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883 9. Uber d4e Best.iiz~mzcng der Elekt,ronenxahZ aus cler Dispersion; von Clewhens Hchaefer. Bisher hat man den Dispersionsverlauf l) in leuchtenden Gasen, die Serien oder Banden emittieren, dargestellt durch die folgende (oder nur unwesentlich davon verschiedene) Dis- persionsformel: h - - z,2 T2 wo T die Periode des einfallenden Lichtes, v den zugeh6rigen Brechungsindex, T, die Eigenperiode der hten Elektronenart, Nh die Anzahl der Elektronen dieser Gattung im Kubikzenti- meter und M; eine zugehorige Konstante bedeutet, die durch folgende Gleichung definiert ist: Dabei ist mh die Masse und eh die Ladung der ?iten Elek- tronengattung. Bei der Ableitung von (1) und (2) ist die folgende ver- einfachende Annahme gemacht : Die verschiedenen Linien einer Serie werden jede fur sich einer besonderen Elektronengattung zugeschrieben ; die gegenseitigen Einfliisse werden dabei grund- saitzlich vernachlassigt. Die Tatsache steht jedenfalls fest, da6 die Formel (1) die Erscheinungen quantitativ zu beschreiben vermag. In- dessen darf hieraus nicht geschlossen werden, da6 die obige 1) Die folgenden Betrachtungen gelten mutatis mutandia fur alle Dispersionserscheinungen, z. B. die Magnetorotation.

Über die Bestimmung der Elektronenzahl aus der Dispersion

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9. Uber d4e Best.iiz~mzcng der Elekt,ronenxahZ aus cler Dispersion;

von Clewhens Hchaefer.

Bisher hat man den Dispersionsverlauf l) in leuchtenden Gasen, die Serien oder Banden emittieren, dargestellt durch die folgende (oder nur unwesentlich davon verschiedene) Dis- persionsformel:

h - - z,2 T2

wo T die Periode des einfallenden Lichtes, v den zugeh6rigen Brechungsindex, T, die Eigenperiode der hten Elektronenart, Nh die Anzahl der Elektronen dieser Gattung im Kubikzenti- meter und M; eine zugehorige Konstante bedeutet, die durch folgende Gleichung definiert ist:

Dabei ist mh die Masse und eh die Ladung der ?iten Elek- tronengattung.

Bei der Ableitung von (1) und (2) ist die folgende ver- einfachende Annahme gemacht : Die verschiedenen Linien einer Serie werden jede fur sich einer besonderen Elektronengattung zugeschrieben ; die gegenseitigen Einfliisse werden dabei grund- saitzlich vernachlassigt.

Die Tatsache steht jedenfalls fest, da6 die Formel (1) die Erscheinungen quantitativ zu beschreiben vermag. I n - dessen darf hieraus nicht geschlossen werden, da6 die obige

1) Die folgenden Betrachtungen gelten mutatis mutandia fur alle Dispersionserscheinungen, z. B. die Magnetorotation.

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Voraussetzung zutreffend ist. Dies wird im folgenden naher ausgefuhrt.

Die Gleichung (1) kann in folgender Weise benutzt werden: Aus der allgemeinen Elektronentheorie sind die Werte eh und mh bekannt, d. h., die Faktoren M i a priori, wie wir sagen wollen, gegeben. Aus der experimentell bestimmten Dispersion in der Umgebung einer Eigenperiode T, laBt sich dann a posteriori

,,die Anzahl der Elektronen hter Gattung in der Volum- einheit", berechnen. Wenn nun dies fur eine Reihe auf- einander folgender Serienlinien geschehen ist, d. h. , wenn die Werte Nl N, N3 N4 N5 . . 8s berechnet worden sind, so kann man von vornherein uber die Verhaltnisse dieser Zahlen zu- einander nichts aussagen: Es ist vielmehr, da ja die ver- schiedenen Elektronengattungen ganz unabhangig voneinander sein sollen, gar keine Gesetzmapigkeit in dieser Zahlenreihe zu erwarten. Wurde man nun im Gegensatz dazu experimentell finden, z. B. daB N, =A?, =N3 = . . . N , ist, oder wiirde man finden, da6 z. B. jedes folgende N in bestimmter Weise aus dem vorhergehenden ableitbar (etwa im selben Verhaltnis kleinerl)) ist, so wurde man mit Recht schlieBen, daB die ver- schiedenen Elektronengattungen, oder besser ausgedriickt, da6 die verschiedenen Linien der Serie nicht unabhangig voneinander sein konnen.

Stellt man sich aber auf diesen let,zteren Standpunkt, so darf Gleichung (1) nicht mehr als bewiesen, sondern nur noch als empirisch brauchbare Gleichung angesehen werden. Ins- hesondere ist es dann fraglich, ob die GroBen N, und ill,,' physikalisch wirklich so zu interpretieren sind, wie es hier geschehen ist und allgemein geschieht.

Es kann vom heutigen Standpunkte wohl keinem Zweifel un terliegen, da6 die obige Vorstellung, wonach eine Serie von s Linien von s verschiedenen, von einander unabhangigen Zentren

1) Diese Ietztere Annahme, daB die N , wenigstens von einer be- stimmten Stelle ab, immer kleiner werden, laBt sich durch gewisse Be- trachtungen sehr plausibel machen. Das jetzt vorhandene experimentelle Material reicht zur Bestiitigung nicht aus. Im Sinne meiuer spiiteren Ausfiibrungen ist diese Abnahme der N nur scbeinbar, und in Wirklich- keit anders zu interpreticren. - Ich hoffe bald iiber eine derartige ex- perimentelle Untersuchung berichten zu konnen.

Bestimmung der Elehtronenzahl aus der Bispersion. 885

emittiert wird, vie2 zu primitiv ist, um mehr als eine rohe Annaherung an die Wirklichkeit zu geben. In der Tat weist die Gesamtheit der GesetzmiiiBigkeiten , die von den Serien- linien bekannt sind, meines Erachtens zwingend darauf hin, dieses Bild durch ein weniger verein fachtes und daher leistungs- fahigeres su ersetzen.

Es liegt am nachsten, das Emissionszentrum als ein Ag- gregat von Elektronen mit sehr vielen Freiheitsgraden zu betrachten. Man denke z. B. an die erste Hauptserie des Natriums, von der Wood etwa 50 Glieder beobachtet bat. Berucksichtigt man auBerdem, da8 jede dieser Linien noch magnetisch aufspaltbar ist, so kommt man schon auf eine sehr stattliche Anzahl von Freiheitsgraden. Wir wollen in der Tat diese Annahme machen und im folgenden das Emissions- zentrum einfach als ,,System" bezeichnen.

Um nun die matbematische Behandlung zii vereinfachen, ist es am zweckmiiBigsten, statt des wirklich vorliegenden ,,Systems" mit einer endlichen aber groBen Zahl von Frei- heitsgraden ein solches mit einer unendlichen Zahl zu be- trachten. Diese Betrachtungsweise ist in der Elastizitatslehre die iibliche: Eine Saite z. B. ist wegen der molekularen Struktur der Materie zweifellos ein ,,System" mit einer end- lichen Anzahl von Freiheitsgraden, welches aber der Einfach- heit halber durch ein kontinuierliches Gebilde approximiert wird. Letzteres ist d a m cbarakterisiert durch eine partielle Biffe- rentialgleichung nebst Randbedingunyen.

Die nunmehr vorliegende mathematische Aufgabe habe ich schon fruher behandelt l); ich habe dort einmal grund- satzlich gezeigt, wie man zu verfahren hat, und dann den all- gemeinen Gedanken an zwei Spezialrallen naher erlautert. Man kommt auf diesem Wege zu der folgenden Dispersions- gleichung 3: (3)

1) C1. Schaefer , Ann. d. Phys. 28. p. 421. 1909; 29. p. 715. 1909. 2) Die in meinen friiheren Arbeiten angegebenen Dispersionsformeln

sehen etwas anders aus als die obige Gleichung (3), die mit Absicht der Gleichung (1) msglichst Bhnlich gemacht worden igt. Man gelangt zu (3)

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wo N die Anzahl der ,,Systeme", Mh gewisse Konstanten be- deuten, die besechnet werden konnen, wenn die Konfiguration des ,,SystemsLL bekannt ist. Die Konstanten iw, stellen also eine Eigenschaft des ,,Systems" dar.

Die Summe in (3) geht streng genommen uber alle Werte des Index h von 1 bis co. Da aber die Reihe konvergent ist, so kann man sie auch nach einer hinreichend groBen Zahl s von Gliedern ohne merklichen Fehler abbrechen ; wir nehmen s gleich der in unserem Fall ja groBen Zahl der Eigenperioden des wirklichen (nicht approximierten) ,,SystemsLL.

Man erkennt zunachst bei einem Vergleich von (1) und (3), daB beide Dispersionsgleichungen dieselbe Gestalt besitzen, da8 also auch (3) bei geeigneter Konstantenbestimmung die Erscheinungen darzustellen imstande sein muB.

Nun ist in Wirklichkeit die nahere Natur des ,,SystemsfL unbekannt; aus dem Verlauf der Dispersion kann man daher die GroBen NM, nur a posteriori (und zwas nur das Produkt, nicAt beide GrGflen einzeh) bestimmen. Damit nun (1) und (3 ) beide die Erscheinung richtig wiedergeben , mu6 offenbar fur jeden Wert von h die Beziehung bestehen: (4) 3 M h = A\ JIi. in folgender Weise, wenn man z. €3. die in meiner ersten Arbeit be- handelte Differentialgleichung zugrunde legt : Ich benutze dort (p. 430, G1. (19)) folgende LSsung der inhomogenen Integralgleichung :

1

wobei die dortigen Beeeichnungen iibernommen sind. Entwickelt man nun, was stets moglich ist, f ( 5 ) auf die Fouriersche Weise nach Eigen- funktionen:

1

x 0 %

so erhalt man statt der obigen Liisung die folgende: 1. m

x

Benutzt man diese Gleichung (c) weiter, statt der obigen (a), so erhalt man die im Text angegebene Dispersionsformel (3). - I n dieser Arbeit war iibrigens der Einfachbeit balber N = 1 gesetzt worden.

Bestimmung der Elektronenzahl aus der Dispersion. 887

Man erkennt hier, daB noch eine vollkommen andere Inter- pretationsmiiglichkeit des Produktes Nh M,' der alten Theorie vorliegt. Nach der alten Theorie ist fiir alle h

eine Konstante; Nh dagegen kann variieren. Nach meiner Auffassung dagegen ist im GegenteilN, die

Zahl der ,,Systeme", konstant , wahrend die GrijBen M, vari- ieren konnen und im allgemeinen auch tun werden. Man kann daher in gewissem Sinne sagen, da8 der ganze Unterschied zwischen den beiden oben dargelegten Auffassungen auf die verschiedene Interpretation der Produktfaktoren N und 31 herauskommt, die durch die beiden Seiten der Gleichung (4) angedeutet ist.

Es kann nun wohl keinem Zweifel unterliegen, daB die zweite Auffassung, die die Emission der Serie einem ,,System" von Elektronen zuschreibt, die richtigere ist. Dann ist aber aucii die 6isherige Interpretution der Gropen A; zind M i auf- zugeben: Man darf dann nicht mehr

setzen und ebensowenig die berechnete Zahl Nh als die Zahl der Elektronen hter Gattung in der Volumeinheit bezeichnen. Vielmebr hat man davon auszugehen, daB die Zahl der ,,Systemei' konstant und die GroBen 31, variabel sind. Man kann nun, da das ,,System" noch unbekannt ist, allerdings nicht N und Mh gesondert erhalten, sondern nur das Produkt

Urn daher weiterzukommen, wird man zweckmaSig so ver- fahren: man berechnet das Produkt, - das j a nach der alten und der neuen Theorie numerisch gleich ausfallen muB - fur alle Werte h. Diese Zahlen stellen nach der neuen An- schauung (abgesehen von dem nicht stijrenden konstanten

1) Einer der nachsten Schritte muBte naturlich darin bestehen, auf andere Weise die Zahl AT der ,,Systeme" gesondert zu bestimmen, z. 13. durch Leitfiihigkeitsrnessungen. Ohne neue Hypothese mird es dabei allerdings wohl kaum abgehen.

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Faktor 8) eine Bigenschaft des schwingenden ,,SystemdL qzranti- tativ dar ; sie liefern also einen Anhalt, urn weitere Schliisse auf die Natur desselben zu ziehen. Nicht aber stellen nach meiner Auffassung diese Zahlen (abgesehen von dem kon- stanten Faktor M i = e21m m) die ' Anzahl der Elektronen der betreffenden Gattung dar.')

Dieser Qesichtspunkt ist bisher nicht hervorgehoben worden; es schien mir von Interesse, ihn - auch aus heuristischen Grunden - zu hetonen, weil dime Betrachtung zeigt, da8 wir hier ein Mittel haben, urn der Natur des Emissionszentrums der Serien naher zu kommen.

R r e s l a u , Physik. Inst. d. Univ., im Marz 1910.

1) Man kann sich leicht klar machen, da8 die hier au8 speziellen Voraussetzungen uber die Differentialgleichnng des schwingenden ,,Systems" abgeleitate Dispersionsformel (3) tatsacklieh vie1 allgemeimer i s t ; insbe- sondere heiSt das Auftreten des Faktors N ja offenbar nichts anderes, als daB von den gegenseitigen Einwirkungen der ,,Systemell auf einander abgesehen wird. Der andere Faktor

M h

1 1 %ha T 2 __--

ist eber ein allgemeiner Charakter aller Dispersionserscheinungen.

(Eingegangen 31. MBrz 1910.)

Ber ich t igung z u r A b h a n d l u n g Lebedew (Bd. 32. p. 435).

3. Zeile v. 0. statt 7,6. lo8 Ergs pro Sek. soll heiBen: 7,6. lo6 To Ergs pro Sek.

2,5. lO-'ct To Dyne pro qcm. 15. Zeile v. 0. statt 2,5. Dyne pro qcm soll heiden:

Drack von Metzger & Wittig in Leipzig.