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42 Uber das vermeintliohe optische DrehungsvermSgen des Papaverins u Dr. Guido Goldselamiedt. Aus dem I. chemischen Laboratorium der k. k. Universit~t in Wien (Prof. v. Barth). (Vorgelegt in der Sitzung am 5. J~nner 1888.) Bouehardat und Boudet, welche zuerst das optische Drchungsverm~igen des Papaverins besprechen~ geben an, dass sich das Alkaloid bei ~ewShnlicher Temperatm" in zu geringer Menge in Alkohol liise~ als dass es m(iglich wiire~ an einer sol- chert LSsung" gentigend sichere Beobaehtungen zu machen. Hesse ~ findet~ dass dies nicht der Fall sei und leitet aus seinen Messungen~ durchgeftihrt an einer L(isun~ in 97% Alkobol~ welche p -- 2 enthielt~ ein specifisches Drehungsverm(igen ~j --4.00 ~ ab. Eine L~sung in Chloroform mit p---5 ftihrte zu ~j = --5" 70 ~ Ausserdem untersuchte Hesse noch das Chlorhydrat des Papaverins in wKssriger LSsun~, welches abet inaetiv befunden wurde. Meine ,,Untersuchung'en tiber Papaverin "2 haben zur Auf- stellung einer Constitutionsformel diesesAlkaloids gefUhrt, welche mit der yon Hesse behaupteten optischen Aetivit~t desselben insoferne unvertriiglieh ist, als nach derselben im Molektile des Papaverins ein asymmetrisehes Kohlenstoffatom nicht enthalten ist. Die le Bel-van't Itoff'sehe Theorie, naeh welcher aber eirt solches fur die Activit~it einer Verbindung erforderlich ist, hat sieh bisher in eincr ausserorde~tlich grossen Zahl yon Beob- achtungen ausnahmslos bewiihr~. Es ist kein Fall bekannt, welcher dieser Hypothese widerspricht. Liebig's Annalen, Bd. 176, S. 198. 2 ]lIonatshefte f. Chem., Bd. VI, S. 372~ 667~ 954; Bd. VII, S. 485; Bd. VIII, S. 510.

Über das vermeintliche optische Drehungsvermögen des Papaverins

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Page 1: Über das vermeintliche optische Drehungsvermögen des Papaverins

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Uber das vermeintliohe optische DrehungsvermSgen des Papaverins

u

Dr. Guido Goldselamiedt.

Aus dem I. chemischen Laboratorium der k. k. Universit~t in Wien (Prof. v. Barth).

(Vorgelegt in der Sitzung am 5. J~nner 1888.)

B o u e h a r d a t und B o u d e t , welche zuerst das optische Drchungsverm~igen des Papaverins besprechen~ geben an, dass sich das Alkaloid bei ~ewShnlicher Temperatm" in zu geringer Menge in Alkohol liise~ als dass es m(iglich wiire~ an einer sol- chert LSsung" gentigend sichere Beobaehtungen zu machen. H e s s e ~ findet~ dass dies nicht der Fall sei und leitet aus seinen Messungen~ durchgeftihrt an einer L(isun~ in 9 7 % Alkobol~ welche p - - 2 enthielt~ ein specifisches Drehungsverm(igen ~ j - - 4 . 0 0 ~ ab. Eine L~sung in Chloroform mit p - - - 5 ftihrte zu ~ j = --5" 70 ~

Ausserdem untersuchte H e s s e noch das Chlorhydrat des Papaverins in wKssriger LSsun~, welches abet inaetiv befunden wurde.

Meine ,,Untersuchung'en tiber Papaverin "2 haben zur Auf- stellung einer Constitutionsformel diesesAlkaloids gefUhrt, welche mit der yon H e s s e behaupteten optischen Aetivit~t desselben insoferne unvertriiglieh ist, als nach derselben im Molektile des Papaverins ein asymmetrisehes Kohlenstoffatom nicht enthalten ist. Die le B e l - v a n ' t I toff ' sehe Theorie, naeh welcher aber eirt solches fur die Activit~it einer Verbindung erforderlich ist, hat sieh bisher in eincr ausserorde~tlich grossen Zahl yon Beob- achtungen ausnahmslos bewiihr~. Es ist kein Fall bekannt, welcher dieser Hypothese widerspricht.

Liebig's Annalen, Bd. 176, S. 198. 2 ]lIonatshefte f. Chem., Bd. VI, S. 372~ 667~ 954; Bd. VII, S. 485;

Bd. VIII, S. 510.

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Drehtmgsverm/)geu des Papaverins. 43

In zahlreichen Substanzen, deren Activltgt bekannt~ deren Constitution aber unbekannt oder uusieher war, ist die Gegenwart eines asymlnetrisehen Kohlenstoffs festgestellt worden. In vielen Verbindungen, deren Constitution optisehe Aetivitgt vermuthen liess~ wurde diese naehtrgglich entdeekt. Die der Theorie wider- spreehenden Angaben, die zeitweise tiber gewisse Substanzen gemaeht worden sind, haben sieh alle auf Unreinheit dieser oder auf mangelhafte Beobaehtung' zurtickftihren lassen.

Bei dieser Saehlage war es you hervorragenderWiehtigkeit, H e s s e ' s Behauptung der Aetivitiit des Papaverins dureh neile Beobachtungen zu controliren~ denn wiirde dieselbe richtig skin, SO ware dieser Umstand vollkommen geeignet, gewichtige Bedenken gegen die Giltigkeit der yon mir aufgestdlten Con- stitutionsformd hervorzurufen. Ieh habe daher, die optische Untersuchung an g a n z r e i n e m Papaverin vorgenommen und gelangte dabei zu naehstehendem Resultate:

Eine LSsung in Chloroform, worin p = 17"8 gab, bei t ~ 15 ~ , 1 = 220~ ~ - - +0 -066~ daraus berechnet sich [~D] = +0"11 ~

Die Beobaehtungen wurden mit einem vorztigliehen L a ur e nt'- scheu Halbsehattenapparate ausgefithrt und obiger Drehungs- winkd stellt alas Mittel aus sechzehn yon meinem Collegen Dr. K a c h l e r und mir gemachten Ablesungen dar~ welche theils positiv, theils negativ waren. Der beobaehtete Drehungswinkel liegt nun innerhalb der gestatteten Fehlergrenzeu~ nnd wenn man berticksichtigt, dass meinen Messungen eine nahezu viermal so coneentrirte Ltisnng zu Grunde gelegt war, wie jenen H es se ' s in demselben Ltisungsmittd, so wird wohI als siehergesteltt angesehen werden mtissent dams das Papaverin~ entgegen den Behauptungen H e s s e ' s o p t i s e h i n a c t i v ist.

Dureh diesen Nachweis ist eine neue erfreuliche Bestiitigung der Riehtigkeit der le B e 1-v an' t H o ff'sehen Theorie geliefert un d fiir die Giltigkeit meiner Papaverinformel eine nieht unwesent- liche Stiitze gewonnen worden. Es ist ferner ein physikalischer Beweis dafiir erbracht, was ich bereits dureh ehemische Facten

1 j. H. Van't Hoff, Dix aan6es duns l'histoire d'une ~h6orie.

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44 G. G o 1 d s c h m i e d t, Drehungsvermtigen des Papaverins.

erhitrtet habe, dass niimlich H e s s e zu seinen Untersuehungen tiber das Papaverin sich unreiner Substanz bedient hat.

Von den zwei Substanzen, Papaverin und Laudanin: welehe allein ~ eine Ausnahme yon der dureh unzi~hlige Erfahrungen gewonnenen Regel maehten, (lass namlieh Derivate aetiver Sub- stanzen aueh aetiv sind, wenn die Constitution der Verbindung erhalten ist, bildet in Folge meiner riehtigstellenden Beobaehtung das Papaverin keine Ausnahme mehr. Es wi~re wUnsehenswerth, wenn ermittelt wtirde, ob das Laudanir), dessen Aetivit~tt yon Hesse , dem Entdeeker dieser Base, aufgefunden wurde, einer erneuten Untersuehung in dieser Riehtung Stand halten wird.

H. L~ndolt~ Das optische DrehungsvermSgen organischer Sub- stanzen.