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M. Knoche Tendenzen zur Zweiklassenmedizin müssen abgewehrt werden ist der entscheidende Kostenfaktor. Die Verbesserung der Qualität ist durch ei- ne durchlässigere Sicherstellung von ambulanter und stationärer Versorgung und mehr Kooperation zwischen den Berufsgruppen zu erreichen. Durch die fehlende Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung entstehen überflüssige Kosten in Höhe von etwa 25 Milliarden DM. Qualitätsmanage- ment muß allen Leistungserbringern als zentrale Voraussetzung für alle Lei- stungen der Kassen gegeben sein. Die primärärztliche Steuerungs- funktion der Hausärzte und Hausärz- tinnen ist zu stärken. Es bedarf eines neuen modularen Vergütungssystems für ambulant tätige Ärzte und Ärz- tinnen, das qualitätsorientiert ist und Behandlungsleitlinien mehr Gewicht gibt. Wir brauchen eine Positivliste. Zur Stabilisierung der Finanzbasis der GKV ist das Solidarprinzip auszubauen und zur beitragshälftigen Finanzierung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu- rückzukehren. Die Pflichtversicherungs- grenze ist auszudehnen und die 620 DM/520 DM-Jobs sind als versiche- rungspflichtige Beschäftigung mit ein- zubeziehen. Monika Knoche Gesundheitspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen die Einnahmen an der Massenarbeits- losigkeit, den Vereinigungslasten und auch daran, daß noch immer an Krank- heit viel verdient wird. Insgesamt er- weist sich die GKV trotz der Belastun- gen durch die schwindende Grund- lohnsumme als erstaunlich stabil. Die Spar- und Klientelpolitik der Bundesre- gierung, die keine Ineffizienz im Sy- stem behoben hat, ging vornehmlich zu Lasten der Beschäftigten im Gesund- heitswesen. Insbesondere hat sie zu Lei- stungsausgrenzungen, Zuzahlungen und zur qualitativen Verschlechterung der Gesundheitsversorgung von PatientIn- nen geführt. Zur Weiterentwicklung der Gesund- heitsversorgung bedarf es der Rück- kehr zum ungeteilten Solidarsystem und Sachleistungsprinzip. Es sind um- sichtige Reformschritte vonnöten, da- mit für die Beteiligten im Gesundheits- wesen mehr Verläßlichkeit und Trans- parenz der Veränderung gegeben ist. Gesundheitspolitik muß von den Patienten und Patientinnen und von den Versicherten her gedacht werden. Die gesundheitlichen Interessen der Pa- tienten und die Stärkung ihrer Eigen- kompetenz sind in den Mittelpunkt zu stellen. Patientenzufriedenheit ist eine wichtige Bewertungsinstanz, ob die Mit- tel im Gesundheitswesen optimal ein- gesetzt werden. Die fehlende Abgestimmtheit der Akteure im Gesundheitswesen beein- trächtigt die Versorgungsqualität und Gesundheit unterliegt der gesell- schaftlichen Verantwortung. Umwelt- belastung und gesundheitliche Risiken am Arbeitsplatz stellen Krankheitsaus- löser dar, die der/die Einzelne nur schwer beeinflussen kann. Ein zivilisa- torisches Verständnis von Krankheit und Gesundheit trägt auch den überin- dividuellen Entstehungsfaktoren sowie dem prinzipiellen Vorhandensein von Krankheit als Bestandteil menschlichen Lebens Rechnung. Gerade bei steigen- der Individualisierung und Globalisie- rung bleibt Gesundheitspolitik der ge- sellschaftlichen Solidarität verpflichtet. Eine gleichstellende, bedarfsgerechte und qualitativ hochstehende Gesund- heitsversorgung für alle ist demokra- tische und zivilgesellschaftliche Er- rungenschaft. Beim Staat muß die Letztverantwortung für Gesundheit und Daseinsfürsorge verbleiben. Dies ist keinesfalls ein Widerspruch zu einer bürgenahen und staatsfernen Ausge- staltung des Gesundheitswesens. Die Bundesregierung hat das Ge- sundheitswesen zur Manövriermasse im Standortwettbewerb gemacht. Mit einer Kostenexplosion im Gesundheits- wesen, den angeblich dramatischen Folgen des demographischen Wandels und des medizinisch-technischen Fort- schritts wurde der Einstieg in eine Zweiklassenmedizin gerechtfertigt. Ur- sächlich für die Defizite der Kranken- kassen sind nicht diese Fehldiagnosen oder die Kranken, vielmehr kranken Der Internist 11·98 | M 269 Mitteilungen BDI

Tendenzen zur Zweiklassenmedizin müssen abgewehrt werden

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M. Knoche

Tendenzen zur Zweiklassenmedizinmüssen abgewehrt werden

ist der entscheidende Kostenfaktor. DieVerbesserung der Qualität ist durch ei-ne durchlässigere Sicherstellung vonambulanter und stationärer Versorgungund mehr Kooperation zwischen denBerufsgruppen zu erreichen. Durch diefehlende Verzahnung von ambulanterund stationärer Versorgung entstehenüberflüssige Kosten in Höhe von etwa25 Milliarden DM. Qualitätsmanage-ment muß allen Leistungserbringernals zentrale Voraussetzung für alle Lei-stungen der Kassen gegeben sein.

Die primärärztliche Steuerungs-funktion der Hausärzte und Hausärz-tinnen ist zu stärken. Es bedarf einesneuen modularen Vergütungssystemsfür ambulant tätige Ärzte und Ärz-tinnen, das qualitätsorientiert ist undBehandlungsleitlinien mehr Gewichtgibt.

Wir brauchen eine Positivliste. ZurStabilisierung der Finanzbasis der GKVist das Solidarprinzip auszubauen undzur beitragshälftigen Finanzierung vonArbeitnehmern und Arbeitgebern zu-rückzukehren. Die Pflichtversicherungs-grenze ist auszudehnen und die 620DM/520 DM-Jobs sind als versiche-rungspflichtige Beschäftigung mit ein-zubeziehen.

Monika KnocheGesundheitspolitische Sprecherinder BundestagsfraktionBündnis 90/Die Grünen

die Einnahmen an der Massenarbeits-losigkeit, den Vereinigungslasten undauch daran, daß noch immer an Krank-heit viel verdient wird. Insgesamt er-weist sich die GKV trotz der Belastun-gen durch die schwindende Grund-lohnsumme als erstaunlich stabil. DieSpar- und Klientelpolitik der Bundesre-gierung, die keine Ineffizienz im Sy-stem behoben hat, ging vornehmlich zuLasten der Beschäftigten im Gesund-heitswesen. Insbesondere hat sie zu Lei-stungsausgrenzungen, Zuzahlungen undzur qualitativen Verschlechterung derGesundheitsversorgung von PatientIn-nen geführt.

Zur Weiterentwicklung der Gesund-heitsversorgung bedarf es der Rück-kehr zum ungeteilten Solidarsystemund Sachleistungsprinzip. Es sind um-sichtige Reformschritte vonnöten, da-mit für die Beteiligten im Gesundheits-wesen mehr Verläßlichkeit und Trans-parenz der Veränderung gegeben ist.

Gesundheitspolitik muß von denPatienten und Patientinnen und vonden Versicherten her gedacht werden.Die gesundheitlichen Interessen der Pa-tienten und die Stärkung ihrer Eigen-kompetenz sind in den Mittelpunkt zustellen. Patientenzufriedenheit ist einewichtige Bewertungsinstanz, ob die Mit-tel im Gesundheitswesen optimal ein-gesetzt werden.

Die fehlende Abgestimmtheit derAkteure im Gesundheitswesen beein-trächtigt die Versorgungsqualität und

Gesundheit unterliegt der gesell-schaftlichen Verantwortung. Umwelt-belastung und gesundheitliche Risikenam Arbeitsplatz stellen Krankheitsaus-löser dar, die der/die Einzelne nurschwer beeinflussen kann. Ein zivilisa-torisches Verständnis von Krankheitund Gesundheit trägt auch den überin-dividuellen Entstehungsfaktoren sowiedem prinzipiellen Vorhandensein vonKrankheit als Bestandteil menschlichenLebens Rechnung. Gerade bei steigen-der Individualisierung und Globalisie-rung bleibt Gesundheitspolitik der ge-sellschaftlichen Solidarität verpflichtet.Eine gleichstellende, bedarfsgerechteund qualitativ hochstehende Gesund-heitsversorgung für alle ist demokra-tische und zivilgesellschaftliche Er-rungenschaft. Beim Staat muß dieLetztverantwortung für Gesundheit undDaseinsfürsorge verbleiben. Dies istkeinesfalls ein Widerspruch zu einerbürgenahen und staatsfernen Ausge-staltung des Gesundheitswesens.

Die Bundesregierung hat das Ge-sundheitswesen zur Manövriermasseim Standortwettbewerb gemacht. Miteiner Kostenexplosion im Gesundheits-wesen, den angeblich dramatischenFolgen des demographischen Wandelsund des medizinisch-technischen Fort-schritts wurde der Einstieg in eineZweiklassenmedizin gerechtfertigt. Ur-sächlich für die Defizite der Kranken-kassen sind nicht diese Fehldiagnosenoder die Kranken, vielmehr kranken

Der Internist 11·98 | M 269

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