte in Tübin-gen, war zunächst Hauslehrer, später ab 1801 Habilitationund Privatdozent in Jena. Nach Zwischenspielen als Journalistin Bamberg und Gymnasiallehrer in Nürnberg wurde HegelProfessor für Philosophie in Heidelberg (1816) und ab 1818 inBerlin auf dem Lehrstuhl Fichtes, der seit dessen Tod 1814 un-besetzt war. In den zwanziger Jahren avancierte Hegel zurführenden Persönlichkeit der deutschen Philosophie. DerNachwelt galt und gilt Hegel als Prototyp des abstrakten„spekulativen“ Denkers.

vilrechtlich unberücksichtigt lassen will und auf die Maßgeblichkeit des Kontraktsabstellt. Seine Gerechtigkeitstheorie – wie seine gesamte Ethik – ist formalistisch(kategorischer Imperativ), was wiederum mit der Erkenntnis zusammenhängt, dassder Rechtsinhalt nicht wissenschaftlich erkannt werden kann. Lebensvoller und le-bensnäher ist z.B. die christliche Formulierung: „Liebe deinen Nächsten wie dichselbst.“ Die strenge Pflichtenethik, die im Gegensatz zum englischen Utilitarismussteht, hat große Bedeutung erlangt und hat für Generationen (insbesondere improtestantischen Teil Deutschlands) die Vorstellung von den Pflichten des Staat-bürgers und auch des Staatsdieners mitgeprägt.

n Die Allgemeinheit des Gesetzes* verbietet die Billigkeit (Bsp.: Lohn des Hausdienersbei Geldverfall; hierüber war nichts im Kontrakt bestimmt, er kann sich nicht aufsein Recht berufen). Kant hält an der Vergeltungsstrafe fest, den Gedanken von derUnrechtmäßigkeit der Todesstrafe (Beccaria) bezeichnet er als affektierte Humani-tät. Er bestreitet das Widerstandsrecht, verneint es selbst einer satanischen Obrig-keit gegenüber. Die Idee des Staatsvertrags soll nur „für das Urteil des Gesetzge-bers, nicht des Untertans“ gelten.

n Andererseits zeigt Kant aber auch eine „starke Beimengung von Enthusiasmus“ fürdie Französische Revolution, die Aufklärung als die Befreiung des Menschen ausseiner Unmündigkeit, die Verwendung des Menschen als Werkzeug der Herrscherals Umkehrung des Endzwecks der Schöpfung. Trotz des Formalismus der Ausfüh-rung sind hier – so Bloch – die besten Postulate des Naturrechts bewahrt.** – Neu-erdings wird eine „Rehabilitierung“ der Kant’schen Rechtslehre, die vor allem dieIdee der Gleichheit im Auge habe, verlangt (zu den Kant’schen Elementen der heu-tigen Rechtstheorie s. unten Rdnr. 243)***.

* Dazu Vesting, Rechtstheorie, 2007, § 2, Rdnr. 45 ff.** Zu Vorstehendem Bloch, Naturrecht und menschliche Würde, 1. Aufl. 1972, 81 ff.*** Kühl, Freiheitliche Rechtsphilosophie, 2008, 10 ff., 53. – Zu einer (eher positiven) Neubewertung der Kant’schen Rechts-

lehre (befördert durch Rawls’ Theorie der Gerechtigkeit) auch Dreier, JZ 2004, 745.

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Rechtsphilosophie

32

1. Teil

Hauptwerke: Phänomenologie des Geistes (1807); Wissenschaft der Logik (1812–1816);Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1817); Grundliniender Philosophie des Rechts (1821; zit. nach Reclam, 1970).

Im Unterschied zu Kants dualistischer Philosophie (Zwei-Welten-Theorie), in der Seinund Bewusstsein, Natur und Geist, Objekt und Subjekt, Reales und Ideales, Sein und Sol-len streng geschieden sind, gibt es für Hegel nur eine Welt, die Welt des Geistes. Hegelversucht eine Verbindung von Antike und Christentum; der platonisch-christliche Geistseiner Geschichtsmetaphysik ist unübersehbar. Grundlage ist die Identität aller als Men-schen;84 im Vordergrund stehen Vernunft, nicht Herkommen und Tradition.

Der Idealismus85 trägt seinen Namen, weil Ideen den Schlüssel zur Lösung der gestellten Aufgabe lie-fern, die Vernunftlehre mit den Evidenzen des Selbstbewusstseins zwingend zu verbinden. Ideen sindder platonischen Definition gemäß rein geistiger Natur und dennoch voller Sachbestimmtheit. Die Kluftzwischen Bewusstsein und Ding an sich, Subjekt und Objekt, schließt sich in der Idee. Der Idealismussetzt alles Sein mit dem Sein des Geistes gleich, spricht allein dem Sein der Idee wahre Wirklichkeit zu,allem anderen hingegen nur aufgrund der Teilhabe an ihr, und sieht letztlich alles in totaler Vollen-dung.86 Der Idealismus ist eine Reaktion auf Empirismus, Rationalismus und Kritizismus; er steht inder Kontinuität des abendländischen Geistes. Sein Anliegen ist die Rettung der altererbten Werte derWahrheit, der Sittlichkeit und der Religion, die – nach dieser Vorstellung – gefährdet waren durch densich mit dem Empirismus erhebenden Skeptizismus, Utilitarismus und Materialismus. Die Welt in ihremaußergöttlichen Dasein zu begreifen, genügt nicht; vielmehr geht es um die Versöhnung Gottes mit derWelt oder die Offenbarung Gottes in ihr.87 Teilweise wird der Idealismus auch als Versuch begriffen, dasalte Programm der Metaphysik (Plato) mit der neu gewonnenen Gewissheit des Selbstbewusstseinsund der zum Gegenstand empirischer, methodisch geregelter Naturwissenschaft gemachten Welt derObjekte zu versöhnen.

45 Die Philosophie Hegels ist als Ganzes eine Philosophie des Rechts. Im Vordergrund ste-hen der Entwicklungsgedanke in Gestalt des dialektischen Prinzips, der Systemgedan-ke, die Einbeziehung der gesamten abendländischen Tradition. Ist das Kant’sche Gedan-kengebäude formal und abstrakt, so ist das Hegel’sche System von einer beeindrucken-den Konkretheit. Im Hinblick auf den Inhalt des Rechts enthält das Hegel’sche Systemdaher genaue „naturrechtlich“ (vernunftrechtlich) bestimmte Vorgaben, nach Welzelund Marcic die vollkommenste Gestalt einer materialen Naturrechtslehre. HegelsRechtsphilosophie steht in Gegensatz zu der Kants wie auch zu der historischen SchuleSavignys.88 Während Kant trennt (Recht und Moral; positives und natürliches Recht),fasst Hegel zusammen. Hegel ist in vielfacher Hinsicht der dialektische Gegensatz89 zuKant. Hegel ist bemüht, eine Einheit zu schaffen zwischen Allgemeinheit und Besonder-heit zum einen, zwischen objektiver Sittlichkeit und subjektiver Gesinnung zum ande-ren. Einzelinteresse und Gesamtinteresse werden versöhnt; Freiheit und Gehorsam ste-hen in einem spannungsfreien Verhältnis.

84 Klenner, ARSP 1998, 585/7.85 Die ... metaphysischen Elemente geben dieser Rechtslehre ihren besonderen Charakter (Gagnér, 1967); Larenz, Rechts-

und Staatsphilosophie der Gegenwart, 2. Aufl. 1935, 116: Der deutsche Idealismus ist die Lehre vom schöpferischenWeltgeist, dem „Logos“, der sich in der Welt als deren immanente Substanz entfaltet.

86 Stegmüller, Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie I, 6. Aufl. 1976, 198.87 Hirschberger II, 267/8.88 Friedrich, Die Philosophie des Rechts in historischer Perspektive, 1955, 78.89 Nach dem dialektischen Prinzip führt die These über die Antithese zur Synthese.

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Die Entwicklung der Rechtsphilosophie

33

2. Abschnitt

Die Sphäre des Rechts (Eigentums-, Vertrags- und Strafrecht) ist nur die Vorankündi-gung der höheren Sphären von Moralität und Sittlichkeit. Der Staat ist die Wirklichkeitder konkreten Freiheit: Was vernünftig ist, das ist wirklich, und was wirklich ist, das istvernünftig.90 Hegel ist Dialektiker; er begreift die Natur als Entwicklungsprozess. In derEntfaltung des objektiven Geistes entfaltet sich das Reich der Freiheit. Das Rechtssystemist das Reich der verwirklichten Freiheit; die Rechtslehre ist eine allgemeine Freiheitsleh-re. Sittlichkeit fasst Recht und Moral zusammen; der Staat ist die organische Synthe-se, in der Recht und Moral, Individuum, Familie und bürgerliche Gesellschaft in einer Ein-heit verbunden sind. Der Staat ist für Hegel lebendige Person; der Staat ist selbstbe-wusste sittliche Substanz (Apotheose des Staats). Es ist der Gang Gottes in der Welt, dassder Staat ist. Und in dem preußischen Staat seiner Zeit sieht er die Macht des Geistes ver-wirklicht.

„Und es ist insbesondere dieser Staat, der mich nun in sich aufgenommen hat, welcher durch das geis-tige Übergewicht sich zu einem Gewicht in der Wirklichkeit und im Politischen emporgehoben, sich anMacht und Selbstständigkeit solchen Staaten gleichgestellt hat, welche ihm an äußeren Mitteln überle-gen gewesen wären. Hier ist die Bildung und die Blüte der Wissenschaften eines der wesentlichen Mo-mente selbst im Staatsleben“ (Auszug aus der Antrittsrede bei Eröffnung seiner Vorlesungen in Berlinam 22. Oktober 1818).

46In der Vorrede zu den Grundlinien der Philosophie des Rechts aus dem Jahr 1820 heißtes:

„So soll denn diese Abhandlung, sofern sie die Staatswissenschaft enthält, nichts anders sein als der Ver-such, den Staat als ein in sich Vernünftiges zu begreifen und darzustellen. ... Das, was ist, zu begreifen,ist die Aufgabe der Philosophie, denn das, was ist, ist die Vernunft. So ist auch die Philosophie, ihre Zeitin Gedanken erfasst.91 ... Um noch über das Belehren, wie die Welt sein soll, ein Wort zu sagen, so kommtdazu ohnehin die Philosophie immer zu spät. Als der Gedanke der Welt erscheint sie erst in der Zeit,nachdem die Wirklichkeit ihren Bildungsprozess vollendet und sich fertig gemacht hat. Dies, was derBegriff lehrt, zeigt notwendig ebenso die Geschichte, dass erst in der Reife der Wirklichkeit das Idealedem Realen gegenüber erscheint und jenes sich dieselbe Welt, in ihrer Substanz erfasst, in Gestalt einesintellektuellen Reichs erbaut. Wenn die Philosophie ihr Grau in Grau malt, dann ist die Gestalt des Le-bens alt geworden, und mit Grau in Grau lässt sie sich nicht verjüngen, sondern nur erkennen; die Euleder Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug.“92

In den Grundlinien der Philosophie des Rechts entwickelt Hegel sein System einer „phi-losophischen Rechtswissenschaft“. In dialektischem Aufbau enthalten sie die Lehre vomobjektiven Geist, wobei „das abstrakte Recht“ die These, „die Moralität“ die Antitheseund „die Sittlichkeit“ die Synthese bildet. Die Einleitung (§§ 1–32) hat den Begriff derPhilosophie des Rechts, des Willens, der Freiheit und des Rechts zum Gegenstand. Dererste Teil (Das abstrakte Recht; §§ 34–104) behandelt Eigentum, Vertrag und Unrecht,der zweite Teil (§§ 105–141) befasst sich mit der Moralität (Vorsatz und Schuld, die Ab-sicht und das Wohl sowie das Gute und das Gewissen). Der dritte Teil (Die Sittlichkeit;§§ 142–360) erörtert den „Zusammenschluss der Individuen“ in Familie, in der bürgerli-

90 Seubold, Hegels „Aufhebung“ des Naturrechts, ARSP 1998, 326, 336, weist darauf hin, dass es in einer Nachschrift zu derVorlesung von 1819/20 heißt: „Was vernünftig ist, wird wirklich, und das Wirkliche wird vernünftig“. – Ähnlich Pawlik, He-gel und die Vernünftigkeit des Wirklichen, Der Staat 2002, 183, 206: Was vernünftig sei, müsse geschehen. Im Hinblickauf den Hegel’schen Entwicklungsgedanken und die Vergänglichkeit des einzelnen Staates ist die restaurative Interpre-tation wenig überzeugend; kritisch auch Hoffmann, Hegel – Eine Propädeutik, 2004, 415.

91 Hegel, Rechtsphilosophie, Vorrede, 57.92 Hegel, Rechtsphilosophie, Vorrede, 59.

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Rechtsphilosophie

34

1. Teil

chen Gesellschaft und im Staat. Bei all diesen Erörterungen lässt sich Hegel von demRechtssystem als das Reich der verwirklichten Freiheit leiten.

47 In den Grundlinien wird u.a. ausgeführt:

„Die philosophische Rechtswissenschaft hat die Idee des Rechts, den Begriff des Rechts und dessen Ver-wirklichung zum Gegenstande. Unterscheidung zwischen Idee und wirklichem Begriff. Begriff und Exis-tenz sind zwei Seiten, wie Seele und Leib (§ 1) ... Die Rechtswissenschaft ist ein Teil der Philosophie (§ 2)... Das Recht ist positiv. Das Naturrecht (oder das philosophische Recht) ist dem positiven Recht nichtentgegengesetzt, sondern steht im Verhältnis wie die Institutionen zu den Pandekten, eine Totalität.Das Gesetz ist gesetzt, es gilt (§ 3) ... Das Rechtssystem ist das Reich der verwirklichten Freiheit, die Weltdes Geistes. Die Freiheit ist eine Grundbestimmung des Willens (§ 4) ... Der Wille ist die Einheit von All-gemeinheit und Besonderheit, die in sich reflektierte und dadurch zur Allgemeinheit zurückgeführteBesonderheit (§ 7) ... Die Tätigkeit des Willens, den Widerspruch der Subjektivität und Objektivität auf-zuheben, ... ist die wesentliche Entwicklung des substanziellen Inhalts der Idee. ... Der Geist will Idee sein(§ 28) ... Das Recht ist die Freiheit als Idee. Was Recht ist, muss man sich nicht an die Juristen wenden –Recht aus Gesetzen. Was Recht ist, ist auch Pflicht (§ 29). Das Recht ist etwas Heiliges überhaupt. ... JedeStufe der Entwicklung der Idee der Freiheit hat ihr eigentümliches Recht, weil sie das Dasein der Freiheitin einer ihrer eigenen Bestimmungen ist (§ 30) ... Das Eigentum ist die äußere Sphäre der Freiheit, derVertrag ist die Verbindung zweier Willen als eines gemeinsamen; Unrecht ist die Negation der Freiheit(§ 81) ... Das Recht als Gesetz. Was an sich Recht ist, ist in seinem objektiven Dasein gesetzt und als das,was Recht ist und gilt, bekannt, das Gesetz (§ 211) ... In dieser Identität des Ansichseins und des Gesetz-seins hat nur das als Recht Verbindlichkeit, was Gesetz ist. Im positiven Rechte ist daher das, was gesetz-mäßig ist, die Quelle der Erkenntnis dessen, was Recht ist (§ 212) ... Der Staat ist die Wirklichkeit der sitt-lichen Idee (§ 257) ... Die Verfassung ist wesentlich ein System der Vermittlung (§ 302) ... Der Streit derStaaten kann deswegen, insofern die besonderen Willen keine Übereinkunft finden, nur durch Kriegentschieden werden (§ 334).“

48 Für Hegel gilt insbesondere: Je größer das Format eines Denkers, desto höher ist dieZahl der Möglichkeiten, seine Lehre zu (miss-)deuten, mag sie noch so geschlossen er-scheinen. Die Philosophie ist nach Hegel die Zeit in Gedanken gefasst; daher muss jedeneue Zeit die alten Fragen durchdenken. Unter dieser Prämisse darf der Satz: „Was ver-nünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig“, nicht in einem recht-fertigenden,93 sondern in einem kritischen Sinn ausgelegt werden. Dementsprechendheißt es in der philosophischen Propädeutik: „In der Wirklichkeit schläft die Zukunft. DieWirklichkeit ist zugleich die Möglichkeit des Folgenden. Der Staat94 ist seiner Funktion(nicht der Wirklichkeit) nach die ’Wirklichkeit der sittlichen Idee‘, und seine Gesetze (alsodie des idealen Staates) sind das richtige Recht der Vernunft, dem zu gehorchen Aus-druck der Freiheit ist“.95 Für Hegel bedeutet „Wirklichkeit“ etwas Höheres als bloße„Existenz“, für ihn ist „wirklich“ das, worin die Idee wirksam ist. Wirklichkeit ist in derSprache Hegels der Ausdruck für die dialektische Einheit von Wesen und Erscheinung,von Idee und Existenz.

93 So z.B. Arthur Kaufmann, in Kaufmann/Hassemer/Neumann, Einführung, 65. 94 Hegel versteht unter Staat nicht die reine Machtorganisation; der Staat ist der „Geist eines Volkes“, seine Religion, Kultus,

Sitten, Gebräuche, Kunst, Verfassung, politische Gesetze (vgl. Welzel, Naturrecht, 181).95 Marcic, Hegel und das Rechtsdenken, 1970, 107.

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Die Entwicklung der Rechtsphilosophie

35

2. Abschnitt

49

VI. Historismus gegen Aufklärung und Naturrecht (Savigny)

50Um die Wende zum 19. Jahrhundert bildet sich ein neues Empfinden für die geschicht-liche Bedingtheit der menschlichen Kultur und die Einzigartigkeit der Epoche. Der His-torismus erkennt, dass die Menschen der einzelnen Zeitalter und Nationen zutiefst ver-schieden sind, weil sie in ihrem Denken und in ihren Wertvorstellungen auch durch dieTradition und die Geschichte bestimmt sind. Es entsteht eine kritische Geschichtswis-senschaft.

Die geschichtliche Auffassung des Rechts wird in der Auseinandersetzung mit der französischen Revo-lution entwickelt; sie ist in gewisser Weise die Antwort des konservativen Denkens auf den radikalenUmsturz. Der Engländer Burke (1729–1797) wendet sich gegen die Zerstörung der überkommenenfranzösischen Monarchie und den Versuch, nach abstrakten Prinzipien, nach den geschichtslosenGrundsätzen des Naturrechts der Aufklärung eine neue Gesellschaftsordnung zu schaffen. Die Leitsätzedes geschichtlichen Rechtsverständnisses sind: Misstrauen gegen alles Umgestaltende und gegen ab-strakte Programme, Ehrfurcht vor der gewordenen Rechtsverfassung als Ausdruck der Erfahrung, Re-form statt Revolution, nationale Rechtskultur statt abstrakten Naturrechts.

Die Romantik fand im Bereich von Philosophie und Wissenschaft ihren Niederschlag imHistorismus, im Bereich der Rechtswissenschaft speziell in der historischen Rechtsschu-le.96 Diese ist die Reaktion auf den ideologischen Idealismus und führt auf den Bodender Tatsachen zurück. Ihr Vorläufer war Gustav Hugo (1764–1844), ihr Haupt FriedrichCarl v. Savigny (1779–1861).97 Dem noch dem Geist des rationalistischen Naturrechts

Zusammenfassung:

n Im Unterschied zu Kant gibt es für Hegel nur die Welt des Geistes. Der Staat ist dieorganische Synthese, in der Recht und Moral, Individuum, Familie und bürgerlicheGesellschaft in einer Einheit verbunden sind.

n Die Rechtsphilosophie Hegels ist Ausdruck ihrer Zeit. Angesichts seines dialekti-schen und dynamischen Wahrheitsbegriffs wird sich Hegel aber bewusst gewesensein, dass sich die Geschichte und auch das Recht weiterentwickeln. Die Verbin-dung von Idee, Wirklichkeit und Vernünftigkeit ist als Forderung an die Einheit vonIdee und Existenz zu verstehen, nicht als Realität.

n Die Grundlinien der Philosophie des Rechts bilden ein geschlossenes System, nachWelzel und Marcic die vollkommenste Gestalt einer materialen Naturrechtslehre.Der Staat ist „die Wirklichkeit der sittlichen Idee“, und seine Gesetze (also die desidealen Staates) sind das richtige Recht der Vernunft, dem zu gehorchen Ausdruckder Freiheit ist. In der Entfaltung des objektiven Geistes entfaltet sich das Reich derFreiheit; die Sittlichkeit fasst Recht und Moral zusammen.

96 Vgl. aber F. J. Stahl, 1847: „Die geschichtliche Schule also, weit entfernt, Philosophie, d.i. Ethik des Rechts zu beseitigen,enthält vielmehr selbst ein neues und tieferes philosophisches Prinzip ...“ Larenz, 1933: „Über der rechtshistorischen Leis-tung hat man nur zu oft vergessen, dass der Historischen Rechtsschule auch eine Rechtsphilosophie immanent ist ...“(Beide Zitate nach Rückert, Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984, 232).

97 Dazu Jakobs, Der Ursprung der geschichtlichen Rechtswissenschaft in der Abwendung Savignys von der idealistischenRechtsphilosophie, Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis, 1989, 241–273; anders Rückert a.a.O., 287, der Savignys Positionals „objektiv idealistisch“ i.S. Schellings und Hegels interpretiert, im Unterschied zu der eher subjektiv-idealistischen Po-sition von Kant und Fichte oder der empiristischen Auffassung von Hugo. Vgl. auch Rückert, Savignys Einfluss auf die Ju-risprudenz in Deutschland nach 1900, in: Rechtsgeschichte in den beiden deutschen Staaten (1988–1990), hrsg. vonHeinz Mohnhaupt, 1991, 34–71.

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Rechtsphilosophie

36

1. Teil

verhafteten Thibaut (1772–1840), der 1814 die Notwendigkeit eines allgemeinen bür-gerlichen Rechts für Deutschland darzutun versucht hatte, hielt Savigny in der Schrift„Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft“ entgegen, dass dasRecht kein Erzeugnis der Vernunft, sondern des in der Geschichte waltenden Volksgeis-tes sei. Das Naturrecht sei spekulativ ausgedacht, ein bodenloser Hochmut der Philoso-phen. Die Idee des Volksgeistes ist im Übrigen nicht auf das Recht beschränkt, sonderneher ein Ausdruck des Zeitgeistes.98

In dem Einleitungsaufsatz zum ersten Band der Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft (1815,S. 6) formulierte Savigny das Programm der historischen Rechtsschule: „Die geschichtliche Schulenimmt an, der Stoff des Rechts sei durch die gesamte Vergangenheit der Nation gegeben, doch nichtdurch Willkür, sodass er zufällig dieser oder ein anderer sein könnte, sondern aus dem innersten Wesender Nation selbst und ihrer Geschichte hervorgegangen. Die besonnene Tätigkeit aber jeden Zeitaltersmüsste darauf gerichtet werden, diesen mit innerer Notwendigkeit gegebenen Stoff zu durchschauen,zu verjüngen und frisch zu erhalten.“ Savigny wendet sich – und damit in gewisser Weise als Vorläufervon Marx und Weber – gegen aufklärerisches Naturrechtsdenken (Recht als schematisierte und ausge-klügelte Vernunft) und tritt für ein organisches Wachsen des Rechts aus der Volksseele ein, das hier die-sen und dort jenen Charakter hat. Das Recht sei Teil der Nationalkultur und damit Ausdruck des Volks-geistes. Es gebe nicht, wie die Aufklärung meine, ein Vernunftrecht für alle Völker und alle Zeiten. Rechtist das Ergebnis eines langen geschichtlichen Prozesses. Alles Recht entstehe erst durch Sitte und Volks-glaube, dann werde es durch die Jurisprudenz erzeugt, nicht aber durch die Willkür eines Gesetzge-bers.99

51 Die historische Rechtsschule ist gegen das Natur- und Vernunftrechtsdenken gerichtetund gibt den Erkenntnissen aus der historischen Entwicklung den Vorzug; das Gewohn-heitsrecht (das gewohnte und bestehende Recht) sei der Gesetzgebung vorzuziehen.In konsequentem Gegensatz zum Vernunftrechtsdenken stellt sich die Frage nach derIdee des Rechts überhaupt nicht mehr.100

Die romantische Volksgeist-Lehre und mit ihr die historische Rechtsschule hat fast das ganze 19. Jahr-hundert beherrscht. Sie hat freilich nicht verhindern können, dass trotz der Warnungen Savignys, derjener Zeit den Beruf zur Gesetzgebung absprach, umfassende Kodifikationen verabschiedet wurden. Inden neuen deutschen Staaten, insbesondere Preußen-Brandenburg, verließ man sich nicht auf denVolksgeist, der sich in seinem dunklen Drange des rechten Wegs schon bewusst sein werde. Immerhinhat die historische Rechtsschule des 19. Jahrhunderts die Erkenntnis hinterlassen, dass es ein allseitsverbindliches und allzeit gültiges Naturrecht (wie es noch im 18. Jahrhundert angenommen wurde)nicht gibt; das richtige Recht ist von Volk zu Volk und von Zeitalter zu Zeitalter verschieden.

98 Vgl. z.B. das Werk des Altphilologen A. Böckh, in dessen Werk die Idee des Volksgeistes im Mittelpunkt steht; zit. nachGombrich, Die Krise der Kulturgeschichte, 1991, 53.

99 Zur Position Savignys vgl. Nörr, Savignys philosophische Lehrjahre, 1994.100 Stammler, Rechtsphilosophie, 3. Aufl. 1929, 38.

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Rechtstheorie

170

2. Teil

den klassischen Auslegungselementen Savignys tritt heutzutage eine ganze Reihe neu-artiger Kriterien, die ebenfalls als „Auslegung“ bezeichnet werden.700 Neben der seitlangem anerkannten verfassungskonformen Auslegung zählen dazu vor allem die völ-kerrechtskonforme, die gemeinschaftsrechtskonforme, die richtlinienkonforme sowieseit neuestem die rahmenbeschlusskonforme Auslegung des nationalen Rechts. Ob-wohl diese Auslegungsformen in der Rechtsprechung des EuGH und der obersten Bun-desgerichte eine zentrale Rolle spielen, sind sie als Gesamtphänomen rechtswissen-schaftlich wenig erforscht. Auch der in jüngerer Zeit vom Bundesverfassungsgerichthervorgehobene Grundsatz der Folgerichtigkeit701 ist wohl eher als Gleichheitsargu-ment zu verstehen.

I. Rechtsfortbildung, Lücken und verdeckte Lücken702

231 Eine Norm regelt bestimmte Sachverhalte; dem Gesetzgeber steht es weitgehend frei,zu bestimmen, welche Sachverhalte er aufgreift. So kann er z.B. im Steuerrecht das Hal-ten von Hunden steuergesetzlich erfassen, das Halten einer Katze hingegen nicht. Indiesem Fall handelt es sich um eine bewusste Lücke (Nicht-Regelung), die nicht imWege der Auslegung (Analogie) ausgedehnt werden darf. – Im Unterschied dazu exis-tieren verdeckte Lücken, in denen der Gesetzgeber eine notwendige Regelung unter-lassen oder eine zu weit gehende Regelung getroffen hat.

Die Richter sind zur Rechtsfortbildung legitimiert.703 Die Notwendigkeit der Rechts-nor-mergänzung folgt aus dem Wesen jeder Rechtsordnung, ein beständig in Entwicklungstehendes System normativer Regeln zu sein, das gegenüber seinem Regelungsgegen-stand – der gesellschaftlichen Wirklichkeit – niemals abgeschlossen sein kann. Jedesnoch so sorgfältig kodifizierte Recht enthält Regelungslücken, die der Normgeber nichtvorhersehen konnte.704 Aufgrund der Kenntnis einer Vielzahl von Rechtsfällen ist derRichter in der Lage, ein Gesetz zu verbessern, zu präzisieren, zu differenzieren und damitdas Recht fortzubilden.705 Diese Aufgabe wird den Revisionsgerichten in den Prozess-ordnungen ausdrücklich zugewiesen (§ 137 GVG; § 11 Abs. 4 VwGO; § 43 SGG; § 45Abs. 2 ArbGG; § 11 Abs. 4 FGO).

Rechtsfortbildung steht zwischen Auslegung und zur Gesetzgebung. Die Grenze zwi-schen Auslegung und Rechtsfortbildung, deren Notwendigkeit sich aus deren unter-schiedlichen Voraussetzungen ergibt,706 wird nach h.M. bestimmt durch den „mögli-

700 Über Savignys Lehre von der Auslegung der Gesetze in der Zeit der Dekonstruktion, Holländer, ARSP 2013, 506.701 BVerfG-Beschluss v. 12. Mai 2009 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111.702 Bydlinki, Grundzüge der Methodenlehre, 2005, 55 ff.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, § 11; Kramer, Juristische Me-

thodenlehre, 137 ff.703 Hotz, Richterrecht zwischen methodischer Bindung und Beliebigkeit, 2008, Zu „Justizrevolutionen“ und „Justizstaats-

streichen“ Schilling, Der Staat 2012, 525: Das Gericht, dem am häufigsten eine Revolution nachgesagt werde, sei derEuGH.

704 Vgl. Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1986, § 17, Rdnr. 45; Herzog, Gesetzgeber und Richter – Zwei Le-galitätsquellen?, in: Gesetz und Richterspruch in der Bundesrepublik Deutschland, 1990, 5, 6 f.; so bereits auch Kohler,Grünhut's Zeitung 13 (1886), 1, 49: Das Gesetzbuch ist keine Logarithmentafel.

705 Starck, VVDStRL 34 (1975), 70.706 A.A. z.B. Troller, Überall gültige Prinzipien der Rechtswissenschaft, 1965, 119, der die Unterscheidung von Auslegung

und Lückenausfüllung für obsolet hält.

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Rechtsanwendung, Auslegung und Methodenlehre

171

9. Abschnitt

chen Wortsinn“ der Norm;707 Auslegung darf über den Wortsinn in seiner weitesten Be-deutung nicht hinausgehen.

Bedenken bestehen insofern, als der mögliche Wortsinn variabel ist, als auf den entste-hungszeitlichen oder den geltungszeitlichen Sinn abgestellt werden kann, und vor al-lem als die Prämisse zugrunde gelegt wird, es gebe eine Wortbedeutung an sich, die vonder Bedeutung des Wortes im Rahmen des juristischen Kontextes abstrahiert werdenkönne.708 Ebenso wie für die Auslegung selbst ist auch für die Grenzziehung zwischenAuslegung und Rechtsfortbildung auf die teleologisch-juristische Wortbedeutung ab-zustellen; der Wortlaut der Norm ist Ausdruck des gesetzgeberisch intendierten Rege-lungsprogramms.709 Nur in diesem zweckbestimmten Zusammenhang entfaltet derWortlaut seinen Sinn.

232Die Gesetzgebung obliegt dem parlamentarischen Gesetzgeber. Die jeweiligen Kompe-tenzen sind unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu verteilen.710

Grenzen der Rechtsfortbildung ergeben sich aus dem Demokratieprinzip und demRechtsstaatsprinzip. Anders als dem Gesetzgeber fehlt dem Richter die demokratischeLegitimation. Seine Kompetenz zur Rechtsfortbildung ist komplementär und daher res-triktiv zu handhaben.711 Unter diesen Gegebenheiten ist richterliche Rechtsfortbildungunzulässig,712

n wenn die potentielle Regelung eine wesentliche Frage betrifft (Parlamentsvorbe-halt);

n wenn eine eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers entgegensteht, sodass dergesetzliche Regelungsgehalt nicht gewahrt bliebe;713

n wenn eine Entscheidung des Gesetzgebers unmittelbar bevorsteht;

n wenn die Rechtssicherheit unter der richterrechtlichen Regelung leiden würde;

n wenn die richterliche Regelung einen Eingriff bedeutete, der unter dem Vorbehaltdes Gesetzes steht und von diesem nicht gedeckt ist.

Zulässig ist richterliche Rechtsfortbildung dagegen nach Auffassung des BVerfG714 zurKonkretisierung von Generalklauseln und unbestimmten Gesetzesbegriffen, zur Schlie-ßung von Lücken und Freiräumen, die bewusst oder unbewusst offengelassen wurdenund in Bereichen, die gesetzlich völlig ungeregelt sind. So hat z.B. das BArbG die „posi-

707 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl. 1983, 307; Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung und all-gemeine Rechtsordnung, 1983, 141 ff.

708 Säcker, Münchener Kommentar zum BGB, Einl., FN 176, 198.709 Wank, ZGR 1988, 314, 318; kritisch auch Tipke, StuW 1981, 189, 195/196; Salditt, StuW 1974, 61, 63; Hegenbarth, Juristi-

sche Hermeneutik und linguistische Pragmatik, 146 ff.710 Wank, ZGR 1988, 314, 322/323.711 Meier-Hayoz, JZ 1981, 417; Soell, ZfA 1981, 509, 524; Woerner, Die Steuerrechtsprechung zwischen Gesetzeskonkretisie-

rung, Gesetzesfortbildung und Gesetzeskorrektur, JDStJG 5 (1982), 23, 51; Ipsen, DVBl. 1984, 1102; Kirchhof, Der Auftragdes Grundgesetzes an die rechtsprechende Gewalt, in: Festschrift der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg,1986, 11, 26 f.; a.A. Birk, StuW 1990, 300, 305: Die Erfordernisse austeilender Gerechtigkeit ließen dem Richter im Steuer-recht eine ausgedehntere Kompetenz zur Rechtsschöpfung zukommen als auf anderen Gebieten.

712 Wank, ZGR 1988, 314.713 BVerfG v. 03.04.1990 – 1 BvR 1186/89, JZ 1990, 811.714 BVerfG v. 12.03.1985 – 1 BvR 571/81, 494/82, 47/83, BVerfGE 69, 188, 203.

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Rechtstheorie

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2. Teil

tiv-rechtliche Wüste des kollektiven Arbeitsrechts durch eine richterrechtliche Infra-struktur erschlossen“.715

Im Ergebnis folgt aus diesen Darlegungen, dass Lücken nur dann durch den Richter ge-schlossen werden dürfen, sofern Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip nicht entgegen-stehen.716

233 Bei der Rechtsfortbildung sind zwei Schritte zu unterscheiden:

n die Lückenfeststellung und

n die Lückenausfüllung.717

Eine Lücke besteht, wenn der zu beurteilende Bereich überhaupt nicht oder wenn daskonkrete Sachproblem nicht genügend geregelt ist.718 Lücken können sich in zweierleiBeziehung ergeben: Fehlen kann eine notwendige Ergänzung („offene Lücke“) odereine notwendige Einschränkung („verdeckte Lücke“).719 Das Fehlen der Regelung muss– zumindest im Steuerrecht – auf einer planwidrigen Unvollständigkeit beruhen. Ist derRegelung zu entnehmen, dass der Gesetzgeber bewusst auf eine Regelung verzichtethat und dass die „Nichtregelung“ Teil der Regelung ist („beredtes Schweigen“), liegt kei-ne Lücke vor, die durch Fortbildung geschlossen werden könnte.720 Ob das eine oderandere der Fall ist, ist mithilfe der traditionellen Interpretationsregeln zu ermitteln; zurFeststellung des gesetzgeberischen Plans werden insbesondere der Regelungszweck,der Sinn- und Systemzusammenhang der Gesetzesvorschriften sowie die Entstehungs-geschichte herangezogen.721

Zur Schließung der so aufgefundenen Lücke stehen verschiedene Wege bereit, die sichgegebenenfalls ergänzen können:

n verfassungskonforme Lückenausfüllung,722

n Lückenausfüllung per Analogie,723

n teleologische Lückenausfüllung.724

234 Der verfassungskonformen Lückenausfüllung kommt kaum selbstständige Bedeutungzu, da die Verfassungsnormen in den meisten Fällen keine bestimmte Regelung vor-schreiben, sondern nur den Rahmen abstecken. Sie hat daher in erste Linie Kontrollfunk-

715 Picker, JZ 1988, 1, 2.716 Daneben können noch weitere Voraussetzungen zu beachten sein, die sich aus den Besonderheiten der jeweiligen Ma-

terie ergeben.717 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl. 1983, 385; BVerfG, Beschl. v. 03.04.1990 – 1 BvR 1186/89, JZ 1990,

811.718 Kelsen, Reine Rechtslehre, 1934, 101, 106 zum ideologischen Gehalt des Lückenbegriffs; was als rechtspolitische Un-

zweckmäßigkeit eingestuft werde, werde als rechtslogische Unmöglichkeit dargestellt.719 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl. 1983, 362; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 1964,

30.720 BFH, Urt. v. 27.11.1985, I R 42/85, BStBl. II 1986, 272; Anschütz, VerwA 14 (1906), 315 unterscheidet zwischen Lücken de

lege lata und Lücken de lege ferenda; letztere seien Lücken i.S.d. Gesetzgebungspolitik.721 Tipke, Festschrift für von Wallis, 1985, 139.722 Davon zu unterscheiden ist die verfassungskonforme Auslegung; vgl. Birk, StuW 1990, 300 und Schack/Michel, JuS 1961,

269, 274.723 Hager, Rechtsmethoden in Europa, 2009, 49 f.724 Unklar Tipke, Festschrift für von Wallis, 1985, 139, der die Methoden der analogen und teleologischen Lückenausfüllung

miteinander vermengt; klarer insoweit Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl. 1983, 384 f.

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Rechtsanwendung, Auslegung und Methodenlehre

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9. Abschnitt

tion: Die Verfassung kann, insbes. unter dem Aspekt des Art. 3 Abs. 1 GG gebieten, dasseine Lücke zu schließen ist; die „fortgebildete Norm“ darf nicht gegen die Verfassungverstoßen.

235Die Methode der Gesetzes- und Rechtsanalogie stützt sich auf Ähnlich- bzw. Un-Ähn-lichkeiten. Die Gesetzesanalogie rekurriert auf die Ähnlichkeit zu einer bestimmten Re-gelung; die Rechtsanalogie nimmt auf eine Mehrzahl von Regelungen Bezug. TypischeArgumentationsformen sind das argumentum a simile vel pari, das argumentum a forti-ori, das argumentum a minore ad maius und umgekehrt, aber auch das argumentum econtrario, das auf die Nicht-Ähnlichkeit abstellt.725

Die analoge Anwendung gesetzlicher Vorschriften ist verfassungsrechtlich grundsätz-lich nicht zu beanstanden. Verfassungsrechtliche Schranken ergeben sich aus Art. 20Abs. 3 GG, der als Element des Rechtsstaatsprinzips das Maß an Rechtssicherheit ge-währleistet, das im Interesse der Freiheitsrechte unerlässlich ist. Die Methode der Ana-logie geht über die Auslegung im engeren Sinne hinaus, indem sie den Anwendungs-bereich einer Norm auf einen Fall erstreckt, der von ihrem Wortlaut nicht erfasst wird.Diese Rechtsfortbildung ist aber keine unzulässige richterliche Eigenmacht, durch dieder erkennbare Wille des Gesetzgebers beiseite geschoben und durch eine autonomgetroffene richterliche Interessenabwägung ersetzt wird.726

Die dritte Methode der Lückenausfüllung ist die teleologische Lückenschließung; siestellt nicht auf Ähnlichkeiten zu anderen Normen ab, sondern auf den Zweck der Rege-lung, die – je nachdem – eine Erweiterung (teleologische Extension) oder Einschrän-kung (teleologische Reduktion) erforderlich machen kann.727

Im Steuerrecht wird das Problem der Rechtsfortbildung in erster Linie unter dem Aspektdes Analogieverbots diskutiert.728 Diese Fragestellung ist zu eng. Die Analogie ist nureine Methode der Rechtsfortbildung. Die Frage muss daher auf das Problem der steuer-rechtlichen Rechtsfortbildung729 in seiner Gesamtheit gerichtet sein.730

236Wie oben dargelegt darf Richterrecht nicht in den Kompetenzbereich des Gesetzgeberseingreifen und keinen Eingriff bewirken, der von dem Vorbehalt des Gesetzes nicht ge-deckt ist. Der Gesetzesvorbehalt verlangt, dass Eingriffe messbar und voraussehbarsind.731 Eine analoge Rechtsanwendung muss dem Gesetzesvorbehalt Rechnung tra-gen; sie kann daher nur in den Fällen in Betracht kommen, in denen die Notwendigkeitund Art der Lückenschließung in gewissem Umfang zu erkennen sind. Das BVerfG ver-

725 Vgl. Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1986, § 17, Rdnr. 48 ff.726 So BVerfG v. 03.04.1990 –1 BvR 1186/89, JZ 1990, 811.727 Hager, Rechtsmethoden in Europa, 2009, 49 f.728 Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 AO, Tz. 121 m.w.N.; Friedrich, Festschrift für von Wallis, 1985, 151, Offerhaus, BB 1984, 993; vgl.

auch Kamm, Über Grundlinien steuergesetzlicher Tatbestandsbildung und steuertatbestandlicher Garantiefunktion,1976, 45 f.: Analogieverbot aus dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit.

729 Im Verwaltungsrecht haben sich für die Lückenausfüllung ausgesprochen Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1931;Bachof, JZ 1951, 737, 150 f.; Ule, VerwA 52 (1961), 425, 426; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre,1963, 191; Gern, DÖV 1985, 558 m.w.N.; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1986, § 17, Rdnr. 43 ff.; a.A.eine ältere Auffassung, die angeführt wird von Anschütz, VerwA 14 (1906), 314, 324; Giacometti, Allgemeine Lehren desrechtsstaatlichen Verwaltungsrechts I, 1960, 207; Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Aufl. 1968, 33.

730 So auch Woerner, JDStJG 5 (1982), 23, 30.731 BVerfG v. 08.01.1981 – 2 BvL 3, 9/77 BVerfGE 56, 12; nicht gefolgt werden kann daher der Auffassung von Birk, StuW 1990,

300, 305, dass wegen der von der Verfassung vorgegebenen Erfordernisse austeilender Gerechtigkeit dem Richter imSteuerrecht eine ausgedehntere Kompetenz zur Rechtsschöpfung zukomme als auf anderen Gebieten.

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Rechtstheorie

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2. Teil

langt, dass eine Norm, die eine Steuerpflicht begründet, nach Inhalt, Gegenstand,Zweck und Ausmaß bestimmt und begrenzt sein müsse, sodass die Steuerlast messbarund berechenbar sei. Eine besonders intensive Gesetzesbindung, wie sie in frühen Ent-scheidungen des BVerfG mit der Formulierung, das Steuerrecht lebe aus dem Dictumdes Gesetzgebers, charakterisiert wurde, ist nicht erforderlich. Für den Bereich des Steu-errechts, das öffentliches Eingriffsrecht, aber auch öffentliches Verteilungsrecht ist, be-deuten diese Voraussetzungen, dass durch Richterrecht keine neuen Steuertatbeständegeschaffen werden dürfen.732 Rechtsfortbildung ist nur möglich in dem Rahmen, dender Gesetzgeber mit seiner Regelung abdecken wollte (gesetzesimmanente Rechtsfort-bildung).733

237 Dieser Rahmen wird nicht immer leicht abzustecken sein. Abzustellen ist auf den Rege-lungsplan des Gesetzgebers, der mit den bekannten Auslegungsmethoden zu ergrün-den ist. Dagegen ist der gesetzesfreie Raum für den Rechtsanwender im Steuerrecht ta-bu.734 Dieser gesetzesfreie Raum darf nicht mit den Mitteln der Rechtsfortbildung aus-gefüllt werden. Das Demokratieprinzip – verbunden mit dem Grundsatz der Gewalten-teilung – wäre tangiert; das Rechtsstaatsprinzip wäre verletzt, da Eingriffe nur auf ge-setzlicher Grundlage – im Rahmen der gesetzlichen Regelung – vorgenommen werdendürfen.

238 Die Auffassung, dass sich Steuerrecht generell der Rechtsfortbildung entziehe, weil esganz und gar „positivistisches“ Recht sei,735 ist aus mehreren Gründen zurückzuweisen.Diese Auffassung beruht auf einem Rechtsverständnis, das allein auf die Buchstaben desGesetzes abstellt, ohne die Funktion von Rechtsanwendung und Rechtsprechung imGefüge der Staatsgewalten genügend zu beachten. Rechtsmethodisch ist dieser Ansatz,der auch heute noch gelegentlich in der Rechtsprechung des BFH zum Tragenkommt,736 überholt. Dieser Ansatz berücksichtigt nicht die „richterrechtsfreundlichen“Tendenzen des GG. Materielle Verfassungsnormen wirken sich funktionsrechtlichzwangsläufig zugunsten der Rechtsprechung aus;737 methodisch nehmen sie im Wege

732 Insoweit könnte man der These von Kruse, Steuerspezifische Gründe und Grenzen der Gesetzesbindung, JDStJG 5(1982), 71, 76, folgen, dass es für die Steueranknüpfung keine sachgerechten („zwingenden“) Kriterien gebe. Damit aberist das Problem nicht erledigt. Hat sich nämlich der Gesetzgeber für eine bestimmte Steueranknüpfung entschieden, solassen sich bei der Auslegung der einzelnen Voraussetzungen dieses Steuertatbestandes durchaus Kriterien gewinnen,die eine Interpretation und Rechtsfortbildung ermöglichen. Würde man Kruse's These auf die Spitze treiben, wäre imSteuerrecht auch die Auslegung einer Norm – wegen fehlender Sachkriterien – nicht möglich. – Die Rechtsanwendungwäre am Ende. – „Soweit in Frage steht, ob ein bestimmter Tatbestand eine Steuerpflicht auslösen soll, kann die Ausfül-lung einer Lücke des Gesetzes nur dann in Frage kommen, wenn der Gesetzgeber die Steuerpflicht für den Tatbestandselbst angeordnet, aber diesen sie bedingenden Tatbestand nicht völlig genau umschrieben hat. Nicht dagegen darf derRichter einen anderen Tatbestand, der nach seiner Ansicht möglicherweise den Gesetzgeber hätte veranlassen können,die gleiche Steuer auch auf diesen Fall zu erstrecken, der Steuerpflicht unterwerfen. Das würde auf eine materielle Ab-änderung des geltenden Rechtes, nicht mehr auf bloße Ergänzung durch Ausfüllung einer Lücke hinauskommen, undsolche Gesetzesänderung ist jedenfalls bezüglich der grundlegenden Frage, auf welche Tatbestände die Steuerpflichterstreckt werden soll, dem Gesetzgeber allein vorzubehalten.“ (RFH, Gutachten v. 23.06.1921 – I D 1/21, RFHE 6, 292, 299;Beschl. v. 17.10.1924 – I B 12/24, RFHE 14, 321, 328 f.).

733 BFH, Urt. v. 20.10.1983 – IV R 73/79, BStBl. II 1984, 221, 224; Seidl, ZGR 1988, 296, 297 f.; ähnlich Woerner, JDStJG 5 (1982),23, 43: Eine solche Lücke ist so auszufüllen, dass der Richter die im Gesetz erklärte, aber verbal unzureichend formulierteEntscheidung des Gesetzgebers folgerichtig zu Ende denkt. Vgl. auch Tanzer, StuW 1981, 291, und Tipke, Festschrift fürvon Wallis, 1985, 139, 133.

734 Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl. 2013, 180 ff.735 Z.B. Flume, StbJb 1964/65, 68 f.; ders., StbJb 1967/68, 66; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4; AO, Tz. 121; K. Vogel, Handbuch des

Staatsrechts, Bd. IV, § 87, Rdnr. 68 ff.736 Z.B. BFH, Beschl. v. 21.12.1983 – GrS 2/82, BStBl. II 1984, 160.737 Starck, VVDStRL 34 (1975), 34, 78.

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Rechtsanwendung, Auslegung und Methodenlehre

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9. Abschnitt

der verfassungskonformen Lückenausfüllung Gestalt an. Die Notwendigkeit der Rechts-fortbildung kann vielfältige Ursachen haben, die nicht nur in der „Reparatur“ unzurei-chender Gesetze bestehen.738 Normenklarheit ist wünschenswert, aber nicht in derWeise erreichbar, dass Lücken im Gesetz ausgeschlossen sind.

Sind Sachgesetzlichkeiten erkennbar, die eine Konkretisierung und Interpretation derSteuergesetze und auch eine den Steuerpflichtigen begünstigende Rechtsfortbildungerlauben, müssen notwendigerweise solche Sachgesetzlichkeiten auch bei belasten-den Tatbeständen existieren. Die Sachgesetzlichkeit ist nicht abhängig von ihrer be-günstigenden oder belastenden Wirkung. Würde das Vorhandensein von Sachgesetz-lichkeiten, insbes. in Gestalt eines gesetzgeberischen Regelungsplans a priori bestritten,entfiele auch die Möglichkeit teleologischer Rechtsauslegung.

239Die Auffassung, dass Steuerrecht nicht zweckstrukturiert sei, weil es allein der Deckungdes Finanzbedarfs diene, ist schlicht falsch.739 Diese Auffassung bedeutete das Endeteleologischer Auslegung im Steuerrecht. Der in Steuergesetzen zum Ausdruck kom-mende Zweck unterscheidet sich seiner Art nach nicht von den Zwecken, die mit einemGesetz zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung oder zur Gewährung vonWohngeld verfolgt werden. Auch bei den Steuergesetzen ist zu fragen, ob der Zweckdes Gesetzes durch die getroffene Regelung sachgerecht und in angemessener Weiseerreicht werden kann. Dabei kann nicht nur auf den „Primärzweck“ der Mittelbeschaf-fung abgestellt werden; denn die einzelnen Normen und Tatbestandsmerkmale ihrer-seits sind im Hinblick auf die Gesamtregelung zweckstrukturiert. So wird z.B. mit demAusschluss des Verlustabzugs nach § 22 Nr. 3 EStG ein bestimmter (Sekundär-)Zweckverfolgt, der mit der Mittelbeschaffung unmittelbar überhaupt nichts zu tun hat.

Die Bedeutung des Steuerrechts besteht nicht nur in der Lastenausteilung, sondern vorallem auch in der angemessenen Verteilung der notwendigen Lasten.740 Die Lehre vomsteuerrechtlichen Analogieverbot741 stellt zu sehr den Eingriff in den Vordergrund,ohne zu erkennen, dass das Steuerrecht vor allem auch die Frage zu beantworten hat,ob die Steuerbelastung des einen im Verhältnis zur korrespondierenden Steuerentlas-tung aller anderen gerechtfertigt ist.

240Natürlich besteht eine „Sachlogik der Steueranknüpfung“.742 Nur ist der Gesetzgebernicht gehalten, sie zu befolgen, da er in diesem Bereich nach h.M. einen überaus weitenGestaltungsspielraum besitzt.743 Davon zu unterscheiden ist die „Sachlogik“ der Steuer-rechtsauslegung. Hat der Gesetzgeber einen bestimmten Lebensbereich normiert, sosind im Rahmen dieses Normenkomplexes Auslegung und Fortbildung möglich.744 DasSteuerrecht unterscheidet sich insoweit durch nichts von anderen Rechtsgebieten.Auch im Steuerrecht ist es Aufgabe der Rechtsprechung, die im Gesetz selbst angeleg-

738 So tendiziell Offerhaus, BB 1984, 993, 995.739 So aber Vogel, Vogel, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, § 87, Rdnr. 71; Birk, StuW 1990, 300, 305.740 Kirchhof, StuW 1990, 291; Birk, StuW 1990, 300, 305.741 Offerhaus, BB 1984, 993, 996; Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung, 1983, 152,

176.742 Tipke, StuW 1990, 308, 309; a.A. Kruse, JDStJG 5 (1982), 71, 75; ders., StuW 1990, 322, 324.743 Kruse, JDStJG 5 (1982), 71.744 Woerner, JDStJG 5 (1982), 23, 37.

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Rechtstheorie

176

2. Teil

ten, aber unzureichend formulierten Wertungen zu Ende zu denken.745 Entgegen ande-rer Auffassung746 wird die Rechtsfortbildung per analogiam auch nicht dadurch zumProblem, dass sie mit schutzwürdigen Vertrauenspositionen des Steuerpflichtigen kol-lidiert und das Gebot der Rechtssicherheit verletzt.747 Diesem Bedenken wird dadurchRechnung getragen, dass sich die Rechtsfortbildung im öffentlichen Eingriffsrecht nichtextra legem vollziehen und den Regelungsbereich des Gesetzgebers nicht verlassendarf. Die Behauptung, dass sich das Steuerrecht von anderen Eingriffsrechten (wie etwadem Polizei- und Ordnungsrecht) insoweit unterscheide, ist daher nicht haltbar. Selbst-verständlich muss die Rechtsfortbildung im Steuerrecht den verfassungsrechtlich ge-setzten Schranken genügen; darüber hinaus ergeben sich aus der Natur des Steuer-rechts keine Besonderheiten.

Auch die grundsätzliche Freiheitsvermutung, wie sie aus Art. 2 Abs. 1 GG hergeleitetwird, rechtfertigt kein Analogieverbot.748 Die Analogie ist ein anerkanntes Verfahrender Rechtsfortbildung. Nicht jede Zweifelsfrage und nicht jede Lücke müssen „pro liber-tate“ entschieden bzw. geschlossen werden. Diese Vermutung greift erst an spätererStelle. Führt eine Abwägung aller Argumente im Ergebnis zu einem „Entscheidungs-patt“, so muss der Eingriff unterbleiben. Ähnlich wie im Bereich der Tatsachenfeststel-lung trägt auch im Bereich der Rechtsanwendung der Fiskus das Risiko des „non-li-quet“.749

241 Der Vergleich zum Zivilrecht,750 in dem regelmäßig eine Norm zur Streitentscheidungverlangt werde, ist nicht überzeugend. Anstelle der Zulässigkeit einer Analogie könnteim Zivilrecht so verfahren werden, dass bei fehlender Norm der Anspruch zurückzuwei-sen ist. Bedenklich ist auch der immer wiederkehrende Vergleich des Steuerrechts mitdem Strafrecht.751 In den aufgezeigten Grenzen herrscht auch im Strafrecht kein gene-relles Rechtsfortbildungsverbot; der Satz „nulla poena sine lege“ ist im Übrigen nicht ausrechtsstaatlichen, sondern aus speziell strafrechtlichen Überlegungen entwickelt wor-den.752 Zum anderen rückt dieser Vergleich den Fiskus in die Nähe des Straftäters, de-nen beiden mit denselben Mitteln zu begegnen ist. Wie bereits angesprochen verkenntdiese Auffassung, dass sich das Steuerrecht als Verteilungsrecht753 insoweit vom Straf-recht unterscheidet; bei feststehendem Finanzbedarf des Fiskus' bewirkt die Entlastungdes einen die Belastung aller anderen.

745 So Vogel, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, § 87, Rdnr. 73 in Bezug auf den Rahmen, den das verfassungsrechtliche Be-stimmtheitsgebot der Gesetzesauslegung (noch) lasse.

746 Friauf, Diskussionsbeitrag, JDStJG 5 (1982), 67.747 Papier, Der Bestimmtheitsgrundsatz, JDStJG 12 (1989), 61, 72: Der Vorbehalt des Gesetzes und der rechtsstaatliche Be-

stimmtheitsgrundsatz schließen eine steuerbegründende und -verschärfende Analogie im Wege der Rechtsfortbildungaus.

748 So aber Völker DStZ 1989, 235.749 Dazu Bydlinski JZ 1985, 149, 151/152.750 Offerhaus BB 1984, 993, 996.751 Z.B. Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung, 1983, 152; Bedenken äußern inso-

weit auch Tipke, StuW 1981, 189, 192, und Felix, Grenzen der Rechtsfortbildung, JDStJG 5 (1982), 99 ff.752 Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip, 1973, 177; vgl. zum

strafrechtlichen Analogieverbot Kleinknecht/Meyer, StPO, 34. Aufl. 1989, Einl., Rdnr. 198, und Schönke/Schröder, StGB,23. Aufl. 1988, § 1 StGB, Rdnr. 24 ff.

753 Schick DStR 1982, 575, 577; Kirchhof, Diskussionsbeitrag, JDStJG 5 (1982), 146.

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Rechtsanwendung, Auslegung und Methodenlehre

177

9. Abschnitt

Nicht zu folgen ist schließlich der Auffassung, dass alle Lücken zum Nachteil des Fiskus'zu schließen seien, um den Gesetzgeber zu „erziehen“.754 Diese Auffassung beruht aufmehreren Fehleinschätzungen: Sie verkennt den Funktionszusammenhang von Gesetz-gebung und Rechtsprechung. Die Phantasie des Gesetzgebers wird nie ausreichen, umallen Eventualitäten gerecht zu werden. Der Gesetzgeber bedarf keiner Erziehung; seinVerhalten ist Ausdruck der gesellschaftlichen Verhältnisse. Das Steuerrecht ist auch Ver-teilungsrecht; der Fiskus sind die Steuerbürger in ihrer Gesamtheit.755

Eine verdeckte Lücke – trotz des „eindeutigen Wortlauts“ – hat der BFH in dem Urteil vom 23. Februar2005756 angenommen: „Allein seinem Wortlaut nach ist § 10 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. a EStG im Streitfall nichterfüllt; jedoch enthält diese Regelung eine verdeckte Lücke, die mit Hilfe teleologischer, systematischerund verfassungsrechtlicher Erwägungen zu schließen ist.“757

J. RichterrechtBumke (Hrsg.), Richterrecht zwischen Gesetzesrecht und Rechtsgestaltung, 2012.

242In der parlamentarischen Demokratie obliegt die Gesetzgebung dem demokratisch le-gitimierten Gesetzgeber. Richterrecht kann daher nur eine subsidiäre Funktion einneh-men,758 zum einen im konkretisierenden Mikrobereich der Norm, zum anderen aus-nahmsweise dann, wenn der Gesetzgeber einen bestimmten Bereich nicht geregelt hatund die Gerichte nicht ohne Regelungen auskommen; prominentes Beispiel ist das Ar-beitskampfrecht.

„Verglichen mit der rechtsschöpferischen Tätigkeit des RFH und des BFH in seiner früheren Periodescheint heute die Rechtsprechung des BFH auf dem Rückzug. Ein Abbau der von der Rechtsprechungeinst geschaffenen Positionen hat eingesetzt. Während die anderen Zweige der rechtsprechenden Ge-walt von ihren Kompetenzen – mit Billigung des BVerfG – vollen Gebrauch machen, erweckt die Judika-tur des BFH mehr und mehr den Eindruck, dass jener Gesetzespositivismus die Überhand gewinne, wel-cher nach Ansicht des BFH gerade mit der Statuierung an ,Gesetz und Recht' überwunden sein sollte.Wortinterpretation und Buchstabengläubigkeit greifen um sich. Immer häufiger wird der Ruf nach demGesetzgeber laut.“759

Mittlerweile hat sich der Wind wieder gedreht; methodisch und rechtstheoretisch ist derBFH ganz auf der Höhe der Zeit. Gerade in den letzten Jahren ist der BFH mit zahlreichenVorlagen an das Bundesverfassungsgericht herangetreten; sein methodisches Arsenalist auch im Übrigen gut gefüllt, von der verfassungskonformen Auslegung bis hin zurteleologischen Reduktion und Extension. Indes ist hervorzuheben, dass nicht die Schaf-fung eines eigenständigen Richterrechts zur Diskussion steht, sondern die angemesse-ne zweckentsprechende Auslegung steuerrechtlicher Normen.

754 Friedrich, Festschrift für von Wallis, 1985, 151, 161.755 Bemerkenswert ist, dass die rechtsstaatlichen Bedenken schwinden, wenn es um Änderungen zugunsten des Steuer-

pflichtigen geht; vgl. z.B. Friedrich, Festschrift für von Wallis, 1985, 151, 156.756 BFH v. 23.02.2005 – XI R 63/00, BStBl. II 2005, 631.757 Zur Schließung einer verdeckten Regelungslücke vgl. BFH, Urt. v. 05.03.1998 – IV R 8/95, BStBl. II 2003, 54; BVerfG, Urt. v.

19.06.1973 1 – BvL 39/69, 1 BvL 14/72, BVerfGE 35, 263, Rdnr. 49; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rdnr. 870 f.; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, 199; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbe-griff, 2. Aufl. 1991, 472 f.; Kramer, Juristische Methodenlehre, 1998, 143 f. – „Ausnahmelücken“; Koller, Theorie des Rechts,2. Aufl. 1997, 227 f.

758 Bydlinki, Grundzüge der Methodenlehre, 2005, 95 ff.759 Beisse, Festschrift für von Wallis, 1985, 45, 50.

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Stichworte

201

Stichwortverzeichnis

Die Zahlen verweisen auf die Randnummern.

Abendländische Tradition ......................... 176, 209Aktuelle Probleme

Abtreibung ........................................................... 166Agismus ................................................................. 156Asylrecht ................................................................ 158Forschungsfreiheit ............................................. 163Freiheit und Toleranz .................................... 168 ff.Gentechnologie .............................................. 161 ff.Gleichbehandlung ............................................. 156Hirntod ................................................................ 161 f.Kirche und Staat .............................................. 168 ff.Kirchenasyl ............................................................ 155Klonierung ............................................................ 163Kruzifix und Kopftuch ................................... 168 ff.Männerrechte/Frauenrechte .......................... 156Ökologie ................................................................ 157Organtransplantation ................................... 161 ff.Planetarisches Ethos ......................................... 157Recht der Fremden ............................................ 158Strafe und Recht .............................................. 159 f.Transplantationsgesetz .................................... 161Ungleichbehandlung der Geschlechter ..... 156Würde der Natur ................................................. 157ziviler Ungehorsam ............................................ 154Zusammenfassung ............................................ 175

Allgemeine Prinzipien ............................ 200 ff., 227Allgemeine Rechtslehre ................... 176, 179, 182Analogie ..................................................................... 202Analytische Rechtsphilosophie ........................ 99 ff.

Bedeutung ............................................................ 100Herbert L. Hart ..................................................... 101Übersicht .................................................................. 99

Anerkannter Gerichtsgebrauch ......................... 227Anerkennung des Rechts ...................................... 189Anthropologie .......................................................... 283Anthropologische Gegebenheiten ................... 209Anthropologische Grundlagen des Rechts .... 245Aristoteles ..................................................................... 13

Kurzbiographie ....................................................... 13Aristoteles-Rezeption ............................................... 24Augustin ........................................................................ 22Auslegung ................................................... 202, 214 ff.Auslegungskriterien ............................................... 227

Begriff des Rechts ............................................... 183 ff.Biologismus ............................................................... 254

Christian Thomasius .................................................. 35Coing ........................................................................... 105

Darwin ......................................................................... 254Demokratie ............................................................ 138 ff.Deontologische Ethik ............................................ 257Diskurstheorie ....................................................... 113 ff.Drittes Reich............................................................. 65 ff.Dworkin ...................................................................... 104

Kurzbiographie .................................................... 104

Eidetik ........................................................................... 255Eigentum .................................................................... 137Einzug der Naturwissenschaften .......................... 38Empirismus ................................................................... 30Entwicklung

Aristoteles ........................................................... 13 ff.Augustin ................................................................... 22Drittes Reich ....................................................... 65 ff.Einzug der Naturwissenschaften ..................... 38Empirismus .............................................................. 30Entartung des Rechts ...................................... 65 ff.Epikur ..................................................................... 17 f.erste Anfänge ............................................................ 7Freiheit und Gleichheit ....................................... 34griechisches Erbe und neues

Evangelium ......................................................... 22Hegel .................................................................... 44 ff.Hugo Grotius .......................................................... 33Hume ......................................................................... 38Idealismus ........................................................... 44 ff.Interessenjurisprudenz ....................................... 53John Locke ............................................................... 34Kant ....................................................................... 39 ff.Lehre vom Staatsvertrag ................................. 31 f.Luther ........................................................................ 29Montesquieu ........................................................ 35 f.Nachkriegszeit ........................................................ 68Plato ........................................................................ 11 f.Positivismus ....................................................... 54 ff.

Siehe dortRationalismus ......................................................... 21Rechtsphilosophie heute ................................... 69

Siehe dortRenaissance .......................................................... 27 f.Rousseau .................................................................. 37Säkularisierung des Rechts ................................ 30Savigny .................................................................. 50 f.Sophisten ............................................................... 8 ff.stoisches Naturrecht ......................................... 19 f.Thomas Hobbes .................................................. 31 f.Thomas von Aquin ............................................... 26Übergang zur Neuzeit .................................... 23 ff.Volkssouveränität ................................................. 33von Aufklärung zum Positivismus ................... 35Weimarer Zeit .................................................... 59 ff.

Epikur .......................................................................... 17 f.Erich Kaufmann .......................................................... 63Essentialismus ................................................ 205, 255Ethik ......................................................... 176, 257, 282Ethik (Moralphilosophie) ............................ 176, 209Ethologie des Rechts .............................................. 258Eudämonismus ......................................................... 259Evolution ..................................................................... 260Existentielles Rechtsdenken ................................ 123

Fortbildung ................................................................ 202

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Stichworte

202

Freiheit ......................................................................... 134Freud ............................................................................ 254Frieden ......................................................................... 143Funktion des Rechts ............................................... 203Funktionalisierung .................................................. 261

Gebote der Religionen ........................................... 209Genetische Interpretation .................................... 227Gerechtigkeit ............................................................. 262Gerechtigkeitstheorien ..................................... 102 ff.

Coing ....................................................................... 105Dworkin .................................................................. 104Kant-Rezeptionen ........................................... 106 f.

Siehe dortPhilosophische Anthropologie ...................... 105Rawls’sches Vertragsmodell ............................ 103

Gesetzespositivismus ............................................... 89Gewissen ........................................... 176, 209 ff., 263Gewissensphilosophie ................................ 176, 209Gleichheit ................................................................... 135Glückseligkeitslehre ................................................ 259Gobineau .................................................................... 254Grundgesetz .................................... 128 ff., 176, 209Grundnorm ................................................................... 96Grundpositionen ................................................... 76 ff.

Analytische Rechtsphilosophie ................... 99 ff.Kurzüberblick ..................................................... 76

ArgumentationstheorieKurzüberblick ..................................................... 76

DiskurstheorieKurzüberblick ..................................................... 76

Existentielles Rechtsdenken ........................... 123Kurzüberblick ..................................................... 76

Gerechtigkeitstheorien ................................ 102 ff.Kurzüberblick ..................................................... 76

Kant-RezeptionKurzüberblick ..................................................... 76

Kirchliches Rechtsdenken ........................... 124 ff.Kurzüberblick ..................................................... 76

NaturrechtKurzüberblick ..................................................... 76

Positivismus ....................................................... 87 ff.Kurzüberblick ..................................................... 76

Positivismus Siehe Rechtspositivismus

Prozedurale Theorien ................................... 108 ff.Rechtsrealismus .............................................. 118 ff.

Kurzüberblick ..................................................... 76Reine Rechtslehre ............................................ 95 ff.

Kurzüberblick ..................................................... 76Relativismus ....................................................... 92 ff.

Kurzüberblick ..................................................... 76Systemtheorie

Kurzüberblick ..................................................... 76Vernunftrecht ......................................................... 86

Kurzüberblick ..................................................... 76Gustav Hugo ................................................................ 50

Habermas ...................................................... 71, 113 ff.Kurzbiographie .................................................... 113 Siehe Diskurstheorie

Hans Julius Wolff ......................................................... 63Hans Kelsen ............................................................. 95 ff.Hegel .................................................................. 35, 44 ff.

Kurzbiographie ....................................................... 44Hermeneutik ..................................................... 74, 264Hermeneutische Vorgehensweise .................... 225Hugo Grotius ................................................................ 33Humanität ........................................................ 176, 209Hume ...................................................................... 35, 38

Kurzbiographie ....................................................... 38

Idealisierung von Staat und Recht ................................................................. 190Idealismus .................................................................. 265Ideologisierung ........................................................ 190

Staat und RechtInhalt der Gesetze ................................................... 193Interessenjurisprudenz ............................................. 53Irrationalismus .......................................................... 254

Jean Bodin .................................................................... 28Jhering .................................................................... 35, 53Johannes Duns Scotus .............................................. 27John Locke .................................................................... 24

Kurzbiographie ....................................................... 24Jurisprudenz .............................................................. 181Juristische Logik ....................................................... 213

Kant .................................................................... 35, 39 ff.Kurzbiographie ....................................................... 39

Kant-RezeptionenHöffe ........................................................................ 107Maihofer ................................................................. 106

Kelsen ........................................................................ 95 ff.Kirchliche Gesellschaftsordnung ....................... 127Kirchliches Rechtsdenken ............................... 124 ff.Kultur ........................................................................... 266Kurzüberblick

Ausblick ....................................................................... 5Grundlagen ................................................................ 1Naturrecht und Positivismus ............................... 2Recht, Gesetz und Moral ....................................... 4Rechtsphilosophie heute ...................................... 3

Legitimationsbasis des Staates .......................... 186Legitimität des Rechts ........................................... 186Lehre vom Staatsvertrag ...................................... 31 f.Lehre von den Rechtsquellen ............................. 209Lücken .................................................................... 231 ff.Lückenausfüllung ............................................... 233 ff.Lückenausfüllung im Steuerrecht ................ 235 ff.Luhmann ............................................................... 108 ff.

Siehe SystemtheorieLuther ............................................................................. 29

Macht ........................................................................... 267Marx ......................................................................... 35, 52

Kurzbiographie ....................................................... 52Maximen ..................................................................... 268Menschenbild des Grundgesetzes .................... 128

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Stichworte

203

Menschenrechte ............................. 145 ff., 176, 209Begriffsbestimmung ......................................... 145Europäische Konvention ................................. 146in Verfassung von Virginia .............................. 146Konvention der Vereinten Nationen ........... 146Umsetzung ........................................................... 147Zukunftsperspektiven ...................................... 147

Menschenwürde ...................................................... 128Metaethik ......................................................... 257, 269Metaphysik .............................................. 61, 270, 281Methoden .................................................................. 271Methodenlehre .................................................... 214 ff.Moderne Rechtsanwendung .............................. 244Montesquieu ............................................................ 35 f.Moral .............................................................. 209 f., 272Moralphilosophie ............................... 176, 257, 273Moralwissenschaft .................................................. 257

Natur der Sache ....................................................... 227Naturrecht ...................................................... 77 ff., 274

allgemein gültiger Maßstab .............................. 83idealistische Naturrechtslehre .......................... 78Rationalismus der Aufklärung .......................... 80Renaissance nach dem 2. Weltkrieg ............... 81und katholische Kirche ........................................ 82und protestantische Rechtslehre .................... 82Welzel ........................................................................ 85

Neuhegelianismus ..................................................... 62Neukantianismus ....................................................... 61Neuzeitliche Ethik ................................................... 192Nietzsche .................................................................... 254Niklas Luhmann .......................................................... 71

Kurzbiographie .................................................... 108Nominalismus ........................................................... 275

Objektive Auslegungstheorie ............................. 223Ontologie ................................................................... 276

Permanenter Antagonismus ............................... 245Phänomenologie ............................................. 60, 277Philipp Heck ......................................................... 53, 64Philosophie ............................................................ 278 ff.

Anthropologie ..................................................... 280Ethik.......................................................................... 280Kant ......................................................................... 278Metaphysik ........................................................... 280Plato ........................................................................ 278

Positives Recht .......................................................... 183Positivierte Rechtsphilosophie ........................... 176Positivierung der Rechtsphilosophie ............... 129Positivismus .......................................... 35, 54 ff., 284

allgemeine Rechtslehre ....................................... 57Allgemeines ............................................................. 55juristischer ................................................................ 56Relativismus ............................................................ 58

Positivismusstreit .................................................... 284Prinzipienargument ............................................... 212Prozedurale Rationalität ....................................... 222Prozedurale Theorien ........................................ 108 ff.

Argumentationstheorie ................................... 117

Diskurstheorie ................................................. 113 ff.Systemtheorie ................................................. 108 ff.

Psychologismus ........................................................ 254Pufendorf ...................................................................... 35

Radbruch ......................................................... 58, 91 ff.Kurzbiographie ...................................................... 91

Radbruchsche Formel ............................................ 285Rawls ............................................................................. 103

Kurzbiographie .................................................... 103Realismus .................................................................... 286Recht ............................................................................. 287

Abgrenzung Moral und Gewissen ................ 209Anerkennung......................................................... 189Inhalt der Gesetze ............................................... 193Legitimität .............................................................. 186Sein und Sollen ................................................ 191 f.und Macht ............................................................. 190und Werte ......................................................... 204 ff.

Böckenförde ..................................................... 207Lüth-Urteil ......................................................... 208

und Zwang ............................................................. 187Verbindlichkeit ..................................................... 188Widerstandsrecht ................................................ 194

Recht und Gesetz ................................................ 200 ff.Recht und Gewissen .......................................... 209 ff.Recht und Moral

Alexy ........................................................................ 212kritische Würdigung .......................................... 212

Rechtsanthropologie .............................................. 245Rechtsanwendung ............................................. 214 ff.Rechtsdogmatik ....................................................... 288Rechtsethik ................................................................. 289Rechtsethologie ....................................................... 258Rechtsfortbildung ............................................... 231 ff.Rechtsgeschichte ..................................................... 182Rechtsmetaphysik ................................................... 293Rechtsnormen ........................................................... 183Rechtsontologie ....................................................... 290Rechtsordnung .................................................... 200 ff.Rechtsphilosophie .............................................. 291 ff.

Begriffsbestimmung .......................................... 291Bereiche .................................................................. 292Standort

Übersicht ........................................................... 294Rechtsphilosophie heute

Analythik ................................................................... 73gegenwärtige Diskussion ................................... 71Gerechtigkeitsdebatte ........................................ 72Grundpositionen ................................................... 70Hermeneutik ........................................................... 74Sonstige Richtungen ........................................... 75System und Diskurstheorien ............................. 71

Rechtsphilosophie in der Entwicklung Siehe Entwicklung

Rechtspolitik .............................................................. 182Rechtspositivismus ..................................... 87 ff., 295

Hauptkennzeichen ............................................... 89Hauptthese .............................................................. 88

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Stichworte

204

im weitesten Sinn ................................................. 88Krise ........................................................................... 89vergleichbare Gegenüberstellung

mit Naturrecht.................................................... 90Welzel ........................................................................ 89

Rechtsprechung des Bundesverfassungs-gerichts

Anbringen eines Kruzifixes .............................. 152asylrechtliche Drittstaatenregelung ............ 152Bestrafung von Mord ......................................... 150freie Entfaltung der Persönlichkeit ............... 150Kontaktsperregesetz .......................................... 151rechtsphilosophische Haltung und

Entwicklung ..................................................... 153Rückwirkungsverbot .......................................... 153Sozialplanforderung .......................................... 151steuerrechtlicher Zugriff .................................. 152Südweststaat-Urteil ............................................ 148

Rechtsrealismus .................................................. 118 ff.Rechtssoziologie ........................................... 180, 182Rechtsstaat ............................................................. 141 f.Rechtstheorie ............................................. 176 ff., 297Rechtsvergleichung ................................................ 182Rechtswissenschaft ...................................... 182, 298Reine Rechtslehre ....................................... 95 ff., 299

Einordnung ............................................................. 98Hans Kelsen ............................................................. 95Inhalt .......................................................................... 96Ziel .............................................................................. 97

Relativismus ............................................................ 91 ff.Entwicklung ............................................................ 92nach Radbruch ....................................................... 93nach Wieacker ........................................................ 94

Relativität .................................................................... 300Religionen .................................................................. 176Renaissance .............................................................. 27 f.Richterrecht ............................................................... 242Richtiges Recht ......................................................... 301Rousseau ............................................................... 35, 37

Säkularisierung des Rechts .................................... 30Säkularismus ................................................................ 89Savigny ............................................................... 35, 50 f.Scholastik ...................................................................... 25Schopenhauer ........................................................... 254Sein und Sollen ..................................................... 191 f.Semantische Interpretation ................................. 227Sittengesetz ............................................................... 302Sittlichkeit .............................................. 176, 209, 303Sokrates.......................................................................... 10Solidarität ................................................................... 136Solipsismus ................................................................ 304Soziale Normen ......................................................... 209Sozialphilosophie .................................................... 305Standards .................................................................... 227Stoa ......................................................................... 6, 19 f.Stoisches Naturrecht ............................................. 19 f.Syllogismus ................................................................ 217

Synderesis .................................................................. 306System ......................................................................... 307Systematische Interpretation .............................. 227Systematisierung ..................................................... 202

Teleologische Ehtik ................................................ 257Teleologische Interpretation ............................... 227Thomas Hobbes ...................................................... 31 f.Thomas von Aquin ..................................................... 26

Kurzbiographie ....................................................... 26Topoi ............................................................................ 202Transzendentalphilosophie ................................. 308

Übergesetzliches Recht ......................................... 309Universalismus ............................................................ 86Unrechtsargument ................................................. 212Utilitarismus .............................................................. 310

Verdeckte Lücken ................................................... 231Verfassung ....................................................... 176, 227Verfassungskonforme Auslegung ..................... 224Verfassungsrecht ..................................................... 311Verfassungsrecht und Grundwerte .............. 128 ff.

Demokratie ...................................................... 138 ff.Eigentum ............................................................... 137Freiheit ................................................................... 134Frieden ................................................................... 143Gerechtigkeit ................................................... 130 ff.Gleichheit .............................................................. 135Menschenrechte ............................................ 145 ff.Positivierung der Rechts-

philosophie ...................................................... 129Rechtsprechung des Bundes-

verfassungsgerichts ................................. 148 ff.Siehe dort

Rechtsstaat ......................................................... 141 f.Solidarität .............................................................. 136Völkerrecht ............................................................ 144

Verfassungsstaat ...................................................... 128Vernunftrecht ...................................................... 35, 86

Bydlinski .................................................................... 86Kriele .......................................................................... 86Sibylle Tönnies ........................................................ 86

Völkerrecht ................................................................ 144Volkssouveränität ....................................................... 33Voluntarismus ........................................................... 254Vorsokratiker ................................................................... 6

Wahrheitstheorien .................................................. 312Weltvernunft

Siehe Stoisches NaturrechtWertbegründung des Rechts ......................... 204 ff.Widerstandsrecht .......................................... 194, 211Wilhelm v. Ockham .................................................... 27Wortlautgrenze ........................................................ 229

Zwang .......................................................................... 187Zwei-Reiche-Lehre ............................................. 21, 29

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