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Teil 10 Das Beweisverfahren in FG-Familiensachen Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey 298

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Teil 10

Das Beweisverfahren in FG-Familiensachen

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I. GRUNDLAGEN DER ENTSCHEIDUNG

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1. Untersuchungsgrundsatz, § 26

• Grundsatz der Amtsermittlung• Entscheidung des Gerichts über– formlose Ermittlungen (§ 29) oder– förmliche Beweisaufnahme (§30)

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2. Wahlrecht

1. Grundsatz, § 30 Abs. 1:Wahlrecht des Gerichts zwischen• Tatsachenfeststellung mit Mitteln des

Freibeweises und

• förmlicher Beweisaufnahme (Strengbeweis)

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3. Vorrang spezialgesetzlicher Bestimmungen:

a. Vorrang spezieller Vorschriften des FamFG§ 30 Abs. 2 FamFG:

„Eine förmliche Beweisaufnahme hat stattzufinden, wenn es in diesem Gesetz vorgesehen ist.

z.B.: • § 177 Abs. 2 S. 1: Abstammungsverfahren• § 280 Abs. 1: Betreuungsverfahren• § 321 Abs. 1 i.V.m. § 167 Abs. 1 S. 1: Unterbringungsverfahren

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b. Vorrang von Spezialgesetzen: z.B. Beschränkung der Beweismittel in § 29 Abs. 1 GBO:„Eine Eintragung soll nur vorgenommen werden, wenn die Eintragungsbewilligung oder die sonstigen zu der Eintragung erforderlichen Erklärungen durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden. Andere Voraussetzungen der Eintragung bedürfen, soweit sie nicht bei dem Grundbuchamt offenkundig sind, des Nachweises durch öffentliche Urkunden.“

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4. Notwendigkeit des Strengbeweises

a. § 30 Abs. 2: Förmliche Beweisaufnahme ist gesetzlich vorgeschrieben

b. § 30 Abs. 3 (Sollvorschrift): Strengbeweis über Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung bei– Entscheidungserheblichkeit– ausdrücklichem Bestreiten der Richtigkeit von

einem Beteiligten.

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5. Vorteile des Strengbeweises

Strengbeweis ist besseres Verfahren, wahrt die Mitwirkungsrechte der Beteiligten besser

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6. Zulässigkeit des Freibeweises

Zulässig ist der Freibeweis danach in allen FG-Familiensachen, sofern § 30 Abs. 2, 3 nicht den Strengbeweis anordnet oder pflichtgemäßes Ermessen des Gerichts diesen erfordert.

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7. Grundlage der Entscheidung

§ 37 Abs. 1:„Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem gesamten Inhalt des Verfahrens gewonnenen Überzeugung.Abs. 2:Das Gericht darf eine Entscheidung, die die Rechte eines Beteiligten beeinträchtigt, nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützten, zu denen dieser Beteiligte sich äußern konnte.“

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a. Richterliche Überzeugung

§ 37 entspricht § 286 ZPO und § 261 StPO Maßstab ist die subjektive Überzeugung

BGH NJW 1993, 935, 937:Der Richter muss sich bei tatsächlichen Zweifeln „mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad der Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.“

Maßstab unabhängig, ob Beweiserhebung in Form des Frei- oder Strengbeweises erfolgte

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b. Rechtliches Gehör

Keine Weiterleitung von Schriftsätzen und Beweisergebnissen nötig

Aber: Äußerungsmöglichkeit bei Rechtsbeeinträchtigung (§ 37 Abs. 2, ähnlich wie in § 108 VwGO)

In der Regel durch Übermittlung aller entscheidungserheblichen Tatsachen in der dokumentierten Form

Zum Schutz und zur Wahrung der Rechte anderer Beteiligter ausnahmsweise auch mündlich oder zusammengefasst (z.B. psychiatrische Gutachten, Vermerke über Kindesanhörungen)

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II. BEWEISGRUNDSÄTZE

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1. Der Grundsatz des Freibeweises

• Erhebung der Beweise in geeignet erscheinender Form, ohne an förmliche Regeln und ohne an das Vorbringen der Beteiligten, insbesondere das Geständnis oder Nichtbestreiten, gebunden zu sein (§ 29 Abs. 1). → Pflicht zur Wahrheitsermittlung, aber:

→ Nichtbestreiten als Indiz für Wahrheitsgehalt

• Flexibles Erkenntnisinstrument Beispiele: informelle Auskünfte, Beiziehung von Akten

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2. Keine Beschränkung der Beweismittel

• Freie Wahl der Beweismittel nach pflichtgemäßem Ermessen

• Keine Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme

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3. Einschränkungen des Freibeweises

§ 29 Abs. 2: „Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Vernehmung bei Amtsverschwiegenheit und das Recht zur Zeugnisverweigerung gelten für die Befragung von Auskunftspersonen entsprechend.Abs. 3:Das Gericht hat die Ergebnisse der Beweiserhebung aktenkundig zu machen.“

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a. Amtsverschwiegenheit

§§ 376, 408 II ZPO: Vernehmung bei Amtsverschwiegenheit

• Schutz des öffentlichen Interesses an der Geheimhaltung der dem Gemeinwohl dienenden Geheimnisse

• Entscheidung über Geheimhaltungsinteresse bei der Dienstaufsichtsbehörde

• Pflicht zur Einholung einer Aussagegenehmigung durch das Gericht

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b. Zeugnisverweigerung§§ 383 bis 390 ZPO: Recht zur Zeugnisverweigerung§ 383 Abs. 1 Nr. 1 – 3: Zeugnisverweigerungsrecht auf Grund persönlicher Beziehung zur Vermeidung eines Interessenkonflikts für den Zeugen§ 383 Abs. 1 Nr. 4 – 6:Zeugnisverweigerung wegen beruflicher Funktion des Zeugen zur Vermeidung eines Konflikts mit dem Vertrauenstatbestand auf Grund des Berufs (z.B. Verfahrensbeistand, OLG Braunschweig, FamRZ 2012, 1408)§ 384Auskunftsverweigerungsrecht§ 385Ausnahmen vom Zeugnisverweigerungsrecht §§ 386 ff.Verfahren bei Zeugnis- und Auskunftsverweigerung

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c. Dokumentationspflicht des Gerichts

• Information der Beteiligten über Ermittlungen in deren Abwesenheit (Auskünfte, persönliche Anhörungen, Augenscheineinnahmen)

• Gelegenheit zur Äußerung zur Wahrung des rechtlichen Gehörs (§ 37 Abs. 2)

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4. Der Strengbeweis, § 30 Abs. 2, 3

Es gelten die Vorschriften der §§ 355 – 484 ZPO: • Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme• Förmliche Beweiserhebung• Beschränkung der Beweismittel

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a. Obligatorischer Strengbeweis

§ 30 Abs. 2: soweit das FamFG dies vorschreibt.

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b. Verpflichtung zum Strengbeweis

§ 30 Abs. 3: Entscheidungserhebliche Tatsache ist ausdrücklich

bestritten geblieben Diese ist von ausschlaggebender Bedeutung (Haupt-

oder Indiztatsache) Gericht muss die Tatsache als im Freibeweisverfahren

erwiesen ansehen (vgl. BT-Drs. 16/6308 S. 190).

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c. Strengbeweis nach freiem Ermessen

Im Übrigen: § 30 Abs. 1: nach pflichtgemäßem ErmessenKriterien:• Ausreichende Sachaufklärung mit Mitteln des

Freibeweises nicht möglich• Streit über einzelne Tatsachen • Bedeutung der Angelegenheit• Anregungen der Beteiligten

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III. BEWEISMITTEL

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1. Strengbeweis

Beschränkung der Beweismittel aufZeugenSachverständigeAugenscheinUrkundenParteivernehmung

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2. Freibeweis

Alle zugänglichen Erkenntnisquellen, wie• Auskünfte• Anhörungen• Berichte• Beiziehung von Akten• schriftliche Zeugenaussagen, eidesstattliche

Versicherungen• Internetrecherchen

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IV. BEWEISWÜRDIGUNG UNDBEWEISLAST

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1. Beweiswürdigung

§ 37: freie, aus dem gesamten Verfahren und allen Erkenntnisquellen gewonnene richterliche Überzeugung, soweit diese verwertbar sind.

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2. Beweislast

Grundsätzlich keine BeweislastentscheidungAber: Einschränkung der Beweiserhebung bei

Verletzung von Mitwirkungspflichten nach §27: Mitwirkungslast

Erhöhte Darlegungslast der Beteiligten, wenn Gericht auf deren Mitwirkung angewiesen ist

(vgl. BT-Drs. 16/6308, OLG Köln NJW-RR 1991, 1285, 1286).

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