3
Uber das Verhalten der salpetrigen Saure zu Salpetersaure. Von L. MARCHLEWSKI. Vor einiger Zeit puhlizierte Herr MONTEMARTINI' einige Ver- suche, welche iiber das Verhalten der salpetrigen Saure zu Salpeter- sMuren verschiedener Konzentration Aufschlufs geben sollen. Ich sehe mich genotigt, einige Remerkungen iiber dieselben auszusprechen. Das Verlialten der Stickoxyde zu Salpetersaure an die Frage nach der Konstitntion der gefArbten Salpetersiiuren knupfend, stellte ich schon ini vorigen Jahre einige Versuche an, iiber welche an anderer Stelle' berichtet wurde. Das Verhalten der salpetrigen Saure zu Salpetersauren verschie- dener Konzentration wurde schon vor geraunier Zeit charakterisiert und durch eine physikalische Theorie, melche sich auf die optischen Eigenschaften der verschiedenen Stickoxyde stutzt, erklart.3 Meine Aufgabe u'ar deninach nnr, die Dcduktionen anderer durch das Experiment zu stiitzen. Die ersten Versuche, die dies erzielen sollten, schienen die pliysikalische Theorie nicht zu bestatigen. Ein naheres Studium indes zeigte, dafs die von mir ursprunglich ange- wandte, analytische Methode nicht einwurfsfrei war, und dafs es iiberhanpt niclit inoglich ist, in einein Gemisch von HNO,, HNO, wid SO, die einzelnen Bestandteile mit Bestiinmtheit quantitativ nachzuweisen. Dennoch fiihlte ich inich berechtigt, in nieiner zweiten Abhandlung" den Schlufs zn ziehen, dafs die pliysikalische Theorie den l'hatsachen vollkominen entspricht, und zwar aus folgenden zwei Griinden: 1. wies ich nach, dafs in deli hochst konzentrierten, rauchenden, roten Sauren nur Untersalpetersaure iieben Salpetersaure existiert, 2., dafs beini Verdiinnen solcher Sauren init eisknltem Wasser kein Verlust an Stickoxyd eintritt. Da es nun eine allbekannte Thatsache ist, dafs N,O, init Wasser, Schwefelsauiure und Alkalien nur in SalpetersMnre und salpetrige Saure gespalten werdeii kann, so dtti dclln Reale Accadenzicc (lei Line&. Rendiconti 1. Sew&. 63-67. Bey. deutsch. elmi. Ges. (1891), 3271. Graha//i- Ottos horg. Chewie, 3. Diese Zeitsc7tr., 1, 368.

Über das Verhalten der salpetrigen Säure zu Salpetersäure

Embed Size (px)

Citation preview

Uber das Verhalten der salpetrigen Saure zu Salpetersaure. Von

L. MARCHLEWSKI.

Vor einiger Zeit puhlizierte Herr MONTEMARTINI' einige Ver- suche, welche iiber das Verhalten der salpetrigen Saure zu Salpeter- sMuren verschiedener Konzentration Aufschlufs geben sollen. Ich sehe mich genotigt, einige Remerkungen iiber dieselben auszusprechen.

Das Verlialten der Stickoxyde zu Salpetersaure an die Frage nach der Konstitntion der gefArbten Salpetersiiuren knupfend, stellte ich schon ini vorigen Jahre einige Versuche an, iiber welche an anderer Stelle' berichtet wurde.

Das Verhalten der salpetrigen Saure zu Salpetersauren verschie- dener Konzentration wurde schon vor geraunier Zeit charakterisiert und durch eine physikalische Theorie, melche sich auf die optischen Eigenschaften der verschiedenen Stickoxyde stutzt, erklart.3 Meine Aufgabe u'ar deninach nnr, die Dcduktionen anderer durch das Experiment zu stiitzen. Die ersten Versuche, die dies erzielen sollten, schienen die pliysikalische Theorie nicht zu bestatigen. Ein naheres Studium indes zeigte, dafs die von mir ursprunglich ange- wandte, analytische Methode nicht einwurfsfrei war, und dafs es iiberhanpt niclit inoglich ist, in einein Gemisch von HNO,, HNO, wid SO, die einzelnen Bestandteile mit Bestiinmtheit quantitativ nachzuweisen.

Dennoch fiihlte ich inich berechtigt, in nieiner zweiten Abhandlung" den Schlufs zn ziehen, dafs die pliysikalische Theorie den l'hatsachen vollkominen entspricht, und zwar aus folgenden zwei Griinden: 1. wies ich nach, dafs in deli hochst konzentrierten, rauchenden, roten Sauren nur Untersalpetersaure iieben Salpetersaure existiert, 2., dafs beini Verdiinnen solcher Sauren init eisknltem Wasser kein Verlust an Stickoxyd eintritt. Da es nun eine allbekannte Thatsache ist, dafs N,O, init Wasser, Schwefelsauiure und Alkalien nur in SalpetersMnre und salpetrige Saure gespalten werdeii kann, so

d t t i dclln Reale Accadenzicc (lei Line&. Rendiconti 1. Sew&. 63-67. B e y . deutsch. e l m i . Ges. (1891), 3271. Graha//i- Ottos h o r g . Chewie, 3. Diese Zeitsc7tr., 1, 368.

- 19 -

mufs geschlossen werden, dals die durch Verdiinnung der kon- zentrierten roten Salpetersaure entstehenden Mischungen nur HNO,, HNO, und N,O, (griine Sauren), oder HNO, und HNO, (blaue Sriuren) enthalten konneii.

Diese sehr wahrscheinliche, allerdings durch das Experiment unniittelbar nicht erwiesene Erklarung der Blau- resp. Griinfarbung der Salpetersauren mufs vorlaufig geniigen. Ein strenger Beweis derselben ist unmoglich, 1.: weil bei der Untersuchung der gefirbten Sauren eine spontane Zersetung der salpetrigen Saure in Salpeter- sliure und Stickoxyd zu befiirchten ist, 2., weil Stickoxyd und NO, in Bezug auf alle Absorptionsmittel sich so verhalt, wie Salpetrigsanre- anhydrid allein.

Diese Thatsachen, besonders die letztgenannte, scheint MONTE- MARTISI nicht beriicksichtigt zu haben. Seine Versuche hatten die folgende Anordnung :

I n Sauren verschiedener Konzentration wurde unter bestimmten Vorsichtsnialsregeln eiii gewisses Quantum Kaliuinnitrit hinzugesetzt und nach einiger Zeit die gebildeten Gase vermittelst eines Wasser- stoffstromes in eiiien LIEBIGSChen, mit Kalilauge gefullten Apparat transportiert. Dann wurde die Menge der in der Salpetersaure suruckgebliebenen salpetrigen Saure und die Menge der in die Kalilauge iibergegaiigenen bestimmt und die erhaltenen Zahlenwei-te summiert. 1st diese Summa gleich der urspriinglich zugesetzten Menge salpetriger Saure, so niuls, nach MONTEMARTIXI, bei der Ein- wirkung yon salpetriger Sawe auf Salpetersaure nur NO, gebildet sein, denn wenn HNO, gebildet ware, so wiirde sich diese nach der Gleichung :

3HK02 = 2N0 + HNO, + H20 spalten, und das gebildete Stickoxyd wiirde aus dein Apparat eiit- weichen, da infolge der Abwesenheit von Luft keine Moglichkeit einer Osydation vorliegt; die oben genannte Summa wiirde in diesem E'alle kleiner sein.

Vergleicht inan nun die Zahlenwerte MONTEMARTINIS, so ergiebt sich, dals von einer solchen ,,Gleichheit" eigentlicli nicht die Rede sein kann. Die Differenzen betragen mitunter 3.2O/o. Diese Tliat- sache erklart sich aber gaiiz einfach dadurch, dals KOH in diesem F'alle iiberhaupt kein zweckniafsiges Absorptionsmittel ist. Nach den Versuchen von LUNGE^ findet eine teilweise Spaltung der

Dinyl. Joiirn., 933, 240. 2"

- 20 -

Nitrite in alkalischer Losung statt, mobei NO entaickelt wird und aus den Absorptionsapparaten entweicht.

Die Gleichheit der ,,Summa" und der ursprunglich zugesetzten Menge salpetriger Saure beweiet iibrigeiis durchaus nicht, dals die Reaktion zwischen HNO, und HNO, einseitig verlauft, dals nur KO2 gebildet wird.

Zur Illustration des Gesagten will ich den fur meine Behauptung ungunstigen Fall nehmen, nMmlich, dals von einer gewisseii Menge Salpetrigsauremolekeln, welche zu einer Losung von Salpeterskure zugesetzt wurden, weitaus die grofste Menge als solche zuniichst bestehen bleibt und nur ein kleiner Teil unter Mitwirkung der Salpetersaure in NO, ubergeht. Die gebildete salpetrige Saure spaltet sich dann nach MONTEMARTINI, wie oben angegeben, nach der Gleichung :

3HN0, = 2NO + HNO, + H,O.

HNO, + HNO, = 2N0, + H,O. Aufserdem haben wir

Aus der Losung entweicht demnach

Die beiden Oxyde werden durch den Wasserstoffstroni in die Kalilauge, oder besser Schwefelsiure, gefuhrt, und man bekommt eine Losung von 4 Molekeln Kaliumnitrit resp. Nitrosylschwefelsaure, d. h. ebensoviel, als ursprunglich hinzugesetzt wurde. Werden irn Ver- haltnis mehr Molekeln NO, gebildet, so bildet sich in der Icalilauge auch etwas Nitrat, Stickoxyd aber kann noch weniger als bei den1 von mir gewahlten Beispiel entweichen. Einzig im Falle, dais auf eine Molekel Untersalpetersaure vier Molekelii salpetrige Skure gebildet werden, ist ein Verlust an Stickoxyd notwendig.

Damit glaube ich zur Genuge dargethan zu haben, dals die Grundlage der Schlusse MoNTEnrAmms, die sich auf das Verhalten der salpetrigen Saure zur Salpetersiiure beziehen, vollkommen illu- sorisch ist. Inwiefern diese Bemerkungen andere von MONTEMARTINI gezogenen Schlusse tangieren, iiberlasse ich ihm gern selbst klar zu stellen.

2r;o + 2K0,.

Zurich. Chemisc~~-techizisches Laborntorium des Polytechnilcums.