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Uber Wechselbeziehungen yon optischen, cerebralen und somatischen Stigmen bei Konstitutionstypen. Vorl~ufige Mitteilung. Von Dr. reed. Walther Jaenseh, (Aus dem psyehologischenInstitut der Universit/tt Marburg.) (Einqegangen am 26. April 1920.) 1. Die vorliegenden Untersuchungen kniipfen an die Ergebnisse der experimentellen Analyse der Anschauungsbilder (AB) an, die im hiesigen Lustitut durchgefiihrt wurde. (Vorl~ufiger Bericht erstattet von E. Jaensch, Sitzungsberichte der Gesellschaft zur BefSrderung der gesamten ~qaturwissenschaften zu Marburg Nr. 5, Dezember 1917.) ,,Es gibt Individuen, die die F~higkeit besitzen, eine Vorlage, selbst nach kurzdauernder Betrachtung, sp~ter mit sinnlicher Deut- liehkeit vor sich zu sehen, entweder nur unmittelbar nachher oder auch naeh 1/4ngerer Zwisehenzeit. Spontanes Auftauehen solcher Bilder aueh in neuen Kombinationen und mit mannigfachen Ver~nderungen gegeniiber dem Urbild kommt vor. Entsprechende Anschauungsbilder, auch ,,Wiederholungsempfin- dungen", ,,Erinnerungsnachbilder", Erscheinungen yon ,,Sinnenge- diichtnis" genannt, gibt es im Bereiche des GehSrs und noch einiger anderer Sinne. Schon die ~lteren Berichte beweisen, dal~ das Anschauungsbild ira allgemeinen wohl verschieden ist: 1. yon dem Erinnerungsbild, das sich einstellt, wenn wir etwa an eine Landschaft denken; 2. yon dem physiologischen Nachbild, welches nur im unmittel- baren Anschlul] an st~rkere optische Reizung und nur kurzdauernd auftritt; so wenn wir in die Sonne blicken und dann deren Bildchen abwechselnd dunkel und hell (positives bzw. negatives Nachbild) vor uns schen (E. Jaensch a. a. O.). Die genaueren Untersuchungen des Instituts haben nun ergeben, dal3 das Anschauungsbild in seinem u eine Mittelstellung einnimmt zwischen den physiologischen Nachbildern ur~d den Vor- stellungsbildern, immer aber der Inhalt der AB im buch-

Über Wechselbeziehungen von optischen, cerebralen und somatischen Stigmen bei Konstitutionstypen

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Uber Wechselbeziehungen yon optischen, cerebralen und somatischen Stigmen bei Konstitutionstypen.

Vorl~ufige Mitteilung.

Von Dr. reed. Walther Jaenseh,

(Aus dem psyehologischen Institut der Universit/tt Marburg.)

(Einqegangen am 26. April 1920.)

1. Die vorliegenden Untersuchungen kniipfen an die Ergebnisse der experimentellen Analyse der Anschauungsbilder (AB) an, die im hiesigen Lustitut durchgefiihrt wurde. (Vorl~ufiger Bericht erstattet von E. J a e n s c h , Sitzungsberichte der Gesellschaft zur BefSrderung der gesamten ~qaturwissenschaften zu Marburg Nr. 5, Dezember 1917.)

,,Es gibt Individuen, die die F~higkeit besitzen, eine Vorlage, selbst nach kurzdauernder Betrachtung, sp~ter mit sinnlicher Deut- liehkeit vor sich zu sehen, entweder nur unmittelbar nachher oder auch naeh 1/4ngerer Zwisehenzeit. Spontanes Auftauehen solcher Bilder aueh in neuen Kombinationen und mit mannigfachen Ver~nderungen gegeniiber dem Urbild kommt vor.

Entsprechende Anschauungsbilder, auch ,,Wiederholungsempfin- dungen", ,,Erinnerungsnachbilder", Erscheinungen yon ,,Sinnenge- diichtnis" genannt, gibt es im Bereiche des GehSrs und noch einiger anderer Sinne.

Schon die ~lteren Berichte beweisen, dal~ das Anschauungsbild ira allgemeinen wohl verschieden ist:

1. yon dem Erinnerungsbild, das sich einstellt, wenn wir etwa an eine Landschaft denken;

2. yon dem physiologischen Nachbild, welches nur im unmittel- baren Anschlul] a n st~rkere optische Reizung und nur kurzdauernd auftritt; so wenn wir in die Sonne blicken und dann deren Bildchen abwechselnd dunkel und hell (positives bzw. negatives Nachbild) vor uns schen (E. J a e n s c h a. a. O.).

Die genaueren Untersuchungen des Instituts haben nun ergeben, dal3 das Anschauungsbild in seinem u eine Mittelstellung einnimmt zwischen den physiologischen Nachbildern ur~d den Vor- stellungsbildern, immer aber der I n h a l t der AB im b u c h -

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s t ~ b l i e h e n S inne , ,gesehen" wird, und zwar kann es im Gegen- satz zum gewShnlichen Nachbild (NB) in ausgepr~gten F~llen den gleichen Detailreichtum und die gleiehe Farbigkeit haben wie die Vorlage selbst. Im Gegensatz zu der oft unbeschr~nkten Dauer des AB ist das gewShnliehe positive NB nur verschwindend kurz (Wundt) , noch kfirzer als das gewShnliche negative, vor allem bei nieht besonders intensiven Reizen der hier verwandten Art, oft fiber- haupt nur schwer erzeugbar.

Bei Erwachsenen selten, sind die AB nach den Untersuchungen des Instituts (Dr. Kroh) bei Imdividuen zwischen 10 und etwa 15 Jahren eine sehr verbreitete Erscheinung, nach den Marburger Feststellungen bei 40--60% dieser AltersMasse nachweisbar. Indessen seheint die H~ufigkeit der stark ausgesproche~:en Fi~lle nach unverSffentlichten Untersuehungen des gleichen Autors 5rtlich etwas verschieden zu sein.

2. Dem Verf. lag als Mediziner naturgem~B die Fragestellung nahe, ob die AB vielleicht zu den Merkmalen eines bestimmten Konstitutionstypus gehOren urd d a r u m als ~ q u i v a l e n t e soma- t i s che r S t i g m e n ztt b e t r a c h t e n s ind.

Untersucht wurden fiber 200 Personen, gesur.de Schulknaben zwisehen 19 und 15 Jahren und darfiber, jugendliehe Erwaehsene (Studierende und Schiller der landwirtsehaftlichen Wintersehule) und auch ~ltere Indlviduen.

Den l e i t e n d e n G e d a n k e n gab der U n t e r s u e h u n g der B e f u n d eines F a c i a l i s p h ~ n o m e n s hSchs t en Grades (ausl6sbar dutch Bestreiehen der Wange naeh F. Schul tze) an zwei bereits an pathologische Formen grenzenden F~llen yon AB. ]Diese zeigten aueh sonst die ausgesprochenen Merkmale eines tetanoiden bzw. spasmo- philen Zustandes im Sinne von v. F r a n k l - H o c h w a r t mlt galva- nischer und meehanischer Ubererregbarkeit auf motorischem und sen- siblem Gebiete; einer hatte ausgesprechenes Uffenheimersches Tetaniegesicht, dagegen bestanden weder Trousseausches PhKnomen noch spontane Krampfe. In dem einen Tall war anamnestisch und famflienanamnestisch Laryngospasmus festgestellt.

Die ikB dieser FKlle, die bereits 21/2 Jahre in der Beobachtung des Instituts als Versuchspersonen standen, hatten in dieser Zeit nie- mals ein Sehwanken oder Aussetzen gezeigt.

Calcium lacticum 1) lieB nun die sehr hochgradigen und persistenten AB, die teilweise Kngstlichen und angreifenden Charakter hatten

a) Um sicheres Einnehmen des Kalks zu gew~hrleisten, wurde derselbe in der angenehmen Form der Merckschen Kompretten (Calc. lact. 0,5 sacch, obd.) bis zu 8 g und mehr pr. die bis monatelang gegeben. Die Firma stellte diese in dankenswerter Weise auf unsere Bitte zur Verfiigung, da das Institu~ fiber keinerlei Mittel hierfiir verfiigte.

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(Tiere mit drohenden Gabiirden usw.), und die verl~ngerte Nachdauer des NB (beides bestimmt nach quantitativen und qualitativen Mes- sungsmethoden), zum Versehwinden bringen; parallel damit gingen auch die tetanoiden bzw. spasmophflen Symptome (elektrische und meehanisehe Ubererregbarkeit, Facialisphiinomen usw.) zuriick, ein Toil derselben schwand vollstiindig und dauernd, einige andere er- fuhren eine wesentliche Abschwhehung, um erst Wochen nach Aus- setzen des Calciums in abgeschwiichter Form wiederzukehren. Ebenso wurden die optischen Erscheinungen dann wieder nachweisbar, und zwar in wesentlich sehw~eherer Form, in einem Falle schlieBlieh nur noeh in Gestalt spontan auftretender Bflder, wiihrend die friiher so deutliehen AB nach Vorlagen nicht mehr regelmiiBig erzeugbar waren. Auch die Naehdauer des NB wurde wieder liinger.

Da die AB und die verl~ingerte •aehdauer der NB bei einem groBen Prozentsatze der Jugendliehen nachweisSar sind, so erhob sich die Frage, ob dieser ebenerwiihnte (dureh die naeh C u r s c h m a n n spezifiseh wirkende Kalkdarreichung aufgedeekte) Zusammenhang zwischen optischen und somatisehen Konstitufionscigentiimlichkeiten ein regelm~iBiger oder gar durehgehender sei und sich auch an einem gr6Beren Material wiirde nachweisen lassen, so daI3 die AB und das ve r l i inger te NB als ~ q u i v a l e n t e der schon b e k a n n t e n t e t a - no iden bzw. s p a s m o p h i l e n Ze iehen a n z u s p r e c h e n w~ren.

F a l t a und K a h n (1911) hatten auf die Betr des vegeta- riven Nervensystems bei Tetani~ und r hierbci oft gleiehzeitig nachweisbaren Hyperthyreose hingewiesen. Infolgedcssen wurden die Feststellungen zuglr auch auf das Erscheinungsgebiet ausgedehnt, welches den R. Stern 'schen Begriff des Basedowoids umfaBt, das h~ufig schon bei Jugendlichen, oft in rudimentiirer Form, gefunden wird. Aul3er den yon R. S t e r n hierfiir angefiihrten, meist naehweis- baren Stigmen (Labilitiit des Pulses, miil3ige Weite der Lidspalte, das Sehwimmende im Bliek, Starre des Ausdrucks, gewisse Seltenheit des Lidsehlags, M6bius, leiehtes Schwitzen, aueh Reichtum an neurasthe- nisehen und hysterischen Besehwerden) wurd.e aueh das V i g o u r o u x - sche Zeichen des erniedrigten Hautwiderstandes und ferner die yon Mac kenz ie angegebene respiratorisehe Arythmie in die Untersuchung miteinbezogen. Uber die Blutbefunde kann erst spiiter berichtet werden.

Einzelne weitere naheliegende Tests des vegetativen Nervensystems, z. B. die LSwi'sche Reaktion, wurden wegen des meist negativen Aus- falles spiiter nieht mehr in die Untersuchung einbezogen. Weitere pharmakologisehe Untersuehungen verboten sich bei dem niehtklinisehen Charakter des Bcobaehtungsmaterials yon selbst.

3. Es liel3en sich nun bei den ,,Eidetikern" (d. h. Individuen mit AB) zwei Typen unterseheiden, welehe meistens mehr oder weniger

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gemischt, aber auch getrennt vorkommen. Die AB gehSren dem- nach zu den M e r k m a l s k o m p l e x e n zweier K o n s t i t u t i o n s - t y p e n (des ,,T-" und des ,,B-Typus"), die wir a u f G r u n d u n s e r e r U n t e r s u c h u n g e n a u f s t e l l e n k S n n e n , u n d d i e - - z u m min - d e s t e n auf der gep r i i f t en A l t e r s s t u f e - sehr v e r b r e i t e t s ind. Sie s ind die o p t i s c h e _ ~ q u i v a l e n t e der s o m a t i s c h e n S t i g m e n d i e s e r K o n s t i t u t i o n e n und zeigen in i h r en n~he ren : E i g e n t i i m l i c h k e i t e n , je nachdem sie zum T - o d e r B-Typ g e h S r e n , e inen wesen t l i ch v e r s c h i e d e n e n Cha rak t e r .

Das meist kombinierte Auftreten dieser beiden Konstitutionsarten diirfte in de m Z u s a m m e n h a n g der vermutlich zugrunde liegen den Stoffwechsel- bzw. innersekretorischen Vorgi~ege begriindet sein.

0fters kommt das optische Stigma der beiden Typen auch isoliert vor (,,optisches Tetanoid bzw. Basedowoid '~ oder in Verbindung mig ganz vereinzelten ~quivalenten, wie eine ~hnliche Erscheinung in der Selbst~ndigkeit der bekannten tetanoiden bzw. spasmophilen Zeichen ja schon erwiesen ist (F. Chvostek) . Auch in so lchen Fiillen l~13t sich die ZugehSrigkeit des optischen Stigmas zum T-Komplex durch die Kalkwirkung dartun, die bei a l len z u m B-Komplex g e h S r e n d e n S t i g m e n einschhcl31ich des dorthin gehSrenden be- sonders gearteten AB vol l s t~ndig und in a l len F~l len nega- t i v ist.

a) T-Typ. Es bes~eht verl~ngerte Nachdauer des in der Regel periodisch

auftretenden und wicder verschwindenden komlolement~ren (ncga- tivcn) Nachbildes. Das AB, das nach den Untersuchungen des In- stituts in seinem Verhalten im allgemeinen eine Mittelstellm~g zwischen NB und Vorstellungsbild einnimmt, steht in seinem Charakter dem NB nahe; gleich diesem ist es relativ ,,start", d. h. sowohl dutch i~ul~ere experimentelle Einfliisse (StSrtmgsreize usw.) wie durch den Wfllen und die Vorstellungen des Beobachters relativ schwer zu beeinflussen und abzuiindern. Ferner wird es bei spontanem Auftreten oft als fremd und aufgedriingt und meist nicht in den Vorstellungsablauf passend empfunden.

~ur in den ausgeloriigtesten F~llen ist es urbildmiil3ig gefi~rbt und (bei kOrperlichen Gegenst~nden als Vorlage) dreidimensional, in den weniger ausgepriigten F~llen zumeist fliichenhaft und komplement~r zum Urbfld, i~hnlich wie das physiologische Nachbild, doch yon ihm nach bestimm~en und exakten Methoden leicht zu unterscheiden.

Es bestehen geringere oder hShere Grade der galvanischen Uber- errcgbarkeit (anodische oder kathodische nach yon P i rque t ) auf motorisohem und sensiblem Gebiete, ebenso auf mechanische Reize. Trousseausches Phi~nomen wurde nie gefunden. Auch licBen sich

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mitun~er bei anderen FamilienangehSrigen tetanoide bzw. spasmo- phfle Erscheinungen feststeUen.

0fters lagen zugleich St0rungen vor, wie Fureht im Dunkeln und andere Phobien, Schlafreden, Payor noeturnus, I~achtwandeln, anam- nestisch und famflienanamnestisch leichte Crampi, Laryngospasmus oder Eklampsie, Par~sthesien, angeblich unaufgekl~rte Temperatur- steigerungen, Urtikariaanf~lle, Farbensehen im Dunkeln und auch bei Tage beim Lesen, Rhachitis. In einigen F~llen waren Schmelzdefekte, Pupillendifferenz, Andeutu~g des Uffenhe imersehen Tetaniegesichtes, von Begleiterscheinungen 0frets eine grSI~ere Zahl yon St0rungen, die den ,,neurasthenischen", ,,epileptoiden" - - w i e leichte Absencen und Schwindelgefiihle 1) - - mitunter auch hysterischen Erscheinungen zugerechnet wfirden, wofern sie dem Arzt fiberhaupt zu Gesieht kommen ; denn es handelte sich, wie gesagt, um ,,gesunde Individuen".

Eine gewisse Beziehung scheint auch zwischen dem ,,optischen Tetanold" (AB vom T-Typ und langes NB) und den Zwangsvor- stelhmgen resp. ZwarJgshandlungen zu bestehen (Vorstellungskr~mpfe ?).

Die H~ufigkeit des Vorkommens aller dieser somati~chen Stigmen auf der einen Seite (der verschiedenen galvanischen Ubererregbarkeits- grade und anderer tetanoider bzw. spasmophiler Zeichen) und des op- tischen Stigmas (AB und verl~ngerte Naehdauer des I~B) auf der ande- ren Seite, ~eist im allgemeinen einen weitgehenden Parallelismus auf und nimmt im gleiehen Sinne ab, je welter sich das Lebensalter yon den Pubert~tsjahren entfernt. Indessen gehOren die Anschauungs- bflder nicht eigentlieh zu den PubertRtserscheinungen, sondern haben schon vorher ihre Akme. Leider lassen sie sich nur yon einem ge- wissen Alter an zuverl~ssig kontrollieren. Bei ~rwachsenen kommen sie nur vereinzelt vor, doeh lassen sieh dann auch bier die Zusammen- h~nge mit den genannten somatischen Stigmen feststellen. Chvo- s t e ks Faelalisph~nomen verschiedenen Grades wurde unter den hiesigen Sehulkindern in einem iiberraschend hohen Prozentsatze gefunden, ebenso die anderen tetanoiden bzw. spasmophflen Zeichen, einsehlie~- lieh der verschiedenen Grade der galvanischen Ubererregbarkeit (vgl. aueh F. L u s t , ])as Peroneusph~nomen, Miinch. med. Woehensehr. 1911). Ihre H~ufigkei~ entsprieht etwa dem Prozentsatze der in dieser Altersstufe gefundenen AB, die sigh aueh hierin wieder als ~qui- valent erweisen.

Im ttinblick auf die Frage des etwaigen Geschlechtseinflusses wurde bei mehreren M~dchenklassen der katholisehen Biirgerschule wenigstens das Facialisph~nomen untersueht. Es zeigte sich ein ganz ~hnlich h~ufiges Vorkommen wie bei den Knaben.

~) Gef~Bkr~mpfe? Vgl. auch S t e r z, Peliodische Blutdruckschwanku~gen der Gehirnarterien, Berl. klin. Wochenschr. 1919.

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Vergleichsweise wurden die ~lteren Schiller der hiesigen Landwirt- schaftlichen Winterschule, Studenten und andere, aueh ~Itere Er- waehsene untersucht. Hierbei zeigte sich die oben erw~hnte Abnahmc der H~ufigkeit des Erscheinungskomplexes mit fortschreitendem Lebens- alter. Gleichzeitig wurde der weitgehende Parallelismus zwischen opti- sehen und somatischen ~quivalenten auch bier best~tigt, und in ein- zelnen F~llen ihr Zusammenhang durch Kalkwirkung erh~rtet. (Die H~ufigkeit des Vorkommens yon 0ffnungszuckungen F- [AnOeZ und KOeZ] unter 5 MA. nimmt im gleiehen Sinne jenseits des Pubert~ts- alters ab wie dm H~ufigkeit der AB, ebenso verh~lt sieh die H~ufig- keit des Vorkommens der meehanisehen und sensiblen Ubererregbar- keit und des Facialisph~nomens.)

Bei ausgedehnterer Anwendung der Kalkdarreichung zeigte sieh, dab die r e i n e n T -Typen im allgemeinen g u t au f K a l k r eag i e r en , und dab die optischen Erscheinungen des AB und der langen Nach- dauer de s NB, ebenso wie die ilbrigen tetanoiden bzw. spasmo- philen Zeichen, vor allem die galvanischen ~berregbarkdtsgrade unter 5 I~IA. (vgl. aueh Ques t , Wien. med. Wochenschr. 1906) einschliel~lich tier gleichzeitig festgestellten Erscheinungen yon Paver nocturnus, Schlafreden, Nachtfureht, Nachtwandeln, Sehwindelanf~]le (Gef~l~- kr~mpfe ?) bald iiberrasehend schnell, bald langsam versehwanden oder zum mindesten abgeschw~cht wurden.

In der Rcgel schwanden die optischen Erscheinungen, und zwar selbst solehe hSchsten Grades, zuerst, hiermit sieh als besonders feines Konstitutionsreagens erweisend.

Nach diesem Cursehmannschen Kritcrium des Erfolgs der Kall~- zufilhrung mul~ entgcgen den Zweifeln von F. L u s t , der 1911 in Heidel- berg (Miinch. med. Wochenschr. 1911) einen ~hnlichen Prozentsatz yon frilhen 0ffnungszuckungen (vgl. auch H e r b s t , Dtsch. reed. Woehenschr. 1910, und S p e r k , Wien. klin. Woehenschr. 1910) bei iilteren Kindern fand, an der tetanoiden bzw. spasmophilen Eigenschaft dieser galvanischen Erregbarkeitsgrade festgehalten werden. Dasselbc postuhert auch Th iemieh (Monatsschr. f. Kinderheilk. 1906, S. 160) ausdrilcklieh fiir das isolierte Faeialisph~nomen bei ~lteren Kindern.

Diese Befunde an der Zuckungsformel (anodisehe und kathodische Offnungszuekungen bzw. KaSTe unter 5 MA.), die bereits v. P i r q u e t (Wien. med. Woehenschr. 1907) vornehmlieh filr den Nervus peroneus an ganz jungen Kindern ermittelte und hier als Zeichen seiner ,,ano- dischen und kathodischen Uberregbarkeitsgrade" bis 5 MA. Reiz- st~rke aufstellte (vgl. aueh T h i e m i e h und Mann , F i n k e l s t e i n ) scheinen demnach auch filr ~ltere Kinder und Erwaehsene Geltung zu haben, v. P i r q u e t bemerkt, dab diese Verh~ltnisse am l~ervus pero~ neus besonders eindeutig sind. Bei den vorliegenden Untersuchungen

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muBte aus Bequemlichkeitsgriinden stets der Nervus ulnaris benutzt werden. Bei ihm liegen die Reizsehwellen der einzelnen Zuekungen i~hnlich, wenn aueh normalerweise nicht ganz so weit auseinander als am erstgenannten.

Ferner ergibt sich die nicht zu unterseh~tzende Bdeutmag aueh der AnodenSffnungszuekungen zwischen der yon v. P i r q u e t festge- stellten pathologischen Reizsehwelle (2 MA.) und 5 MA. - - bei ~lteren Kindern mad Erwachsenen - - auch am Iqervus ulnaris, besonders dann, wenn man gerade den oft rudimentgren u der aus- gesprochen pathologischen Zuckungsformel in der Konstitutionsbeob- achtmag nachspiirt, worauf P i r q u e t auch schon hinwies.

DaB auch diese oft in ihrer Bedeutmag vSllig unbeaehteten oder geleugneten Eigentfimlichkeiten der Zuekul~gsformel als Hinweise fiir die Konstitution mad den Erregbarkeitsgrad in Betraeht kommen, ergibt sich aus der parallel verlaufenden Abstufung der optischen und galvanischen Erscheinmagen, mad wird durch die besondere Fein- heit des optischen Reagens sichergestellt. Dean in demselben Mal~e wie die H~ufigkeit und die Deutlichkeit dcr AB ]enseits des Pubert~ts- alters progressiv abnimmt, gehen auch jene rudiment~ren Vorstufen der galvanischen Uberregbarkeit am Nervus ulnaris zuriick; ebenso zeigen beide Erscheinungskomplexe auf Kalkdarreiehung cinen parallel verlaufenden l~iickgal~g. Man gewinnt ferner aus der Korrelation der optischen mad galvanischen Erschcinmag, sowie aus ihrem u bei Kalkdarreiehung den Eindruck, dal~ die niedrigen, aber noeh inner- halb der ,,normalen" Breite licgenden l~eizschwellen fiir die SehlieBungs- zuckungen und das Auftreten der eben erw~hnten AnedenSffnungs- zuckung zwischen 2 und 5 MA. gleich einzusch~Ltzen sind und als Er- regbarkr verschiedener Stufen innerhalb der normalen Breite aufgefal~t werden miissen. Ubereinstimmend hiermit hat schon v. P i r - que t jedes Auftreten von AnodenSffnmagszueku~gen unter 5 MA. beim ~ervus peroneus als Zcichen einer lr Uberregbarkeit bei jungen Kindern bezeichnet. Mit der Ann~herung der Ancden6ffnungs- zuckmag an eine Reizschwelle von 2 MA. und darunter, oder gar bei Uberwic'gen der AnOez sinkt di ~ Erregbarkeit nach v. P i r q u e t in die ausgesprochen pathologische Form, auch wenn die SchlieBungs- zuckung in solchen F~llen nicht unter die untere Grenze des Nor- malen f~llt. Jede, auch nahe an 5 MA. liegende KathodenSffnungs- zuckung dagegen hat, nach dem gleichen Kriterium der Korrelation von optischen mad galvanischen Erseheinungen, dieselbe Wertigkeit wie SchlieBungszuckmagen, die mater den normalen Minima liegen (vgl. Th i emieh mad Mann).

Mit gleicher Wertigkeit kann Iiir die KathodenSfinungszuckung der Kathodensehliel3ungstetanus eintreten (v. Pi r q u e t).

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Erst mit AbschluG vorliegender Untersuchungen kam Verf. beim Literaturstudium die Peri tzsche Arbeit (Zeitschr. f. klin. Med. 77. 1913) fiber die ,,Spasmophilie der Erwachsenen" vor Augen. ]~ie Be- funde dieses Verf. bestiitigen die v611ig finabh/ingig von ihm im Ver- laufe vorliegender Untersuchm~gen gewonnenen Anschauuv.gen iiber die Bedeutung der Anoden6ffnungszuckurgen unter 5 MA. ffir die Er- kennung eines oft rudimentiiren spasmophilen bzw. tetanoiden Zu- standes auch bei Erwachsenen. Pe r i t z benutzte bei seinen Unter- suchungen den Nervus medianus.

13ie gleiche Xtiologie wie bei den somatischen Erscheinurgen mug aus oben angeffihrten Grfinden nun auch ffir die optische Xquivalente (AB und verlgr~gertes NB) angenommen werden.

I)ie Spezifitiit der Kalkreaktion auch ffir die opti,zche Aquivalente offenbart sieh auger dutch ihre Glcichsin~igkcit fiir alle Erschr des T-Kowplexes vor allem durch ihre laI~ge I)auerwirkung. Auch in den vereinzelt vorkommenden Fgllen isolierten Auftretens des "op- tischen ~quivalents ist sie zu beobachten.

In manchen F/illen bleiben dagegen alle Stigmata unbeeinfluGt, und es mug sieh daher hier um funktionell und organisch tiefer ver- ankerte konstitutionelle Zustiinde handeln. In s o l c h e n F/illen, in denen der T-KoIr~plex iiberwog, verstiirkten neben der Kalkzuffihrung gegebene Schilddriisenpr/iloarate die anf/irglich geringe Wirkurg der Kalkdarreichung auf den GesamtzustaI:d und. die nerv6sen Begleit- erscheinu~gen, ein Erfolg, der vor allem subjektiv sehr auffallend empfunden wurde. Eine ~-r~deru~g der optischen urd galvanischen Erregbarkeitsverkiiltnisse war dagegen in diesen Fgllen nceh nicht nachwcisbar. In einem anderen l~alle, der dem B-Typ niiher stand, sollen Parathyrecidintabletten versucht werden, auch an die An- wendung von Hypophysenpriiparaten k6nnte gedacht werden.

In den ldcht reagierenden :Fiillen k6nnte man bei Jugendlichen etwa an einen blogen Kalkhu~ger denken (Spasmophilie - - S tSlzner? im Gegensatz zu tetanoider parathyreogener l~orm ?), tier schon in den Wachstumsvorg~ngen beglii1:det sein k6nnte, wcfern nicht cine nur graduell von den schwer reagierenden :Fiillen ~ich stark unterseheidende funktionelle St6rung des Kalkstoffwechsels anzunehmen ist, deren Umstimmung dureh fortgesetzten Anloassu~gszwang des Organismus an erh6hte Ka]kzufuhr viellcicht besonders bei Jugendlichen im tie. rciche der M6glichkeit liegen k6nnte.

b) I~- Typ.

Das AB vom ausgesprochenen B-Typ ist von gr6Gter Deutlichkeit, bei k6rperlichen Vorlagen nicht fliichenhaft, sondern vollk0rperlich, meist urbildm~ilig gef/irbt, von.stiirkster Beeinflugbarkeit und Ver.

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~nderlichkeit durch ~ul~ere expcrimentelle MaBnahmen, sowie durch den Willen und die Vorstellung des Beobachters; zuweilen erleidet es yon selbst kaleidoskopartige Abwandlungen, im allgemeinen ist es auch ohne Vorlage aus der Erinnerung miihelos erzeugbar. ]~s wird bei spontan auftretenden Bildern als vollst~ndig dem Vorstellungsablau[ zugehSrig und nicht als fremd empfunden. Wohl aus diesem Grunde wiinschen die betreffenden Individuen im G~gensatz zu manchen des T-Typs von ihrer Eigentfimlichkelt nicht befreit zu werden.

Lieber als jene sprechen dis zum B-Typ gehSrenden fiber ihre AB, die sie als einc reiche Gabe freudig empfinden, w~hrend die anderen eher eine unheimliche, fremde und zu fiirchtende Eigenschaft ihrer Person in diesen Erscheinungen sehen, die sie vor anderen verbergen und auch Eltern und Erziehern gegenfiber nicht zu erw~hnen 1)flegen.

Wi~hrend diese (die T-Typen) ihre AB also eher verheimlichen, halten jene (die B-Typcn) sie fiir etwas so Naturgegebenes, dal~ sie sigh zu anderen, bei denen sie die Erscheinungen gleichfalls stets ein- fach voraussetzen, ebenfalls selten fiber sie ~ul~ern, alles Umst~nde, die bewirken, dab die Verbreitung dieser Erscheinungen solange ver- borgen blieb.

Das zum B-Typ gehSrende AB steht dem gewShnlichen Vor- stellungsbild dem Verhalten nach am n~ehsten, es ~ ird aber in buch- s t ~ b l i c h e m Sinne ganz wie be im T-Typ , ,gesehen" und zwar geradG meis t mi t grSl~ter D e u t l i c h k e i t . Es handelt sich h~ufig um bewegliche, geistig regsame Individuen, mitunter von stark labiler Psyche.

Es finden sigh ferner: Respiratorische Arythmi~ oder Pulsus respi- ratorius, leichtes Schwitzen, lebhafte I4autreflexe, niedriger Haut- widerstandl), h~ufig Augensymptome (MSbius, weite Lidspalte, ]eb- hafter Vvechsel der Pupillenweite, das Schwimmende im Blick, Glanz- auge, gelegentlich leichte Protrusio bulbi, Stellwag), leichte ttals- verdickung.

Das zu d i e sem T y p als op t i sche ~ q u i v a l e n t e gehSrendc AB weight ke ine r noch so i n t e n s i v e n K a l k z u f f i h r u n g , es wird auch n i c h t e i n m a l abgeschw~ch t , was bei den so h~ufigen Misehformen 5frets zu erreichen ist, wenigstens msoweit, da~ keine spontanen Bilder mehr auftreten und die nervSsen Bcgleitersciminungen gleiehfalls gebessert werden.

Bei einzelnen F~llen bewirkte das Calcium eine reinliche Scheidung: die zar T-Komponente gehSrenden Erseheinungen einschliel31ieh des verl~ngerten NB's gingen zurfick oder wurden stark abgeschw~icht,

1) Gemessen nach F. Chvostek an den Anfangswiderst~nden und rela- riven Widerstandsminima (Zeitschr. f. klin. Med. 1891), bei gleichm~flig starker Anfeuchtung der tIaut.

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alle zur B-Komponen~e gehSreuden einschlie~lich des Anschauungs- bildes bheben vol!st~ndig unver~ndert erhalten.

Es sei hier noch erw~hnt, dab genau wie beim T-Typ die tt~ufig- keit des B-Komplexes abnimmt mit der Abnahme der H~ufigkeit der AB, je welter sich das Alter vonder Pubert~t entfernt. Auch das ,,optische Basewoid" ~ird mitunter als emziges oder in Verbindung mit nur einzelnen somatisehen Stigmen aufweisbares Kennzeichcn der Konstitution gefunden (PsychosenI),

4. Wie auf optischem, so kommen auch auf akustischem und dem" Gebicte der Hautsinne und anderer k(irperlicher Organempfindunge~ AB vor (vgl. auch C u r s c h m a n n , Uber sensible und sensorische Tetanie, Mfinch. reed. Wochenschr. 1919). Es l~[tt sich dabei manch- real galvanische Ubererregbarkeit des Acusticus, mitunter auch auf das sensible Gebiet beschr~nkte Ubererregbarkeit der peripheren Nerven auf galvamsehe und mechanische Reizung feststellen. Auch der Opticus seheint mitunter leichter mit Liehterseheinungen auf galvanisehe Reizung zu reagieren (v. F r a n k l - H o e h w a r t bezweifc]t eia solches Ph~nomen bei seinen Fi~llen von ausgesproehener Tetanie).

Die ans Pathologische heranreichenden F~lle des Untersuehungs- materials legen nahe, die Tetanie- und Basedowpsychosen und ge- wlsse F~lle voa halluzinatorischen Erkrankungen, vielleicht auch Zwangsvorstellungen mit den hier beschriebenen Konstitutionstypen in Zusammenhang zu bringen. G. P e r i t z deutet in seiner oben er- w~hnten Arbeit ebenfalls einen mSglichen Zusammenhang zwischen Sl~smophiler Konstitution und gewissen Angstneurosen an,

K. G o l d s t e i n (Zur Theorie der IIalluzinationen, Arch. f. Psych. u. Nervenkrankheit 44. 1908) betont die , , U b e r e m p f i n d l i e h k e i t gegen S i n n e s e i n d r i i e k e " bei echter Paranoia, ebenso beim Beginn und dem Abldingen von Psychosen, im Fieberdelirium, bei Neurasthenie. ,,Hand in Hand dam~ gehen alle die krankhaften Sensationen ohne naehweisbare entsprechende Ver~nderung, die ge~iB gro[~enteils zentral beding~ sind und deren halluzinatorischer Charakter aueh Je nd ras s i k he rvo rheb t . . , in dieser Beziehung miissen natiirlich die Angaben yon Kranken mit ausgesprochenen Halluzinationen, aber erhaltener Einsicht fiir dieselben besonders wertvoll sein" (K. Go lds t e in a. a. O. ,,Anschauungsbilder !" Der Verf.). Hierbei ist auch an die be- sonders von S t r f impe l l vcrtretene Anschauung des Vorkommens yon ]~rkrankungen durch Vorstellungen zu denken. Vielleicht lieBe sich mit Hilfe des B- und T-Typs eine gewisse Klassifizierung yon bestimmten Typen der Neurasthenie, wenigstens der Jugendlichen, durchfiihren.

J o l l y (Arch. f. Psych. 1874, S. 495), ebenso F. C h v o s t e k fanden ferner bei Halluzination.en Erseheinungen, die auf einen Zusammen-

Z. f. d. g. Near. u. Psych. O. LIX. 8

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114 W. Jaensch: l~ber Wechselbeziehungen yon optischen,

hang mit den hier geschflderten ZustKnden schlieflen lassen (]~bererreg- barkeit des Acusticus auf galvanische Reizung bei Geh6rshaUuzinanten).

/kndere Autoren berichten fiber somatische Erscheinungen bei Psychosen, welehe ~hnlichkeiten mit den beim B-Typ aufgewiesenen Merkmalskomplexen vermuten lassen ( S t r a n s k y , E p p i n g e r und Pl.Stzel, vgl. auch oben ,,optisches Basedowoid").

An gewisse ZusammenhKnge mit ~hnlichen Erscheinungen bei Unfallsneurose erinnert ein weiterer Fall unseres Materials. Ein junger Mann, Primaner, war yon einem Felsen gestfirzt und hatte dabei den Arm gebrochen. Nach seiner spontanen Angabe empfindet er jetzt, Jahre nach dem Unfall, jedesmal beim Betreten des Unfallortes oder lebhafter ]~rinnerung daran, einen intensiven Schmerz in der Bruch- stelle. Der Betref~ende besitzt kfinstlich erzeugbare AB auf dem Gebiete der oberfl~chlichen und tiefen Sensibilit~t neben den AB auf optischem Gebiete und zeigt eine auf die sensible Sphere beschrKnkte galvanische und mechanische Ubererregbarkeit. Nach vierwSchent- licher Kalkdarreichung geht die Erzeugung der taktilen mad sen- siblen AB bereits vie1 schwerer und mit vie1 geringerer :Empfin- dungsintensitKt vor sich, die sensible Erregbarkeit auf den galva- nischen Strom ist jetzt normal zu nennen.

Bemerkenswert ist noch, dab F. B l u m , Neurol. Zentralbl. 1902, S. 695, auch bei Hunden, denen die EpithelkSrper entfernt worden waren, fiber Psychosen und Halluzinationen berichtet.

Weiterhin seheint sich der B-Typ mit dem der ,,vegetativ stig- matisierten" Konstitutionen zu decken, die G. v. B e r g m a n n sowie G. K a t s c h ur~d K. W e s t p h a l nach ihren VerSffentlichungen (Berl. klin. Wochenschr. 1913, Nr. 51 u. Mitt. a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chir. 1913, 3. Heft) so hKufig mit ,,pylorischem Syndrom" und Uleus duodeni gepaart sahen. Auch die psychische Labilit~t des B-Typs entspricht Khnlichen Erscheinungen, auf deren EinfluB G. v. Berg- m a n n bei seinem Konstitutionstyp in solchen Zusammenh~ngen hin- weist.

Besonders interessant erscheinen solche Beziehungen, wenn man an die in dieser Arbeit aufgewiesenen, so h~ufigen Verkniipfungen yon B-Typ und T-Typ [vgl. auch F a l t a und Kahnl) ] einerseits, andererseits an das nicht so seltene Vorkommen von Tetanie bei Dilatatio ventriculi und die yon v. B e r g m a n n stets betonte, fast ausschheBlich pyloro- spastische ~,tiologie letzterer Erkrankung denkt. (Vgl. aueh die An- gaben yon F a l t a und K a h n 1911 fiber Spasmen der Magenmuskulatur bei Tetanie.) Hierbei ist auch daran zu erinnern, dab F. Sehul tze und seine Schiller h~ufig mechanische Ubererregbarkeit bei Magen- dilatationen nachweisen konnten.

1) (Tber die Beteiligung des vr Nervensystem.~ bei Tetanie, s. o.

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cerebralen und somatischen Stigmen bei Konstitutionstypen. 115

Es erhebt sich die Frage, ob v. B e r g m a n n s ,,vegetativ Stigmati- sierte" nicht 5fters im Sinne von P e r i t z Spasmophile sind, die dem hier aufgewiesenen T-Typ oder dem T-B-Typ entsprechen; F. K r a u s sprieht in seiuer letzten VerSffentlichung (Wirkung des Calciums auf den Kreislauf, Dtseh. med. Woehensehr. 1920, Nr. 8) ebenfall~ eine Vermutung aus, die auf einen mSglichen Zusammenhang zwisehen den P e r i tz sehen ,,spasmophilen Erwachsenen" und den Vagotonikern hinweist.

Es wird Aufgabe der ausfiihrliehen VerSffentliehung scin, das Mate- rial eingehender zu bringen, die Literatur unter den gewonnenen Ge- siehtspunkten durchzuarbeiten und die bereits angedeuteten theore- tischen Yragen und klinischen Ausblicke noch weiter zu erSrtern. Auch werden erst hier die Untersuehungsmethoden und die objektiven Kon- trollen gesehildert werden, mittels deren man die Angaben der Versuchs- personen naehpriifen kann, und denen vielleicht aueh klinisehe Ver- wendbarkeit zukommen diirfte.

5. Diese Untersuchungen wollen zun~chst nur den Zwecken der Klinik vorarbeiten und bewegen sich etwa in der Richtung des Kra Us- sehen Postulats yon psyehophysischer Konstitutionsforsehung und Personalcharakteristik (Allgemeine und spezielle Pathologie der Person 1919).

Angeregt wurden sie dadurch, dab Verf. mit der Einstellung der G. v. Bergmannschen Klinik an das Beobachtungsmaterial des psychologischen Instituts herantrat. Inwieweit den vorliegenden Be- funden Allgemeingiiltigkeit zukommt, mui~ der Nachpriifung iiber- lassen bleiben.

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