28
Zukunftsfähig! Magazin der Evangelischen Akademie Bad Boll ISSN 1613-3714 64670 Einzelpreis 3.- Dezember 2010 4 Schwerpunktthema Zukunftsfähig! Die Zukunft der Entwicklungs- zusammenarbeit Zukunftsfähige Gesundheit Wachstum und Wohlfahrt – ein alternatives Verständnis von Wirtschaftswachstum Jugendliche engagieren sich für die Zukunft Demografischer Wandel im europäischen Netzwerk Mohammed oder die Fußspuren einer Biografie Tagungsvorschau Integration durch musikalische Bildung Wie evangelisch ist die soziale Marktwirtschaft? Tierschutztagung Rückblende, Onlinetexte Publikationen Service

SYM 4-2010

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Magazin der Evangelischen Akademie Bad Boll

Citation preview

Page 1: SYM 4-2010

Zukunftsfähig!

Magazin der Evangelischen Akademie Bad Boll

ISSN 1613-3714 64670 Einzelpreis € 3.-

Dezember 20104

Schwerpunktthema Zukunftsfähig!

Die Zukunft der Entwicklungs-zusammenarbeit

Zukunftsfähige Gesundheit

Wachstum und Wohlfahrt – ein alternatives Verständnisvon Wirtschaftswachstum

Jugendliche engagieren sichfür die Zukunft

Demografischer Wandel imeuropäischen Netzwerk

Mohammed oder dieFußspuren einer Biografie

Tagungsvorschau

Integration durch musikalischeBildung

Wie evangelisch ist die sozialeMarktwirtschaft?

Tierschutztagung

Rückblende, Onlinetexte

Publikationen

Service

Page 2: SYM 4-2010

SYM 4/2010

Mohammed oder Fußspureneiner Biografie 14

Was kommt ... 15Vorschau auf Tagungen in der Zeit vom 10. Dezember 2010 bis 2. April 2011

Aus der Akademie 21

Publikationen 22

Impressum 24

Meditation 25

i n h a l t

Elly Weiblen: Gegenspiel, 51 cm x 81 cm,Tusche / Papier

TitelbildPeter Riek beim Aufbau seiner Arbeit »bleib« »zurück« im Frühherbst im AkademiegartenFoto: Martina Waiblinger

aktuell ... 2Preis für Akademieprogramm »Wegeins Netz!«Aktionsbündnis Kirche mit WeitblickEinmal mitten in der Kunst schlafen ...im Kunstzimmer Peter RiekEvangelische Akademien im Web beiwww.evangelisch.de

Rückblende – Onlinedokumente 3Rückblick auf vergangene Tagun-gen sowie Links zu interessantenBeiträgen

Ausstellung 8»Zuordnungen« – Malerei undZeichnungen von Elly WeiblenAusstellung vom 6. Februar bis 27. März 2011

Schwerpunkt: Zukunftsfähig! 9Entwicklung neu denken« Die Zukunftder EntwicklungszusammenarbeitGood Old Europe. DemografischerWandel im europäischen NetzwerkZukunftsfähige Gesundheit –Krankheiten bewahren, aber auchGesundheit fördern und bewahrenWachstum und Wohlfahrt –Bruttoinlandsprodukt undAlternativenJung – engagiert – integriert

Page 3: SYM 4-2010

Liebe Leserin, Lieber Leser,

mit Zukunftsfähigkeit wird an vielen Stellen argu-mentiert. Im politischen Bereich sind die derzeitigheftig debattierten Themen dabei: Stuttgart 21,Verlängerung der Laufzeiten der Atommeiler, Flug-hafenausbau in Berlin, Integration … Befürworterund Gegner reden von Zukunftsfähigkeit, davon,dass die zukünftigen Herausforderungen bewältigtwerden müssen. Dass in den genannten Debattenimmer auch ein gehöriges Maß an Enttäuschungüber erlebte Politikgestaltung mitschwingt, lasseich außen vor und frage: Was meinen wir, wenn wirZukunftsfähigkeit sagen? Woran messen wir die Zu-kunftsfähigkeit der einen oder der anderen Lösung?Drei Parameter sind mindestens zu beachten: Zum einen geht es um sozi-ale Gerechtigkeit als Maßstab. Dazu gehört natürlich die Frage: Wer pro-fitiert davon und wer bezahlt das Ganze? In diesem Kontext ist auch diedemografische Herausforderung zu beachten. Zum anderen geht es beider Zukunftsfähigkeit um die ökologische Tragfähigkeit von Konzeptenund Entscheidungen. Welche langfristigen Folgen hat ein Projekt bzw.eine Entscheidung? Und nicht zuletzt ist die ökonomische Effizienz alsKriterium der Zukunftsfähigkeit zu prüfen.

In diesem Heft stellen wir Ihnen vor, wie sich dieses Thema in unsererTagungsarbeit wieder findet. Die gesellschaftspolitische Jugendbildung mit Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund, die Frage derZukunft der Entwicklungszusammenarbeit, des Gesundheitswesens, desdemografischen Wandels in Europa und die Diskussionen um Alternativenzu einem traditionellen Verständnis von Wirtschaftswachstum sind hier-für Beispiele. Wir engagieren uns, weil wir gemeinsam mit vielen anderendas Gemeinwohl vor den Eigennutz stellen, weil wir der Stadt Bestessuchen wollen.

Diese Zeilen schreibe ich mitten in der Auseinandersetzung um die Zu-kunft der Evangelischen Akademie Bad Boll. Die für die kommenden Jahreprognostizierten Kirchensteuerrückgänge werden zum Anlass genommen,ein Sparpaket in der Landessynode umzusetzen zu beschließen. Davon istauch die gesellschaftspolitische Tagungsarbeit der Evangelischen Akade-mie Bad Boll massiv betroffen. Und das bedeutet, dass wir zukünftig vie-les, was bisher wirkungsvoll gestaltet wurde, nicht mehr machen können.Die Einschnitte gehen ins Mark. Ich halte dies für Kirche – und Gesell-schaft – für keine zukunftsfähige Entscheidung.

Ihnen allen Dank für die Zusammenarbeit, die Unterstützung und Stär-kung, für solidarisch-kritische Hinweise in den vergangenen Monaten.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeitund grüße Sie herzlich

Ihr Joachim L. Beck, Geschäftsführender Direktor

e d i t o r i a l

1SYM 4/2010

Page 4: SYM 4-2010

Preis für Akademieprogramm »Wege ins Netz!«

Berlin / Das Bundesministerium für Wirtschaft und Tech-nologie hat am 8. September auf der IFA in Berlin diePreisträger des bundesweiten Wettbewerbs »Wege insNetz« ausgezeichnet. Die Evangelische Akademie Bad Bollerhielt in der Kategorie »Praktische Hilfe und Unterstüt-zung: Internetneulinge begleiten« für das »Multimedia-camp: Das vernetzte Leben«, das der Studienleiter undSportbeauftragte der Landeskirche Volker Steinbrecher je-des Jahr an Ostern durchführt, den dritten Preis. Prämiertwurden insgesamt zehn Projekte, die auf vorbildliche Weise Menschen beim Einstieg ins Netz unterstützen oderunerfahrenen Internetnutzern Hilfen bieten. Der Parla-mentarische Staatssekretär Hans-Joachim Otto sagte an-lässlich der Preisverleihung: »Es ist uns ein großes Anlie-gen, alle Menschen fit für das immer wichtiger werdendeInternet zu machen. Derzeit sind noch rund ein Viertel derBundesbürger offline. Dabei spielen etwa der Bildungs-grad, das Alter oder das Geschlecht eine Rolle. Mit demWettbewerb »Wege ins Netz« zeichnen wir Projekte aus,die auch diese Menschen ins Internet bringen oder sie beider weiteren Nutzung unterstützen.«

Ausgezeichnet wurden mit dem Wettbewerb Projekte indrei Kategorien, die unterschiedliche Zielgruppen anspre-chen: »Erste Wege ins Netz: Interneteinsteiger begeistern«,»Praktische Hilfe und Unterstützung: Internetneulinge be-gleiten« und »Kenntnisse«. In jeder Kategorie vergab dieJury einen ersten, zweiten und dritten Platz mit Preisgel-dern in Höhe von 5.000, 2.500 und 1.000 Euro. Zusätzlichwurde der mit 5.000 Euro dotierte Sonderpreis »SozialeNetzwerke« vergeben. Eine 28-seitige Broschüre mit allen Informationen stehtzum Download zur Verfügung unter:www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Service/publikationen,did=357480.html

Aktionsbündnis Kirche mit Weitblick

In der Stuttgart Leonhardskirche fand ein landesweiterAktionstag des Bündnisses »Kirche mit Weitblick« statt.Unmittelbar vor der evangelischen Landessynode vom 22.bis 25. November in Schwäbisch Gmünd ging es um einernstes Anliegen: Die Kirche dürfe sich nicht aus ihrergesellschaftlichen Verantwortung zurückziehen.

10 Millionen Euro muss die württembergische Landeskir-che wegen zurückgehender Kirchensteuereinnahmen inden nächsten Jahren einsparen. Wo, darüber entschied dieLandessynode, die auf dem Schönblick tagte. Eine »AGZukunft« unter Vorsitz des Schorndorfer Dekans VolkerTeich hat klare Vorstellungen: Unter anderem sollen Per-sonalstellen im Bereich Frieden, Umweltschutz, Chancen-gleichheit, Männerarbeit und christlich-jüdischer Dialogerheblich eingeschränkt oder sogar ganz gestrichen wer-den; die Anzahl der Studienleiter in der EvangelischenAkademie Bad Boll soll in den Dialogteams von 13 auf9 Stellen reduziert werden.

Darin sieht das Bündnis »Kirche mit Weitblick« eine kir-chenpolitisch motivierte einseitige Kürzung zentraler Auf-gabenbereiche. Ausgerechnet dort, wo es um drängendeFragen der Gesellschaft geht, würde sich die Kirche ausder Gesellschaft zurückziehen. Statt dessen wünscht sich»Kirche mit Weitblick« zuerst eine inhaltliche Diskussiondarüber, »welche Kirche wir in Zukunft wollen«, bevor derRotstift an der falschen Stelle angesetzt wird. Zum Ak-tionstag in der Stuttgarter Leonhardskirche fanden sichgut hundert Menschen ein. Zahlreiche Initiativen undEinrichtungen waren vertreten, aber auch Ehrenamtlicheaus Werken, Einrichtungen und Kirchengemeinden. Siemachten deutlich, dass ihnen die Zukunft der Württem-bergischen Landeskirche am Herzen liegt und sie mitredenmöchten, wenn es um wichtige Entscheidungen geht. Da-rüber hinaus haben inzwischen über 500 Menschen fürdas »Aktionsbündnis Kirche mit Weitblick« unterschrieben.

a k t u e l l

2SYM 4/2010

Preisverleihung am 8. September. Staatssekretär Hans-Joachim Otto(li.) überreicht dem Vertreter der Evangelischen Akademie Bad Boll, Ralf Häussler, die Urkunde. Ein Aktionstag des Bündnisses »Kirche mit Weitblick« fand am

19. November in der Leonhardskirche in Stuttgart statt. Das Bündnisfordert eine inhaltliche Diskussion, bevor der Rotstift angesetzt wird.

Page 5: SYM 4-2010

a k t u e l l

3SYM 4/2010

Als Hauptredner waren Studienleiter Jobst Kraus von derEvangelischen Akademie Bad Boll und Pfarrer StephanSchwarz (Großdeinbach) geladen. Beide entwarfen sieeine Vision »Kirche 2040«. Kraus stellte die Vision einernachhaltig wirtschaftenden Landeskirche vor, die sich alsselbstbewusst, weltoffen und gastfreundlich präsentiere.Schwarz als Gemeindepfarrer zeichnete das Bild einer»Gemeinde mit Weitblick in einer Kirche mit Weitblick«:

Einschneidende Veränderungen seien un-ausweichlich aufgrund zurückgehenderfinanzieller und personeller Ressourcen.Dennoch werde Kirche vor Ort präsentsein, als »Kirche für andere«: ökumenisch,diakonisch und dialogisch. Als konkretesBeispiel nannte er die Chance der öku-menischen Nutzung eines gemeinsamenGemeindehauses, was für die beteiligtenGemeinden die Kosten halbiere und derUmwelt zugute komme.Im Anschluss an die beiden Vorträge sam-melten die Teilnehmer des AktionstagesWünsche und Hoffnungen und pinnten siean eine Türe, die zur Eröffnung der Lan-dessynode nach Schwäbisch Gmünd ge-bracht wurden. Die Rede von Jobst Kraus

steht auf der Website der Evangelischen Akademie BadBoll: www.ev-akademie-boll.de/onlinedokumenteInfos: www.kirchemitweitblick.de

Martin Schwarz

Einmal mitten in der Kunst schlafen ...... im Kunstzimmer Peter Riek

Bleibenden Eindruck hinterlassen Ausstellungen bei denBetrachtenden – selten aber an den Wänden. Diesmal istes anders. Der Heilbronner Künstler Peter Riek plante alsTeil seiner Ausstellung »schattenboxen – Räume derZeichnung« (19. September bis 31. Oktober) in der Aka-demie auch künstlerische Eingriffe in Garten und Haus. In dem Zimmer, das er in das einzige Kunstzimmer derAkademie verwandelte, ist aufs Schönste auch nach demEnde seiner Ausstellung zu sehen, was es heißt, durchStörungen Dekoration zu vermeiden. Ein frisches die Sinne anregendes Grün gibt den AugenFarbe satt zu sehen. Weiße Linien durchschneiden dasGrün kreuz und quer, ohne erkennbares Muster. Man fühltsich erinnert an gespannte und locker gelassene Wollfä-den, die über einen Untergrund gezogen sind. Den ruhigenGegenpart bilden die beiden in Ölfarbe und Bleistift aufPapier gebrachten und gerahmten Zeichnungen »blühen,blühen« aus diesem Jahr. Das bevorzugte Medium des Künstlers bestimmt denRaum, der wiederum zur Wahrnehmung, zur Annäherungund Distanznahme herausfordert. Unbeteiligt lässt er nie-manden. Er bietet vielmehr Anlass zu Fragen, die dieKunst an uns stellt, während wir meinen, sie zu befragen.So erinnert uns der Raum daran, dass Wahrnehmung das

Durcheinander von Gedanken und Eindrücken ist, mit demwir täglich umgehen und das auszuhalten wir gelernt ha-ben. Risiken und Nebenwirkungen sind dabei nicht ausge-schlossen. Die Irritation des Anfangs ist allen Gästen desKunstzimmers zu wünschen – besteht doch die Aussicht –wenn schon nicht auf die ruhige Nacht, so doch auf dasAufwachen in einem besonderen Raum. Der Künstler Peter Riek überlässt die Ausstattung desZimmers der Akademie zunächst als Leihgabe. Damit seinImpuls nachhaltig werden und das Kunstzimmer bleiben-den Eindruck bei seinen Gästen hinterlassen kann, brauchtdie Akademie noch die Mittel, um die Leihgaben ankaufenzu können. Bitte unterstützen Sie diese Aktion mit IhrerÜbernachtung!

Evangelische Akademien bei www.evangelisch.de

Seit November sind die Evangelischen Akademien inDeutschland auch auf der EKD-Seite www.evangelisch.deerreichbar: www.evangelisch.de/kompass/akademien Das vom gep (Gemeinschaftswerk der EvangelischenPublizistik) betriebene Internetportal wurde im Herbst2009 gestartet und hat zur Zeit 200.000 Einzelbesucher(unique visitors) pro Monat mit ca. 900.000 Einzelsei-tenaufrufen (page impressions). Der Bereichsleiter Öffent-lichkeitsarbeit des Dachverbands der Evangelischen Aka-demien in Deutschland Jörg Schütz verspricht sich vomAuftritt auf www.evangelisch.de eine Erhöhung der Reich-weite des Angebots der Akademien, einen guten Zugangzu einem jüngeren Publikum sowie eine bessere Vernet-zung mit anderen Evangelischen Organisationen undKirchen. Das Thema im Vordergrund wechselt jeden Mo-nat, der aktuelle Auftritt wird weiter ausgebaut. Auf die-ser Seite finden Sie auch ein Video an, das den Vorsit-zenden des Dachverbands der Evangelischen Akademienin Deutschland und Akademiedirektor in Bad Boll JoachimL. Beck zeigt, der sich zur Geschichte und aktuellen Situ-ation der Akademien in Bibel TV äußert:www.evangelisch.de/kompass/akademien/vorstandsvorsitzender-joachim-l-beck-im-interview24006

Bei Spenden im dreistelligen Bereich haben Sie eine Nacht imKunstzimmer frei.

Page 6: SYM 4-2010

Harald Welzer, Sozialpsychologe,Direktor des »Center for Interdiscipli-nary Memory Research« (Forschungs-gruppe Erinnerung und Gedächtnis)am Kulturwissenschaftlichen Institutin Essen ist u.a. bekannt durch dieBücher »Opa war kein Nazi – Natio-nalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis«, »Täter. Wie ausganz normalen Menschen Massen-mörder werden« und »Klimakriege.Wofür im 21. Jahrhundert getötetwird«. In die Akademie kam er zueiner ausgiebigen Frage-und-Antwort-Runde. Die Themen des zweistündigen Podi-umsgesprächs waren vielfältig. ImHintergrund stand aber stets das Ver-sagen der Politik in Bezug auf dieHerausforderungen der vielen Um-weltprobleme (Überfischung, Über-müllung, Klimawandel). Von der Po-litik seien – laut Welzer – keine ernst-haften Lösungen zu erwarten. Undsomit sieht Harald Welzer den Sou-verän, also die Bevölkerung, in derVerantwortung. In einer Demokratiehat jeder Mensch einen Handlungs-spielraum, »und sei er noch so klein«.Diesen kann und sollte er nutzen, umVeränderungen in die Wege zu leiten.Dabei muss man kein »Polit-Öko-Mönch« sein, sondern kann bei ganzeinfachen Sachen anfangen – wiezum Beispiel bei der Umstellung vonEssgewohnheiten.Andererseits attestiert Harald Welzerder deutschen Bevölkerung »Anfängeeiner Repolitisierung der Öffentlich-keit« (neue Anti-AKW-Bewegung,Stuttgart 21), und diese sei absolutnotwendig. Denn momentan sei diepolitische Öffentlichkeit quasi nichtexistent. Die Gründe für eine fehlendeProtestbewegung seien »shiftingbaselines«, also die Veränderung vonWertemaßstäben und eine abgebro-chene Tradition sozialer Bewegungennach den großen sozialen Bewegun-gen in den 80er Jahren.Auch eine Lösung auf internationalerEbene scheint nach Welzers Ausfüh-rungen unwahrscheinlich. Dafür ver-antwortlich ist nicht nur die Organi-sationsstruktur der Konferenzen, son-

r ü c k b l e n d e

4SYM 4/2010

Preis im Wettbewerb »kli-mafair« für engagiertenHausmeister der Akademie

Mit rund 22.000 Gemeinden und57.000 weiteren Einrichtungen sinddie Evangelischen Kirchen und ihreDiakonischen Werke einer der großenEnergieverbraucher in Deutschland.Gemeinsam mit Gemeinden, kirchli-chen Einrichtungen und Werken riefder Deutsche Evangelische Kirchentagdeshalb zum bundesweiten Wettbe-

werb »klimafair 2010« auf. Viele span-nende Projekte wurden eingereicht,von Solarenergie über Heizungsopti-mierung bis zum klimafreundlichenKonsum. Am 25. September hat dieJury in der Kirchentagsstadt Dresden2011 im Rahmen eines Praxistags derSächsischen Energieagentur die Preiseverliehen. Neben den zwei Hauptprei-sen für die ErlöserkirchgemeindePotsdam und für die ÖkumenischeEnergiegenossenschaft Baden-Würt-temberg gab es acht weitere Preise.Einen davon hat Timmy Schradererhalten. Der Hausmeister ist im Kel-ler der Evangelischen Akademie uner-müdlich zugange, den hier im Dun-keln arbeitenden Energieräubern aufdie Spur zu kommen. Stück für Stückwechselt er defekte in neue Heizungs-pumpen um – die Akademie hat ins-gesamt 50 davon. Denn Heizungs-pumpen, die hier in der Regel älter alssieben Jahre und ungeregelt sind,verbrauchen sehr viel Strom: Eine altePumpe mittlerer Größe mit 90 Wattverbrät im Jahr 783 Kilowattstunden.Eine neue – geregelte – Pumpe ver-

braucht, da sie mit weniger Leistungnur dann läuft, wenn es notwendigist, pro Jahr 143 Kilowattstunden. CO2-Einsparungen pro Jahr: ca. 500 kg pro Pumpe. Tipp vom Hausmeister in Bad Boll anHausbesitzer: »Wenn Thermostatven-tile Strömungsgeräusche verursachen,ist die Pumpenleistung zu hoch. Diesist speziell bei älteren ungeregeltenPumpen der Fall. Eine elektronischgeregelte Pumpe spart ca. 40 bis80 Euro Stromkosten pro Jahr«.

»Unsere Kinder sollen es malschlechter haben als wir«– ein Podiumsgespräch mit HaraldWelzer über den Klimawandel

Die Tagung »Migration durch Klima-wandel« (24.-26.9.) brachte wissen-schaftliche Prominenz nach Bad Boll.

Timmy Schrader, Hausmeister der EvangelischenAkademie Bad Boll hat im Heizungskeller dieSchöpfungsbewahrung entdeckt.

Der 2. Preis in dem Wettbewerb »klimafair« erhielt die ÖkumenischeEnergiegenossenschaft, deren ers-tes Projekt die Solaranlage auf demneuen Südflügel der EvangelischenAkademie Bad Boll ist. Die Energie-genossenschaft will Kirchengemein-den und kirchliche Einrichtungendabei unterstützen, aktiv eigeneWege bei der Nutzung erneuerbarerEnergien zu gehen. Die Geschäfts-form der Genossenschaft ist dabeibewusst gewählt worden, um mög-lichst vielen Menschen eine Beteili-gung an erneuerbarer Energiegewin-nung bei kirchlichen Liegenschaftenanbieten zu können: Bereits mit 100Euro Mindesteinlage haben Mitglie-der ein Stimmrecht. Ende Septemberist eine zweite Anlage auf dem Dachder Tagungsstätte »Waldheim« derEvangelischen Gesamtkirchenge-meinde Esslingen ans Netz gegan-gen. Nun gilt es, weitere Projekte zufinden und umzusetzen – und dafürweitere Genossenschaftsmitgliederzu werben. Auch Unternehmungenmit anderen Energieträgern wieWasser- und Windkraft sowie Bio-masse sind möglich. Die CO2-Ein-sparungen pro Jahr: in Bad Boll bis-lang 21, in Esslingen 19 Tonnen. Infos: www.oekumenische-energiegenossenschaft.de

Page 7: SYM 4-2010

r ü c k b l e n d e

5SYM 4/2010

dern vor allem die Tatsache, dass eineProblemlösung gar nicht ernsthaftzustande kommen soll. »Es existiertkein politischer Wille dafür.« Westeuropa, Amerika und die Schwel-lenländer haben keine Motivation, dasie von den Folgen des Klimawandelserst deutlich später und weniger starkbetroffen sind. Zum Abwenden derKatastrophen wäre ein erneutes Auf-flammen des Problembewusstseinsder Gesellschaft notwendig, damit esden Politikern schwerer fallen würde,Entscheidungen gegen das Allgemein-wohl zu treffen. Die Ausrede »die ma-chen doch sowieso, was sie wollen«,sei nicht akzeptabel. Jeder kann aufkommunaler Ebene, auf individuellerEbene Veränderungen anstoßen, undwenn sie noch so klein sind. Sonstwird die heutige Generation späterweniger Chancen und Möglichkeitenhaben, sich zu entwickeln und zuentfalten als die vergangenen – einebisher einzigartige Gegebenheit in der Moderne.

Jonathan Führer, Praktikant, siehe auch Onlinedokumente, S. 6-7

Nicht nur Sauna und Nokia55. Jahreskonferenz der Ökumeni-schen Vereinigung der Akademien»Oikosnet Europe«

Vom 8.-12. September 2010 trafensich 33 Akademieleiter aus 14 euro-päischen Ländern zur jährlichen Kon-ferenz in Järvenpää / Finnland. DieVersammlung wählte Waltraut Kova-cic aus Österreich zur neuen Präsiden-tin, Constantinos Kenanidis aus Grie-chenland zum Vizepräsidenten undWalter Lüssi aus der Schweiz zumSchatzmeister. Sie sollen die oft vonKürzungen gebeutelten achtzig Aka-demien und Laienzentren in Europastärken und neue Perspektiven ver-mitteln. Immerhin treffen sich jedesJahr in diesen Häusern 200.000 Leuteund nehmen an über 2.000 Konferen-zen und Tagungen teil. Jeglicher fal-scher Bescheidenheit angesichts man-cher Krisen widersprach Rüdiger Noll(Brüssel) von der »Konferenz Europä-ischer Kirchen«. Die Zentren seien fürdie Ökumene in Europa wichtigerdenn je. Hier würden Visionen und

Projekte entwickelt. Offizielle Kirchen-vertreter in Brüssel sagen oft nur, wassie nicht wollen.

Neben den nötigen internen Diskussi-onen und Gottesdiensten beschäftigtesich die Konferenz mit finnischen An-sätzen zur Überwindung von Gewalt.Das früher arme Land am Rande Eu-ropas hat es dank eines effizientenErziehungssystems zu Reichtum ge-bracht, der allerdings nicht allen zu-gute kommt. Dass dieser keine Ewig-keitsgarantie hat, bewiesen Tages-nachrichten über die bedeutende Fir-ma Nokia, die offenkundig eine wich-tige technische Entwicklung versäumthat. Finnland kennt nicht nur seit lan-gem ein Problem mit Roma-Leuten,um die sich die Kirche kümmert, son-dern muss sich auch mit neuen Mi-granten vor allem aus der ehemaligenSowjetunion auseinandersetzen. Trotzbeeindruckender pädagogischer An-strengungen bleiben Jugendgewaltund Alkoholismus auf der Tagesord-nung der Kirchen. Man fragt sich an-gesichts der glänzend ausgestattetenSchulen schon, woran es noch fehlensoll. Immerhin hatte eine amerikani-sche Zeitschrift Finnland zum bestenLand der Welt erklärt. Neben der großen lutherischen Kircheist auch die kleinere orthodoxe vonBedeutung. In einem Dialog der frischgekürten Bischöfin Irja Askola unddem orthodoxen Priester Heikki Hut-tunen bekam man einen Eindruckvom Stand der Ökumene, die rechtweit entwickelt ist. Allerdings schei-den sich beim Abendmahl nach wievor die Konfessionen. Neben den eta-blierten Kirchen nehmen die Pfingst-ler an Zahl zu. Die finnischen Akade-

mien gleichen eher großen Diakonie-oder Schulzentren, weshalb die Kon-ferenzteilnehmer von der Größe undAusstattung des Komplexes »Seura-kuntaopisto« beeindruckt waren.

Wolfgang Wagner

Who’s got the profit?Südafrika und Deutschland nach derFußball-Weltmeisterschaft, Tagung inBad Boll vom 28.-29. Oktober 2010

Kapstadt/Bad Boll/Berlin/Hamburg(epd). »Das Stadion in Port Elizabethsteht seit dem Ende der Fußball-Weltmeisterschaft im Juli fast immerleer«, erzählt Akash. Er blickt aus sei-nem winzigen Kiosk direkt auf dasimposante Stadion. Jetzt, da alleSportfans wieder nach Hause geflo-gen sind, sei das Geschäft am Kiosk»very low«, sagt er. Doch wenn Akashauf die Weltmeisterschaft angespro-chen wird, glänzen seine Augen. »Soviele Menschen aus aller Welt! Sosollte es in Südafrika immer sein.« Indem Township Philippi bei Kapstadtleben etwa 150.000 Menschen inWellblechhütten. Ihre Augen strahlennicht, wenn man sie auf die Fußball-Weltmeisterschaft anspricht. Die Neu-jahrsansprache, in der Präsident Zumaverprach, das Jahr 2010 werde ein«Wendepunkt für Südafrika« sein,klingt in ihren Ohren wie Hohn. »DieMenschen in Philippi haben unter derWeltmeisterschaft gelitten«, sagt Pas-tor Otto Kohlstock, Leiter des Hilfs-zentrums »Themba Labantu« in Phi-lippi. »Einige berichteten mir, dass sieeinen Monat lang kaum etwas zu es-sen hatten, weil sie während der Fuß-ballspiele nicht wie sonst ihre Hand-arbeiten an den Straßenkreuzungenverkaufen durften.« Die Polizei habe

Einige Konferenzteilnehmer nutzten die Möglichkeit zum Saunieren und sprangen nachLandessitte in den vor den Häusern liegenden See.

Page 8: SYM 4-2010

r ü c k b l e n d e - o n l i n e d o k u m e n t e

6SYM 4/2010

TextdokumenteBischof Dr. Surya Prakash von derDiözese Karimnagar in Südindien istvielen noch als Indienreferent desEvangelischen Missionswerks in Süd-westdeutschland in Erinnerung. Schondamals hat er sich für Menschenrech-te der Dalits, der Kastenlosen, einge-setzt. Auf der Tagung Der Exodus der»Gebrochenen« – die Religionen inIndien und die Befreiung der Dalits,24.-26. September 2010, hielt erzwei bewegende Vorträge zur Analyseund Perspektive dieser ca. 250 Millio-nen Menschen, denen man nach wievor die elementaren Menschenrechtevorenthält. »Christianity in India: A PromisedLand for Dalits (?)«»Dalit Discrimination and Effortsfor Change: Perspective forEmancipation«. Es ist darum kaum begreifbar, dassIndien hierzulande noch immer einpositives Image hat. Prakash führt diedurch das Kastensystem quasi ange-borene Diskriminierung auf das jahr-tausendealte hinduistische Reinheits-konzept zurück. Dadurch erklärt sichdie Aggressivität der höherkastigenInder, die durch die Berührung mitDalits um ihre Wiedergeburt fürchten.Trotz mancher Modernisierung undfortschrittlicher Gesetze ändert sichwenig, so dass viele Dalits diesemSystem durch Konversion zum Budd-hismus oder Christentum entkommenwollen. Das Kastensystem durchdringtallerdings die Gesellschaft so stark,dass es sich auch in der christlichenKirche ausbreitet. Darum berichtetPrakash von einer kirchlichen Praxis,die den Verbund mit anderen zivilge-sellschaftlichen Organisationen undDalit-Selbsthilfegruppen anstrebensollte, um beharrlich an der Überwin-

dung des Kastensystems arbeiten zukönnen. Dazu entwickelt sich eineBefreiungstheologie, die von Dalitsbetrieben wird. Da Surya Prakashselbst Dalit ist, ist er mit den aktuel-len Entwicklungen bestens vertraut.

Wolfgang Wagner, Studienleiter

AudiodokumentFlucht und Migration durchKlimawandel. Eine globaleHerausforderung24.-26. September 2010Den bevorstehenden Klimawandelgerecht und nachhaltig gestalten – ein Zwiegespräch von Prof. Dr. HaraldWelzer, Kulturwissenschaftliches Institut Essen, Autor des Buches»Klimakriege« (2008) und BerndMesovic, Stiftung ProAsyl, Frankfurt,siehe auch S. 4-5

Textdokument»Was wird aus dem Mann?«Wer die Frage hört, wird an die medi-al aufgebauschten Diskussionen den-ken, in denen darüber räsoniert wird,ob die Zukunft den Männern oder denFrauen gehören wird. Prof. Dr. LotharBöhnisch, einer der Pioniere der Jun-genpädagogik, lässt die Klischees weithinter sich und macht eine klare Zeit-ansage: In seinem Vortrag auf der Ta-gung Jungs, wohin? Positive Bilderdes Männlichen für Jungen und dieJungenpädagogik, 2.-3. Juli 2010,

Onlinedokumente auf der Internetseite der AkademieText- und Tondokumente von Vorträgen und Diskussionen aus Tagungen derEvangelischen Akademie Bad Boll können Sie herunterladen und zu Hauselesen oder anhören. Alle Onlinedokumente – Texte und Audio-Dateien – finden Sie unter: www.ev-akademie-boll.de/onlinedokumente

Nomabelu Mvambo-Dandala ist Geschäfts-führerin der ökumenischen Einrichtung »Dia-konia«, die seit Jahren mit der Akademiepartnerschaftlich verbunden ist. Sie war Re-ferentin der Tagung »Who’s got the profit?«.

Prof. Harald Welzer (re.) im Zwiegesprächmit Bernd Mesovic

sie einfach vertrieben, ihnen die Wa-ren abgenommen und ihnen nochheftige Strafen aufgebrummt, sagtKohlstock, der seit mehr als 20 Jahrenals Missionar des Berliner Missions-werks in Afrika arbeitet. »Eine Fuß-ball-WM ist bestimmt wunderbar,wenn sich das ein Land leisten kann.«Aber in Südafrika, wo die Hälfte derschwarzen Bevölkerung unter der Ar-mutsgrenze lebt, und es in Townshipswie Khayelitsha mit einer Million Be-wohnern kein einziges Krankenhausgibt, ist ein solches Sportereignisnach Ansicht des Leiters von »ThembaLabanu« moralisch nicht vertretbar. Essei für die armen Menschen in denTownships nicht verständlich, dass derStaat Geld ausgab, um Stadien zubauen, aber nun kein Geld hat, umSchulen zu bauen. Auch Nomabelu Mvambo-Dandala,Geschäftsführerin der ökumenischenEinrichtung »Diakonia« (Durban), istüberzeugt: »Die Weltmeisterschaft hatdie Reichen reicher und die Armenärmer gemacht. Der Staat hat sichverschulden müssen, um die neuenStadien finanzieren zu können.« DasGeld für die Fußball-WM sei von demBudget für Schulen und Krankenhäu-ser abgegangen, so die Geschäftsfüh-rerin von »Diakonia«, einer Organisa-tion, die sich für soziale Gerechtigkeitund Entwicklung in Südafrika ein-setzt.

Judith Kubitscheck (epd) Die Journalistin bereiste Südafrika

und war bei der Tagung in Bad Boll.

Page 9: SYM 4-2010

o n l i n e d o k u m e n t e

7SYM 4/2010

Bad Boll plädiert er für ein männer-theoretisches Paradigma, das die Dia-lektik von Dominanz und Verfügbar-keit des Mannes in den Mittelpunktstellt. Die Geschlechterfrage war bis-lang vor allem an die Arbeit gekop-pelt, erkennbar in den wesentlichenStichworten wie: Vereinbarkeit vonErwerbsarbeit und Familie oder derGleichbewertung von Arbeitsleistun-gen. Der männertheoretische Diskurshat sich längst entspannt. Der Struk-turwandel der Arbeitsgesellschaft hatihn abgekoppelt von den feministi-schen Diskursen. Die männliche Rol-lendefinition über Arbeit ist brüchiggeworden unter dem Einfluss des ent-grenzenden »digitalen Kapitalismus«.Für immer mehr Männer bleibt realis-tischerweise der Weg einer »modula-risierten Männlichkeit«, d. h. eine Kon-struktion biographisch und situativwechselnder Muster der Lebensbe-wältigung. Was aber auch bleibt, istdas ökonomisch-technologische Prin-zip der Externalisierung, das sichallerdings gegenüber Männern undFrauen verselbstständigt hat, beideGeschlechter in seinen Bann zwingtund damit die Tendenzen der Selbst-bestimmung des Mann- und Frau-seins letztendlich wieder unterläuft.

TextdokumentNachruf auf Walter Schwenningervon Wolfgang Wagner am 30. September 2010Walter Schwenninger ist 68-jährigam 24. September nach langer Krank-heit gestorben. Das Leben des Religi-ons- und Sportlehrers, Gemeinderats-mitglieds in Tübingen über viele Jahreund Bundestagsabgeordneten derGrünen (1983-85) war geprägt vomKampf für Frieden, Gerechtigkeit unddie Bewahrung der Schöpfung. Häufigwar Walter Schwenninger auch beiTagungen der Evangelischen Akade-mie aktiv dabei. Studienleiter Wolf-gang Wagner, der ihn seit den 70erJahren kannte, hielt bei der Beerdi-gung einen Nachruf.

und Bildung«, »Wirtschaft«, »Gesund-heitswirtschaft und Tourismus«,»Wohnen und Mobilität«, »Prävention– Gesundheit – Pflege« und »Bürger-schaftliches Engagement« wurden dieAngebote des Landkreises unter dieLupe genommen und konkrete näch-ste Verbesserungsschritte vereinbart.Alle Beiträge und Vereinbarungen fin-den sich auf der Homepage des Land-kreises Göppingen unter folgendemLink:www.landkreis-goeppingen.de/servlet/PB/menu/1382104_l1/index.html

TextdokumentSex und Gender in der Medizin amBeispiel der Psychiatrie Mitte des19. und bis Anfang des 20. Jahr-hunderts lautete der Festvortrag, denDr. Sylvelyn Hähner-Rombach (Fotore.) vom Institut für Geschichte derMedizin der Robert-Bosch-Stiftung,Stuttgart, anlässlich der Vernissagemit Bildern von Saskia Schultz (Fotoli.) beim Boller Bußtag der Künste am17. November 2010 hielt.

TextdokumentBei der Tagung Menschenrecht aufTeilhabe, 14.-15. Oktober 2010 inBad Boll hielt Kay Nernheim, Ge-schäftsführer der Ev. StadtmissionKiel, gemeinnützige GmbH, einenVortrag zum Thema »CommunityOrganizing-Ressourcen im Ge-meinwesen erschließen«. LebendigeStadtteile ermöglichen vielfältigeFormen der Teilhabe. Kay Nernheimgibt einen Einblick in die Potentialedes Community Organizing.

TextdokumentS.G. Punchihewa ist ein bekannterAutor und Menschenrechtsaktivist inSri Lanka. Er gehört zu den wenigen,die ihre Stimme öffentlich gegen dieRegierung erheben. Auf der TagungSri Lanka: Die neuesten Entwick-lungen. Wie steht es um Rechts-staatlichkeit und Demokratie?,1.-3. Oktober 2010, hielt er einenVortrag »Sri Lankan constitutionand democratic rights«, in dem erdie unbeschränkte Machtausübungdurch den Präsidenten anklagt. DerText ist im Internet verfügbar.

Text-Dokumentation Demografie-Fachtag »Zukunftgestalten im Landkreis Göppingen«21. Juli 2010Der Landkreis Göppingen muss – sodie Prognosen – mit einem starkenBevölkerungsrückgang in den nächs-ten Jahren rechnen und steht im Ver-gleich mit anderen Gemeinden Baden-Württembergs weit hinten. Der imApril 2009 gewählte Landrat EdgarWolff machte diese beunruhigendeEntwicklung zusammen mit derEvangelischen Akademie Bad Bollzum Thema bei einem Demografie-Fachtag am 21. Juli 2010 »Zukunftgestalten im Landkreis Göppingen«.180 Teilnehmende waren gekommen:Kreis- und Gemeinderäte, Bürger-meisterInnen, Verwaltungsfachleuteund viele andere, die sich für die Zu-kunft des Landkreises Göppingen ein-setzten. In den sechs Foren »Jugend

Landrat Edgar Wolff, Landkreis Göppingen

Page 10: SYM 4-2010

k u n s t i n d e r a k a d e m i e

8SYM 4/2010

Die Künstlerin Elly Weiblen lebt und arbeitet in Korb.Ihr Arbeiten ist geprägt von uralten Traditionen, dieim Hier und Jetzt wirksam werden. Das betrifft Ma-terialien, aber auch geistige Prozesse. Sie selbstschreibt dazu:

»Schon seit langer Zeit arbeite ich vorwiegend mitEitempera, die ich selbst herstelle nach Rezepten, dieseit dem Mittelalter unverändert sind. Farbe in ihrergeheimnisvollen Tiefe, ihrem Vibrieren interessiertmich zutiefst; Farbklänge, klingende farbige Felderund Zeichen, die ihre eigene Wirklichkeit besitzen.

Man sieht Tische, Stühle, Blumen, Innenräume, Tep-piche. Große, ruhige leere Flächen stehen gegen dasKleine, Bewegte; Gegensätzliches in Vereinigung.In den Tuschzeichnungen ordnet sich die Welt nochstärker zu freien, reduzierten Formen und Zeichen. Der Gegenstand ist in die Leere eingebettet und vonihr getragen.

Bei der Vorbereitung zu dieser Ausstellung erfuhr ichzu meinem Erstaunen, dass Richard Wilhelm in BadBoll zeitweise lebte und arbeitete und dass sich auchhier sein Grab befindet. Seine Übersetzungen aus demChinesischen ins Deutsche gelangten vor langen Jah-ren in meine Hand.

Das Tao Te King, die Texte von Dschuang Dse und LiäDsi, das I Ging wurden verschiedentlich in europäischeSprachen übertragen. Unter all diesen Übersetzungen,die uns den Zugang zu chinesischem Gedankengutgeöffnet haben, steht Richard Wilhelm an besondererStelle. Seiner klaren dichterischen Sprache, den gro-ßen Bildern und den in Gegensätzen spielenden Ge-dankenketten ist ein ganz bestimmter Klang zu eigen.Mit großer Genauigkeit und Intuition, ohne in enges,intellektuelles Klügeln zu verfallen, überträgt er dieBedeutungsfelder der chinesischen Bildzeichen inunsere Muttersprache.

Selbstverständlich sind meine Bilderund Zeichnungen nicht in engeremZusammenhang mit der chinesi-schen Gedankenwelt entstanden.Jedoch hat neben anderen geistigenTraditionen fernöstliches Gedanken-gut, übermittelt durch seine Stim-me, bei mir immer einen sehr wich-tigen Platz eingenommen.«

In der Ausstellung werden deshalbeinige chinesische Schriften in derÜbersetzung Richard Wilhelms alsTextinseln geordnet zwischen denBildern und Zeichnungen EllyWeiblens zu sehen sein.

Elly Weiblen »Zuordnungen« Malerei und Zeichnung

VernissageSonntag, 6. Februar, 11:00 Uhr im Café HeussDie Ausstellung läuft vom 6. Februar bis 27. März2011.

Infos und Anmeldung zum Mittagessen (12 Euro):Brigitte Engert, Telefon 07164 [email protected]: Susanne WolfTagungsnummer: 936011

Gegenspiel, Maße : 51 cm x 81cm, Tusche / Papier

Page 11: SYM 4-2010

z u k u n f t s f ä h i g !

9SYM 4/2010

Von Tillmann Elliesen

»Die Geschichte der Entwicklungspo-litik ist eine Geschichte des Schei-terns von Illusionen.« Dieses Diktumstammt von Winfried Böll, der in den1970er Jahren als Abteilungsleiter imBundesentwicklungsministerium tätigwar. Es zeigt, dass der Versuch, mit-tels Entwicklungshilfe die Lage derArmen in Afrika, Asien und Latein-amerika zu verbessern, schon immerkritisch begleitet wurde – auch vonEntwicklungspolitikern und -prakti-kern selbst. Die Kritik, Entwicklungs-politik wirke nicht, ist also nicht neu.Sie ist in den vergangenen Jahrenaber schärfer geworden.

Dabei wissen wir laut Reinhard Stock-mann vom Centrum für Evaluation ander Universität Saarbrücken letztlichnur wenig darüber, wie Entwicklungs-zusammenarbeit eigentlich wirkt. Das

liegt daran, dass Entwicklungsprojek-te bisher viel zu selten auf ihre Wir-kung untersucht werden, sagte Stock-mann auf der Tagung »Entwicklungneu denken« in der EvangelischenAkademie Bad Boll vom 22. bis24. Oktober. Die meisten Evaluationenbeschränkten sich darauf, die unmit-telbaren Ergebnisse eines Projekts(output) zu ermitteln, nicht aber seinebeabsichtigten sowie unbeabsichtig-ten Wirkungen (impact) über diesesErgebnis hinaus.

Peter Niggli, der Geschäftsführer derAlliance Sud, des Verbands der sechsgroßen Hilfswerke aus der Schweiz,konterte den Vorwurf, Entwicklungs-hilfe sei wirkungslos, von einer ande-ren Seite. Die Kritiker machten denFehler, die Entwicklungshilfe maßloszu überschätzen, sagte Niggli. Ent-wicklungspolitische Maßnahmen wür-den regelmäßig von anderen Politik-bereichen konterkariert – etwa der Fi-nanz-, Wirtschafts- oder Sicherheits-politik. Zudem sei die Entwicklungs-politik selbst häufig nicht an den Be-dürfnissen der Entwicklungsländerorientiert, sondern an den außen-,sicherheits- oder wirtschaftspoliti-schen Interessen der Geberländer.Niggli betonte aber auch, in einigenBereichen habe die Hilfe viel erreicht,etwa beim Ausbau sozialer Dienstewie Bildung, Gesundheit und Wasser-versorgung, bei der Unterstützungbenachteiligter Gesellschaftsgruppenund bei der Stärkung von Normen wieMenschen- und Frauenrechten.

Aber vielleicht liegt das Problem janicht nur darin, dass die Gestaltungs-möglichkeiten der Entwicklungspolitikbegrenzt sind. Vielleicht ist darüberhinaus ihr Ansatz – politische, wirt-schaftliche und gesellschaftliche Ver-änderungen von außen in eine be-stimmte Richtung fördern zu wollen –prinzipiell falsch. Ziel der Tagung wares, derlei Leitbilder und Leitideen vonEntwicklungspolitik einmal grund-sätzlich zu hinterfragen, allen voranden Begriff »Entwicklung« selbst.

Aus Sicht der Evolutions- oder derSystemtheorie beispielsweise verläuftdie Entwicklung von komplexen Sys-temen wie einer Gesellschaft nacheigenen Regeln und ist nur begrenztsteuerbar. Laut der Evolutionstheoriekann es im Grunde nur darum gehen,mittels politischer Eingriffe die Band-breite möglicher Entwicklungsvarian-ten zu vergrößern, erläuterte Alfred K.Treml, emeritierter Pädagogikprofes-sor an der Helmut-Schmidt-Universi-tät in Hamburg. In der Systemtheoriespielen die Absichten von Handelndenzwar eine größere Rolle, aber auchhier nicht im Sinne einer planbarenSteuerung. Aus christlicher Sicht, inder der handelnde Mensch die Krö-nung der Schöpfung darstelle, sei die-ser Gedanke natürlich »eine Zumu-tung«, sagte Helmut Wilke / Zeppelin-University in Friedrichshafen.

Aus ganz anderer Perspektive, aberähnlich fundamental verwerfen mar-xistische oder konstruktivistischeTheorieansätze die Praxis der Ent-wicklungspolitik als irregeleitet odergar gefährlich. Laut dem Post-Deve-lopment-Ansatz beispielsweise befin-det sie sich auf dem Holzweg, weil sieeinem eurozentrischen Entwicklungs-begriff folgt, erklärte Aram Ziai vonder Universität Hamburg. Nötig seienalternative Zielvorstellungen für eineauf gesellschaftlichen Wandel ausge-richtete Politik, beispielsweise Abbauvon Ungleichheit und Privilegien oderStärkung von Solidarität.Einen Schritt weiter ging Nikita Dha-wan, Universität Frankfurt, in ihrenÜberlegungen aus marxistischer undfeministischer Sicht: Demnach kannEntwicklungspolitik des Westens garnichts anderes sein als Kolonialismusin neuem Gewand – ganz gleich ob essich um das Wirken staatlicher, kirch-licher oder säkular-nichtstaatlicherOrganisationen handelt.

Welche Lehren kann die Entwick-lungszusammenarbeit aus solchenEinwürfen ziehen? Amélé Ekué vom

Entwicklung neu denken!Die Zukunft der Entwicklungszusammenarbeit

Peter Niggli, Geschäftsführer von Alliance Sud

Reinhard Stockmann, Centrum fürEvaluation, Saarbrücken

Page 12: SYM 4-2010

z u k u n f t s f ä h i g

10SYM 4/2010

Ökumenischen Institut Bossey machtedeutlich, dass die Fundamentalkritikvon Ziai und Dhawan viele Punkteaufgreift, mit denen sich der Öku-menische Rat der Kirchen (ÖRK) seitJahrzehnten befasst. Spätestens seitder ÖRK-Konsultation zu Entwick-lungsfragen 1974 in Montreux bei-spielsweise stehe in der kirchlichenEntwicklungsarbeit die Kritik aneinem Entwicklungsbegriff auf derTagesordnung, der Entwicklung aufWachstum und auf den Aufstieg auseinem Zustand der »Unterentwick-lung« reduziert. Zumindest von ihremAnspruch her geht es kirchlichenHilfswerken schon lange darum, ihrePartner nicht auf einen bestimmtenEntwicklungspfad zu drängen, son-dern sie bei der Suche nach eigenenWegen zu unterstützen. Was das fürdie Debatte um die Wirksamkeit vonEntwicklungshilfe bedeutet, erläuterteBeat Dietschy, Zentralsekretär desHilfswerks »Brot für alle« in Bern. Esdürfe nicht nur danach gefragt wer-den, ob die Hilfe gut organisiert seioder wir richtig handeln, sondernauch danach, ob die politischen undwirtschaftlichen Rahmenbedingungenin einem Land entwicklungsförderndseien und die Entwicklungspolitik dierichtigen Ziele verfolge.

Eckhard Deutscher, der Vorsitzendedes Entwicklungsausschusses derOECD, und Hans-Joachim Preuß, Ge-schäftsführer der Deutschen Gesell-schaft für Technische Zusammenar-beit (GTZ) waren sich darin einig, dassEntwicklungszusammenarbeit in einerArt internationalen Strukturpolitikaufgehen müsse, in der Außen-, Wirt-schafts-, Umwelt- und Sicherheits-politik aufeinander abgestimmt aneiner konstruktiven Gestaltung derGlobalisierung arbeiten. Deutscherspitzte das am Schluss der Tagung inder Aussage zu, die traditionelle Ent-wicklungspolitik sei ein »Auslauf-modell«. (s. a. Kommentar S. 24)

Tillmann Elliesen ist Redakteur bei »welt-sichten«.

Kooperationspartner der Tagung: Brot fürdie Welt, Ev. Akademikerschaft in Deutsch-land., Evangelischer Entwicklungsdienst,Bundeszentrale für politische Bildung

Von Dagmar Bürkardt

Sinkende Geburtenraten und steigen-de Lebensdauer: in Europa werden dieBelegschaften älter. In den einzelnenMitgliedstaaten wird die Auseinander-setzung mit den Auswirkungen desdemografischen Wandels immer dring-licher – für die Unternehmen, für diebetrieblichen Arbeitsbeziehungen undebenso im Blick auf die Gestaltungder gesellschaftlichen Rahmenbedin-gungen. Beschäftigungspolitische Be-schlüsse der Europäischen Union zie-len deshalb auf eine höhere Beschäfti-gungsquote älterer Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter. Das war die Ausgangssituation fürdas Projekt »Good Old Europe – Akti-ves Altern, Arbeitsbeziehungen unddemografischer Wandel«, das für einJahr von der Generaldirektion Beschäf-tigung, soziale Angelegenheiten undChancengleichheit der EuropäischenKommission gefördert und Ende No-vember abgeschlossen wurde. Auf derAbschlusskonferenz am 29./30. No-vember wurden in der EvangelischenAkademie Bad Boll Impulse aus derWissenschaft und Diskussionsbeiträgeder Kooperationspartner eingebrachtund die Projektergebnisse gebündelt.

Ein zentrales Ziel des Projektes warder Aufbau eines europäischen Netz-werks von Experten – betrieblichenund gesellschaftlichen Akteuren, Ge-werkschaftern und Wissenschaftlern.

Die Kooperationspartner kamen ausSpanien, Frankreich, Großbritannien,Italien, Kroatien, Deutschland und derSlowakei. Sie konnten Daten, Fakten,und Analysen, aber auch innovativeAnsätze zur Gestaltung des demogra-fischen Wandels und nicht zuletzt dieaktuellen politischen Debatten in deneinzelnen Ländern einbringen. Sowurde Länder-übergreifendes Lernenmöglich. Als spannend erwies sich dieTatsache, dass sich die Herausforde-rungen durch den demografischenWandel überall ganz ähnlich stellen.Deutlich wurde aber auch, dass dieArbeitsbeziehungen und sozialen Sys-teme durch unterschiedliche Traditio-nen, Institutionen und Aushandlungs-verfahren sowie ihre jeweiligen Be-ziehungen zum Staat geprägt werden.

Ein Ergebnis: Stellungnahme zumGrünbuch der EU KommissionAus Sicht der EU gilt die stärkere Ein-bindung älterer Arbeitskräfte in denArbeitsmarkt als wesentliche Voraus-setzung für eine nachhaltigere wirt-schaftliche und soziale Entwicklungin der EU. Zur Bewältigung des Rück-gangs der Erwerbstätigkeit und derAlterung der Belegschaften in dennächsten Jahrzehnten hat die EU imZuge der Ratsbeschlüsse von Lissabon(2000), Stockholm (2001) und Barce-lona (2002) beschäftigungspolitischeBeschlüsse gefasst, wonach die Be-schäftigungsquote älterer Mitarbei-ter/-innen (55-64 Jahre) bis zum Jahr

Good Old EuropeDemografischer Wandel im europäischenNetzwerk

Netzwerktreffen in Barcelona im September 2010

Page 13: SYM 4-2010

11SYM 4/2010

2010 auf 50 % gesteigert und dasdurchschnittliche Renteneintrittsalterum fünf Jahre erhöht werden soll. InDeutschland trifft diese europäischeDiskussion auf einen Zeitpunkt, zudem eine Überprüfung der ›Rente mit67‹ ansteht. Umstritten ist hier dieFrage, wie sich die Chancen der Älte-ren auf dem Arbeitsmarkt darstellen.

Im Sommer 2010 wurde das aktuelleGrünbuch ›Angemessene, nachhaltigeund sichere Pensions- und Rentensys-teme‹, von der EU-Kommission vorge-stellt und ist damit Ausgangspunkteines europäischen Konsultationspro-zesses. Es bot dem Netzwerk die Gele-genheit, Einschätzungen zusammen-zutragen, Gemeinsamkeiten und un-terschiedliche Positionen wahrzuneh-men und untereinander abzustimmen.In mehreren europäischen Ländern istdas Thema brandaktuell, und es wirdu. a. über eine Heraufsetzung des Ren-tenalters gestritten. Diese Strategiezur Sicherung der finanziellen Basisder staatlichen Systeme wird im Netz-werk kritisch bewertet. Zunächstmüssten die Voraussetzungen gege-ben sein, damit Ältere auf dem Ar-beitsmarkt überhaupt eine Chancehaben.

Tatsächlich gilt immer noch, dassUnternehmen in der Mehrzahl keineälteren Arbeitnehmer einstellen bzw.diese frühzeitig entlassen. Um über-haupt die bisher geltenden Alters-grenzen zu erreichen, müsse durchBildung und Beratung aktive Beschäf-tigungspolitik betrieben werden, umdie Möglichkeiten, länger im Erwerbs-leben zu bleiben, zu verbessern.Gleichzeitig seien auch die Unterneh-mer herausgefordert: Gesundheits-förderliche, alters- und alternsgerech-te Arbeitsbedingungen werden zu-

künftig immer wichtiger,ebenso wie Anstrengun-gen in der Weiterbildung.

Dagmar Bürkardt istStudienleiterin der

Evangelischen Akademie BadBoll und gehört dem

Netzwerk an.

Von Günter Renz

Zukunftsfähiges Gesundheitswesen –das klingt wie ein Widerspruch in sichselbst. Werden nicht alle zwei bis dreiJahre Gesundheitsreformen nötig, umKosten zu begrenzen und problemati-sche Entwicklungen einzudämmen?Woher sollten also plötzlich die Kon-zepte kommen, die für die Zeit bis2040, in der die geburtenstarken 60erJahrgänge 70 bis 80 Jahre alt werden,noch tragfähig wären?

Der Naturphilosoph Klaus MichaelMeyer-Abich hat eine Philosophie derMedizin vorgelegt, die einen Paradig-menwechsel nahe legt. Zentral ist dieFeststellung, dass unser Gesundheits-wesen ganz auf die Behandlung vonKrankheiten konzentriert ist und nichtauf die Bewahrung und Förderung derGesundheit. Die Potentiale einer neuenAusrichtung der Gesundheitspolitikwurden auf einer Tagung in Bad Bolldiskutiert.

Die Forschung hat beeindruckende Er-kenntnisse erzielt darüber, wie sehrGesundheit langfristig vom Lebensstilund psychosozialen Faktoren abhän-gig ist. Einige Länder haben darausdie politischen Konsequenzen gezo-gen und eine Gesundheitspolitik alsgesamtgesellschaftliche Aufgabe ent-wickelt, die weit über eine rein medi-zinische Prävention hinausgeht.Schweden etwa hat elf Gesundheits-ziele formuliert und gleich das ersteist denkbar anspruchsvoll: »Gesell-schaftliche Partizipation«. Diese istnatürlich nicht allein und nicht pri-mär wegen ihrer gesundheitsfördern-den Effekte zu fordern. Aber die Ziel-setzung zeigt, dass Gesundheit undKrankheit aus gutem Grund nicht nurals individuelles Schicksal des Einzel-nen begriffen, sondern die Verwoben-heit mit allen Politikbereichen aner-kannt wird. Dies reicht von der Kenn-zeichnung von Lebensmitteln über

Regelungen des Straßenverkehrs bishin zu Arbeitsschutzgesetzen; esreicht von der Drogenpolitik und derBesteuerung der legalen Drogen überdie Bildungspolitik (und nicht nureiner wünschenswerten Gesundheits-bildung als Schulfach) bis hin zurZahl der Unterrichtsstunden im FachSport. Zur exemplarischen Illustrationsei auf die Bedeutung der Bewegungfür die Gesundheit hingewiesen:Schüler, die fünf Stunden Sport proWoche in der Schule hatten, zeigtensignifikant bessere Blutwerte als die,die nur zwei bis drei Stunden Sportabsolvierten. Schon 1953 wurde inEngland beobachtet, dass Busfahrerein größeres Herzerkrankungsrisikobesaßen als die Schaffner, die sich imBus zu bewegen hatten. Bei der großangelegten Nurses´ Health Studywurde Bewegungsmangel als Risiko-faktor nur noch vom Rauchen über-troffen. Übrigens wirkt Bewegungauch ohne Gewichtsreduktion ge-sundheitsfördernd.

In Deutschland ist es trotz verschie-dener Anläufe und der entschiedenenBefürwortung durch den Sachverstän-digenrat für das Gesundheitswesennoch nicht gelungen, im Rahmen ei-nes Gesetzes ein umfassendes Kon-zept zur Prävention und Gesundheits-förderung umzusetzen. Die zuletztgeplanten rund 250 Millionen Eurowären etwa ein Promille der Gesamt-ausgaben für Gesundheit in Deutsch-land und ca. 1,6 Promille der Ausga-ben der Gesetzlichen Krankenversi-cherung. Sie wären gut angelegt imInteresse eines zukunftsfähigen Ge-sundheitswesens – und ein ersterkleiner Schritt.

Mit dem Präventionsgedanken ver-bunden werden heute meist auch dieChancen einer personalisierten Medi-zin diskutiert. Diese beruht auf derErkenntnis, dass jeder Mensch abhän-

Zukunftsfähige GesundheitKrankheiten behandeln, aber auchGesundheit fördern und bewahren

z u k u n f t s f ä h i g !

Page 14: SYM 4-2010

gig von seiner – insbesondere gene-tischen – Disposition zum einen ver-schiedene Krankheitsrisiken besitztund zum anderen unterschiedlich aufTherapien anspricht. Das Wissen umLetzteres ist äußerst segensreich. Solässt sich etwa eine Überdosierungvon Medikamenten verhindern, wennman weiß, dass jemand genetisch zurGruppe der langsamen Metabolisierergehört. Oder es lässt sich feststellen,ob eine an Brustkrebs erkrankte Frauüberhaupt von einer Chemotherapieprofitieren oder diese für sie nur eineunnötige Belastung bedeuten wird.Von diesem heilsamen Wissen istallerdings die Möglichkeit, sich mitHilfe eines umfassenden Gentests»prophylaktisch« auf alle möglichenmehr oder weniger erhöhten oder ver-minderten Krankheitsrisiken testen zulassen, strikt zu unterscheiden. Dieschon bestehenden Angebote werdenschon bald erschwinglich sein undkönnten uns mit dem Argument derdann möglichen oder angestrebtenGegensteuerung gegen die erhöhtenRisiken nahe gebracht werden. Dem-gegenüber wird das Recht auf Nicht-wissen im Interesse der Möglichkeiteines »selbstvergessenen Weggege-benseins« verteidigt werden müssen,das Hans-Georg Gadamer als Merk-mal der Gesundheit begriffen hat.

Überhaupt wird es bei der verstärktenBetonung von Prävention und Ge-sundheitsförderung darauf ankom-men, dass keine Gesundheitsdiktaturaufkommt, wie sie Juli Zeh in ihremBuch (und Theaterstück) Corpus De-

licti beklemmend darstellt.Es ist eine Gratwanderung:Anreize für ein gesundesLeben setzen, aber nichtdie Solidarität mit denenaufkündigen, die krank

geworden sind oder – aus welchenGründen auch immer – in gesund-heitsschädigendes Verhalten auswei-chen. Nicht-stigmatisierende Präven-tion muss das Ziel sein: Wenn es z. B.in der Kindertagesstätte gesundesEssen gibt, wird niemand beschämt,der sich kein Biogemüse leisten kann.

Ein zukunftsfähiges Gesundheits-wesen kann an der solidarischen Aus-richtung keine Abstriche machen.Eine soeben erschienene Orientie-rungshilfe der Evangelischen Kirche inDeutschland (EKD-Texte 110) erinnertdaran, dass unsere heutigen solidari-schen Sozial- und Gesundheitssyste-me nicht denkbar sind »ohne die Brü-cke, die die christliche Armen- undKrankenfrömmigkeit von ihren Anfän-gen in der Urgemeinde bis heute ge-schlagen hat.« Gerade die Gesund-heitssysteme, die sich auf starkes So-zialkapital insbesondere an Vertrauenstützen können, scheinen für diekünftigen Herausforderungen gutgerüstet. Deutschland nimmt hier(nur) eine mittlere Position ein. Dergenannte EKD-Text betont deshalb zuRecht, dass eine weitere Entsolidari-sierung »nicht nur ethisch problema-tisch« ist, sondern auch »zu höherenFolgekosten« führen kann. Gerade imGesundheitswesen ist Vertrauen einzentraler Faktor des Sozialkapitals,das es zu schützen (wiederzugewin-nen) und zu stärken gilt.

Günter Renz ist Studienleiter im BereichGesundheitspolitik und Medizinethik

z u k u n f t s f ä h i g !

12SYM 4/2010

Von Prof. Hans Diefenbacher

Auch in Deutschland hat die Diskus-sion um Alternativen zu einem tradi-tionellen Verständnis von Wirtschafts-wachstum in den letzten beiden Jahren neu begonnen, wenn auch zunächst nur zögerlich – nachdemAnfang der Neunziger Jahre eine wis-senschaftliche Debatte um das Kon-zept eines »Öko-Sozialprodukts« we-der von der Politik noch von der amt-lichen Statistik aufgenommen wordenwar. Im vergangenen Jahr sind jedocheinige beachtenswerte Äußerungendeutscher Politiker zu verzeichnen: So sagte Bundespräsident Köhler inseiner »Berliner Rede« vom 24. März2009: »Wir haben uns eingeredet, per-manentes Wirtschaftswachstum seidie Antwort auf alle Fragen. (...) Wirwollen Zufriedenheit und Zusammen-halt in unserer Gesellschaft nicht län-ger nur von einem quantitativen ›Im-mer mehr‹ abhängig machen.« Den-noch: Auch heute konzentrieren sichPolitik und Medien viel stärker auf die Frage, ob über ein »Wachstums-beschleunigungsgesetz« der Schwarz-Gelben Regierung die Folgen derFinanz- und Wirtschaftskrise aufge-fangen werden können. Indessen ver-birgt sich hinter den Steigerungsratendes BIP in den letzten Jahren gleicheine doppelte Illusion, die in der ak-tuellen Debatte auch nicht annäherndreflektiert wird:

1. Die erste Illusion betrifft dieWachstumsraten, die in hoch ent-wickelten Volkswirtschaften tendenzi-ell sowieso absolut sinken. Dafür sindeinige grundlegende Effekte verant-wortlich. Zumindest in den USA undGroßbritannien war die jahrelangeSteigerung des BIP an private undöffentliche Verschuldung in einemungeahnten Ausmaß sowie an die Ge-nerierung letztlich virtueller Finanz-produkte gekoppelt, die weder zu

Wachstum und WBruttoinlandsprodukt und Alter

Der Naturphilosoph KlausMichael Meyer-Abich hat einePhilosophie der Medizin vorge-legt, die einen Paradigmen-wechsel nahe legt. Bei derTagung »Was es bedeutet,gesund zu sein«, die am 5.-7.November stattfand, hat er dieThesen seines gleichnamigenBuches vorgestellt.

Page 15: SYM 4-2010

anderen die Einkommensverteilungmit ein; soziale Variablen wie die Kos-ten von Kriminalität oder von alkohol-und drogeninduzierten Krankheitenwerden abgezogen, gleichfalls ökolo-gische Belastungen wie Kosten derEmission von Luftschadstoffen undvon Kohlendioxid und ein Wertansatzfür den Verbrauch nicht erneuerbarerRessourcen. Diese Faktoren führenzwar zu einer Steigerung des BIP,aber offensichtlich nicht zu einer Verbesserung der gesellschaftlichenWohlfahrt. Auch Hausarbeit undehrenamtliche Arbeit werden – alspositive Faktoren – im nationalenWohlfahrtsindex berücksichtigt; dieZunahme dieser Faktoren konnte aberdie Bilanz angesichts der sich ver-schlechternden Einkommensvertei-lung und der steigenden ökologischenKosten nicht wenden.

Angesichts dieses Befundes wird er-neut deutlich, dass das BIP als Maßfür die Wohlfahrt eines Landes nichttaugt. Allerdings war das BIP von denStatistikern auch nie als Wohlfahrts-maß gedacht gewesen – durch diestarke Konzentration von Politik, Me-dien und Öffentlichkeit auf diesesMaß der über den Markt vermitteltenwirtschaftlichen Wertschöpfung ist esjedoch immer stärker als ein Wohl-fahrtsmaß verwendet worden. Daherist es dringend erforderlich, dem BIP

ein alternatives Maß gegenüberzu-stellen – und sei es auch nur, um dieDiskussion darüber, was in einem in-dustriell hoch entwickelten Land alswohlfahrtsfördernd betrachtet wer-den kann, neu zu beleben.

Eine politische Umsetzung des alter-nativen nationalen Wohlfahrtsindexsteht noch aus, aber jedenfalls stelltsich die Frage nachhaltigen Wirt-schaftens sozusagen »systemimma-nent« in neuer Intensität. Die zusätz-lich anführbaren »politisch-normati-ven« (externen) Argumente angesichtsder Korrelation von Treibhausgas-emissionen, Flächenverbrauch, Arten-schwund und Umweltbelastung mitdem weltweiten Wirtschaftswachs-tum unterstreichen die Brisanz einerUmorientierung noch weiter.

Hans Diefenbacher istapl. Professor fürVolkswirtschaftslehream Alfred-Weber-Ins-titut der UniversitätHeidelberg und stellv.Leiter der Forschungs-stätte der Evangeli-schen Studiengemeinschaft in Heidelberg.

Es handelt sich hier um den gekürztenVortrag, den Prof. Diefenbacher bei derTagung »Wind of Change. Auf dem Weg zueinem zukunftsfähigen Wirtschaften,Arbeiten und Zusammenleben«, 25.-26. November in Bad Boll gehalten hat.

z u k u n f t s f ä h i g !

13SYM 4/2010

einer nachhaltigen Entwicklung nochzu einer Steigerung der gesellschaft-lichen Wohlfahrt führten. Vielmehrentstand ein scheinbarer Wohlstand,der sich nicht auf produzierendes Ka-pital sondern auf Schulden des öf-fentlichen und privaten Sektors grün-dete: Allein in den USA liegen die pri-vaten Schulden bei ca. 42 BillionenDollar. Mit den politischen Entschei-dungen, zusätzlich staatliche Maßnah-menprogramme in einer bislang ein-maligen Höhe zur Stabilisierung derWeltwirtschaft aufzulegen, rückt dasThema der faktischen Gestaltung ei-ner nachhaltigen oder nicht-nachhal-tigen Ökonomie auf die politischeAgenda: Angesichts riesiger Konjunk-turprogramme von über 2,8 BillionenUS-Dollar weltweit nimmt die politi-sche Abhängigkeit von positiven wirt-schaftlichen Wachstumsraten eher zu.

2. Die zweite Illusion beruht auf demVerdrängen der negativen sozialenund ökologischen Folgen quantitati-ven Wachstums. Defensive Kostenund negative externe Effekte, dieallenfalls von zukünftigen Generatio-nen kompensiert werden, können je-doch faktisch die rein rechnerisch er-zielten Wachstumsraten wieder auf-zehren. Mit der Aufnahme des BIP alsWirtschaftsindikator in die bundes-deutsche Nachhaltigkeitsstrategieentzündete sich die genau in diesemPunkt lange bestehende Skepsis neu.

Eine vom Bundesministerium für Um-welt, Naturschutz und Reaktorsicher-heit (BMU) und Umweltbundesamt(UBA) initiierte Studie (Diefenbacher/Zieschank (2009): Wohlfahrtsmessungin Deutschland – ein Vorschlag füreinen nationalen Wohlfahrtsindex)ergibt jetzt aktuell, dass seit dem Jahr2000 zwar das BIP tendenziell weitersteigt, eine Berechnung eines alterna-tiven nationalen Wohlfahrtsindexunter Einbeziehung sozialer Kostensowie ökologischer Belastungen je-doch einen kontinuierlichen Rückgangzeigt. In die Berechnung fließen unter

ohlfahrtnativen

Page 16: SYM 4-2010

z u k u n f t s f ä h i g

14SYM 4/2010

Lassen Sie mich Ihnen ein Beispielgeben. Ein Lehrer aus SchwäbischHall hatte auf einer Tagung in BadBoll von diesem Stipendienprogrammerfahren und drei seiner Schülerinnenund Schüler ermutigt, sich zu bewer-ben. Alle drei überzeugten die Aus-wahljury und wurden aus mehrerenhundert Bewerbern ausgewählt. Viola,Tochter einer Engländerin und einesDeutschen, Ismail, dessen Eltern ausder Türkei stammen und Leos, Sohneiner Deutschen und eines Türken. Siefreuen sich, dass sie nun an diesemreichhaltigen Bildungsprogramm teil-nehmen können und mit Hilfe desStipendiums auch Nachhilfestundenin Deutsch oder privaten Musikunter-richt bezahlen können. Die drei neh-men sich neben Schule und ehren-amtlichem Engagement auch Zeit fürSport, Musik oder den Debattierclub.Wenn man sie kennen lernt, merktman, dass sie keine Stubenhockersind, sondern kommunikationsbegabtund aufgeschlossen für alles Neue.

Zur offiziellen Aufnahme der neuenStipendiatinnen und Stipendiaten warich ins Stuttgarter Schloss eingeladen.Dort nahmen die jungen Menschenihre Urkunden aus der Hand vonStaatssekretär Wacker entgegen. Jun-ge Menschen aus vielen Ländern, diemit ihren Familien oder alleine alsFlüchtlinge in unser Land gekommenwaren und mit sich ihre Kultur, ihreTalente, ihre Sprache, ihre Neugierdeaber auch ihre Ängste gebracht hat-ten. Welche Chancen würden ihnenbei uns eingeräumt werden? Würdensie sich in unserem Bildungssystemzurechtfinden? Es ist wirklich ein Se-gen, dass Lehrerinnen und Lehrer sieauf diese Stiftung hingewiesen haben.

Ein wenig aufgeregt waren die Ju-gendlichen an diesem Tag, und ihrenEltern war der Stolz auf ihre Kinderanzumerken. In einer kleinen Talk-

runde wurden Einzelneinterviewt und wir erfuh-ren einiges über sie.

Von Marielisa von Thadden

In letzter Zeit habe ich mich manch-mal gefragt, woher Politiker wie TheoSarrazin oder Ministerpräsident See-hofer die Bilder nehmen, die dann Ein-gang in ihre Bücher und Verlautbarun-gen finden. Schließlich sind Schulen

etwa in Berlin-Neukölln nicht typischfür unser Land und die Kinder und Ju-gendlichen mit und ohne Migrations-hintergrund. Sehen wir sie als unsereKinder, spüren wir Verantwortung fürsie? Was tun wir, um ihnen Chanceneinzuräumen? Wie gefährlich solche»Zündeleien« sind, zeigt eine Unter-suchung der Friedrich-Ebert-Stiftungzur Fremdenfeindlichkeit in Deutsch-land, die – laut Studie – in den ver-gangenen Jahren gewachsen ist.

Vor einigen Wochen hatten wir eineGruppe von StipendiatInnen des Pro-gramms »Talent im Land« im Haus. 50begabte Jugendliche mit Migrations-hintergrund aus circa 25 Nationenzwischen 13 und 25 Jahren setztensich damit auseinander, ob das Lebenin und mit zwei Kulturen für sie undfür uns eine Bereicherung ist oder einProblem. Sie sind sicher nicht reprä-sentativ für alle Jugendlichen, aber invieler Hinsicht ganz normal mit Bega-bungen einerseits und Belastungenandererseits.

Vorgestellt wurden Klassen- undSchulsprecher – Jugendliche, die an-deren Nachhilfe geben, sich in Kir-chen oder in Sport- und anderen Ver-einen engagieren. Nicht alle warenKlassenbeste, aber alle taten ihr Bes-tes, um sich und anderen eine Chancezu geben.

Ähnlich sieht es bei den ehrenamtli-chen Botschafterinnen und Botschaf-tern der »Aktion Mitmachen Ehren-sache« aus. Seit mehreren Jahren wer-den Jugendliche mit deutschem odermit Migrationshintergrund aus Baden-Württemberg und aus allen Schular-ten in der Akademie fit gemacht, umihre Aktion in ihren Schulen, bei Ar-beitgebern und in den Medien vorzu-stellen. Sie stehen für eine Initiative,die landesweit Jugendliche animiert,am internationalen Tag des Ehren-amtes im Dezember einen Tag zu ar-beiten und das erarbeitete Geld fürJugendprogramme vor Ort und imAusland zu spenden. Auch in dieserGruppe finden sich überwiegend Ju-gendliche, die neben ihrem Engage-ment für »Mitmachen Ehrensache« anvielen anderen Stellen engagiert sind.Offensichtlich fällt es Menschen, diesich für etwas einsetzen, leichter alsanderen, Zeit frei zu machen für Din-ge, die ihnen wichtig ist. Es ist, alswürde ihnen zusätzliche Kraft zuteil.Sie bei diesen Anliegen und Aufgabenzu unterstützen, bedeutet mir viel.

Ich finde es bewundernswert, wie vie-le junge Menschen sich engagieren.Ein Blick in die neue Shell-Jugend-studie zeigt, dass im Vergleich zu denletzten Jahren sogar ein Anstieg desgesellschaftlichen Engagements jun-ger Menschen festgestellt werdenkann. 39 Prozent der befragten Ju-gendlichen geben in der aktuellenStudie an, sich sozial oder gesell-schaftlich einzusetzen. Weil die Stär-ke ihres Engagements häufig abhän-gig von Herkunft und Bildungsgradist, ist es wichtig, dass wir aktiveJugendliche dabei unterstützen, sichin unsere Gesellschaft einzubringenund andere dazu zu motivieren.

Marielisa von Thadden ist Studien-leiterin im Bereich Gesellschafts-

politische Jugendbildung

Untersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung: http://library.fes.de/pdf-files/do/07504.pdfShell-Jugendstudie 2010: www.shell.de/home/content/deu/aboutshell/our_commitment/shell_youth_study/

Jung – engagiert – integriert

Eltern und Stipendiaten im Café Heuss in der Akademie

Page 17: SYM 4-2010

Mohammed oder die Fußspuren einer Biografie

Von Bernd Buchner

Über Mohammed (570-632), denGründer des Islam, ist nur wenig be-kannt. Der Glaube der Muslime gehörtbis heute nicht zur Ausbildung vonPriestern und Pfarrern, die Studien-pläne sind verkrustet. »Empörend« fin-det das der Erlanger Islamwissen-schaftler Hartmut Bobzin, Hauptrefe-rent bei der Tagung »›... und Moham-med ist sein Gesandter‹ – Leben undWerk des islamischen Propheten inneuer Sicht« Anfang September inBad Boll. Wer war Mohammed – derName bedeutet »Der Gepriesene« –und wie konnte er seine Wirkung ent-falten? Der Koran, ein »dunkles Buch«,so Bobzin, abgefasst zudem in einererst im Entstehen befindlichen arabi-schen Sprache, gibt nur an wenigenStellen Auskunft. Mohammed tritt alsWarner und Bußprediger auf, wird alsGesandter bezeichnet, als »Siegel derPropheten«, also als abschließendesSprachrohr Gottes. Jesus selbst habe,so deuten zumindest die MuslimePassagen des Johannesevangeliums,ihn angekündigt.

Griffige Lebensdaten Mohammedssind aus dem Koran, der ihm vom Erz-engel Gabriel diktiert worden seinsoll, nicht ableitbar. Aufschluss gebenerst die sogenannten Hadithe, ge-sammelte Aussprüche des Prophetenoder Anekdoten über ihn, sowie dieersten Biografien, die erst Generatio-nen nach seinem Ableben geschriebenwerden. Demnach wurde Mohammed570 in Mekka geboren, empfängt 610die ersten Offenbarungen. 622 folgtder Auszug nach Medina – mit dersogenannten »hidschra« beginnt dieislamische Zeitrechnung. Nach derfriedlichen Rückeroberung Mekkasund der Umwandlung der Kaaba, dieder Legende nach von Abraham undIsmael gebaut wurde, in ein muslimi-sches Heiligtum stirbt der Prophet imJahr 632.Bewusst betrachteten die ersten Mus-lime ihren Gründer nicht als Zaubereroder altarabischen Orakelpriester,

Fast brisanter könnte auf lange Sichtdie Frage nach der christlichen Prä-gung des Islam und seines heiligenBuches sein. Der Philologe ChristophLuxenberg etwa geht von einer Ur-schrift des Koran in Aramäisch aus,also der Muttersprache Jesu. Demzu-folge beschreibt etwa Sure 97 (»DieBestimmung«) nicht die Herabsen-dung des Koran, sondern die Geburtzu Bethlehem. Und die viel zitiertenParadiesjungfrauen, die angeblich aufSelbstmordattentäter warten, ver-wandeln sich in »weiße Weintrauben«.Bobzin hält zwar die sprachwissen-schaftlichen Vorstöße in vielen Fäl-len für irrig, so bei der berühmten»Gepriesen«-Inschrift im JerusalemerFelsendom, er räumt aber ein: »Diechristliche Grundierung des Islam istevident.« Nicht nur, dass die einzigeFrau, die im Koran namentlich er-wähnt wird, Maria ist: Der Islamkönnte eine Weiterentwicklung deschristlichen Nestorianismus sein, derdie menschliche Natur Jesu betonte.Auch das muslimische Bilderverbot,dessen Wirkungen bis zu den Mo-hammed-Karikaturen reichen, dürftevom benachbarten Byzanz geprägtworden sein.Ohnehin waren Christentum undIslam in den ersten muslimischenJahrhunderten viel enger verschränktals bisher angenommen. In Ägyptenblieb die Mehrheit der Bevölkerungbis ins hohe Mittelalter hinein christ-lich. Wie Bobzin bei der Tagung in

sondern reihten ihn genealogisch imjüdisch-christlichen Prophetentumein, grundlegend dafür ist die Koran-sure 33. Doch der Widerspruch derJuden in Medina, die Mohammed an-fangs noch zur »umma« (Gemeinde)zählte, ließ nicht lange auf sich war-ten: Ein Prophet halte sich von derpolitischen Macht fern – und folgevor allem nicht seinen fleischlichenGelüsten. Mohammed hatte zahlloseFrauen, seine Lieblingsfrau Aisha warangeblich erst neun Jahre alt.Nach dem Tod des Propheten und sei-ner legendarischen Himmelfahrt folg-te auf Erden die Herrschaft der vierals »rechtgeleitet« bezeichneten Kali-fen, danach übernahmen die Stämmeder Omaijaden (661-750) und Abbas-siden (750-1258) die Macht im sichrasch ausbreitenden Islam. Berühm-tester Kalif war Harun ar-Raschid(786-809), der diplomatische Bezie-hungen zu Karl dem Großen unter-hielt. Eine »erkennbare, fertige Reli-gion« ist der muslimische Glaube erstim 9. Jahrhundert, so Hartmut Bobzin.

Forscher wie der niederländischeIslamexperte Hans Jansen verweisendarauf, dass die Legenden über Mo-hammed erst mehr als ein Jahrhun-dert nach seinem Tod aufgezeichnetwurden – und dennoch, mit Ausnah-me der Wundergeschichten, für histo-risch gesichert erachtet werden. Auchder Münsteraner ReligionspädagogeMuhammad Sven Kalisch zweifelt in-zwischen offen die Existenz des Pro-pheten an. »Man muss das als Histo-riker einer kritischen Sicht unterzie-hen«, sagt auch Bobzin, der gleich-wohl vor einem radikalen Skeptizis-mus warnt: »Die Debatte ist nichtzielführend.« Mancher Muslim magsich damit trösten, dass Mohammednicht die einzige Persönlichkeit derWeltgeschichte ist, deren Existenzbezweifelt wird – der Prophet befin-det sich in Gesellschaft mit Berühmt-heiten wie Homer, Benedikt von Nur-sia oder William Shakespeare.

Die Geburt des Propheten Mohammed aus dem Jami’ alTavarikh, geschrieben von Rashid ad-Din

m o h a m m e d

15SYM 4/2010

Page 18: SYM 4-2010

w a s k o m m t . . .

Bad Boll betonte, begünstigten dieAnhänger Jesu sowie die Juden anvielen Orten die Ausbreitung der Mus-lime, für deren religiös legitimiertenKampf irdischer Lohn in Form vonBeute und darüber hinaus himmlischeFreuden winkten. »Es war günstiger,unter den Arabern zu leben«, so derIslamwissenschaftler.

Und die Verbreitung des Islam mitFeuer und Schwert, die enge Verqui-ckung von Religion und Politik? »Dashat mit dem alten Islam nichts zutun«, erläutert Bobzin. Erst die Funda-mentalisten des 19. und 20. Jahrhun-derts hätten einen solchen Zusam-menhang erfunden. So widersprecheein Satz wie »Der Islam ist Staat undReligion« den historischen Gegeben-heiten. Ohnehin, so der Forscher, seider Islamismus eine Laienbewegung,die nur wenige Berührungspunkte mitder Korangelehrsamkeit zwischenMarokko und Indonesien habe. Voneinem historisch-kritischen Blick, derdas christliche Glaubensverständnisprägt, ist jene Gelehrsamkeit aller-dings noch weit entfernt. Der Korangilt als unerschaffenes Wort Gottes,das nicht hinterfragt werden soll.»Man muss glauben, ohne nach demWie zu fragen«, so der Eindruck Bob-zins. »Diese Antwort finden Sie immerwieder.« Der Ruf nach einer muslimi-schen Aufklärung, einer Entmytholo-gisierung im Stile von Bultmann oderBarth, ist in den scharfen Islamdebat-ten der zurückliegenden Jahre wiederdeutlich lauter geworden.

Im Kern dieser Diskussionen steht oftdie Rolle der Frau im Islam. Bei der

Bad Boller Tagung beschrieb GökcenTamer-Uzun, Lehrbeauftragte für isla-mische Religionspädagogik an der Pä-dagogischen Hochschule Ludwigs-burg, den Propheten Mohammed alsFrauenrechtler, gar als ersten Feminis-ten. Das steht naturgemäß im krassenWiderspruch zur Wahrnehmung desIslam im Westen, die von Schleier-zwang, Beschneidung und »Ehrenmor-den« geprägt ist. Eine Pflicht zum Tra-gen des Kopftuches lässt sich im Üb-rigen nicht so ohne Weiteres aus demKoran herauslesen.

Der christlich-muslimische Dialog,steht angesichts der genannten Prob-leme vor einer großen Herausforde-rung. Kirchturm und Minarett sindsich nah und fern zugleich. »Da stecktzurzeit eine wahnsinnige Emotiondrin, ich denke nur an Sarrazin«, sagtein Bad Boll Heinrich Georg Rothe,Islambeauftragter der württembergi-schen Landeskirche. Auch die Christenseien beim Thema Islam »zerrissen«.Doch Rothe verwahrt sich gegen denVorwurf, blauäugig zu sein, und ver-weist etwa auf den Koordinierungsratfür den christlich-islamischen Dialogund die von der ArbeitsgemeinschaftChristlicher Kirchen (ACK) in Baden-Württemberg erarbeitete Handrei-chung zum Umgang mit Muslimen.Keinen Zweifel kann es daran geben,dass der Islam dem Zeugnis desNeuen Testaments widerspricht, da erdie Gottessohnschaft Jesu leugnet.Eine christliche Anerkennung Mo-hammeds als Prophet, wie sie etwa»Weltethos«-Gründer Hans Küng an-regt, wäre deshalb ein Irrweg. Dochein wenig mehr Kenntnis über denmuslimischen Glauben und seine Leit-figur kann dem Religionsgespräch nurdienlich sein. Und sich von manchenüberhitzten Debatten der Gegenwartabheben. Die Bad Boller Mohammed-Tagung war ein über weite Streckenwohltuendes Beispiel dafür.

Bernd Buchner ist Redakteur bei evangelisch.de und zuständig für die

Ressorts Politik und Religion.

Was kommt?Tagungen vom 10. Dezember 2010 bis 2. April 2011Kurdische Kinder und JugendlicheIdentitätssuche, Kulturbrüche undPerspektiven in Kurdistan undDeutschland10.-12. Dezember 2010, Bad BollWir untersuchen die Bildungs- undIntegrationssituation von kurdischenKindern und Jugendlichen im türki-schen und nordirakischen Teil Kurdis-tans und in Deutschland. Welche Folgen haben Identitätskrisen undKulturbrüche und wie können diesebearbeitet werden?Tagungsnummer: 431010Tagungsleitung: Dr. Manfred BudzinskiInfos: Reinhard Becker, Tel. (07164) 79-217, Fax 79-5217reinhard.becker@ev-akademie-boll.dewww.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/431010.pdf

Reformpädagogik und Demokratie12.-14. Dezember 2010, Bad BollNoch immer wird über Missbrauch anSchulen diskutiert. Hierbei wird auchauf einzelne reformpädagogisch ori-entierte Schulen Bezug genommen.Darum soll der wertvolle und unver-zichtbare Kern der Reformpädagogikherausgearbeitet werden: Erziehungzur Demokratie und die Beachtungdes individuellen Bildungsweges.Zusammen mit Vordenkern derPädagogik wie Jürgen Ölkers, UlrichHerrmann, Peter Fauser, WolfgangEdelstein und Michael Brumlik.Tagungsnummer: 503410Tagungsleitung: Dr. Thilo FitznerInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

200 Jahre SynagogenorgelGeachtet und geächtet15. Dezember 2010, Bad BollVor 200 Jahren wurde die erste Orgelin einer deutschen Synagoge einge-weiht. Professor Andor Iszák vomEuropäischen Zentrum für JüdischeMusik spricht über die gemeinsamenWurzeln von Judentum und Christen-

Kalligraphie »Muhammad« mit der gekürztenEulogie (Segenswunsch) von Hattat AzizEfendi, Istanbul

16SYM 4/2010

Page 19: SYM 4-2010

»Man sieht nur mit dem Herzengut«. Meditatives Tanzen7.-9. Januar 2011, Bad BollDas neue Jahr beginnen wir mit inspirierender Musik und Tänzen.Tagungsnummer: 530211Tagungsleitung: Susanne WolfInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

Diagnose statt Beziehung?Spannungsfeld Jugendkriminal-rechtspflege14.-16. Januar 2011, Bad BollIn der Jugendkriminalrechtspflegenehmen Standardisierung und For-malisierung zu. Immer mehr prägenDiagnosen und Prognosen Jugend-strafverfahren, Jugendstrafvollzugund soziale Arbeit mit jungen straf-fälligen Menschen. Gleichzeitigkommt es auf die Beziehung zu denJugendlichen an: ohne Beziehungkeine erzieherische Wirkung. Bestehtdie Gefahr, dies zu vergessen?Tagungsnummer: 520111Tagungsleitung: Kathinka KadenInfos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.dewww.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/520111.pdf

Web 2.0 – Vereine in der Öffent-lichkeit. Auftaktseminar (Wdh.)15. Januar 2011, Stuttgart SpOrt,Beschreibung siehe Kasten

Flüchtlingsschutz in DeutschlandNationale Verfahren – europäischeStandards21.-22. Januar 2011, Bad BollWelchen Einfluss haben europäischeRegelungen und europäische Recht-sprechung auf das nationale Asylver-fahren? Wie gestaltet sich die Ent-scheidungspraxis des Bundesamtesfür Migration und Flüchtlinge (BAMF)mit zunehmender europäischer Har-monisierung des Asylbereichs? Welche Rechtswege stehen den Asyl-bewerbern offen? Entscheidet derReiseweg des Flüchtlings über seineAsylanerkennung?Tagungsnummer: 430111Tagungsleitung: Dr. Manfred Budzins-ki, Ulrike Duchrow, Ottmar Schickle

tum am Beispiel der Orgelmusik underinnert an eine lange gemeinsameTradition.Tagungsnummer: 503210Tagungsleitung: Dr. Thilo FitznerInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

Web 2.0 für Vereine, Initiativenund Non-Profit-OrganisationenDreiteiliges Seminar11. Dezember 2010, Bad BollAuftaktveranstaltungTagungsnummer: 53171015. Januar 2011, Stuttgart SpOrtAuftaktveranstaltung (Wiederholung)Wie bekommt man Zugang zu grö-ßerer Öffentlichkeit übers Web 2.0?Wie organisiert man Vernetzung undAustausch? Wie erreicht man neueMitglieder und Förderer? Das Auf-taktseminar zur Reihe bietet einenÜberblick über die Möglichkeitenund Bedingungen für die Nutzungvon Web 2.0 für Non-Profit-Organi-sationen. Web 2.0 – Seminar Teil 219. Februar 2011, Stuttgart SpOrtTagungsnummer: 531311Im Seminar Teil 2 geht es um dieKriterien für die Anwendung vonWeb 2.0 und die Entwicklung einereigenen Social Media-Strategie. Au-ßerdem werden Plattformen zur Ver-netzung von Personen und Gruppenvorgestellt. Teil 2 setzt die Teilnah-me an einem Auftaktseminar voraus.Web 2.0 – Seminar Teil 326. März 2011, Bad BollTagungsnummer: 531411Das letzte Seminar der Reihe um-fasst Informationen zu Öffentlich-keitsarbeit und Fundraising im Web2.0. Sie erhalten eine Einführung zur Erstellung von Wikis, Blogs undMikroblogging. Und das alles kön-nen Sie auch gleich üben. Die Teil-nahme an einem Auftaktseminarsowie an Teil 2 wird vorausgesetzt.Tagungsleitung: Susanne Wolf,Jürgen Heimbach; Württembergi-scher Landessportbund e.V.,StuttgartInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

Blick zurück nach vorn25 Jahre Bad BollerLesbentagungen16.-19. Dezember 2010, Bad BollSeit 25 Jahren kommen Lesben in dieAkademie, um einander zu begegnen,ihre existenziellen und politischenFragen zu besprechen, Wege, Mutund Kraft zu finden. Aus Anlass diesesJubiläums würdigen und feiern wir,was über die Jahre erreicht wordenist: Wir verständigen uns darüber,welche Themen und Formen fürzukünftige Tagungen anstehen.Tagungsnummer: 530710Tagungsleitung: Susanne WolfInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

»Mit der Reife wird man immerjünger«. Chancen und Herausfor-derungen für das Altern heute4.-7. Januar 2011, Bad BollDas Alter umfasst mehrere Genera-tionen und hat viele Gesichter, von

denen wir einigen genauer auf dieSpur kommen wollen. Für die vitaactiva im Alter steht beispielhaft diePublizistin Inge Jens mit ihrem beein-druckenden Werk. Daneben gibt eswie in jeder Lebensphase Zeiten, diezur Passivität einladen, zum gelasse-nen Umgang mit sich selbst und die-ser Welt.Tagungsnummer: 530111Tagungsleitung: Susanne WolfInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

w a s k o m m t . . .

17SYM 4/2010

Page 20: SYM 4-2010

v o r s c h a u

Umgekehrt ist vielen hierzulande dieOrthodoxie noch fremd. Diese Begeg-nungstagung bietet Raum für klären-de Gespräche zur Taufpraxis.Tagungsnummer: 640111Tagungsleitung: Wolfgang WagnerInfos: Irmgard Metzger, Tel. (07164) 79-347, Fax [email protected]

Wettbewerbsfähige soziale Markt-wirtschaft – Zukunftsmodell oderUtopie? Evangelische Impulse zurNeuordnung nach der Krise3.-4. Februar 2011, Bad BollDie soziale Marktwirtschaft ist weni-ger eine Wirtschafts- als eine Werte-ordnung. Ihre Entstehung ist ohne diein den evangelischen Kirchen ent-wickelte Aufgabenteilung zwischenStaat und Gesellschaft nicht denkbar.Doch die soziale Marktwirtschaftbraucht neue Konzepte. Wie lässt siesich neu gestalten und welchen Bei-trag können die Kirchen dazu leisten?Tagungsnummer: 620311Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann,Dagmar BürkardtInfos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax [email protected]

Der Auszug aus ÄgyptenGeheimnisse der Bibel-Archäologie4.-6. Februar 2011, Bad BollEndlich die Geheimnisse der Bibel ver-stehen. Der Auszug des Volkes Israelaus Ägypten, auch Exodus genannt,ist eine der wundersamsten Erzählun-gen der Bibel. Viele archäologische

Hinweise zeigen, dass biblische Textekeine Erfindung sind, sondern auf Tat-sachen beruhen. Sie erfahren Neuesund Altes über Moses und die Theo-logie des Ersten Testaments.

Infos: Reinhard Becker, Tel. (07164) 79-217, Fax [email protected]

Musik ist wichtigIntegration durch musisch-kulturelle Bildung26.-28. Januar 2011, Bad BollNiemand bestreitet die vorteilhaftenWirkungen von Musik und gemeinsa-mem Musizieren – besonders in derSchule. Angesichts politischer Spar-notwendigkeiten kommt es darauf an,nach soliden empirischen Befundenund einleuchtenden Praxisbeispielenzu suchen, um Freunden der Musiküberzeugende Argumente für dieWichtigkeit der Musik zu liefern, da-mit diese in der Öffentlichkeit dafüreinstehen können.Tagungsnummer: 501011Tagungsleitung: Dr. Thilo FitznerInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

Abitur und dann?Tagung für Schülerinnen undSchüler der Klassen 12-1328.-30. Januar 2011, Bad BollDie Gelegenheit, mit Menschen ausmehr als 30 Berufen in Kontakt zutreten. Ebenso mit Studien- und Be-rufsberatern, mit Vertretern von Frei-willigendiensten und Stiftungen. Da-bei können Sie eigenen Fragen zurberuflichen Zukunft nachgehen. Talk-runden, Referate und Diskussionenbieten zusätzliche Information, Thea-tersport sorgt für Entspannung.Tagungsnummer: 360111Tagungsleitung: Marielisa vonThadden, Gerald Büchsel, Wolfgang DresslerInfos: Heidi Weiser, Tel. (07164) 79-204, Fax [email protected]

Eins in ChristusTaufe und Taufgeleit in evangeli-schen und orthodoxen Gemeinden31. Januar - 2. Februar 2011, Bad BollOrthodoxe Kirchengemeinden wach-sen in unserm Land. Viele Priesterengagieren sich in der Ökumene,haben aber Fragen an die evangeli-sche Theologie und Kirchenpraxis.

Tagungsnummer: 501511Tagungsleitung: Dr. Thilo FitznerInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

Bildung für alle Milieus?Kirchliche Arbeit in der Vielfalt derStile und Vorlieben4. Februar 2011, Bad BollSeminar für kirchliche haupt- undehrenamtliche Mitarbeiterinnen undMitarbeiter. Die richtige Wahrneh-mung der verschiedenen Milieus undZielgruppen hilft bei der Gestaltungder kirchlichen Angebote. Ebenso hilftsie bei der Arbeit mit den Gruppenund Milieus.Tagungsnummer: 120211Tagungsleitung: Joachim L. Beck,Thomas Meyer-WeithoferInfos: Karin Nitsch, Tel. (07164) 79-206, Fax [email protected]

Vernissage Elly WeiblenMalerei und Tuschezeichnungen6. Februar 2011, Bad Boll s. S. 8

»Anwalt des Kindes«Fort- und Weiterbildung zum Verfahrensbeistand7.-11. Februar 2011, Bad BollKindern eine Stimme in Gerichtsver-fahren zu geben, erfordert bestimmteKenntnisse und Fähigkeiten. Diesevermittelt und stärkt die hochschul-zertifizierte Fort- und Weiterbildungzum Verfahrensbeistand. Der Kurs orientiert sich an den Standards derBundesarbeitsgemeinschaft Verfah-renspflegschaft für Kinder und Ju-gendliche e. V.Tagungsnummer: 521111Tagungsleitung: Kathinka KadenInfos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.dewww.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/521111.pdf

Jugendliche beim Berufseinstiegbegleiten. Modellprojekt derBerufsorientierung und -beratung11.-12. Februar 2011, Bad BollAufgabenspektrum, inhaltliche Spiel-räume, rechtliche Grundlagen, Vernet-zung und Kooperationen: Vertiefendes

Auszug aus Ägypten. Illustration von HansBüning, Duisburg

18SYM 4/2010

Page 21: SYM 4-2010

Know-how und kollegialer Austauschzur Qualifizierung im neuen Arbeits-feld an ausgewählten Haupt- undSonderschulen.Tagungsnummer: 330311Tagungsleitung: Sigrid SchöttleInfos: Ilse Jauß, Tel. (07164) 79-229, Fax [email protected]

Gestalten und VerantwortenAufgaben und Selbstverständnis desKirchenbezirksausschusses11.-12. Februar 2011, Bad BollMitglieder im Kirchenbezirksaus-schuss sind zugleich auf mehrerenEbenen tätig, die mit anderen, oftwiderstreitenden Interessen verbun-den sind. Die Tagung bietet Impulsevon Fachleuten und Leitungspersonenzu den aktuell brennenden Themenund Gelegenheit, im Austausch mitanderen das eigene Selbstverständniszu klären und von guten Beispielen zulernen.Tagungsnummer: 531111Tagungsleitung: Susanne Wolf,Gerlinde Feine; Hans-Martin Härter;Harald MüllerInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342brigitte.engert@ev-akademie-boll.dewww.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/531111.pdf

Wir und die anderen in Europa.Migrationspolitik und Soziales imVergleich11.-13. Februar 2011, Bad BollDer Lissabon-Vertrag brachte Positi-ves, allerdings wird dies in den ein-zelnen EU-Mitgliedsstaaten unter-schiedlich sichtbar. Für ausgewählteLänder werden folgende Bereiche ver-gleichend auf den Prüfstand gestellt:Umgang mit Einwanderung, Migra-tionspolitik, politische Partizipation,Bildung und Integration, sozialeSicherung bei Arbeitslosigkeit, pre-käre Beschäftigung.Tagungsnummer: 430911Tagungsleitung: Dr. ManfredBudzinski, Bernadino di Croce,Giovanna NicolosiInfos: Reinhard Becker, Tel. (07164) 79-217, Fax [email protected]

Web 2.0 – Seminar Teil 219. Februar 2011, StuttgartBeschreibung siehe S. 17

Fundraising für Kunst und KulturFörderung finden – Förderer binden21.-23. Februar 2011, Bad BollSeit Jahren müssen in der Kunst- undKulturszene reduzierte staatliche Zu-schüsse durch die Einwerbung priva-ter Mittel wettgemacht werden. Fundraising spielt dabei eine zentraleRolle. Wie's gemacht wird, zeigen aufdieser Tagung Fachleute aus Kultur-management und Sponsoring.Tagungsnummer: 450111Tagungsleitung: Dr. Irmgard EhlersInfos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax [email protected]

Feindbild IslamIslamophobie oder Religionskritik?25.-27. Februar 2011, Bad BollReligionskritik gehört zu den geisti-gen Grundlagen unserer Gesellschaft.Gleichwohl empfinden viele Muslimesie als diskriminierend und sprechenvon einem »Feindbild Islam«, worin sievon namhaften Vertretern der abend-ländischen Welt unterstützt werden.Christen verweisen dagegen auf dieVerfolgung in islamischen Ländern.Der Opferdiskurs verhindert ein Mit-einander auf Augenhöhe.Tagungsnummer: 640911Tagungsleitung: Wolfgang WagnerInfos: Irmgard Metzger, Tel. (07164) 79-347, Fax [email protected]

Heinrich von Kleist AmphitryonTheater im Dialog Teil 1: Identitätund Unverwechselbarkeit26. Februar 2011, StuttgartAlkmene und Sosias geraten in einVerwirrspiel, in dem sie einanderfremd werden. Worin ist ein Menschunverwechselbar? Wie gehören wech-selnde Selbstentwürfe und Identitätzusammen? Ein Workshop mit Text-arbeit, Spiel und Theaterbesuch.Tagungsnummer: 531811Tagungsleitung: Susanne WolfInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

Durch die Sandsteinwüste zur Oase Ain Hudra. Kamelsafari,Trekking und Schnorcheln3.-17. März 2011, AkademiereiseEine Wandertour abseits vom Touris-tenstrom: Erfahren Sie Beduinenwis-sen über Natur und Wüstenleben auserster Hand. Gönnen Sie sich dieWüste! An der Trekkingtour könnenmaximal 15 Personen teilnehmen.Tagungsnummer: 451111Tagungsleitung: Dr. Irmgard EhlersInfos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax [email protected]

Draußen vor der TürEhemalige Soldaten nach demAfghanistan-Einsatz4.-6. März 2011, Bad BollDeutsche Soldaten kämpfen in Afgha-nistan. Wenn sie zurückkehren undentlassen werden, bleiben sie sich oftselbst überlassen. Manche treffensich in Veteranen-Clubs, andere brau-chen psychiatrische Hilfe. Wer willihre Erfahrungen hören?Tagungsnummer: 640511Tagungsleitung: Wolfgang WagnerInfos: Irmgard Metzger, Tel. (07164) 79-347, Fax [email protected]

Internationaler Diakonie Kongress2011 – All inclusive!?UN-Behindertenrechtskonventionals Herausforderung9.-11. März 2011, Bad BollDie UN-Behindertenrechtskonventionvon 2009 bedeutet eine Herausfor-derung für Gesellschaft, Kirche undDiakonie: Wie steht es um das gleich-berechtigte Zusammenleben vonMenschen mit und ohne Behinde-rung? Wie kann es weiter verbessertwerden? Was können insbesonderedie Evangelische Kirche und ihre Dia-konie dazu beitragen?Tagungsnummer: 410811Tagungsleitung: Dr. Günter RenzInfos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax [email protected]

w a s k o m m t . . .

19SYM 4/2010

Page 22: SYM 4-2010

weltverträglich investieren, ist diesdie beste Entwicklungsarbeit – zubeiderseitigem Nutzen.« Dieser Satzvon Entwicklungsminister Dirk Niebelklingt nach einem Kurswechsel derdeutschen Entwicklungspolitik. Waskann die Privatwirtschaft wirklich leisten? Woran muss sie sich orien-tieren? Wie sieht die künftige Rollen-teilung aus?Tagungsnummer: 670111Tagungsleitung: Matthias Wanzeck,Dr. Dieter HeidtmannInfos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax [email protected]

Dantons TodTheater im Dialog Teil 2: Männer und Frauen19. März 2011, StuttgartDie Französische Revolution war eineRevolution der Männer. Bis heute sinddie Frauen von Gleichheit, Freiheitund Brüderlichkeit ausgeschlossen. Sokämpfen sie noch immer für ihreRechte. In der Inszenierung vonNuran David Calis geht es um denPlatz des weiblichen Denkens in denHandlungskonzepten der Revolutio-näre und heutiger Machtspiele.Tagungsnummer: 531511Tagungsleitung: Susanne WolfInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

Streitschlichtung setzt Impulse10. Baden-WürttembergischerStreitschlichterkongress23.-25. März 2011, Bad BollStreitschlichter-Programme sind anvielen Schulen erfolgreich etabliert.Streitschlichter wollen begleitet wer-den, suchen neue Impulse und brau-chen Motivation. Der Kongress bietetdie Möglichkeit, sich in Vorträgen undWorkshops weiterzubilden, Erfahrun-gen auszutauschen und mit qualifi-zierten Mediatorinnen und Mediato-ren intensiv in Gruppen zu arbeiten.Tagungsnummer: 310311Tagungsleitung: Gerald BüchselInfos: Andrea Titzmann, Tel. (07164) 79-307, Fax [email protected]

Für den Frieden mobilisieren.Kritik, Kreativität und Netzwerkeder zivilen Konfliktbearbeitung25.-27. März 2011, Bad BollZivile Konfliktbearbeitung brauchtÖffentlichkeit. So werden Aufmerk-samkeit hergestellt, Raum für Alter-nativen geschaffen und konstruktiveGegenkräfte gestärkt. Viele Akteurehaben es schwer, sich und ihre aufLangfristigkeit ausgerichtete Arbeitzu präsentieren. Aber es gibt auchpositive Beispiele, die zeigen, dass esmöglich ist, zielgerichtet und profes-sionell zu kommunizieren.Tagungsnummer: 430211Tagungsleitung: Dr. ManfredBudzinski, Christiane Lammers, Ulrich FreyInfos: Reinhard Becker, Tel. (07164) 79-217, Fax [email protected]

Web 2.0 – Seminar Teil 326. März 2011, Bad BollBeschreibung siehe Kasten S. 17

Starke Mädchen – starke Jungen.Geschlechterdifferenzierte Gewalt-prävention und Selbstbehauptung30. März - 1. April 2011, Bad BollDas Konzept richtet einen geschlech-terdifferenzierenden Blick auf Inhalteund Methoden des Selbstbehaup-tungstrainings. Es baut auf die Ver-bindung von Sozialwissenschaft undPraxis, von Erfahrungslernen undfachlichem Austausch. Das Werkstatt-seminar wurde in Projekten der schulischen und außerschulischenBildungsarbeit mit Kindern undJugendlichen im Alter von etwa 9-13 Jahren entwickelt.Tagungsnummer: 330211Tagungsleitung: Sigrid SchöttleInfos: Ilse Jauß, Tel. (07164) 79-229, Fax [email protected]

Auswege aus der Wachstumsfalle.Aktuelle Zukunftskonzepte1.-2. April 2011, Bad BollBis 2020 soll es in Europa »intelligen-tes, nachhaltiges und integrativesWachstum« geben. Wie müssen sichdie Maßstäbe verändern, um Klima-wandel, Armut und Ressourcenknapp-heit gerecht zu werden? Woran mes-

w a s k o m m t . . .

Die Würde des TieresTierschutztagung11.-13. März 2011, Bad BollDie Würde des Menschen ist grund-gesetzlich verankert. Die Würde desTieres nicht. Was in Bezug auf denMenschen eindeutig festgelegt ist,lässt sich für unser Mitgeschöpf Tiernur schwer definieren: Was ist die»Würde« des Tieres? Warum lässt sichoffensichtlich nur schwer bestimmen,wie wir mit Tieren umgehen sollen?Ist die Uneindeutigkeit der Würde inBezug auf die Tiere selbstverständ-lich?

Tagungsnummer: 520411Tagungsleitung: Kathinka KadenInfos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax [email protected]

Abschied von der Erwerbsarbeit –Aufbruch ins MorgenNeue Chancen nutzen16.-19. März 2011, Bad BollAltersteilzeit, Vorruhestand undRuhestand sind verbunden mit demAbschied aus vielen Rollen und Bezie-hungen. Lernen, den Abschied ernstzu nehmen. Die Chancen der neuenLebensphase erkennen – für die Be-ziehung, für Freizeitaktivitäten undfür das Engagement für andere.Tagungsnummer: 760111Tagungsleitung: Sigi Clarenbach,Werner KollmerInfos: Ingrid Brokelmann, Tel. (07131) 982330, Fax [email protected]

Unternehmen als EntwicklungshelferSoziales Engagement oder Eigen-interesse?17.-18. März 2011, Bad Boll»Wenn deutsche Mittelständler inEntwicklungsländern sozial- und um-

20SYM 4/2010

Page 23: SYM 4-2010

sen wir wirtschaftliche und sozialeEntwicklung? Die Tagung stellt aktu-elle Zukunftskonzepte aus verschiede-nen europäischen Ländern vor undsucht Anhaltspunkte für innovativeStrategien.Tagungsnummer: 240111Tagungsleitung: Dagmar Bürkardt, Dr. Dieter HeidtmannInfos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax [email protected]

Vernissage Tine SchumannMalerei3. April 2011, Bad BollDie in Kirchheim/Teck geboreneKünstlerin studierte an der Hoch-schule für Grafik und Buchkunst inLeipzig. Heute lebt und arbeitet sie inBerlin. Ihre Portraits erzählen frag-mentarisch; sie halten den Augenblickfest, den tief versunkenen Menschen,das zum Sprung ansetzende Tier, densich verausgabenden Sportler.Dauer der Ausstellung:3. April bis 22. Mai 2011Tagungsnummer: 936111Tagungsleitung: Susanne WolfInfos: Brigitte Engert,Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

Aus der Akademie

Im Ruhestand ab Dezember 2010:Volker StücklenSeit 1988 arbeitete Volker Stücklenim Kirchlichen Dienst in der Arbeits-welt mit Sitz in Heilbronn. Er war –und ist – ein gefragter Gesprächs-partner und Ratgeber: für Unterneh-mer und Arbeitnehmer, für Gewerk-schaften und Arbeitgeberverbände,für Menschen im Übergang in denRuhestand und für Menschen, die aufder Suche nach Arbeit sind und fürMenschen, deren Arbeitsplatz bedrohtist. Die Stärkung der Betriebsräte lagihm am Herzen, als Referent undGesprächspartner war er in Betriebenpräsent. Sein Herz schlägt bei denMenschen: Sorgen, Fragen, Ängstenimmt er ernst und auf. Und so ent-stand auch die Mobbinghotline, derenKonzept er mitgestaltete und in derer aktiv mitarbeitet. Weil das Ergehender Menschen ihm nicht gleichgültigist, weil er davon überzeugt ist, dassMenschen aufrecht gehen sollen undkönnen, deshalb hat er sich dort ein-gesetzt, wo dies durch Strukturen und / oder das Verhalten Einzelnerbedroht wurde. Er wurde zum gefrag-ten Experten, wenn es um das Thema»Mobbing« ging: dabei geht es umStrukturen und Situationen, die Mob-

bing ermöglichen und erleichtern –oder aber erschweren und verhindern;um Verhaltensweisen bei potenziellenOpfern und Tätern. Volker Stücklen ist dem christlichenMenschenbild verpflichtet – so weißer um Befreiung und Versagen, umdie Gnade, die uns allen voraus ist.Unaufgeregt aber bestimmt ist er inden Gesprächen und stellt sein Wis-sen und Können zur Verfügung. Wir inder Evangelischen Akademie Bad Bollhaben davon profitiert: seit 1994 biszu seinem Ausscheiden war er in derMitarbeitervertretung, davon sechsJahre deren Vorsitzender, ein verläss-liches Gegenüber, klar in der Sacheund verbindlich im Ton. Mir bleibt, ihm zu danken für all dasEngagement im Kirchlichen Dienst inder Arbeitswelt, in der EvangelischenAkademie Bad Boll und in der Mitar-beitendenvertretung. Für Klarheit unddie gemeinsame Suche nach dembesseren Weg, für Impulse und Ge-spräche, für gewachsenes und trag-fähiges Vertrauen. Im Ruhestand – dabin ich mir sicher – wird er weiterhinaktiv sein: als Prädikant, als Berater,als einer, der für andere Reisen orga-nisiert und durchführt.Wir wünschen ihm und seiner Familiefür die kommenden Jahre GottesSegen, eine belastbare Gesundheitund freuen uns über alle Begeg-nungen!

Joachim L. Beck

Spinat-Kürbis-Strudel

10 PersonenZutaten geputzt gewogen

Teig:450 gr Mehl6 EL Sonnenblumenöl5 EigelbWasser nach GefühlZutaten mit Knethaken zu einer ela-stischen Teigmasse verarbeiten, da-nach mit Folie bedeckt ruhen lassen

Füllung:150 gr Zwiebeln würfeln und in

Olivenöl andünsten750 gr geraspelten Hokkaido

zugeben400 gr frischen Spinat in Steifen

unterhebenmit Salz, Pfeffer, Knoblauch würzen,

abkühlen lassen300 gr Feta zerkrümeln und

unterheben

Teig in 4 Portionen teilen, sehr dünnauf einem Geschirrtuch auswellenund zum Schluss ziehen. Mit Fül-lung belegenRänder und oberes Ende frei lassenund einschlagen. Teig mit Hilfe desKüchentuches rollen – das Ende sollauf dem Blech unten liegenMit Eigelb-Olivenölmischung be-streichen, mit Kürbiskernen undThymian bestreuen30 bis 40 Minuten bei 175 GradbackenDazu einen Schnittlauch-Joghurtdipreichen

Guten AppetitMarianne Becker

r e z e p t - a u s d e r a k a d e m i e

21SYM 4/2010

Page 24: SYM 4-2010

p u b l i k a t i o n e n - b u c h t i p p s

Neue Publikationender Akademie Aktuell und strittigHalbjahresprogramm derEvangelischen Akademie Bad BollJanuar bis Juli 2011

Jugendthemen, Islam undder Krieg in Afghanistan:Die Evangelische Akade-mie Bad Boll bietet auchim neuen Halbjahrespro-gramm ein breites undstrittiges Themenspektrum.

Im jetzt erschienenenneuen Halbjahrespro-gramm präsentieren dieBad Boller Tagungsmacherüber 70 Veranstaltungenvon Januar bis Juli 2011.

Schwerpunkte können bei Tagungenzum Islam, zum Krieg in Afghanistanund zu Bildungs- und Wirtschaftsthe-men ausgemacht werden.Im Editorial des Heftes zitiert Akade-mie-Direktor Joachim L. Beck den ehe-maligen Bundespräsidenten Richardvon Weizsäcker mit den Worten »Kir-che muss nicht Politik machen, aberPolitik möglich machen« und lenktdamit den Blick auf die Ausrichtungder Tagungsarbeit in der Evangeli-schen Akademie Bad Boll. Dies bedeu-tet für ihn, »die Stimme zu erheben,für die, die stumm geworden sind undden Finger auf die Wunden zu legen,um Heilung zu befördern, aber auchdie Vision einer verbesserlichen Weltnicht aus den Augen zu verlieren.«

»Feinbild Islam«, lautet der Titel einerTagung Ende Februar, bei der erörtertwerden soll, ob es in manchen aktuel-len Diskussionen eher um Islamopho-bie oder um differenzierte Religions-kritik geht. Es geht dabei auch um die Verfolgung von Christen in islami-schen Ländern. Im Mai geht es dannum die Frage, wie Muslime und ihreVerbände das gesellschaftliche Lebenin Deutschland gleichberechtigt mit-gestalten können. Geht es um die Be-jahung einer deutschen Werteord-nung oder »nur« um Rechtstreue?

Gelingende Bildung – dafür gibt esviele Wege und Annäherungen, nichtein Rezept. Ein wichtiger Impuls, derin vielen Stundenplänen der Sparpo-litik geopfert wurde, ist die Musik.Empirische Befunde und einleuchten-de Praxisbeispiele aus der Schulpraxiswerden Ende Januar vorgestellt. Umden »Wettbewerb im Schulsystem«und um »Pädagogik und Soziologie imWandel« geht es in weiteren Tagun-gen zu pädagogischen Fragen.

Die Wirtschaftskrise scheint erst ein-mal überwunden, wie aber unsereWirtschaftssysteme verändert werdenmüssen, dass sie zukunftsfähig wer-den, das wird weiterhin kontroversdiskutiert. Evangelische Impulse einesZukunftsmodells sozialer Marktwirt-schaft werden Anfang Februar mitVertretern aus Kirche, Wirtschaft undPolitik diskutiert. Anfang April wirddie Frage nach Auswegen aus derWachstumsfalle im europäischen Kon-text gestellt. Dabei werden innovativeStrategien vorgestellt und erörtert.

Das heißeste Eisen, das die Evangeli-sche Akademie Bad Boll in 2010 an-gepackt hatte, war eine Tagung zumIsrael-Palästina-Konflikt, zu der auchein Hamas-Vertreter eingeladen wor-den war. Auch wenn er nicht kommenkonnte, wurde doch eine wichtigeDebatte geführt. Im Mai 2011 wirdein weiteres heißes Eisen angepackt:Eine Tagung zum Kairos-Palästina-Dokument, einem Aufruf palästinensi-scher Christen und Christinnen zurBeendigung der Besetzung Palästinasdurch Israel, das am 11. Dezember2009 veröffentlicht wurde und seitherfür heftige Diskussionen sorgt.

Was es an neuen Buchveröffentli-chungen der Akademie gibt, ist indem neuen Programmheft ebensonachzulesen. Außerdem informiert esSie über die Aufgaben der einzelnenStudienleiter und Studienleiterinnensowie ihre Kontaktdaten.

Bestellungen:[email protected]:www.ev-akademie-boll.de/akademieprogramm

Bad Boller Skripte 3/2010Matthias Wanzeck (Hrsg.)Mexiko: Quo vadis? - 100 Jahrenach der Revolution. Menschen-rechte in Gefahr70 Seiten, 7,50 Euro

Bad Boller Skripte 2/2010Kathinka Kaden (Hrsg.)Belastung von Tieren - Was ist ethisch vertretbar?Tierschutz-Tagung85 Seiten, 7,50 Euro

Bad Boller Skripte 1/2010Susanne Wolf (Hrsg.)Tools of RenewalErneuerungspotenziale in denmonotheistischen Religionen62 Seiten, 7,50 Euro

Weitere Buchtipps Karl-Heinz Dejung / Hans-GerhardKlatt: Werner Simpfendörfer:Ein Leben in der Ökumene,Wichern-Verlag Berlin 2010, 120 S.,9,95 Euro

Mit drei für ihn typischen Sätzen istder Bad Boller Theologe Werner Simp-fendörfer in der Württemberger Aus-gabe des Evangelischen Gesangbuchsvertreten: »Wir werden nur wissen,was wir tun! Wir werden nur haben,was wir teilen! Wir werden nur ler-nen, was wir leiden!« (EG S.1077)Nun ist dreizehn Jahre nach seinemUnfalltod eine Biographie erschienen,die den schwäbischen Theologen ein-fühlsam porträtiert. Die beiden Auto-ren ehren damit nicht nur eine außer-gewöhnliche Persönlichkeit, sondernschreiben auch ein Stück Ökumene-Geschichte.Diese beginnt zunächst in der schwä-bischen Pietistensiedlung Korntal, woWerner Simpfendörfer 1927 in derfrommen Familie eines christlich-sozialen Politikers geboren wird, dernach dem Krieg Kultusminister wird.Die Schilderung der Jugendjahre er-laubt einen Blick in eine versunkenekonservative Kirchenwelt. Der Student

1

Evangelische AkademieBad BollProgrammJanuar bis Juli 2011

Halbjahresprogramm

22SYM 4/2010

Page 25: SYM 4-2010

hestand gehen. Gleichwohl pflegt ersein Netz von ökumenischen Bezie-hungen in der ganzen Welt und ar-beitet publizistisch weiter. Unter sei-nen Büchern ragen hervor: »EigenerHaushalt und bewohnter Erdkreis,Ökologisches und ökumenisches Ler-nen in der ›Einen Welt‹«, 1981, »Öku-menische Spurensuche« 1989, »Frauenim ökumenischen Aufbruch« 1992,»Ernst Lange – Versuch eines Porträts«,1997.Zehn Jahre nach seinem Tod ehrte dieEvangelische Akademie Bad Boll ihrengroßen Mitarbeiter mit einer Gedenk-tagung »Sehnsüchtig nach anderemLand«. Da wurde allerdings schondeutlich, dass seine Vision von Öku-mene den kirchlichen Diskurs nichtmehr bestimmte. Symbol dafür magsein, dass in der Bad Boller Akademieder Kampf gegen einen eigenen derSpiritualität gewidmeten Raum zu-nächst gewonnen wurde und »Wortezum Tag« die Andachten ersetzten.1994 (nicht 2003!) wurde dann aberdoch eine eigene Kapelle gebaut, diegern genutzt wird. Wolfgang Wagner

Fairness statt Ausbeutung.Der Kirchliche Dienst in derArbeitswelt (KDA) legt 48-seitigeBroschüre über sozial verantwort-liche Beschaffung vor.

Stuttgart/Reutlingen – Wenn Betrie-be, Behörden und Institutionen beiFirmen einkaufen, die ihre Mitarbei-tenden fair behandeln und bezahlen,dann kommt das den Beschäftigtenzu Gute. Dieses Anliegen hat derKirchliche Dienst in der Arbeitswelt(KDA) der badischen und der würt-tembergischen evangelischen Landes-kirchen aufgenommen: Zum interna-tionalen Tag für menschenwürdigeArbeitsbedingungen am 7. Oktoberlegten die kirchlichen Fachdiensteeine Broschüre mit dem Titel »Weg-weiser zum Einstieg in die sozial ver-antwortliche Beschaffung« vor.»Unser Wegweiser reagiert auf dieZunahme prekärer Beschäftigung unddie Sorge in der Gesellschaft und derKirche darum, dass nicht Leute zuHungerlöhnen für uns arbeiten müs-sen«, erklärte der Reutlinger Wirt-

schafts- und Sozialpfarrer Jens Jun-ginger als Vorsitzender des KDA inWürttemberg. Fairness statt Ausbeu-tung zu fördern ist der Leitgedankeder 48-seitigen Broschüre, die auchvom Bundesministerium für wirt-schaftliche Zusammenarbeit gefördertwird. Betriebe, Behörden und Institu-tionen – gerade auch die Kirchen –könnten damit die Selbstverpflichtungeingehen, nur noch Produkte undDienstleistungen aus Firmen einzu-kaufen, die faire Arbeitsbedingungenbieten.Die Broschüre nennt zunächst Krite-rien, die an Auftragnehmer anzulegensind wie das Verbot der Kinderarbeit,die Einhaltung der tarifvertraglich ver-einbarten Löhne und Arbeitsbedin-gungen sowie die Gewährleistung desMutterschutzes. In einem zweiten Teilwerden konkrete Instrumente für denNachweis sozialer Standards vorge-stellt wie das Fairtrade-Siegel oderdas Label für fair gehandelte Blumen.Mustertexte für Verträge sowie einFragebogen für Auftragnehmer gebenkonkrete Hilfen. »Unser Ziel ist«, soJens Junginger, »durch ein bewusstesethisches Einkaufsverhalten gute Ar-beit und menschenwürdige Arbeitsbe-dingungen zu fördern.«

Peter SteinleBestellungen bei: KDA Reutlingen, Tel. 07121 161771; Download: www.ev-akademie-boll.de/fileadmin/res/otg/aktuell/Wegweiser.pdf

Leben mit und ohne Gott. Beiträge zur inneren Sicherheit. Herbig Verlag, München 2010Hrsg: Karsten Krampitz und Uwe von Seltmann

Karsten Krampitz und Uwe vonSeltmann gehen einer Frage nach, die die Menschheit seit alters herbeschäftigt: Existiert Gott oder nicht?Die Herausgeber haben unterschied-lichste Stimmen zum Thema »Gott«quer durch die Gesellschaft vonbekannten und weniger bekanntenAutoren gesammelt. Ein Beitragstammt von Karl Giebeler,Studienleiter der EvangelischenAkademie Bad Boll.

hat in frühen Nachkriegsjahren dieseltene Gelegenheit zum Auslands-studium in Edinburgh, wodurch dienotwendige sprachliche Grundlage fürseine spätere ökumenische Tätigkeitgelegt ist.Nach etlichen kurzfristigen kirchli-chen Engagements landet Simpfen-dörfer 1956 als Pressereferent an derEvangelischen Akademie Bad Boll, derer zeitlebens verbunden bleiben wird.Es ist der richtige Ort, um seine weit-reichenden Ideen zur Kirchen- undGesellschaftsreform in die Praxis um-zusetzen. So nimmt er sich bald alsStudienleiter die »Bekehrung derStrukturen« vor, wie man die gesell-schaftspolitische Ausrichtung in be-wusster Abkehr von der bloßen Ge-meindeorientierung damals nannte. Er wird 1959 Leiter der »gemeinde-bezogenen Akademiearbeit«, die eineFülle von Modellen in der Landeskir-che Württemberg anstößt. Manscheut keinen Konflikt mit konserva-tiven Kräften, die die traditionelleStruktur der Kirche bewahren wollen.Die Akademie erlebt ihre Blütezeitmit vielen Ablegern und über zwei-hundert Mitarbeitern. 1969 erhält er einen Ruf nach Genfzum Ökumenischen Rat der Kirchen,wo ebenfalls die Aufgabenbereicheexpandieren. Es geht ihm vor allemdarum, die Bildungsarbeit der Kirchenneu auszurichten. Sie sollen sich denbrennenden Problemen der Zeit öff-nen, also beispielsweise gegen Rassis-mus und Apartheid kämpfen. Mit Ge-neralsekretär Philipp Potter und demBefreiungspädagogen Paulo Freirebaut er ein ökumenisches Netzwerkauf, das er vor allem durch seine Be-gabung für Freundschaften prägt. Erübersetzt wichtige Bücher aus derÖkumene. Aus persönlichen Gründenkehrt er 1973 nach Württemberg zu-rück, um je zur Hälfte als Generalse-kretär des Europäischen Leiterkreises(heute: Oikosnet Europe) und als Öku-menereferent der deutschen Akade-mien (EAD) zu arbeiten. Er widmetsich nun ganz dem Thema Kirchenre-form, regt die »Kritische Kirche«(heute: Offene Kirche) und andereInitiativen wie »Pro Ökumene« an. 1985 muss er aufgrund seiner schwe-ren Behinderung vorzeitig in den Ru-

p u b l i k a t i o n e n - b u c h t i p p s

23SYM 4/2010

Page 26: SYM 4-2010

Betr.: Artikel »Schatten derVergangenheit« in SYM 3/2010

Nach dem Spiegel-Artikel über denwürttembergischen Nazi-VerbrecherDr. Martin Sandberger (Der Spiegel14/2010) habe ich vergeblich daraufgewartet, dass aus dem Umfeld derwürttembergischen Landeskircheirgendetwas zur Sache zu hören ist.Schließlich hatte Sandberger in derLandeskirche ranghohe Fürsprechergehabt. Es scheint sich aber bislangniemand der Aufgabe anzunehmen,die damalige evangelisch-kirchlicheVerharmlosung und Verdrängung un-geheuerlicher Untaten des DrittenReiches aufzuarbeiten. Vielleichtfürchtet man einen kirchlichen Ima-ge-Schaden. Doch ist die Wahrheitwichtiger als das kirchliche Image,das übrigens durch ehrliche Selbst-kritik eher gewinnen könnte. So freueich mich, dass die Evangelische Aka-demie Bad Boll in ihrem Magazin aufdas Thema eingegangen ist. Der allzufrüh verstorbene Uwe Walter hatknapp, aber präzise über die unsäg-liche Geschichte und Nachgeschichteinformiert und zu weiterer Beschäfti-gung gerade mit der Nachgeschichteprovoziert.(Anmerkung: Es ist für mich auf-schlussreich, dass Bernhard Müller indem SYM-Artikel auch als späterer»Verbindungsmann der Christkonser-vativen zur NPD« erwähnt ist. Ichhatte als Chefredakteur des Evange-lischen Gemeindeblatts für Württem-berg unerfreuliche Begegnungen mitMüller. Er hatte sich über einen Ge-meindeblatt-Artikel empört, in demHerwig Sander über Albrecht Goesgeschrieben hatte, darin dessen No-velle »Unruhige Nacht« streifte undsie in Kontrast setzte zu den Marine-richter-Urteilen Hans Filbingers.)

Dr. Andreas Rössler, Stuttgart

Zur Tagung »Entwicklung neu denken«, 22.-24.10.2010Mir liegt ... sehr daran, eine Rück-meldung zu machen. Es gibt immerwieder »Jahrzehnt-Tagungen«. Unddies war eine solche. Entwicklungspo-litische Tagungen sind für mich seit35 Jahren Alltag. Aus den vielen

stach diese wieder einmal sehr her-aus. Es waren nicht nur außerordent-lich überzeugende Referenten einge-laden, vielmehr sind diese auch ineiner optimalen und aufbauendenReihenfolge aufgetreten. Für jeman-den, der dies in der bildungspoliti-schen Landschaft an der Basis gleichumsetzen muss, war es eine ganzaußerordentlich lohnende Veranstal-tung. Den Organisatoren und Planernist ausdrücklich zu danken!

Fernand Schmit

Zur Tagung »InterculturalCommunication« 22.–24. Oktober Respected Sir, It was a good experience to be at BadBoll. India is not mine, I don't own it.I happen to be born there. What Iown though, is the experience ofbeing human. I don’t like the idea ofhaving so many countries, so manyreligions. I wish all EARTH to be onecountry, with just one religion: huma-nity. It is time to stop promoting and com-paring nations. What we have doneas human beings over the period oftime is rather shameful. We have kil-led each other, did silly things. Now isthe time to integrate and bond to-gether in a way we have never donebefore and answer questions leftunanswered.I think Bad Boll is a place where this›one religion‹ scheme can be inven-ted. With advance in technologieslike internet and television, distancesbetween cultures are reducing. Wehave now to use this fact and pushfor a new system of religion andworld control. Politicians are usingtelevision to divide religions and gaincontrol. We should stop that. Underthe current system, some countriesgrow over the other countries. But inthe new system we ensure an equaland fairly supported growth at allplaces. When suppose a person is kil-led in Afghanistan we blame USAnow. But in the new system thewhole world will be under same go-vernment – and we never saw govern-ments killing people of their own.So in theory in case of world govern-ment the chance of a war would

l e s e r b r i e f , k o m m e n t a r e

ImpressumSYMMagazin der Evangelischen Akademie Bad Boll7. Jahrgang 2010, Heft 4/2010ISSN: 1613-3714

Herausgeber: Evangelische Akademie Bad Boll(Joachim L. Beck)

Verantwortlich im Sinne desPresserechts: Martina Waiblinger

Redaktion und Gestaltung:Martina Waiblinger

Fotonachweis:BMWi: S. 2; Deutscher Tierschutzbund:S. 20; Christa Engelhardt: S. 12; Jona-than Führer: S. 6; Jobst Kraus: S. 4;Norbert Kreuzkamp: S. 10; WolfgangLenz: S. 5; Sarwat Noor: S. 14; GünterRenz: S. 2; Martina Waiblinger: S. 3, 6,7, 9 (2), 21, U4 (3); Susanne Wolf: S. 7,U4 (1)

SYM erscheint vierteljährlich.Bezugspreis: 3,00 €Jahresabonnement: 10,00 €

Anschrift des Herausgebers:Evangelische Akademie Bad BollAkademieweg 11, 73087 Bad BollTel. 07164 79-0E-Mail: [email protected]: [email protected] Tel. 07164 79-302www.ev-akademie-boll.de

Das Papier wurde chlorfrei und säurefrei gebleicht.

Druckerei: Mediendesign Späth GmbH,73102 Birenbach

decrease. Better environment, betterhealth and equal opportunity. Ifsomebody is killed – as human I feelit’s not USA fault; it is fault of thewhole humanity. People in USA arenot different than I am, their sin ismy sin. We have to remove the ideathat we are separate. A new worldgovernment called ›Humans govern-ment‹. Together we succeed, separa-ted we fall.

Raja (indischer Student, Teilnehmer)

24SYM 4/2010

Page 27: SYM 4-2010

m e d i t a t i o n

Freude an der Vielfalt

In unserer Liturgiehaben wir mit demschönen Psalm 104 dieVielfalt gefeiert. Er istselbst ein Beispiel fürdie Vielfalt in der Bibel.So poetisch kann dieSchöpfung besungenwerden. Einige Krea-tionisten wollen dieSchöpfungsberichtenaturwissenschaftlichverstehen, aber sie ver-fehlen damit ihren Sinnund ihre Unterschied-lichkeit. Die weiterenbiblischen Bücher er-zählen oft ein Ereignisaus verschiedenenPerspektiven. Denkenwir an die »Wiederho-lung« der Mose-Geschichte im Deu-teronomium oder die neue Sicht derKönigsgeschichte in den Büchern derChronik. Viele Propheten erhebenhöchst widersprüchlich ihre Stimme.Im Neuen Testament haben wir dasEvangelium in vier Schriften und vieledurchaus nicht einheitliche Briefe.Manchmal beginnt die Diskussionschon in einem einzigen Buch. Kurz:Die Bibel ist eine Bibliothek; nicht nureine Stimme, sondern ein Chor. Fürmich eine Feier der Vielfalt.

Diese zeigt sich erst recht in der Kir-chengeschichte und hat viele Deno-minationen hervorgebracht, die wir in»Oikosnet Europe« (Ökumenische Ver-einigung der Akademien und Laien-zentren) nur teilweise repräsentieren.Da gab es öfter Abgrenzungen undAnfeindungen als Freude an der Viel-falt. Werner Simpfendörfer, einer mei-ner Vorgänger, hat darum »Ökumene«so gelehrt: »Das Fremde soll nichtmehr fremd sein.« Das hat uns fürJahrzehnte beflügelt. Je länger, destomehr komme ich aber zu der Einsichteines anderen Satzes: »Das Fremde alsfremd akzeptieren.« Sonst leidet die

schen wie im Deut-schen liegt der Un-terschied an einemBuchstaben! Sündeund Frevel sollen ver-schwinden, nicht dieMenschen.

Nun, ich denke, un-sere europäischenAkademien und Bil-dungswerke arbeitendaran, insbesonderein der nun ausklin-genden Dekade »Ge-walt überwinden«.

In der Stunde übri-gens, als in New Yorkdie Türme brannten,saßen wir in Bad Boll

zusammen bei der Vorbereitung einerTagung »Christen und Muslime über-winden gemeinsam Gewalt«. Die Ta-gung fand dann ein Jahr später statt.

Heute höre ich, dass ein fanatischerPastor in Florida den Koran verbren-nen will. Der Präsident der Islami-schen Gesellschaft von Florida hat ihnbesucht und bat ihn, hinsichtlich derFeindschaft der christlichen HeiligenSchrift zu folgen, die lehrt, die Feindezu lieben. Ein Muslim verweist einenChristen auf die Bibel!

Unterschiedlichkeit in der Konfessionoder Religion schließt Zusammenar-beit nicht aus. Oft kann man dannum so tiefer in die Doxologie einstim-men, die unsern Psalm beschließt:»Lobe den Herrn, meine Seele!Halleluja!«

Wolfgang Wagner, Studienleiter in derEvangelischen Akademie Bad Boll

Aus dem Schlussgottesdienst am 11. Sep-tember 2010 in Seurakuntaopisto / Finn-land anlässlich der 55. Jahreskonferenzvon »Oikosnet Europe«, s.a. S. 5

ökumenische Bewegung unter Verein-nahmungen, wovon vor allem die Vertreter kleinerer Kirchen ein Liedsingen können. Ökumene ist darumheute nicht nur eine theologische,sondern vor allem auch eine interkul-turelle Aufgabe.Das gilt auch für mache Bibeltexte,die uns fremd bleiben. So fehlt inunserer Liturgie vom Psalm 104 derSchlussvers 35 »Die Sünder sollen einEnde nehmen auf Erden und die Gott-losen nicht mehr sein«. Ein gefährli-cher Satz! Sollen wir Sünder undFrevler ausrotten?

Wenn wir am heutigen 11. Septemberan jenen Tag 2001 denken, als religiö-se Fanatiker Passagierflugzeuge alsBomben in die New Yorker Wolken-kratzer lenkten, dann spüren wir dieBrisanz, die nicht dadurch entschärftist, dass wir den Islam anklagen. Wirmüssen das Gewaltpotential in unse-rer eigenen wie in jeder Religion be-arbeiten.Dazu fällt mir die Anekdote jenesRabbiners ein, der Gott um das Ver-schwinden der Sünder bat. Als seineFrau Brurja dieses Gebet hörte, sagtesie ihm: »Du sollst nicht beten »Sün-der«, sondern »Sünde«. Im Hebräi-

Page 28: SYM 4-2010

Impressionen von der Michaelisakademie und vom Boller Bußtag der Künste

Evangelische Akademie Bad BollAkademieweg 1173087 Bad BollPostvertriebsstück 64670Entgelt bezahlt

Mit atemberaubenden Gefühlsausbrüchen undfast akrobatischen Bewegungen zeigte dasTübinger Tanztheater Treibhaus Auszüge ausdem Stück »Todsünde« (links unten) am Jah-resfest der Akademie zum Thema »Völlerei«.Die war angesagt beim Dessertbuffett (links).Die Ausstellung »endlich« mit Arbeiten vonSaskia Schultz macht augenfällig, dass Schön-heit angesichts des Todes nicht ohne Schre-cken zu haben ist (siehe auch S. 7).