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(Aus der Anstalt ,.He~ Apeldoornsche Bosch", Apeldoorn, Holland.) Untersuchungen fiber die BlutkSrperchensenkungsreaktion, Blutgerinnung und Fibrinogengehalt des Plasmas bei Psychosen. Von D. Schrijver und S. Schrijver-Hertzberger. Mit 5 Textabbildungen. (Eingegangen am 14. August 1928.) Ziel vorliegender Arbeit war die Erlangung einer Einsioht in die bereits yon verschiedenen Autoren festgestellten Abweichungen der Senkungsreaktion (S. R.) bei Psyehosen. Unseres Eraehtens geniigt es nicht, die S.R. an einer Anzahl Kran- ken festzustellen und die Ergebnisse mitzuteilen. Eine tiefere Einsicht in die gewil~ recht komplizierten Verh~ltnisse der Somatobiologie ist wohl nur zu erlangen, wenn man -- wie dies Georgi 1 fordert -- die Ergebuisse der an verschiedenen Zeiten angestellten biologischen Un- tersuchung zu dem psyehiatrisehen Befund in Parallele setzt. Ein weiterer Weg bietet sich in der Weise, dab man versucht, zwei auf verschiedenem Gebiete Negende biologische Reaktionen zu gleicher Zei~ anzustellen und dann das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Korrelation feststellt und die GrSBe des Korrelationsfaktors bei den verschiedenen psyehiatrisehen Zustandsbildern vergleicht. In ganz analoger Weise sehen wir den Nutzen einer dermaBen angestellten Un- tersuchung in der inneren Medizin, wo eine zu gleieher Zeit vorgenom- mene Puls- und Temperaturmessung, die gleiehzeitig angestellte Vis- cosit~tsbestimmung und Refraktometrie des Serums usw. uns tiefere Einsicht erlangen ]~Bt wie eine dieser Untersuehungsmethoden fiir sieh a]lein. Der Gedanke, die S. R. mit einer Untersuchung der Blutgerinnungs- zeit zu verbinden, ergab sich uns auf zwei Wege. Erstens wissen wir aus den Untersuehungen von Cordua und Hartmann 2, dab mit einer Senkungsbeschleunigung in ihren Fi~llen eine Verkiirzung der Blut- gerinnungszeit parallel ging. Auch andere Untersucher (vgl. Salomon und Oppenheimer 3, Mahnert und Zacherl 4) fanden derartiges. Begreif.

Untersuchungen über die Blutkörperchensenkungsreaktion, Blutgerinnung und Fibrinogengehalt des Plasmas bei Psychosen

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(Aus der Anstalt ,.He~ Apeldoornsche Bosch", Apeldoorn, Holland.)

Untersuchungen fiber die BlutkSrperchensenkungsreaktion, Blutgerinnung und

Fibrinogengehalt des Plasmas bei Psychosen. Von

D. Schrijver und S. Schrijver-Hertzberger.

Mit 5 Textabbildungen.

(Eingegangen am 14. August 1928.)

Ziel vorliegender Arbeit war die Erlangung einer Einsioht in die bereits yon verschiedenen Autoren festgestellten Abweichungen der Senkungsreaktion (S. R.) bei Psyehosen.

Unseres Eraehtens geniigt es nicht, die S.R. an einer Anzahl Kran- ken festzustellen und die Ergebnisse mitzuteilen. Eine tiefere Einsicht in die gewil~ recht komplizierten Verh~ltnisse der Somatobiologie ist wohl nur zu erlangen, wenn man -- wie dies Georgi 1 fordert -- die Ergebuisse der an verschiedenen Zeiten angestellten biologischen Un- tersuchung zu dem psyehiatrisehen Befund in Parallele setzt. Ein weiterer Weg bietet sich in der Weise, dab man versucht, zwei auf verschiedenem Gebiete Negende biologische Reaktionen zu gleicher Zei~ anzustellen und dann das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Korrelation feststellt und die GrSBe des Korrelationsfaktors bei den verschiedenen psyehiatrisehen Zustandsbildern vergleicht. In ganz analoger Weise sehen wir den Nutzen einer dermaBen angestellten Un- tersuchung in der inneren Medizin, wo eine zu gleieher Zeit vorgenom- mene Puls- und Temperaturmessung, die gleiehzeitig angestellte Vis- cosit~tsbestimmung und Refraktometrie des Serums usw. uns tiefere Einsicht erlangen ]~Bt wie eine dieser Untersuehungsmethoden fiir sieh a]lein.

Der Gedanke, die S. R. mit einer Untersuchung der Blutgerinnungs- zeit zu verbinden, ergab sich uns auf zwei Wege. Erstens wissen wir aus den Untersuehungen von Cordua und Hartmann 2, dab mit einer Senkungsbeschleunigung in ihren Fi~llen eine Verkiirzung der Blut- gerinnungszeit parallel ging. Auch andere Untersucher (vgl. Salomon und Oppenheimer 3, Mahnert und Zacherl 4) fanden derartiges. Begreif.

D. Sehrijver u. S. Schrijver-Hertzberger: Blutk6rperchensenkungsreaktion. 775

licherweise suchtc man eine Erkl~rung fiir dieses Verhalten in dem Vorhandensein einer Hyperinose (Fibrinvermehrung), welche sowohl die Senkungsbeschleunigung wie die Abkiirzung der Gerinnungszeit erkl~ren sollte.

Auch wurden yon verschiedenen Autoren in F~llen von Psychosen Abweichungen der Gerinnungszeit festgestellt. Allerdings fiihrten diese Untersuch~ngen zu ganz verschiedenen Resultaten.

Unser Krankenmaterial stellte sich aus 189 m~nnlichen Anstalts- S~mtliche Kranke sind Juden. Die Zusammen- kranken zusammen.

setzung folgt hier: Tabelle 1.

Zahl der Diagnose F~lle

Oligophrenie . . . . . . . . . . . . Hebephrenie . . . . . . . . . . . . . Katatonie . . . . . . . . . . . . . . D. paranoides . . . . . . . . . . . . Epilepsie . . . . . . . . . . . . . . Manie . . . . . . . . . . . . . . . Melancholie . . . . . . . . . . . . . Lues cerebri (inkh Dem. paralytica) . . Arterioscl. cerebri . . . . . . . . . .

Z u s a m m e n . . . . . . . . . . . . .

42 64 46 9

10 4 3 3 8

189

Wie aus obenstehender Tabelle ersichtlich ist, wird die fiberwiegende Mehrheit der F~lle yon Schizophrenen gebildet. Hier wiegt der Um- stand, dab die Krankheit schon liingere Zeit gedauert hatte, natfirlich recht schwer. Sind doch die biologisch so ~u[~erst wichtigen Anfangs- stadien und akuten Schfibe in unserem Material sehr sp~rlich vertreten.

Die Epileptiker warden si~mtlich auBerhalb eines Anfalls untersucht. Es wurden bei diesen Kranken grunds~tzlich nut Untersuchungen vor- genommen, wenn die Kranken l~ngere Zeit keinen Anfall gezeigt hatten, und nur Befunde verwertet, wenn sich einige Tage lang nach der Unter- suchung kein Anfall zeigte. Wir haben uns also absichtlich bei diesen Untersuchungen nicht mit dcm Problem des epileptischen Anfalls be- schi~ftigt.

Es sei darauf hingewiesen, da$ s~mtliche in dieser Studie verwandte F~lle einer genauen kSrperlichen Untersuchung unterzogen wurden und nut kSrperlich ganz gesunde Fi~lle verwertet wurden. So wurden auch irgendwo auf Tuberkulose nur verd~chtige Kranke ausgeschaltet, lXlur Wassermann-negative F~lle (mit Ausnahme der Lues cerebri) wurden verwertet. Alle Blutuntersuchungen wurden morgens friih niichtern vorgenommen. Stets wurde in si~mthchen F~llen die Untersuchung auf Gerinnungszeit und S .R . 3real vorgenommen an verschiedenen Zeitpunkten.

776 D. Schrijver u. S. Schrijver-Her~zberger: Blutk6rperchensenkungsreaktion,

Die Fragestellungen vorliegender Untersuehung sind folgende: A. Wie verh~lt sich die S. R. bei den verschiedenen psychiatrisehen

Krankheitsbildern ? B. Wie verh~lt sieh die Gerinnungszeit in diesen selbeu F~llen ? C. Ergibt die gleiehzeitig vorgenommene S. R.- und Gerinnungszeit-

bestimmung irgendwelche diagnostisehe Hilfsmittel ? Kann die Kom- bination dieser Methoden uns tiefere Einsichten in die P.athogenese erSffnen ?

D. Was ergibt die Fibrinogenbestimmung im Plasma ? Besteht hier ein Parallelismus zwischen Fibrinogenmenge, Gerinnungszeit und S. R., wie dies von den Autoren in F~llen yon Senkungsbeschleunigung bei Tuberkulose, Lues, Gravidit~t usw. postuliert wird ?

D i e S e n k u n g s r e a k t i o n .

Methodik nach Westergren, bei welcher in normalen Fallen die L~nge der Plasmas~ule in der ersten Stunde 1--7 mm betr~gt.

Eine Betraehtung der Resultate ergibt, dab ein nicht unbetr~eht- licher Teil s~mtlicher F~lle eine Besehleunigung der S.R. aufweist. Prozentual verhalten die versehiedenen Psychosen sich hier versehieden. W~hrend z. B. yon den Oligophrenen mehr als die HMfte eine normale S. R. aufweist, ist dies bei den uns hier haupts~ehlich interessierenden Sehizophrenen nicht der Fall. Nur 45,4 % der Sehizophrenief~lle bleibb innerhalb der Grenzen des Normalen. Ein nieht unbetr~ehtlieher Tell (44,6% der FMle) zeigt besehleunigte S .R. Allerdings bleiben diese Besehleunigungen in m~Bigen Grenzen (8--15ram). Nieht weniger wie 10% der Schizophrenief~lle abet zeigt eine subnormale S .R.

Es gebfihrt Georgi das .Verdienst, auf die Tatsache der subnormalen S.R. in Fallen yon Schizophrenie aufmerksam gemaeht zu haben. Aueh andere Untersucher scheinen diese Tatsaehe gefunden zu haben, ohne ihr allerdings die Bedeutung zuzumessen, welche dieser erhShten Stabilit~t zweifelsohne gebfihrt. Georgi land diese subnormale S.R.

�9 w~hrend akuter Sehiibe des Krankheitsverlaufs. W~hrend des Ab- klingens der Krankheitssymptome sah er allm~hHeh die Reaktion auf normale Werte ansteigen. Aueh Kant 5 meldet verlangsamte Senkung, welehe nach Thyreoidineffitterung normal wurde. Kant glaubt diese Senkungsverlangsamung auf verringerten EiweiBzerfall infolge endo- kriner StSrung zuriickfiihren zu kSnnen. Aueh Georgi glaubt in der

Tabelle 2.

subnormal

Schizophrenie im ProzeB . . . . . 6 F~lle AUe Schizophrenien . . . . . . . 12 ,,

Die S.R. war

normal beschleunigt

6 Falle 2 Fhlle 54 ,, 53 ,,

Blu~gerinnung und Fibrinogengehalt des Plasmas bei Psychosen. 777

Stabilit~tserhShung der akuten Schiibe die Spiegelung innersekretori- scher Gleichgewichtsverschiebung auf den physikalisch-chemischen Zu- stand des Plasmas zu sehen.

Was nun das klinische Bild dieser Gruppe subnormal reagierender Schizophrener betrifft, so ist zu sagen, dal3 diese Stabilit~tserhShung, die an sich selten war, in unserem Material (sie zeigte sich bei 12 yon 119 Schizophrenen) sich relativ oft vorfand bei Schizophrenien im Pro. zelL W~hrend wir im ganzen nur 14 ProzeBschizophrenien unter den 119 Schizophrenen fanden, hat ten yon diesen 6 eine subnormale S.R.

Selbstversti~ndlieh kSnnen wir dieser Einteilung keinen allzu grol3en Weft beilegen, weil in vielen Fi~llen an einem bestimmten Zeitpunkt es sich nicht mR Sicherheit sagen l~B~, ob ein Kranker sich wohl oder nieht im Prozel~ befindet.

Erw~hnenswert ist noch die Tatsaehe, dab die subnormale S.R. relativ oft bei Katatonen vorkam. Sie fand sich bei 7 Katatonen und 5 Hebephrenen, w~hrend im ganzen untersucht wurden 46 Katatoniker und 64 Hebephrenen.

Eine Beschleunigung der S .R . fanden wir in 44,6% der Schizo. phreniefiille. Wie schon aus dem oben Gesagten hervorgeht, handelte es sich in diesen F~llen meist nieht um ProzeBschizophrenien. Allerdings war sehr bemerkenswert, dal3 yon den 9 Dem. paranoides-FMlen 8 eine beschleunigte S.R. zeigten. Auch Runge e, Glaus und Zutt 7 fanden eine beschleunigte S.R. bei Schizophrenie. Letztere Autoren erw~h~mn einen Fall yon Schizophrenie, weleher w~hrend eines Schubes eine Beschleunigung, nachher w~hrend einer Remission eine normale S.R. aufwies.

Es ist nicht gelungen, in FMlen periodisch verlaufender Schizo- phrenie, die wir diesbeziiglich untersuehten, in den verschiedenen Pe- rioden eine verschiedene S.R. zu finden.

Kurz sei erw~hnt, dal3 wir bei den anderen Psychosen folgende Werte fiir die S .R . fanden:

Tabdle 3.

Diagnose

Oligophrenie . . . . . . . . . . . Manie . . . . . . . . . . . . . . Melancholie . . . . . . . . . . . Epilepsie . . . . . . . . . . . . Paralyse . . . . . . . . . . . . . Paralyse (stationer nach Malariabeh.) Arteriosclerosis cerebri . . . . . .

8ubnorma Normal

29 4 3 8 0 1 1

Besehleu- nigt

12 0 0 1 3 0 7

Zahl der F~lle

42 4 3

10 3 1 8

Wie aus der Tabelle ersichtlich ist, sind hier unsere Resultate in Obereinstimmung mit denen, welehe sieh in der Literatur finden.

778 D. Schrijver u, S. Schrijver-Hertzberger: BlutkSrperchensenkungsreaktion,

Die Blutgerinnungszeit. Die Gerinnungszeit wurde bestimmt nach der Methode Schultz.

Diese Methode ist, weil einfach und bequem ausffihrbar, in psychiatri- sehen Kreisen schon ffiiher benutzt. Capillare werden mit Blur geffillt. In bestimmten Zeitintervallen wird das jeweils letzte Ende des Capil- lares abgetrennt. Das mit Blur geffillte Stfiekchen Capillare wird in SalzlSsung gebracht. Man schfittelt und sieht nach, ob ein Gerinnsel aus dem Capillare heraustritt. Bisweilen sieht man das Gerinnsel- f~dchen schon beim Zerbrechen der Capillare, Auf diese Weise wird der Anfangspunkt der Gerinnung bestimmt. Der Endpunkt ist erreicht, wenn das Blur nicht mehr aus dem Capillare austritt. Weite der Capil- lare und besonders die Temperatur, bei weleher der Gerinnungsprozel~

20

6 8 ca ~2 ~ 6 8 r r 6 8 r r llebepht, enie K~lalon/e Dem. P~/~,,Ta/a/es

Abb. 1. Gerinnungszei~. Die H6he der Kolumne s t immt tiberein mit der Zahl der Falle, welche etne best immte, unterhalb der Kolumne angegebene Gerinnungszeit haben.

verl~uft, haben EinfluI~ auf die Gerinnungszeit. Man benutzt also stets Capillare yon gleichem Kaliber. Auch legten wir die mit Blur gefiill- ten Capillare gleich nach Entnahme in eine metallene Schale, welche rings umgeben war yon einem nach aul~en gut isolierten Wasserbade. Das Wasser wurde w~hrend der ganzen Untersuchung genau auf 25 ~ C gehalten. Die geffillten Capillare wurden mit den H~nden nicht berfihrt, und stets wurden die zuerst hervorquellenden Blutstropfen benutzt. Bei Inaehtnahme all dieser Kautele ist diese Methode fiir klinische Zwecke sehr wohl brauehbar, obschon die gefundenen Werte nicht als absolute gelten kSnnen. Auch bei Venenpunktion kann Vermischung mit Ge- websflfissigkeit eintreten und wird die L~nge der Venenpunktionsnadel einen EinfluI~ gelten lassen. Wir benutzten Capillarblut aus dem durch Frottieren hyper~misch gemachten Ohrl~ppchen. Jedenfalls sind die gefundenen Werte untereinander gut vergleiehbar.

Abb. 1 und 2 geben eine r fiber alle bei den versehiedenen Psyehosen gefundenen Werte. Die extremen Werte fanden sich bei der Sehizophrenie und Oligophrenie 5fter als bei der Epilepsie. Bei

Blutgerinnung und Fibrinogengehalt des Plasmas bei Psychosen. 779

der Epilepsie -- es sei noehmals in Erinnerung gebracht, dal~ nur Be- stimmungen auBerhalb der Anfallszeit verwertet wurden -- prevailer- ten die Mittelwerte. Bei der Gruppe Dem. Paranoides war die Gerin- nungszeit oft abgekiirzt. Jedoch ist diese Gruppe nur klein (9 Pa- tienten).

W~hrend die Werte fiir die S.R., wenn diese an verschiedenen Tagen bei einem selben Kranken best.immt wurde, nur wenig variierten, war dies fiir die Werte der Gerinnungszeit nicht der Fall: bei einem selben Kranken wurden an versehiedenen Tagen oft verschiedene Werte gefunden, ohne daIt diese ~nderung in Gerinnungszeit mit einer psyehi-

% 36

28

Ol/gophpen/e Epilepsie 3chizophr~nie Abb. 2. Gerinnungszeit.

sehen tknderung parallel ging. Sehon Hertz 8 land diese Sehwankungen der Gerinnungszeit bei Sehizophrenen gr6Ber als bei anderen Kranken. Aueh wit fanden diese Sehwankungen bei Sehizophrenen und speziell bei Katatonen und bei der Dem. paranoides gr6Ber als bei der Oligo- phrenie und der Epilepsie (s. Abb. 3 und 4).

Sehon oft haben Psyehiater sieh fiir die Blutgerinnungszeit inter- essiert. Diesbeziiglieh lassen sieh die Untersueher in zwei Gruppen einteilen. Die einen (Hauptmann', ltten ~~ Hertz-Bumke ~) fanden die Gerinnungszeit bei den Sehizophrenen abgekiirzt und messen dieser Abkiirzung, die sie besonders bei frisehen F/~llen fanden, eine diagnosti- sehe Bedeutung zu. Eine andere Gruppe (Wuth 1~, Schneider TM, Jo. hannes 1~) land keine Untersehiede zwischen den verschiedenen Psycho- sen. Schliel~lich hat Buchler ~5 sowohl verl~ngerte wie verkiirzte Ge- rinnungszeiten gefunden bei der Sehizophrenie.

780 D. Schrijver u. S. Schrijver-Hertzberger: Blutk6rperehensenkungsreaktion,

Wir fanden, wie oben schon erw~hnt wurde, bei der Schizophrenie sowohl verliingerte wie abgekiirzte Gerinnungszeiten. Unsere Ergeb- nisse zeigen also zu gleicher Zeit eine ~Jbereinstimmung und einen Unterschied gegeniiber denjenigen Biichlers, weil wir sowohl die Be- schleunigung wie die Abkiirzung best~tigen kSnnen, w~hrend auch

q5 . / ~o

35

30

25

I\',

5 k ' \" 1

0 r 2 3 ~ 5 6 7 8 9 10 Variab/l#at der Gerinnunqszeiten Min.

Abb. 8. Ordinate : zugehSrige Zahl der F~lle. Abscisse : maximale Schwaukung der Blutger innungszei t be! verschiedenen Bes t immungen.

- - - Schizophrenie, . . . . . Oligophrenie, Epilepsie.

3O % 25

20

~5

r

5

0

/ \,

/ - )\<,, 2 3 q 5 6 7 8 9 10 .

Var/hbil/ld'l dez, Gez,/nnunsTsge/ten M/n.

Abb. 4. - - - Hebephrenie, Kata tonie .

normale Werte gefunden wurden. Jedenfalls unterscheiden sich unsere Ergebnisse in der Hinsicht yon denjenigen Hauptmanns, dab wir bei den Katatonen nicht immer eine Abkiirzung fanden. Hauptmann hat die yon ihm gefundene Abkiirzung der Gerinnungszeit auf eine Hypo. funktion der Schilddriise zuriickgefiihrt. Erst wenn mehrere Symp$ome in derartigen F~llen auf eine verminderte Schilddriisenfunktion hin- weisen wiirden, wird man seiner Deutung beistimmen kSnnen. Bi~chler

Blutgerinnung und Fibrinogengehalt des Plasmas bei Psychosen. 781

hat die yon ihm gefundenen verl~ngerten Gerinnungszeiten auf einen Fibrinogenschwund zuriickfiihren wollen, welcher yon einer Leber- stSrung herriihren wiirde. Unseres Erachtens ist es augenblicklich noch nicht mSglich, die Gerinnungswerte, welche bei der Schizophrenie ge- funden werden, in Beziehung zu setzen zu einer StSrung bestimmter Organe.

Die Korrelation zwischen Blutgerinnungszeit und S. R.

Abb. 5 zeigt diese Korrelation in 118 Fi~llen yon Schizophrenie. Jeder Fall ist durch einen Punkt repr~sentiert. Die zu diesem Punkt

8

10

r

r

q6

r

5 6 7 8 9 10 77 12 3chizophpen/e

Abb. 5. Korrelation zwischen Blutgerinnungszeit und Senkung in 118 Fallen y o n Schizophrenie.

geh6rende Ordinate gibt den Wert der S. R. in Millimetern pro Stunde, die Abszisse die zu gleicher Zeit bestimmte Blutgerinnungszeit in Mi- nuten an. Ohne weiteres ist ersichtlich, dab eine Korrelation in posi- tivem oder negativem Sinne ganzlieh fehlt. Wenn also in einem be- stimmten Fall z. B. die Gerinnungszeit abgekiirzt war, konnte daraus kein SchluB auf eine ~mderung der S.R. in einem oder anderem Sinue gezogen werden. Auch bei Oligophrenie fehlte eine derartige Kor- relation.

Es land sich jedoch eine kleine Gruppe Kranker, bei denen gleich- zeitig die S. R'. beschleunigt und die Gerinnungszeit abgekfirzt war. Es erscheint uns merkwiirdig, da~ diese gleichsinnige J~lderung beider Prozesse sieh fast nur bei Dem. pa.ranoides Iand. 7 yon 9 Dem. para-

782 D. Schrijver u. S. Schrijver-Hertzberger: BlutkSrperchensenkungsreaktion,

noides-F~llen zeigten diese Korrelation. Bei der geringen Zahl yon Dem. paranoides-F~llen, die wir untersuehen konnten, haben diese Be. funde vorl~ufig nur relativen Wert.

Es erscheint uns nicht ohne Bedeutung darauf hinzuweisen, dab in der iibrigen Pathologie mit einer beschleunigten Senkung vielfaeh eine verkiirzte Gerinnungszeit einherzugehen pflegt. Die Tatsache, dab bei der Schizophrenie besehleunigte S.R. nicht immer mit einer ab- gekiirzten Gerinnung vergesellschaftet ist, k6nnte vielleicht darauf hin- weisen, dab bei dieser Psychose die Senkungsbeschleunigung auf andere Weise zustandekommt als bei Lues, Gravidit~t usw.

Die Beziehungen zwisehen S. R., Plasmafibrinogen und Blutgerinnung. Wir kommen jetzt zu der Frage nach der Ursache der Abweichungen

der S.R. Da w~ren zuerst die Erythrocytenzahlen zu berficksichtigen. Es ist bekannt, dab die Zahl der Erythrocyten einen Einflu$ auf die S.R. ausiibt in dem Sinne, da$ eine verringerte Zahl eine Beschleuni- gung, eine erhShte Zahl eine Verlangsamung der S.R. herbeifiihrt (vgh u. a. Fahreusle). Andererseits finder man in der Literatur die Angabe yon Schultz ~7, der bei Schizophrenen eine Erythrocytose im peripheren Blute fand. Es erschien also nicht ganz ausgeschlossen, da$ die Ab- weichungen der S.R. durch Abweichungen der Erythrocytenzahlen erkl~rt werden kSnnten.

Auch hat man einen EinfluB des Fibrinogengehalts auf die S.R. gesehen in der Art, daB die schneller sinkenden Blutarten einen er- hShtcn Fibrinogengehalt haben.

Bei einer Reihe yon Kranken wurde deshalb neben S.R. die Zahl der Erythroeyten und gleiehzeitig Fibrinogen nach Gram bestimmt (Venenpunktion ohne Stauung morgens friih niiehtern).

Die Tab. 4 zeigt die gefundenen Resultate. Wie aus obenstehender Tabelle ersichtlich ist, kann die subnormale

S.R. nicht auf einc Vermchrung der Erythrocyten zuriickgeffihr~ werden. Ebensowenig lieB sich in den wenigen hierauf untersuchten Schizophrenief~llen mit erhShter S. R. eine Abnahme der Erythrocyten feststellen. Aus der Betrachtung der Fibrinogenwerte (normal 2--3 mg pro Kubikzentimeter Plasma) ergibt sieh, daB die F~lle mit subnormaler S.R. nicht nur keinen verringerten Fibrinogengehalt aufweisen -- wie man dies vielleicht erwarten kSnnte --, sondern daB im Gegenteil diese Werte deutlich erhSht sind. Auffallend ist z.B. Fall 3, wo man auf Grund des hohen Fibrinogengehaltes und der eher etwas verringerten Erythroeytenzah] eine besehleunigte S. R. erwarten wiirde.

Welches die Faktoren sind, die hier dem elektrisch entladenden Ein. fluB des Fibrinogens auf die Erythroeyten entgegenarbeiten, entzieht sich vorl~ufig unserer Kenntnis. DaB in den F~llen mit subnormaler

Blutgerinnung und Fibrinogengehalt des Plasmas bei Psyehosen. 783

Tabelle g.

Diagnose 8enkung in mm

pro Stunde

MilUonen Ery- throcyten pro cmm Venenblut

Fibrinogen in mg pro ccm Plasma naeh

Gram

Schizophrenie

Epilepsie

Depression

Paralyse

Akute Infektion Tuberkulose

Dementia senilis

Schizophrenie

<1 <1 0

<1 <1 3 7 7 2 31/2 ] !

2 31h 1 4 lZ/2 5 2 4 2

51 101/2 34 50 31 22 21 16 40 12 14

4,2 5,1 3,9 4,9 5,3 4,8 4,3 5,8 4,4

5,3

5,3 5,6 5,2 5,4 3,9 5,5 5,4 3,0 5,2 4,6 3,7

4,0 4,6 4,6 4,8 4,2 , 4,5 I

2,7 3,3 4,6 4,0 2,7 3,2 2,6 4,5 2,8 2,6 2,8 2,9 2,3 2,6 2,6 2,6 2,4 2,5 2,9 3,5 3,5 8,0 3,3 4,4 3,5 6,2 6,0 4,1 4,0 7,7 2,6 3,1

S.R. die Fibrinogenvermehrung dutch eine entsprechende VergrSl3e- Albumin

rung des Quotienten Globulin fiberkompensiert wtirde, ist nicht sehr

wahrscheinlich und in Widerspruch mit den Befunden W u t h s .

In der Mehrzahl der Fiille ging eine beschleunigte Gerinnung einher mit einem erhShten Fibrinogengehalt. Jedoch war in einigen FMlen yon Schizophrenie bei abgekiirzter Gerinnungszeit der Fibrinogengehalt nicht erhSht und umgekehrt war bei verli~ngerter Gerinnungszeit der Fibrinogengehalt nicht immer vermindert. Wiewohl es sicher inter- essant ware, der Ursache dieses abnormen Verhaltens weiter nachzu- gehen, haben wit in dieser Arbeit dieses Problem nicht weiter verfolgt.

7 8 4 D. Sehr i jver u. S. Sehr i jve r -Her t zbe rge r : B l u t k S r p e r e h e n s e n k u n g s r e a k t i o n .

Zusammenlassung. I. Untersucht wurden 189 psychiatrische Fdlle. A. Normale S.R. /and sieh bei 69% der Oligophrenen und bei nut

51% der Schizophrenen. Besehleunigte S.1~. yon m~i[3igem Grade/and sich bei 20% der Oligo-

phrenen und bei 31% der Schizophrenen. Diese beschleunigte S. R. zeigte sich besonders o/t bei der Dem. para.

noides. Besondere Bedeutung kommt der verlangsamten S.R. zu, die sich bei

nut 2% der Oligophrenen, ]edoch bei 11% der Schizophrenen vor/and und relativ o/t bei Schizophrenen im Proze[3 und bei Katatonen.

B. Extreme Werte der Blutgerinnungszeit /anden sich 6/ter bei Schizo- phrenie und Oligophrenie, wie bei Epilepsie (au[3erhalb der An/allszeit).

Die Schwankungen in der Gerinnungszeit waren besonders gro]3 bei der Katatonie und bei der Dem. paranoides.

Bei der Schizophrenie gab es sowohl verl~ingerte wie abgekiirzte Ge. rinnungszeiten.

C. Eine gewisse diagnostische Bedeutung k6nnte dem Be]und yon gleichzeitig beschleunigter S.R. und abgelci~rzter Gerinnungszeit zukom- men /i~r die Diagnose Dem. Taranoides.

D. I m Gegensatz zu den Be/unden der internen Klinilc /ehlte in den von uns untersuchten psychiatrischen Fdllen eine Korrelation sowohI zwi- schen Blutgerinnungszeit und S.R. wie zwischen Fibrinogengehalt und S.R. Vielleicht war also die Senkungsbeschleunigung in diesen psychiatri- schen Fdllen yon anderer Art als die]enigen der internen Klinilc.

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