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3/2008 www.ifo-dresden.de ifo Dresden berichtet Institut für Wirtschaftsforschung Niederlassung Dresden Roger Mackeldey Partnerschaft Freistaat Sachsen – Provinz Alberta Heike Auerswald und Joachim Ragnitz Die kanadische Provinz Alberta im Überblick Heike Auerswald Grundzüge der Wirtschaftspolitik in der Provinz Alberta Dirk Freigang und Susann Kühn Die Provinz Alberta im föderalen System Kanadas Anne Neumann und Jan-Hendrik Niehues Die Energierohstoffwirtschaft Albertas Aktuelle Forschungsergebnisse Wolfgang Nierhaus Deutsche Konjunkturperspektiven 2008/2009 Themenschwerpunkt: Kooperation Freistaat Sachsen – Region Alberta (Kanada)

Themenschwerpunkt: Kooperation Freistaat Sachsen – Region ... · Dirk Freigang und Susann Kühn Mit den Grundlagen für den kanadischen Föderalismus im C ONSTITUTION A CT von 1867

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3/2008 www.ifo-dresden.de

ifo Dresden berichtet

Institut für Wirtschaftsforschung Niederlassung Dresden

Roger MackeldeyPartnerschaft Freistaat Sachsen – Provinz Alberta

Heike Auerswald und Joachim RagnitzDie kanadische Provinz Alberta im Überblick

Heike AuerswaldGrundzüge der Wirtschaftspolitik in der Provinz Alberta

Dirk Freigang und Susann KühnDie Provinz Alberta im föderalen System Kanadas

Anne Neumann und Jan-Hendrik NiehuesDie Energierohstoffwirtschaft Albertas

Aktuelle Forschungsergebnisse

Wolfgang NierhausDeutsche Konjunkturperspektiven 2008/2009

Themenschwerpunkt: Kooperation Freistaat Sachsen – Region Alberta (Kanada)

15. Jahrgang (2008)Herausgeber: ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V.,Niederlassung Dresden, Einsteinstraße 3, 01069 Dresden, Telefon: 0351 264760, Telefax: 0351 26476-20E-Mail: [email protected]: http://www.ifo-dresden.deRedaktion: Joachim RagnitzTechnische Leitung: Katrin BehmVertrieb: ifo Institut, Niederlassung DresdenErscheinungsweise: zweimonatlichBezugspreis jährlich: 25,00 €Preis des Einzelheftes: 5,00 €Preise einschl. Mehrwertsteuer, zzgl. VersandkostenTeilnehmer an regelmäßigen ifo Umfragen erhalten einen Rabatt.Grafik Design: © ifo Institut MünchenSatz und Druck: c-macs publishingservice DresdenNachdruck und sonstige Verbreitung (auch auszugsweise): Nur mit Quellenangabe und gegen Einsendung eines Belegexemplares.

ISSN 0945-5922ifo Dresden berichtet

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ifo Dresden berichtet 3/2008

Inhalt

ifo Dresden berichtet 3/2008

Themenschwerpunkt: Kooperation Freistaat Sachsen – Provinz Alberta (Kanada)

Themenschwerpunkt: Kooperation Freistaat Sachsen – Provinz Alberta (Kanada) 3Joachim Ragnitz

Sachsen versteht sich als Brücke zwischen Ost und West, was in zahlreichen Kooperationen mit anderenLändern und Regionen zum Ausdruck kommt. Als die intensivste Form der Zusammenarbeit gelten dabei„interregionale Partnerschaften“, deren Basis eine Gemeinsame Erklärung über Zusammenarbeit ist, dieden politischen Willen beider Seiten zu einer Kooperation auf verschiedenen Gebieten betont. Sachsenhat eine derartige Vereinbarung z. B. mit der kanadischen Provinz Alberta im Jahr 2002 abgeschlossen.Vor diesem Hintergrund werden die Provinz Alberta vorgestellt und die Beziehungen Sachsens mit Albertanäher untersucht.

Partnerschaft Freistaat Sachsen – Provinz Alberta 4Roger Mackeldey

‚Was haben Alberta und Sachsen gemein und was hat deren Regierungen dazu bewogen, eine Partner-schaft zwischen den beiden weit entfernten und anscheinend ungleichen Regionen einzugehen?‘, magsich der interessierte Leser fragen. Zwischen beiden Regionen gibt es durchaus eine Reihe von Paralle-len: Die Sächsische Staatskanzlei hat mit dem Ministerium für internationale und intergouvernementaleAngelegenheiten Albertas vereinbart, die im Februar 2008 ausgelaufene Kooperationsvereinbarung zu erneuern. Dazu soll anlässlich eines in diesem Jahr geplanten Treffens der beiden Regierungschefs eineaktualisierte, der tatsächlichen Entwicklung der Beziehungen angepasste Gemeinsame Erklärung unter-zeichnet werden.

Die kanadische Provinz Alberta im Überblick 10Heike Auerswald und Joachim Ragnitz

Die Provinz Alberta ist eine der wirtschaftlich stärksten in Kanada. Ihr Reichtum begründet sich vor allemauf den großen Vorkommen an Erdöl, hauptsächlich in Form von Ölsand, dessen Förderung erst in den letz-ten Jahren profitabel geworden ist und die dynamische Entwicklung in Alberta seit Beginn des 21. Jahr-hunderts erklärt. Die Auswirkungen dieses Booms erreichen inzwischen auch andere Wirtschaftsberei-che, die aktuell ein starkes Wachstum verzeichnen. Begleitet wird diese positive Entwicklung vonVollbeschäftigung, vermehrter Zuwanderung und Schuldenfreiheit der Provinz. Auch in Zukunft ist nichtmit einem Ende des Aufschwungs zu rechnen und die größten wirtschaftspolitischen Herausforderungenfür die Politik dürften darin bestehen, eine Überhitzung der Konjunktur zu verhindern und eine stärkere Di-versifizierung der Wirtschaftsstruktur zu fördern.

Grundzüge der Wirtschaftspolitik in der Provinz Alberta 19Heike Auerswald

Die aktuellen Ziele der Wirtschaftspolitik in der Provinz Alberta werden dargelegt um aufzuzeigen, in wel-che Richtung sich diese Provinz Kanadas in den nächsten Jahren entwickeln soll. Eine Besonderheit Al-bertas liegt dabei in den politischen Rahmenbedingungen, unter denen diese Politik gemacht wird. DennAlberta nimmt nicht nur aufgrund seiner enormen Erdölvorkommen und dem daraus resultierenden wirt-schaftlichen Erfolg eine Ausnahmestellung innerhalb Kanadas ein, sondern auch aufgrund der großenKontinuität der Regierung, deren letzter Regierungswechsel bereits über 35 Jahre zurück liegt.

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Inhalt

Die Provinz Alberta im föderalen System Kanadas 22Dirk Freigang und Susann Kühn

Mit den Grundlagen für den kanadischen Föderalismus im CONSTITUTION ACT von 1867 wurden bereits mitder Staatsgründung die Machtbefugnisse und Einnahmenmöglichkeiten der Bundes- sowie der Provinz-regierungen geregelt. Demnach verfügen die kanadischen Provinzen über relativ ausgedehnte Zuständig-keiten, so für Gesundheitswesen, Bildung sowie Institutionen der lokalen Ebene. Der Bundesregierungsind dagegen eine Liste anderer Aufgaben zugeordnet worden, wie die Regulierung von Handel und Ge-werbe, Militär, Strafrecht sowie der Abschluss internationaler Staatsverträge. Bezüglich der Einnahmener-hebung unterliegt die Bundesregierung keinerlei Einschränkungen, Provinzen dürfen sich dagegen ledig-lich der „direkten Besteuerung“ bedienen. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die Positionder Provinz Alberta im föderalen System des Bundesstaates Kanada.

Energiepolitik der Region Alberta 31Anne Neumann und Jan-Hendrik Niehues

Die Provinz Alberta ist durch immense Vorkommen an fossilen Energieträgern gekennzeichnet. Eine welt-weit stetig wachsende Nachfrage nach Energieträgern, die zum größten Teil immer noch durch fossileEnergieträger gedeckt wird, und das daraus resultierende steigende Preisniveau (speziell für Rohöl) wer-den durch zunehmend internationalen Rohstoffhandel beeinflusst. Speziell die USA, Kanadas direkterNachbar und einer der größten Energiekonsumenten der Welt, ist von der weiteren Entwicklung des Ener-giewirtschaft in Alberta abhängig. Der Artikel gibt einen Überblick über die Rohstoffwirtschaft in Alberta,wobei er speziell auf die Ressource Öl eingeht.

Aktuelle Forschungsergebnisse

Deutsche Konjunkturperspektiven 2008/2009: US-Immobilienkrise dämpft Konjunktur 36Wolfgang Nierhaus

In Deutschland ist die wirtschaftliche Lage bis zum Frühjahr 2008 trotz einer Reihe widriger Einflüssegünstig geblieben und die Konjunktur dürfte mit viel Schwung in das Jahr gestartet sein. Die Situation aufdem Arbeitsmarkt dürfte günstig bleiben, doch wird sich der Rückgang der Arbeitslosigkeit im Jahresver-lauf spürbar verlangsamen. Im Jahr 2009 dürfte sich die konjunkturelle Expansion wieder etwas verstär-ken. Die Zuwachsrate des realen Bruttoinlandsprodukts wird 1,4 % betragen. Trotz der Erholung wird sichdie Lage auf dem Arbeitsmarkt nur geringfügig bessern, doch wird die Zahl der Arbeitslosen erstmals seitdem Jahr 1991 im Jahresdurchschnitt unter die Marke von 3 Millionen sinken.

Daten und Prognosen

Arbeitsmarktentwicklung im Vergleich 42

Ausgewählte Ergebnisse aus dem ifo Konjunkturtest 44

Aus der ifo Werkstatt

ifo Veranstaltungen, ifo Vorträge 47

ifo intern 48

Zwar ist die bestehende Kooperationsvereinbarung voreinigen Monaten ausgelaufen; sie soll jedoch im Herbstdiesen Jahres nochmals verlängert werden.

Vor diesem Hintergrund werden in vorliegendem Heftvon „ifo Dresden berichtet“ die Beziehungen Sachsensmit der Provinz Alberta näher untersucht. Die Provinz Alberta gilt als ein Musterbeispiel für Kontinuität in derPolitik, für eine lebhafte Wirtschaftsentwicklung und fürein hervorragendes Bildungs- und Forschungssystem.Grundlage des Wohlstands in Alberta sind umfangreicheÖlsandvorkommen, die sich mit steigendem Ölpreis inimmer stärkerem Maße auch rentabel ausbeuten lassen.Dies beschert nicht nur dem öffentlichen Budget erheb-liche Mehreinnahmen – was die Urasche dafür ist, dassdie Provinz inzwischen schuldenfrei ist –, sondern führtauch zur Zuwanderung von Menschen in beträchtlichemUmfang, mit der Folge eines kräftigen Wirtschaftswachs-tums. Mit Blick auf die bestehenden Kooperationsbezie-hungen ist Alberta deswegen für Sachsen ein besondersinteressanter Partner.

Sachsen versteht sich als Brücke zwischen Ost undWest. Dies kommt in zahlreichen Kooperationen unter-schiedlicher Intensität mit anderen Ländern und Regio-nen zum Ausdruck. Als die intensivste Form der Zusam-menarbeit gelten dabei „interregionale Partnerschaften“,d. h. offiziell von den Regierungen der Regionen initiiertePartnerschaften, die eine große Bandbreite von Themenübergreifen und darauf abzielen, unterschiedliche Be-völkerungsgruppen zu integrieren. Die Basis einer sol-chen interregionalen Partnerschaft ist eine GemeinsameErklärung über Zusammenarbeit, die auf beiden Seitenden politischen Willen einer Kooperation auf verschiede-nen Gebieten betont. Sachsen hat derartige Koopera-tionsvereinbarungen insbesondere mit den Nachbarre-gionen in Polen und Tschechien abgeschlossen, darüberhinaus gehören aber auch die Bretagne, die Slowakeiund die kanadische Provinz Alberta zu den interregiona-len Partnern des Freistaates.

Die Gemeinsame Erklärung über die Zusammenar-beit zwischen dem Freistaat Sachsen und der Provinz Al-berta wurde im Februar 2002 feierlich abgeschlossen.Inzwischen gibt es eine rege Zusammenarbeit insbeson-dere im Hochschulbereich mit Austauschprogrammensowie gemeinsamen Forschungsprojekten; z. B. in denBereichen Mikroelektronik, Bioingenieurswesen und Um-welttechnologie. Kooperationsbeziehungen gibt es darü-ber hinaus im Bildungsbereich und in der Wirtschaft.

Themenschwerpunkt

Themenschwerpunkt: Kooperation Freistaat Sachsen – Region Alberta (Kanada)Joachim Ragnitz*

* Dr. Joachim Ragnitz ist Managing Director der Niederlassung Dresdendes ifo Instituts für Wirtschaftsforschung.

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Themenschwerpunkt

1. Die Entstehung der Partnerschaftzwischen Sachsen und Alberta

‚Was haben Alberta und Sachsen gemein und was hatderen Regierungen dazu bewogen, eine Partnerschaftzwischen den beiden weit entfernten und anscheinendungleichen Regionen einzugehen?‘, mag sich der inte-ressierte Leser fragen. Gibt es historische Gemeinsam-keiten? – Abgesehen von entfernten historischen Quer-verbindungen, die der Namensgebung1 zugrunde liegen:Fehlanzeige. War es die Hoffnung auf eine verlässliche,zukunftsfähige Energieversorgung Sachsens? – Nein: Zuweit entfernt sind die kanadischen Ölsandfelder. Vielleichtdie Aussicht auf kanadische Investitionen? – Kaum, denndie Investitionsbedingungen in Alberta sind ungleich at-traktiver. Parallelen im föderalen System? – Während Al-berta heute die reichste Provinz Kanadas ist, gehörtSachsen in Deutschland zu den ärmeren „Nehmerlän-dern“. Tourismus? – Dies schon eher. Für Sachsen (wiefür alle Deutschen) sind die Naturparks Albertas umBanff und Jasper höchst attraktive Reiseziele. Und Kana-dier sind umgekehrt potenzielle Karl-May-Fans.

Die tatsächlichen Potenziale für eine fruchtbare Re-gionalpartnerschaft aber liegen im Bereich der Bildungund Wissenschaft. Es waren die Hochschulen, die alsPioniere vorangegangen sind – allen voran die Zahn-mediziner der TU DRESDEN. Medizinstudenten finden inAlberta ideale Bedingungen für Praktika. Sie können dortseit 2001 am „Klinikaußenstellen-Programm“ der zahn-medizinischen Abteilung der UNIVERSITY OF ALBERTA teil-nehmen und ihre im Studium erworbenen Kenntnisse imdünn besiedelten Norden Albertas bereits vor der Appro-bation anwenden.

Zwischen beiden Regionen gibt es durchaus eineReihe von Parallelen: beispielsweise die Bemühungenum den Aufbau einer modernen, leistungsfähigen Infra-struktur und um die Entwicklung von Clustern im Bereichder Hochtechnologien. Alberta ist im Bestreben, seineWirtschaft zu diversifizieren, an sächsischen Erfahrungeninteressiert. Alberta verfolgt wie Sachsen eine auf Redu-zierung der Staatsverschuldung gerichtete Haushalts-politik und verfügt über die höchste Investitionsquote pro

Kopf in Kanada. Beide Regionen verfügen im nationalenMaßstab wie auch im internationalen Vergleich über er-folgreiche Bildungssysteme; Alberta hat Spitzenplätze imPISA-Vergleich erzielt.

Die Initiative für das „Twinning“ ging von Alberta aus.Für die exportorientierte Wirtschaft der Provinz ist Sach-sen mit seiner Lage im Länderdreieck Deutschland – Po-len – Tschechien, seiner Nähe zu den ostmitteleuro-päischen Märkten einerseits und seiner florierendenWirtschaft andererseits ein wichtiges Tor zu Osteuropa.Alberta baute im Zuge seines Wirtschaftsaufschwungswährend der letzten beiden Jahrzehnte ein weltweitesNetzwerk von Twinning-Partnern auf. Im Rahmen der„Team Canada Mission“ eröffnete Alberta 2002 in Mün-chen ein Wirtschafts- und Handelsbüro. Bereits 1997hatte der damalige Oberbürgermeister von Edmoton BillSmith das „Project Germany“ ins Leben gerufen, um In-vestitionen aus Deutschland in das Gebiet um Edmontonzu holen.

„Wenn Ihr nach Ostdeutschland geht, dann geht nachSachsen!“ hatte der damalige deutsche Honorarkonsulin Edmonton, Fritz König, der Provinzregierung Albertasempfohlen. Und so stand eines Tages Mr. Jeff Morrisonvom Ministerium für internationale und intergouverne-mentale Angelegenheiten in meinem Büro und warb fürden Abschluss einer Kooperationsvereinbarung.

Für die SÄCHSISCHE STAATSKANZLEI waren – neben denerkennbaren parallelen Entwicklungen im Bereich derHochtechnologien und den Potenzialen, die für Hoch-schulkooperationen bestehen – folgende ArgumenteAusschlag gebend dafür, dem sächsischen Kabinett einePartnerschaftsvereinbarung vorzuschlagen:– Alberta entwickelt sich auf der Grundlage seines Roh-

stoffreichtums rasant. Es gab bereits vor 2002 guteAnsätze für die wirtschaftliche Zusammenarbeit und für Hochschulkooperationen. Der wirtschaftliche Auf-schwung in Alberta einerseits und der Nachholbedarfbeim Ausbau der Infrastruktur andererseits eröffnensächsischen Unternehmen gute Absatzchancen.

– In Alberta gibt es mit ca. einer halben Million Einwoh-nern einen relativ hohen Anteil deutschstämmiger Bevölkerung. Dies bietet größere Chancen für denAustausch im Bildungsbereich und für die Zusammen-arbeit im Allgemeinen.

– Mehrere sächsische Staatsministerien sind an einerZusammenarbeit mit Alberta interessiert.

Die Partnerschaft Freistaat Sachsen – Provinz AlbertaRoger Mackeldey*

* Dr. Roger Mackeldey ist Leiter des Referats Internationale, interregiona-le und grenzüberschreitende Beziehungen in der Sächsischen Staats-kanzlei.

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Themenschwerpunkt

– Es ist ein ernsthaftes Interesse der Regierung Albertasan einer engeren Kooperation mit Sachsen spürbar.

Zunächst musste allerdings einige Überzeugungsarbeitgeleistet werden, hatte die Staatsregierung doch unterdem Gesichtspunkt des Aufwand-Nutzen-Verhältnissesbis zu diesem Zeitpunkt bewusst auf transatlantischePartnerschaften verzichtet. Am 5. Februar 2002 verab-schiedete das sächsische Kabinett eine neue Konzepti-on zur Gestaltung interregionaler und internationaler Be-ziehungen und stimmte gleichzeitig der Unterzeichnungeiner Gemeinsamen Erklärung mit Alberta zu.

Am 18. Februar 2002 schließlich unterzeichneten derdamalige Ministerpräsident Sachsens Kurt Biedenkopfund der Premier Albertas Ralph Klein in Berlin die zu-nächst auf drei Jahre befristete Gemeinsame Erklärungüber Zusammenarbeit (siehe S. 7/8), die am 18. Februar2005 durch ein von den beiden zu dieser Zeit amtieren-den Regierungschefs – Georg Milbradt und Ralph Klein –unterzeichnetes Protokoll um weitere drei Jahre verlän-gert wurde. Von Anfang an war daran gedacht, mit die-ser Vereinbarung nicht eine umfassende institutiona-lisierte Regionalpartnerschaft zu begründen, wie sieSachsen mit seinen unmittelbaren Nachbarn, der Tsche-chischen Republik und der polnischen WojewodschaftNiederschlesien, unterhält. Vielmehr sollte damit dieGrundlage gelegt werden für eine flexible interregionaleZusammenarbeit auf ausgewählten Gebieten.

2. Die Entwicklung der Kooperations-beziehungen

Politik

Nach der Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärungim Jahre 2002 kam es zu einem regen Besucheraus-tausch von Kommunal- und Regionalpolitikern. Bei-spielsweise besuchten der Parlamentspräsident vonAlberta (Speaker of the Alberta Legislature) Ken Ko-walski, mehrere Minister und stellvertretende Minister,der Oberbürgermeister von Edmonton Sachsen. Sächsi-sche Delegationen nach Alberta wurden u. a. vom stell-vertretenden Ministerpräsidenten und Kultusminister KarlMannsfeld (2004) und von Finanzminister Horst Metz(2005) geleitet. Letzterer nahm auch an den Feierlichkei-ten zum 100-jährigen Bestehen der Provinz Alberta teil.

Eine der hochrangigen Delegationen aus Alberta trafunmittelbar nach der Hochwasserkatastrophe im Som-mer 2002 in Leipzig ein und besichtigte die Zerstörun-gen, welche die Mulde in Grimma verursacht hatte. Unterdem Eindruck dieser Verwüstungen stellte die WILD ROSE

FOUNDATION Albertas Hilfsgelder zugunsten der Flutopfer

zur Verfügung, die von der deutschen Gemeinschaft inEdmonton mit Einnahmen eines Benefizkonzerts am29. September 2002 aufgestockt wurden. Dies war spä-ter für Grimma wiederum Anreiz, sich um eine Kom-munalpartnerschaft mit einer Gemeinde in Alberta zubemühen. Am 19. April 2005 wurde die Vereinbarungüber eine Städtepartnerschaft zwischen Grimma und Le-duc besiegelt.

Wirtschaft

Die ersten Wirtschaftskontakte zu Alberta wurden im Juli2000 durch die INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER ZU LEIPZIG

geknüpft. In den Folgejahren, besonders ab 2002, kames zu einer Reihe von Kontakten, Besuchs- undAustauschmaßnahmen (Unternehmerdelegationen, Wirt-schaftsförderer, Vertreter von Forschungsinstitutionenetc.), zum Teil in Verbindung mit Beteiligungen an Fach-messen. Es ist jedoch kritisch einzuschätzen, dass – vonEinzelbeispielen abgesehen – der erhoffte Schub in denWirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Regionen bis-her nicht eingetreten ist. Die Absatzmärkte in Kanada,obschon attraktiv, sind für viele kleine und mittelständi-sche Unternehmen zu schwer zu erreichen. Gründedafür liegen in dem spezifischen Bedarf Albertas an be-stimmten Technologiesystemen in einer Größenordnungund Leistungsfähigkeit, die sächsische Unternehmenmeistens – von einzelnen Fällen wie z. B. Chemieanla-genbau Chemnitz GmbH abgesehen – nicht (oder nichtüber eine solche Distanz) liefern können.

Unter Beteiligung des SÄCHSISCHEN STAATSMINISTERI-UMS FÜR WIRTSCHAFT UND ARBEIT entwickelte sich jedochauf dem Gebiet der Nanotechnologie ein reger Aus-tausch, u. a. mit dem im November 2001 gegründetenNATIONAL INSTITUTE FOR NANOTECHNOLOGY in Edmonton(NINT) und dem CALGARY CENTER FOR INNOVATIVE TECHNO-LOGY der UNIVERSITY OF CALGARY (CCIT), der vor allemdurch das am FRAUNHOFER-IWS DRESDEN angesiedelteNanotechnologie-Kompetenzzentrum „Ultradünne funk-tionale Schichten“ getragen und koordiniert wird. Damitverbunden war auch der wiederholte Besuch kanadi-scher Fachexperten auf der Messe „Nanofair“ in Dres-den. Für Alberta ist Sachsen deshalb interessant, weilhier die Verbindung von Forschung und Anwendung be-reits fortgeschrittener ist. Ziel der sächsischen Seite istes, Hochtechnologien aus Sachsen in den BereichenMedizintechnik, Mikrosystemtechnik und Maschinenbauin den kanadischen Markt zu bringen und bei derErschließung von Drittmärkten, besonders für technolo-gieintensive Produkte, zusammenzuarbeiten. Sächsi-sche Firmen bieten auch Ausrüstung für Nanotechnolo-gie-Labore an.

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Themenschwerpunkt

Arbeitsmarkt

Kanadische Arbeitsvermittler und Unternehmensver-treter aus Alberta führten bereits mehrere erfolgreiche„Jobbörsen“ zur Rekrutierung sächsischer Arbeitskräftefür kanadische Unternehmen in Sachsen durch. Damitkonnte einerseits vor allem jungen, Arbeit suchendenSachsen eine neue Perspektive gegeben, andererseitskonnten der Wirtschaft Albertas dringend benötigteFachkräfte „geliehen“ werden.

Hochschulen, Forschung und Entwicklung

Im Anschluss an den Besuch der sächsischen Dele-gation im Februar 2004 in Alberta besuchte der Dekander Ingenieurwissenschaftlichen Fakultät der UNIVERSITÄT

CALGARY im März 2004 die Technischen Universitäten inChemnitz, Dresden und Freiberg, um eine Reihe von Ko-operationsvereinbarungen abzuschließen. Auf dieserGrundlage wurden gemeinsame Forschungsprojekteund Austauschprogramme auf den Gebieten Mikroelek-tronik/Mikrosystemtechnik, Bioingenieurwesen und Um-welttechnologie entwickelt. So wurde beispielsweisenoch im selben Jahr für kanadische Studenten die Mög-lichkeit eröffnet, an der internationalen Sommerschuleder TU BERGAKADEMIE FREIBERG zum Thema „NachhaltigeEnergieversorgung“ teilzunehmen.

Bereits recht intensive akademische und wissenschaft-liche Kontakte gibt es auch zwischen der TU BERGAKADE-MIE FREIBERG und der UNIVERSITY OF ALBERTA. In Kürze sollein Hochschulabkommen unterzeichnet werden. Die Ko-operation wird sich auf die Gebiete Wärmetechnik/Gas-technik, Verfahrens- und Energietechnik, Bohrtechnik,Bergbau, Geowissenschaften und Umweltwissenschaf-ten erstrecken. Realisiert werden soll dies in Form einesStudierendenaustausches und durch gemeinsame For-schungsprojekte. Geplant sind auch ein gemeinsamerStudiengang „Gas Engineer“ sowie die Sommerschule„Erneuerbare Energien“ an der TU BERGAKADEMIE FREIBERG.

Als weiteres mögliches Kooperationsfeld für For-schung und Entwicklung wurde die Biotechnologie iden-tifiziert. Initiiert wurde die Zusammenarbeit der Netz-werke BIOSAXONY und BIOALBERTA.

Eine weitere Hochschulpartnerschaft besteht seit Juli2005 zwischen der UNIVERSITÄT LEIPZIG und der UNIVERSITY

OF ALBERTA. Auf Leipziger Seite sind die Veterinärmedizi-nische Fakultät, die Fakultät für Biowissenschaften, Phar-mazie und Psychologie sowie die sozialwissenschaftlicheFakultät einbezogen. Auf dem Gebiet der Veterinärme-dizin geht es u. a. um Testmethoden für Prionenkrank-heiten, BSE-Prävention, um Lebensmittel-Mikrobiologieund Milchhygiene.

Derzeit befindet sich zwischen Hochschulkonsortien bei-der Länder zudem eine Vereinbarung zum Praktikanten-und Studierendenaustausch in der Abstimmung.

Schulbildung

Im Rahmen seines Besuchs unterzeichnete Kultusminis-ter Karl Mannsfeld gemeinsam mit seinem AlbertaerKollegen Lyle Oberg am 23. Februar 2004 ein MEMORAN-DUM OF UNDERSTANDING, das den Rahmen für Austausch-programme der verschiedenen Ebenen, gemeinsameTrainingsprogramme, Schulpartnerschaften und päda-gogische Pilotprojekte bildet. Eines der Austauschpro-gramme für Pädagogen beispielsweise ist das sog. JOB

SHADOW, ein Hospitationsprogramm, dessen Pilotphase2004/2005 durchgeführt wurde. So konnten bereits imOktober 2004 erstmals zehn sächsische Lehrer ver-schiedener Schularten während eines dreiwöchigen Auf-enthalts das Schulsystem Albertas studieren. Im Jahre2004 lernten mehr als 3.000 Schüler an 72 Schulen inAlberta die deutsche Sprache.

3. Ausblick

Die SÄCHSISCHE STAATSKANZLEI hat mit dem Ministerium fürinternationale und intergouvernementale Angelegenhei-ten Albertas vereinbart, die bereits einmal verlängerteund im Februar 2008 ausgelaufene Kooperationsver-einbarung zu erneuern. Dazu soll anlässlich eines indiesem Jahr geplanten Treffens der beiden Regierungs-chefs eine aktualisierte, der tatsächlichen Entwicklungder Beziehungen angepasste Gemeinsame Erklärungunterzeichnet werden. Auf eine erneute Verlängerungwar vor dem Hintergrund des anstehenden Treffens be-wusst verzichtet worden.

Die Perspektiven für die künftige Zusammenarbeitliegen vor allem auf den Gebieten von Bildung, Wissen-schaft und Forschung, und hier besonders in den Zu-kunftstechnologien. Es gibt ein beiderseitiges Interessean der Festigung der Kooperationsbeziehungen im Hoch-technologiebereich, aber auch am Ausbau der Hoch-schulbeziehungen. Letztere können auf weitere Gebieteausgedehnt werden; entsprechende Kontakte und Son-dierungsgespräche sind seit einiger Zeit im Gange.

Der im Jahre 2004 sehr hoffnungsvoll begonnenenZusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemein- und be-rufsbildenden Schulen, die zwischenzeitlich durch Per-sonalwechsel und Budgetrestriktionen auf kanadischerSeite gebremst war, wurden kürzlich im Rahmen desBesuches eines hohen Vertreters der Schulbehörde

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Themenschwerpunkt

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Themenschwerpunkt

Albertas in Dresden neue Impulse gegeben. Insbesonde-re auf dem Gebiet des individuellen Schüler- und Lehrer-austausches soll die Zusammenarbeit (re)aktiviert wer-den.

Ein weiteres Gebiet, das noch unerschlossenes Po-tenzial birgt, ist die kulturelle Zusammenarbeit. Währendsich diese beispielsweise zwischen Sachsen und der ka-nadischen Provinz Québec in den letzten Jahren sehr dy-namisch entwickelt hat, ist sie mit Alberta über Sondie-rungsmissionen und Absichtsbekundungen noch nichthinaus gewachsen. Die STAATLICHEN KUNSTSAMMLUNGEN

DRESDEN beispielsweise haben hierzu Kontakte zu Kunst-museen in Edmonton und Calgary geknüpft, die künftigzu einer Kooperation zwischen Museen Sachsens undAlbertas führen und u. a. wechselseitige Ausstellungenzeitgenössischer Kunst ermöglichen könnten.

Es ist davon auszugehen, dass sich aus derschwungvollen Entwicklung Albertas wie auch Sachsensin Zukunft neue Impulse für Kooperationsprojekte erge-ben werden, die heute noch gar nicht absehbar sind.

Insofern ist eine Partnerschaft zwischen Regionen ein le-bendiger Prozess, in dem die jeweiligen Akteure neueEntwicklungstendenzen erkennen und damit verbunde-ne Chancen aufgreifen müssen. Die Politik kann hierbeinur helfen, günstige Rahmenbedingungen zu erzeugenund Impulse zu geben. Politische Absichtserklärungen,Vereinbarungen und dergleichen geben den Akteurenauf beiden Seiten eine gewisse Unterstützung im Sinneder Versicherung des politischen Willens und könnenhelfen, die eine oder andere Tür zu öffnen.

1 Der Name der Provinz Alberta geht auf Prinzessin Louise Caroline Alber-ta (1848–1939), Tochter von Königin Victoria und Prinz Albert vonSachsen-Coburg und Gotha, zurück, deren Ehemann von der briti-schen Königin 1878 zum Generalgouverneur von Kanada ernannt wur-de. Mithin ergibt sich eine Querverbindung zu Sachsen über die Adels-dynastie der Wettiner.

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Themenschwerpunkt

Einführung

Alberta ist eine von zehn Provinzen Kanadas und liegt imSüdwesten des Landes. Mit einer Fläche von über660.000 km2 umfasst es fast die doppelte GrößeDeutschlands, ist allerdings mit ca. 3,45 Mill. Einwoh-nern weit weniger dicht besiedelt. Die größten Städtesind die Hauptstadt Edmonton sowie Calgary mit jeweilsüber 1 Mill. Einwohnern. Bekannt ist die Provinz vor allemfür ihre Nationalparks Banff und Jasper, die im südlichenTeil nahe der Grenze zur Nachbarprovinz British Colum-bia liegen.

Auf dem Gebiet Albertas befinden sich die zweitgröß-ten Erdölvorkommen weltweit, hauptsächlich in Formvon Ölsanden. Sie machten die Provinz seit Beginn des21. Jahrhunderts innerhalb kürzester Zeit zur reichstenKanadas. In den letzten fünf Jahren ist die Wirtschaft imSchnitt um mehr als 4,5 % pro Jahr gewachsen und esherrscht Vollbeschäftigung. Ein Großteil des gefördertenErdöls wird exportiert, wobei Handelsbeziehungen vorallem zu den USA bestehen, die im Süden an die Provinzgrenzen und über ein gut ausgebautes Pipelinenetzwerkbeliefert werden. Noch keine Pipelineverbindung existiertzurzeit zum asiatischen Kontinent, aber es bestehenPläne für ein Bauprojekt, das bis zum Jahr 2014 abge-schlossen sein könnte.

Als eine Folge der günstigen wirtschaftlichen Ent-wicklung der vergangenen Jahre nimmt auch die Bevöl-kerung durch Zuwanderung und hohe Geburtenratenstetig zu. Die Regierung Albertas rechnet damit, dass dieBevölkerung in 20 Jahren auf über 5 Mill. Einwohner ge-wachsen sein wird.

Wichtige Arbeitgeber sind vor allem Erdölunterneh-men, wie IMPERIAL OIL LTD., PETRO CANADA und die ENCANA

CORP. Sie sichern der Provinz nicht nur hohe Einnahmendurch Fördergebühren, sondern beliefern auch viele wei-tere Unternehmen, die Produkte auf Erdölbasis herstel-len bzw. Erdöl in der Produktion verwenden. Mit einerMischung aus sehr niedrigen Provinzsteuern, eineminnovationsfreundlichen Geschäftsklima und einer trans-parenten und schmalen Verwaltung versucht sich dieProvinz als Unternehmensstandort zu profilieren. Begüns-tigend wirkt sich überdies die hohe politische Stabilität in

Alberta aus; seit mehr als 35 Jahren regiert die Progres-sive Conservative Party. Auch in der letzten Wahl AnfangMärz 2008 konnte sie sich mit über 50 % der Stimmenklar durchsetzen und erhielt – infolge des geltendenMehrheitswahlrechts – 72 der insgesamt 83 Sitze imParlament.

Wirtschaftsstruktur

Dank der reichhaltigen Erdölvorkommen und dem Um-stand, dass der in den letzten Jahren stark gestiegeneWeltmarktpreis für Öl eine Ausbeutung der Ölsandvor-kommen profitabel gemacht hat, ist Alberta inzwischendie reichste Provinz Kanadas. 2006 lag das nominaleBruttoinlandsprodukt (BIP) bei einem absoluten Wert von240.025 Mill. C$ (real: 183.372 Mill. C$). Das entsprichteinem Pro-Kopf-Wert von 71.102 C$ nominal (54.320 C$real). Im Vergleich dazu lag das durchschnittliche Pro-Kopf-BIP für ganz Kanada mit 45.750 C$ nominaldeutlich darunter (40.559 C$ real). Die jeweiligen Pro-Kopf-Werte in Kaufkraftparitäten betragen für Alberta bei59.251 US-$ nominal und 45.266 US-$ real sowie für ge-samt Kanada 38.125 US-$ nominal und 33.832 US-$real.

Das durchschnittliche jährliche Wachstum des realenBIP im Zeitraum 1998 bis 2006 betrug 4,2 %. Es wird aufabsehbare Zeit nicht mit einer signifikanten Abschwä-chung des starken Wachstums gerechnet, da die Nach-frage nach Öl kontinuierlich steigt und technische Inno-vationen die Förderkosten immer weiter senken. DieRegierung Albertas rechnet für 2008 und 2009 mit einemAnstieg des BIP von jeweils 3,3 %.

Im Zuge des kräftigen Aufschwungs haben sich aller-dings die Verbraucherpreise in Alberta deutlich erhöht.Im Jahr 2007 stiegen die Preise für Konsumgüter ge-genüber dem Vorjahr insgesamt um 5,0 %, nach 3,4 %im Durchschnitt der Jahre 2003 bis 2007. Maßgeblichgetrieben wurde diese Entwicklung durch den starkenPreisanstieg für Immobilien als Folge der starken Zuwan-derung in den letzten Jahren. Allein 2007 stiegen diePreise für Wohnungen um mehr als 15 %. In Kanada ins-gesamt betrug dieser Anstieg nur 3,4 %.

Die Erdöl- und Erdgasförderung sowie die damit ver-bundenen Industriezweige sind immer noch die wichtigs-ten Wirtschaftssektoren (vgl. Abb. 1). Sie erwirtschafteten2006 zusammen mehr als 25 % des BIP. In den letzten

Die kanadische Provinz Alberta im ÜberblickHeike Auerswald und Joachim Ragnitz*

* Heike Auerswald arbeitete als freie Mitarbeiterin und Dr. Joachim Ragnitzist Managing Director der Niederlassung Dresden des ifo Instituts fürWirtschaftsforschung.

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Themenschwerpunkt

Jahren konnten auch Wirtschaftsbereiche wie die Bau-branche oder unternehmensnahe Dienstleistungen unddas verarbeitende Gewerbe zunehmend vom Erdölboomprofitieren; in diesen Bereichen wurden teilweise zwei-stellige Wachstumsraten erzielt (vgl. Tab. 1). Im Folgen-den sollen nun die wichtigsten Branchen Albertas detail-lierter vorgestellt werden.

Bergbau, Öl und Gas

Der Anteil der Bergbaubranche insgesamt am Bruttoin-landsprodukt Albertas betrug im Jahr 2006 20,4 %, wo-bei allein 17,4 % der Erdölindustrie zuzurechnen sind.Letztgenannter Sektor ist der wichtigste in der Ökonomieder Provinz und seine Entwicklung hat Auswirkungen aufviele andere Sektoren. Diese Verflechtungen innerhalbder Wirtschaftsstruktur sind sehr eng und es kommtihnen somit eine besondere Bedeutung ökonomischerwie auch politischer Art zu.

Darüber hinaus investieren die Unternehmen sehrstark in den Bergbausektor. Zwischen 2000 und 2005betrugen die Investitionen, die allein in die konventionelleErdöl- und Erdgasindustrie getätigt wurden, 100 Mrd. C$.Auch in Zukunft wird mit größeren Investitionen gerech-net, die sich vor allem auf die Weiterentwicklung derAbbaumethoden und die Ausweitung der Förderkapa-zitäten beziehen werden. Dem Wachstum dieses Sek-tors werden allerdings auch Grenzen gesetzt, zum einen

durch die Regierung Albertas selbst, die auch im Hin-blick auf den Natur- und Umweltschutz eine nachhaltigeund schonende Nutzung der natürlichen Ressourcenanstrebt, und zum anderen durch den trotz Zuwande-rung fortbestehenden Mangel an geeigneten Arbeitskräf-ten.

Baubranche

Von dem durch die Erdölförderung ausgelösten Auf-schwung profitierte auch in hohem Maße das Baugewer-be. Investitionen, die im Zusammenhang mit der Mineral-ölgewinnung stehen, beliefen sich 2002 auf 13,3 Mrd. C$und im Jahr 2006 bereits auf 33,1 Mrd. C$. Inzwischenerwirtschaftet die Branche insgesamt einen Anteil vonknapp 10 % des gesamten BIP Albertas (2006). Im Detailhat die steigende Bevölkerungszahl und die Ansiedlungneuer Unternehmen bzw. die Erweiterung vorhandenerProduktionsstätten zu einem kräftigen Bauboom in Al-berta geführt. Im Zeitraum von 1998 bis 2006 konnte imBauhauptgewerbe im Durchschnitt ein jährliches Wachs-tum des realen BIP von fast 10 % erzielt werden. Für dieJahre 2006 bis 2011 wird ein jährliches Wachstum desSektors von 5,2 % prognostiziert, was zur Schaffung vonmindestens 50.000 neuen Arbeitsplätzen führen soll. Be-reits 2006 waren mehr als 9 % aller Beschäftigten in die-ser Branche tätig und der durchschnittliche Stundenlohnlag mit 20,95 C$/h leicht über dem Durchschnitt aller

Quelle: Alberta Finance, Economics and Statistics (2007).

Abbildung 1: Bruttoinlandsprodukt nach Wirtschaftsbereichen 2006 (preisbereinigt)

Groß- und Einzelhandel

VerarbeitendesGewerbe

Baugewerbe

Bergbau, Öl und Gas

AndereDienstleistungen

Finanzierung,Versicherung,

Immobilien,Unternehmens-

dienstleistung

Sonstige

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Themenschwerpunkt

Sektoren. Auch In Zukunft kann mit einer großen Nachfra-ge nach Arbeitskräften im Baugewerbe gerechnet werden,zumal bis 2014 ca. 16 % der Beschäftigten ersetzt werdenmüssen, da diese bis dahin das Rentenalter erreichen.

Verarbeitendes Gewerbe

Ebenfalls profitiert vom Erdölboom hat das verarbeitendeGewerbe, auch wenn es mit 9,5 % einen geringen Anteilam BIP Albertas 2006 im Vergleich zum Anteil von15,6 %, den diese Branche in Kanada insgesamt am BIP2006 hatte, ausmacht. Auch die Anzahl der Beschäftig-ten in dieser Branche ist mit knapp 140.000 Personen(2006) gering. Das jährliche durchschnittliche Wachstumim Zeitraum von 1998 bis 2006 war ebenfalls mit 4,3 %wesentlich niedriger als im Baugewerbe. Wichtigste Teil-bereiche des verarbeitenden Gewerbes in Alberta sinddie Chemie- und Metallindustrie, der Maschinenbau unddie Nahrungsmittel- und Holzproduktion.

Dienstleistungssektor

Etwa die Hälfte des BIP in Alberta wird vom Dienst-leistungssektor erwirtschaftet, was im Vergleich zu ande-ren Provinzen Kanadas ein eher geringer Anteil ist. ImDetail entfallen jeweils etwa 10 % des Dienstleistungs-sektors auf die Bereiche Bildung, Gesundheit und Sozia-les sowie öffentliche Verwaltung. Der wichtigste Teilsek-tor ist allerdings der Bereich Finanzdienstleistungen. Erhat vor allem von dem Bauboom, ausgelöst durch die ertragreiche Förderung von Erdöl, profitiert undmachte 2006 allein einen Anteil von 15,1 % am BIP Al-bertas aus. Er umfasst die Bereiche Versicherung, Finan-zierung, Leasing sowie die Immobilienbranche und alleArten von Unternehmensdienstleistungen und ist im Zeit-raum 1998 bis 2006 durchschnittlich um 5 % gewach-sen. Insgesamt profitiert der Dienstleistungssektor aller-dings weit weniger stark von dem wirtschaftlichenAufschwung durch die Erdölförderung als bspw. dasBaugewerbe.

Quelle: Statistics Canada (2006).

Tabelle 1: Jährliche Veränderung des realen Bruttoinlandsprodukts (preisbereinigt, alle Angaben in %)

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006

Insgesamt 4,7 2,1 6,5 2,0 1,7 3,2 5,6 5,3 6,7

Land-/Forstwirtschaft, Fischerei, Jagd 6,5 11,3 1,5 –16,4 –24,6 39,6 16,3 5,8 –9,4

Bergbau, Öl und Gas –0,6 –0,2 0,1 –4,3 0,9 0,6 4,4 1,0 3,8

davon Öl und Gas –0,7 3,2 –4,1 –6,6 2,4 0,1 3,9 –0,8 4,2

Baugewerbe 12,3 –1,1 19,2 8,6 0,4 0,3 10,5 21,5 16,9

davon in Verbindung mit Öl und Gas 12,6 –14,9 7,7 14,8 26,5 16,3

Verarbeitendes Gewerbe 2,2 –1,3 17,4 –5,3 –2,7 –1,8 13,4 9,9 9,5

davon Maschinenbau 1,3 –16,4 37,5 21,3 –12,3 2,3 33,8 39,5 19,4

Großhandel 2,2 1,3 6,3 4,3 0,8 5,6 5,7 7,9 12,9

Einzelhandel 10,5 4,1 6,6 10,2 8,0 4,0 1,7 8,6 14,1

Finanzierung, Versicherung, Immobilien,Unternehmensdienstleistung

5,9 2,7 5,7 6,1 5,1 4,2 4,3 4,2 7,0

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Themenschwerpunkt

Unternehmensstruktur

Die Bedeutung des Erdöls für den wirtschaftlichen ErfolgAlbertas findet sich auch in der Betrachtung der umsatz-stärksten Unternehmen der Provinz wieder. Die – ge-messen am Umsatz – elf größten Unternehmen in Alber-ta entstammen der Erdöl- und Erdgasindustrie. Dieseerwirtschafteten im Jahr 2006 zusammen 152,5 Mrd. C$Umsatz und mehr als 23 Mrd. C$ Gewinn (vgl. Abb. 2).Wichtige weltweit agierende Konzerne sind HALLIBURTON

ENERGIE SYSTEMS (Erdölsektor), CANADA SAFEWAY (Einzel-handel), CANADIAN PACIFIC RAILWAY (Transport) und dieKATZ GROUP (Franchise Einzelhandel). Etwa 50 % des Gesamtumsatzes der 100 größten Unternehmen wur-den vom Einzelhandel und 42 % von der Erdöl- und Erd-gasindustrie erbracht.

Insgesamt wurden 2007 83,7 Mrd. C$ investiert,47 % davon allein im Bereich Bergbau, Erdöl und Erdgassowie 18 % im Wohnungsbau, was den bereits erwähn-ten Bauboom erklärt. Im Zeitraum 2004 bis 2007 sinddie Investitionen im erstgenannten Sektor um 50 % ge-stiegen. Ein wesentlich größeres Wachstum fand aber imBaugewerbe (102 %), in der Immobilienbranche (122 %)und im Bereich Transport und Lagerhaltung (150 %)statt.

Außenhandel

Ein großer Anteil der in Alberta produzierten Waren wirdexportiert. Im Jahr 2007 erreichte die Summe aller aus-geführten Produkte einen Wert von 81,5 Mrd. C$. Mehrals 60 % davon stammen aus der Gewinnung von Erdölund -gas, wobei der größte Abnehmer die USA sind.Bezogen auf alle Produkte nahmen diese 85,6 % allerExporte auf und sind mit großem Abstand Albertaswichtigster Handelspartner. Danach folgen China miteinem Anteil von 3,5 % und Japan mit 1,8 %. Insgesamtsind die Exporte in den letzten zehn Jahren kontinuierlichgestiegen, wobei es aufgrund des schwachen Wachs-tums der USA in den Jahren 2001 und 2002 zu einemleichten Rückgang kam (vgl. Abb. 3). Mit der momentanerneut schwierigen Wirtschaftslage des südlichen Nach-barn fallen die Prognosen für das zukünftige Exportvolu-men allerdings verhaltener aus.

Das statistisch ausgewiesene Importvolumen – dasallerdings nicht die „Einfuhren“ aus den übrigen ProvinzenKanadas beinhaltet – bewegt sich hingegen auf einemniedrigeren Niveau und ist auch seit 1998 weniger starkangestiegen als die Exporte. 2007 lag der Wert aller ein-geführten Waren bei insgesamt 18,4 Mrd. C$. Den größtenAnteil haben wiederum Erdöl- und Erdgasabbauprodukte

Quelle: Alberta Ministry of Employment, Immigration and Industry (2007a).

Abbildung 2: Die 20 umsatzstärksten Unternehmen in Alberta

0 5.000 10.000 15.000 20.000 25.000

Dow Chemical Canada Inc.PCL Construction Group

Canadian Pacific Railway Ltd.Agrium Inc.Nexen Inc.

Canada Safeway Ltd.Katz Group

Nova Chemicals Corp.TransCanada Corporation

Syncrude Canada Ltd.Talisman Energy Inc.

Canadian Natural ResourcesEnbridge Inc.

Husky Energy Inc.Halliburton Energy Systems

Suncor Energy Inc.Shell Canada LimitedEnCana Corporation

Petro-CanadaImperial Oil Limited

Unt

erne

hmen

Umsatz 2006 in Mill. C$

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Themenschwerpunkt

mit 6,9 % sowie Technologieprodukte aus der Luft- undRaumfahrt und dem Bereich Baumaschinen mit zusam-men 8,5 %. Die wichtigsten Lieferanten sind die USA(68,5 %), China (7,35 %) und Mexiko (3,97 %). Allerdingsist davon auszugehen, dass auch eine größere Mengevon Waren über die Nachbarprovinzen Saskatchewanund British Columbia nach Alberta eingeführt wird undsomit in der allgemeinen Außenhandelsstatistik nicht er-fasst sind.

Öffentlicher Sektor

Aufgrund der beschriebenen guten wirtschaftlichen Ent-wicklung in Alberta ist es der Provinz als einziger in Kana-da gelungen, seit 2004 schuldenfrei zu sein und einenjährlichen Überschuss zu produzieren. Im Jahr 2007 be-trug dieser immerhin knapp 7 Mrd. C$. Dabei hat dieProvinz Einnahmen in Höhe von 38.307 Mill. C$ erzielt,wovon 35.172 Mill. C$ aus eigener Kraft erwirtschaftetwurden. Die größte Einnahmequelle sind hierbei Steuern,von denen die Einkommensteuer mit einem Anteil vonfast 30 % an den Gesamteinnahmen den wichtigstenBeitrag leistet. Weitere Einnahmequellen sind bspw. Ab-gaben und Einkünfte aus getätigten Investitionen. DieGesamtausgaben beliefen sich 2007 auf 31.339 Mill. C$und wurden zum größten Teil für das Gesundheitswesen(33 %), Bildung (26 %) und Sozialleistungen (14 %) aus-gegeben.

Mit der Initiative ALBERTA FIRST, einer Partnerschaft zwi-schen Provinz, Gemeinden und Industrie, einem interna-tionalen Marketingkonzept mit Büros unter anderem inPeking, Tokio, Mexiko, London und München sowieeiner Politik im Sinne des ALBERTA-ADVANTAGE-Konzeptes– niedrige Provinzsteuern, schlanke Verwaltung undattraktives Investitionsklima – wird von Seiten der Regie-rung versucht, Investitionen und Unternehmensansied-lungen noch stärker zu fördern.

Eine weitere Besonderheit ist der ALBERTA HERITAGE

SAVINGS TRUST FUND, den die Regierung Albertas 1976eingerichtet hat – mit dem Ziel, die Einnahmen aus derErdöl- und Erdgasförderung langfristig gewinnbringendund zum Nutzen der Provinz anzulegen – und der einenderzeitigen Marktwert von etwa 16,6 Mrd. C$ hat. Inves-tiert wurde in der Vergangenheit in Aktien, Anleihen undImmobilien, aber auch in die Entwicklung neuer Techno-logien zur Förderung des Ölsands, in medizinische Ein-richtungen und in Naturschutz- und Umweltprojekte. Diefür das laufende Steuerjahr prognostizierten Einnahmenaus dem Fonds belaufen sich auf 1,15 Mrd. C$ [vgl. AL-BERTA MINISTRY OF FINANCE AND ENTERPRISE (2007)].

Arbeitsmarkt

Den Wachstumsmöglichkeiten in Alberta werden aller-dings auch Grenzen gesetzt, insbesondere infolge vonKnappheiten am Arbeitsmarkt. Infolge der dynamischen

Quelle: Statistics Canada (2008c).

Abbildung 3: Exporte und Importe in alle Länder (in jeweiligen Preisen)

0

10.000

20.000

30.000

40.000

50.000

60.000

70.000

80.000

90.000

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

Exp

ort

e/Im

po

rte

in M

ill. C

$

Exporte gesamt Exporte Erdöl- und Erdgasförderung Importe gesamt

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Themenschwerpunkt

Wirtschaftsentwicklung herrscht in Alberta seit 2005Vollbeschäftigung. Die Arbeitslosenquote betrug im Jahr2007 3,5 % und lag nach vorläufigen Angaben vonSTATISTICS CANADA im April 2008 bei 3,3 % (vgl. Abb. 4).Weiterhin konnte in den letzten sechs Jahren beobach-tet werden, dass die Arbeitsmarktentwicklung in Albertaweitestgehend dem kanadischen Trend entsprach,allerdings mit einem Niveauunterschied von ungefähr2,5 Prozentpunkten.

Aufgrund des starken Wachstums einiger Wirtschafts-sektoren herrscht inzwischen ein genereller Mangel anArbeitskräften, zumal die Erwerbsquote bezogen auf alleüber 15-Jährigen mit 74,1% (2007) bereits sehr hoch ist.Auch das Verhältnis von Erwerbstätigen zur Bevölkerungüber 15 Jahre lag 2007 mit 71,5 % in Alberta deutlich höherals zum Beispiel in Kanada insgesamt, wo der vergleich-bare Wert lediglich 63,5 % betrug. Es fehlt vor allem anFachkräften im Bereich Bergbau, Erdöl und Erdgas so-wie an hoch qualifizierten Ingenieuren.

Aufgrund dieser Arbeitskräfteknappheit konnten in denletzten Jahren erhebliche Lohnsteigerungen durchgesetztwerden. Im Zeitraum von 2002 bis 2006 stieg der durch-schnittliche Stundenlohn eines Arbeiters von 17,57 C$auf 20,16 C$ und lag damit am Ende dieses Zeitraumssogar um 1,61 C$ über dem kanadischen Durchschnitt.Der Mindestlohn in Alberta, der für alle Branchen gilt,wurde im September 2007 um 1 C$ auf 8,00 C$ erhöht,

womit zu dem Niveau der anderen wirtschaftsstarkenkanadischen Provinzen aufgeschlossen wurde [vgl. AL-BERTA MINISTRY OF EMPLOYMENT, IMMIGRATION AND INDUSTRY

(2007b)]. Eine weitere Erhöhung um 0,40 C$ trat am01.04.2008 in Kraft. Etwa 70.000 Personen oder 3,5 %der Erwerbstätigen erhalten diesen Lohn. Die Mehrheitvon ihnen ist zwischen 15 und 19 Jahren alt und in derGastronomie bzw. im Kranken- und Pflegedienst tätig.

Trotz dieser Lohnentwicklung erfolgte eine Zunahmeder Beschäftigung im Zeitraum 1997 bis 2006 von fast28 %. Besonders die Bereiche Bergbau, Erdöl- und Erd-gas sowie die Baubranche haben in den letzten Jahrendiesen Anstieg getragen. Der Anteil dieser beiden Bran-chen an der Gesamtzahl der Beschäftigten 2007 in Al-berta lag mit fast 18 % deutlich über dem kanadischenDurchschnitt von 8,7 % (vgl. Tab. 2). Der Anteil der imverarbeitenden Gewerbe Beschäftigten ist mit 7,3 % inAlberta im Gegensatz dazu deutlich niedriger als derkanadische Durchschnitt mit 12,1 %. Gleiches gilt für dieDienstleistungssektoren. Auch hier liegt der Anteil derBeschäftigten in Alberta mit 71,6 % deutlich unter demWert für Kanada, welcher 76,3 % beträgt. Dies zeigterneut die starke Spezialisierung der Provinz Alberta aufden Energiesektor.

Das hohe Lohnniveau lässt sich aber auch durch diehohe durchschnittliche Produktivität (gemessen am realenBIP pro Arbeitsstunde) rechtfertigen. Über alle Sektoren

Quelle: Statistics Canada (2008a).

Abbildung 4: Arbeitslosenquote (bezogen auf die Bevölkerung über 15 Jahre)

4,65,3 5,1

4,63,9

3,4 3,5 3,4

7,27,7 7,6

7,26,8

6,36,0 6,0

0,0

1,0

2,0

3,0

4,0

5,0

6,0

7,0

8,0

9,0

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 März 2008

Arb

eits

lose

nquo

te in

%

Provinz Alberta Kanada

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Themenschwerpunkt

gerechnet, lag die Produktivität im Jahr 2005 in Albertaum 8 % über dem kanadischen Durchschnitt und war miterwirtschafteten 40,34 C$/h auch die höchste unter al-len Provinzen [vgl. GELLATLY (2007)]. Betrachtet man nurden Sektor des verarbeitenden Gewerbes, liegt dieProduktivität sogar bei 48,94 C$/h. Allerdings ist die Be-deutung dieses Sektors, wie bereits gezeigt, eher gering.Weiterhin kann die Entwicklung der durchschnittlichenProduktivität über alle Sektoren kritisch gesehen wer-den, da die relative Produktivitätssteigerung von 1997bis 2005 in Alberta mit 1,2 % am geringsten im Vergleichzu den anderen Provinzen ausfiel und unter dem Lan-desdurchschnitt von 1,6 % lag. Dies liegt vor allem amschlechten Abschneiden einiger Wirtschaftssektoren, dienicht direkt mit der Energiebranche in Zusammenhangstehen.

Demographie und Migration

Getrieben von der sehr guten wirtschaftlichen Entwick-lung steigt auch die Zahl der Einwanderer kontinuierlich.2007 lebten etwa 3,45 Mill. Menschen in Alberta, waseiner Bevölkerungsdichte von 5,25 Einwohnern pro km2

entspricht. Dabei konzentriert sich die Bevölkerung abersehr stark auf die Hauptstadt Edmonton und die Millio-nenstadt Calgary sowie Red Deer. Die durchschnittlicheBevölkerungsdichte beträgt in diesen Gebieten mehr als 1.200 Einwohner pro km2. Insgesamt verteilen sichknapp 53 % der Einwohner Albertas auf diese dreiBallungsräume. 1951 hingegen lebten noch jeweils 50 %

auf dem Land bzw. in größeren Gemeinden über 1.000Einwohnern. Seit der zweiten Hälfte der achtziger Jahredes vorigen Jahrhunderts sind es lediglich 20 % der Ge-samtbevölkerung, die in ländlichen Gebieten wohnen(vgl. Abb. 5).

Zusätzlich zu dieser starken Urbanisierung ist die Be-völkerung Albertas durch ein relativ starkes Wachstumim Vergleich zum restlichen Kanada gekennzeichnet. Inden letzten fünf Jahren stieg die Anzahl der Einwohnerim Durchschnitt um 2,2 % jährlich. Allein im Jahr 2007betrug das Bevölkerungswachstum 3,1%. Alberta istdiesbezüglich die am stärksten wachsende ProvinzKanadas. Da ein Großteil dieses Anstiegs aus der Zu-wanderung von Arbeitskräften und deren Familienherrührt, ist die Bevölkerung Albertas recht jung und lag2006 mit einem Durchschnittsalter von 36,0 Jahren weitunter dem Mittel Kanadas von 39,5 Jahren. Anders alsRegionen in Europa ist Alberta somit einem geringerendemographischen Druck ausgesetzt (vgl. Abb. 6).

Der zweite Einflussfaktor auf die Bevölkerungsstruk-tur ist die Migration. Im Jahr 2006 waren 16,2 % der Be-völkerung Albertas Immigranten in dem Sinne, dass sienicht in Kanada geboren wurden bzw. keine kanadischeStaatsbürgerschaft von Geburt an besaßen. Im Zeitraumvon Juli 2006 bis Juni 2007 sind 20.116 Personen ausdem Ausland nach Alberta immigriert und 5.082 frühereEinwohner Albertas verließen Kanada, was zu einempositiven Außenwanderungssaldo von 15.034 Personenführte. Die Nettozuwanderung aus anderen Provinzen(Binnenwanderungssaldo) belief sich auf 51.169 Personen,der mit großem Abstand höchste Wert unter Kanadas

Quellen: Statistics Canada (2008b), Berechnungen des ifo Instituts.

Tabelle 2: Verteilung der Beschäftigten auf die Wirtschaftsbereiche (2007)

Kanada Alberta

Beschäftigte(in 1.000)

Anteil(in %)

Beschäftigte(in 1.000)

Anteile(in %)

Insgesamt 16.866,4 100,00 1.959,4 100,00

Güterproduzierende Sektoren 3.993,0 23,67 557,0 28,43

davon Landwirtschaft 337,2 2,00 50,4 2,57

davon Forstwirtschaft, Bergbau, Öl, Gas

339,3 2,01 151,0 7,71

davon Baugewerbe 1.133,5 6,72 193,1 9,86

davon Verarbeitendes Gewerbe 2.044,9 12,12 142,9 7,29

Dienstleistungssektoren 12.873,5 76,33 1.402,4 71,57

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Themenschwerpunkt

Quelle: Statistics Canada (2008d).

Abbildung 5: Aufteilung der Bevölkerung auf Stadt und Land in Alberta

0%

20%

40%

60%

80%

100%

1951 1956 1961 1966 1971 1976 1981 1986 1991 1996 2001

Ant

eil a

n d

er G

esam

tbev

ölk

erun

g

Stadt (>1000 Einwohner) Land (<1000 Einwohner)

Quellen: Statistics Canada (2008e), Statistisches Bundesamt (2006), Berechnungen des ifo Instituts.

Abbildung 6: Anteile der Altersgruppen an der Gesamtbevölkerung (2006)

0,0

2,0

4,0

6,0

8,0

10,0

12,0

14,0

16,0

18,0

<5 5–9 10–14 15–24 25–34 35–44 45–54 55–64 65–74 75–84 >85

Altersgruppen

Ant

eil a

n G

esam

tbev

ölk

erun

g in

%

Provinz Alberta Deutschland

Jahre

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Themenschwerpunkt

Provinzen und Territorien. Auch dies zeigt die große An-ziehungskraft Albertas bedingt durch die positive Ent-wicklung der letzten Jahre.

Fazit

Die Provinz Alberta ist eine der wirtschaftlich stärksten inKanada. Ihr Reichtum begründet sich vor allem auf denweltweit zweitgrößten Vorkommen an Erdöl, hauptsäch-lich in Form von Ölsand. Dessen Förderung ist allerdingserst in den letzten Jahren durch den starken Anstieg desWeltmarktpreises für Erdöl sowie durch technische Inno-vationen profitabel geworden, was die dynamische Ent-wicklung in Alberta seit Beginn des 21. Jahrhunderts er-klärt. Die Auswirkungen dieses Booms in der Erdöl- undErdgasindustrie haben nun auch andere Wirtschaftsbe-reiche, wie das Baugewerbe oder den Dienstleistungs-sektor, erreicht. Auch hier kann inzwischen ein starkesWachstum verzeichnet werden. Begleitet wird diese po-sitive Entwicklung von Vollbeschäftigung, vermehrter Zu-wanderung und Schuldenfreiheit der Provinz. Auch innaher Zukunft ist nicht mit einem Ende des Aufschwungszu rechnen und die größten wirtschaftspolitischen He-rausforderungen für die Politik dürften darin bestehen,eine Überhitzung der Konjunktur zu verhindern und einestärkere Diversifizierung der Wirtschaftsstruktur zu fördern.

Literatur

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doing business in Alberta, http://www.alberta-canada.com/statpub/economicHighlights/pdf/facts_on_alberta_2007.pdf, abgerufen am 13.03.2008.

ALBERTA MINISTRY OF FINANCE AND ENTERPRISE (Hrsg.)(2007): Alberta Heritage Savings Trust Fund – ThirdQuarter Update 2007–2008, http://www.finance.al-berta.ca/business/ahstf/2007_3rdq/report.pdf, abge-rufen am 27.03.2008.

GELLATLY, G. (2007): Provincial Labour Productivity Growth,1997 to 2005, The Canadian Productivity Review, Ca-talogue no. 15-206-XIE, no. 007, Ottawa.

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STATISTISCHES BUNDESAMT (Hrsg.) (2006): Fortschreibungder Bevölkerung Deutschlands, www.genesis.destatis.de, abgerufen am 03.04.2008.

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ifo Dresden berichtet 3/2008

Themenschwerpunkt

Im Folgenden sollen kurz die aktuellen Ziele der Wirt-schaftspolitik der Provinz Alberta dargelegt werden, umaufzuzeigen, in welche Richtung sich diese Provinz Ka-nadas in den nächsten Jahren entwickeln soll. Eine Be-sonderheit Albertas im Vergleich zu anderen Ländernliegt in den politischen Rahmenbedingungen, unter de-nen diese Politik gemacht wird. Denn Alberta nimmtnicht nur aufgrund seiner enormen Erdölvorkommen unddem daraus resultierenden wirtschaftlichen Erfolg eineAusnahmestellung innerhalb Kanadas ein, sondern auchaufgrund der großen Kontinuität der Regierung. Der letzteRegierungswechsel liegt inzwischen bereits über 35 Jahrezurück. Seitdem hat die Progressive Conservative Partystets eine absolute Mehrheit im Parlament erreichen kön-nen, was eine recht unabhängige und langfristige Politik-arbeit ermöglichte. Zudem unterliegt letztere auch weni-ger starken Einflüssen von Seiten der Bundesregierungaufgrund der hohen Eigenständigkeit der Provinzen inKanada. Bei der Betrachtung und Bewertung der Strate-gien muss außerdem berücksichtigt werden, dass im ka-nadischen System der Staat – ob in Form von Bundes-oder Provinzregierung – weit weniger in das wirtschaft-liche Geschehen eingreift, als dies beispielsweise inDeutschland üblich ist. All dies ermöglicht eine zielge-richtete und einheitliche Politik, die allerdings nicht zwin-gend erfolgreich sein muss.

In den letzten Jahren standen wirtschaftspolitisch inAlberta vor allem der Ausbau der Infrastruktur, die Förde-rung der Diversifikation der Wirtschaft und die nachhal-tige Nutzung der natürlichen Ressourcen im Vordergrund[vgl. ALBERTA GOVERNMENT (2007)]. Angestrebt wurdendemnach unter anderem:

– die Erarbeitung einer Strategie, die die wirtschaftlicheNutzung neuer Technologien und die Diversifikationder Wirtschaft zum Ziel hat. Im Detail bedeutet dies:• Wachstum und Produktivität in zukunftsträchtigen

Märkten voranzubringen,• Investition und Forschung in wissensintensiven Sek-

toren zu unterstützen,• Förderung der Bereitstellung von Risikokapital in

Alberta,• und in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, neue

Absatzmärkte für Produkte mit großer Wertschöp-fungstiefe zu erschließen.

– Verbesserung der Infrastruktur (Straßennetz, Flughä-fen, Stromversorgung, Gesundheitswesen).

– Ausbau der Kinderbetreuung durch Gewährunghöherer Zuschüsse und verbesserte Bezahlung derBeschäftigten, Investition von 197 Mill. C$ im Steuer-jahr 2008/2009 und insgesamt 633 Mill. C$ bis 2011zur Schaffung von 14.000 neuen Betreuungsplätzen[vgl. ALBERTA GOVERNMENT (2008)].

– Verbesserung der Wohnungssituation (vor dem Hin-tergrund der hohen Zuwanderung) durch die Investi-tion von 877 Mill. C$ in den nächsten drei Jahren zurSchaffung 11.000 neuer bezahlbarer Wohneinheitenbis 2013 [vgl. ALBERTA GOVERNMENT (2008)].

– Entwicklung einer Langzeitinvestitionsstrategie für dieEinnahmen aus der Nutzung nicht-erneuerbarer Res-sourcen.

– Erarbeitung einer umfassenden Energiestrategie zurnachhaltigen Nutzung erneuerbarer und nicht-erneu-erbarer Energien.

– Intensivierung der Handelsbeziehung zu den USA(u. a. durch Einrichtung eines Büros in WashingtonD. C.).

– Entwicklung einer ‚Made-in-Alberta‘-Einwanderungs-strategie (Immigrationsabkommen mit kanadischerBundesregierung, Verbesserung der Gastarbeiter-programme, verbesserte Werbungsinitiative, Einzah-lung von 740.000 C$ in den IMMIGRANT ACCESS FUND).

Für das Jahr 2008 wurden im April, nur einen Monatnach den Wahlen, bereits neue Zielvorstellungen veröf-fentlicht, die die bisherige Linie aber im Wesentlichenfortführen. Sie orientieren sich weitgehend an den zuvorbereits erarbeiteten „Fünf Regierungsprioritäten“ für dieneue Legislaturperiode und bilden auch die Grundlagefür den Budgetplan 2008 [vgl. ALBERTA GOVERNMENT

(2008)]. Konkrete Ziele und Maßnahmen sind demnach:

– Nachhaltig umweltschonende Nutzung der Energie-reserven der Provinz:• Erarbeitung eines Strategieplans zur weiteren Ent-

wicklung der Ölsandregionen,

Grundzüge der Wirtschaftspolitik in der ProvinzAlbertaHeike Auerswald*

* Heike Auerswald arbeitete als freie Mitarbeiterin an der ifo NiederlassungDresden.

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ifo Dresden berichtet 3/2008

Themenschwerpunkt

• Unterstützung der Erforschung neuer Fördertech-nologien von Ölsanden, die weniger Energie undWasser benötigen und einen geringeren Eingriff indie natürliche Umgebung erfordern,

• Umsetzung der Klimastrategie einschließlich derEnergieerhaltung, effiziente Nutzung und Anpas-sungsprozesse.

– Verbesserung des Zugangs zu Gesundheitsdienstleis-tungen sowie deren Qualität und Effizienz:• Ausweitung des medizinischen Personalbestandes

(Ärzte, Krankenschwestern, Pfleger) bis 2012,• Stärkung der Verwaltungs- und Kontrollinstanzen

der Gesundheitsdienstleister.– Steigerung der Innovationstätigkeit in der Ökonomie

und Förderung von hoch qualifizierten Arbeitskräftenfür eine langfristig nachhaltige Entwicklung der Wirt-schaft:• Aufbau eines ALBERTA ENTERPRISE FUND mit dem Ziel

der gesteigerten Attrahierung von Investoren undder Förderung der wirtschaftlichen Nutzung neuerTechnologien,

• Einführung einer Steuerermäßigung in Höhe von10 % für private Forschungs- und Entwicklungs-initiativen,

• Entwicklung von Politiken, Initiativen und Hilfspro-grammen, die Unternehmen bei Produktivitätsstei-gerungen unterstützen und global wettbewerbs-fähig machen,

• Stärkung und Diversifikation des Agrarsektors durchdifferenziertere und qualitativ hochwertigere Pro-dukte und Erschließung neuer Märkte,

• Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Forst-wirtschaft in Zusammenarbeit mit der Industrie zurErhaltung dieses Sektors,

• Erhöhung der Anzahl an Studienplätzen in Berei-chen mit hoher Nachfrage nach Fachpersonal, wiedem Gesundheitssektor, Ingenieurwissenschaftenund den Wirtschaftswissenschaften innerhalb dernächsten zwei Jahre,

• Senkung der Zinsen für Studienkredite,• Investition von 3,4 Mrd. C$ in Ausbildungsprogramme,• Mobilisierung von weiteren Erwerbspersonen für

den Arbeitsmarkt (74.000 Personen bis 2012),• Steigerung der Anzahl internationaler Einwanderer

und Gastarbeiter auf 50.000 bis Ende 2009.– Steigerung der öffentlichen Sicherheit:

• Einstellung von 300 zusätzlichen Polizisten inner-halb der nächsten drei Jahre.

– Ausbau der Infrastruktur bezogen vor allem auf dasVerkehrsnetz, Schulen und Krankenhäuser:• Umsetzung des „20 Jahre Kapitalstrategieplans“,• Steigerung der Effizienz der Gesundheits- und Bil-

dungsinfrastruktur,

• Verdopplung der Investitionen in die Erhaltung undden Ausbau von Schnellstraßen und Brücken in-nerhalb der nächsten drei Jahre.

Insgesamt proklamiert die Provinzregierung drei wesent-liche Ziele in der Binnenwirtschaftspolitik. Zum einen solldie Infrastruktur quantitativ und qualitativ ausgeweitetwerden, um Wachstumshemmnisse in diesem Bereichzu eliminieren. Außerdem stehen weiterhin die Diver-sifikation der Wirtschaft sowie die Förderung von For-schung und Innovationen im Vordergrund, um dieAbhängigkeit der Provinz von der Entwicklung im Ener-giesektor zu reduzieren. Und nicht zuletzt soll Albertaauch zu einem attraktiven Ziel für ausländische Unter-nehmen, Kapital und Arbeitskräfte werden.

Vor allem bezüglich der Infrastrukturpolitik existierenlängerfristige Pläne. So erarbeitete die Regierung im letz-ten Jahr einen auf 20 Jahre angelegten „Kapitalstrategie-plan“, der im Januar 2008 veröffentlicht wurde und diemittel- bis langfristige Strategie zur Weiterentwicklungder Infrastruktur der Provinz darlegt. Grundlage bildenPrognosen zur wirtschaftlichen und demographischenEntwicklung und die momentane Kapitalinfrastruktur,aus denen die infrastrukturellen Bedürfnisse der Provinzund die daraus resultierenden möglichen Politikmaßnah-men abgeleitet werden. Auch die Finanzierung sowieUmwelt- und Naturschutzaspekte und die Kontrolle derEinhaltung der Strategie werden genauer dargelegt.

Mit Blick auf die Außenhandelsbeziehungen der Pro-vinz wird ebenfalls eine stärker konzentrierte Politik be-trieben. So wurde bereits im Jahr 2000 eine Internatio-nale Marketing Strategie erarbeitet und seitdem ständigweiterentwickelt. Teil der Strategie ist die fortlaufendeAnalyse und Erarbeitung relevanter internationaler Märktefür Alberta und die Erschließung dieser. Mit Hilfe von Ver-tretungen vor Ort in Form von Büros in Peking, HongKong, Tokio, Seoul, Mexiko, Taipeh, London und Münchenwird versucht, für Unternehmer aus Alberta die Marktzu-trittsbarrieren ausländischer Märkte zu senken und gleich-zeitig internationale Kooperationspartner und Investorenzu attrahieren. Auch die Handelsbeziehungen zu den ka-nadischen Nachbarprovinzen Saskatchewan und BritishColumbia sollen vertieft werden. Unter dem Schlagwort„New West“ wird eine Kooperation mit beiden Provinzenangestrebt, die darauf ausgerichtet ist, die wirtschaftsre-levanten Regulierungen langfristig zu vereinheitlichen. ZuBritish Columbia besteht bereits ein engeres Verhältnis,welches Erleichterungen im Handel, für Pendler und fürInvestoren umfasst und darüber hinaus in Zukunft auchdie Anbindung an den asiatischen Absatzmarkt sowiedie günstige Versorgung mit Energie bietet. Bereits jetztdeckt Alberta einen Teil seines enormen Strombedarfsdurch Importe aus der westlichen Nachbarprovinz.

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ifo Dresden berichtet 3/2008

Themenschwerpunkt

Fazit

Generell ermöglicht die große Kontinuität der Provinzre-gierung eine längerfristige stabile Planung in allen Poli-tikbereichen und erleichtert die Durchsetzung von Refor-men und die Politikarbeit im Allgemeinen. Auch die sehrgute wirtschaftliche Entwicklung der Provinz in den letz-ten Jahren trägt dazu bei. Die von der Regierung prokla-mierten Ziele der Wirtschaftspolitik richten sich zumeinen auf die Verbesserung der Infrastruktur sowie dieErhöhung des Arbeitskräfteangebots durch Immigrationund Steigerung der Erwerbsbeteiligung. Die aktive För-derung von Forschung und Entwicklung, Innovationen,Investitionen und Unternehmensgründungen in zukunfts-trächtigen Bereichen zur stärkeren Diversifikation der

Wirtschaftsstruktur ist ein weiterer Schwerpunkt derWirtschaftspolitik, wie auch ein nachhaltigerer Umgangmit den nicht-erneuerbaren Ressourcen wie Erdöl, Erd-gas, Kohle und Holz. Ziel der Provinz Alberta ist es letzt-endlich, auf lange Sicht ein stabiles und gesundesWachstum zu erreichen und dabei die Abhängigkeit vonder Erdölförderung sukzessive zu vermindern.

Literatur

ALBERTA GOVERNMENT (Hrsg.) (2007): Year One ProgressReport to Albertans, 11.12.2007.

ALBERTA GOVERNMENT (Hrsg.) (2008): Budget 2008, http://alberta.ca/budget2008, abgerufen am 23.04. 2008.

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ifo Dresden berichtet 3/2008

Themenschwerpunkt

Der föderale Rahmen Kanadas

Kanada ist ebenso wie Deutschland ein Bundesstaat undgilt als eine der „klassischen Föderationen“, wenngleichsich beide föderalistischen Systeme ständig im Wandelbefinden. Im Jahre 1867 verbanden sich die britischenNordamerika-Provinzen Niederkanada und Oberkanadamiteinander zur Kanadischen Konföderation, die sichnach und nach erweiterte. Heute besteht Kanada auszehn Provinzen und drei territorialen Einheiten.

Ausgehend vom CONSTITUTION ACT 1867 – der Verfas-sung Kanadas – und seiner Erweiterung von 1982 ist derkanadische Staat föderalistisch organisiert, wofür vor allemdie Verhinderung von Sezessionsauseinandersetzungenzwischen den vormaligen britischen Kolonien sowie diefriedliche Koexistenz mit der französischsprachigen Mi-norität, die heute überwiegend in der Provinz Quebeclebt, ausschlaggebend waren.1

Verfassungsrechtlich werden in Kanada zwei Regie-rungsebenen unterschieden, eine Bundes- sowie eineProvinzebene. Darüber hinaus gibt es noch zwei weitereRegierungsebenen, die allerdings nicht in der Verfassungdes Landes verankert sind. Zum einen ist dies die Ebeneder Territorialregierungen; diese gehören zu jedem derdrei Territorien und entsprechen praktisch den Regierun-gen der Provinzen, formal sind sie jedoch der Bundesre-gierung unterstellt. Zum anderen gibt es noch eine Ebe-ne von Lokalregierungen, die von ihren Provinz- bzw.Territorialregierungen eingesetzt werden und die überkeinerlei bedeutende Autonomien oder Entscheidungs-befugnisse verfügen.

Mit den ersten Grundlagen für den kanadischen Fö-deralismus im CONSTITUTION ACT von 1867 wurden bereitsmit der Gründung erstmals Machtbefugnisse und Mög-lichkeiten der Einnahmenerhebung der Bundes- sowieder Provinzregierungen geregelt.2 Inzwischen verfügendie kanadischen Provinzen sogar über ausgedehnte Zu-ständigkeiten, so z. B. für das Gesundheitswesen (inkl.Krankenhäuser, Heilanstalten und Wohlfahrtsverbände),Haftanstalten, Bildung, Kinderfürsorge wie auch für dieInstitutionen der lokalen Ebene. Der Bundesregierung istdagegen ursprünglich eine Liste anderer Aufgaben zuge-ordnet worden, wie u. a. die Regulierung von Handel und

Gewerbe, Postwesen, Zensus und Statistik, Militär,Hochsee- und Inlandsfischerei, Indianer und Reservate,Strafrecht sowie der Abschluss internationaler Staatsver-träge. Zudem fallen der Bundesregierung sämtliche nichtexplizit genannten Provinzzuständigkeiten zu.3 Ausdrück-lich gemeinsame Zuständigkeiten von Bund und Provin-zen sind seither bspw. Landwirtschaft und Einwande-rung. Bezüglich der Einnahmenerhebung unterliegt dieBundesregierung keinerlei Einschränkungen, Provinzendürfen sich dagegen lediglich der „direkten Besteuerung“bedienen, wozu v. a. die Erhebung von Einkommen- undKörperschaftsteuer zählt.

Sowohl die nicht eindeutige Definition von „direkterBesteuerung“ als auch die Entstehung weiterer staat-licher Aufgaben und die Veränderung der globalen Rah-menbedingungen haben im Laufe der Zeit zu zahlreichenÄnderungen und Erweiterungen der Zuständigkeiten ge-führt. So hat sich das Aufgabenspektrum seither für bei-de Ebenen deutlich vergrößert, sodass die kanadischenProvinzen im Vergleich zu den deutschen Bundesländernüber deutlich mehr Aufgabenbereiche4 sowie eine höhe-re Steuerautonomie verfügen.

Entsprechend ihrer Machtbefugnisse sind sowohlBundes- als auch Provinzregierungen für die Gesetz-gebung wie für die Rechtssprechung in ihren Zuständig-keitsbereichen verantwortlich. Im Gegensatz zu denProvinzregierungen bestehen für die Bundesebene aberdurchaus Möglichkeiten, auch Einfluss auf die Politik inden Provinzen zu nehmen, indem sie über die Initiierungnationaler Programme mit Direkttransfers an alle BürgerKanadas thematisch Zuständigkeiten der Provinzen tan-gieren kann.5 Außerdem kann sie über Finanztransfers andie Provinzregierungen Einfluss auf Provinzzuständigkei-ten nehmen, wenn die Provinzregierungen somit veran-lasst werden, Bundespolitik in ihre Zuständigkeitsberei-che zu übernehmen.

Die fiskalföderale Ausgestaltung zwischen Bundund Provinzen

Das System der fiskalischen Beziehungen zwischen denEbenen wurde insbesondere mit dem Aufbau des kana-dischen Wohlfahrtsstaates ab den 1940er Jahren be-deutsam.6 Gekennzeichnet ist es seither durch Koopera-tion, gegenseitiges Vertrauen und Verhandlungen.Einerseits bedeutet dies für die Provinzen sowohl eine

Die Provinz Alberta im föderalen System KanadasDirk Freigang und Susann Kühn*

* Dirk Freigang ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Susann Kühn ist stu-dentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre insb. Empiri-sche Finanzwissenschaft und Finanzpolitik der Technischen Universität.

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Themenschwerpunkt

recht weitreichende Steuerautonomie als auch großeAusgabenkompetenzen, andererseits entstehen häufigMeinungsverschiedenheiten, wie z. B. in der Diskussionum das Ausmaß fiskalischer Ungleichgewichte zwischenden Ebenen, bei denen es in den intergouvernementalenVerhandlungen nicht immer zu einem Konsens kommt.

Kennzeichnend für den kanadischen Fiskalföderalis-mus sind drei wesentliche Elemente:7

(i) die Besteuerungsvereinbarungen von Bund und Pro-vinzen,

(ii) die Finanzzuweisungen des Bundes an die Provinzensowie

(iii) die Finanzausgleichszahlungen des Bundes.

zu (i): Besteuerungsvereinbarungen von Bund und Pro-vinzen

Wenngleich die Besteuerungskompetenzen desBundes laut Verfassung deutlich weitreichender sind alsdie der Provinzen, so haben sowohl die Bundes- alsauch die Provinzregierungen Zugriff auf ein und die-selbe Steuerbasis, d. h. beide Ebenen können auf wich-tige Steuerarten wie Einkommen- und Körperschaft-steuer, aber auch auf die Umsatzsteuer völlig unabhän-gig und getrennt von einander zugreifen. Damit dieBürger nicht überbesteuert werden, sind daher koor-dinierende Abstimmungen wie auch Harmonisierungenin der Besteuerung durch Bund und Provinzen notwen-dig. Diese sowie auch quantitative Änderungen derTransfers von Bundessteuern an die Provinzen erfol-gen im Rahmen von intergouvernementalen Verhandlun-gen regelmäßig in Form der sog. FEDERAL-PROVINCIAL TAX

ARRANGEMENTS.8 Beispielsweise übernimmt der Bundgleichzeitig die Einziehung der Einkommensteuer nachseinen Bemessungsgrundlagen und Tarifen für die meis-ten Provinzen (außer Alberta, Ontario und Quebec). Andererseits zieht Quebec wiederum die Bundesanteilean der Umsatzbesteuerung mit ein. In der Folge entstehtein großes Geflecht von Steuertransfers, sowohl in Formvon Zuweisungen („cash transfers“) als auch von Punk-ten für die Steuererhebung („tax points“ bzw. „tax trans-fers“).

zu (ii): Finanzzuweisungen des Bundes an die ProvinzenDie Kompetenzen für das Sozialwesen liegen in Ka-

nada grundsätzlich bei den Provinzen. Mit verschiede-nen Finanzzuweisungen unterstützt die Bundesebene je-doch die Provinzregierungen zudem bei der Finanzierungbesonders bedeutsamer bzw. kostenintensiver Program-me wie z. B. Gesundheitsfürsorge oder Bildung, um dieWohlfahrtspolitik im Land insgesamt ausgeglichener zugestalten. Einige dieser Zuweisungen wie die nach demCANADA HEALTH ACT werden zweckgebunden vergeben,andere wie die im Rahmen des EQUALIZATION PROGRAM

werden als frei verwendbare Zuweisungen an die Provin-zen weitergereicht.

Mit einem Anteil von über Dreiviertel an den gesam-ten Transfers des Bundes an die Provinzen sind dieTransfers für Gesundheit (CANADA HEALTH TRANSFERS,CHT) und Sozialleistungen (CANADA SOCIAL TRANSFERS,CST) von besonderer Bedeutung. Sie sind für den Ein-satz im Gesundheitssystem bzw. für die Finanzierungvon Sozialleistungen und Sozialhilfe, Programmen fürKleinkinder und höherer Bildung bestimmt. Die genaueVerwendung des Geldes bleibt den Provinzen überlassen.

Die Transfers lassen sich in Geld- und Steuertransfersunterscheiden. Die Steuertransfers existieren seit 1977.Damals reduzierte die Bundesregierung den Einkom-mensteuersatz um 13,5 Prozentpunkte und den Körper-schaftsteuersatz um einen Prozentpunkt. Die Provinzenerhielten im Gegenzug das Recht, ihre eigenen Einkom-men- und Körperschaftsteuern zu erhöhen. Die Steuer-transfers machen etwa 40 % der gesamten Health undSocial Transfers aus. Von dieser Regelung profitiert Alber-ta in besonderem Maße, da die Bewohner überdurch-schnittliche Einkommen erzielen.

Neben den Steuertransfers stellt die Regierung Bar-mittel bereit. Diese beliefen sich im Rahmen der CHT im Jahr 2005/06 auf 19,6 Mrd. C$ und werden kontinu-ierlich bis auf 30,5 Mrd. C$ im Jahr 2014 anwachsen. Die Verteilung aller Transfers erfolgte bisher so, dass jede Provinz die gleichen Pro-Kopf-Transfers (bar undaus Steuern) erhielt.9 Ab dem Haushaltsjahr 2007/08 erfolgt die Verteilung der CANADA SOCIAL TRANSFERS

jedoch nach einem neuen System. Von nun an erhältjede Provinz den gleichen Pro-Kopf-Bartransfer, un-abhängig von der Höhe der Steuertransfers. Im Haushalt2007/08 waren dies 289 C$ pro Person und rund9,6 Mrd. C$ insgesamt. Dieser Betrag wird künftig eben-falls automatisch ansteigen, allerdings erst beginnend abdem Haushaltsjahr 2009/10. Damit dürfte Alberta aberauch perspektivisch überdurchschnittlich viel Geld je Ein-wohner im Gesundheits- und Sozialbereich zur Verfü-gung stehen. Das Gesamtvolumen der Gesundheits-und Sozialtransfers ist in der vergangenen Dekade v. a.aufgrund der positiven Entwicklung des Bundeshaushal-tes deutlich gestiegen.10

zu (iii): Finanzausgleichszahlungen des BundesDie im Jahre 1957 eingeführten Finanztransfers, die

im Rahmen des EQUALIZATION PROGRAM vom Bundes- indie Provinzhaushalte fließen, stehen nur den Provinzen zu.Für die drei nördlichen Territorien wird ein adäquates Be-rechungsschema angewendet, das TERRITORIAL FORMULA

FINANCING (TFF).11 Der Finanzausgleich in Kanada wirddurch Steuern finanziert, die von der Bundesregierungerhoben und von allen Bürgern gezahlt werden. Die Mittel

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Themenschwerpunkt

– im Haushaltsjahr 2008/09 in einer Höhe von 13,6 Mrd.C$ – fließen dann als ungebundene Zuweisungen an dieProvinzen, d. h. diese sind in der Verwendung der Geldervöllig frei (vgl. Abb. 1).

Die Finanztransfers begründen sich auf starke Unter-schiede in der Finanzkraft der Provinzen. Damit jedochalle Provinzen „…vernünftige vergleichbare Niveaus anöffentlichen Leistungen zu vernünftigen vergleichbarenNiveaus der Besteuerung…“12 anbieten können – unab-hängig von der Größe ihrer Bevölkerung wie ihrer Steuer-basis –, erhalten Provinzen mit unterdurchschnittlicherFinanzkraft Transfers zur Auffüllung ihrer Einnahmen biszur Erreichung des nationalen Standards. So war auchdie Provinz Alberta aufgrund einer relativ geringenFinanzkraft lange Zeit Empfänger von Finanzausgleichs-leistungen; allerdings sorgte die zunehmende Bedeutungder Rohstoffeinnahmen für eine deutliche Verbesserungder Haushaltslage. Im Jahr 1993 verzeichnete die Pro-vinz letztmalig ein Haushaltsdefizit.

In der jüngeren Vergangenheit erhielten in aller Regelsämtliche Provinzen mit Ausnahme von Alberta, BritishColumbia und Ontario solche Ausgleichsmittel. Im kom-menden Jahr wird es mit Albertas Nachbarprovinz Sas-katchewan (vgl. Abb. 2) auch wieder eine vierte Provinzohne Ansprüche auf Finanzausgleichstransfers geben,gegenüber dann sechs begünstigten.

Die wesentlichen Bausteine des Finanzausgleichspro-gramms sind die Ermittlung des steuerlichen Leistungs-vermögens (FISCAL CAPACITY) einer jeden Provinz sowiedie Bestimmung eines Vergleichsmaßstabes (NATIONAL

STANDARD).13 Wie bei den Steuertransfers bereits erwähntwurde, so sind auch diese Berechnungsschemata regel-mäßig Gegenstand der intergouvernementalen Verhand-lungen, was in den vergangenen Jahren immer wieder zuReformen des Systems geführt hat, zuletzt 2004 und2007.14 Seit dem laufenden Haushaltsjahr beruht die Be-stimmung des NATIONAL STANDARD wieder auf der Ermitt-lung eines Durchschnittswertes der Pro-Kopf-Einnah-men über alle zehn Provinzen. Allerdings konnten diebeiden östlichsten Provinzen Neuschottland sowie Neu-fundland und Labrador die Nichtberücksichtigung ihrerEinnahmen aus den sog. Atlantik-Abkommen (ATLANTIC

ACCORDS) beibehalten.15 Die Berechnung der FISCAL CAPA-CITY hingegen ist mit der Reform von 2007 wieder verein-facht worden, in die Berechnung fließen nunmehr statt33 nur noch fünf Bemessungsgrundlagen ein.16 Hinterdem Terminus der FISCAL CAPACITY verbirgt sich die Höheder Einnahmen, die eine Provinz erreichen kann, wenn siedurchschnittliche Steuersätze festschreibt. Die Ermittlungerfolgt also nicht anhand der tatsächlichen Einnahmen,sondern es werden hierfür die möglichen Einnahmen he-rangezogen. Um die Stabilität der Zahlungen zu erhöhen,

Quelle: Canada Department of Finance.

Abbildung1: Zusammensetzung der Cash Transfers 2008/09 und Aufteilung der Finanzausgleichszahlungenauf Provinzen

Sozialtransfers21%

Manitoba2.063 Mill. C$

Neuschottland1.465 Mill. C$

Neufundland/Labrador158 Mill. C$

Finanzausgleich27%13,62 Mrd. C$

Neubraunschweig1.584 Mill. C$

Prinz Edward Insel322 Mill. C$

Territorial Formula Financing5%

Offshore Accords2%

Gesundheits-transfers

45%

Quebec8.028 Mill. C$

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ifo Dresden berichtet 3/2008

Themenschwerpunkt

wird die fiskalische Kapazität künftig als Durchschnitt derKapazitäten der vergangenen drei Jahre berechnet. Aus-gleichstransfers erhalten letztendlich alle Provinzen, derenEinnahmenpotenzial unter dem NATIONAL STANDARD liegt.Im Gegensatz zum deutschen Länderfinanzausgleich istder kanadische also ein rein vertikales Umverteilungssys-tem ohne jede direkte horizontale Komponente.

Anders als in Deutschland sind die tatsächlichen Pro-Kopf-Mittel der kanadischen Provinzen nach dem Finanz-ausgleich nicht gleich hoch, weil diese ihre tatsächlichenSteuersätze unabhängig von den für die Ausgleichszah-lungen angesetzten wählen können. Die Nivellierung derFinanzkraft aller Regionen – wie in Deutschland – istnicht Ziel des Ausgleichs. Demzufolge erhalten armeProvinzen finanzielle Mittel, während reiche Provinzennichts unmittelbar von ihren Einnahmen abgeben müssen.Alberta ist auf diese Art und Weise vom Finanzaus-gleichssystem nur indirekt betroffen, da es als mit Ab-stand finanzstärkste kanadische Provinz weder Zahlun-gen erhält noch leisten muss. Allerdings führt dieProgressivität des Steuersystems dazu, dass die Ein-wohner Albertas überproportional von Bundessteuernbelastet werden, aus denen der Finanzausgleich finan-ziert wird.

Betrachtet man außerdem alle wichtigen Finanzströmevon der Zentralregierung zu den Regionen insgesamt,

also Finanzausgleichsmittel einschließlich CANADA HEALTH

TRANSFERS und CANADA SOCIAL TRANSFERS, so erhält Al-berta aufgrund seiner hohen Finanzkraft nur in unterpro-portionalem Umfang Transferleistungen der Zentralregie-rung. Die Provinz erhält nur rund 6 % aller Bartransfersbzw. 8,5 % aller Gesamttransfers17, obwohl sie einen Be-völkerungsanteil von über 10 % aufweist.

Der Haushalt der Provinz Alberta

Einnahmenseite

Die Einnahmen-Situation der Provinz Alberta ist ausge-sprochen komfortabel. In den vergangenen Jahren wur-den die Einnahmen deutlich gesteigert, zwischen denHaushalten 2002/03 und 2005/06 pro Jahr um durch-schnittlich 18 %. Seither verblieben sie auf hohem Ni-veau. Dabei hat Alberta insbesondere von den anstei-genden Weltmarktpreisen für Öl und Gas profitiert, aberauch von seinem Bevölkerungs- und Einkommens-wachstum.

Abbildung 3 zeigt die Zusammensetzung der Einnah-men des Provinzhaushalts von Alberta im Fiskaljahr2006/07.18 Den größten Anteil machen mit 39 %(14,7 Mrd. C$) die Steuereinnahmen aus. Etwa die Hälfte

Quellen: Canada Department of Finance (2008); Statistics Canada.

Abbildung 2: Pro-Kopf-Transfers an die Provinzen im Finanzausgleich 2008/09

0 0 0 0

311

1.038

1.5661.728

2.1082.315

0

500

1.000

1.500

2.000

2.500

Alberta

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ifo Dresden berichtet 3/2008

Themenschwerpunkt

davon wird durch die Einkommensbesteuerung gene-riert. Alberta hat als einzige Provinz einen einheitlichenEinkommensteuersatz von 10 % des besteuerbaren Ein-kommens, während alle anderen Provinzen progressivsteigende Einkommensteuersätze festgeschrieben ha-ben. Der Körperschaftsteuersatz für Großunternehmenbeträgt ebenfalls 10 % und ist der geringste aller kanadi-schen Provinzen. Seit dem Jahr 2001 wurde der Körper-schaftsteuersatz um 5,5 Prozentpunkte gesenkt.19 Dieanderen Steuereinnahmen setzen sich hauptsächlichaus der Grund-, Tabak- und der Mineralölsteuer zusam-men, wobei die Grundsteueraufkommen als bedeutendeFinanzierungsquelle für lokale Regierungen (Städte) undderen öffentliches Leistungsangebot verwendet und se-parat verwaltet wird. Die Steuersätze Albertas sind imlandesweiten Vergleich niedrig. So ist Alberta die einzigekanadische Provinz, die zusätzlich zur Umsatzsteuer desBundes keine eigene Umsatzsteuer erhebt. Nach Be-rechnungen der Regierung hätten die Einwohner undUnternehmen Albertas jährlich pro Kopf zwischen 3.000und 5.000 C$ Steuern mehr zu zahlen, wenn Albertaeine Steuerstruktur wie die anderen Provinzen aufweisenwürde.

Den zweitgrößten Einnahmenblock bilden mit 32 %die Einnahmen aus nicht-erneuerbaren Ressourcen.Darunter fallen Gebühren, die für die Gewinnung von Erd-gas, Rohöl und Bitumen fällig werden, sowie Einnahmen

aus der Verpachtung bislang unerschlossener Gebiete(Kronland), wobei der gesamte Einnahmenblock äußerstsensibel auf Preisänderungen bei Öl und Gas reagiert.Die Regierung schätzt, dass die Veränderung des Ölprei-ses um einen US-$ je Barrel im Jahresdurchschnitt letzt-endlich zu Mehr- bzw. Mindereinnahmen von139 Mill. C$ (im Haushaltsjahr 2007/08) führt. Die rasantsteigenden Weltmarktpreise für Rohstoffe sind dahermitverantwortlich für die enormen Einnahmensteigerun-gen der vergangenen Jahre. Immer wieder lagen dieJahresdurchschnittspreise für Erdöl und Erdgas weitüber den Werten, die für die Erstellung des Provinzhaus-halts angenommen worden waren. Beispielsweise warendie Erlöse aus nicht-erneuerbaren Ressourcen im Haus-haltsjahr 2005/06 um 6,7 Mrd. C$ höher als ursprünglichprognostiziert. Ursache war eine Unterschätzung des Öl-preises um fast 18 US-$ je Barrel. Auch in den folgendenJahren stellten sich die Schätzungen stets als zu konser-vativ heraus. Die Einnahmen sind zudem stark abhängigvom Wachstum der Weltwirtschaft und insbesondere derÖkonomie der Vereinigten Staaten als Hauptabnehmerder Rohstoffe, aber auch vom Wechselkurs des kanadi-schen Dollar zum US-Dollar.

Noch im Haushaltsjahr 2005/06 waren die Erlöse aus nicht-erneuerbaren Ressourcen die wichtigste Ein-nahmequelle und waren mit 14,3 Mrd. C$ (41% derGesamteinnahmen) höher als die Steuereinnahmen von

Quelle: Government of Alberta (2007a).

Abbildung 3: Anteile der Einnahmenarten an den Gesamteinnahmen

Einkommen- und Körperschaftsteuern30%

Andere Steuern9%

Einnahmen aus nicht-erneuerbarenRessourcen32%

Transfers der kanadischenRegierung8%

Andere Einnahmen13%

Einnahmen aus Investitionstätigkeit8%

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Themenschwerpunkt

12,2 Mrd. C$ (34 %). Im Jahr darauf überstiegen dieSteuereinnahmen hingegen bereits die Einnahmen ausnicht-erneuerbaren Ressourcen und die Provinzregie-rung von Alberta plant auch für die Zukunft, den Anteilder Steuereinnahmen am Gesamthaushalt zu erhöhen.Dabei wirken sich das anhaltende Bevölkerungs-, Ein-kommens- und Wirtschaftswachstum positiv aus. Solagen im Haushaltsjahr 2006/07 die Steuereinnahmenum mehr als 3 Mrd. C$ höher als im Vorjahr. Auch für dasfolgende Fiskaljahr zeichnet sich eine solche Entwicklungab.20

Transfers der kanadischen Regierung machen 8 %des Haushalts von Alberta aus. Der Großteil davon sindGesundheits- und Sozialtransfers. Außerdem sind hierzuTransferzahlungen für Landwirtschaft und Infrastruktur-projekte zu zählen. Alberta erhält aber keine Mittel ausdem Finanzausgleich.

Weitere 8 % der Einnahmen stammen aus staatli-cher Investitionstätigkeit. So gehört der Provinz Albertaein Fonds mit einem Vermögen von gegenwärtig16,6 Mrd. C$, der aus den Ressourceneinnahmen finan-ziert worden ist. Der Fonds hat das Ziel, auch zukünftigeGenerationen am Ressourcenreichtum teilhaben zu las-sen. Weitere Fonds dienen zur Finanzierung von For-schung und Entwicklung oder stellen den Kommunengünstige Kredite zur Verfügung.

Zur letzten Position, den anderen Einnahmen, zählen un-ter anderem Beiträge zur (freiwilligen) Krankenversiche-rung und Abgaben auf Glücksspiele.

Seit dem Haushaltsjahr 1994/95 erwirtschaftete dieProvinz Alberta ausnahmslos Haushaltsüberschüsse.Diese beliefen sich im Jahr 2006/07 auf 8,5 Mrd. C$,werden aber im gerade abgelaufenen Haushaltjahr deut-lich geringer ausfallen. In den letzten fünf Jahren sum-mierten sich die Überschüsse auf etwa 30 Mrd. C$. Seit2004/05 ist Alberta schuldenfrei.

Ausgabenseite

Den Einnahmen von 38,017 Mrd. C$ standen im Fis-kaljahr 2006/07 Ausgaben im Gesamtumfang von29,507 Mrd. C$ gegenüber. Neben den in Abbildung 4dargestellten Ausgaben ergab sich für die Provinz Alber-ta ein Haushaltsüberschuss in Höhe von 8,51 Mrd. C$bzw. 28,8 % der Gesamtausgaben.

Die beiden Investitionsschwerpunkte der Bundesre-gierung – Bildung und Sozialangelegenheiten – stellen auchin Alberta die bedeutendsten Ausgabenkategorien dar.Insgesamt entfielen in Alberta fast drei Viertel aller Ausga-ben auf diese Aufgabenbereiche. Mit knapp 37 % nimmtdabei der Bereich Gesundheit den größten Anteil ein.Weitere 10 % der Ausgaben entfallen auf Sozialleistungen.

Quelle: Government of Alberta (2007).

Abbildung 4: Anteile der Ausgabenarten an den Gesamtausgaben

Schuldendienst0,73%

Landwirtschaft,Ressourcen-management und Wirtschaftsförderung6,64%

Soziale Leistungen 9,93%

Transport, Kommunikationund Versorgungs- einrichtungen7,35%

Schutz von Personen und Eigentum4,09%

Andere7,36%

Bildung27,03%

Gesundheit36,87%

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Themenschwerpunkt

Hinzu kommen mit 27 % der Bereich Bildung, womit die-sem Schwerpunkt ebenfalls ein stark überdurchschnittli-ches Gewicht zufällt. Zudem investiert Alberta einen er-heblichen Teil seiner Haushaltsüberschüsse in öffentlicheFonds, die in den Bereichen Gesundheit, Bildung undForschung tätig sind.

Im Jahr 2006/07 entfielen reichlich 18 % aller Ausga-ben auf den Bereich Transport und Infrastruktur, Land-wirtschaft, Ressourcenmanagement und Wirtschaftsför-derung sowie Schutz von Personen und Eigentum.

Von eher geringerer Bedeutung – in Bezug auf dasGesamtbudget – waren im vorletzten Haushaltsjahr in

Alberta dagegen verschiedene Ausgabenbereiche wiebspw. Erholung und Kultur und Umwelt, aber auch Re-gionalentwicklung und Wohnungswesen. Ebenfalls sinddie Ausgaben für die Provinzadministration sehr geringgewesen, genau wie die Ausgaben für Zinsverpflichtun-gen, was die Schuldenfreiheit von Alberta auch auf derAusgabenseite des Haushaltes widerspiegelt.

Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zusammenset-zung der Ausgaben nach Funktionen nur gering verän-dert. Der Anteil der Gesundheitsausgaben stieg um etwaeinen Prozentpunkt und liegt damit im Trend der Vor-jahre. Seit über einer Dekade nimmt der Anteil der

Quellen: Statistisches Bundesamt (2007), Statistics Canada (2008), Canada Department of Finance (2007), Government of Alberta (2007),Freistaat Sachsen (2007).

Tabelle 1: Ausgewählte Eckdaten von Alberta und Sachsen im Vergleich

Kennzahlen Freistaat Sachsen Provinz Albertac

Fläche (in km2)

18.418 640.045

Einwohnera

(31.12.2007, in Mill.)4,22 3,5

Bevölkerungswachstumb

(2007, in %)–0,7 4,1

BIP (in € pro Kopf, 2007, nominal)

21.821 51.722

Ber. Einnahmen (in € pro Kopf, 2006d bzw. 2006/07e)

3.853 8.236

Ber. Ausgaben (in € pro Kopf, 2006d bzw. 2006/07e)

3.724 6.303

Schuldenbestand (in € pro Kopf, am 31.12.2006)

2.728 0

Wichtigste Einnahmequellen - Umsatzsteueranteile- Einkommen- und Körper-

schaftsteueranteile- Zuweisungen

- Einkommensbesteuerung- Abbau nicht-erneuerbarer

Ressourcen

Größte Ausgabenpositionen - Bildung, Wissenschaft, Kultur- Soziale Sicherung- Verkehrs-/Nachrichtenwesen- Zinszahlungen- Transfers an die kommunale

Ebene

- Gesundheit- Bildung- Soziales

a) Am 01.01.2008, vorläufig (für Sachsen) bzw. Schätzung (für Alberta). – b) Zum Vorjahr. – c) Umrechnung von C$ in € erfolgt mit durch-schnittlichen jährlichen Wechselkursen (www.oanda.com). – d) Am 31.12.2006. – e) Haushaltsjahre schließen in den kanadischen Pro-vinzen stets zum März eines Jahres ab.

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Themenschwerpunkt

Ausgaben für Gesundheit stetig zu. Noch vor zehn Jah-ren machten sie rund 28 % der Ausgaben aus, mittler-weile ist dieser Wert auf 37 % gestiegen. Die Bedeutungder Bildungsausgaben nahm ebenfalls zu, allerdingsschwanken diese seit längerer Zeit um einen Mittelwertvon 27 %. Aufgrund der ausgesprochen guten finanziel-len Situation Albertas sank der Anteil der Zinsverpflich-tungen weiter, wodurch sich eine langjährige Entwick-lung fortsetzt.21

Struktur der öffentlichen Haushalte von Alberta imVergleich zu Sachsen

Ein Vergleich des öffentlichen Haushaltes des Bundes-landes Sachsen mit dem der Provinz Alberta ist nurschwierig durchzuführen, da die Rahmenbedingungensehr unterschiedlich sind. Zwar bewegen sich die Ein-wohnerzahlen noch in einer ähnlichen Dimension, alleinin Bezug auf die Ausdehnung des Gebietes übertrifft dieProvinz Alberta den Freistaat Sachsen um den Faktor35. Aus der daraus resultierenden deutlich niedrigerenBevölkerungsdichte sowie einer stärkeren Urbanisierungder Bevölkerung Albertas folgen daher recht gegensätz-liche Notwendigkeiten bezüglich der Versorgung der Bevölkerung in der Fläche. Die höhere Konzentration derBevölkerung in städtischen Räumen geht einher mit ent-gegengesetzten demographischen Entwicklungen: Wäh-rend Alberta in den letzten Jahren stark gewachsen istund auch künftig – insbesondere durch innerkanadischeZuwanderung – von positiven Wachstumsraten ausge-hen kann, ist die Bevölkerung Sachsens stark rückläufig.

Ebenso unterscheiden sich die beiden Partnerländerhinsichtlich ihrer Wirtschaftskraft, die – am Bruttoinlands-produkt pro Kopf gemessen – in Alberta mehr als dop-pelt so hoch ist wie in Sachsen. Ursächlich hierfür ist ins-besondere auch die Struktur der Wirtschaftssektoren.22

Erwartungsgemäß weisen daher auch die öffentli-chen Haushalte der beiden Länder deutliche Unterschie-de auf. So sind die Pro-Kopf-Einnahmen Albertas mehrals doppelt so hoch wie die Sachsens. Den Großteil derEinnahmen generiert die Provinz aus Steuereinnahmensowie Einnahmen aus dem Abbau nicht-erneuerbarerRessourcen. Aufgrund der höheren Einnahmen überstei-gen zwar auch die Ausgaben Albertas die sächsischensehr deutlich. Im Gegensatz zu Sachsen wies Alberta imHaushaltsjahr 2006/07 aber bereits zum 13. Mal in Fol-ge einen deutlichen Haushaltsüberschuss auf. Die be-deutendsten Ausgabenkategorien sind für Alberta Ge-sundheit, Bildung und Soziales.

Seit dem Haushaltsjahr 2004/05 ist die Provinzschuldenfrei. Sachsen ist dagegen zwar eines der deut-schen Bundesländer mit den geringsten Pro-Kopf-

Schulden, allerdings summierten sich diese zum Endedes Jahres dennoch immerhin auf 2.728 €.

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ifo Dresden berichtet 3/2008

Themenschwerpunkt

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4 Auch macht die Bundesregierung inzwischen nicht mehr von der POGG-Klausel Gebrauch, andererseits sind unabhängig von dieser Klausel derBundesregierung u. a. die Bereiche Luftverkehr und Flughäfen, Meeres-rohstoffe, Telefon und Telekommunikation sowie Verschmutzung gericht-lich als dauerhafte Zuständigkeiten zugesprochen worden.

5 Noch recht junge Beispiele dafür sind das „Millenium Scholarship Fund“-Programm von 1998 als Unterstützung der Bürger bzgl. der Kosten fürtertiäre Bildung, oder auch das „Universal Child Care Benefit“-Pro-gramm von 2006, obwohl Bildung wie auch Kinderfürsorge eindeutigeProvinzangelegenheiten darstellen.

6 Für eine ausführliche Darstellung sei an dieser Stelle auf BROSCHEK

(2005) verwiesen.7 Vgl. MAKARENKO (2008a).8 Vgl. SCHNEIDER (2006, 16ff.).9 Alberta, wo im Jahr 2006 rund 10 % aller Kanadier lebten, erhielt über

die Einkommen- und Körperschaftsteuer rund 14 % aller Steuertransfers.Da bis dato jedoch allen Provinzen der gleiche Pro-Kopf-Transfer zurVerfügung gestellt wurde, reduzierten sich Albertas Bartransfers im Jahr2006 hingegen wieder auf rund 8 % der Gesamtsumme.

10 Für detaillierte Ausführungen zu diesen Transfers siehe LEUPRECHT (2007,S. 205ff.)

11 Das TFF betrifft nur die drei nördlichen Territorien Yukon, Nunavut undNordwestliche Territorien. Die fiskalische Leistungsfähigkeit dieser Re-gionen ist besonders gering, zudem sind die Kosten für die Bereitstel-lung öffentlicher Leistungen höher als im Rest Kanadas. Die Höhe derAusgleichszahlungen richtet sich hier nicht nur nach der fiskalischen Ka-pazität, sondern auch nach der Höhe der notwendigen Ausgaben. DieTFF-Zahlungen sind elementar für die Haushalte der nördlichen Territori-en, sie machen etwa 60 bis über 80 % der Gesamteinnahmen aus undwerden sich im Haushaltsjahr 2008/09 auf 2,3 Mrd. C$ belaufen. Im Ge-gensatz dazu stammen in den südlichen Provinzen nur null bis reichlich20 % der Einnahmen aus dem Finanzausgleichssystem. Zur detailliertenAufschlüsslung der TFF-Zahlungen siehe: http://www.fin.gc.ca/FED-PROV/tffe.html.

12 Seit 1982 ist dieser Grundsatz für das Finanzausgleichssystem in der ka-nadischen Verfassung verankert, vgl.: Art. 36 (2), Constitutional Act von1982.

13 Vgl. MAKARENKO (2008b).14 Die Reformvorschläge der Expertenkommission aus dem Jahr 2007

werden erstmals im Haushaltsjahr 2008/09 umgesetzt, vgl. auch EXPERT

PANEL ON EQUALIZATION AND TERRITORIAL FORMULA FINANCING (2008).15 Damit soll die Entwicklung von Förderplattformen und -technik der bei-

den Provinzen für Erdöl und Erdgas auf offener See während der Auf-bauphase geschützt werden.

16 So wird das steuerliche Leistungsvermögen auf Basis der Einnahmenaus der Einkommensteuer für Personen als auch für Unternehmen, Ein-nahmen aus der Verbrauchsteuer, aus der Vermögensteuer sowie ausdem Abbau von Naturressourcen ermittelt. Letztere gehen allerdings nurzu 50 % in die Formel ein, um die Einflüsse der Preisentwicklung für Erdölund Erdgas auf die Höhe der Ausgleichszahlungen etwas abzu-schwächen.

17 Zu den Gesamttransfers gehören neben den Bartransfers die Steuer-transfers, d. h. die Übertragung von Steuerpunkten von der kanadischenRegierung auf die Provinzen.

18 Das Haushaltjahr 2006/07 ist das letzte, für das endgültige Zahlen zuEinnahmen und Ausgaben feststehen. Im Juni 2008 werden die Datenfür das im März zu Ende gegangene Haushaltsjahr vorliegen.

19 Vgl. GOVERNMENT OF ALBERTA, TAX AND REVENUE ADMINISTRATION (2007) so-wie CANADA, REVENUE AGENCY (2008a–c).

20 Vgl. GOVERNMENT OF ALBERTA (2006, 2008a, 2008b).21 Vgl. GOVERNMENT OF ALBERTA (2006, 2007).22 Vgl. Beitrag von Heike Auerswald, in diesem Heft S. 10 –18.

1 Zum Wandel föderalistischer Systeme sowie zur spezifischen Quebec-Problematik in Canada sei beispielhaft auf ELAZAR (1987), KILPER undLHOTTA (1996) bzw. MESSERSCHMIDT (2002) verwiesen.

2 Vgl. insbesondere die Artikel 91 bis 95.3 Diese Klausel der Verfassung wird auch ‚Peace Order and Good Gover-

nance clause (POGG)‘ genannt.

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Themenschwerpunkt

1. Einleitung

Die Provinz Alberta ist durch immense Vorkommen anfossilen Energieträgern gekennzeichnet. Die gesamt-wirtschaftliche Relevanz der Mineralölindustrie und Koh-lewirtschaft wurde bereits in einem vorangegangenenArtikel in dieser Ausgabe dargestellt. Etwa 80 % dererschließbaren Ressourcen an Leichtöl und 40 % desSchweröls im Westkanadischen Sedimentbecken (Wes-tern Canada Sedimentary Basin, WCBS) befinden sichhier. Eine weltweit stetig wachsende Nachfrage nachEnergie, die zum größten Teil immer noch durch fossileEnergieträger gedeckt wird, und das daraus resultieren-de steigende Preisniveau (speziell für Rohöl) werdendurch zunehmend internationalen Rohstoffhandel beein-flusst. Speziell die USA, Kanadas direkter Nachbar undeiner der größten Energiekonsumenten der Welt, ist vonder weiteren Entwicklung der Energiewirtschaft in Alber-ta abhängig. Der nachfolgende Artikel gibt einen

Überblick über die Rohstoffwirtschaft in Alberta, wobei erspeziell auf die Ressource Öl eingeht.

Der Energieverbrauch Albertas ist in der Vergangen-heit langsam jedoch stetig gewachsen (vgl. Abb. 1). Da-bei überwiegt deutlich die von der Industrie genutzteEnergie, sie beträgt soviel wie die von allen anderen Sek-toren genutzte Energie zusammen. Der steigende Ener-gieverbrauch im Industriesektor ist das Resultat einerstark wachsenden Ölindustrie, wobei nicht zuletzt dieenergieintensive Ölförderung aus Ölsand eine großeRolle spielt. Investitionen in Milliardenhöhe werden in Zu-kunft notwendig sein, um den Ausbau des Energie-sektors weiter vorantreiben und den damit verbundenenAnstieg des Energieverbrauchs bewältigen zu können.

Die Energierohstoffwirtschaft AlbertasAnne Neumann und Jan-Hendrik Niehues*

* Dr. Anne Neumann und Jan-Hendrik Niehues sind wissenschaftlicheMitarbeiter am Lehrstuhl für Energiewirtschaft der Wirtschaftswissen-schaftlichen Fakultät der Technischen Universität Dresden.

Quelle: Office of Energy Efficiency, Kanada.

Abbildung 1: Albertas Energieverbrauch (1990–2005)

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100

200

300

400

500

600

700

800

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

PJ

Agrar Transport Industrie Gewerbe/Institutionen Haushalt

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2. Bedeutung fossiler Energieträger

2.1 Erdöl

Die Erdölindustrie ist heute einer der wichtigsten ökono-mischen Sektoren der Provinz Alberta. Entlang der ge-samten Wertschöpfungskette, von der Erforschung überdie Produktion bis zum Verkauf an den Endkonsumen-ten, bietet dieser Sektor einen Großteil der Arbeitsplätzeder Region. Seit Jahren herrscht drastischer Arbeitskräf-temangel im Bereich der Erdölindustrie. Arbeitskräfte ausden unterschiedlichsten Regionen Kanadas und derganzen Welt strömen in die Region, um vom Ölgeschäft„Ölbertas“ zu profitieren.

In diesem Sektor lassen sich in Alberta die Bereicheder konventionellen und der nicht-konventionellen Erdöl-förderung unterscheiden. Das Hauptaugenmerk liegt aufder nicht-konventionellen Produktion von Erdöl aus Öl-sand, da diese den Großteil der Reserven repräsentiert.Im Folgenden wird zunächst auf die konventionelle Er-dölförderung und Reserven, anschließend auf den Be-reich Ölsand eingegangen.

Im Jahr 2006 betrug die konventionelle Ölförde-rung 0,6 Mill. Barrel (bbl) pro Tag. Verglichen mit der Ge-samtproduktion Kanadas entspricht dies einem Anteilvon etwa 23 %. In Relation zur Ölförderung der gesamtenUSA ist dies ein Prozentsatz von immerhin 5 % (IEA OIL

INFORMATION). Der überwiegende Anteil des produziertenÖls geht in Form von Rohöl als Export in die USA. Dergeringere Anteil wird in der Region direkt in die typischenRaffinerie-Endprodukte wie Schmiermittel, Wachs oderAsphalt umgewandelt. Die Entwicklung der konventio-nellen Produktion von Rohöl in Alberta hat zu einem star-ken Ausbau der dafür notwendigen Infrastruktur geführt.Im Jahr 2006 wurden hier etwa 27,2 Mrd. C$ investiert.

Ölsand besteht aus Ablagerungen von Rohöl, dieeine höhere Viskosität als konventionelles Rohöl vorwei-sen. Er besteht vorwiegend aus Bitumen, Sand, Lehmund Wasser. Die Gewinnung und Qualitätsverbesserungerfolgt in einem energieintensiven Raffinierungsprozessund lässt sich in zwei Produktionsmethoden unterschei-den: Sandminen mit anschließender Verarbeitung undAufbereitung zu synthetischem Öl sowie das in situ Ver-fahren. Hier wird heißer Wasserdampf in den Boden ge-leitet und führt zu der Trennung des Bitumens vom Sand.Durch Förderbohrungen gelangt das heiße Bitumendann an die Oberfläche, von wo aus es weiterverarbeitetwerden kann. Sandminen befinden sich hauptsächlichim Gebiet um die Stadt Fort McMurray (Zentral-Athabas-ca), während das in situ Verfahren hauptsächlich in ColdLake, Süd-Athabasca und Peace River angewandt wird.1

Unter den erwarteten ökonomischen Bedingungenund unter Berücksichtigung momentan zur Verfügung

Themenschwerpunkt

stehender Technologien betragen die konventionellen Öl-reserven von Alberta etwa 1,6 Mrd. Barrel. Im Gegenzugwerden die Ölreserven, die sich aus der Produktion ausÖlsand ergeben, mit 174 Mrd. Barrel beziffert. Diesentspricht einem Anteil von circa 82 % der Gesamtölre-serven Kanadas (180 Mrd. Barrel) oder rund 13 % derWeltreserven [circa 1.300 Mrd. Barrel (OIL & GAS JOUR-NAL, Januar 2007)]. Damit besitzt Alberta nach Saudi-Arabien die zweitgrößten Ölreserven der Welt. Die Vor-kommen erstrecken sich auf einer Gesamtfläche vonnahezu 140.200 km2 (dies entspricht etwa dem Acht-fachen des Bundeslandes Sachsen), verteilt auf dreiHauptgebiete: Peace River, Athabasca (Fort McMurray)und Cold Lake.

Technologischer Fortschritt im Bereich der Erdölför-derung aus Ölsanden und sinkende Kapazitäten der her-kömmlichen Ölquellen begründen den deutlichen Anstiegder Förderung aus Ölsand in den letzten Jahren. Mehrals 75 % des geförderten Öls aus Ölsand (1,26 Mill. Bar-rel/Tag) wurden zum wichtigen Handelspartner USA ex-portiert. Weltweit gestiegene Erdölpreise machen dienicht-konventionelle Erdölförderung ökonomisch renta-bel. Aufgrund der politischen Stabilität Kanadas wird dieRegion Alberta zunehmend in den Vordergrund bei denBemühungen zur Erhöhung der Versorgungssicherheitund Unabhängigkeit von OPEC-Mitgliedern rücken.

2.2 Erdgas

Kanada ist nach Russland und den USA der drittgrößteErdgasproduzent der Welt. Mehr als 75 % des produzier-ten kanadischen Erdgases kommt aus der Region Alber-ta. Die nachgewiesenen Erdgasreserven Kanadas be-trugen Ende 2006 etwa 1,65 Trillionen Kubikmeter (tcm)und entsprechen beinah dem 20-fachen Erdgasverbrauchin Deutschland (BP 2007). Der zunehmend an Bedeu-tung gewinnende Erdgasanteil in Kohlevorkommen (coal-bed methane, CBM) ist dabei noch nicht berücksichtigt,wird jedoch als wesentlich größer eingeschätzt. Somitwird Alberta den erwarteten Bedarf an Erdgas der Re-gion in absehbarer Zukunft mehr als decken und einewichtige Rolle im globalen Erdgasmarkt spielen.

Die Produktion von Erdgas in der Region wuchs inder jüngsten Vergangenheit weniger stark, erlebte je-doch seit den 1980er Jahren einen wahren Boom undbetrug 2006 etwa 186 Mill. Kubikmeter pro Tag (mcm).Der Erdgasverbrauch Albertas ist im Gegensatz zum in-ternationalen Trend in der Vergangenheit konstant beietwa 56,6 Mrd. Kubikmeter pro Jahr (bcm) geblieben.2

Alberta besitzt sechs kommerziell genutzte Erd-gasspeicher, die wettbewerblich betrieben werden undjeweils an das Erdgasfernleitungsnetz angeschlossen

33

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Themenschwerpunkt

sind. Zwei (Comtess und Suffield) befinden sich in unmit-telbarer Nähe zum wichtigsten Handelsplatz in Kanada –dem AECO. Somit kann zum einen Spitzenbedarf abge-deckt werden und zum anderen Erdgasspeicherung alsHedging-Instrumente im Risikomanagement zum Einsatzkommen. Der Alberta Hub ist der wichtigste Handels-punkt Kanadas: Etwa 94 % des kanadischen Erdgas-exportes beziehen die USA (v. a. der Westen, mittlererWesten und Nordosten) über diesen Handelspunkt(www.energy.gov.ab.ca). Der Preis für das Erdgas (AECO„C“) ist gemeinsam mit dem am Henry Hub in Louisiana(USA) gehandelten Preis der wichtigste Referenzwert fürErdgaspreise in ganz Nordamerika. Im zunehmend glo-balen Erdgasmarkt spielen sie eine ähnliche Rolle wie derWESTERN TEXAS INTERMEDIATE (WTI) als Referenz für denÖlpreis.

Im Gegensatz zur konventionellen Erdölförderung istdie Produktion von Erdgas, gemessen in Energieeinheiten,seit dem ersten Ölpreisschock kontinuierlich gestiegen(vgl. Abb. 2). Darüber hinaus hat die Produktion von Erd-öl aus Ölsanden bereits im Jahr 2001 die konventionelleErdölförderung in Alberta überstiegen. Diesen Entwick-lungen liegen signifikante Investitionen der Mineralölin-dustrie, basierend auf weltweit gestiegener Nachfrageund den daraus resultierenden hohen Rohstoffpreisen, zuGrunde. Der Anteil getätigter Investitionen der Mineralöl-industrie in Alberta im Vergleich zu Kanada liegt seit denÖlpreisschocks bei etwa 70 % (vgl. Tab. 1). Die Verwen-dung der Investitionen hat sich im Zeitablauf aber, wie

bereits oben dargestellt, zu Gunsten von Erdgas und un-konventioneller Erdölförderung verlagert.

Die Betrachtung der Ausgaben des Industriesektorsspiegelt die Entwicklung der Rohstoffwirtschaft in Albertawider. Die ursprüngliche Erschließung der Rohstoffe um1950 war mit hohen Ausgaben für Erforschung und Ent-wicklung verbunden und entsprach etwa 87 % der Aus-gaben. Die Produktion von Rohöl und Erdgas erhöhtesich in Folge der globalen Ölpreiskrise. Der wesentlicheAnteil der Ausgaben der Industrie erfolgte für den Betriebder Förderanlagen und entsprach fast 37 % der Gesamt-ausgaben. In den vergangenen Jahren ist zum einen derTrend zur Erschließung von (vorab unwirtschaftlichen)Vorkommen zu beobachten, zum anderen aber auch derwesentliche Anteil der Zahlungen für Förderlizenzendurch die Unternehmen. Auf diesen Punkt wird in Ab-schnitt 2.4 noch detailliert eingegangen.

2.3 Kohle

Neben Erdöl und Erdgas ist die Kohle der weltweit amhäufigsten verwendete Energieträger zur Elektrizitätser-zeugung. Kanada steht an zehnter Stelle der weltweitbewiesenen Kohlereserven, wobei 70 % der Kohle in derRegion Alberta vorhanden ist. Die Mehrheit der produ-zierten Kohle (37 Mt) wird durch umliegende Kraftwerkein der Elektrizitätserzeugung genutzt (25 Mt), ist durchLangfristverträge gebunden und deckt damit zwei Drittel

Quelle: Statistical Handbook, Canadian Association of Petroleum Producers.

Abbildung 2: Erdöl- und Erdgasproduktion in Alberta (1947–2007)

0

20

40

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100

120

140

160

1947

1950

1953

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1962

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1992

1995

1998

2001

2004

2007

bcm

Erdöl Erdgas

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Themenschwerpunkt

des Elektrizitätsbedarfs der Region ab. Von den 18 gro-ßen Abbauminen mit einer Produktionskapazität vonmehr als 1 Mt pro Jahr befinden sich neun in Alberta: Vierproduzieren Kokskohle (2 Mt) und die restlichen fünfSteinkohle (25 Mt). Erst in den vergangenen Jahren sindeinige neue Kohlekraftwerke an das Elektrizitätsnetz an-geschlossen worden, neue Projekte werden jedoch mitder Realität der CO2-Vermeidung konfrontiert. NeuereTechnologien, wie z. B. CO2-Abscheidung und -Speiche-rung finden hier Anwendung.

Der Kohle wird auch in Bezug auf die Produktion vonErdgas hohe Bedeutung beigemessen. Das so genannte„coalbed methane“ (CBM) ist ein hochwertiges Erdgas,das in einigen Kohlevorkommen vorhanden und damiteine nicht vernachlässigbare Energiequelle ist. Bereits

im Jahr 2006 wurden 4,6 bcm in der Region Alberta pro-duziert.

2.4 Mineralölindustrie und Einnahmen der RegionAlberta

Der Haushalt der Region Alberta verzeichnet nicht zuletzteinen deutlichen Überschuss aufgrund von Gebühren,die bei der Förderung von Erdöl, Erdgas, und Kohlendurch die Unternehmen entrichtet werden (so genannteROYALTIES). In Alberta sind 80 % der Reserven im Besitzder Region selbst, wobei die restlichen 20 % dem LandKanada (zum Beispiel Naturschutzgebiete) gehören. DieFörderlizenzen setzen sich aus dem Preis, den das

Quelle: Statistical Handbook, Canadian Association of Petroleum Producers.

Tabelle 1: Nettoausgaben der Mineralölindustrie in Alberta und Kanada (in Mrd. C$)

Quelle: Statistical Handbook, Canadian Association of Petroleum Producers.

Abbildung 3: Struktur der Ausgaben der Mineralölindustrie in Alberta (in Mill. C$)

92

2812.016 6.712

68

328

2.5578.106

20.452

17

220

4.445 5.751

9.300

7154

3.0858.886

9.198

0%

20%

40%

60%

80%

100%

1950 1970 1990 2000 2006

Exploration Development Operating Royalties

4.746

1950 1970 1990 1995 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006

Alberta 0,182 0,989 12,114 15,635 27,489 30,763 24,368 30,138 34,569 44,982 45,662

Kanada 0,194 1,414 15,325 21,281 37,590 42,584 35,359 44,310 49,091 62,567 65,148

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ifo Dresden berichtet 3/2008

Themenschwerpunkt

Förderunternehmen für das Recht zur Erschließung undFörderung einer Ressource an die Region zu zahlen hat,und den Lizenzgebühren für die Produktion zusammen.Die Höhe der jeweils zu zahlenden Lizenzen hängt, jenach Rohstoff, von mehreren Faktoren ab, die im Folgen-den kurz erläutert werden.

Beim Erdöl bestimmt sich die jeweilige Gebühr durchden Ölpreis sowie die Ölqualität, die Produktivität derQuelle sowie den „Jahrgang“ der Quelle (Klassifizierungder Ölquelle). Hier wird nach Quellen, die vor April 1974(OLD OIL), nach März 1974 (NEW OIL), sowie nach Quellen,die nach September 1992 erschlossen wurden (THIRD

TIER WELLS), unterschieden. Hierbei sind die zu zahlendenLizenzgebühren umso niedriger, je älter die Ölquelle ist.Die zu zahlenden Lizenzgebühren haben sowohl eineUntergrenze (für Quellen mit einer Produktivität von weni-ger als 190,7 m3 Öl im Monat) als auch eine Obergrenze(je nach Klassifikation der Quelle). THIRD TIER WELLS, dieeine geringere Produktivität als 20 m3 pro Monat haben,müssen keine Lizenzen zahlen.

Die zu zahlenden Lizenzgebühren für Öl aus Ölsandwurden speziell angepasst, um die deutlich höherenKapitalkosten sowie das höhere Risiko zu berücksichti-gen. Lizenzgebühren werden erst fällig, wenn das För-derunternehmen alle Kosten eines Projektes plus einenfestgesetzten Gewinn amortisiert hat. Ab diesem Zeit-punkt muss das Maximum von 1 % des Bruttogewinnsdes Projekts oder aber 25 % des Nettogewinns des Pro-jekts als Abgaben gezahlt werden.

Ähnlich wie beim Erdöl werden die Lizenzgebührenfür Erdgas je nach Erschließungszeitpunkt bestimmt (vor1974 und nach 1973). Zusätzlich werden qualitätsabhän-gige Komponenten eingeführt (je höher der Methananteil,desto höher der Brennwert). Darüber hinaus wird der (in-flationsbereinigte) Erdgaspreis in die Berechnung einbe-zogen.

Für Braun- und Steinkohle existieren differenzierteLizenzgebühren. Der Preis je geförderter Menge Braunkohle

beträgt 0,55 C$. Für Steinkohle wird wieder unterschie-den zwischen dem Zeitraum vor und nach Amortisierungjeglicher Kosten. Für den Zeitraum vor der Amortisationbeträgt die Lizenz 1 % des Minenertrages, danach 1 %des Minenertrages plus 13 % des Nettoertrages.

Die wichtigste Einnahmequelle aus Lizenzgebührenfür die Region Alberta im Zeitraum 2005 bis 2006 istdemnach die Erdgasproduktion (vgl. auch Tab. 2).

3. Zusammenfassung / Ausblick

Fossile Energieträger sind Grundbestandteil des ökono-mischen Erfolges der Region Alberta: Etwa 70 % derproduzierten Kohle Kanadas, 75 % des Erdgases und23 % des konventionellen Erdöles stammen von hier.Unter Berücksichtigung internationaler Rohstoffpreisent-wicklungen ergibt sich potenziell zu produzierendes Erd-öl aus Ölsand, welches 82 % der kanadischen Res-sourcen entspricht. Dies stärkt die Position der RegionAlberta im zunehmenden Wettbewerb der Industrie- undSchwellenländer um Rohstoffe. Eine weiterhin steigendeNachfrage nach Energieträgern nicht nur des unmittel-baren Exportlandes USA wird auch in Zukunft durchregulierte Förderlizenzgebühren die Staatseinnahmensignifikant stützen. Die derzeitige Forschung der Regionbefasst sich zum einen mit Technologie- und Innova-tionsfortschritten im Bereich der nachhaltigen Energie-versorgung, insb. bei der Verstromung von Kohle, undzum anderen mit der effizienten Erschließung des Ölsan-des und des Erdgases in Kohlenvorkommen.

Quelle: Alberta Energy.

Tabelle 2: Überblick fossiler Energieträger in Alberta

Erdgas Erdöl Ölsand Kohlen

Bestätigte Reserven 41 tcf a 1,6 Mrd. bbl 315 Mrd. bbl 33,5 Gt

Ressourcen 92 tcf 4,5 Mrd. bbl 1,7 Bill. bbl 6.200 Gt

Produktion5,1 tcf

(davon 167 bcf aus CBM)600.000 bbl/Tag 1,126 Mill. bbl/Tag 0,0367 Gt

Royalties (2006/07) 5,988 Mrd. C$ 1,273 Mrd. C$b 2,4 Mrd. C$ 11,6 Mill. C$

a) Trillion cubik feet (tcf) = Billionen Kubikfuß – b) Für das Wirtschaftsjahr 2004/05.

1 Eine detaillierte Auflistung aller laufenden Anlagen, Projekte und in Baubefindlicher Fördergebiete findet sich unter http://www.energy.gov.ab.ca/LandAccess/pdfs/OilSands_Projects.pdf

2 Der größte Anteil des produzierten Erdgases wird im Industriesektor ver-braucht (60 %), der restliche Teil wird zu Heizzwecken genutzt.

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Aktuelle Forschungsergebnisse

Weltwirtschaftliches Umfeld

Im Frühjahr 2008 wird die Weltkonjunktur von der Krisedes Immobilien- und des Finanzsektors in den USA undden von ihr ausgelösten weltweiten Finanzmarktturbu-lenzen überschattet. Die USA stehen am Rande einerRezession, in Westeuropa hat sich die Konjunktur etwasabgekühlt und in Japan nimmt die gesamtwirtschaftlicheNachfrage nur noch schwach zu. Gleichwohl ist dasweltwirtschaftliche Expansionstempo immer noch be-trächtlich, vor allem weil die Produktion in den Schwel-lenländern bis zuletzt kräftig stieg.

Für den Prognosezeitraum ist ein weiteres Nachlas-sen der weltwirtschaftlichen Expansion zu erwarten. DieKrise auf den US-Finanzmärkten und die weltweitenFinanzmarktturbulenzen belasten die Konjunktur. Sieführen zu Vermögensverlusten der privaten Haushalte,was den Konsum dämpfte, besonders deutlich in denUSA. Vor allem aber verschlechtern sich die Finan-zierungsbedingungen für Unternehmen und Haushalte. Beeinträchtigt wird die weltwirtschaftliche Entwicklungzudem dadurch, dass sich der Preisauftrieb in den ver-gangenen Monaten erheblich beschleunigt hat. Nebendem anhaltenden Anstieg der Rohölpreise haben sichvor allem Nahrungsmittel massiv verteuert. Weltweit führtdies zu einem Entzug von Kaufkraft der privaten Haus-halte zugunsten der Produzenten von Rohstoffen undNahrungsmitteln.

In dieser Situation sieht sich besonders die Geldpo-litik großen Herausforderungen gegenüber. Sie muss imSpannungsfeld zwischen Liquiditätsproblemen, konjunk-tureller Abschwächung und Inflationsgefahren die Ba-lance wahren. Vordringlich ist gegenwärtig, eine ausrei-chende Liquiditätsversorgung sicherzustellen; zu diesemZweck haben die Zentralbanken in den vergangenenMonaten ihr Instrumentarium angepasst. Darüber hinaushaben die Notenbanken unterschiedliche Schwerpunk-te gesetzt: Die US-Notenbank hat angesichts der Re-zessionsgefahr ihre Leitzinsen im Winterhalbjahr dras-tisch gesenkt, während die europäischen Zentralbanken– auch entsprechend den dort bislang weniger trübenkonjunkturellen Aussichten – den Inflationsrisiken eine

höhere Bedeutung beimessen und ihre Zinsen wennüberhaupt nur wenig gesenkt haben.

Im Prognosezeitraum wird die Weltkonjunktur ange-sichts der beträchtlichen Belastungen zwar zunächstnoch an Fahrt verlieren. Der Verlust an Dynamik wirdaber nach Einschätzung der Institute begrenzt bleiben.Dafür sprechen die im Allgemeinen sehr günstige Ver-fassung der Unternehmen im nichtfinanziellen Sektor, diekräftigen Impulse vonseiten der amerikanischen Wirt-schaftspolitik, wo zu der sehr expansiven Geldpolitik einestimulierende Finanzpolitik hinzu kommt, und die hoheWachstumsdynamik in den Schwellenländern. Allerdingsdämpfen die Probleme in den USA die Aktivität in denübrigen Weltregionen: Über die Weltfinanzmärkte brei-ten sich Vermögensverluste und die Verschlechterungvon Finanzierungsbedingungen aus. Auch werden dieschwächer expandierenden Importe der USA die Pro-duktion insbesondere in den mit den USA eng verfloch-tenen Ländern bremsen. In Westeuropa kommt dasEnde des Immobilienbooms in einigen Ländern hinzu. ImEuroraum wirkt darüber hinaus die Aufwertung der Ge-meinschaftswährung belastend. Anzeichen für eine Re-zession sind hier zwar nicht zu erkennen. Doch wird dieWirtschaft im Euroraum in den Jahren 2008 und 2009mit einer Rate expandieren, die unterhalb derjenigen deslängerfristigen Trends liegt.

Die Schwellenländer werden vor allem über denAußenhandel von der schwächeren Konjunktur in denIndustrieländern betroffen. Ihre Finanzmärkte haben sichhingegen bisher als recht robust erwiesen, auch wenndie Aktienkurse in einigen Ländern in den vergangenenMonaten gesunken sind. Der Finanzmarktstabilität in denSchwellenländern kommt zugute, dass sie insgesamtnetto Kapital exportieren und inzwischen über hoheWährungsreserven verfügen. Alles in allem wird der Pro-duktionsanstieg in den Schwellenländern 2008 und2009 zwar gedämpft, er wird aber beachtlich bleiben.

Das Bruttoinlandsprodukt der Welt dürfte in diesemJahr mit 2,7 % merklich langsamer als in den vergange-nen Jahren zulegen. Im Jahr 2009 dürften die expansi-ven Kräfte allmählich wieder die Oberhand gewinnen; imJahresdurchschnitt nimmt die Weltproduktion allerdingsvoraussichtlich noch nicht deutlich rascher zu. Der Welt-handel steigt sowohl in diesem als auch im nächstenJahr wohl in nur mäßigem Tempo. Der Prognose liegt einErdölpreis von 98 US-$ pro Barrel (Brent) für dieses und

Deutsche Konjunkturperspektiven 2008/2009: US-Immobilienkrise dämpft Konjunktur1

Wolfgang Nierhaus*

* Dr. Wolfgang Nierhaus ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter am ifo Insti-tut für Wirtschaftsforschung München tätig.

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von 100 US-$ für nächstes Jahr zugrunde sowie die Er-wartung, dass sich der Anstieg der Nahrungsmittelpreiseabschwächt. Bei diesen Annahmen werden sich dieInflationsraten im Verlauf des Prognosezeitraums zurück-bilden.

Das größte Abwärtsrisiko für die Weltkonjunktur bil-det die Krise im Immobilien- und Finanzsektor in denUSA. Es ist kaum abzusehen, wie weit die Immobilien-preise und Aktienkurse noch fallen und wann sie ihrenTiefpunkt erreichen werden. Auch sind weitere Liqui-ditätskrisen großer Finanzinstitute denkbar, mit erhebli-chen negativen Folgen für die Finanzierungsbedingun-gen für Unternehmen und Haushalte. Die amerikanischeWirtschaftspolitik zeigt sich zwar entschlossen, erhebli-che Mittel zur Eindämmung der Krise bereitzustellen, esbesteht allerdings die Gefahr, dass ihre Maßnahmennicht so gut wie in früheren Abschwüngen greifen. In die-sem Fall wären ein Abgleiten der US-Wirtschaft in eineausgeprägte Rezession und eine deutlich schwächereEntwicklung in der übrigen Welt zu erwarten.

Ausblick für Deutschland

In Deutschland ist die wirtschaftliche Lage bis zum Früh-jahr 2008 trotz einer Reihe widriger Einflüsse günstig ge-blieben und die Konjunktur dürfte mit viel Schwung indas Jahr gestartet sein. Anders als in vielen anderenIndustrieländern halten sich die Stimmungsindikatorenauf hohem Niveau, die Kennziffern für Nachfrage undProduktion sind in der Tendenz weiter aufwärts gerichtet.Dies ist bemerkenswert vor dem Hintergrund der zahlrei-chen negativen Schocks, die in jüngster Zeit auftraten.Neben der im vergangenen Jahr restriktiven Finanzpolitikwaren es vor allem die kräftige Aufwertung des Euro, diemassive Verteuerung von Erdöl und Nahrungsmitteln so-wie die Folgen der US-Immobilienkrise.

Offenbar ist die deutsche Wirtschaft in den vergange-nen Jahren robuster geworden. Die Gefahr einer Rezes-sion ist deshalb heute geringer. So hat sich das Wachs-tum des Produktionspotenzials in den vergangenenJahren beschleunigt. Darüber hinaus hat sich die inter-nationale Wettbewerbsfähigkeit verbessert. Ferner gibtes in Deutschland keine Übersteigerungen auf dem Im-mobilienmarkt, sodass eine Korrektur, die in anderenLändern die wirtschaftliche Aktivität dämpft, nicht an-steht. Und schließlich erweist sich das deutsche Ban-kensystem vor dem Hintergrund der internationalen Kri-se im Finanzsektor als relativ robust. Alles in allem ist alsFolge der kräftigen Schocks zwar eine spürbare Ver-langsamung der konjunkturellen Expansion zu erwarten;ein Abgleiten in eine Rezession halten die Institute jedochfür wenig wahrscheinlich.

Für eine nach wie vor positive Grundtendenz der Kon-junktur spricht die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Bis zumMärz dieses Jahres ist die Zahl der Arbeitslosen spürbargesunken, die Arbeitslosenquote belief sich saisonberei-nigt auf 7,8 %; das sind 1,5 Prozentpunkte weniger alsvor einem Jahr. Die Zahl der Erwerbstätigen ist weiterkräftig gestiegen, die sozialversicherungspflichtige Be-schäftigung hat sogar besonders deutlich zugenommen.Das positive Bild der wirtschaftlichen Lage wird jedochgetrübt durch die hohe Inflationsrate. Der Anstieg derVerbraucherpreise lag in den ersten Monaten diesesJahres bei rund 3 %.

Im weiteren Verlauf dieses Jahres werden sich aller-dings die negativen außenwirtschaftlichen Einflüsse zu-nehmend bemerkbar machen. Insbesondere wird sichdie Dynamik der Ausfuhr deutlich verringern. Hingegenwird die Inlandsnachfrage etwas rascher expandieren alsim vergangenen Jahr. Die privaten Konsumausgabenwerden nach der lang anhaltenden Flaute spürbar aus-geweitet. Die Unternehmensinvestitionen hingegen dürf-ten nicht mehr so rasch expandieren wie in den beidenVorjahren, zumal sich die Absatzaussichten im Auslandeintrüben und die Kostenbelastung etwas steigt.

Die gesamtwirtschaftliche Produktion wird im Jahr2008 voraussichtlich um 1,8 % zunehmen. Die Situationauf dem Arbeitsmarkt dürfte günstig bleiben, doch wirdsich der Rückgang der Arbeitslosigkeit im Jahresverlaufspürbar verlangsamen. Im Jahr 2008 dürfte die Zahl derArbeitslosen um rund 560.000 auf etwa 3,2 Mill. abneh-men. Die Inflationsrate wird sich allmählich zurückbilden,da der Auftrieb bei den Nahrungsmittelpreisen nachlässt.Die Verbraucherpreise werden im Jahr 2008 um 2,6 %über dem Niveau im Vorjahr liegen (vgl. Tab. 1).

Im kommenden Jahr dürfte sich die konjunkturelleExpansion etwas verstärken. Dabei ist unterstellt, dassdie Nervosität an den Finanzmärkten allmählich schwindetund sich deshalb die Zinsen auf dem Geldmarkt zurück-bilden werden. Zudem wird die Weltwirtschaft etwas ra-scher expandieren, sodass auch die deutschen Exportemehr Schwung entfalten werden. Die Zuwachsrate desrealen Bruttoinlandsprodukts wird im Jahr 2009 1,4 %betragen. Im Zuge der Erholung wird sich die Lage aufdem Arbeitsmarkt nur geringfügig bessern, doch wirddie Zahl der Arbeitslosen erstmals seit dem Jahr 1991 imJahresdurchschnitt unter die Marke von 3 Mill. sinken.

Die Konjunkturprognose ist mit einer erheblichen Un-sicherheit behaftet. So lassen sich die Auswirkungen derKrise im Finanzsektor nur schwer abschätzen, weil dasAusmaß der nötigen Abschreibungen immer noch nichtbekannt ist und weil es unsicher ist, wie stark die Immo-bilienpreise in den USA noch fallen werden. Simulationenmit Modellen, welche die Institute verwenden, ergeben,dass eine Rezession in Deutschland wahrscheinlich wäre,

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wenn sich die Kapitalnutzungskosten in den USA undauch in Deutschland deutlich erhöhten.

Exkurs: Ostdeutschland

In Ostdeutschland ist im vergangenen Jahr nach vorläu-figen amtlichen Angaben das Bruttoinlandsprodukt um2,2 % und damit langsamer als in Westdeutschland ge-stiegen. Ausschlaggebend dafür war der Rückgang derWertschöpfung im Bereich der öffentlichen und privatenDienstleister, in dem sich der Abbau des überhöhtenPersonalbestandes im öffentlichen Bereich widerspie-gelt. Demgegenüber wurde die Produktion im Unterneh-menssektor sogar stärker ausgeweitet als in den altenBundesländern. Insbesondere im verarbeitenden Gewer-be nahm die Wertschöpfung mit 11,2 % deutlich kräftigerzu.

In der hohen Expansionsrate in der Industrie kommtauch die verbesserte preisliche Wettbewerbsposition derUnternehmen zum Ausdruck. So verringerten sich dieLohnstückkosten im verarbeitenden Gewerbe im Jahr

2007 auf 87 % des westdeutschen Vergleichswertes.Von der dynamischen Entwicklung im verarbeitendenGewerbe profitierten die unternehmensnahen Dienst-leister und erhöhten ihre Wertschöpfung um 2,9 %. Auchdas Baugewerbe übertraf sein Leistungsniveau vomVorjahr; allerdings gingen die Bauaktivitäten seit demSommerhalbjahr zurück. Zuwächse wurden bei Leistun-gen für öffentliche und gewerbliche Bauherren erzielt,während der Wohnungsbau rückläufig war. Zur positivenEntwicklung trugen auch die Bauaktivitäten ostdeut-scher Unternehmen auf dem westdeutschen Markt bei.

In diesem und im kommenden Jahr dürfte die Indus-trieproduktion in den neuen Bundesländern erneut deut-lich stärker expandieren als in Westdeutschland. Beson-ders kräftig wird – wie in den Jahren zuvor – derAuslandsumsatz zunehmen. Dafür spricht die über-durchschnittliche Ausrichtung der Exporteure auf dyna-misch wachsende Regionen in Mittelosteuropa, womitsie auch der Konjunkturschwäche in den USA und derAufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar wenigerausgesetzt sind. Die Bauaktivitäten werden dagegenwegen der weiterhin rückläufigen Nachfrage im Woh-

Quellen: Statistisches Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit, Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen (VGR) der Länder, Deut-sche Bundesbank; 2008 und 2009: Prognose der Institute.

Tabelle 1: Eckdaten der Prognose für die Bundesrepublik Deutschland

2004 2005 2006 2007 2008 2009

Bruttoinlandsprodukt 1,1 0,8 2,9 2,5 1,8 1,4

(Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %)

Westdeutschlanda 1,0 0,9 3,0 2,5 1,8 1,4

Ostdeutschlandb 1,3 0,2 2,2 2,2 1,5 1,2

Erwerbstätigec (in 1.000 Personen) 38.880 38.346 39.088 39.737 40.210 40.341

Arbeitslose (in 1.000 Personen) 4.381 4.861 4.487 3.776 3.212 2.975

Arbeitslosenquoted (in %) 10,1 11,1 10,3 8,7 7,4 6,9

Verbraucherpreisee

(Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %) 1,7 1,5 1,6 2,3 2,6 1,8

Lohnstückkostenf

(Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %) –0,3 –1,0 –1,1 0,2 1,4 1,7

Finanzierungssaldo des Staatesg

in Mrd. € –83,6 –75,6 –37,3 0,2 –6,8 1,8

in % des nominalen Bruttoinlandsprodukts –3,8 –3,4 –1,6 0,0 –0,3 0,1

Leistungsbilanzsaldo (in Mrd. €) 102,9 116,6 141,5 184,2 193,0 196,0

a) Einschließlich Berlin. – b) Ohne Berlin. – c) Im Inland. – d) Arbeitslose in % der inländischen Erwerbspersonen (Wohnortkonzept). – e) Verbraucherpreisindex (2000=100). – f) Im Inland entstandene Arbeitnehmerentgelte je Arbeitnehmer bezogen auf das Bruttoinlands-produkt in Preisen des Vorjahres je Erwerbstätigen. – g) In der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (ESVG 95).

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nungsbau leicht schrumpfen. Im öffentlichen Sektor wirdder Personalabbau fortgesetzt. Die konsumnahen Dienst-leister werden wegen der nur schwachen Zunahme derRealeinkommen geringfügig zum gesamtwirtschaftlichenProduktionszuwachs beitragen. Insgesamt wird dasBruttoinlandsprodukt in Ostdeutschland in diesem Jahrum 1,5 % und im kommenden um 1,2 % zunehmen.

Infolge der anhaltenden Ausdehnung der Produkti-onsaktivitäten hat sich im Jahr 2007 auch die Lage amostdeutschen Arbeitsmarkt weiter verbessert. Die Zahlder Erwerbstätigen lag um 1,6 % über dem Vorjahres-wert und stieg damit etwas langsamer als im Westen.Das geleistete Arbeitsvolumen, das seit Mitte der neunzi-ger Jahre zurückgegangen war, expandierte mit etwader gleichen Rate. Positiv ist zu bewerten, dass in deut-lich geringerem Maße als bisher Vollzeitarbeitsplätzedurch „atypische“ Beschäftigung wie bspw. ausschließ-lich geringfügige Beschäftigungsverhältnisse verdrängtworden sind. Auch entfiel der Zuwachs der sozialver-sicherungspflichtigen Beschäftigung von 2,4 % aus-schließlich auf nicht subventionierte Arbeitsplätze. DerArbeitsplatzaufbau war besonders ausgeprägt im unter-nehmensnahen Dienstleistungsbereich und im verarbei-tenden Gewerbe. Aber auch im Baugewerbe und im Be-reich Verkehr und Nachrichtenübermittlung nahm dieBeschäftigung zu. Begünstigt wurden diese Entwicklun-gen durch die moderate Lohnentwicklung in den vergan-genen Jahren sowie die Senkung der Lohnnebenkosten.Die öffentlichen und konsumnahen Dienstleister bautendagegen Personal ab.

Im Prognosezeitraum wird die Beschäftigung zuneh-men. Die Unternehmen werden jedoch wegen des ver-langsamten Produktionsanstiegs weniger zusätzlichesPersonal einstellen als im Vorjahr. Eine Ausdehnung vonstaatlich subventionierten Beschäftigungsverhältnissenist trotz der schwächeren Expansion der gesamtwirt-schaftlichen Produktion kaum zu erwarten. Die Zahl derEin-Euro-Jobs, die etwa zwei Fünftel der geförderten Ar-beitsplätze ausmachen, dürfte leicht steigen, währenddie geförderten sozialversicherungspflichtigen Beschäfti-gungsverhältnisse weiter abnehmen werden. Alles inallem wird die Beschäftigung im Jahr 2008 bei 5,8 Mill.Personen liegen und den Vorjahresstand um 1 % über-steigen. Im kommenden Jahr wird sie nur geringfügig zu-nehmen.

Die Zahl der registrierten Arbeitslosen nahm im Jahr2007 um 157.000 Personen ab. Dies ist vor allem auf diegestiegene Beschäftigung zurückzuführen. Wie in denVorjahren trugen aber auch Abwanderungen und der de-mographisch bedingte Rückgang des Arbeitsangebotszu dem Abbau der Arbeitslosigkeit bei. Auch in diesemund im nächsten Jahr setzt sich diese Tendenz fort. ImJahr 2008 wird die Arbeitslosigkeit die Marke von einer

Million unterschreiten. Die auf die Erwerbspersonen imInland bezogene Arbeitslosenquote bleibt mit 12,9 % indiesem bzw. 12,6 % im nächsten Jahr aber doppelt sohoch wie in Westdeutschland.

Alles in allem werden im Prognosezeitraum Produk-tion und Beschäftigung in Ostdeutschland langsamerausgeweitet als im Westen. Der Produktivitätsabstandwird sich nicht verringern. Die Produktion je Erwerbstäti-gen wird wie in den Vorjahren bei rund 77 % des west-deutschen Vergleichswertes verharren (vgl. Tab. 2).

Zur Wirtschaftspolitik

In der Wirtschaftspolitik wird derzeit diskutiert, ob einKonjunkturprogramm ähnlich wie in den USA aufgelegtwerden sollte, um der konjunkturellen Schwäche entge-genzuwirken. Zwar ist es denkbar, dass eine antizykli-sche Finanzpolitik erfolgreich ist, doch sind die Bedin-gungen hierfür in der Praxis kaum erfüllt. So gibt eserhebliche Probleme, Maßnahmen so zeitgerecht zu be-schließen und umzusetzen, dass sie tatsächlich in derSchwächephase und nicht erst in der Erholungsphasegreifen. Daher sollte die Bundesregierung auf ein Kon-junkturprogramm verzichten.

Die Finanzpolitik sollte im Interesse von mehr Wachs-tum und Beschäftigung eine Strategie der „qualitativenKonsolidierung“ verfolgen. In jüngster Zeit mehren sichjedoch die Anzeichen, dass der Kurs, die Staatsausga-ben nur moderat auszuweiten, nicht fortgesetzt wird. Da-mit wird die Chance vergeben, das Wirtschaftswachs-tum zu fördern, bspw. durch Aufstockung von investivenAusgaben. Wenn zudem in der Politik kein Spielraum fürallgemeine Steuersenkungen gesehen wird, sollten nachAuffassung der Institute zumindest „heimliche“ Steuerer-höhungen vermieden werden.

Derzeit wird die Einführung von flächendeckendenMindestlöhnen diskutiert bzw. die Ausdehnung bran-chenspezifischer Lösungen auf weitere Sektoren. AufDeutschland bezogen besteht ein weitgehender Kon-sens unter den Ökonomen, dass die Beschäftigungswir-kungen negativ sind. Zur Begründung für die „Notwen-digkeit“ von Mindestlöhnen wird häufig argumentiert,man könne von einem niedrigen Stundenlohn nicht le-ben. Dieses Argument greift allerdings zu kurz, da es dasSystem der sozialen Sicherung ausblendet, insbesonde-re das Arbeitslosengeld II. Es verhindert, dass das Ein-kommen unter das soziale Existenzminimum sinkt. Auchein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn, der zunächstso niedrig ist, dass er „nicht schadet“, kann letztlich dieBeschäftigung erheblich beeinträchtigen. Zwar wird ge-genwärtig ein Stundenlohn von „nur“ 4,50 € diskutiert.Aber damit würde man der Politik ein Instrument an die

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Tabelle 2: Indikatoren zum wirtschaftlichen Aufholprozess in Ostdeutschland (Relationszahlen für Ost-deutschland (ohne Berlin), in jeweiligen Preisen)

Quellen: Statistisches Bundesamt (Rechenstand: Februar 2008), Arbeitskreis VGR der Länder (Rechenstand: März 2008), Arbeitskreis Er-werbstätigenrechnung des Bundes und der Länder (Rechenstand: März 2008), Berechnungen der Institute.

1991 1995 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

Westdeutschland=100

Bruttoinlandsprodukt

nominal je Einwohnera 33,6 60,6 63,1 63,8 65,6 66,6 67,5 67,2 67,3 67,9

Bauinvestitionen

nominal je Einwohnera 73,8 186,0 124,6 106,6 102,8 105,0 102,8 99,3 – –

Investitionen in neue Aus-rüstungen und sonstige Anlagen

nominal je Einwohnera 58,3 105,0 85,2 72,0 64,0 62,5 67,9 64,8 – –

Arbeitnehmerentgelt

je Arbeitnehmera 49,8 74,8 76,8 76,9 77,0 77,2 77,3 77,7 77,3 77,4

je Arbeitsstunde der Arbeitnehmera 70,1 70,6 71,4 71,8 72,3 72,6 72,6 72,7

Arbeitsproduktivität

je Erwerbstätigena, b 35,2 66,4 72,2 74,0 76,1 76,7 77,4 77,3 76,9 77,1

je Arbeitsstunde der Erwerbstätigena, b 67,1 69,2 71,6 72,4 73,1 73,0 72,8 73,1

Lohnstückkostena, c

Basis Personen 141,4 112,7 106,4 103,9 101,2 100,6 100,0 100,5 100,6 100,3

Basis Stunden 104,4 102,1 99,6 99,2 98,8 99,5 99,7 99,4

Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr

Bevölkerunga

Ostdeutschland – –0,4 –0,6 –0,8 –0,9 –0,8 –0,7 –0,7 –0,7 –0,8

Westdeutschland – 0,4 0,3 0,4 0,4 0,2 0,1 0,1 0,0 0,0

Erwerbstätige (Inland)a

Ostdeutschland – 2,1 –0,9 –1,6 –1,6 –1,2 0,1 –0,9 0,5 1,6

Westdeutschland – –0,1 2,4 0,8 –0,4 –0,9 0,4 0,0 0,6 1,7

Arbeitsvolumen der Erwerbs-tätigen (Inland)a

Ostdeutschland – – –2,4 –3,0 –3,1 –1,8 0,1 –1,3 0,2 1,5

Westdeutschland – – 1,2 –0,1 –1,1 –1,3 0,7 –0,4 0,5 1,7

a) Angaben für Ostdeutschland: neue Bundesländer ohne Berlin, für Westdeutschland: alte Bundesländer einschließlich Berlin. – b) Brut-toinlandsprodukt in jeweiligen Preisen je Erwerbstätigen (Arbeitsstunde der Erwerbstätigen). – c) Im Inland entstandene Arbeitnehmerent-gelte je Arbeitnehmer (Arbeitsstunde der Arbeitnehmer) bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen je Erwerbstätigen(Arbeitsstunde der Erwerbstätigen).

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Hand geben, das zunehmend in Wahlkämpfen eine Rollespielen dürfte; daher ist zu befürchten, dass der Min-destlohn nicht niedrig bleibt.

Mit einer Abkehr von Reformen auf dem Arbeitsmarktund mit der Einführung von Mindestlöhnen würde insbe-sondere die Lohnzurückhaltung der vergangenen Jahrekonterkariert. Tatsächlich wird sich der Anstieg der Tarif-löhne in diesem und wohl auch im kommenden Jahr ver-stärken. Zwar geht die Zunahme noch nicht über dasMaß hinaus, das durch den Verteilungsspielraum gege-ben ist, doch gehen von den Löhnen im kommendenJahr kaum noch Impulse auf die Beschäftigung aus.Auch wegen dieses Risikos sollte die Bundesregierungdie Arbeitsmarktreformen fortsetzen und die Lohnfin-dung nicht durch Eingriffe in die Tarifautonomie beein-trächtigen. Dies wäre der beste Beitrag für mehr Be-schäftigung und mehr Wachstum.Die EUROPÄISCHE ZENTRALBANK stand in den vergangenenMonaten vor besonders großen Herausforderungen. Sie

hat bei ihren Maßnahmen klar getrennt zwischen der Be-reitstellung von Liquidität einerseits, um die Stabilität desFinanzmarktes zu gewährleisten, und den Erfordernissenandererseits, die sich für die Geldpolitik aus stabilitätspo-litischer Sicht im eigentlichen Sinne ergeben. In jüngsterZeit hat sich die Inflation im Euroraum überraschendstark beschleunigt. Nach wie vor ist das Risiko groß,dass sich die Inflationserwartungen verfestigen und sichbspw. in höheren Lohnforderungen niederschlagen. Vordem Hintergrund ihrer Prognose für die Konjunktur undfür die Inflation halten es die Institute für angemessen,dass die EUROPÄISCHE ZENTRALBANK den Leitzins bei 4 %belässt.

1 Gekürzte Fassung der Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2008, veröffent-licht in: ifo Schnelldienst, 08/2008, S. 3–71.

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Daten und Prognosen

Arbeitsmarktentwicklung im Vergleich bh

275

300

325

350

375

400

425

450

Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.

Arb

eits

lose

(in

1.00

0)

2005200620072008

1.250

1.275

1.300

1.325

1.350

1.375

1.400

1.425

1.450

Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.

So

zial

vers

iche

rung

spfli

chti

g B

esch

äfti

gte

(in

1.0

00)

2005200620072008

Abbildung 1: Arbeitslose in Sachsen (2005 bis 2008)

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit.

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit.

Abbildung 2: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Sachsen (2005 bis 2008)

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Daten und Prognosen

Quellen: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Berechnungen des ifo Instituts.

Tabelle 1: Arbeitsmarktentwicklung im Vergleich

Beschäftigung und Zweiter Arbeitsmarkt (in 1.000 Personen)

Sozialversicherungs-pflichtig Beschäftigtea Gemeldete Stellenb Direkte Förderung

regulärer Beschäftigungc

Febr.2008

Vor-monat

Vor-jahres-monat

Apr.2008

Vor-monat

Vor-jahres-monat

Apr.2008

Vor-monat

Vor-jahres-monat

Brandenburg 719 718 707 7,4 7,2 9,2 15,8 15,5 20,4

Mecklenburg-Vorp. 501 501 492 7,4 7,7 8,8 10,7 10,5 11,6

Sachsen 1.371 1.371 1.342 16,8 15,9 17,7 28,3 28,4 36,5

Sachsen-Anhalt 732 732 721 8,3 8,0 11,1 14,3 14,2 16,8

Thüringen 721 720 708 10,1 9,8 12,1 14,6 14,9 18,4

D Ost (mit Berlin) 5.110 5.108 5.007 58,7 57,6 70,9 99,5 99,5 122,7

D West (ohne Berlin) 22.041 22.003 21.481 340,5 338,3 381,3 194,2 194,2 215,4

D gesamt 27.151 27.111 26.488 399,2 395,8 452,2 293,8 293,7 338,1

Arbeitslosigkeit

Arbeitslose(in 1.000 Personen)

Arbeitslosenquoted

(in %)Langzeitarbeitslosee

(in % der Arbeitslosen)

Apr.2008

Vor-monat

Vorjahres-monat

Apr.2008

Vor-monat

Vorjahres-monat

Apr.2008

Vor-monat

Vorjahres-monat

Brandenburg 187 193 210 15,4 15,9 17,5 41,3 40,4 43,0

Mecklenburg-Vorp. 133 139 157 16,5 17,2 19,5 32,6 31,7 37,9

Sachsen 299 310 343 15,2 15,7 17,5 42,0 41,0 43,4

Sachsen-Anhalt 189 194 213 16,3 16,7 18,4 42,9 41,9 42,9

Thüringen 146 152 170 13,2 13,7 15,4 39,0 38,1 42,3

D Ost (mit Berlin) 1.198 1.236 1.365 15,5 16,0 17,8 39,8 38,9 42,1

D West (ohne Berlin) 2.216 2.271 2.611 7,5 7,6 8,8 37,9 37,2 41,8

D gesamt 3.414 3.507 3.976 9,1 9,4 10,7 38,5 37,8 41,9

a) Die Zahlen zur Beschäftigung werden mit zweimonatiger Verzögerung veröffentlicht. – b) Gemeldete Stellen nur für ungeförderte sozi-alversicherungspflichtige Beschäftigungen. Als gemeldete Stellen gelten der Bundesagentur für Arbeit gemeldete und zur Vermittlungfreigegebene Stellen mit einer vorgesehenen Beschäftigungsdauer von mehr als 7 Kalendertagen. – c) Dies beinhaltet: Gründungszu-schuss, Eingliederungszuschüsse, Einstellungszuschuss bei Vertretung (Job-Rotation), Entgeltsicherung für Ältere, Arbeitsentgeltzu-schuss, SAM (OfW), Beschäftigungshilfen, Einstellungszuschuss für Neugründungen, Überbrückungsgeld für Selbstständige, Existenz-gründerzuschuss (Ich-AG). – d) In % der abhängigen zivilen Erwerbspersonen. – e) Als Langzeitarbeitslose gelten alle Personen, die amjeweiligen Stichtag der Zählung 1 Jahr und länger bei den Arbeitsagenturen arbeitslos gemeldet waren. Angaben ohne zugelassenekommunale Träger (Optionskommunen), da für diese bisher keine Daten zu Langzeitarbeitslosen vorliegen.

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Daten und Prognosen

Geschäftsklima in der gewerblichen WirtschaftSachsens

Der ifo Geschäftsklimaindex für die gewerbliche Wirt-schaft Deutschlands ist – nach einem deutlichen Rück-gang im Vormonat – im Mai leicht gestiegen (vgl. Abb. 1).In Sachsen und den neuen Bundesländern insgesamthat sich das Geschäftsklima zuletzt ebenfalls verbessert.Der sächsische Klimaindikator befindet sich gegenwärtigauf einem ähnlich hohen Niveau wie zu Jahresbeginn.Die konjunkturelle Dynamik hat sich in den letzten Mona-ten offenbar nur geringfügig verändert.

Schwerpunkt: Entwicklung im BauhauptgewerbeSachsens

Im sächsischen Bauhauptgewebe hat sich das Ge-schäftsklima – analog zur Entwicklung des Geschäftskli-mas für die gewerbliche Wirtschaft insgesamt – zuletztetwas aufgehellt (vgl. Abb. 2). Der Anteil der Unterneh-men, der von witterungsbedingten Behinderungen derBautätigkeit betroffen ist, nahm von 26 % im April aufaktuell 6 % ab. Auch in Hinblick auf die Auftragslage wareine leichte Verbesserung erkennbar: Der Anteil der Bau-unternehmen, der über einen Auftragsmangel berichtet,ist im Vormonatsvergleich von 58 % auf 38 % gesunken.Die durchschnittliche Geräteauslastung erreichte im Be-richtsmonat saisonbereinigt 76,3 %. Sie lag damit zwarunter dem Wert des Vormonats (78,9 %); im Vergleich

zum Vorjahresmonat (74,8 %) war jedoch ein Anstieg zuverzeichnen. In den Angaben zu den Geschäftsaus-sichten für die nächsten sechs Monate zeigte sich insge-samt betrachtet wieder etwas mehr Zuversicht. Gegen-wärtig halten sich die Meldungen von Unternehmen, dieeine Lageverbesserung erwarten, und die Meldungenvon Unternehmen, die mit einer Lageverschlechterungrechnen, in etwa die Waage. Alles in allem präsentiertsich das sächsische Bauhauptgewerbe momentan ineiner vergleichsweise stabilen Lage. Das positive Ge-samtbild wird auch durch die Umsatzdaten der amt-lichen Statistik gestützt: Der baugewerbliche Umsatz derberichtspflichtigen Unternehmen im BauhauptgewerbeSachsens ist – nach einem Rückgang von 2,8 % im Jah-resdurchschnitt 2007 – im ersten Quartal 2008 um 6 %über das Vorjahresniveau gestiegen. Da das sächsischeBaugewerbe im Bundesvergleich noch immer als überdi-mensioniert anzusehen ist, sollte der Zuwachs gleich-wohl eher als ein Zwischenhoch denn als eine Trendwen-de interpretiert werden.1

Ausgewählte Ergebnisse aus dem ifo Konjunktur-testgv

1 Hierauf deutet zumindest der Anteil des Baugewerbes an der gesamten(nominalen) Bruttowertschöpfung hin, der in Sachsen noch immer deut-lich über dem Bundesdurchschnitt liegt. Im Jahr 2007 lag dieser Anteil – gemäß den aktuellen Angaben der amtlichen Statistik – in Sachsen bei6,2 % und im Durchschnitt aller Bundesländer bei 4,1 % (westdeutscheBundesländer ohne Berlin: 3,9 %, ostdeutsche Bundesländer mit Berlin:5,3 %).

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Daten und Prognosen

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Deutschland Ostdeutschland Sachsen

Saisonbereinigte Indexwerte, 2000=100a) Verarbeitendes Gewerbe, Bauhauptgewerbe, Groß- und Einzelhandel.

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Geschäftsklima Geschäftslage Geschäftserwartungen

Saisonbereinigte Saldenwerte

Abbildung 1: GeschäftsklimaindexGewerbliche Wirtschafta Deutschlands, Ostdeutschlands und Sachsens im Vergleich

Quelle: ifo Konjunkturtest.

Quelle: ifo Konjunkturtest.

Abbildung 2: Geschäftsklima im Bauhauptgewerbe Sachsens und seine Komponenten die Geschäfts-lage- und Geschäftserwartungssalden

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ifo Dresden berichtet 3/2008

Daten und Prognosen

Tabelle 1: Entwicklung ausgewählter Indikatoren aus dem ifo KonjunkturtestDeutschland, Ostdeutschland und Sachsen im Vergleich

Quelle: ifo Konjunkturtest.

Region Deutschland Ostdeutschland Sachsen

Zeitpunkt1. Quartal

20084. Quartal

20071. Quartal

20084. Quartal

20071. Quartal

20084. Quartal

2007

Verarbeitendes Gewerbe

Auftragsbestand (in Monatena) 3,0 3,0 2,6 2,9 2,9 2,9

Kapazitätsauslastung (in %a) 86,9 86,9 85,2 86,0 85,4 85,8

Exportgeschäft – Erwartungenb 14,0 16,1 12,9 12,3 4,8 4,7

Beschäftigtenzahl – Erwartungenb 2,3 3,8 –0,1 0,2 1,1 5,0

Verkaufspreise – Erwartungenb 11,6 13,9 14,1 14,6 10,1 11,0

Bauhauptgewerbe

Auftragsbestand (in Monatena) 2,5 2,5 2,0 2,1 2,4 2,2

Kapazitätsauslastung (in %a) 65,2 68,9 64,4 72,1 64,8 73,5

Beschäftigtenzahl – Erwartungenb –6,7 –10,7 –9,8 –16,6 4,0 –10,8

Baupreise – Erwartungenb –8,6 –14,0 –9,7 –19,9 –5,7 –17,6

Großhandel

Umsatz gegenüber Vorjahrb 15,0 6,3 1,0 –10,0 1,3 –17,3

Bestellpläneb 1,0 2,5 –10,0 –11,4 –13,0 –17,6

Verkaufspreise – Erwartungenb 31,8 31,6 33,7 39,2 45,1 41,0

Einzelhandel

Umsatz gegenüber Vorjahrb 1,0 –7,7 –17,3 –32,7 –12,0 –26,0

Bestellpläneb –9,4 –13,3 –14,8 –22,9 –10,3 –14,8

Verkaufspreise – Erwartungenb 20,8 21,8 26,1 27,6 17,0 23,5

Anmerkung: Die Angaben basieren auf saisonbereinigten Werten (Ausnahme: Umsatz gegen Vorjahr). – a) Durchschnitte. – b) Salden derProzentanteile von positiven und negativen Unternehmensmeldungen.

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ifo Dresden berichtet 3/2008

Die Veranstaltung wurde von der BUNDESAGENTUR FÜR AR-BEIT organisiert und fand in Meißen statt.

Am 15. April 2008 referierte Michaela Fuchs, wissen-schaftliche Mitarbeiterin bei ifo Dresden, im Graduierten-seminar der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät ander TU DRESDEN zum Thema „Beschäftigungseffekte vonUnternehmensgründungen“. Ebenfalls im Rahmen dieserVeranstaltung hielt Gerit Vogt einen Vortrag zum Thema„Konjunkturprognose in Deutschland“.

Aus der ifo Werkstatt

Am 14. Mai 2008 besuchte eine Gruppe von Studie-renden der Wirtschaftswissenschaften an der UNI-VERSITÄT ULM die ifo Niederlassung Dresden, um sich vorOrt ein Bild von der angewandten Wirtschaftsforschungdes ifo Instituts zu machen. Dr. Joachim Ragnitz, Mana-ging Director von ifo Dresden, erläuterte die Aufgabender Wirtschaftsforschungsinstitute im Rahmen der insti-tutionalisierten Politikberatung in Deutschland und standden Studierenden für eine Diskussion zu aktuellen wirt-schaftspolitischen Themen zur Verfügung.

Eine weitere Veranstaltung in der Reihe Dresdner Vor-träge zur Wirtschaftspolitik fand am 21. Mai 2008statt. Prof. Dr. Eckart Bomsdorf von der Wirtschafts- undSozialwissenschaftlichen Fakultät der UNIVERSITÄT ZU KÖLN

hielt einen Vortrag zum Thema „Die Pflegeversicherungin der Demographiefalle? Auswirkungen des demogra-phischen Wandels in Deutschland bis 2050“.

Auch die Pflegeversicherung kann dem demographischenWandel nicht entgehen, im Gegenteil, sie wird durch ihnmassiv bedrängt. Anhand eigener Modellrechnungenquantifizierte Professor Bomsdorf den zukünftigen demo-graphischen Wandel in Deutschland und zeigte, wiestark die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2050 ansteigenwird. Zugleich verdeutlichte er, welche AuswirkungenÄnderungen in den Komponenten der Bevölkerungsbe-wegung (Geburten, Sterbefälle, Wanderungen) auf denUmfang der Pflegebedürftigkeit haben könnten. Die nichtmehr umkehrbare Entwicklung im Umfang der Pflege-bedürftigkeit kann dabei regional sehr unterschiedlichausfallen. So wird in Sachsen der Anteil der Pflege-bedürftigen an der Bevölkerung aus gegenwärtiger Sichtauf deutlich höhere Werte als auf Bundesebene steigen.

Nicht nur der demographische Wandel, sondern auchdie Dynamisierung der Leistungen werden die Pflegekas-sen belasten. Diese beiden sich gegenseitig verstärken-den Effekte auf der Leistungsseite führen zu einem finan-ziellen Dilemma in der Pflegeversicherung, das in dergesetzlichen Pflegeversicherung selbst bei steigendenEinkommen nicht mit konstanten Beitragssätzen zu lö-sen ist. Auch die aktuellen gesetzlichen Änderungen bie-ten hier keine Lösung.

Die Veranstaltungen der Vortragsreihe Dresdner Vorträ-ge zur Wirtschaftspolitik wollen einen Beitrag zur öf-fentlichen Diskussion über aktuelle wirtschaftspolitischeThemen leisten, indem sie ausgewiesenen Wirtschafts-und Finanzwissenschaftlern die Möglichkeit bieten, ihreneuesten Erkenntnisse einem breiten Publikum zu prä-sentieren. Sie sind öffentlich und finden in den Räumender ifo Niederlassung Dresden, in der Einsteinstraße 3,statt. Beginn des Vortrags ist jeweils um 18:30 Uhr.

Eine Vortragsveranstaltung im Rahmen eines Seminarszur politischen Bildung für Angehörige der DEUTSCHEN

BUNDESWEHR zu den Themen Konjunktur und demogra-phischer Wandel fand am 28. Mai 2008 in den Räumender ifo Niederlassung Dresden statt.

In Zusammenarbeit mit dem STATISTISCHEN LANDESAMT DES

FREISTAATES SACHSEN findet am 11. Juli 2008 in den Räu-men der ifo Niederlassung Dresden ein Kolloquium zurVGR-Methodik statt. Im Kreis von Fachleuten und Wis-senschaftlern aus Instituten, Behörden und Verbändensollen die Hintergründe der letzten Revisionen der Volks-wirtschaftlichen Gesamtrechnungen der Länder disku-tiert werden.

ifo Veranstaltungen

ifo Vorträge

Marcel Thum, Geschäftsführer der ifo Niederlassung Dres-den hielt am 03. April 2008 einen Vortrag zum Thema„The Economics of Politically Connected Firms“ an derATHENS UNIVERSITY OF ECONOMICS AND BUSINESS in Athen(Griechenland).

Anlässlich eines „Fachgesprächs des SGB II Typ 11“ prä-sentierten am 08. April 2008 Beate Schirwitz, Doktoran-din, und Gerit Vogt, wissenschaftlicher Mitarbeiter der ifo Niederlassung Dresden, aktuelle Forschungsergeb-nisse zum Thema „Wirtschaftsstandort Ostdeutschland“.

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ifo Dresden berichtet 3/2008

VEREINIGUNG DER DEUTSCHEN ARBEITGEBERVERBÄNDE inFrankfurt/Main einen Vortrag zur Problematik der Ein-führung von Mindestlöhnen.

Im Rahmen eines Seminars zur politischen Bildung fürAngehörige der DEUTSCHEN BUNDESWEHR hielten BeateHenschel, Beate Schirwitz und Gerit Vogt am 28. Mai2008 einen Vortrag zum Thema „Trends der wirtschaftli-chen und demographischen Entwicklung in Ostdeutsch-land und Sachsen“. Der Vortrag wurde in den Räumender ifo Niederlassung Dresden gehalten.

Am 04. Juni 2008 sprach Prof. Marcel Thum beim De-litzscher Kamingespräch der LANDESZENTRALE FÜR POLITI-SCHE BILDUNG zum Thema „Demographischer Wandelund Wirtschaftsentwicklung“.

Ebenfalls am 04. Juni 2008 stellte Dr. Joachim Ragnitzanlässlich der Veröffentlichung der aktuellen Konjunk-turumfrage der IHK Erfurt in einem Vortrag die wirtschaft-lichen Perspektiven der neuen Bundesländer vor.

Am 10. Juni 2008 hielt Herr Heinz Schmalholz, wissen-schaftlicher Mitarbeiter bei ifo Dresden, zwei Seminareim Rahmen des Lausitzer Existenzgründer Wettbewerbs(LEX) 2008 zu den Themen „Gründer/Gründerteam“ und„Produkt/Dienstleistung“ bei der IHK Dresden, Ge-schäftsstelle Zittau ab.

Im Rahmen des Graduiertenseminars der TU DRESDEN

referierte Beate Henschel, wissenschaftliche Mitarbeite-rin von ifo Dresden, am 10. Juni 2008 zum Thema „Eco-nomic Aspects of Female Labor Supply“.

Im Rahmen der XXII Annual Conference of the EUROPEAN

SOCIETY FOR POPULATION ECONOMICS vom 19. bis 21. Juni2008 präsentierte Beate Henschel ihre Forschungser-gebnisse zum Thema „Why Is The Share Of WomenWilling To Work In East Germany Larger Than In WestGermany? A Logit Model Of Extensive Labour SupplyDecision“ in London (GB).

Aus der ifo Werkstatt

Des weiteren stellte Gerit Vogt am 21. April 2008 imMittagsseminar an der TU DRESDEN ein aktuelles WorkingPaper vor, das den Titel „Kurzfristige Wachstumseffektevon Naturkatastrophen. Eine empirische Analyse derHochwasserkatastrophe vom August 2002 in Sachsen“trägt.

Dr. Joachim Ragnitz, stellvertretender Geschäftsführerder ifo Niederlassung Dresden, nahm am 22. April 2008an der Frühjahrssitzung des Wirtschaftlichen Beirats beimThüringischen Ministerpräsidenten teil. Die Teilnehmererörterten mit Herrn Ministerpräsidenten Althaus undHerrn Wirtschaftsminister Reinholz Fragen der künftigenAusgestaltung der Wirtschaftsförderung in Thüringen.

Am 24. April 2008 referierte Prof. Marcel Thum über die„Auswirkungen des demographischen Wandels in Sach-sen“ auf der „ÖPNV-Fachtagung 2008“ in Schöneck/Vogtland.

Dr. Joachim Ragnitz nahm am 28. April 2008 an derkonstitutierenden Sitzung des Landesfachausschusses„Wirtschaftspolitik/Wissenschaft/Innovation“ der sächsi-schen CDU teil.

Außerdem wurde er als Mitglied in den Regionalen Len-kungsausschuss zur DEUTSCHEN CLUSTERKONFERENZ 2008berufen, der unter der Führung der WirtschaftsinitiativeMitteldeutschland am 29. April 2008 in Leipzig tagte.Die Deutsche Clusterkonferenz findet im Oktober 2008in Leipzig statt und dient der wissenschaftlichen Beglei-tung regionaler Netzwerkinitiativen in ganz Deutschland.

Am 22. Mai 2008 referierten Dr. Joachim Ragnitz undGerit Vogt bei einem Workshop des STATISTISCHEN LAN-DESAMTES DES FREISTAATES SACHSEN in Kamenz über die„Nutzung von Daten der amtlichen Statistik durch einWirtschaftsforschungsinstitut“.

Weiterhin hielt Dr. Joachim Ragnitz am 26. Mai 2008 imAusschuss für Volkswirtschaftliche Fragen der BUNDES-

Im April 2008 hat Beate Grundig, wissenschaftlicheMitarbeiterin der ifo Niederlassung Dresden, geheiratetund heißt nun Frau Henschel. Das Team von ifo Dresden

ifo intern

gratuliert ihr auf diesem Wege noch einmal rechtherzlich. Frau Henschel ist via e-Mail zukünftig [email protected] zu erreichen.