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Social Media und Wissensnetzwerke in der Personalentwicklung

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Dieser Beitrag ist dem Werk »Trendbuch Personalentwicklung 2012« entnommen, hrsg. von Karlheinz Schwuchow und Joachim Gutmann, erschienen im Verlag Luchterhand.

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Social Media und Wissensnetzwerke in der Personalentwicklung 6.25

Social Media und Wissensnetzwerke in derPersonalentwicklung

von Andréa Belliger und David Krieger (Institut für Kommunikation und Führung/Pädagogische Hochschule Zentralschweiz)

Dieser Beitrag ist dem Werk »Trendbuch Personalentwicklung 2012« entnom-men, hrsg. von Karlheinz Schwuchow und Joachim Gutmann, erschienen im Ver-lag Luchterhand.

Personalentwicklung 2.0 – Social Media – NetGeneration – Netzwerk-

management

Soziale Netzwerke sind Wissensnetzwerke. Sie bieten ganz neue infor-melle Formen des Umgangs mit Lernen und Wissen. Personalentwick-lung ist gefordert, diese neuen Formen von Wissensnetzwerken in ihreTätigkeiten zu integrieren. Doch Wissensnetzwerke sind eigenartig: Sieentstehen selbstorganisierend, »bottom up« und sind eher »Communi-ties« denn Organisationen. Der vorliegende Beitrag stellt vor, wie ausSicht der Personalentwicklung in Wissensnetzwerken mit ihren ganzneuen Anforderungen an Kommunikation und Wissensaustausch Aus-und Weiterbildung von Mitarbeitern, Kompetenzentwicklung und Ler-nen optimal gestaltet werden kann.

1 Personalentwicklung 2.0 2

1.1 Soziale Netzwerke sind Wissensnetzwerke 2

1.2 Lernen geschieht informell 3

2 Personalentwicklung und Wissensmanagement 4

2.1 NetGeneration setzt Maßstäbe 5

2.2 Organisationale Netzwerkkompetenz 6

3 Kompetenzmanagement ist Netzwerkmanagement 6

3.1 Kompetenzförderung 7

3.2 Kompetenzprofil eines Akteur-Netzwerkes 7

3.2.1 Virtualität und Modularität 8

3.2.2 Automatisierung, Variabilität und Vernetzung 8

4 Fazit 9

Literaturhinweise 9

Handbuch E-Learning 46. Erg.-Lfg. April 2013 1

Schlagworte

Überblick

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6.25 Social Media und Wissensnetzwerke in der Personalentwicklung

Organisationen wer-den zu Netzwerken

Mitarbeiter sind ver-netzt

Web-2.0-Technolo-gien

Merkmale von Com-munities und Wis-sensnetzwerken

Unternehmen müs-sen sozialer werden

Neuer Umgang mitLernen und Wissen

2 46. Erg.-Lfg. April 2013 Handbuch E-Learning

1 Personalentwicklung 2.0

Globalisierung und beschleunigte Technologieentwicklung haben unsereGesellschaft und die Struktur der Arbeitswelt in den letzten Jahren grundle-gend verändert. In der globalen Wissensgesellschaft sind Arbeiter zu Wis-sensarbeitern und Manager zu Wissensmanagern geworden. Und auchOrganisationen verändern sich. Hierarchische Strukturen, klare Abgrenzun-gen zur Umwelt und enge Kontrollen der Kommunikation werden zuneh-mend durch losgekoppelte, flexible und heterogene Netzwerke abgelöst.Organisationen werden zu Netzwerken (CORSTEN 2001, TAPSCOTT/WILLIAMS 2006,TIBERIUS 2008). Dies aber nicht bloß im Sinne der bereits bestehenden inter-organisationalen Verbünde oder Organisationskollektive, die auf strategi-schen Allianzen, Partnerschaften, Joint Ventures und mehr oder wenigerformalisierten Verträgen und Vereinbarungen basieren.

Ins Blickfeld rücken vielmehr die weitgehend nicht formal geregelten Com-munities, Knowledge Networks und Formen kollaborativer Zusammenar-beit in sozialen Netzwerken. Denn ob Organisationen es wollen oder nicht,ihre Mitarbeiter vernetzen sich über Social Networking Sites wie Xing, Lin-kedIn und Facebook zunehmend mit anderen Mitarbeitern des Unterneh-mens, mit Personen aus anderen Organisationen, mit Kunden, vielleichtauch mit der Konkurrenz.

Während traditionelle Trainingsprogramme oder der Einsatz von Enter-prise-Portalen zur Informationsvermittlung und die damit zusammenhän-genden organisationalen Strukturen oft nicht in der Lage sind, eine Kulturdes Vertrauens, der Offenheit und der Zuverlässigkeit im Austausch und derNutzung von Wissen zu schaffen, wirken Web-2.0-Technologien anders. AufBasis dieser Technologien entstehen – oft jenseits formaler Maßnahmen –Communities und Wissensnetzwerke, in denen prägende Merkmale sind(TELLER/LANGMUSS 2007):

■ die Freiheit im Umgang mit Information,

■ die Individualisierung in der Gestaltung von Wissen,

■ Überprüfbarkeit und Integrität als anerkannte Verpflichtungen,

■ Flexibilität bei Problemlösungen,

■ hohe Geschwindigkeit bei Entscheidungen und

■ Innovationsoffenheit.

Diese neue Situation erfordert von den Unternehmen die Bereitschaft, sichzu öffnen, neue Wege zu gehen und im Sinne des Web 2.0 sozialer zu wer-den. Dies bedeutet nicht nur die Notwendigkeit, Strategien, Wissenspro-zesse und Strukturen zu verändern, sondern auch neue Modelle der Perso-nalentwicklung und ein neues Selbstverständnis der damitzusammenhängenden Aufgaben zu entwickeln.

1.1 Soziale Netzwerke sind Wissensnetzwerke

Soziale Netzwerke sind Wissensnetzwerke. Durch die Möglichkeiten derVernetzung, der Kommunikation und des kooperativen Handelns, die siebieten, entstehen ganz neue informelle Formen des Umgangs mit Lernenund Wissen. Wissensnetzwerke haben durchlässige Grenzen, sind vor allem

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virtuell, erlauben multiple Identitäten und können gleichzeitig verschie-dene Ziele verfolgen. Dies alles macht es äußerst schwierig, sie zu managenoder zu steuern und in die Bahnen traditioneller Trainingsprogramme zulenken. Die neuen Formen der Zusammenarbeit in selbstorganisierendenWissensnetzwerken verändern die Strukturen traditioneller Organisatio-nen. In der Produktentwicklung und im Marketing sind deren Wirkungenbereits bekannt und werden unter den Begriffen »Open Innovation«,»Crowdsourcing« oder »Collective Intelligence« gezielt gefördert undgenutzt (MICHELIS/SCHILDHAUER 2010).

Die Integration von Wissensnetzwerken in die Personalentwicklung stehtgrößtenteils noch aus. Bestehende Strukturen wie z. B. die institutionali-sierte Trennung von Personalentwicklung und Wissensmanagement oderdas Festhalten an alten Bildungs- und Trainingsmodellen verhindern bisherdie Nutzbarmachung von Wissensnetzwerken. Aus der Sicht der Personal-entwicklung lohnt sich deshalb ein Blick auf das Thema informelles Lernen,da Wissensnetzwerke vor allem Orte des informellen Lernens sind.

1.2 Lernen geschieht informell

Lernen geschieht in Wissensnetzwerken mehrheitlich informell. Die Bedeu-tung informellen Lernens für das Berufsleben ist hinlänglich bekannt (OVER-

WIEN 2000). Mindestens 70 Prozent des berufsrelevanten Wissens und derKompetenzen sind auf informelle Lernprozesse zurückzuführen (CROSS

2006).

Informelles Lernen ist die Aneignung von Wissen und Kompetenzen on thejob, beim alltäglichen Problemlösen, am Arbeitsplatz und überall dort, woWissen ausgetauscht wird. Social Media und mobile Geräte ermöglichenden Zugriff auf verschiedene Informationsquellen immer und überall, d. h.genau dort, wo und wann man es braucht. Informationen, die bisher nurin formalen Trainings vermittelt wurden, fließen freier, schneller, wirksa-mer und effizienter durch selbstorganisierende Wissensnetzwerke. Studienüber die Wirkung von Social Media auf die Europäische Wirtschaft (PUNIE

et al. 2009) prognostizieren weitgehende Veränderungen in Bezug auf dieIntegration von informellem Lernen in Bildungsprozesse und die Gestal-tung von neuen Lernräumen (»Learning Spaces«).

Wissensnetzwerke, die informelle Lernprozesse unter Zuhilfenahme vonSocial Media fördern, verändern auch die Funktion, Organisation und dieSchnittstellen von und zwischen Personalentwicklung und Wissensmana-gement. Informelles Lernen tritt immer mehr an die Stelle des traditionel-len Wissensmanagements. Denn die Ziele des Wissensmanagements wer-den am besten durch informelles Lernen erreicht. Dies führt nicht nur zurKonvergenz von Wissensmanagement und Personalentwicklung, sondernauch dazu, dass informelles Lernen ins Zentrum der Personalentwicklungrückt. Der Personalentwicklung und dem Wissensmanagement fällt glei-chermaßen die Aufgabe zu, technische, organisationale und kulturelleBedingungen für die optimale Unterstützung von Wissensnetzwerken zurVerfügung zu stellen.

Handbuch E-Learning 46. Erg.-Lfg. April 2013 3

Personalentwicklungmuss Netzwerkenutzen

Bedeutung informel-len Lernens

Lernen »on the job«

Einsatz von SocialMedia

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6.25 Social Media und Wissensnetzwerke in der Personalentwicklung

Baustein-Modell

Qualifizierungs-prozess

Aufgaben von Wis-sensarbeitern

4 46. Erg.-Lfg. April 2013 Handbuch E-Learning

2 Personalentwicklung und Wissensmanagement

Ein kurzer Blick auf das bekannte Wissensmanagement-Baustein-Modellgenügt, um jeden Aus- und Weiterbildungsverantwortlichen davon zuüberzeugen, dass Lernen, Kompetenzentwicklung und Wissensmanage-ment etwas miteinander zu tun haben (siehe Abbildung 1).

Abb. 1: Bausteinmodell von Wissensmanagement nach PROBST/RAUB/ROMHARDT (1999)

Was braucht ein sinnvoller Qualifizierungspozess mehr als das, was in denBausteinen des Wissensmanagements dargestellt wird, nämlich die Fähig-keit,

■ vorhandenes Wissen zu identifizieren;

■ Wissenslücken durch den Erwerb oder die Entwicklung von neuem Wis-sen zu schließen;

■ dieses Wissen korrekt und wirksam zu verteilen;

■ dieses Wissen zu bewahren, damit es bei Bedarf wieder abgerufen werdenkann;

■ das erworbene, verteilte und bewahrte Wissen optimal zu nutzen, zukontrollieren und zu bewerten, um die Ziele, die mit dem Erwerb, derVerteilung und Nutzung von Wissen angestrebt wurden, zu überprüfen,zu revidieren und möglicherweise neu zu setzen.

Diese Bestandteile des Wissensmanagementprozesses decken sich mit denAufgaben von Aus- und Weiterbildung und den Kompetenzen und Tätig-keiten, die heute von Wissensarbeitern verlangt werden. Jedes erfolgreicheAus- und Weiterbildungsprogramm zielt darauf, diese oder ähnlicheKompetenzen zu entwickeln. Die Personalentwicklungs- und Wissensma-nagementerfahrung der letzten zehn Jahre mündet ins Fazit, dass Personal-entwicklung ein unerlässlicher Teil jeder umfassenden Wissensmanage-mentstrategie ist und dass Weiterbildungsmaßnahmen ihrerseits – auchwenn sie oft nicht als solche initiiert werden – in vielen Fällen zur Einfüh-rung von Wissensmanagementmaßnahmen führen. Die beiden BereichePersonalentwicklung und Wissensmanagement sind in wissensintensivenund lernenden Organisationen nicht unabhängig voneinander plan- undumsetzbar.

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Wie sollen sich Unternehmen in dieser Situation verhalten? Handlungsbe-darf besteht in den drei Bereichen:

■ Mensch,

■ Organisation und

■ Technik.

2.1 NetGeneration setzt Maßstäbe

Zum einen sollte das Unternehmen anerkennen, dass heutige und künftigeMitarbeiter grundsätzlich andere Fähigkeiten und Erwartungen bezüglichWissen und Bildung haben als frühere Generationen. Die heute 15-30-Jähri-gen entstammen einer Generation, die geprägt von der Web-2.0-Bewegung,den Namen »Generation 2.0« oder »NetGeneration « erhalten hat (Tapscott1997, 2008). Diese Generation ist im und mit dem Internet aufgewachsen,sie sind »digital natives « (PRENSKY 2001), wortwörtlich Eingeborene in derdigitalen Welt. Ihre Identitätsbildung geschieht gleichberechtigt zum rea-len Leben auch in virtuellen Räumen.

Die NetGeneration setzt kommunikative Maßstäbe und hat Erwartungenan Organisationen. Tapscott hat diese Erwartungen in acht NetGen-Nor-men zusammengefasst. In Bezug auf Personalentwicklung lauten diese Nor-men so:

■ Freiheit:Während die ältere Generation vor der Informationsflut kapituliert, istdie Freiheit im Umgang mit Wissen und Information für Mitarbeiter derNetGeneration fundamental.

■ Individualisierung:Wissensarbeiter verlangen, dass Information auf ihre individuellen undpersönlichen Bedürfnisse und Interessen zugeschnitten ist. Standardi-sierte Lehrpläne, Kurse und Trainings werden abgelehnt, was die hin-länglich bekannte Schwierigkeit im Wissenstransfer traditioneller Bil-dungsmaßnahmen belegt.

■ Überprüfbarkeit:NetGen-Wissensarbeiter sind Experten und erwarten, dass jede Informa-tion aus mehreren Perspektiven und von mehreren Quellen her über-prüft werden kann und dass die Information sich in der Praxis bewährt.

■ Integrität:Ihnen ist Integrität und Offenheit in Kommunikation und Zusammenar-beit wichtig.

■ Interaktion:Die NetGeneration ist eine Generation, die mit Interaktion aufgewach-sen ist. Aus Videospielen wissen sie, dass es immer mehrere Wege gibt,ein Ziel zu erreichen. Spielen ist für sie kein Gegenpol zu Lernen undArbeiten.

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Handlungsbedarf

Generation der Web-2.0-Bewegung

Kommunikative Maß-stäbe der NetGen

NetGen-Normen

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6.25 Social Media und Wissensnetzwerke in der Personalentwicklung

Mehr als Techno-logie

Kompetenzverständ-nis einer Netzwerkor-

ganisation

6 46. Erg.-Lfg. April 2013 Handbuch E-Learning

■ Networking:Wissensarbeitende dieser Generation gehen davon aus, dass reale, kom-plexe Probleme nur im Team, durch Kooperation und mittels Kollabora-tion gelöst werden können.

■ Schnelligkeit:Sie haben ein Bedürfnis nach Schnelligkeit – nicht nur in Computerspie-len. Auch in der Kommunikation wird ein sofortiges Feedback erwartet.

■ Innovation:Sie wollen Innovation und das nicht nur bei technischen Geräten, son-dern auch von Dienstleistungen und Behörden.

2.2 Organisationale Netzwerkkompetenz

Zum andern sollte sich ein Unternehmen Netzwerkkompetenz aneignenund diese strategisch umsetzen. Mitarbeiter der Net-Generation erwartenneue organisationale und technische Arbeitsbedingungen.

Technologisch mag dies durch die Integration von Wikis, Blogs, Foren, SocialTagging und Bookmarking-Funktionen, Microblogging, Mashups, etc.umgesetzt werden. Aus der Perspektive der Personalentwicklung bedeutetdies aber, dass Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen aus der Nutzung desNetzwerkes selber entstehen und nicht umgekehrt.

Beispiel:

Das Wissen und die Kompetenzen von Mitarbeitern können durch dieFörderung von informellen Communities quer durch Abteilungen, Prozesseund über Grenzen hinweg mit Kunden, Partnern und auch Peers unter-stützt werden. Dies bedingt eine große Toleranz gegenüber selbstorgani-sierenden Kommunikationstätigkeiten von Mitarbeitern und so etwaswie organisationale Netzwerkkompetenz. Konkret bedeutet dies dieGewährung von Freiheiten in Bezug auf Suche und Auswahl von Netz-werkmitgliedern, ebenso in Bezug auf die Formen der Evaluation derNützlichkeit von Beziehungen im Netzwerk, zudem die Fähigkeit, Bezie-hungen jederzeit zu revidieren, Kontextsteuerungsmaßnahmen ins Netz-werk einspielen zu lassen und sich vom Netzwerk in wichtigen Entschei-dungen betreffend Marketing, Produktentwicklung, Kundenbindungund Personalentwicklung beeinflussen zu lassen.

3 Kompetenzmanagement istNetzwerkmanagement

Mit der Entstehung von Wissensnetzwerken verlagert sich die Verantwor-tung für Kompetenzmanagement weg von isolierten Personalentwicklungs-abteilungen hin zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen personalen,organisationalen und technischen Bereichen. Eine Netzwerkorganisationmuss ein neues Verständnis dessen erarbeiten, was Kompetenzen sind undwie Kompetenzen gemanagt werden sollten. Erfolgreiches Kompetenzma-nagement verlangt, dass Mitarbeiter darin unterstützt werden, viele ver-schiedene Ressourcen in das Wissensnetzwerk einfließen zu lassen.

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Diese Wissensnetzwerke sind bei genauer Betrachtung nicht nur sozialeNetzwerke, sondern heterogen. Das heißt, sie bestehen nicht nur aus Men-schen, sondern auch aus nichtmenschlichen Akteuren, die durch ihre Inter-aktionen mit den anderen Akteuren durchaus in die Lage sind, das Verhal-ten des Netzwerks zu bestimmen bzw. die darin agierenden Menschen zuverändern. Deshalb wird in diesem Zusammenhang auch von Akteur-Netz-werken gesprochen, die so unterschiedliche Akteure wie Menschen, Tech-nologien, Prozesse, organisationale Strukturen, Regeln und Infrastrukturenumfassen mit dem Ziel, relativ stabile Gefüge von Wissen, Kommunikationund Handeln ins Leben zu rufen (LATOUR 2000; BELLIGER/KRIEGER 2006).

3.1 Kompetenzförderung

Wenn es um Kompetenzförderung geht, ist der individuelle Mitarbeiter des-halb nicht mehr gesondert und unabhängig von den anderen menschli-chen und nichtmenschlichen Akteuren zu betrachten. Die Vorstellung, dassKompetenzen aus rein psychischen Eigenschaften wie Wissen, Erfahrung,Motivation, Emotionen und Handfertigkeiten bestehen, die einem Indivi-duum zugeschrieben werden können, trägt der Tatsache nicht Rechnung,dass heute ohne technologische Artefakte und organisationale Strukturenniemand mehr etwas tun kann. Das von aller Technologie, von allen sozia-len, kulturellen und institutionellen Bedingtheiten freie Individuum gibt esnicht.

Die Integration der meisten Arbeitsprozesse in automatisierte Informations-und Kommunikationssysteme, die damit zusammenhängende Entstehungvon Kontextsteuerung für komplexe, selbstorganisierende Systeme (WILLKE

1989), dezentrale Entscheidungsprozesse und entwicklungsorientiertesManagement (KLIMECKI/PROBST/EBERL 1994) weisen auf die dynamische, unvor-hersehbare und selbstgesteuerte Partizipation verschiedener Akteure inheterogenen Netzwerken hin. Kooperatives Handeln ist zu einem Netzwerk-phänomen geworden, bei dem das Netzwerk selbst zum Träger von Kompe-tenzen wird. Individuen können nur als Akteure in Netzwerken kompetentagieren. Kompetenz wird zur Netzwerkeigenschaft. Kompetenzmanage-ment wird zum Netzwerkmanagement. Insofern ist der Begriff Personalent-wicklung einseitig, da die Person nur in und durch das Netzwerk, in demsie agiert, »entwickelt « und gefördert werden kann.

3.2 Kompetenzprofil eines Akteur-Netzwerkes

Wie sieht das Kompetenzprofil eines Akteur-Netzwerkes für die Personalent-wicklung 2.0 aus? Ein Kompetenzprofil eines Akteur-Netzwerkes, das durchSocial Media die Aufgaben des Wissensmanagements und der Personalent-wicklung erfüllt, müsste die notwendigen personalen, technischen undorganisationalen, menschlichen und nichtmenschlichen Akteure so mitei-nander in Verbindung bringen, dass die Bedingungen sozialer (digitaler)Kommunikation gefördert werden.

Diese Bedingungen sind laut MANOWICH (2002):

■ Virtualität,

■ Modularität,

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Heterogene Wissens-netzwerke

Kompetenzver-ständnis

Kompetenzmanage-ment wird zu Netz-werkmanagement

Förderung sozialerKommunikation

Bedingungen

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6.25 Social Media und Wissensnetzwerke in der Personalentwicklung

Virtualität

Identitätsmanage-ment

Modularität

Automatisierung

Der Mensch als User

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■ Automatisierung,

■ Variabilität und

■ Vernetzung.

3.2.1 Virtualität und Modularität

Virtualität ist erstens die Fähigkeit, unabhängig von Zeit und Ort agieren zukönnen, d. h. Bildung bzw. Personalentwicklung findet unabhängig vonSeminarräumen und Präsenzunterricht statt. Lehr- und Lerntätigkeit orien-tieren sich nicht mehr an den traditionellen Unterscheidungen zwischenformellem und informellem Lernen, zwischen Arbeits- und Freizeit oderzwischen geführtem und selbstgesteuertem Lernen.

Virtualität als Kompetenz bedeutet, dass das Akteur-Netzwerk die Fähigkeitbesitzt, mit verschiedenen Identitäten umgehen zu können. Die Virtualisie-rung von Akteur-Netzwerken bringt die Digitalisierung persönlicher Identi-tät mit sich und macht aus der Frage der Zugehörigkeit oder Nicht-Zugehö-rigkeit zu einem Akteur-Netzwerk eine Frage des Identitätsmanagements.Die Ein- und Ausgrenzung von Akteuren in einem Netzwerk und die Vertei-lung von Rollen werden durch den digital gesteuerten Zugang zu Informa-tionen und Entscheidungen geregelt, wobei es sich bei digitalen Identitätennicht um Personen im traditionellen Sinn handelt, sondern um Avatareoder Rollen, von denen ein einzelner Akteur deren viele verschiedenehaben kann, die jeweils gleichzeitig an verschiedenen Orten und in ganzunterschiedlicher Ausprägung handeln können.

Modularität ist die Kompetenz, skalierbar und multifunktional zu agieren.Ein Akteur-Netzwerk besteht aus verschiedenen menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren, die selbst wiederum aus Akteuren bestehen. JederAkteur kann in verschiedenen Netzwerken gleichzeitig agieren. Jeder Akteurbzw. jedes Netzwerk kann als ein Modul in einem größeren Netzwerkbetrachtet werden. Das Netzwerk ist somit beliebig skalierbar und kann ineinemMoment aus nur mir und meinem Laptop bestehen und im nächstenMoment aus mir, meinem Laptop, einem internationalen Projektteam,einem Partnerunternehmen, verschiedenen Forschungsstätten, Peers undFreunden, die in verschiedenen Ländern leben und arbeiten usw. Gleichzei-tig können alle diese Akteure entscheidende Rollen in anderen großen undkleinen Netzwerken spielen.

3.2.2 Automatisierung, Variabilität und Vernetzung

Automatisierung ist die Kompetenz, die Beschaffung von Wissen, die Aus-wertung von Informationen, Kommunikation und Handeln an technischeAkteure zu delegieren und umgekehrt die Fähigkeit, technische Akteure alsPartner in ein Akteur-Netzwerk zu integrieren, mit ihnen zu kommunizie-ren und gemeinsam zu handeln.

Die Einwilligung in technischen Netzwerken zu agieren und eine Koopera-tion mit Technologien einzugehen, verändert menschliche Akteure. DerComputer hat z. B. aus den Menschen User gemacht. Wissen, Entscheidenund Handeln finden heute fast ausschließlich im Rahmen solcher automa-tisierter Systeme statt.

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Variabilität ist als Kompetenz eines Akteur-Netzwerkes die Fähigkeit, Wan-del und Innovation auch gegen Widerstand durchzusetzen. Ein Akteur-Netzwerk agiert nämlich in einem potenziell unendlich großen Umfeld sichschnell ändernder Faktoren und Einflüsse und muss sich dauernd je nachmomentanen Bedürfnissen und Bedingungen anpassen.

In dieser Situation ist Wandel und Innovation das Hauptziel aller Tätigkei-ten. Trainer und Trainees müssen sich z. B. laufend an immer neue Pro-dukte, Dienstleistungen, Kundenerwartungen, Restrukturierungen undtechnologische Entwicklungen anpassen. Um die Flexibilität und das Inno-vationspotenzial aufrechtzuerhalten, muss das Akteur-Netzwerk interneKomplexität und Unberechenbarkeit fördern, um die Kräfte der Selbstorga-nisation zu unterstützen.

Vernetzung ist als Kompetenz nicht bloßes Verbunden-Sein mit möglichstvielen Akteuren, sondern die Fähigkeit, sich durch die Qualität und Intensi-tät von Kommunikationen zu unterscheiden, zu identifizieren und zu kon-struieren. Wissensnetzwerke zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich vorallem durch die Qualität ihrer Kommunikationen von der Umweltabgrenzen.

Qualitativ hoch stehende didaktische Kommunikation besteht nicht ausprofessionell aufbereitetem Lehrmaterial und ist keine Einbahnstraße vonden Trainern zu den Trainees, sondern aus qualitativ hochstehender undintensiver Kommunikation in heterogenen Wissensnetzwerken. Die karrie-rerelevante Wirkung der Zertifizierung von Wissen und Kompetenzen inder globalen Wissensgesellschaft basiert deshalb auf dem Zugang zu undder Nutzung von Wissensnetzwerken sowie der Vermittlung der dazu not-wendigen Kompetenzen.

4 Fazit

Viele Organisationen stehen heute vor der Herausforderung, Netzwerkkom-petenz aufzubauen und die Dynamik von Netzwerken in die Organisationeinzubinden. Sie müssen Systeme und Prozesse schaffen, die neue Formender Kommunikation und Zusammenarbeit quer durch organisationaleStrukturen und Geschäftsprozesse ermöglichen.

Dies hat Auswirkungen auf die Personalentwicklung. Anstelle von traditio-nellen Seminaren und Trainings setzten sich informelle Wissensnetzwerkedurch. Eine Personalentwicklung, die Netzwerkkompetenz in diesem Sinnefördert, spielt beim Erfolg eines Unternehmens in der Wissensgesellschafteine entscheidende Rolle.

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Variabilität

Flexibilität und Inno-vationspotenzial

Vernetzung

Qualitative Kommu-nikation

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