10
J. NAQY, P. HENCSEI u. E. GERCO, Derivate von Trimethyl-silyl-N-pyrrol 293 Untersuchungen zur Bindungsstruktur der Derivate von Trimethyl-rilyl-N-p yrrol Von J. NAGY, P. HENCSEI und E. GERGO Mit 7 Abbildungen Inhaltsiibersicht Fur Untersuchungen iiber die Si-N-Bindung wurden N-substituierte Pyrrolderivate teilweise nach bekannten, z. T. nach neuen Methoden hergestellt. Es wurden Dipolmomente dieser Verbindungen nach HEDESTRAND ermittelt sowie ihre UV-Spektren aufgenommen. Dabei ergab sich, daB die Si-N-Bindung den Charakter einer partiellen Doppelbindung besitzt. Das einsame Elektronenpaar am Stickstoff ist aber nur geringfiigig in Richtung der d-Bahn des Siliciumatoms verschoben; es tritt nur eine schwache dn - pn-Bindung auf, woraus folgt, daB der Pyrrolring wesentlich starker elektronenanziehend wirkt als das Sili- ciumatom. Diese Folgerungen werden durch quantenchemische Berechnungen gestiitzt. Summary For a general investigation on the Si-N bond N-substituted (sily1)- pyrrole derivatives have been prepared by means of already known, and new, methods. The dipole moments of these compounds were determined and their UV spectra recorded. From these data it is concluded that the Si--N bond has partial double bond, dn - pn, character. The lone electron pair on the nitrogen is however, displaced towards the silicon only to a small extent, owing to the stronger electron attracting effect of the pyrrole ring. These conclusions are by quantumchemical estimations. Einleitung I n einer unserer friiheren Mitteilungen wurde iiber eine Untersuchung der Phenoxy-Silicium-Bindung berichtet l). Dabei wurde festgestellt, da13 sich das einsame Elektronenpaar am Sauerstoff zwischen der Phenylgruppe und dem Siliciumatom verteilt, jedoch uberwiegend in Richtung der aroma- tischen Gruppe verschoben ist. Der dn-pz-Charakter der Si- O-Bindung nimmt infolge der stark elektronenziehenden Wirkung der aromatischen Gruppe ab (Abb. 1 a). Diese Beobachtung veranla13te uns nun zu untersuchen, 1) J. NAGY u. P. HENCSEI, J. organometallic Chem. [Amsterdam] 9, 57 (1967).

Untersuchungen zur Bindungsstruktur der Derivate von Trimethyl-silyl-N-pyrrol

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Page 1: Untersuchungen zur Bindungsstruktur der Derivate von Trimethyl-silyl-N-pyrrol

J. NAQY, P. HENCSEI u. E. GERCO, Derivate von Trimethyl-silyl-N-pyrrol 293

Untersuchungen zur Bindungsstruktur der Derivate von Trimethyl-rilyl-N-p yrrol

Von J. NAGY, P. HENCSEI und E. GERGO

Mit 7 Abbildungen

Inhaltsiibersicht Fur Untersuchungen iiber die Si-N-Bindung wurden N-substituierte Pyrrolderivate

teilweise nach bekannten, z. T. nach neuen Methoden hergestellt. Es wurden Dipolmomente dieser Verbindungen nach HEDESTRAND ermittelt sowie ihre UV-Spektren aufgenommen.

Dabei ergab sich, daB die Si-N-Bindung den Charakter einer partiellen Doppelbindung besitzt. Das einsame Elektronenpaar am Stickstoff ist aber nur geringfiigig in Richtung der d-Bahn des Siliciumatoms verschoben; es tritt nur eine schwache dn - pn-Bindung auf, woraus folgt, daB der Pyrrolring wesentlich starker elektronenanziehend wirkt als das Sili- ciumatom. Diese Folgerungen werden durch quantenchemische Berechnungen gestiitzt.

Summary For a general investigation on the Si-N bond N-substituted (sily1)- pyrrole derivatives

have been prepared by means of already known, and new, methods. The dipole moments of these compounds were determined and their UV spectra recorded. From these data it is concluded that the Si--N bond has partial double bond, dn - pn, character. The lone electron pair on the nitrogen is however, displaced towards the silicon only to a small extent, owing to the stronger electron attracting effect of the pyrrole ring. These conclusions are by quantumchemical estimations.

Einleitung In einer unserer friiheren Mitteilungen wurde iiber eine Untersuchung

der Phenoxy-Silicium-Bindung berichtet l). Dabei wurde festgestellt, da13 sich das einsame Elektronenpaar am Sauerstoff zwischen der Phenylgruppe und dem Siliciumatom verteilt, jedoch uberwiegend in Richtung der aroma- tischen Gruppe verschoben ist. Der dn-pz-Charakter der Si- O-Bindung nimmt infolge der stark elektronenziehenden Wirkung der aromatischen Gruppe ab (Abb. 1 a). Diese Beobachtung veranla13te uns nun zu untersuchen,

1) J. NAGY u. P. HENCSEI, J. organometallic Chem. [Amsterdam] 9, 57 (1967).

Page 2: Untersuchungen zur Bindungsstruktur der Derivate von Trimethyl-silyl-N-pyrrol

294 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 367. 1969

%vie der dem Sauerstoff ahnliche Elektronendonator-Charakter des Stick- stoffes in den der Phenoxygruppe ahnlichen Pyrrolderivaten zur Geltung kommt.

p SiR3 / N e C H 3 9 H 3 S f

SiH3 CH3 CH3

b C Abb. 1. a

p SiR3 / N e C H 3 9 H 3 S f

SiH. CH3 CH3

a b - 1

C Abb. 1.

Aus der Literatur ist bekannt2), daD zwischen der C-N- und Si-N-Bindung Unter- schiede bestehen. Wlhrend die C-N-Bindung niir eine einfache o-Bindung ist, treten zwischen Si und N auch dative d n - pn-Beziehungen auf, was durch den Bindungsunter- schied und den damit verbundenen Unterschieden der riiumlichen Struktur zwischen den analogen Verbindungen (CH,),N und (SiH,),N bewiesen wird. Deshalb besitzt (CH,),N eine pyramidale Struktur mit einsamem u-Elektronenpaar (1 b) , hingegen ist (H,Si),N beinahe planar (1 c) und der Stickstoff befindet sich im sp2-Hybridzustand; das p-Elektronenpaar ist in eineni tetrazyklischen Molekulorbital zwischen den Silicium- und Stickstoffatomen verteilt .

Ergebnisse Zur Untersuchung der Bindungsstruktur der Silicium-N-pyrrol-Derivate wurden fol-

gende Verbindungen dargestellt bzw. untersucht : Pyrrol ( I ) , 1-Tertiar-butyl-pyrrol (11), 1-Trirnet,hyl-silyl-pyrrol(111) 4), 2,5-Dimethyl-pyrrol (IV) 3) , l-Trimethyl-silyl-2,5-dimethyl- pyrrol (V).

m ~.

P Das handelsreine Pyrrol wurde durch Destillation gereinigt. 2,5-Dimethyl-pyrrol (IV)

und 1-Trimethyl-silyl-pyrrol (111) wurden nach bekannten Vorschriften h e r g e ~ t e l l t ~ ) ~ ) . Das 1-Tertiar-butyl-pyrrol (11) und l-Trimethyl-silyl-2,5-dimethyl-pyrrol (V) wurden nach fol- gendem Reaktionsschema erzeugt :

HC-CH

H HC-CH

( 2 ) R' = H, CH, M = C, Si

I

M(CHJ3 __ *) E.A.V.EBSWORTII, Chem. Commun. 15, 530 (1966).

4) R.FESSENDEN u. D.F.CROWE, J. org. Chemistry 26,598 (1960). A. J.VOCEL, ,,Practical Organic Chemistry", p. 838, London 1956.

Page 3: Untersuchungen zur Bindungsstruktur der Derivate von Trimethyl-silyl-N-pyrrol

J. NAGY, P. HENCSEI u. E. GERGO, Derivate von Trimethyl-silyl-N-pyrrol 295

Die Reinheit der erzeugten Produkte priiften wir durch Vergleich der errechneten mit den experimentell bestimmten Molrefraktionen sowie gaschromatographisch. Es sei erwahnt, da13 nach dem angegebenen Reaktionsschema N-Tertiar-butyl-2,5-dimethyl-pyrrol nicht hergestellt werden konnte. Dafiir sind wahrscheinlich sterische Ursachen verantwortlich, wofiir auch das STUART-Modell spricht. Von den dargestellten Substanzen wurden die Ab- sorptionsspektren im Ultravioletten sowie die Werte der Dipolmomente ermittelt,. Ein UV- spektrophotometer des Typs Spektronom 201 diente zur Aufnahme der Spektren, wobei jeweils Losungen der Konzentration bis Mol/l (Losungsmittel: spektralreines Cyclo- hexan) inQuarzkiivetten von 1 em Kantenlange verwendet wurden. Die erhaltenen Spektren sind in den Abb. 2 und 3 wiedergegeben.

Abb. 2. UV-Spektrum von Pyrrol (l), 1-Tertiar-butylpyrrol (2) und 1-Trimethyl-silyl-pyrrol (3). Lo- sungsmittel : Cyclohexan

Abb. 3. UV-Spektrum von 2,5- Dimethyl-pyrrol (1) und 1-Tri- methyl-silyl- 2,5 - dimethyl-pyrrol (2). Losungsmittel : Cyclohexan

Die zu den Absorptionsmaxima gehorenden Wellenlangen ( A ) , die Wellen- zahleii (v*) und die Extinktionswerte (8) sind in Tab. 1 zusammengefaljt.

Tabelle 1 U V - A b s o r p t i o n s m a x i m a v o n P y r r o l u n d s u b s t i t u i e r t e n P y r r o l d e r i v a t e n

I. 11. 111. IV. v.

Psrrol 1-Tertiar-butyl-pyrrol 1- Trimethyl-silyl-pyrrol 2,5-Dimethyl-pyrrol l-Trimethyl-silyl-2,5-di- mcthylpyrrol

216 216 217 216

215

46 296 46 296 46 083 46 296

46512

5 520 7 660 7 130 6 680

5260

Die Dipolmomente der Verbindungen wurden in Cyclohexanlosungen bei 25 "C in einem KapazitatsmeBgerat eigener K o n ~ t r u k t i o n ~ ) bestimmt. Aus den gemessenen Kapazitats- werten erfolgte die Berechnung der jeweiligen Dielektrizitatskonstante. Die zu den Losungen verschiedener Konzentration gehorenden Werte wurden nach der Methode von HEDE- STRAND 6 , durch Extrapolation auf unendlich verdiinnte Losung berechnet (vgl. Formeln 3 und 4).

5 ) J. NAGY, I. GRESZ u. S. WERENCZI- GRESZ, Periodica polytechn. [Budapest] 10, 336

6 ) G.HEDESTRAND, Z. physik. Chem. 2, 428 (1929). (19GG).

Page 4: Untersuchungen zur Bindungsstruktur der Derivate von Trimethyl-silyl-N-pyrrol

296 Zeitsehrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 3G7. 1969

I n Formel (3) bedeuten el, d, und M, die Dielektrizitatskonstante, die Dichte sowie das Molgewicht des Losnngsmittels, M, das Molgewicht der gelosten Substanz. Die Koeffi- zienten und fi ergeben sich durch graphische Losung folgender Gleichungen:

bzw. dl,, sind die Dielektrizitatskonstante bzw. Dichte der Losung.

Die Summe von Atom- und Elektronenpolarisation erhielt man aus dem Wert der Xol- refraktion (MR,) auf Grund folgender empirischer Beziehung :

PA+, = P, + PA = 1,05MRD. (5)

dus den Resultaten oder Gln. (3) und ( 5 ) ergibt sich das Dipolmoment bei 25 "C zu Formel G

,U = 0,22123. lo-'' 1/P, - (P, + PA). (6)

Ebenfalls bei 25 "C wurden die Werte des spezifischen Gewichts, der Brechungsindex (nD) und der Dispersion (nF - nc) der reinen Substanzen bestimmt. Auf Grund dieser Werte lieBen sich die Werte des zur Elektronenpolarisation gehorenden Brechungsindex (n-), der Elektronenpolarisation (P,), des Molvolumens (V), der experimentell bestimmbaren Mol- refraktion (MR, ( e x p ) ) sowie die Summe der Atom- und Elektronenpolarisation (P,+*) nach G1. ( 5 ) errechnen. Die Molrefraktion wurde aus dem Inkrementwert der Bindungsrefraktion errechnet, mobei der Refraktionswert der Si-N-Bindung zu 2,OO ml, der der Pyrrolgruppe (C,H,N-) zu 18,09ml auf Grund unserer annahernden Korrelationsrechnung gewahlt wurde. Die auf die reinen Substanzen bezogenen Ergebnisse sind in Tab. 2, die zur HEDESTRAND- Xethode notigen experimentell bestimmtem oder errechneten Daten in Tab.3 zusammenge- stellt.

Tabelle 2 B r e c h u n g s i n d e x (nD), sp. G e w i c h t (d), nx - %, n,, E l e k - t r o ne n p o 1 a r i s a t io n (P,), Molvo l u m e n (V), e x p e r i m e n t e I le MRD(exp) u n d b e r e c h n e t e (MRDcber)) Molref ra k t io n s wer t e r o n e i n i g e n P y r r o l - D e r i v a t e n b e i 25°C. Summe von Atom- und Elektronenpolarisation : P,,

I I1 I I11 I IV ~ 1 - v 1,4863 0,89576 0,0125 1,4666

38,13 137,545 39,444 39,54 41,42

I 1,4694 0,89266

1,4500 1 0,0129

41,93 156,022 43,481 43,80 45,66

I

' 1,5029 I 0,9324

i - I -

- 102,04 30,162

31,67

1,4919 0,91344

- -

183,184 53,137 53,06 55,80

Der Wert des Dipolmoments von Pyrrol (1) wurde der Literatur entnommen, die der Verbindung 11, I11 und 1V auf Grund von eigenen Messungen bestimmt (Tab.4). Der f u r Verbindung IV erhaltene Wert stimmt gut mit den Messungen anderer Autoren uberein.

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J. NAGY, P. HENCSEI u. E. GERGO, Derivate von Trimethyl-silyl-N-pyrrol 297

0,015655 0,023347 0,029146 0,035770

Tabelle 3 Ausgangsda ten z u r E r rechnung des Dipol inoments iiach HEDESTRaND u n d End- re s u 1 t a t e b e i 1 - T e r t i B r - b u t y 1 - p y r r o 1, 1 - T r i m e t 11 y 1 - s i 1 y 1 - p y r r o 1 u n d 2 ,5 - D i -

0,7756 0,7767 0,7771 0,7779

me t h y 1 - p y r r o 1. Cyclohexanlosung 25 "C

0,77367

111.

146,683

0,011737 I 0,7749 0,020895 0,7758 0,027876 0,7770 0,038647 0,7782 0,045121 i 0,7792

0,014987 0,018348 0,031062 0,032282

0,7747 0,7754 0,7768 0,7768

E l , l

2,057 2,091 2,116 2,154 2,179

2,093 2,132 2,162 2,195 2,244

2,059 2,074 2,099 2,144 2,119 2,169

~

ds a = - ax,

3,676

5,207

4,440

0,1217

-0,1861

81

2:0135

2,0110

2,0096

i PCc

I

0,77340 i 110,206

b = 1,836 1

0,77321 1 117,221

I* = 2,064

Tabelle 4 Dipolmomente de r Pyr ro lde r iva t e I, 11, I11 u n d I V i n DEBYE-Bin- he i t en

I. Pyrrol 1,S3') (B* 205); l , i S 8 ) (B* 20?); 1 8 0 5 0,Olg) (B* 20'); 2,lO'O) (B* 20'); 1,8'") ( 2 2 " ) ; 1,7") (23"); 1,80l1) (B* 25'); Gas 1 ,83 = 0,08"), 1,80 i o,oi'z); (B* 25'); 1,7413) (B* 20"); 1 ,9 iZ3) (D* ZOO"); 2,1511) (D*

, ' 1 !

11. 1-Terti%r-butyl-pyrrol 1 1,835 (eigenes Ergebnis) (CH*)

! ~

~

111. 1- Trime th yl-silyl-pgrrol 2,221 (eigenes Ergebnis, CH*)

11'. 2,5-Dimethyl-pyrrol ~ 2,064 (eigenes Ergebnis, CH*) 2,0315) (B* 25"); 2,08 i 0,03 (B* 25')ll)

*) B = Benzol, D = Dioxnn, CH = Cyclohexan.

7) E. G. COWLEY u. J. R. PARTIKCTON, J. chem. Xoc. [London] 1931, 1269. 8 ) L.E. SUTTON, Trans. Faraday Soc. 30, 789 (1934). 9) H. DE V.ROBLES, Recueil Trav. chim. Pays-Bas 5S, 111 (1939).

lo) vc'. HUGKEL, J. DATOW u. E. SmnfEr tsBAcH, z. physik. Chem. A 166,129 (1939). l1) H.KOFOD, L.E. SUTTON u. J. JACKSON, J. chem. h c . [London] 1952,1467. 12) A.D. BUCKINGHAnI, B. HARRIS u. R. J.W.LE FEVRE, J. chem. SOC. [London] 1953,

13) A. ~ ~ A R I N A N G E L L I , Ann. Chimie 44, 219 (1954). 14) H.LUMBROSO 11. G.PAPPBLARDO, Bull. soc. chim. France 1131 (1960). 15) E. H. GVRCANOV~, L . A . J a ~ o v s z ~ a ~ a u. A. P. TERESTYEV, 8. fiz. Chim. (J. physik.

16%.

Chem. [UdSSR]) 25 897 (1951). 20 Z. anorg. allg. Cheniie. Bd. 367.

Page 6: Untersuchungen zur Bindungsstruktur der Derivate von Trimethyl-silyl-N-pyrrol

298 Zeitschrift fur anorganisohe und allgemeine Chemie. Band 367. 1969

Diskussion Die Absorptionsmaxima der verschiedenen Verbindungen (11,111, IV. V)

im Ultravioletten fallen praktisch zusammen, der TC -j. n*-Ubergang zeigt deshalb innerhalb 2 nm keine Abweichung. Die Werte der Dipolmomente bzw. der Extinktioiiskoeffizienten derselben Verbindungeii unterscheiden sich schon wesentlich mehr.

I m Falle der Siliciumderivate mu13 angenommen werden, daB das Elektronenpaar des S-Atoms zwischen dem Pyrrolring und dem Siliciumatom verteilt ist. Das Elektronen- sextett halt sich jedoch hauptsachlich im Pyrrolring auf und ist nur in sehr geringem Ma& gegen das Siliciumatom verschoben. Der d n - pn-Charakter der Si-N-Bindung ist folglich sehr gering.

Daraus fdgt . daB in den N-Pyrrol-Derivaten das Siliciumatom uber eine hohe +I-Wirkung und iiber einen geringen -M (meisomeren)- Effekt ver- fugt. Diese beiden Effekte uben auf Grund quantenchemischer Uberlegungen eine entgegengesetzte mirkung auf die Elektroiienverschiebung aus (Abb. 4).

I I

I Abb. 4. JJ'irknng der Elektronenverschiebungen -.+I /+-.

im 1-Trimethyl-silyl-pyrrol auf die Elektronen- *-- +I -M Niveaus

Der +I-Effekt des Siliciums, der grol3er als jener des Wasserstoffatoms ist , verschiebt das n*-Elektronenniveau des Pyrrols nach oben. Wiirde folglich nur ein +I-Effekt bestehen, so muBte sich ein hypsochromer Effekt bemerkbar rnachen. Gleichzeitig iibt jedoch das Silicium durch seinen -M- Effekt einen entgegengesetzten EinfluB auf das n*-Niveau aus. Obwohl letzteres im allgemeinen mit groI3erer Niveauverschiebung verbunden ist als ersteres, iibertrifft im vorliegenden Fall der +I-Effekt den -M-Effekt be- trachtlich, weshalb sich die beiden ungefahr ausgleichen. Daraus lolgt, in ubereinstimmung mit den Erfahrungen, daIJ im Vergleich zu den Pyrrol- derivaten die Trimethylsilyl-N-pyrrol-Derivate nur eine geringfugige hypso- oder bathochrome Verschiebung zeigen, je nachdem welche Tirkung ent-

Page 7: Untersuchungen zur Bindungsstruktur der Derivate von Trimethyl-silyl-N-pyrrol

J. N ~ G Y , P. HENCSEI u. E. GERGO, Derivate von Trimethyl-silyl-N-pyrrol 299

scheidend ist . Dementsprechend zeigt I11 gegeniiber I eine geringe batho- chrome, hingegen V gegenuber I V eine hypsochrome Verschiebung.

Das zu dem 7c --f n*-Ubergang des tert. Butylpyrrols (11) gehorende Ab- sorptionsmaximum stimmt mit jenem des Pyrrols uberein. Dieser Umstand ist verstdndlich, da die +I-Effekte der Wasserstoff-Substituenten am Stick- stoffatom und der tert. Butylgruppe beinahe gleich sind.

Der groBe +I- und der kleine -M-Effekt des Siliciumatoms in den Sili- ciumderivaten wird am deutlichsten durch die Werte der Dipolmomente und der Extinktionen ( E ) bezeugt.

Unteriiimmt man nach Del- Re 16) mittels der LCAO-MO-Methode eine quantenchemische Parameterrechnung fur das a-Bindungssystem, so bekommt man folgende Elektronenverteilungs-Molekiil-Diagramme fur Pyr- rol, tert. Butylpyrrol und Trimethyl-silyl-pyrrol : (Auf Grund von Molekul- modellen fur die Si-N-Bindung wurden folgende Del- R e Parameter er- rechnet: = 0,8; Y ~ ~ ( ~ ) = 0,2; Y ~ ( ~ ~ ) = 0,4; 8; = 0,24; 8Ei = -0,lO). Die Pfeile zeigen die Dipolvektorrichtungen gewisser a-Bindungen an (Abb. 5).

H+Q0542 HtQ0539 Ht0.0538

(TJZi HtQO603 &z7 HtQ0591 d4, QLq3.555 H+Q0595

“y0,4435 I)’-0.2615 H+Q2577 $(cti3”Q1240 fi(CH,),+Q2853 Abb. 5. Elektronenverteilungs-Mole-

kiildiagramm von Pyrrol, tert. Butyl- N-pyrrol und Trimethyl-silyl-N- pyrrol 6

CHz -07612 t

CH2 -Q 1253 k+0,03Q6 H + Q W 4

/u =a14990 /u~-qoS700 &q3985 D

Auf Grund der Ladungsverteilung und der entsprechenden BindungsabstLnde lLBt sich der Wert des resultierenden pu-Dipolmoments durch vektorielles Summieren errechnen. Bei den Verbindungen I und I1 besitzen die !A,,-Dipolmomente niedrige Werte und entgegen- gesetzte Richtungen; hingegen tritt beim Siliciumderivat I11 infolge des hoheren +I- Effekts des Siliciums schon ein mittlerer Wert auf. Mit Hilfe des experimentell bestimmten Wertes des pun-Dipolmoments kann der Wert des p,-Dipolmoments errechnet werden:

Pun = Pa + PUn. (7)

Bekannt ist aber, da13 die die Extinktion bestimmende Oscillatorsttirke

(8)

im Falle des Ubergangs n --f m (n --f n*) (G: Degenerierungsgrad des n*- Niveaus (m); Y: Die zum Elektroneniibergang n -+ m gehorende Wellenzahl

f,, = 1,085 - 1011 G * v” - D,, = konst. D,,.

16) G.DEL-RE, J. chem. SOC. [London] 1968, 4031.

20*

Page 8: Untersuchungen zur Bindungsstruktur der Derivate von Trimethyl-silyl-N-pyrrol

300 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 361. 1969

Dnm: Dipolfeldstlirke) bei allen drei Verbindungen gleich ist, da die Uber- gangsdipolmomente nur y-Komponenten haben.

D,, = &(n -+ n*) . & = f (p;(n -+ n*). (9 )

Im gegebenen Fall betragt G = 1 und Y ist fast bei allen Verbindungen gleich; deshalb ist f,, nur von D,, abhangig. Der Extinktionskoeffizient ( E )

wird einen um so hoheren Wert besitzen, je grol3er gemdl3 (8) uiid (9) das Dipolmoment py ist.

Da die drei Molekule uber Strukturen mit identischer Symmetrie ver- fugen, konnen auch die ,uu,-Dipolmomente nur Komponenten in Richtung von y haben, d. h. wo pyi der Dipolmomentwert der i-ten n-Bindung ist.

Aus den ahnlichen Abhangigkeiten der Gln.(9) und (10) folgt, dal3 zwi- schen E und Gn eine Korrelationsbeziehung besteht, da beide nur von einer Elektronenverschiebung in Richtung y abhangig sind.

Um dies zu zeigen, wurden die zu priifenden Extinktions- und pu,-Werte in Tab. 5 zusammengefal3t. Letztere wurde auf Grund von GI. (7) errechnet.

Tabelle 5 D i p o l m o m e n t e yon, y,, pn u n d Ext inkt ionskoef f iz ien ten d e r V e r b i n - d u h g s t y p e n I, I1 u n d I11

1 Po j p u Z j pz 1 E 1 2 I v* p;

I 0,15 I 1,80 I 1,65 ' 5540 I 216 1 46296 1 2,723 I1 ~ -0,081 1,835 1,916 7660 , 216 1 46296 I 3,671

111 0,399 ~ 2,224 ~ 1,825 I 7130 1 217 1 46083 , 3,531

Unsere weiter oben gemachte Behauptung wird durch die zahlenmaBigen Ergebnisse bezeugt. So 1aBt sich auf Grund yon G1.(9) erwarten, daB die unabhlngigen Paarwerte p i und E Iineare Korrelation aufweisen (Abb. 6).

Tab. 5 und Abb. 6 zeigen, dal3 der pu,-Wert sowie der Wert des Extink- tionskoeffizienten von Trimethyl-silyl-N-pyrrol (111) geringer sind als jene der tert. Buttyl-N-pyrrol-Derivate. Dies hat offensichtlich die Ursache darin, dal3 das tertiiire Kohlenstoffatom nur einen +I-Effekt aufweist, weshalb der Wert p, des permanenten Dipolmoments infolge der in Richtung des Ringes zur Geltung kommenden elektronenabstoBenden Wirkung zunimmt . Hingegen nimmt beim Siliciumderivat (111) der Wert pu, des Dipolmoments und der damit in Korrelation stehende Wert E infolge der Wirkung des ent- gegengesetzten geringfugigen -M-Elektronenniveaus (trotz des hohereii +I- Effekts des Siliciumatoms) ab. Dies bedeutet (bei einem Vergleich rnit der

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J. KAGY, P. HEKCSEI u. E. GERGO, Derivate yon Trimethyl-silyl-K-pyrrol 301

75%

?om- 6 M -

analogen Kohlenstoffverbindung), da13 das Siliciumatom im Pyrrolderivat nicht nur einen groBen +I- sondern auch einen geringfugigen -M-Effekt aufweist, denn sonst muate der Wert des Extinktionskoeffizienten sowie des p,-Dipolmoments groaer als die Versuchsdaten sein.

6mj 5500 /, , , , , , , , & 26 ZB 20 -72 34 46

Abb. 6. Korrelationsgerade zwi- schen p: und c

0,615 - 0 . 0 8 2 2

H

a b

Abb. 7. Elektronenverteilung im Pyrrol (a) und Trimethylsilyl-N-pyrrol (b)

Zur quantitativen Untersuchung des n-Effektes wurde eine einelektro- nische exakte LCAO -MO-Rechnung ausgefuhrt. Auf Grund dieser Rech- nung ist die z-Elektronenverteilung in Abb. 7 dargestellt worden. Die Pfeile zeigen die Richtung der einzelnen n-Bindungsdipolvektoren.

Die weiter oben angefuhrten Ergebnisse merden auch durch Abb. 7 bezeugt. Man sieht, da13 die Bindungsordnung Silicium-Stickstoff einen sehr kleinen Wert besitzt (0,144). Dies steht niit den1 geringen -M-Effekt des Siliciums in Zusammenhang; deshalb ist die n-negative Ladung des Siliciums ebenfalls niedrig. Der Dipolmert der entgegengesetzten Xi-N-Bindung vermindert das n-Dipolmoment des Pyrrolringes. Das ist in Einklang mit dem kleineren ,u3-Dipolmoment des Siliciumderivats gegenuber dem des tert. Butyl-N- pyrrols; denn schliel3lich verfugt das tertiare Kohlenstoffatom nur iiber einen +I-Effekt, der das ,u,-Dipolmoment des Pyrrolrings erhoht.

Aus dem Angefuhrten folgt, daB die Werte der pu,-Dipolmomente fur sich alleine nicht kennzeichnend sind, da innerhalb dieser die Werte der pu- und p,-Dipolmomente sich in verschiedenem Mafie verandern konnen. Bei- spielsweise geben sie im Pall des tert. Butyl-pyrrols, fur das die Werte der p,- und ,u,-Dipolmomente von entgegengesetzter Richtung sind, trotzdem noch immer einen hoheren p,,,-Wert als bei Pyrrol, fur das sie gleiche Rich- tung besitzen.

Unsere sich auf die cr- und n-Bindung beziehenden quantenmechanischen Berechnungen werden wir in einer ausfuhrlichen, verbesserten Form in einer folgenden Mitteilung ver- offentlichen.

Experimenteller Teil 1. Pyrrol (I)

7G0 mm (Lit.: 130-131°C/7G1 mm). Analysenreines Produkt, durch Vakuumdestillation gereinigt. Kp. : 129 - 130 "C/

Page 10: Untersuchungen zur Bindungsstruktur der Derivate von Trimethyl-silyl-N-pyrrol

302 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 367. 1969

2. 1-Tert.-Butyl-pyrrol (11) Aus Magnesium (2,4 g) und Athylbromid (22 g) wurde in Ltherischer Losung (80 ml)

Athylmagnesiumbromid erzeugt. Die atherische GRIGNa4~~-Losung wurde niit Pyrrol (13,4 g) versetzt und anschlielend die stochiometrische Menge tert. Butylchlorids (18,6 g) zugetropft. Das Reaktionsgemisch blieb 3 Stunden am Sieden sowie anschlielend 12 Stun- den stehen. Es wurde dann in verdunnte, auf 0 "C gekuhlte Salzsiiure gegossen und weiter- verarbeitet. Die Reinigung des Rohprodukts erfolgte durch Vakuumdestillation. Ausbeute 3 5 ~ 4 0 % .

I I1 I11 IV V

3. 1-Trimethyl-silyl-pyrrol (111)

1 I - 129 -130" (760) -

70-72" (12) 39,54 ~ 39,444 44-46' (40) 43,481 78-79" (21) 91-93" (18)

Aus den gleichen Substanzmengen, wie oben angegeben, wurde eine iitherische Losung von Athylmagnesiumbromid erzeugt und mit Pyrrol (13,4 g) sowie tropfenweise mit Tri- methyl-chlorsilan (22 g) versetzt. Nach dreistiindigem Sieden wurde das Reaktionsgemisch wiederum 12 Stunden stehengelassen. Durch gewohnliche und anschlieoende Vakuum- destillation wurde das Produkt vom nichtfliichtigen Magnesiumsalz getrennt und durch Fraktionierung im Vakuum gereinigt. Ausbeute 450/&

4. 2,5-Dimethyl-pyrrol (IV) Es wurde aus Acetonylaceton mit Ammoniumcarbonat nach VOGEL bereit8et3).

5. 1-Trimethyl-silyl-2,6-dimethyl-pyrrol (V) Die Losung von Athylmagnesiumbromid (vgl. 2.) wurde mit Dimethylpyrrol (20 ml)

und nachher tropfenweise mit tert. Butylchlorid (15 g) versetzt. Die Aufarbeitung erfolgte wie bei Verbindung ( 3 ) . Fraktionieren in Vakuum. Ausbeute 50%.

Tabelle 6 P h y s i k a l i s c h e X o n a t a n t e n v o n P y r r o l u n d s e i n e n s u b s t i t u i e r t e n D e r i v a t e n

Budapes t (Ungarn) , Lehrstuhl fur Anorganische Chemie der Techni- schen Universitat Budapest, XI. Gellhrt thr 4.

Bei der Redaktion eingegangen am 8. Juni 1968.