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Tagungsbeitrag: Jahrestagung der DBG, Kommission V, Paläopedologie und Archä- ologie Titel der Tagung: Horizonte des Bodens 02.- 07.09.2017, Göttingen Berichte der DBG (nicht begutachtete on- line Publikation) http://www.dbges.de Kaum Tonverlagerung in 7000 Jahren Untersuchungen zur Bodenentwicklung im Bereich einer frühneolithischen Sied- lung in Groitzsch, NW-Sachsen Birgit Schneider*,Christian Tinapp**, Susann Heinrich***, Harald Stäuble** Frühneolithische Siedlung Im Zuge von archäologischen Ausgrabun- gen im Südwesten der Kleinstadt Groitzsch wurden zwischen 2014 und 2015 umfang- reiche Überreste einer frühneolithischen Siedlung und vereinzelte Zeugnisse jung- bronzezeitlicher Aktivitäten entdeckt (Blaschta et al. 2016). Groitzsch liegt am südlichen Ende des norddeutschen Tieflandes auf einer Sporn- lage südlich der Einmündung der Schnau- der in das 2 Kilometer breite Tal der Weißen Elster. Zahlreiche Fundstellen entlang des Tals belegen erhebliche anthropogene Akti- vitäten seit 7500 Jahren. Der oberflächennahe Untergrund südlich von Groitzsch besteht aus Geschiebe- lehm/Geschiebemergel und etwa einen Me- ter mächtigem Löss. Verbreitet kommen hier Parabraunerden vor. Zur Untersuchung von frühneolithischen Gruben und Gräben in Hinsicht auf frühne- olithische Hausgrundrisse wurden umfang- reiche Beprobungen durchgeführt (vgl. Heinrich et al. 2017). Die Auswertung im archäologischen Kon- text erbrachten auch pedologisch wichtige Erkenntnisse bzgl. der holozänen Boden- entwicklung in diesem Raum. * Universität Leipzig, Institut für Geographie, Johannisallee 19a, 04103 Leipzig ([email protected]) ** Landesamt für Archäologie Sachsen, Zur Wetterwarte 7, 01109 Dresden *** Eilenburger Str. 45, 04317 Leipzig Abb. 1: Grabungsplan GRZ-75 mit frühneo- lithischen Hausgrundrissen Oben links: vergrößerte Darstellung eines Hauses mit Position von Profil 1833 sowie der hausbegleitenden Längsgrube und ei- nem Außengraben Schlüsselworte Archäosedimente, Geoarchäologie, Ton- verlagerung, Linienbandkeramik Untersuchungsmethodik Im Laufe der einjährigen Ausgrabungen wurden sowohl Geoprofile als auch Profile durch archäologische Befunde aufgenom- men und beprobt. Neben den Boden-Parametern pH-Wert und Kalkgehalt (Scheibler) wurden die Ct- und Nt-Konzentrationen mittels Elementar- analysator vario EL cube (Elementar) be- stimmt. Aus diesen Ergebnissen wurden die Corg-Gehalte berechnet. Die Analyse der Korngrößenzusammenset- zung des getrockneten Mineralbodens er- folgte durch Kombination aus Siebung (>63 μm) und Sedimentation. Die Schluff- und Tonanteile wurden mit Hilfe eines Röntgen-

Tagungsbeitrag: Jahrestagung der DBG, Kommission V ...eprints.dbges.de/1286/1/Göttingen DBG 2017 Schneider et al. Leipzig.pdf · kräftigten die Aussagen der sedimentologi-schen

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Tagungsbeitrag: Jahrestagung der DBG, Kommission V, Paläopedologie und Archä-ologie Titel der Tagung: Horizonte des Bodens 02.- 07.09.2017, Göttingen Berichte der DBG (nicht begutachtete on-line Publikation) http://www.dbges.de

Kaum Tonverlagerung in 7000 Jahren – Untersuchungen zur Bodenentwicklung im Bereich einer frühneolithischen Sied-lung in Groitzsch, NW-Sachsen Birgit Schneider*,Christian Tinapp**, Susann Heinrich***, Harald Stäuble** Frühneolithische Siedlung

Im Zuge von archäologischen Ausgrabun-gen im Südwesten der Kleinstadt Groitzsch wurden zwischen 2014 und 2015 umfang-reiche Überreste einer frühneolithischen Siedlung und vereinzelte Zeugnisse jung-bronzezeitlicher Aktivitäten entdeckt (Blaschta et al. 2016). Groitzsch liegt am südlichen Ende des norddeutschen Tieflandes auf einer Sporn-lage südlich der Einmündung der Schnau-der in das 2 Kilometer breite Tal der Weißen Elster. Zahlreiche Fundstellen entlang des Tals belegen erhebliche anthropogene Akti-vitäten seit 7500 Jahren. Der oberflächennahe Untergrund südlich von Groitzsch besteht aus Geschiebe-lehm/Geschiebemergel und etwa einen Me-ter mächtigem Löss. Verbreitet kommen hier Parabraunerden vor. Zur Untersuchung von frühneolithischen Gruben und Gräben in Hinsicht auf frühne-olithische Hausgrundrisse wurden umfang-reiche Beprobungen durchgeführt (vgl. Heinrich et al. 2017). Die Auswertung im archäologischen Kon-text erbrachten auch pedologisch wichtige Erkenntnisse bzgl. der holozänen Boden-entwicklung in diesem Raum.

* Universität Leipzig, Institut für Geographie,

Johannisallee 19a, 04103 Leipzig ([email protected])

** Landesamt für Archäologie Sachsen, Zur Wetterwarte 7, 01109 Dresden

*** Eilenburger Str. 45, 04317 Leipzig

Abb. 1: Grabungsplan GRZ-75 mit frühneo-lithischen Hausgrundrissen Oben links: vergrößerte Darstellung eines Hauses mit Position von Profil 1833 sowie der hausbegleitenden Längsgrube und ei-nem Außengraben

Schlüsselworte

Archäosedimente, Geoarchäologie, Ton-verlagerung, Linienbandkeramik

Untersuchungsmethodik

Im Laufe der einjährigen Ausgrabungen wurden sowohl Geoprofile als auch Profile durch archäologische Befunde aufgenom-men und beprobt. Neben den Boden-Parametern pH-Wert und Kalkgehalt (Scheibler) wurden die Ct- und Nt-Konzentrationen mittels Elementar-analysator vario EL cube (Elementar) be-stimmt. Aus diesen Ergebnissen wurden die Corg-Gehalte berechnet. Die Analyse der Korngrößenzusammenset-zung des getrockneten Mineralbodens er-folgte durch Kombination aus Siebung (>63 µm) und Sedimentation. Die Schluff- und Tonanteile wurden mit Hilfe eines Röntgen-

Granulometers SediGraph III 5120 mit Mas-terTech MT 052 der (Micromeritics) be-stimmt. An mehreren Stellen wurden aus frühneo-lithischen Befundfüllungen ungestörte Bo-denproben zur Herstellung von Dünnschlif-fen entnommen, die mit Hilfe eines Polarisationsmikroskops analysiert und in-terpretiert wurden.

Ergebnisse

Geoprofil 8:

Die bei Geoprofil 8 dokumentierte kolluvial überprägte Parabraunerde weist im Bt-Ho-rizont Tongehalte >40% auf, wobei der Feinton (fT) mit ≥30% dominiert (Abb. 2a, 2b). Im darüber liegenden M-Horizont ist ein ge-ringerer Tongehalt von ca. 30% nachweis-bar.

Abb. 2a: Geoprofil 8, in unmittelbarer Nähe zu den linienbandkeramischen Befunden haben sich Parabraunerden entwickelt, die heute von kolluvialem Material überdeckt werden.

Die heterogene Korngrößenverteilung spie-gelt sich auch im II lCv und III lCv wider.

142,2

142,4

142,6

142,8

143,0

143,2

143,4

143,6

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

gS mS fS ffS gU mU fU gT mT fT

Korngrößenverteilung (%)

Tie

fe (

m N

N)

Abb. 2b: Korngrößenverteilung Geoprofil 8

142,2

142,4

142,6

142,8

143,0

143,2

143,4

143,6

0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 1,5 1,6 1,7

Ap

M

II Bt

II Bt

II lCv

IIl lCv Nt (%)

Corg (%)

Corg + Nt (%)

Tie

fe (

m)

NN

6,1 6,2 6,3 6,4 6,5 6,6 6,7 6,8 6,9 7,0 7,1

II lCv pH (CaCl2)

pH (CaCl2)

Abb. 2c: pH-Werte sowie Corg- + Nt-Gehalte im Geoprofil 8

Befunde:

Demgegenüber findet man in den Befunden eine sehr homogene Korngrößenverteilung, die auf den ersten Blick dem Bt-Horizont der Parabraunerde entspricht (Abb. 3).

142,90

142,95

143,00

143,05

143,10

143,15

143,20

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

gS mS fS ffS gU mU fU gT mT fT

Korngrößenverteilung (%)

Tie

fe (

m N

N)

Abb. 3: Korngrößenverteilung Profil 1833

Mithilfe des Quotienten T/(ffS+fS+gU) wurde der Tonanteil auf den Lössanteil nor-miert. Das Ergebnis belegt für die Bt-Hori-zonte des Geoprofils 8 die höchsten Quotienten (>1,3). In allen Proben der Befundprofile 1833, 1844 sowie 1581 konnten Quotienten >1,0 nachgewiesen werden. Dies ist als Beleg zu

bewerten, dass die Befundverfüllungen vor-wiegend aus Bt-Material bestehen. (Abb. 4).

142,2

142,4

142,6

142,8

143,0

143,2

143,4

143,6

0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6

IIl lCv

II lCv

II lCv

II Bt

II Bt

Ap

T/(ffS+fS+gU)Geopr8

T/(ffS+fS+gU)1833

T/(ffS+fS+gU)1844

T/(ffS+fS+gU)1581

T/(ffS+fS+gU)

Tie

fe (

m N

N)

M

Abb. 4: Quotient T/(ffS+fS+gU) im Geoprofil 8 im Vergleich zu den Befundprofilen 1833, 1844 sowie 1581

Abb. 5: Entnahmeposition der beiden Dünn-schliffproben und Scans der Dünnschliffe (Breite der Schliffe ca. 5 cm).

Die Scans der beiden Dünnschliffe zeigen schluffig-toniges, braun gefärbtes Material. Das fleckenhafte Nebeneinander dunkler

und hellerer Färbung weist auf das Vorkom-men tonreicheren und tonärmeren Materials hin. Die Ergebnisse der Dünnschliffanalysen be-kräftigten die Aussagen der sedimentologi-schen Untersuchungen. Das Nebenein-ander tonreicherer und tonärmerer Materi-alpartien deutet auf die Einfüllung pedogen unterschiedlich geprägten Materials (Al und Bt) hin, wobei Bt-Anteile dominieren (Abb. 5, 6). Am aktuellen Porenraum orientierte Einspü-lungen von Ton (z.T. auch Schluff) existie-ren nur in geringem Umfang (Abb. 7a + 7 b). Innerhalb der Befundverfüllung gibt es kei-nen vertikalen Tongehaltsunterschied.

Abb. 6: Tonreiche Partien (braune Färbung) neben tonärmeren, schluffreichen Partien (graue Färbung)

Abb. 7a:Einspülungen von Ton, zum Teil auch von Schluffkörnern, die sich am aktu-ellen Porenraum orientieren, existieren nur in geringem Umfang (ppl)

Außengraben

Längsgrube

a

b

a b

Abb. 7b: Einspülungen von Ton, zum Teil auch von Schluffkörnern, die sich am aktu-ellen Porenraum orientieren, existieren nur in geringem Umfang (xpl).

Abb. 8: Toncutanfragment in einer biogenen Hohlraumverfüllung

Abb. 9: Toncutanfragmente in umgelager-tem Material

Zahlreiche Toncutanfragmente sind Beleg für Materialumlagerungen nach der Boden-bildung, sei es durch Bioturbation (Abb. 8) und/oder durch andere Prozesse, z.B. anth-ropogen verursachte Materialbewegung (Abb. 9). Zahlreiche Holzkohlefragmente (Abb. 10) sind weitere Hinweise auf anthro-pogene Aktivität. Das fleckenhafte Vorkommen unterschied-licher Substrate, Holzkohlefragmente und fragmentierter Toncutane sind Hinweise auf eine intentionelle Verfüllung der Grube. Schichtungen und Laminierungen als Hin-weise auf langsame, (quasi-)natürliche Se-dimentationsprozesse fehlen.

Abb. 10: Holzkohlefragment

Schlussfolgerungen

Die interdisziplinär durchgeführten Untersu-chungen lieferten wichtige neue Erkennt-nisse hinsichtlich der Verfüllungsgeschichte neolithischer Gruben (vgl. auch Heinrich et al. 2017).

Die Ergebnisse der Gelände- und Labor-analysen zeigen, dass es sich bei den Be-fundfüllungen zum größten Teil um umgelagertes, lössbürtiges Bt-Material han-delt. Entsprechend ähneln die Korngrößen-verteilungen und die Verhältnisse von Ton zu den Sf/Sff/gU-Fraktionen in den Verfül-lungen stark den Gehalten im ungestörten Bt-Horizont. Die mikromorphologischen Untersuchun-gen bestätigen, dass der Prozess der Ton-verlagerung und die damit verbundene Entwicklung zu einer Parabraunerde bereits vor über 7000 Jahren weitgehend abge-schlossen waren: Die aus der Entwicklung der Parabraunerde ererbten Merkmale (Toneinspülungen) blieben, z.T. in fragmen-tierter Form, in den Befundfüllungen erhal-ten und wurden später lediglich durch bioturbate Aktivität überprägt. Neuere Toneinspülungen in den aktuellen Porenraum der Verfüllungssedimente kom-men nur in geringem Umfang vor. Eine Ton-gehaltsdifferenzierung durch Tonverlagerung innerhalb der Befundfül-lung ist nicht nachweisbar. Im nur wenige Kilometer entfernten Areal der Fundstelle Droßdorf im Bereich des Braunkohleabbaufeldes Peres mit weitge-hend identischen klimatischen Bedingun-gen und vergleichbaren Ausgangs-substraten ist es dagegen zu intensiven Tongehaltsdifferenzierungen in frühneolithi-schen Befunden gekommen (vgl. Suchodo-letz et al. 2017). Literatur:

Blaschta, D., Stäuble, H., Tinapp, C. (2016): Eine fundreiche Siedlung mit Ältester Bandkeramik in Groitzsch. Ausgrabungen in Sachsen 5, S. 17-29.

Heinrich, S., Stäuble, H., Schneider, B., Tinapp, C. (2017): Linienbandkeramik (LBK) im Dünnschliff – Mikromorpholgi-sche Untersuchungen zur Verfüllungsge-schichte von Gruben.In: Becker, V. & O‘Neill, A. (Hrsg.): Archäologische Defizite – Forschungslücken, methodische Gren-zen oder Abbilder der Wirklichkeit?, Fokus Jungsteinzeit – Berichte der AG Neolithi-kum Band 8 (im Druck).

Suchodoletz, H. v., Tinapp, C., Lauer, T., Glaser, B., Stäuble, H., Kühn. P., Zielho-fer, C. (2017): Distribution of Chernozems and Phaeozems in Central Germany dur-ing the Neolithic period. In: Quaternary In-ternational: Applications and multi-proxy approaches in Geoarchaeology, (im Druck).