SONDERTEIL
SUPPLY CHAIN
MANAGEMENT (SCM)
Software - Expertensysteme - Strategie
www.it-production.com
Bild: © Industrieblick /Fotolia.com
E-PAPERSONDERTEILE, BRANCHENSPECIALS, THEMENSCHWERPUNKTE
In der Logistik können unbemannte Flugroboter schon heute helfen, Bestände auto-matisiert zu erfassen. Was dem flächendeckenden Einsatz dieser Technik noch im Wege steht, sind die Lücken in den digitalen Abläufen der Firmen – und die sind der oft schlechten IT-Infrastruktur in Deutschland geschuldet. Es gibt also noch viel zu tun.
SUPPLY CHAIN MANAGEMENT |
Kunden messen den Erfolg eines
Lieferanten auch daran, dass die-
ser die Waren schneller liefert als
der Wettbewerber. Eine Alternative zur
traditionellen Lieferung bieten daher
Transportdrohnen, da es in der Luft weder
zu einem Stau kommen, noch eine Ampel
auf Rot springen kann. Es ist nicht ver-
wunderlich, dass Unternehmen als wich-
tigste Treiber für die Entwicklung von
Transportdrohnen gelten. Die unbemann-
ten Flugkörper sollen dabei nicht nur die
Auslieferung beschleunigen. Sie kommen
auch in der Bestandserfassung zum Ein-
satz. Smarte Mikrokopter, ausgestattet
mit sensibler Technologie, fliegen Regal-
reihen ab und scannen die Waren, sie
überfliegen Produktionsanlagen und La-
gerplätze und führen eine automatisierte
Leergutinventur durch oder wirken beim
Flottenmanagement mit. Für ein effekti-
ves Bestandserfassungsmanagement
muss der eigentliche Flugroboter mit
einer hochentwickelten Sensorik ausge-
stattet sein, da ein großes Datenvolumen
verarbeitet werden muss. Die gesammel-
ten Daten müssen dann per Software auf
ein Dashboard oder Desktop übertragen,
visualisiert und analysiert werden, sodass
der Status der Waren für das Manage-
ment auf einen Blick erkennbar ist und
Basis für solide Entscheidungen sein kann.
Im Idealfall erfolgt diese Übertragung via
Funk oder WLAN simultan zur Bestands-
erfassung. Um Waren auch in Blocklagern
und im Außenbereich ohne einen Label-
BESTANDSERFASSUNG
IT&Production 12/2018
Erfassen im VorbeifliegenDrohnen im Lager
Bilder: © Patrick Tiedtke/mind.fabric GmbH
Eine Drohne kann die Bestände zweier Regalreihen in 27 Minuten erfassen, die Bestandserfassung dauert 45 Minuten pro Regalseite.
Bild: © Patrick Tiedtke/mind.fabric GmbHScanvorgang aufnehmen zu können,
muss der Mikrokopter mit hochauflösen-
den Kameras ausgestattet sein. Durch Si-
multaneous Localization and Mapping
(SLAM) können sich Drohnen autonom
fortbewegen – auch im Innenbereich.
Dazu kartieren die unbemannten Flug-
körper zunächst die Umgebung und stel-
len gleichzeitig die eigene Position fest.
So kann sich das Flugobjekt GPS- und
WiFi-frei durch ein unbekanntes Terrain
navigieren, ohne dass bereits eine Karte
vorhanden sein muss.
Zwei Regalreihen in 27 Minuten
Der Einsatz von Drohnen kann sowohl das
Management als auch die Mitarbeiter
entlasten, denn eine manuelle Bestands-
erfassung ist häufig zeitintensiv. Eine
Drohne hingegen kann die Bestände
zweier Regalreihen in 27 Minuten erfas-
sen, während die manuelle Bestandserfas-
sung 45 Minuten pro Regalseite in An-
spruch nimmt. Zudem liefert die Drohne
auch qualitative Informationen über die
Lagertemperatur, die Luftfeuchtigkeit
sowie über den Zustand der Verpackung.
Insbesondere für das Bestandsmanage-
ment von Waren, deren Lagerung ständi-
ger Überwachung bedarf, sind diese Fä-
higkeiten von großem Wert. Trotzdem
entscheiden sich in der Praxis viele Unter-
nehmen für einen anderen Weg der Da-
tenvisualisierung. Nach der Bestandserfas-
sung werden die gesammelten Daten von
einem Mitarbeiter via USB-Stick auf einen
Rechner übertragen. Dann erst überprüfen
die meisten Verantwortlichen die Ergeb-
nisse der Bestandserfassung.
Keine geeignete Infrastruktur
Der Grund, warum die simultane Daten-
übertragung nicht vermehrt zum Einsatz
kommt, liegt in einer Herausforderung, mit
der sich alle deutschen Unternehmen kon-
frontiert sehen, die ihre Produktions- und
Logistikprozesse automatisieren wollen.
Die digitale Infrastruktur in Deutschland er-
möglicht derzeit keine vollständige Auto-
matisierung der Produktion und der Logis-
tik. Wollen Unternehmen reibungslose, pa-
rallel ablaufende Produktions- und Logistik-
prozesse ermöglichen, sind sie auf den lü-
ckenlosen Durchsatz großer Datenpakete
angewiesen. Ist dieser nicht gewährleistet,
besteht das Risiko, dass Abläufe ins Sto-
cken oder zum Erliegen kommen. Die digi-
tale Infrastruktur ist dabei schon auf Grund
ihrer Physis nicht für den Durchsatz von
Datenpaketen dieser Größe geeignet. Hinzu
kommt, dass die Daten auch in großer
Schnelligkeit übertragen werden müssen.
Weder für das eine noch für das andere ist
die Kabelinfrastruktur in Deutschland ge-
eignet – insbesondere nicht im ländlichen
Raum, wo sich zahlreiche große Fertigungs-
und Logistikstandorte befinden. Dort er-
folgt die Breitbandversorgung größtenteils
oft über Kupferkabel. Darüber werden
Daten mit Hilfe elektrischer Signale über-
mittelt, wodurch der Transfer verlangsamt
wird und anfälliger für Störsignale ist. Bei
Glasfaserkabeln erfolgt die Übertragung
hingegen mittels Licht. Dies ermöglicht die
Übertragung größerer Datenpakete über
eine längere Strecke in kürzerer Zeit. Ob-
wohl Politik, Wirtschaft und Telekommuni-
kationsunternehmen den Glasfaserausbau
in Deutschland forcieren und seitens der
Bundesregierung bereits Gelder für den
Ausbau zur Verfügung gestellt wurden,
geht die Umstellung von Kupfer- auf Glas-
faserkabeln nur schleppend voran. Die
hohen Investitionen lohnen sich aus Sicht
der Anbieter oft nicht und auch der admi-
nistrative Aufwand erscheint insbesondere
kleineren Kommunen nicht lohnenswert.
Geringe WLAN-Reichweite
Nun könnte eingewandt werden, dass
das System einer smarten Drohne den
Datentransfer über WLAN erlaubt. In der
Praxis erweist sich diese Form der Über-
mittlung von Informationen jedoch
ebenfalls als problematisch: Die Reich-
weite dieser Netzwerke liegt meistens
zwischen 30 und 100m und hängt zudem
von der Infrastruktur des Gebäudes ab.
So können dicke Betonwände oder ein-
gebaute Stahlträger die Reichweite des
Netzwerkes stark verringern. Für die
Menge an Daten, die in einer smarten
Werkshalle übertragen werden müssten,
damit Produktion, Materialfluss und Be-
standserfassung mit simultaner Visuali-
sierung der erfassten Daten reibungslos
nebeneinander funktionieren, ist die der-
zeitige Bandbreite der Netzwerke in
Deutschland zu gering. Weder Drohnen
noch andere für das Konzept der Smart
Factory erforderliche Systeme können
also ihr Potenzial voll entfalten, da die
digitale Infrastruktur noch fehlt. ■
Der Autor Benjamin Federmann ist CEO und
Mitbegründer von Doks. Innovation GmbH.
www.doks-innovation.com
| SUPPLY CHAIN MANAGEMENTBESTANDSERFASSUNG
IT&Production 12/2018
SUPPLY CHAIN MANAGEMENT | LIEFERKETTENDESIGN
IT&Production 12/2018
Bild: Robert Bosch GmbH
neuer Netzwerke verfolgt Bosch einen
ganzheitlich funktionsübergreifenden
TCO(Total Cost of Ownership)-Ansatz.
„Der berücksichtigt nicht allein die Logis-
tik, sondern bezieht u.a. auch Einkauf,
Fertigung und die Entwicklungen der
Absatzmärkte ein“, sagt Dr. Christian Lip-
polt, Abteilungsleiter Logistics Consul-
ting bei Bosch. Bereits die Analyse der
Ist-Situation bei derartigen Projekten
einen Überblick zu behalten ist schon
für kleine Unternehmen schwer zu reali-
sieren. Für Großunternehmen wie Bosch
gilt dies umso mehr. Das Unternehmen
zählt 15 Geschäftsbereiche mit weltweit
60 Produktgruppen, 270 Produktions-
werke, 800 Logistikzentren, 20.000 di-
rekte Lieferanten und 250.000 Kunden.
Bei der Überprüfung und Optimierung
der Logistiknetze sowie der Gestaltung
Bei der Analyse und der Gestal-
tung der Produktions- und Logis-
tik-netzwerke steht eine ganz-
heitliche Betrachtung ganz oben auf der
Anforderungsliste. Es gilt, die Prozesse
und Strukturen der eigenen Produktions-
stätten, Lagerstandorte, Beschaffungs-
und Distributionswege, -transporte und
Tarife ebenso zu berücksichtigen, wie
die der Lieferanten und Kunden. Dabei
Bei der Gestaltung logistischer Netze mit komplexen Kostenstrukturen erschließt
Bosch Einsparpotenziale im zweistelligen Prozentbereich. Das strategische Analyse-
und Planungssystem PSIglobal unterstützt den Hersteller dabei.
Ein intelligentes Netzwerk aufbauen
Supply Chain Network Design
IT&Production 12/2018
erfordert eine Simulationssoftware, die
nicht nur in der Lage sein muss, die vor-
handenen Prozess- und Produktdaten zu
erfassen und zu visualisieren. Sie muss
auch die Einzelfaktoren gegeneinander
abwägen können und Fragestellungen,
wie etwa Transportkosten gegen Stand-
ortwahl modellhaft beantworten. Daraus
lassen sich die Kostenstrukturen ablesen
und verbessern. Wenn es zudem um
strategische Entscheidungen, die zu-
kunftsfähige Auslegung des Netzes,
Standortwahl, Marktfaktoren oder die
Verteilung von Volumina, Kapazitäten
und Ressourcen geht, ist eine Szenario-
Technologie gefordert, die in Wenn-
Dann-Modellen die Auswirkungen von
Veränderungen der jeweiligen Faktoren
auf das Netzwerk aufzeigt. „Für diese
Anforderungen setzen wir auf ein strate-
gisches Analyse- und Planungssystem“,
erklärt Lippolt. „Unter den Instrumenten
für das Supply-Chain-Network-Design
bringt die Szenario-Optimierung und -
Evaluierung mit der von uns eigesetzten
Software für uns den größten Nutzen.
Wir profitieren vor allem von integrier-
ten Optimierungsalgorithmen sowie der
Erweiterbarkeit und dem flexiblen De-
sign von Datenschnittstellen.“
Daten harmonisieren
Seit 2017 arbeitet Bosch bei der Opti-
mierung und Gestaltung seiner logisti-
schen Netze mit dem IT-System PSIglo-
bal aus der PSI Logistics Suite. Die mo-
dular konzipierte Standardsoftware ist
auf die Analyse und Verbesserung der
operativen, taktischen und strategi-
schen Planung- und Steuerungsebenen
logistischer Netze ausgelegt. Die Pro-
grammfunktionen ermöglichen u.a. die
kombinierte Optimierung von Produk-
tion und Logistik. Die Szenariotechnolo-
gie löst in Analyse- und Simulationsmo-
dellen zudem strategische als auch tak-
tische Fragestellungen von Logistikpro-
jekten. So verfügt das System mit dem
Modul ‘Pick-up & Delivery’ über einen
Algorithmus für die Tourenplanung. Fea-
tures zur Integration freier Geodaten
wie Open-Street-Maps steigern die In-
formationsqualität und den Detailgrad
bei der Visualisierung von Tracking &
Tracing-Anwendungen. Der kontinuierli-
che Abgleich von Ist- und Planungssoll-
Daten sorgt dabei für eine durchgängige
Verbesserung der operativen, taktischen
und strategischen Planung- und Steue-
rungsebenen. Die Kernfunktionen des
Systems bieten u.a. umfassende Analy-
semethoden zur Ermittlung, Aufberei-
tung und strukturierten Auswertung re-
levanter Kennzahlen (KPI). Die Software
kann alle gängigen Datenformate lesen,
die heterogenen Daten aus unterschied-
lichen Quellen nutzungs- und anwen-
dungsgerecht formatieren und mit
ihnen arbeiten, ohne dass sie in Zwi-
schenschritten harmonisiert werden
müssen. Dadurch wird die Software im
Dialog mit ERP-Systemen eine zentrale
Datendrehscheibe.
Kostenstrukturen ermitteln
Bei Bosch geht es dabei „nicht allein um
die Überprüfung von einzelnen Relatio-
nen und einfachen Strukturen, sondern
um eine übergreifende Netzwerkanalyse
LIEFERKETTENDESIGN | SUPPLY CHAIN MANAGEMENT
In Szenarien können Veränderungen in die Planungsmodelle einbezogen, deren Auswirkungen auf die Strukturen und TCO überprüft und die Modelle entspre-chend angepasst werden.
mit komplexen Kostenstrukturen“, so Dr.
Lippolt. Diese wurde im vergangenen
Jahr für ein komplettes Netzwerk der 15
Geschäftsbereiche auf Basis der vorhan-
denen Ist-Daten durchgeführt und Opti-
mierungsvarianten ermittelt. Dafür wur-
den die erfassten Ist-Werte aller Bosch-
Werke und Lagerstandorte der Ge-
schäftsbereiche in PSIglobal importiert
und sukzessive die jeweiligen Lieferan-
ten, Kunden und Transporttarife in die Si-
mulationsmodelle eingepflegt.
Wo sind die Kostentreiber?
Mit dem Analyse- und Planungssystem
wurden Schlüsselelemente und Kosten-
treiber für das Netzwerk-Design weiter
konkretisiert und Einsparpotenziale wie
etwa bei Bestand- und Transportkosten in
Höhe von 13 Prozent realisiert. Nach den
Erfolgen beim Design der bestehenden
Netzwerke soll PSIglobal das SCND von
Bosch nun auch bei der von Netzwerken
neuer Produktgruppen unterstützen. „Die
Anforderungen bei der Planung und Ge-
staltung neuer Netze sind etwas andere“,
sagt Lippolt. „Wir verfolgen dabei ein
übergreifendes Product Lifecycle Manage-
ment, das bereits beim Produktentwick-
lungsprozess beginnt, und binden bei der
kombinatorischen Betrachtung von Pro-
duktion, Produktlebenszyklus und Logistik
dynamische Effekte ein.“ Mit der Berück-
sichtigung von Absatzmärkten und Le-
benszyklus für ein neues Produkt definie-
ren sich Anforderungen an das künftige
Netzwerk, es wird beispielsweise nicht nur
auf ein so genanntes Anlaufwerk ausge-
richtet, das das Produkt herstellen soll.
Zudem werden mögliche Kapazitätserwei-
terungen in der Planung berücksichtigt.
Sämtliche Faktoren lassen sich in PSIglobal
einbinden, variieren, simulieren und abbil-
den. Schlüsselsegmente, so Lippolt, seien
neben den Herstellungskosten insbeson-
dere Transport, Verpackung und Lagerlo-
gistik. Für ein optimales Produktnetzwerk
müssten diese Faktoren im Zusammen-
spiel mit Einkauf, Produktion und Absatz-
märkten zusammengeführt und unter op-
timalen TCO-Strukturen in Einklang ge-
bracht werden. Während des Entste-
hungsprozesses von Produkt und Produk-
tionsprozessen fließen dazu alle zusätzlich
ermittelten Informationen in die Planun-
gen des Logistiknetzwerkes ein.
Szenarien durchspielen
Mit der Szenariotechnologie des Systems
werden die Veränderungen in die Pla-
nungsmodelle einbezogen, deren Auswir-
kungen auf die Strukturen und TCO über-
prüft und die Modelle entsprechend an-
gepasst. „Damit bietet das Analyse- und
Planungssystem hervorragende Entschei-
dungsgrundlagen“, schildert Dr. Lippolt.
„Ein bestehendes Netzwerk später zu op-
timieren, ist äußerst aufwändig und
schwierig. Wir können das Gros der Varia-
blen von vorn herein in die ganzheitliche
Betrachtung einbeziehen und das Netz-
werk bestmöglich planen und gestalten.“
Künstliche Intelligenz
Bei seinen Logistikprozessen setzt Bosch
auf Digitalisierung. Mit dem Datenmaterial
im IT-System steht dem Unternehmen
dabei ein digitaler Zwilling des gesamten
SC-Netzwerks mit allen relevanten Daten
aus dem ERP-System, anderen Datenban-
ken sowie zusätzlichen Informationen wie
Tarifen, bestehenden Anlagen und Lagern,
die Verkehrsinfrastruktur und den Res-
sourcen zur Verfügung. „Damit ergeben
sich für uns interessante Ansätze etwa
eines automatisierten Abweichungsmana-
gements, das die Ist-Daten kontinuierlich
analysiert, mit den Plan-/Zielvorgaben ab-
gleicht und Abweichungen ausweist, oder
bei der automatisierten Identifizierung
von Kostentreibern, Varianten, der Einbin-
dung von Risikoanalysen und der Ablei-
tung von entsprechenden Szenarien“, be-
richtet Dr. Lippolt. In den Standardpro-
dukten der Logistics Suite kommen daher
auch Methoden der künstlichen Intelli-
genz (KI) wie etwa Fuzzy Logic, neuro-
nale Netze oder Deep Learning zum Ein-
satz. Für PSIglobal bedeutet das bei-
spielsweise eine automatisierte Identifi-
kation und den Abgleich von Schlüssel-
kostentreibern, Risiken und Potenzialen –
selbstständig und selbstlernend auf Basis
hinterlegter Definitionen. ■
Der Autor Rainer Barck ist Freier Journalist
bei RBB in München.
www.psilogistics.com
SUPPLY CHAIN MANAGEMENT | LIEFERKETTENDESIGN
IT&Production 12/2018
Das System erschließt Einsparpotenziale bei Netzwerkkosten wie Zoll-, Bestand- und Transportkosten in Höhe von 13 Prozent.
Bilder: Robert Bosch GmbH
| SUPPLY CHAIN MANAGEMENTPROCUREMENT
IT&Production 12/2018
In der Fertigungswirtschaft spiele in
vielen Bereichen die Individualisie-
rung des Bedarfs eine große Rolle,
sagt Dr. Elmar Bräkling, Professor für Be-
schaffung und Logistik im Fachbereich
Wirtschaftswissenschaften der Hoch-
schule Koblenz. „Das heißt: Die Kunden
möchten hochindividualisiert ausgestal-
tete Produkte – bis hinunter zu Los-
größe 1 – in möglichst kurzen Leadtimes
haben. Und das muss sich zu industriali-
sierbaren Kosten realisieren lassen.“ Di-
gitalisierung mache das möglich. Nötig
seien dafür hochflexible Fertigungssys-
teme, die vom Endkunden über die ei-gene Fertigung bis hin zu den Lieferan-
ten miteinander vernetzt sind. Kernkom-
ponente sei laut Bräkling das Internet
der Dinge: Herkömmliche Erzeugnisse
und Produkte würden intelligent, indem
sie ein eigenes Gedächtnis bekommen,
beispielsweise durch RFID-Technologie
oder andere Lösungen, durch die
Mensch und Maschine kommunizieren
können. Dadurch könnten nicht zuletzt
auch neue Geschäftsmodelle entwickelt
werden. „Im Rahmen von Industrie 4.0
wird also über die klassische physische
Supply Chain, in der Produkte und
Dienstleistungen entstehen, eine dezen-
tral gesteuerte digitale Supply Chain ge-legt“, erklärt Bräkling. Darüber solle der
Einkauf Bescheid wissen, sprich Prozess-
kompetenz besitzen und Lieferanten in
die Systematik einbinden, um mitreden
zu können. Bräkling: „Seit jeher beklagen
wir uns im Einkauf darüber, dass wir
nicht eingebunden sind in grundsätzli-
che Entscheidungen und zu spät ins
Rennen kommen. Doch das Problem
liegt bei uns. Denn, wenn das stimmt,
heißt das doch nichts anderes als: Wir
haben als Sparringspartner intern keinen
Mehrwert. Also müssen wir etwas dafür
tun, dass wir von den Kollegen anders
wahrgenommen werden, und zwar als
kompetente Organisation, die Nutzen stiftet und anderen Abteilungen hilft.“
Die Digitalisierung wird den Einkauf deutlich verändern. Wie sollte er sich angesichts wechselnder Beschaffungs-portfolios, der steigenden Vernetzung mit Partnern und der Echtzeitverfügbarkeit in-terner und externer Daten in Zukunft aufstellen? Dieser Frage geht Elmar Bräkling, Professor für Beschaffung und Logistik im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Koblenz, seit Jahren nach. Einige Gedan-ken formulierte der Wissen-schaftler auf einer Veranstal-tung des eProcurement-Dienstleisters Newtron.
Prozesse abwickeln reicht nicht mehr
Einkauf der Zukunft
Professor Dr.-Ing. Elmar Bräkling (l.), Professor der Hochschule Koblenz und Experte für Beschaffung und Logistik, als Keynote Speaker des Expertenforums des eProcurement-Dienstleisters Newtron. Neben ihm: Gastgeber Olaf Conradt, Geschäftsführer von Newtron.
Bild
: New
tron
Gm
bH
SUPPLY CHAIN MANAGEMENT | PROCUREMENT
IT&Production 12/2018
Workflow einer E-Auktion von Newtron
Bild
: New
tron
Gm
bH
Digitalisierung braucht noch
Hektik und blinder Aktionismus seien nach
Ansicht von Bräkling aber nicht angesagt.
„Den Zeitraum, in dem sich Fertigungsorga-
nisationen im beschriebenen Sinne flächen-
deckend verändern werden, schätzen wir
auf über 15 Jahre“, so Bräkling. Außerdem
betreffe die Digitalisierung in der Fertigung
nicht alle gleich stark, betont er. Die Unter-
schiede lägen in den Kundenanforderun-
gen. „Wenn ich ein genormtes Massengut
produziere, wie standardisierte Ladungsträ-
ger, dann spielt die Fähigkeit, schnell und
individuell bis auf Losgröße 1 zu fertigen,
überhaupt keine entscheidende Rolle. Be-
rücksichtigt werden muss, dass die digitale
Transformation im eigenen Unternehmen
schließlich auch viel Geld kostet, das nur
dann ausgegeben werden sollte, wenn es
auch wirklich sinnvoll ist.“ Also sei es ganz
wichtig, einen Blick dafür zu haben, wie
breit und wie tief die Digitalisierung jeweils
zu sein hat, um das Unternehmen zukunfts-
fähig zu machen.
Blick nach Innen
Ist die Entscheidung für eine digitale Trans-
formation seitens der strategischen Ge-
schäftsführung gefallen, habe das je nach
Höhe des Digitalisierungsgrades Konse-
quenzen für den Einkauf. Bräkling: „Deshalb
sollte der Einkauf von Beginn der Transfor-
mation an eine Stimme haben, also eigent-
lich schon bei der Produktidee, noch vor
der Produktentwicklung.“ Hierfür geeignet
seien insbesondere „sozial anschlussfähige
Führungskräfte mit Fachbereichserfahrung.“
Nur wer die Probleme der Mitstreiter
kenne und verstehe, mit ihnen argumentie-
ren könne und in der Lage sei, genau dafür
einen Nutzen zu stiften, könne seine ei-
gene Position in den Dialog einbringen.
Wenn das System ausfällt
Auch sollte der Einkauf über neue Business-
Risiken, die sich im Rahmen der Digitalisie-
rung ergeben, Bescheid wissen. Was, wenn
beispielsweise das anfangs beschriebene
End-to-End-System ausfällt? Wenn dann
nicht schnell und unkompliziert auf eine
Second Source gewechselt werden kann,
gibt es Probleme. Aber ein Second-Source-
System ständig mitlaufen zu lassen ist
teuer. Es gilt auch hier jeden Einzelfall zu
prüfen. Weitere Risiken seien Datenklau
und Dateninfiltration, sprich Sabotage, sagt
Bräkling. Hat der Einkauf darüber keine Ah-
nung und dafür keine Lösung parat, werde
es schwer mit seiner Akzeptanz nach Innen
ins Unternehmen. Es gehe also für den Ein-
kauf darum, verstärkt mit der IT und
Rechtsabteilung zusammenzuarbeiten, um
gemeinsam marktfähige Industrie 4.0-Lie-
feranten- und Industrie 4.0-Risikostandards
zu entwickeln. Dafür sollte der Einkauf der
Zukunft offen sein und sich entsprechend
einbringen können. Gleiches gelte für die
operative Supply-Chain-Verzahnung des
Einkaufs, also die Integration oder zumin-
dest enge Kooperation der Funktionen Be-
schaffung und Logistik.
Ebenen in Einklang bringen
„In Marktrichtung haben wir zwei Ebenen
des Einkaufs: einerseits eine strategisch-
planerische Ebene, sprich Sourcing-Strate-
gien, Lieferantenmanagement et cetera“,
sagt Bräkling. „Und andererseits haben wir
die Marktbearbeitung, das Liniengeschäft.“
Auf der strategisch-planerischen Ebene
ziehe die Digitalisierung eine Anpassung
der Instrumente nach sich. Wenn sich im
Zuge der Vernetzung von IT, Logistik und
Fertigung – oder auf der Produktseite
durch Hardware, Software und Datenma-
nagement – Prozesse und Produkte verän-
dern, passen oft die hergebrachten Mate-
rialgruppen-Schlüssel nicht mehr. „Man
muss nicht alles anders machen, aber man
sollte hinterfragen, an welchen Stellen sich
durch die Digitalisierung Änderungen voll-
ziehen, weil sich Märkte verändern. Und
dann muss ich auch die Materialgruppen-
schlüssel so anpassen, dass sie marktge-
recht werden“, schildert Bräkling. Hier
komme es auf eine Arretierung der Materi-
algruppen im Hinblick auf Industrie 4.0-
Technologien wie 3D-Technologie oder
Big-Data-Services an. Es sind also Lieferan-
ten gefragt, die das bieten können. Ansons-
ten greifen nicht zuletzt auch die digitalen
Einkaufs-Tools und -Prozesse, wie eAuktio-
nen (siehe Grafik), ins Leere.
Noch immer People-Business
Im Liniengeschäft erfordern nach Bräkling
die neuen Technologien und Geschäftsmo-
delle eine selektive Anpassung des Markt-
verhaltens im Einkauf. Bräkling unterschei-
det hier je nach Prägung vier Markttypen:
Wettbewerbspartnerschaften, Wertschöp-
fungspartnerschaften, Abwicklungspartner-
schaften und Beziehungspartnerschaften.
Der Einkauf werde sich nicht in allen vier
Fällen zum “digitalen Algorithmus” entwi-
ckeln, wie einige Marktbeobachter be-
fürchten, sondern auch im digitalen Zeital-
ter ein People Business bleiben. „Der per-
Bild
: New
tron
Gm
bH
| SUPPLY CHAIN MANAGEMENTPROCUREMENT
IT&Production 12/2018
dieser ein Monopol besitzt, werden sich im
Zeitalter der Digitalisierung laut Bräkling
erst einmal nicht verändern. „Macht bleibt
Macht“, sagt er. „Die persönliche Beziehung
zum Lieferanten bestimmt hier wesentlich
den Erfolg der Zusammenarbeit.“ Der per-
sönliche Draht zum Geschäftspartner
diene als Schadensbegrenzung und ver-
schaffe Vorteile gegenüber dem eigenen
Wettbewerb. „Was sich aber verändern
wird, ist die Quantität von Monopolbezie-
hungen“, so Bräkling. „Die neuen Ferti-
gungstechnologien ermöglichen für viele
Produkte und Leistungen – nicht für alle –
eine Absenkung von Wechselbarrieren.“ Al-
lerdings müsse der Einkauf hier klug vorge-
hen und fähig sein, den Fachbereichen, die
oft eine lang anhaltende intensive Bezie-
hung zu den Lieferanten pflegen und diese
nicht so einfach aufgeben wollen, mit
guten Argumenten entgegenzutreten und
ein gewisses Risiko in Kauf zu nehmen, um
auf der Lieferantenseite bessere Konditio-
nen durchzusetzen.
Einkaufsorganisation angepasst
Was heißt das alles jetzt für die Einkaufs-
organisation? „Klassisch haben wir eine
Drei-Ebenen-Struktur“, schildert Bräkling.
„Oben das Leadership, also eine Einkaufs-
leitung – eingebettet im Unternehmen
und angebunden an Lieferanten. Auf der
nächsten Ebene befindet sich der strate-
gische und operative Einkauf, der in der
Regel eine Lead-Bying-Matrix aufweist –
Materialgruppen orientiert. Und wir haben
auf der dritten Ebene mit Querschnitts-
Funktion den Support, der das Controlling
übernimmt und den operativen Einkauf
mit IT-Systemen, Tools und Prozessen un-
terstützt.“ Fester Bestandteil dieser IT-Sys-
teme und Tools ist beispielsweise eine
eProcurement-Lösung mit
elektronischem Katalog
(siehe Grafik). Wie verändert
sich durch die Digitalisierung
dieses Profil? Bräkling: „Im
Grundsatz bleibt es erhalten.
Es ändern sich aber einige
Details.“ Künftig sei es wich-
tig, auf der Ebene unterhalb
des Leaderships die Indivi-
dualkompetenzen der Fach-
kräfte stärker als bislang zu
berücksichtigen, um die Wir-
kung des Einkaufs im Unter-
nehmen und in den Märkten zu erhöhen.
Bräkling unterscheidet hier zwischen den
sogenannten Tekkies (Technologieexper-
ten), die für die Marktvorbereitung zu-
ständig seien und den Dealmakern mit
Fokus auf die Realisierung aller Marktakti-
vitäten. Auch auf der dritten Ebene, dem
Support, werde es im Rahmen der Digita-
lisierung Veränderungen geben. Der Be-
reich IT-Systeme, Tools und Prozesse
werde technologisch aufgerüstet und In-
dustrie 4.0-fähig gemacht.
Wer verharrt, verliert
Zusammenfassend meint Bräkling: „Die Di-
gitalisierung bedeutet nicht eine radikale
Veränderung der Einkaufswelt in ihrer
Grundlogik. Einkauf bleibt ein People-Busi-
ness. Aber die Digitalisierung verändert die
Handlungsbasis, und zwar das Spiel von
Angebot und Nachfrage. Und das ist eine
Kernkompetenz des Einkaufs.“ Wer in der
alten Materialgruppen-Denke verharre,
werde über kurz oder lang bedeutungslos.
Der Einkauf müsse sich nicht zuletzt im ei-
genen Unternehmen als zukunftsgerichtet
und lösungsorientiert präsentieren. Das
schaffe Vertrauen und mache den Einkauf
zur allseits respektierten Fachabteilung, die
in Entscheidungsprozesse einbezogen wird.
„Es ist wichtig, Marktentwicklungen antizi-
pieren zu können und konstruktiv dabei
mitzuwirken, die Risiken der anderen Abtei-
lungen im Unternehmen zu dämpfen und
gleichzeitig wirtschaftlich voranzukommen.
„Und das ist viel mehr als bloße Prozessab-
wicklung“, so Bräkling. ■
Der Autor Rüdiger Stettinski ist Redakteur bei
schönknecht : kommunikation.
www.newtron.de
Ein eProcurement-Workflow grafisch dargestellt.
sönliche Kontakt spielt weiterhin eine we-
sentliche Rolle“, so Bräkling. „Dennoch gibt
es Veränderungen im Detail.“ Wertschöp-
fungspartnerschaften, in denen einkau-
fende Unternehmen langfristig und auf Au-
genhöhe mit Zulieferern zusammenarbei-
ten, die System- und Problemlösungskapa-
zität sowohl für Produkte und Bauteile als
auch für Prozessinnovationen anbieten,
bleiben ein kooperatives Geschäft mit dem
Fokus auf Innovation und Zeit. Neue Tech-
nologien würden aber den Marktdialog und
das Marktverhalten verändern.
Prozesswissen schützt Firmen
Durch die Digitalisierung, also die IT-Inte-
gration in die Produktionsmittel, entstün-
den zudem neue Geschäftsmodelle. „Ich
kann Maschinen verkaufen, wie ich heute
IT-Software verkaufe“, erläutert Bräkling.
Vernetzung und Steuerungssoftware in
den Maschinen und Anlagen bestimmen
dann die eigentliche Wertschöpfung. Re-
gelmäßige Prozessänderungen, Release-
Wechsel, komplexe Maintenance-Services
und Update-Zwang seien Hebel der Liefe-
ranten, die sie gewinnbringend einsetzen
können. „Der klassische Maschineneinkäu-
fer, der zwar exakt weiß, wie Bohren, Dre-
hen, Fräsen und Schweißen geht, aber
von den Veränderungen in der Wert-
schöpfung keine Ahnung hat, dürfte Pro-
bleme bekommen. Denn er wird die Kon-
sequenzen seiner Anschaffung auf der
Kostenseite möglicherweise falsch ein-
schätzen“, betont Bräkling.
Abhängigkeiten bleiben
Beziehungspartnerschaften, die dadurch
gekennzeichnet sind, dass das Unterneh-
men vom Lieferanten abhängig ist, weil
SUPPLY CHAIN MANAGEMENT |
Die geographische Lage Deutsch-
lands lässt den Logistikmarkt boo-
men: 25 Prozent des gesamten
Logistikumsatzes in Europa erwirtschaften
Unternehmen in der Bundesrepublik. Die
Logistikbranche ist in Deutschland dabei
der drittgrößte Wirtschaftsbereich nach
Automobilwirtschaft und Handel. Rund
60.000 überwiegend mittelständische Un-
ternehmen agieren auf diesem Sektor.
Die letzte Meile
Der Onlinehandel hat die Branche stark ver-
ändert: Immer mehr Waren werden im In-
ternet bestellt und in Privathaushalte ver-
schickt. Laut Parcel Shipping Index werden
weltweit jedes Jahr 68Mrd. Pakete gelie-
fert. Dadurch entstehen neue Herausforde-
rungen. Eine betrifft die sogenannte letzte
Meile – also den Transport der Waren vom
Depot zum Kunden. Wegen verteilter Lie-
ferpunkte und kleiner Mengen lassen sich
die Waren kaum bündeln. Zudem kommt
es häufig vor, dass aufgrund der Abwesen-
heit ein zweiter, teurer Zustellungsversuch
erfolgen muss. Laut Untersuchungen ist die
letzte Meile für mehr als 50 Prozent der
Gesamtkosten verantwortlich und somit
der größte Kostenfaktor bei Paketlieferun-
gen. Auch die zunehmende Verkehrsdichte
Durch die Digitalisierung des Lieferprozesses könnten schon bald Roboter Pakete aus-liefern. Bevor es soweit ist, müssen aber noch einige Herausforderungen gelöst werden. Den Unternehmen ist zwar bewusst, dass die Digitalisierung der Supply-Chain-Prozesse wichtig ist, jedoch fehlen Erfahrunsgwerte.
LOGISTIK
IT&Production 12/2018
Wenn der Roboter klingeltKonzepte für die letzte Meile
Bild
: ©za
pp2p
hoto
/sto
ck.ad
obe.
com
/ La
ird T
echn
olog
ies
stellt für die Branche ein Problem dar. Die
Zahl der Lieferfahrzeug steigt dabei stetig
an. So machen Lieferfahrzeuge mittlerweile
30 Prozent des Verkehrs aus und sind in
Stoßzeiten an 80 Prozent der Staus betei-
ligt. So sinkt die Produktivität der Liefer-
dienste, da die Autos im Stau stehen und
vorgegebene Routen und Zeiten nicht ein-
gehalten werden können. Eine weitere He-
rausforderung stellt die Lieferung am sel-
ben Tag dar. Um diese komplexen Prozesse
wirtschaftlich zu lösen, suchen Logistikun-
ternehmen nach Lösungen. Eine Chance
liegt dabei in der Digitalisierung.
Dynamische Wertschöpfungsketten
Durch Vernetzung können starre Wert-
schöpfungsketten zu dynamischen Wert-
schöpfungsnetzwerken werden. Mehrere
Lösungen, die dies bewirken sollen, sind in
der Erprobungsphase. Eine Möglichkeit ist
die Lieferung per Roboter. Diese bietet sich
besonders in Innenstadtbereichen an.
Damit dies jedoch gelingt, müssen alle Ak-
teure miteinander vernetzt werden: Das
Warenlager, der Transporter sowie der Ro-
boter. Dadurch können Unternehmen bei-
spielsweise durch geschicktes Flottenma-
nagement Frachtraum noch besser nutzen.
Durch sogenanntes Platooning lässt sich
zudem der Kraftstoffverbrauch von Lkws
senken, was gerade bei zunehmenden Pa-
ketlieferungen relevant ist. Zudem kann die
Vernetzung dank intelligentem Verkehrs-
management und intelligenter Parkraumsu-
che dabei helfen, Staus zu vermeiden.
Bestehende und neue Lösungen vernetzen
Für Logistikunternehmen ist es wichtig,
dass durch Vernetzung sowohl beste-
hende Kommunikationslösungen als auch
Neuanschaffungen verbunden werden.
Ein Ansatz dafür ist eine offene Plattform.
Diese sollte für Kunden bzw. Partner of-
fene und flexible Software- und Hard-
ware-Komponenten zur Verfügung stel-
len. So können Applikationsentwickler
sich voll und ganz auf die Anforderungen
komplexer Use Cases konzentrieren, wäh-
rend die Plattform die Probleme der Inte-
gration im Fahrzeug löst und die Kommu-
nikation des Fahrzeugs mit der Außen-
welt sicherstellt. Ebenfalls wichtig für die
drahtlose Kommunikation ist eine robuste
und sichere Konnektivität. Diese bietet
eine im Fahrzeug eingebettete Connecti-
vity-Plattform. Sie sollte das Fahrzeug so-
wohl nach innen als auch nach außen ver-
netzen und gleichzeitig so skalierbar sein,
dass unterschiedlichste Fahrzeugtypen
miteinander verknüpfen kann. Das muss
auch dann funktionieren, wenn kein Inter-
net zur Verfügung steht. Neben Echtzeit-
daten und einer schnellen Datenanalyse
muss für einen optimierten und autono-
men Logistikverkehr auch eine netzunab-
hängige und permanente Verbindung zu
anderen, teilweise auch autonomen Fahr-
zeugen gegeben sein. Die Konnektivitäts-
lösung sollte daher alle Technologien in-
klusive Mobilfunkstandards, WLAN und
Bluetooth beinhalten und der fahrzeugin-
ternen Kommunikation eine hohe Daten-
bandbreite gewährleisten.
Schutz vor Cyberangriffen
Für Logistik-Unternehmen gilt es zudem,
den Schutz vor Cyberkriminellen im
Auge zu behalten. Sicherheitsexperten
und Hacker stehen in einem ständigen
Wettkampf miteinander. Um beispiels-
weise vernetzte Fahrzeuge vor den Ge-
fahren zu schützen, müssen diese regel-
mäßig mit Updates versorgt werden.
Eine Möglichkeit, die Vielzahl von Gerä-
ten in Fahrzeugen in kurzer Zeit zu ak-
tualisieren, ist das Einspielen von Soft-
ware über die Mobilfunk-Schnittstelle,
bezeichnet als Firmware-Over-the-Air
(FOTA). Schwachstellen können so
schnell ausgebessert, neue Funktionen
integriert und kryptografische Verfahren
– mit denen etwa die Steuergeräte ab-
gesichert werden – modernisiert werden.
Erfahrungswerte fehlen
Eine Studie des Marktanalyse- und Bera-
tungsunternehmens PAC im Auftrag der
Deutschen Telekom und T-Systems be-
scheinigt, dass erst vier Prozent der Be-
triebe eine vollkommen vernetzte Um-
gebung geschaffen haben. Für die Befra-
gung wurden 150 IT- und Business-Ent-
scheider aus der Fertigungs- und Logis-
tikbranche befragt. Die Studie zeigt,
dass Effizienzdruck (77 Prozent), die not-
wendige Steigerung der Wettbewerbs-
fähigkeit (73 Prozent) sowie die Erhö-
hung der Agilität und Flexibilität (71 Pro-
zent) für Unternehmen wichtige Motiva-
tionsfaktoren sind, verstärkt in IoT-Pro-
jekte zu investieren. Diese Zahlen zei-
gen, dass Unternehmen zwar wissen,
dass die Digitalisierung ihrer Supply-
Chain-Prozesse wichtig ist, ihnen jedoch
Erfahrungswerte und Best-Practice-Bei-
spiele fehlen. Ohne Orientierungshilfe
fühlen sich viele Unternehmen zu unsi-
cher, um diesen Prozess zu starten. Eine
offene, im Fahrzeug eingebettete Kon-
nektivitätsplattform setzt genau dort an.
So können auch kritische Problemstel-
lungen gelöst und die Vorteile der Digi-
talisierung genutzt werden. ■
Der Autor Dietmar Schnepp ist Product
Director bei Laird Technologies.
www.lairdtech.com
| SUPPLY CHAIN MANAGEMENTLOGISTIK
IT&Production 12/2018