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SONDERTEIL SUPPLY CHAIN MANAGEMENT (SCM) Software - Expertensysteme - Strategie www.it-production.com Bild: © Industrieblick/Fotolia.com E-PAPER SONDERTEILE, BRANCHENSPECIALS, THEMENSCHWERPUNKTE

SUPPLY CHAIN MANAGEMENT (SCM) · 2019-02-06 · SUPPLY CHAIN MANAGEMENT | K. unden messen den Erfolg eines Lieferanten auch daran, dass die-ser die Waren schneller liefert als der

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SONDERTEIL

SUPPLY CHAIN

MANAGEMENT (SCM)

Software - Expertensysteme - Strategie

www.it-production.com

Bild: © Industrieblick /Fotolia.com

E-PAPERSONDERTEILE, BRANCHENSPECIALS, THEMENSCHWERPUNKTE

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In der Logistik können unbemannte Flugroboter schon heute helfen, Bestände auto-matisiert zu erfassen. Was dem flächendeckenden Einsatz dieser Technik noch im Wege steht, sind die Lücken in den digitalen Abläufen der Firmen – und die sind der oft schlechten IT-Infrastruktur in Deutschland geschuldet. Es gibt also noch viel zu tun.

SUPPLY CHAIN MANAGEMENT |

Kunden messen den Erfolg eines

Lieferanten auch daran, dass die-

ser die Waren schneller liefert als

der Wettbewerber. Eine Alternative zur

traditionellen Lieferung bieten daher

Transportdrohnen, da es in der Luft weder

zu einem Stau kommen, noch eine Ampel

auf Rot springen kann. Es ist nicht ver-

wunderlich, dass Unternehmen als wich-

tigste Treiber für die Entwicklung von

Transportdrohnen gelten. Die unbemann-

ten Flugkörper sollen dabei nicht nur die

Auslieferung beschleunigen. Sie kommen

auch in der Bestandserfassung zum Ein-

satz. Smarte Mikrokopter, ausgestattet

mit sensibler Technologie, fliegen Regal-

reihen ab und scannen die Waren, sie

überfliegen Produktionsanlagen und La-

gerplätze und führen eine automatisierte

Leergutinventur durch oder wirken beim

Flottenmanagement mit. Für ein effekti-

ves Bestandserfassungsmanagement

muss der eigentliche Flugroboter mit

einer hochentwickelten Sensorik ausge-

stattet sein, da ein großes Datenvolumen

verarbeitet werden muss. Die gesammel-

ten Daten müssen dann per Software auf

ein Dashboard oder Desktop übertragen,

visualisiert und analysiert werden, sodass

der Status der Waren für das Manage-

ment auf einen Blick erkennbar ist und

Basis für solide Entscheidungen sein kann.

Im Idealfall erfolgt diese Übertragung via

Funk oder WLAN simultan zur Bestands-

erfassung. Um Waren auch in Blocklagern

und im Außenbereich ohne einen Label-

BESTANDSERFASSUNG

IT&Production 12/2018

Erfassen im VorbeifliegenDrohnen im Lager

Bilder: © Patrick Tiedtke/mind.fabric GmbH

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Eine Drohne kann die Bestände zweier Regalreihen in 27 Minuten erfassen, die Bestandserfassung dauert 45 Minuten pro Regalseite.

Bild: © Patrick Tiedtke/mind.fabric GmbHScanvorgang aufnehmen zu können,

muss der Mikrokopter mit hochauflösen-

den Kameras ausgestattet sein. Durch Si-

multaneous Localization and Mapping

(SLAM) können sich Drohnen autonom

fortbewegen – auch im Innenbereich.

Dazu kartieren die unbemannten Flug-

körper zunächst die Umgebung und stel-

len gleichzeitig die eigene Position fest.

So kann sich das Flugobjekt GPS- und

WiFi-frei durch ein unbekanntes Terrain

navigieren, ohne dass bereits eine Karte

vorhanden sein muss.

Zwei Regalreihen in 27 Minuten

Der Einsatz von Drohnen kann sowohl das

Management als auch die Mitarbeiter

entlasten, denn eine manuelle Bestands-

erfassung ist häufig zeitintensiv. Eine

Drohne hingegen kann die Bestände

zweier Regalreihen in 27 Minuten erfas-

sen, während die manuelle Bestandserfas-

sung 45 Minuten pro Regalseite in An-

spruch nimmt. Zudem liefert die Drohne

auch qualitative Informationen über die

Lagertemperatur, die Luftfeuchtigkeit

sowie über den Zustand der Verpackung.

Insbesondere für das Bestandsmanage-

ment von Waren, deren Lagerung ständi-

ger Überwachung bedarf, sind diese Fä-

higkeiten von großem Wert. Trotzdem

entscheiden sich in der Praxis viele Unter-

nehmen für einen anderen Weg der Da-

tenvisualisierung. Nach der Bestandserfas-

sung werden die gesammelten Daten von

einem Mitarbeiter via USB-Stick auf einen

Rechner übertragen. Dann erst überprüfen

die meisten Verantwortlichen die Ergeb-

nisse der Bestandserfassung.

Keine geeignete Infrastruktur

Der Grund, warum die simultane Daten-

übertragung nicht vermehrt zum Einsatz

kommt, liegt in einer Herausforderung, mit

der sich alle deutschen Unternehmen kon-

frontiert sehen, die ihre Produktions- und

Logistikprozesse automatisieren wollen.

Die digitale Infrastruktur in Deutschland er-

möglicht derzeit keine vollständige Auto-

matisierung der Produktion und der Logis-

tik. Wollen Unternehmen reibungslose, pa-

rallel ablaufende Produktions- und Logistik-

prozesse ermöglichen, sind sie auf den lü-

ckenlosen Durchsatz großer Datenpakete

angewiesen. Ist dieser nicht gewährleistet,

besteht das Risiko, dass Abläufe ins Sto-

cken oder zum Erliegen kommen. Die digi-

tale Infrastruktur ist dabei schon auf Grund

ihrer Physis nicht für den Durchsatz von

Datenpaketen dieser Größe geeignet. Hinzu

kommt, dass die Daten auch in großer

Schnelligkeit übertragen werden müssen.

Weder für das eine noch für das andere ist

die Kabelinfrastruktur in Deutschland ge-

eignet – insbesondere nicht im ländlichen

Raum, wo sich zahlreiche große Fertigungs-

und Logistikstandorte befinden. Dort er-

folgt die Breitbandversorgung größtenteils

oft über Kupferkabel. Darüber werden

Daten mit Hilfe elektrischer Signale über-

mittelt, wodurch der Transfer verlangsamt

wird und anfälliger für Störsignale ist. Bei

Glasfaserkabeln erfolgt die Übertragung

hingegen mittels Licht. Dies ermöglicht die

Übertragung größerer Datenpakete über

eine längere Strecke in kürzerer Zeit. Ob-

wohl Politik, Wirtschaft und Telekommuni-

kationsunternehmen den Glasfaserausbau

in Deutschland forcieren und seitens der

Bundesregierung bereits Gelder für den

Ausbau zur Verfügung gestellt wurden,

geht die Umstellung von Kupfer- auf Glas-

faserkabeln nur schleppend voran. Die

hohen Investitionen lohnen sich aus Sicht

der Anbieter oft nicht und auch der admi-

nistrative Aufwand erscheint insbesondere

kleineren Kommunen nicht lohnenswert.

Geringe WLAN-Reichweite

Nun könnte eingewandt werden, dass

das System einer smarten Drohne den

Datentransfer über WLAN erlaubt. In der

Praxis erweist sich diese Form der Über-

mittlung von Informationen jedoch

ebenfalls als problematisch: Die Reich-

weite dieser Netzwerke liegt meistens

zwischen 30 und 100m und hängt zudem

von der Infrastruktur des Gebäudes ab.

So können dicke Betonwände oder ein-

gebaute Stahlträger die Reichweite des

Netzwerkes stark verringern. Für die

Menge an Daten, die in einer smarten

Werkshalle übertragen werden müssten,

damit Produktion, Materialfluss und Be-

standserfassung mit simultaner Visuali-

sierung der erfassten Daten reibungslos

nebeneinander funktionieren, ist die der-

zeitige Bandbreite der Netzwerke in

Deutschland zu gering. Weder Drohnen

noch andere für das Konzept der Smart

Factory erforderliche Systeme können

also ihr Potenzial voll entfalten, da die

digitale Infrastruktur noch fehlt. ■

Der Autor Benjamin Federmann ist CEO und

Mitbegründer von Doks. Innovation GmbH.

www.doks-innovation.com

| SUPPLY CHAIN MANAGEMENTBESTANDSERFASSUNG

IT&Production 12/2018

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SUPPLY CHAIN MANAGEMENT | LIEFERKETTENDESIGN

IT&Production 12/2018

Bild: Robert Bosch GmbH

neuer Netzwerke verfolgt Bosch einen

ganzheitlich funktionsübergreifenden

TCO(Total Cost of Ownership)-Ansatz.

„Der berücksichtigt nicht allein die Logis-

tik, sondern bezieht u.a. auch Einkauf,

Fertigung und die Entwicklungen der

Absatzmärkte ein“, sagt Dr. Christian Lip-

polt, Abteilungsleiter Logistics Consul-

ting bei Bosch. Bereits die Analyse der

Ist-Situation bei derartigen Projekten

einen Überblick zu behalten ist schon

für kleine Unternehmen schwer zu reali-

sieren. Für Großunternehmen wie Bosch

gilt dies umso mehr. Das Unternehmen

zählt 15 Geschäftsbereiche mit weltweit

60 Produktgruppen, 270 Produktions-

werke, 800 Logistikzentren, 20.000 di-

rekte Lieferanten und 250.000 Kunden.

Bei der Überprüfung und Optimierung

der Logistiknetze sowie der Gestaltung

Bei der Analyse und der Gestal-

tung der Produktions- und Logis-

tik-netzwerke steht eine ganz-

heitliche Betrachtung ganz oben auf der

Anforderungsliste. Es gilt, die Prozesse

und Strukturen der eigenen Produktions-

stätten, Lagerstandorte, Beschaffungs-

und Distributionswege, -transporte und

Tarife ebenso zu berücksichtigen, wie

die der Lieferanten und Kunden. Dabei

Bei der Gestaltung logistischer Netze mit komplexen Kostenstrukturen erschließt

Bosch Einsparpotenziale im zweistelligen Prozentbereich. Das strategische Analyse-

und Planungssystem PSIglobal unterstützt den Hersteller dabei.

Ein intelligentes Netzwerk aufbauen

Supply Chain Network Design

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IT&Production 12/2018

erfordert eine Simulationssoftware, die

nicht nur in der Lage sein muss, die vor-

handenen Prozess- und Produktdaten zu

erfassen und zu visualisieren. Sie muss

auch die Einzelfaktoren gegeneinander

abwägen können und Fragestellungen,

wie etwa Transportkosten gegen Stand-

ortwahl modellhaft beantworten. Daraus

lassen sich die Kostenstrukturen ablesen

und verbessern. Wenn es zudem um

strategische Entscheidungen, die zu-

kunftsfähige Auslegung des Netzes,

Standortwahl, Marktfaktoren oder die

Verteilung von Volumina, Kapazitäten

und Ressourcen geht, ist eine Szenario-

Technologie gefordert, die in Wenn-

Dann-Modellen die Auswirkungen von

Veränderungen der jeweiligen Faktoren

auf das Netzwerk aufzeigt. „Für diese

Anforderungen setzen wir auf ein strate-

gisches Analyse- und Planungssystem“,

erklärt Lippolt. „Unter den Instrumenten

für das Supply-Chain-Network-Design

bringt die Szenario-Optimierung und -

Evaluierung mit der von uns eigesetzten

Software für uns den größten Nutzen.

Wir profitieren vor allem von integrier-

ten Optimierungsalgorithmen sowie der

Erweiterbarkeit und dem flexiblen De-

sign von Datenschnittstellen.“

Daten harmonisieren

Seit 2017 arbeitet Bosch bei der Opti-

mierung und Gestaltung seiner logisti-

schen Netze mit dem IT-System PSIglo-

bal aus der PSI Logistics Suite. Die mo-

dular konzipierte Standardsoftware ist

auf die Analyse und Verbesserung der

operativen, taktischen und strategi-

schen Planung- und Steuerungsebenen

logistischer Netze ausgelegt. Die Pro-

grammfunktionen ermöglichen u.a. die

kombinierte Optimierung von Produk-

tion und Logistik. Die Szenariotechnolo-

gie löst in Analyse- und Simulationsmo-

dellen zudem strategische als auch tak-

tische Fragestellungen von Logistikpro-

jekten. So verfügt das System mit dem

Modul ‘Pick-up & Delivery’ über einen

Algorithmus für die Tourenplanung. Fea-

tures zur Integration freier Geodaten

wie Open-Street-Maps steigern die In-

formationsqualität und den Detailgrad

bei der Visualisierung von Tracking &

Tracing-Anwendungen. Der kontinuierli-

che Abgleich von Ist- und Planungssoll-

Daten sorgt dabei für eine durchgängige

Verbesserung der operativen, taktischen

und strategischen Planung- und Steue-

rungsebenen. Die Kernfunktionen des

Systems bieten u.a. umfassende Analy-

semethoden zur Ermittlung, Aufberei-

tung und strukturierten Auswertung re-

levanter Kennzahlen (KPI). Die Software

kann alle gängigen Datenformate lesen,

die heterogenen Daten aus unterschied-

lichen Quellen nutzungs- und anwen-

dungsgerecht formatieren und mit

ihnen arbeiten, ohne dass sie in Zwi-

schenschritten harmonisiert werden

müssen. Dadurch wird die Software im

Dialog mit ERP-Systemen eine zentrale

Datendrehscheibe.

Kostenstrukturen ermitteln

Bei Bosch geht es dabei „nicht allein um

die Überprüfung von einzelnen Relatio-

nen und einfachen Strukturen, sondern

um eine übergreifende Netzwerkanalyse

LIEFERKETTENDESIGN | SUPPLY CHAIN MANAGEMENT

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In Szenarien können Veränderungen in die Planungsmodelle einbezogen, deren Auswirkungen auf die Strukturen und TCO überprüft und die Modelle entspre-chend angepasst werden.

mit komplexen Kostenstrukturen“, so Dr.

Lippolt. Diese wurde im vergangenen

Jahr für ein komplettes Netzwerk der 15

Geschäftsbereiche auf Basis der vorhan-

denen Ist-Daten durchgeführt und Opti-

mierungsvarianten ermittelt. Dafür wur-

den die erfassten Ist-Werte aller Bosch-

Werke und Lagerstandorte der Ge-

schäftsbereiche in PSIglobal importiert

und sukzessive die jeweiligen Lieferan-

ten, Kunden und Transporttarife in die Si-

mulationsmodelle eingepflegt.

Wo sind die Kostentreiber?

Mit dem Analyse- und Planungssystem

wurden Schlüsselelemente und Kosten-

treiber für das Netzwerk-Design weiter

konkretisiert und Einsparpotenziale wie

etwa bei Bestand- und Transportkosten in

Höhe von 13 Prozent realisiert. Nach den

Erfolgen beim Design der bestehenden

Netzwerke soll PSIglobal das SCND von

Bosch nun auch bei der von Netzwerken

neuer Produktgruppen unterstützen. „Die

Anforderungen bei der Planung und Ge-

staltung neuer Netze sind etwas andere“,

sagt Lippolt. „Wir verfolgen dabei ein

übergreifendes Product Lifecycle Manage-

ment, das bereits beim Produktentwick-

lungsprozess beginnt, und binden bei der

kombinatorischen Betrachtung von Pro-

duktion, Produktlebenszyklus und Logistik

dynamische Effekte ein.“ Mit der Berück-

sichtigung von Absatzmärkten und Le-

benszyklus für ein neues Produkt definie-

ren sich Anforderungen an das künftige

Netzwerk, es wird beispielsweise nicht nur

auf ein so genanntes Anlaufwerk ausge-

richtet, das das Produkt herstellen soll.

Zudem werden mögliche Kapazitätserwei-

terungen in der Planung berücksichtigt.

Sämtliche Faktoren lassen sich in PSIglobal

einbinden, variieren, simulieren und abbil-

den. Schlüsselsegmente, so Lippolt, seien

neben den Herstellungskosten insbeson-

dere Transport, Verpackung und Lagerlo-

gistik. Für ein optimales Produktnetzwerk

müssten diese Faktoren im Zusammen-

spiel mit Einkauf, Produktion und Absatz-

märkten zusammengeführt und unter op-

timalen TCO-Strukturen in Einklang ge-

bracht werden. Während des Entste-

hungsprozesses von Produkt und Produk-

tionsprozessen fließen dazu alle zusätzlich

ermittelten Informationen in die Planun-

gen des Logistiknetzwerkes ein.

Szenarien durchspielen

Mit der Szenariotechnologie des Systems

werden die Veränderungen in die Pla-

nungsmodelle einbezogen, deren Auswir-

kungen auf die Strukturen und TCO über-

prüft und die Modelle entsprechend an-

gepasst. „Damit bietet das Analyse- und

Planungssystem hervorragende Entschei-

dungsgrundlagen“, schildert Dr. Lippolt.

„Ein bestehendes Netzwerk später zu op-

timieren, ist äußerst aufwändig und

schwierig. Wir können das Gros der Varia-

blen von vorn herein in die ganzheitliche

Betrachtung einbeziehen und das Netz-

werk bestmöglich planen und gestalten.“

Künstliche Intelligenz

Bei seinen Logistikprozessen setzt Bosch

auf Digitalisierung. Mit dem Datenmaterial

im IT-System steht dem Unternehmen

dabei ein digitaler Zwilling des gesamten

SC-Netzwerks mit allen relevanten Daten

aus dem ERP-System, anderen Datenban-

ken sowie zusätzlichen Informationen wie

Tarifen, bestehenden Anlagen und Lagern,

die Verkehrsinfrastruktur und den Res-

sourcen zur Verfügung. „Damit ergeben

sich für uns interessante Ansätze etwa

eines automatisierten Abweichungsmana-

gements, das die Ist-Daten kontinuierlich

analysiert, mit den Plan-/Zielvorgaben ab-

gleicht und Abweichungen ausweist, oder

bei der automatisierten Identifizierung

von Kostentreibern, Varianten, der Einbin-

dung von Risikoanalysen und der Ablei-

tung von entsprechenden Szenarien“, be-

richtet Dr. Lippolt. In den Standardpro-

dukten der Logistics Suite kommen daher

auch Methoden der künstlichen Intelli-

genz (KI) wie etwa Fuzzy Logic, neuro-

nale Netze oder Deep Learning zum Ein-

satz. Für PSIglobal bedeutet das bei-

spielsweise eine automatisierte Identifi-

kation und den Abgleich von Schlüssel-

kostentreibern, Risiken und Potenzialen –

selbstständig und selbstlernend auf Basis

hinterlegter Definitionen. ■

Der Autor Rainer Barck ist Freier Journalist

bei RBB in München.

www.psilogistics.com

SUPPLY CHAIN MANAGEMENT | LIEFERKETTENDESIGN

IT&Production 12/2018

Das System erschließt Einsparpotenziale bei Netzwerkkosten wie Zoll-, Bestand- und Transportkosten in Höhe von 13 Prozent.

Bilder: Robert Bosch GmbH

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| SUPPLY CHAIN MANAGEMENTPROCUREMENT

IT&Production 12/2018

In der Fertigungswirtschaft spiele in

vielen Bereichen die Individualisie-

rung des Bedarfs eine große Rolle,

sagt Dr. Elmar Bräkling, Professor für Be-

schaffung und Logistik im Fachbereich

Wirtschaftswissenschaften der Hoch-

schule Koblenz. „Das heißt: Die Kunden

möchten hochindividualisiert ausgestal-

tete Produkte – bis hinunter zu Los-

größe 1 – in möglichst kurzen Leadtimes

haben. Und das muss sich zu industriali-

sierbaren Kosten realisieren lassen.“ Di-

gitalisierung mache das möglich. Nötig

seien dafür hochflexible Fertigungssys-

teme, die vom Endkunden über die ei-gene Fertigung bis hin zu den Lieferan-

ten miteinander vernetzt sind. Kernkom-

ponente sei laut Bräkling das Internet

der Dinge: Herkömmliche Erzeugnisse

und Produkte würden intelligent, indem

sie ein eigenes Gedächtnis bekommen,

beispielsweise durch RFID-Technologie

oder andere Lösungen, durch die

Mensch und Maschine kommunizieren

können. Dadurch könnten nicht zuletzt

auch neue Geschäftsmodelle entwickelt

werden. „Im Rahmen von Industrie 4.0

wird also über die klassische physische

Supply Chain, in der Produkte und

Dienstleistungen entstehen, eine dezen-

tral gesteuerte digitale Supply Chain ge-legt“, erklärt Bräkling. Darüber solle der

Einkauf Bescheid wissen, sprich Prozess-

kompetenz besitzen und Lieferanten in

die Systematik einbinden, um mitreden

zu können. Bräkling: „Seit jeher beklagen

wir uns im Einkauf darüber, dass wir

nicht eingebunden sind in grundsätzli-

che Entscheidungen und zu spät ins

Rennen kommen. Doch das Problem

liegt bei uns. Denn, wenn das stimmt,

heißt das doch nichts anderes als: Wir

haben als Sparringspartner intern keinen

Mehrwert. Also müssen wir etwas dafür

tun, dass wir von den Kollegen anders

wahrgenommen werden, und zwar als

kompetente Organisation, die Nutzen stiftet und anderen Abteilungen hilft.“

Die Digitalisierung wird den Einkauf deutlich verändern. Wie sollte er sich angesichts wechselnder Beschaffungs-portfolios, der steigenden Vernetzung mit Partnern und der Echtzeitverfügbarkeit in-terner und externer Daten in Zukunft aufstellen? Dieser Frage geht Elmar Bräkling, Professor für Beschaffung und Logistik im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Koblenz, seit Jahren nach. Einige Gedan-ken formulierte der Wissen-schaftler auf einer Veranstal-tung des eProcurement-Dienstleisters Newtron.

Prozesse abwickeln reicht nicht mehr

Einkauf der Zukunft

Professor Dr.-Ing. Elmar Bräkling (l.), Professor der Hochschule Koblenz und Experte für Beschaffung und Logistik, als Keynote Speaker des Expertenforums des eProcurement-Dienstleisters Newtron. Neben ihm: Gastgeber Olaf Conradt, Geschäftsführer von Newtron.

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SUPPLY CHAIN MANAGEMENT | PROCUREMENT

IT&Production 12/2018

Workflow einer E-Auktion von Newtron

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Digitalisierung braucht noch

Hektik und blinder Aktionismus seien nach

Ansicht von Bräkling aber nicht angesagt.

„Den Zeitraum, in dem sich Fertigungsorga-

nisationen im beschriebenen Sinne flächen-

deckend verändern werden, schätzen wir

auf über 15 Jahre“, so Bräkling. Außerdem

betreffe die Digitalisierung in der Fertigung

nicht alle gleich stark, betont er. Die Unter-

schiede lägen in den Kundenanforderun-

gen. „Wenn ich ein genormtes Massengut

produziere, wie standardisierte Ladungsträ-

ger, dann spielt die Fähigkeit, schnell und

individuell bis auf Losgröße 1 zu fertigen,

überhaupt keine entscheidende Rolle. Be-

rücksichtigt werden muss, dass die digitale

Transformation im eigenen Unternehmen

schließlich auch viel Geld kostet, das nur

dann ausgegeben werden sollte, wenn es

auch wirklich sinnvoll ist.“ Also sei es ganz

wichtig, einen Blick dafür zu haben, wie

breit und wie tief die Digitalisierung jeweils

zu sein hat, um das Unternehmen zukunfts-

fähig zu machen.

Blick nach Innen

Ist die Entscheidung für eine digitale Trans-

formation seitens der strategischen Ge-

schäftsführung gefallen, habe das je nach

Höhe des Digitalisierungsgrades Konse-

quenzen für den Einkauf. Bräkling: „Deshalb

sollte der Einkauf von Beginn der Transfor-

mation an eine Stimme haben, also eigent-

lich schon bei der Produktidee, noch vor

der Produktentwicklung.“ Hierfür geeignet

seien insbesondere „sozial anschlussfähige

Führungskräfte mit Fachbereichserfahrung.“

Nur wer die Probleme der Mitstreiter

kenne und verstehe, mit ihnen argumentie-

ren könne und in der Lage sei, genau dafür

einen Nutzen zu stiften, könne seine ei-

gene Position in den Dialog einbringen.

Wenn das System ausfällt

Auch sollte der Einkauf über neue Business-

Risiken, die sich im Rahmen der Digitalisie-

rung ergeben, Bescheid wissen. Was, wenn

beispielsweise das anfangs beschriebene

End-to-End-System ausfällt? Wenn dann

nicht schnell und unkompliziert auf eine

Second Source gewechselt werden kann,

gibt es Probleme. Aber ein Second-Source-

System ständig mitlaufen zu lassen ist

teuer. Es gilt auch hier jeden Einzelfall zu

prüfen. Weitere Risiken seien Datenklau

und Dateninfiltration, sprich Sabotage, sagt

Bräkling. Hat der Einkauf darüber keine Ah-

nung und dafür keine Lösung parat, werde

es schwer mit seiner Akzeptanz nach Innen

ins Unternehmen. Es gehe also für den Ein-

kauf darum, verstärkt mit der IT und

Rechtsabteilung zusammenzuarbeiten, um

gemeinsam marktfähige Industrie 4.0-Lie-

feranten- und Industrie 4.0-Risikostandards

zu entwickeln. Dafür sollte der Einkauf der

Zukunft offen sein und sich entsprechend

einbringen können. Gleiches gelte für die

operative Supply-Chain-Verzahnung des

Einkaufs, also die Integration oder zumin-

dest enge Kooperation der Funktionen Be-

schaffung und Logistik.

Ebenen in Einklang bringen

„In Marktrichtung haben wir zwei Ebenen

des Einkaufs: einerseits eine strategisch-

planerische Ebene, sprich Sourcing-Strate-

gien, Lieferantenmanagement et cetera“,

sagt Bräkling. „Und andererseits haben wir

die Marktbearbeitung, das Liniengeschäft.“

Auf der strategisch-planerischen Ebene

ziehe die Digitalisierung eine Anpassung

der Instrumente nach sich. Wenn sich im

Zuge der Vernetzung von IT, Logistik und

Fertigung – oder auf der Produktseite

durch Hardware, Software und Datenma-

nagement – Prozesse und Produkte verän-

dern, passen oft die hergebrachten Mate-

rialgruppen-Schlüssel nicht mehr. „Man

muss nicht alles anders machen, aber man

sollte hinterfragen, an welchen Stellen sich

durch die Digitalisierung Änderungen voll-

ziehen, weil sich Märkte verändern. Und

dann muss ich auch die Materialgruppen-

schlüssel so anpassen, dass sie marktge-

recht werden“, schildert Bräkling. Hier

komme es auf eine Arretierung der Materi-

algruppen im Hinblick auf Industrie 4.0-

Technologien wie 3D-Technologie oder

Big-Data-Services an. Es sind also Lieferan-

ten gefragt, die das bieten können. Ansons-

ten greifen nicht zuletzt auch die digitalen

Einkaufs-Tools und -Prozesse, wie eAuktio-

nen (siehe Grafik), ins Leere.

Noch immer People-Business

Im Liniengeschäft erfordern nach Bräkling

die neuen Technologien und Geschäftsmo-

delle eine selektive Anpassung des Markt-

verhaltens im Einkauf. Bräkling unterschei-

det hier je nach Prägung vier Markttypen:

Wettbewerbspartnerschaften, Wertschöp-

fungspartnerschaften, Abwicklungspartner-

schaften und Beziehungspartnerschaften.

Der Einkauf werde sich nicht in allen vier

Fällen zum “digitalen Algorithmus” entwi-

ckeln, wie einige Marktbeobachter be-

fürchten, sondern auch im digitalen Zeital-

ter ein People Business bleiben. „Der per-

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| SUPPLY CHAIN MANAGEMENTPROCUREMENT

IT&Production 12/2018

dieser ein Monopol besitzt, werden sich im

Zeitalter der Digitalisierung laut Bräkling

erst einmal nicht verändern. „Macht bleibt

Macht“, sagt er. „Die persönliche Beziehung

zum Lieferanten bestimmt hier wesentlich

den Erfolg der Zusammenarbeit.“ Der per-

sönliche Draht zum Geschäftspartner

diene als Schadensbegrenzung und ver-

schaffe Vorteile gegenüber dem eigenen

Wettbewerb. „Was sich aber verändern

wird, ist die Quantität von Monopolbezie-

hungen“, so Bräkling. „Die neuen Ferti-

gungstechnologien ermöglichen für viele

Produkte und Leistungen – nicht für alle –

eine Absenkung von Wechselbarrieren.“ Al-

lerdings müsse der Einkauf hier klug vorge-

hen und fähig sein, den Fachbereichen, die

oft eine lang anhaltende intensive Bezie-

hung zu den Lieferanten pflegen und diese

nicht so einfach aufgeben wollen, mit

guten Argumenten entgegenzutreten und

ein gewisses Risiko in Kauf zu nehmen, um

auf der Lieferantenseite bessere Konditio-

nen durchzusetzen.

Einkaufsorganisation angepasst

Was heißt das alles jetzt für die Einkaufs-

organisation? „Klassisch haben wir eine

Drei-Ebenen-Struktur“, schildert Bräkling.

„Oben das Leadership, also eine Einkaufs-

leitung – eingebettet im Unternehmen

und angebunden an Lieferanten. Auf der

nächsten Ebene befindet sich der strate-

gische und operative Einkauf, der in der

Regel eine Lead-Bying-Matrix aufweist –

Materialgruppen orientiert. Und wir haben

auf der dritten Ebene mit Querschnitts-

Funktion den Support, der das Controlling

übernimmt und den operativen Einkauf

mit IT-Systemen, Tools und Prozessen un-

terstützt.“ Fester Bestandteil dieser IT-Sys-

teme und Tools ist beispielsweise eine

eProcurement-Lösung mit

elektronischem Katalog

(siehe Grafik). Wie verändert

sich durch die Digitalisierung

dieses Profil? Bräkling: „Im

Grundsatz bleibt es erhalten.

Es ändern sich aber einige

Details.“ Künftig sei es wich-

tig, auf der Ebene unterhalb

des Leaderships die Indivi-

dualkompetenzen der Fach-

kräfte stärker als bislang zu

berücksichtigen, um die Wir-

kung des Einkaufs im Unter-

nehmen und in den Märkten zu erhöhen.

Bräkling unterscheidet hier zwischen den

sogenannten Tekkies (Technologieexper-

ten), die für die Marktvorbereitung zu-

ständig seien und den Dealmakern mit

Fokus auf die Realisierung aller Marktakti-

vitäten. Auch auf der dritten Ebene, dem

Support, werde es im Rahmen der Digita-

lisierung Veränderungen geben. Der Be-

reich IT-Systeme, Tools und Prozesse

werde technologisch aufgerüstet und In-

dustrie 4.0-fähig gemacht.

Wer verharrt, verliert

Zusammenfassend meint Bräkling: „Die Di-

gitalisierung bedeutet nicht eine radikale

Veränderung der Einkaufswelt in ihrer

Grundlogik. Einkauf bleibt ein People-Busi-

ness. Aber die Digitalisierung verändert die

Handlungsbasis, und zwar das Spiel von

Angebot und Nachfrage. Und das ist eine

Kernkompetenz des Einkaufs.“ Wer in der

alten Materialgruppen-Denke verharre,

werde über kurz oder lang bedeutungslos.

Der Einkauf müsse sich nicht zuletzt im ei-

genen Unternehmen als zukunftsgerichtet

und lösungsorientiert präsentieren. Das

schaffe Vertrauen und mache den Einkauf

zur allseits respektierten Fachabteilung, die

in Entscheidungsprozesse einbezogen wird.

„Es ist wichtig, Marktentwicklungen antizi-

pieren zu können und konstruktiv dabei

mitzuwirken, die Risiken der anderen Abtei-

lungen im Unternehmen zu dämpfen und

gleichzeitig wirtschaftlich voranzukommen.

„Und das ist viel mehr als bloße Prozessab-

wicklung“, so Bräkling. ■

Der Autor Rüdiger Stettinski ist Redakteur bei

schönknecht : kommunikation.

www.newtron.de

Ein eProcurement-Workflow grafisch dargestellt.

sönliche Kontakt spielt weiterhin eine we-

sentliche Rolle“, so Bräkling. „Dennoch gibt

es Veränderungen im Detail.“ Wertschöp-

fungspartnerschaften, in denen einkau-

fende Unternehmen langfristig und auf Au-

genhöhe mit Zulieferern zusammenarbei-

ten, die System- und Problemlösungskapa-

zität sowohl für Produkte und Bauteile als

auch für Prozessinnovationen anbieten,

bleiben ein kooperatives Geschäft mit dem

Fokus auf Innovation und Zeit. Neue Tech-

nologien würden aber den Marktdialog und

das Marktverhalten verändern.

Prozesswissen schützt Firmen

Durch die Digitalisierung, also die IT-Inte-

gration in die Produktionsmittel, entstün-

den zudem neue Geschäftsmodelle. „Ich

kann Maschinen verkaufen, wie ich heute

IT-Software verkaufe“, erläutert Bräkling.

Vernetzung und Steuerungssoftware in

den Maschinen und Anlagen bestimmen

dann die eigentliche Wertschöpfung. Re-

gelmäßige Prozessänderungen, Release-

Wechsel, komplexe Maintenance-Services

und Update-Zwang seien Hebel der Liefe-

ranten, die sie gewinnbringend einsetzen

können. „Der klassische Maschineneinkäu-

fer, der zwar exakt weiß, wie Bohren, Dre-

hen, Fräsen und Schweißen geht, aber

von den Veränderungen in der Wert-

schöpfung keine Ahnung hat, dürfte Pro-

bleme bekommen. Denn er wird die Kon-

sequenzen seiner Anschaffung auf der

Kostenseite möglicherweise falsch ein-

schätzen“, betont Bräkling.

Abhängigkeiten bleiben

Beziehungspartnerschaften, die dadurch

gekennzeichnet sind, dass das Unterneh-

men vom Lieferanten abhängig ist, weil

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SUPPLY CHAIN MANAGEMENT |

Die geographische Lage Deutsch-

lands lässt den Logistikmarkt boo-

men: 25 Prozent des gesamten

Logistikumsatzes in Europa erwirtschaften

Unternehmen in der Bundesrepublik. Die

Logistikbranche ist in Deutschland dabei

der drittgrößte Wirtschaftsbereich nach

Automobilwirtschaft und Handel. Rund

60.000 überwiegend mittelständische Un-

ternehmen agieren auf diesem Sektor.

Die letzte Meile

Der Onlinehandel hat die Branche stark ver-

ändert: Immer mehr Waren werden im In-

ternet bestellt und in Privathaushalte ver-

schickt. Laut Parcel Shipping Index werden

weltweit jedes Jahr 68Mrd. Pakete gelie-

fert. Dadurch entstehen neue Herausforde-

rungen. Eine betrifft die sogenannte letzte

Meile – also den Transport der Waren vom

Depot zum Kunden. Wegen verteilter Lie-

ferpunkte und kleiner Mengen lassen sich

die Waren kaum bündeln. Zudem kommt

es häufig vor, dass aufgrund der Abwesen-

heit ein zweiter, teurer Zustellungsversuch

erfolgen muss. Laut Untersuchungen ist die

letzte Meile für mehr als 50 Prozent der

Gesamtkosten verantwortlich und somit

der größte Kostenfaktor bei Paketlieferun-

gen. Auch die zunehmende Verkehrsdichte

Durch die Digitalisierung des Lieferprozesses könnten schon bald Roboter Pakete aus-liefern. Bevor es soweit ist, müssen aber noch einige Herausforderungen gelöst werden. Den Unternehmen ist zwar bewusst, dass die Digitalisierung der Supply-Chain-Prozesse wichtig ist, jedoch fehlen Erfahrunsgwerte.

LOGISTIK

IT&Production 12/2018

Wenn der Roboter klingeltKonzepte für die letzte Meile

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Page 11: SUPPLY CHAIN MANAGEMENT (SCM) · 2019-02-06 · SUPPLY CHAIN MANAGEMENT | K. unden messen den Erfolg eines Lieferanten auch daran, dass die-ser die Waren schneller liefert als der

stellt für die Branche ein Problem dar. Die

Zahl der Lieferfahrzeug steigt dabei stetig

an. So machen Lieferfahrzeuge mittlerweile

30 Prozent des Verkehrs aus und sind in

Stoßzeiten an 80 Prozent der Staus betei-

ligt. So sinkt die Produktivität der Liefer-

dienste, da die Autos im Stau stehen und

vorgegebene Routen und Zeiten nicht ein-

gehalten werden können. Eine weitere He-

rausforderung stellt die Lieferung am sel-

ben Tag dar. Um diese komplexen Prozesse

wirtschaftlich zu lösen, suchen Logistikun-

ternehmen nach Lösungen. Eine Chance

liegt dabei in der Digitalisierung.

Dynamische Wertschöpfungsketten

Durch Vernetzung können starre Wert-

schöpfungsketten zu dynamischen Wert-

schöpfungsnetzwerken werden. Mehrere

Lösungen, die dies bewirken sollen, sind in

der Erprobungsphase. Eine Möglichkeit ist

die Lieferung per Roboter. Diese bietet sich

besonders in Innenstadtbereichen an.

Damit dies jedoch gelingt, müssen alle Ak-

teure miteinander vernetzt werden: Das

Warenlager, der Transporter sowie der Ro-

boter. Dadurch können Unternehmen bei-

spielsweise durch geschicktes Flottenma-

nagement Frachtraum noch besser nutzen.

Durch sogenanntes Platooning lässt sich

zudem der Kraftstoffverbrauch von Lkws

senken, was gerade bei zunehmenden Pa-

ketlieferungen relevant ist. Zudem kann die

Vernetzung dank intelligentem Verkehrs-

management und intelligenter Parkraumsu-

che dabei helfen, Staus zu vermeiden.

Bestehende und neue Lösungen vernetzen

Für Logistikunternehmen ist es wichtig,

dass durch Vernetzung sowohl beste-

hende Kommunikationslösungen als auch

Neuanschaffungen verbunden werden.

Ein Ansatz dafür ist eine offene Plattform.

Diese sollte für Kunden bzw. Partner of-

fene und flexible Software- und Hard-

ware-Komponenten zur Verfügung stel-

len. So können Applikationsentwickler

sich voll und ganz auf die Anforderungen

komplexer Use Cases konzentrieren, wäh-

rend die Plattform die Probleme der Inte-

gration im Fahrzeug löst und die Kommu-

nikation des Fahrzeugs mit der Außen-

welt sicherstellt. Ebenfalls wichtig für die

drahtlose Kommunikation ist eine robuste

und sichere Konnektivität. Diese bietet

eine im Fahrzeug eingebettete Connecti-

vity-Plattform. Sie sollte das Fahrzeug so-

wohl nach innen als auch nach außen ver-

netzen und gleichzeitig so skalierbar sein,

dass unterschiedlichste Fahrzeugtypen

miteinander verknüpfen kann. Das muss

auch dann funktionieren, wenn kein Inter-

net zur Verfügung steht. Neben Echtzeit-

daten und einer schnellen Datenanalyse

muss für einen optimierten und autono-

men Logistikverkehr auch eine netzunab-

hängige und permanente Verbindung zu

anderen, teilweise auch autonomen Fahr-

zeugen gegeben sein. Die Konnektivitäts-

lösung sollte daher alle Technologien in-

klusive Mobilfunkstandards, WLAN und

Bluetooth beinhalten und der fahrzeugin-

ternen Kommunikation eine hohe Daten-

bandbreite gewährleisten.

Schutz vor Cyberangriffen

Für Logistik-Unternehmen gilt es zudem,

den Schutz vor Cyberkriminellen im

Auge zu behalten. Sicherheitsexperten

und Hacker stehen in einem ständigen

Wettkampf miteinander. Um beispiels-

weise vernetzte Fahrzeuge vor den Ge-

fahren zu schützen, müssen diese regel-

mäßig mit Updates versorgt werden.

Eine Möglichkeit, die Vielzahl von Gerä-

ten in Fahrzeugen in kurzer Zeit zu ak-

tualisieren, ist das Einspielen von Soft-

ware über die Mobilfunk-Schnittstelle,

bezeichnet als Firmware-Over-the-Air

(FOTA). Schwachstellen können so

schnell ausgebessert, neue Funktionen

integriert und kryptografische Verfahren

– mit denen etwa die Steuergeräte ab-

gesichert werden – modernisiert werden.

Erfahrungswerte fehlen

Eine Studie des Marktanalyse- und Bera-

tungsunternehmens PAC im Auftrag der

Deutschen Telekom und T-Systems be-

scheinigt, dass erst vier Prozent der Be-

triebe eine vollkommen vernetzte Um-

gebung geschaffen haben. Für die Befra-

gung wurden 150 IT- und Business-Ent-

scheider aus der Fertigungs- und Logis-

tikbranche befragt. Die Studie zeigt,

dass Effizienzdruck (77 Prozent), die not-

wendige Steigerung der Wettbewerbs-

fähigkeit (73 Prozent) sowie die Erhö-

hung der Agilität und Flexibilität (71 Pro-

zent) für Unternehmen wichtige Motiva-

tionsfaktoren sind, verstärkt in IoT-Pro-

jekte zu investieren. Diese Zahlen zei-

gen, dass Unternehmen zwar wissen,

dass die Digitalisierung ihrer Supply-

Chain-Prozesse wichtig ist, ihnen jedoch

Erfahrungswerte und Best-Practice-Bei-

spiele fehlen. Ohne Orientierungshilfe

fühlen sich viele Unternehmen zu unsi-

cher, um diesen Prozess zu starten. Eine

offene, im Fahrzeug eingebettete Kon-

nektivitätsplattform setzt genau dort an.

So können auch kritische Problemstel-

lungen gelöst und die Vorteile der Digi-

talisierung genutzt werden. ■

Der Autor Dietmar Schnepp ist Product

Director bei Laird Technologies.

www.lairdtech.com

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IT&Production 12/2018