11
(Aus der Anstalt Her Apeldoornsche Bosch, Apeldoorn-Holland.) Untersuchungen fiber Urobilinbildung und -ausseheidung bei Psyehosen. Von D. Schrijver. Nit 3 TextabbiIdungcn. (Eingegangen am 9. November 1928.) Gelegentlich einer Untersuehung der Leberfunktion von Schizo- phrenen wurde eine in vielen Fi~llen auftretende Urobilinurie gefunden 1. Nun beschrieb Terwen 2 1925 eine Methode, die es gestattete, die Urobilinausscheidung quantitativ zu bestimmen. Es erschien mir aus- sichtsreich, mittels dieser Methode die Urobilinausscheidung im Kot und Ham quantitativ zu bestimmen, um auf diese Weise eine Einsicht in das Zustandekommen der vermehrten Urobilinausscheidung zu er- langen. Methodik. Der Ham wurde in schwarzen Flaschen, die vorher mit 10 ecm Salicyls.~urealkohol beschickt waren, gesammelt. Die in 24 Stun- den ausgeschiedene Urobilinmenge wurde bestimmt. Auch der Kot wurde im Dunkeln gesammelt und jeden Tag verarbcitet. Bekanntlich ist die Urobilinausscheidung keine konstante GrSge. Stets wurde also mehrere Tage hintereinander (meistens 1 Woche, in vielen F/illen 15--21 Tage) die Urobilinausseheidung bestimmt. Nut in einigen vereinzelten FSllen gelang es trotz wiederholtem Be- miihen nieht, die Untersuehung auf mehr als 3 Tage sich hinziehen zu lassen. Die Zusammensetzung meines Krankenmaterials verursaehte bei diesen Untersuehungen eigenartige Sehwierigkeiten. Eine quan- titative Bestimmung der Tagesausseheidung ist selbstversti~ndlieh wertlos, wenn man nicht ganz sicher ist, allen Kot bzw. Ham zur Unter- suchung bekommen zu haben. Es wurden also sgmtliehe untersuchte Kranke unter strengste Aufsieht gestellt. Trotzdem kam es 5fters vor, dag ein Kranker unreinlieh wurde. In diesem Falle wurde die Untersuchung von neuem angefangen. Ein ni~heres Eingehen auf die Technik der Untersuehung, die, ob- wohl zeitraubend, keine besonderen Sehwierigkeiten bietet, ertibrigt 47*

Untersuchungen über Urobilinbildung und -ausscheidung bei Psychosen

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Untersuchungen über Urobilinbildung und -ausscheidung bei Psychosen

(Aus der Anstalt Her Apeldoornsche Bosch, Apeldoorn-Holland.)

Untersuchungen fiber Urobilinbildung und -ausseheidung bei Psyehosen.

Von D. Schrijver.

Nit 3 TextabbiIdungcn.

(Eingegangen am 9. November 1928.)

Gelegentlich einer Untersuehung der Leberfunktion von Schizo- phrenen wurde eine in vielen Fi~llen auftretende Urobilinurie gefunden 1. Nun beschrieb Terwen 2 1925 eine Methode, die es gestattete, die Urobilinausscheidung quantitativ zu bestimmen. Es erschien mir aus- sichtsreich, mittels dieser Methode die Urobilinausscheidung im Kot und Ham quantitativ zu bestimmen, um auf diese Weise eine Einsicht in das Zustandekommen der vermehrten Urobilinausscheidung zu er- langen.

Methodik . Der Ham wurde in schwarzen Flaschen, die vorher mit 10 ecm Salicyls.~urealkohol beschickt waren, gesammelt. Die in 24 Stun- den ausgeschiedene Urobilinmenge wurde bestimmt. Auch der Kot wurde im Dunkeln gesammelt und jeden Tag verarbcitet.

Bekanntlich ist die Urobilinausscheidung keine konstante GrSge. Stets wurde also mehrere Tage hintereinander (meistens 1 Woche, in vielen F/illen 15--21 Tage) die Urobilinausseheidung bestimmt. Nut in einigen vereinzelten FSllen gelang es trotz wiederholtem Be- miihen nieht, die Untersuehung auf mehr als 3 Tage sich hinziehen zu lassen. Die Zusammensetzung meines Krankenmaterials verursaehte bei diesen Untersuehungen eigenartige Sehwierigkeiten. Eine quan- titative Bestimmung der Tagesausseheidung ist selbstversti~ndlieh wertlos, wenn man nicht ganz sicher ist, allen Kot bzw. Ham zur Unter- suchung bekommen zu haben. Es wurden also sgmtliehe untersuchte Kranke unter strengste Aufsieht gestellt. Trotzdem kam es 5fters vor, dag ein Kranker unreinlieh wurde. In diesem Falle wurde die Untersuchung von neuem angefangen.

Ein ni~heres Eingehen auf die Technik der Untersuehung, die, ob- wohl zeitraubend, keine besonderen Sehwierigkeiten bietet, ertibrigt

47*

Page 2: Untersuchungen über Urobilinbildung und -ausscheidung bei Psychosen

712 D. Schrijver:

sich hier. Alles N~here ist in den betreffenden Publikationen Terwens zu linden. Es wurde auf m6gliehst schnelles Arbeiten unter Vermei- dung direkter Besonnung geaehtet. Siimtliehe Proben wurden stets unter spektroskopiseher Kontrolle verarbeitet. In den untersuchten Normalfhllen konnten die Zahlenangaben Terwens vollkommen be- stittigt werden. Wenigstens 100 mg Urobilin werden im Mittel pro Tag mit dem Kot ausgesehieden, w~thrend im Ham entweder fiber- haupt kein Urobilin oder h6chstens 1--2 mg gefunden wird.

Das untersuehte Krankenmaterial besteht aus 50 Schizophrenie- fMlen. Nur diagnostiseh ganz gesieherte und somatiseh ganz gesunde Falle kamen zur Untersuchung. Die anderen untersuchten F~ille dienten

5(J~

qO0

300

200

700 80 60 ~6 20

Abb. 1. Sterkobilinausscheidung in 50 Fiillen yon Schizophrenie.

hauptsaehlieh als Kontrolle. Es sind dies: 80ligophrene, 3 Normale, 5 HystcriefMle, 2 Scnildemcnte, 1 Melancholic, 1 M~nie, 1 Paralyse. Aufterdcm wurde in einem Fall yon Manic mit kurzdauernden, schnell aufeinanderfolgenden Perioden die Tagesausscheidung von Urobilin mehrere Monate lung verfolgt, um eventuelle Beziehungen zwisehen Urobilinsekretion und psyehisehem Zustand festzustellen. In zwei FMlen yon Paralyse wurde auf~erdem w/ihrend der Malariabehandlung die Urobilinausseheidung verfolgt. Die Ergebnisse dieser letztgenannten Fiille werden andernorts ver6ffentlieht. Die Untersuchungen wurden Dezember 1926 angefangen und waren September 1928 beendet.

Abb. 1 veransehaulicht die Resultate der Untersuchung yon 50 Schizophrenen. Die schwarze Kolumne repr/isentiert die Tages- menge ~usgesehiedenen Koturobilins.

Abb. 2 veranschaulieht ~mf gleieher Weise die Resultate der Unter- suchung an den Kontrollf/tllen.

Eine Vergleichung beider Gruppen zeigt folgendes:

Page 3: Untersuchungen über Urobilinbildung und -ausscheidung bei Psychosen

Untersuchungen tiber Urobilinbildung und -ausscheidung bei Psychosen. 713

A. DiG mittlere Tagesmenge an Harnurobilin ist in nieht weniger wie 19 yon den 50 Schizophreniefi~llen erh6ht. Allerdings hMt sich diese Erh6hung in m:,iBigen Grenzen. In 15 Fgllen ergibt die Aussehei- dung Werte zwisehen 2 und 3 mg. Nur in 4 Fgllen ist die Ausschei- dung grSBer als 3 mg. Als h6ehsten Wert registrierten wir 7 rag. G~nz anders verhalten sieh die 21 KontrollfMle. Ein Normaler zeigt 2,2 rag, der Paralytiker 2,1, der Fall von Melaneholie 4,4 rag.

B. Die mitttere Tagesmenge an ausgesehiedenem Koturobilin (Sterkobilin) ist in vielen Fgllen yon Sehizophrenie normal (d. h. be- trggt mehr Ms 100 rag). Ein groBer Prozentsatz der F/~lle abet zeigt eine auffMlende Erseheinung: Die Menge an ausgeschiedenem Kot- urobilin ist bier deutlich verringert 5oo gegen die Norm. 15 von den 50 Fgllen haben eine Tagesmenge yon weniger als 100 mg. Zum Teil sind die aus- ~oo gesehiedenen Mengen sehr gering (20, 30, 35, 4i mg). Unter den 20 Kontroll- 3oo fgllen fanden wir nur in einem Fall eine Ausscheidnng yon 41 rag. Zweifels-

2oo ohne ha, ben wir hier eine Erseheinung, die in irgendeinem Zusammenhang mit der Krankheit Sehizophrenie steht. 7o0 e~ Unten werden wir auf diese Erschei- e~ nung ngher eingehen. 2~

C. Was kann uns eine vergleiehende Betr~ehtung der H~rn- und Koturo- bilinmengen lehren ? Es sei hier zum

Abb. 2. Sterkobilinausscheidung in 21 Kontr(~tff521en.

besseren Verstgndnis eine schematisehe l~bersieht eingeschaltet, wie man sieh heute die Bildung und Ausscheidung der Urobilink6rper denkt.

Die Leber fiihrt dem Darme die aus dem Blute gebildeten Gallen- farbstoffe zu. Diese Gallenfarbstoffe werden im Darme durch redu- zierende Bakterien (mittels Fermente Gilbert) in Urobilin bzw. Uro- bilinogen verwandelt. Nur ein geringer Teil der UrobilinkSrper werden aus dem Darm riiekresorbiert. Der weitaus gr6gere Teil wird mit dem Kot entfernt. Der rtickresorbierte Teil wird der Leber zugeffihrt und wieder im Damn ausgeschieden, bildet also eine Art Kreislanf. 1st die Leber erkrankt, so ist sie nicht mehr imstande, alles ihr dargebotene Urobilin wieder mit der Galle auszuscheiden, sondern sie lgftt einen grSBeren oder geringeren Teil im Blut iibergehen. Dieses Urobilin wird mit dem Barn ausgeschieden. Aueh die gesunde Leber lggt das ihr mit der V. Porta zugefahrte Urobilin im Blut iibergehen, wenn abnorm groBe Mengen ans dem Darm resorbiert werden. Dies ist der Fall, wenn abnorm groBe Mengen Urobilin im Darm entstehen infolge

Page 4: Untersuchungen über Urobilinbildung und -ausscheidung bei Psychosen

7 1 4 D. Sehrijver :

vermehrter Gallenfarbstoffausseheidung, wie dies der Fall ist in den- jcnigen Krankheiten, die mit vermehrtem Blutzerfall einhergehen (An- aemia pernieiosa, hiimolytiseher Ikterus).

Wir sehen also, (tag eine Vermehrung des Harnurobilins entstehen kann: 1. dureh abnorme Durehl~issigkeit der Leber (Lebererkrankungen), 2. durelh vermehrte Urobilinproduktion. Es ist nun wiehtig, (tag wir diese zwei Entstehungsursaehen auseinanderhalten k6nnen dureh Be- stimmung des Koturobilins. Im ersten Fall wird (tie Menge des Kot- urobilins nieht vermehrt sein. Im zweiten Fall wird eine Vermehrung

Koturobilin des Koturobilins festzustellen sein. In dem Quotienten Harnurobilin

haben wir also ein Mag fiir (lie Durehliissigkeit des Leberparenehyms fiir Urobilin, vorausgesetzt, dab ein Versehlug des D. Choledoehus auszusehlieBen ist. Die meisten Autoren stimmen hierin iiberein, (tab man in diesem Quotienten einen sehr empfindliehen Indikator fiir die Funktionstiiehtigkeit der Leber hat. Bei Gesunden betriigt der Quo- tient wenigstens 100.

Unter den yon mir untersuchten Kontrollfiillen land ich lma l einen Quotientcn yon 59. Dies war der obenerw/thnte Fall von Idiotie, der aueh eine Verringerung des Koturobilins zeigte. Der Fall von Me- lancholie hatte einen Quotienten yon 68 bei einer Tagesmenge yon 4,4 mg Harnurobilin. AnlgBlieh dieses Befundes mache ich darauf aufmerksam, dab weitere Leberfunktionspriifungen bei der Melancholie zweifelsohne angezeigt sind, weil ja auch yon franzSsischer Seite (Tar- gowla, Badonnel 3, Gilbert und Lereboullet u. a.) Leberst6rungen bei der Melancholie gefunden sind.

Die Sehizophrenief/ille zeigten in 26 von den 50 FSllen einen abnorm niedrigen Quotienten. Dieser Befund ist in lJbereinstimmung mit den Resultaten einer Leberfunktionspriifung bei Schizophrenen (lie 1924 verSffentlicht sind 1. Wir haben also in diesen F/~llen eine abnorm groge Durehlfissigkeit des Leberparenchyms anzunehmen. Die Be- deutung dieses Befundes ffir die Pathologie der Schizophrenie ist noeh nicht klar. Mug man bier eine konstitutionelle Minderwertigkeit der Leber annehmen oder ist bier die Leber toxisch (Buscaino) gesch/idigt ? Oder liegen vegetative InnervationsstSrungen der Erscheinung zu- grunde ? Schlieglich sei bier noch hinzugefiigt, dal~ irgendwelehe Be- ziehungen zwisehen Leberabweiehung und Art der Sehizophrenie- erkrankung sieh nieht feststellen lieg.

Neben dieser Leberfunktionsst6rung betrachte ieh die eigenartige Verringerung des Koturobilins als das auff/~lligste Resultat der Unter- suehung. Ieh bin dieser Erseheinung in der Literatur nieht begegnet (F/ille yon Verschlul] des D. Choledochus und aregenerativer Aniimie mit exzessiv niedrigen H/imoglobinzahlen natiirlich ausgenommen), und

Page 5: Untersuchungen über Urobilinbildung und -ausscheidung bei Psychosen

Untersuchungen [iber Urobilinbildung und--ausscheidung bei Psychosen. 715

mSchte dieses Symptom der Kfirze halber mit dem Namen Hyposter- kobilinie (yon Sterkobilin-Koturobilin) bezeichnen.

Auf welche Weise kommt diese Hyposterkobilinie zustande ? Man wgre versucht, hier in erster Linie an einen Gallengangverschlul~ zu den- ken. Diese Hypothese wgre recht wenig wahrscheinlich. Handelt es sich doch hier um klinisch ganz gesunde Individuen, welche niemals irgendwelche subjektive oder objektive Symptome yon Gallenstein- leiden dargeboten haben. Auch ist das Harnurobilin in diesen Fgllen nahezu niemals pathologisch vermehrt. Gallenfarbstoffe wurden im t{arn niemals gefunden. Endlich war die Gallenfarbstoffreaktion nach Hijmans v. d. Bergh im Serum nicht nur nicht erhSht, sondern meistens nicht nachweisbar, wie welter unten ausffihrlicher behandelt wird.

Dann wgre noch die MSglichkeit zu erwghnen, dal] Obstipation die Ursache dieser Hyposterkobilinie wi~re. Diese MSglichkeit kann sofort ausgeschaltet werden. In den meisten dieser Fiille wurden die Faeces tgglich entleert. {)brigens war auch der Wassergehalt der Faeces mei- stens normal.

Eine andere, und nicht yon vornherein unwahrscheinliche Hypo- these wgre die folgende. Die Leber entleert im Darm eine normale Menge an Gallenfarbstoffen. Diese Gallenfarbstoffe unterliegen aber abnormer l%eduktionsprozesse und entweder:

a) Die Gallenfarbstoffe werden nur unvoUstiindig reduziert. In diesem Falle miiJ3te der Kot neben einer zu geringen Menge Sterkobilin noch unvergnderte Gallenfarbstoffe enthalten. Oder:

b) Die Gallenfarbstoffe unterliegen intensiveren l%eduktionspro- zessen als normal, und die Reduktion fiberschreitet die Stufe Urobilin- Urobilinogen.

Die erste Hypothese konnte bald eliminiert werden. Gallenfarb- stoffe haben wir im Kot niemals nachweisen kSnnen. Dic zweitc Hypo- these machte eine viel umstSndlichere Untersuchung notwendig. Wir wissen fiber die Stoffe, welche beim Abbau yon Urobilinogen entstehen, nichts.

Als erste Frage habe ich mir vorgelegt: Finder im Darm ein reduk- river Abbau des geformten Sterkobilinogens statt, und wenn dies so ist, geschieht dieser Abbau bei Schizophrenen mit Hyposterkobilinie in schnellerem Tempo ?

Um diese Frage 15sen zu k6nnen, babe ich den Abbau in Vitro sich vollziehen lassen. Es wurden also Faeces in Vitro bei 37 ~ unter aeroben und anaeroben Bedingungen gebracht und nun in bestimmten Zeit- intervallen der Sterkobilingehalt geprfift. Auf diese Weise gelang es Extinktionskurven zu bekommen, die ein Bild davon geben, in welchem Tempo das Sterkobilin aus dem sich selbst fiberlassenen Kot schwindet.

Page 6: Untersuchungen über Urobilinbildung und -ausscheidung bei Psychosen

716 D. Schrijver :

\ \

Auf die n/iheren Einzelheiten dieser Versuehe kann ieh hier nicht eingehen. Die Resultate werden andernorts (Klin. Wschr.) verSffent- licht. Ich gebe hier nur das Resultat einer der vielen Untersuchungen wieder. Die Kurve (Abb. 3) zeigt den Sterkobilinabbau in dem Faeces zweier Kranker mit Hyposterkobilinie und zweier Normaler (man be- aehte, dab die Ordinate hier keine absoluten Zahlen, sondern die Kon- zentration vom Sterkobilin in den Faeces vorstellt). Wie ersiehtlich, ist yon einem schnelleren Abbau nicht die Rede. Diese Resultate wur- den stets erhalten, sie machen die Annahme eines schnelleren Abbaus im Dickdarm dieser Kranken wenig wahrscheinlieh. Einzuwenden w/ire vielleicht, dag ein Abbau dureh abnormen Chemismus schon

im Diinndarm einsetzen k6nnte. Auch ist noch m6glieh, dab eine eventuell im Dickdarmanfang vorhandene abnorme Darmflora im Rektum nicht mehr vorhanden w/ire, bei meinen Unter- suchungen den Sterkobilinabbau also nicht mehr beeinflu[~t, w/ihrend sie es in Vivo getan hat.

Diese Fragen w/iren vielleicht zu 16sen durch Fiitterung von Bilirubin an Schizophrenen mit Hyposterkobilinie. Leider war es mir nicht m6glieh, das chemisch reine Bilirubin in ge- niigend gro[ten Quantit/iten herzustellen. (Uro- bilinfiitterung wiirde hier nicht zum Ziele

1 I I _ fiihren, weil das per os zugefiihrte Urobilin f r 4"8 72 95'

nahezu vollst/indig mit dem H am ausgeschieden Abb. 8. Abbauschne l l igke i t von S te rkobi l in in v i t ro un te r wird.)

anaerobenBedingungen. Noch eine andere MSglichkeit w/ire (tie - - Norma l

. . . . Hyposterkobilinie folgendc : Sterkobilin ist im Kot bei den Kranken mit ,,Hyposterkobilinie" in normaler Quan-

tit/it vorhanden, wird aber durch die Reaktion yon Terwen nicht auf- gedekt. Diese Methode verwendet die Ehrlichsche Reaktion auf Uro- bilinogen. Nun ist bekannt, daI3 die Ehrlichsche Reaktion (Urobili- nogen gibt mit p-Dimethylamidobenzaldehyd in salzs/iurem Milieu eine rote Verf/irbung, mit charakteristischem Spektrum) durch ver- schiedene Stoffe stSrend beeinflul3t werden kann. Keineswegs konnte ausgeschlossen werden, da[~ stSrende Stoffe in den yon uns unter- suchten Faeces anwesend sein wfirden. Ich denke hier z .B. an die Befunde Buscainos, welcher Autor die Entstehung abnormer Amine im Darme bei Dementia praecox annimmt.

Auf zwei verschiedenen Wegen gelang es mir, die Unwahrscheinlich- keit dieser Annahme zu zeigen.

Erstens zeigte auch die spektroskopische Kontrolle, dal3 in den untersuchten Faecesproben eine verringerte Sterkobilinmenge anwesend

Page 7: Untersuchungen über Urobilinbildung und -ausscheidung bei Psychosen

Untersuchungen iiber Urobilinbildung und-ausscheidung bei Psyehosen. 717

war, indem das charakteristische Absorptionsspektrum des Urobilins naeh Riiekoxydation alles Urobilinogen zu Urobilin viel weniger in- tensiv war wie in den Kontrollproben. Allerdings war eine quanti- tat ive Auswertung bier nieht m6glieh, well mir kein Spektrophotometer zur Verfiigung stand.

Zweitens wurden folgende Versuehe vorgenommen. Es wurden gle[ehe Mengen einer Faeeesprobe von einem Fall mit Hyposter- kobilinie und einer Faeeesprobe eines Normalfalles gemiseht und nun der Sterkobilingehalt dieser Misehung bestimmt. Wgren st6rende Stoffe anwesend, so miigte der gefundene Gehalt nieht mehr genau den Mittel- wert zwisehen dell beiden Faecesproben angeben, sondern zu niedrig ausfallen. Dies war nun, wie aus Tab. I ersiehtlieh, nahezu niemals der Fall. Nut im Fall Nr. 3 I/~llt die Abweichung augerhalb des Rahmens der Versuehsfehler.

Tabelle 1.

Fall Nr.

1 2 3 4 5 6 7 8

Urobilingehalt der unter-

suchten Faeces

0,6 1,0 0,6 0,8 0,7 1,5 0,6 0,6

Urobilingehalt der

Normal faeces

1,4 2,5 2,5 1,5 2,4 2,4 2,4 2,4

Urobilingehalt der Mischung

gefunden berechnet

1,1 1,0 1,8 1,75 1,2 1,60 1,1 ],15 1,6 1,55 1,9 1,95 1,5 1,50 1,7 1,50

Wir sehen also, dag die Hypothese: Gallenfarbstoffe werden in den Fi~llen mit Hyposterkobilinie in normaler Quantit/tt gebildet, sie unter- liegen aber im Darm einem yore Norm abweiehenden Abbau und kSnnen infolgedessen im Kot nicht mehr als Urobilink6rper aufgefunden wer- den, dureh unsere Untersuchungen nicht gestiitzt werden kann.

Es bleibt also nur noch eine andere M6glichkeit, indem man annimmt, dal3 in diesen FS~llen eine abnorm geringe Blutmauserung besteht. Bekanntlich gibt die Menge der yon der Leber ausgesehiedenen Gallen- farbstoffe ein Mag fiir den Zerfall der Erythroeyten. Is t dieser Zerfall vermehrt, so werden mehr Gallenfarbstoffe gebildet. Infolge dieses vermehrten Zerfalles werden massenhaft junge Erythroeyten in die Blutbahn gebraeht. Bekanntlich n immt man an, dab die Vitalf~irb- barkeit eine Eigensehaft der ganz jungen Erythroeyten ist. Je inehr jugendliehe Erythrocyten, je mehr vitalfgrbbare befinden sich im Pr~i- parat. Normal soll ein Gehalt yon etwa 1--40/00 sein. Man wiirde also a priori in unseren F~illen yon Hyposterkobilinie eine Verringerung

Page 8: Untersuchungen über Urobilinbildung und -ausscheidung bei Psychosen

718 D. Schrijver :

der Zahl vitalfgrbbare Erythrocyten erwarten. In den wenigen yon uns hierauf untersuchten Fgllen fanden sich tatsgchlich keine vitalf/~rb- baren Erythrocyten im Prgparat . Es sind aber auf diesem Punkte weitere Untersuehungen notwendig.

Nach Terwen und Lichtenstein 5 kann man aus den mittleren Zahlen fiir Urobilinausscheidung in Milligramm pro Tag, H/s und K6rpergewicht einen Index von Blutmauserung berechnen. Es gibt uns dieser Index ein Maft ffir die Schnelligkeit, mit der das Blut abgebaut wird. In Normalf/~llen ist dieser Index = 1. Wie Tab. 2 zeigt, ist dieser Index in den darauf untersuchten F/tllen mit Hypo- sterkobilinie, wie zu erwarten war, erniedrigt. Es lgBt sich auf dieser Weise der verlangsamte Blutabbau in einen zahlenmggigen Ausdruck bringen. Der Index 0,17 in Fall 1 besagt z. B., daft hier das Tempo, in dem die Versuchsperson ihr Blur erneuert, 0,17 vom Normalen betr/igt.

Tabelle 2.

lt~imoglobin Fall Nr. nach Sahli

(korr.) =: - - -

1 90 2 98 3 102 4 103 5 100 (1 96 7 98 8 83

K6rpergewicht in kg

63,5 93 58,3 59,2 62 45 55,4 57

m

Reakt ion n. Hi]marts v. d. Bergh in Einheiten

direkt~ [ indirekt

1 0 0 0 0 o Spur 0 0 0 0,35 o 0 0 1,35 0 0,75

Index

0,17 0,30 0,48 0,66 0,57 0,75 0,24 0,59

Man beachte weiter, wie oft in diesen Fiillen die indirekte Reaktion naeh Hi/roans v. d. Bergh negativ ausfgllt. (Bekanntlich ist diese Re- aktion im Normalfall stets positiv.) Es ist natfirlieh diese ,,Hypo- bilirubiniimie" in (]bereinstimmung mit der Annahme, <lab im Orga- nismus bei diesen Kranken weniger Gallenfarbstoffe wie normal ge- bildet werden.

Is t die hier beschriebene Hyposterkobilinie eine nur der Schizo- phrenie zukommende Erscheinung ? Ieh glaube jetzt sehon sagen zu k6nnen, dab dies nicht der Fall ist. Schon der oben erwfihnte Fall von Idiotie mit einer Urobilinausscheidnng von 47 mg pro Tag beweist dies. Auch den Zahlen Terwens entnehme ich, dab aueh bei Normalen vereinzelt ein niedriger Wert vorkommen kann. Andererseits geht aus meinen Versuehen hervor, dab sich <tie Erseheinung sehr viel 6fter bei Schizophrenie finder.

Ausdriicklich sei betont, dab sieh die Erscheinung der Hyposterkobi- linie bei den verschiedensten Formen der Sehizophrenie zeigte.

Page 9: Untersuchungen über Urobilinbildung und -ausscheidung bei Psychosen

Untersuchungen iibcr Urobilinbildung und-ausseheidung bei Psychosen. 719

Ieh glaube im vorhergehenden wahrseheinlich gemaeht zu haben, dag die Hyposterkobilinie eine Folge der verlangsamten Blutmauserung ist. Wclehe Bedeutung wiirde dieser verlangsamten Blutmauserung zukommen fiir die Somatobiologie der Sehizophrenie ? Es miissen hier- bei folgende M6gliehkeiten in Betraeht gezogen werden:

1. Die Erythroeyten haben eine langere Lebensdauer, weil sie we- niger abgenutzt werden. Man k6nnte hier vielleieht daran denken, dag die Verminderung des Grundumsatzes und der spezifiseh-dynami- schen Wirkung, wie diese yon mehreren Autoren bei der Sehizophrenie gefunden ist, zur Folge hatte, da• die Sauerstofftransportfunktion der roten Blutk6rperehen weniger wie normal in Ansprueh genommen wird. Interessant ware in dieser Beziehung die L6sung der Frage, ob tats~ehlieh ]~'alle mit Erniedrigung des Grundumsatzes (Myx6dem u. a. endokrine Leiden, gewisse Falle yon Sehizophrenie) eine Hyposter- kobilinie zeigen. Es wiire dann aueh die osmotische Resistenz der Erythroeyten zu berfieksichtigen, welehe voraussiehtlieh in diesen Fallen erh6ht sein mfil]te. Tatsaehlieh haben die wenigen Untersueher, welehe die Erythroeytenresistenz bei Sehizophrenie bearbeitet haben, hierbei Abweiehungen gefunden (u. a. Jacobi6).

2. Vielleicht ware die Ursaehe der verlangsamten Blutmauserung nieht in den Erythroeyten zu suehen, sondern in einer verringerten Abfangtgtigkeit der I~etikuloendothelien. Die Pathogenese der Schizo- phrenie ware durehsiehtiger, wenn es sich zeigen wiirde, dab in der Schizo- phrenie die Funktion des Retikuloendothelialapparates herabgemindert wgre, denn eine StSrung dieses Apparates w~re in Einklang mit der oft. gei~ugerten Vermutung, dag die Sehizophrenie dureh infekti6se oder toxisehe Faktorcn verursaeht werden kSnnte.

Zusammenfassung. 1. Es wurden quantitative Untersuehungen fiber die Urobilinaus-

seheidung in Fallen yon Sehizophrenie angestellt. In einem grogen Koturobilin

Prozentsatz der Falle erwies sich der Quotient Harnurobilin erniedrigt.

Die hiermit aufgedeckte LeberfunktionsstSrung ist im Einklang mit den frfiher yon mir in F/illen yon Sehizophrenie besehriebenen Leber- abweiehungen.

2. In vielen Fallen besteht eine absolute Verminderung des Kot- urobilins, welehe Erseheinung mit dem Namen Hyposterkobilinie be- nannt wird.

3. Diese Hyposterkobilinie ist wahrscheinlieh die Folge einer ver- langsamten Blutmauserung.

Page 10: Untersuchungen über Urobilinbildung und -ausscheidung bei Psychosen

7 2 0 D. Schrijver :

Tabellarische ~]bersicht aUer ge]undenen Werte.

Nr,

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 l l 12 13 14 15 16 17 18 19 2O 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 4O 41 42 43 44 45 46 47

l)iagnosc

Schizophrcnie ) )

) )

Urobilinausseheidung im Mittel I Quotient: pro Tag in mg Koturobilin

Harn Faeces Harnurobilin

141 103 104 239

42 154

93 120

35 133 21 77

1 76 268

30 90

125 197 134 138 225 120 183 148 41 61

159 71

256 4OO 158

56 446 178 270

74 176 35O 117 114 231

20 166

9O 6O

263 119

113 51

104 46 42 70 20 48 23 67 35

110 41

240 C~D

1180 42 86

112 92 94

2OO 26 93 26 29 80

101 122 182 316

19 203

64 135 185 176 140 585

54 2310

12 138 9O 2O

329 74

1,3 2,0 1,0 5,2 1,0 2,2 4,6 2,5 1,5 2,0 0,6 0,7 4,3 1,1 0 0,5 3,0 2,3 1,2 1,5 2,4 0,6 7,0 1,6 1,6 2,1 2,0 0,7 2,1 2,2 0,5 3,0 2,2 2,8 2,0 0,4 l,O 2,5 0,2 2,1 0,I 1,7 1,2 1,0 3,0 0,8 1,6

Page 11: Untersuchungen über Urobilinbildung und -ausscheidung bei Psychosen

Untersuchungen fiber Urobilinbildung und-ausschcidung bei Psychosen. 721

Tabellarische Obersicht aller 9e]undenen Werte (Fortsetzung).

Nr.

48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71

Urobilinausscheidung im Mittel Diagnose _ _ pro Tag in mg

Harn Faeces

Schizophrenic

Idiotie

Hysteric ' 7

Dcm. senilis

Melancholie Manie

Paralyse Normal

0,9 2,3 1,3 0,8 1,3 0 2,0 1,8 0,4 1,1 2,0 0,4 0,2 1,7 0,9 0,5 0,2 0,7 4,4 1,9 2,1 2,2 0,4 1,6

236 248 293

47 184 198 247 i80 187 170 363 245 167 467 464 146 278 278 294 2O5 255

i 235 197 180

Qu orient: Koturobilin

Harnurobilin

262 108 226

59 145

120 100 470 155 182 612 830 275 516 292

1O00 397

68 108 121 107 563 113

Lit eraturverz e i chn i s .

1 Schrijver und Schri~ver-Hertzberger, Z. Neut. 93 (1924). - - 2 Terwen, Dtsch. Arch. klin. Mcd. 149 (1925). - - a TargowIa und Badonnel, Ann. m6d.-psychol. 1921, 162, 346. - - 4 Gilbert und Lereboullet, Bull. Soc. m~d. HSp. Paris 1903 und C. r. Soc. biol. 5~ (1904). - - ~ Terweu und Lichtenstein, Dtsch. Arch. klin. Med. 149 (1925). - - 6 Jacobi, Arch. f. Psychiatr. 71 (1924).