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244 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung Achtes Kapitel Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung 62. Nochmals die linearen Transformationen. Die im ersten Kapitel betrachteten linearen Transformationen (62.1) az + b w=Tz=--- cz + d (ad - be =!= 0) mit reellen oder komplexen a, b, e, d stellen, wie dort gezeigt wurde, ein- eindeutige Abbildungen der vollen Ebene iff dar, wobei das Punktepaar (- ,Zoo) dem Punktepaar (Woo, :) zugeordnet wird. Liegt die Gleichung (62.2) AAzz + Bz + Bz + C = 0 mit (62.3) BB-AAC;;;;; 0 vor, so stellt diese in der z-Ebene einen Kreis bzw. eine Gerade dar. Umgekehrt kann leicht gezeigt werden, daB die Gesamtheit der Kreise und der Geraden der komplexen Ebene durch die Klasse der Gleichungen (62.2) dargestellt wird. Def. Zwei Elemente 5 (A, B, C) und 5' (A', B', C') der so definierten F amilie 'm heifJen orthogonal, wenn (62.4) BB' + B' B = CA'A' + C' AA gilt. Man betrachte nun die Gesamtheit 'm o der durch die Gleichungen der Form (62.2) (ohne die Bedingung (62.3)) dargestellten Gebilde und definiere die Orthogonalitiit zweier Elemente von 'm o durch die Glei- chung (62.4). Dann gilt der Satz: Satz. Man transformiere die z-Ebene dureh die Gleiehung (62.1) und deute w als Punkt der z-Ebene. Dann gehen sowohl 'm als 'm o in sieh iiber. Dabei bleibt die Orthogonalitatseigensehaft erhalten. Beweis. Wegen (62.5) geht (62.2) in die Gleichung z= -dw+b cw - a (62.6) A'A'ww + B'w + Bw + C' = 0 tiber mit (62.7) B'B' -A' A'C' = DD(BB- AAC) und D = ad-be. Ferner ist A'A' = AAdd-Bed-Bde + Cee B' =-AAdb + Beb + Bad-Cae C' = AAbb - Bba- Bba + Caa. A. Dinghas, Vorlesungen über Funktionentheorie © Springer-Verlag OHG. 1961

Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

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Page 1: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

244 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

Achtes Kapitel

Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung 62. Nochmals die linearen Transformationen. Die im ersten Kapitel

betrachteten linearen Transformationen

(62.1) az + b

w=Tz=--­cz + d

(ad - be =!= 0)

mit reellen oder komplexen a, b, e, d stellen, wie dort gezeigt wurde, ein­eindeutige Abbildungen der vollen Ebene iff dar, wobei das Punktepaar

(- ~ ,Zoo) dem Punktepaar (Woo, :) zugeordnet wird.

Liegt die Gleichung

(62.2) AAzz + Bz + Bz + C = 0 mit (62.3) BB-AAC;;;;; 0

vor, so stellt diese in der z-Ebene einen Kreis bzw. eine Gerade dar. Umgekehrt kann leicht gezeigt werden, daB die Gesamtheit der Kreise und der Geraden der komplexen Ebene durch die Klasse der Gleichungen (62.2) dargestellt wird.

Def. Zwei Elemente 5 (A, B, C) und 5' (A', B', C') der so definierten F amilie 'm heifJen orthogonal, wenn

(62.4) BB' + B' B = CA'A' + C' AA gilt.

Man betrachte nun die Gesamtheit 'mo der durch die Gleichungen der Form (62.2) (ohne die Bedingung (62.3)) dargestellten Gebilde und definiere die Orthogonalitiit zweier Elemente von 'mo durch die Glei­chung (62.4). Dann gilt der Satz:

Satz. Man transformiere die z-Ebene dureh die Gleiehung (62.1) und deute w als Punkt der z-Ebene. Dann gehen sowohl 'm als a~teh 'mo in sieh iiber. Dabei bleibt die Orthogonalitatseigensehaft erhalten.

Beweis. Wegen (62.5)

geht (62.2) in die Gleichung

z= -dw+b

cw - a

(62.6) A'A'ww + B'w + Bw + C' = 0 tiber mit (62.7) B'B' -A' A'C' = DD(BB- AAC) und D = ad-be.

Ferner ist A'A' = AAdd-Bed-Bde + Cee

B' =-AAdb + Beb + Bad-Cae C' = AAbb - Bba- Bba + Caa.

A. Dinghas, Vorlesungen über Funktionentheorie© Springer-Verlag OHG. 1961

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63. Fixpunkte. Elliptische, hyperbolische und parabolische Transformationen 245

Die Gleichung (62.7) zeigt, daB der reelle Ausdruck B B - A A C (wegen DD> 0) bei der Transformation (62.1) sein Vorzeichen beibehalt. Das hat zur Folge, daB 0n in sich tibergeht. Was die Orthogonalitat anbetrifft, so kann man leicht zeigen: Sind die Gebilde mit den Koeffizienten A, B, C und A*, B*, C* orthogonal, und setzt man

F = B B* + B* B - C* A A - C A * A * ,

so gilt, falls man den neuen Ausdruck durch F' bezeichnet,

F' = DDF.

Der Leser mage die Rechnungen selbst durchflihren.

63. Fixpunkte. Elliptische, hyperbolische und parabolische Trans­formationen. Die Gleichung

(63.1) z = T z = az + b (D d b 0) cz + d = a - c =\= , das heiBt

cz2 + (d - a) z - b = 0 ,

hat im allgemeinen zwei Wurzeln p und q, we1che als die Fixpunkte der Transformation w = Tz bezeichnet werden. Setzt man (a - d)2 + + 4bc =\= 0 und c =\= 0 voraus, so ist p =\= q, und somit wird

(63.2)

Daraus folgt

(63.3)

(P, q, 00, w) = (p,q,- ~ ,z). w-p z-p --=M--w-q z-q

(M = Cq+d) cp+ d .

Aus dieser Gleichung lassen sich zunachst flir den Multiplikator die Gleichungen

(63.4) M-~I - D - dzz=p- (cp + d)2

und

(63.5) ~ = ~:Iz=q= D (cq + d)2

gewinnen. Nun folgt aus (63.3)

(636) w = _ (ilIlq - p) z + pq(l - M) . (I-M)z+Mp-q

und somit durch Vergleich mit (62.1)

I-M pM-q qM-p c d - a

Daraus erhalt man leicht

pq(l - M) -b

(a - d) b P +q=--c-' pq=-c

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246 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

und somit die quadratische Gleichung fUr M

(63.7) DM2-«(a + d)2_2D)M + D = o. Diese Gleichung hat stets zwei voneinander verschiedene W urzeln mit Ausnahme folgender Hille:

1. a + d = O. In diesem FaIle ist (M + 1)2 = 0, und die Transforma­tion heiBt eine Involution.

2. (a - d)2 + 4bc = O. In diesem FaIle ist (M - 1)2 = O. Urn die Form der Transformation zu erhalten, bemerken wir, daB, falls p -+ q konvergiert, M -+ 1 konvergieren muB. Schreibt man also

M = 1 - c (p - q) = 1 - M (p - q) cp + q 0 ,

so folgt aus (63.3)

und somit ( p-q) ( p-q) 1- w-q =(I-Mo(P-q)) 1- z-q

1 1 (63.8) w _ q = z _ q + Mo .

Diesem Verfahren lag die Voraussetzung zugrunde, daB der Fixpunkt q der Transformation (62.1) im Endlichen liegt. 1st q = 00, so sieht man leicht, daB die entsprechende Transformation die Form

(63.9) W = Z + h mit einem komplexen h hat.

Die kanonischen Formen (63.3), (63.8) und (63.9) gestatten, die Poten­zen Tn Z (n = 0, ± 1, ... ) in ubersichtlicher Form zu schreiben. Schreibt man in der Tat Zo fUr Z und Zn fur Tn Z, so hat man die Gleichungen

(63.10)

(63.11)

und (63.12)

Zn - P Zo - P Zn - q = Mn Zo _ q ,

1 1 --=--+nM Zn - q Zo - q 0

Zn = Zo + nh.

Wir untersuchen die drei Fane: 1. IMI =1= 1 (IMI > 1). In diesem FaIle bestehen die Folgen (zn) und

(z-n) (n = 0, 1,2, . .. ) aus voneinander verschiedenen Punkten und es gilt

lim Zn = q, lim Ln = P . n......l).OO n-+oo

1st M komplex, so heiBt (62.1) loxodromisch. 1m FaIle, daB M reell ist (lMI> 1), heiBt (62.1) hyperbolisch1.

1 Allgemein sind die loxodromischen bzw. die hyperbolischen Transformationen durch die Bedingungen l'Vl = komplex =1= 0 bzw. M> 0 charakterisiert.

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64. Spiegelung an einem Kreis. Das Schwarzsche Spiegelungsprinzip 247

2. IMI = 1. Setzt man aIlgemein

(63.13)

so hat man die Gleichungen

z,. - p W =---

n Zn - q ,

(63.14) Wn = Mnwo (n = 0, ± 1, ... )

und somit k6nnen die Transformationen (63.10) auf Rotationen zurtick­gefUhrt werden. Setzt man

M= eiro

so wird (w =!= 2m n) ,

(n = 0, ± 1, ... ) .

Transformationen mit IMI = 1 werden elliptische Transformationen ge­nannt. 1st insbesondere w = n (M = -1), so nennt man sie Involutionen.

3. Liegen die Hille (63.11) und (63.12) vor, so liegen die Zn (im FaIle (63.11) erst durch die Abbildung W= (Z-q)-l) auf einer geraden Linie und werden durch Verschiebung erhalten. Die entsprechenden Transforma­tionen heiBen dann parabolisch.

Eine wichtige Klasse linearer Transformationen mit reellen Koeffizien­ten bildet diejenige Untergruppe, deren Transformationen die reelle Achse invariant lassen und die obere Halbebene in sich iiberftihren. Setzt man dann w = u + iv, Z = x + iy und verlangt, daG aus y > ° auch v> ° folgt, so foIgt aus

(ad-bc)y Dy v = = .---:,'--:i,,-Icz + dl" Icz + dl"

daB D > ° sein muG. Die Gesamtheit 5' aller solchen Transformationen mit D > ° bildet offenbar eine Gruppe und spielt in den wichtigen Untersuchungen von H. POINCARE tiber automorphe Funktionen eine fundamentale Rolle. Nimmt man (ohne Einschrankung der Allgemein­he it) D = 1, so kann man zeigen, daB 5' (da im FaIle, wo p und q kon­jugiert komplex sind, IMI = 1 sein muB) lediglich elliptische, hyper­bolische oder parabolische Transformationen enthalten kann.

64. Spiegelung an einem Kreis. Das Schwarzsche Spiegelungsprinzip. Sind p, q zwei voneinander verschiedene Punkte von E, so stellt die Familie

(64.1) 1~I=k z-q (O~k<+oo)

Kreise dar, welche in der geometrischen Funktionentheorie eine Rolle spielen. In der Tat folgt aus (64.1)

also

(64.2)

z - P = ke z-q

p - qhB Z = 1 _ he

(lei = 1) ,

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248 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

und somit fUr k =l= 1

Daraus folgt

(64.3)

1st k = 1, so ist

p_k2 q k(P-q) I-ke z- 1 _ k2 = 8 1 _ k 2 • 1 - ke .

I p - k2q I Ip - ql z - 1 _ k2 = k 11 _ k21

Iz-PI = Iz-ql,

und somit stellt (64.1) eine Gerade durch den Punkt p ~ q ,senkrecht·

zu der Strecke, we1che die Punkte p und q verbindet, dar. Hiermit stellt (64.1) eine Familie von Kreisen dar mit dem Mittel­

punkt

und dem Radius

Nun ist

und mithin (64.4)

Def. Es sei (64.5)

p _ k2q a=a(k)= I-k2

Ip - ql r=r(k)=k II-k21

P _ a = (q - P) k2 q _ a = (q - P) 1 - k 2 , 1 - k 2

IP-allq-al = r2.

Iz- al 2 = r2

ein reeller Kreis von E. Liegen die Punkte p, q und a auf einer Geraden und gilt

IP-allq-al =r2 ,

so heifJen p, q reziprok (oder Spiegelpunkte) in bezug auf (64.5). Nach dieser Definition sind also wegen

-- Ip - ql2k2 (p-a) (q-a) = II-k212 =r2

die Punkte p, q in bezug auf jeden Kreis (64.1) reziprok.

Die Eigenschaft der Punkte p und q, spiegelbildlich zueinander zu liegen, ist gegenuber linearen Transformationen invariant. Unterwirft man in der Tat z der Transformation w = Tz, so wird wegen

(64.6)

z = T-l W = - dw + b cw - a '

I T-IW - p 1= k T lW - q ,

I w - Tp 1= k I cq + d I. w - Tq cp + d

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64. Spiegelung an einem Kreis. Das Schwarzsche Spiegelungsprinzip 249

Danach gilt der Satz:

Satz. Geht ein Kreis K z , etwa der Kreis (64.1), durch die lineare Transformation w = Tz in den Kreis Kw der w-Ebene ilber, so geht jedes in bezug auf K z reziproke Punktepaar p, q in ein in bezug auf den Kreis Kw reziprokes Punktepaar TP, Tq uber.

Der hier entwickelte Spiegelungsbegriff wurde von H. A. SCHWARZ dazu verwendet, urn unter bestimmten Voraussetzungen eine in einem Gebiet G eindeutige reguliire Funktion fortzusetzen, sofem der Rand von G einen Kreisbogen bzw. eine Strecke enthiilt.

Satz. Es sei w (z) = u (z) + i v (z) in einem H albkreis H

(64.7) Rez> 0, Izl ~ e eindeutig regular. Ferner gelte fur jeden Randpunkt Co = ir; (- e ~ r; ~ e) die Gleichung

(64.8) lim u(z) = ° Z-..C,

Dann ist w (z) in Izl < e regular, und es gilt

(64.9) Beweis. Man setze

w (- z) = - w (z) .

fUr _~<{}< n 2 2

foo _<1 n ur u=±z

f oo n _<1 3n ur -<v'<-2 2

(z E H) .

und beachte, daB der Realteil der in Izl < e eindeutigen analytischen Funktion

(64.10)

fUr rein imaginiires z verschwindet. Man schreibe jetzt g (z) in der Form

'" +" -g(z)=_l_J 2 U(C){C+Z _ £-Z}d{}

2n '" C-z C+z -2'

und beachte, daB Reg (z) auf

T1 ={CIC=eeiO,-;<{}< ;}

die Randwerte u(eeiO) und auf

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250 VIII. Geometrische Funktionentheone. Konforme Abbildung

die Randwerte Null hat. Bildet man also die (in H regulare harmonische) Funktion

V(z) = ~t(z) - Reg(z) ,

so hat diese auf Tl U T2 die Randwerte Null und muB infolgedessen nach dem Maximumprinzip in H identisch verschwinden. Es ist also

w(z) = iC + g(z) (z E H; C reell)

und mithin (da g (z) in Izl < e eindeutig und regular ist) liefert die Funk­tion i C + g (z) die analytische Fortsetzung von w (z) in Izl < e. Man setze jetzt

J(z) = iC + g(z) .

Dann ist

Das beweist die Behauptung. Der Leser wird selbst merken, daB man die Voraussetzungen des

vorherigen Satzes etwas abschwachen kann, indem man die Bedingung (64.8) lockert. So konnte man z. B. voraussetzen, daB (64.8) mit Ausnahme einer endlichen bzw. abzahlbaren Teilmenge von T2 gilt. Allgemeiner wirkt sich jede Vertiefung des Maximumprinzips in dieser Richtung auf die Bedingung (64.8) aus.

Die Gleichung (64.9) setzt die Funktion w (z) links der imaginaren Achse fort, indem sie Spiegelpunkten in bezug auf diese Achse Spiegel­werte zuordnet. Berlicksichtigt man noch, daB der Reziprozitatsbegriff bei jeder linearen Transformation erhalten bleibt, so kann man den gewonnenen Sachverhalt folgendermaBen formulieren:

Satz. (SCHWARZS Spiegelungsprinzi p). Der Rand Tvon G mage einen (offenen) Kreisbogen T z eines Kreises K z enthalten. Hat dann w (z) die Eigenschaft, dafJ fiir jedes C E T z lim w (z) existiert ~md auf einer festen

z-+c Peripherie Kw liegt, so kann w (z) in genugender N ahe von T z (uber T z

hinaus) fortgesetzt werden, indem man jedem Spiegelungspunkt z' eines Punktes z von G einer hinreichend kleinen Umgebung von T z den Spiegel­wert von w = w (z) in bezug auf Kw zuordnet.

Beweis. Mit Rlicksicht auf die Invarianz der Spiegeleigenschaft in bezug auf einen Kreis gegenliber linearen Transformationen kann man ohne Einschrankung der Allgemeinheit annehmen, daB Tz eine Strecke

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65. Zusammenhange mit der hyperbolischen Geometrie 251

der imaginaren Achse ist und daB Kw mit dieser Achse zusammenfillt. Genauer gesagt, nehmen wir an:

1. Die Strecke - (! ~ y ~ e (e > 0) der imaginaren Achse ist in Fz enthalten.

2. Der durch (66.7) definierte Halbkreis ist in G enthalten. Sind nun diese Voraussetzungen erfullt, so folgt der Beweis des

Schwarzschen Spiegelungsprinzips ohne Schwierigkeit. 1st die Fort­setzung von w (z) in der Nahe von F. moglich, so kann natiirlich (mit den ublichen Methoden) die Fortsetzung von w (z) auf dem ganzen Spiegelbild des in K. liegenden Telles von G durchgefUhrt werden. Der Leser wird wohl ohne Schwierigkeit folgende Fassung des Spiegelungsprinzips von SCHWARZ selbst beweisen konnen:

Satz. Enthiilt der Rand r von G einen offenen Kreisbogen rz einer Peri­pherie K und liegt G entweder im Inneren oder im Auj3eren von K, so kann man w (z) in dem in bezug auf K gespiegelten Gebiet G' dadurch fortsetzen, daj3 man dem Spiegelpunkt z' von z E G in bezug auf K den Spiegelwert w' von ow = w (z) in bezug auf Kw zuordnet.

65. ZusammenMinge mit der hyperbolischen Geometrie. PICKS For­mulierung des Schwarzschen Lemmas. EUGENIO BELTRAMI (1835-1900) und spater nachdriicklicher HENRI POINCARE haben durch Erganzung der Begriffsblldungen der drei vorherigen Nummem gezeigt, daB man fUr die zweidimensionale nichteuklidische, insbesondere fUr die hyperbolische Geometrie, ein Modell geben kann, bei dem die zu einem festen Kreise orthogonalen Kreise die Rolle der Geraden der euklidischen Geometrie spielen.

Es bedeute H die Teilmenge von E, deren Punkte z der Ungleichung

(65.1) KlzlZ + 1> 0

genugen, wobei K eine feste (positive, negative oder verschwindende) Zahl darstellt. 1st K ~ 0 (elliptisch-euklidischer Fall), so falIt H mit E zusammen. Dagegen besteht H im FaIle K < 0 (hyperbolischer Fall) aus

allen Punkten der offen en Kreisscheibe Izlz < - ~ . 1m folgenden wird K =f= 0 angenommen.

Das Gebilde

(65.2) S: Kzz+l=O

wird der Fundamentalkreis von H genannt. Dieser ist fUr K < 0 reell und fUr K> 0 imaginar (mit reeller Gleichung). Sind Zl' Zz zwei von­einander verschiedene Punkte von H (fur K < 0), so gibt es offenbar einen und nur einen Kreis durch Zl und Zz, der S senkrecht schneidet.

Def. J eder Kreisbogen in H, der S orthogonal schneidet, soU eine (nichteuklidische) Gerade heij3en.

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252 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

Sind zl> Z2 zwei Punkte von H und 51 der durch diese bestimmte Orthogonalkreis auf 5, so bezeichnen wir mit zo, Zoo die Schnittpunkte von 5 und 51.

Def. Die Grope

(65.3)

solt die nichteuklidische Entjernung von ZI und Z2 heipen.

Wie man leicht sieht, gilt wegen

Daraus folgt die Symmetrieeigenschaft

Setzt man

(65.4)

so stellt (Zl> Z2) die algebraische Entfernung von ZI' Z2 in bezug auf die (durch die Festlegung von Zo und zoo) orientierte Gerade 5' dar. 1st Z3 ein Punkt auf 5' (Z3 E H), so wird wegen

(65.5)

und (65.6)

Urn den Ausdruck (65.3) durch weitere Eigenschaften als Entfernung zu rechtfertigen, betrachten wir die Klasse der Transformationen

w = e -:-z,---=z=-.o -1 +Kzoz (Zo E H, lei = 1)

und erinnern daran, daB jede soIche Transformation den Raum H in sich iiberfiihrt. Man setze jetzt K = -1 voraus und wahle bei gegebenen ZI' Z2 E H in der Transformation

(65.7) z - Zl w=e _ 1 - zlZ

die Einheitszahl e so, daB der Punkt

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65. Zusammenhange mit der hyperbolischen Geometrie 253

auf der reellen positiven Achse liegt. Dann bestatigt man leicht, daB (bei geeigneter Festlegung von Zo und zoo) die Gleichung

(65.8)

gilt. Daraus erhalt man nach leichten Rechnungen

1 1 + IW21 Izv z21 = zlog 1 - IW21 .

1m folgenden bezeichnen wir die rechte Seite der letzten Gleichung mit [zv Z2] und nennen sie die hyperbolische Entfemung von Zl' zl. Ersetzt man in der Gleichung

(65.9)

Zl durch z und Z2 durch z + LI z (LI z =!= 0), und bildet man den Grenzwert

so findet man

(65.10)

[dz] lim [z,z+Llz] ILlzl ..... O ILl zl ldZI'

Idzl [dz] = 1 _ Izl2 .

Die GroBe [dz] nennt man (im Einklang mit der gewahlten Terminologie) das hyperbolische Bogenelement von H.

Def. Es bedeute 'Yz eine (diJJerenzierbare) Kurve des Einheitskreises Izl < 1, gegeben durclz die Gleichung

(65.11)

Dann heif3t die Gro(.Je

rt, Iz' (t) I r Idzl (65.12) [Ly] = }t, 1 -lz(t)12 dt = Jy T=l;r

die hyperbolische Lange von 'Yz' Neben der allgemeinen Additivitat ([L y.+ y,] = [Ly,] + [Ly,]) weist

die hyperbolische Strecke, we1che die Punkte Zl und Z2 verbindet, die Eigenschaft auf, die kleinste Lange unter allen Kurven zu besitzen,

1 Flir ein allgemein gewahltes K findet man die Gleichung

1 1 + V=:Klw.1 Izv z21 = V- log V . 2 -K 1 - -Klw21

Dabei wird w2 durch die Gleichung

gegeben.

z. - Zl

W 2 = 1 + KZ1 Z 2

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254 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

welche diese Punkte verbinden. Urn dies (flir differenzierbare Kurven) nachzuweisen, setze man Zl = z(tl ), Z2 = Z(t2) und Yw = w(yz), wobei W

durch die Gleichung (65.7) gegeben wird. Die Kurve Yw geht dann durch die Punkte 0 und W 2 (W2 > 0) und es gilt [Lyz ] = [L1,w]' Da umgekehrt jede Kurve von H, die durch 0 und W 2 geht, durch die Transformation

in eine durch Zl und Z2 gehende Kurve von H iibergeht, so geniigt es, diejenige Kurve durch W = 0 und W = WI zu bestimmen, flir welche das Integral rw, Idzl

J(y) = Jo 1 _ Izl2 (W2 > 0, Z = z(t)

den kleinsten Wert annimmt. Wegen jdzj ~ jdjzjj findet man nun

rw, dx J(Y)~Jo ~

und somit stellt (so fern man wieder zu den Punkten ZI und Z2 zuriickgeht) der Teilbogen von S', der ZI und Z2 verbindet, die gesuchte Minimal­kurve dar.

Satz (SCHWARZ-PICK). ] ede von einer hyperbolischen Bewegung ver­schiedene Abbildung von H: jzj < 1 in sich durch eine eindeutige analytische Funktion w (z) unter Zugrundelegung der hyperbolischen Lange ist eine echt kontrahierende Abbildung. 1st Yz eine Kurve von H, so geht diese bei der Abbildung w = w(z) in eine Kurve Yw von Huber, deren Lange [Ly",']

kleiner als die Lange [Lyz ] von y ist.

Beweis. Setzt man w (ZI) = WI (zl> WI E H), so gilt nach dem Schwarz­schen Lemma

(65.13)

und somit

Es wird also

(65.14) Iw'l 1 -c-'---7~ < --c---c--~ 1 - Iwl2 = 1 - Izl2

flir jedes z E H und mithin

(65.15) Iw'(z(t))1 < _I:JIlL 1 - Iw(z(t))12 = 1 - Iz(t)12 •

Aus (65.13) folgt mit Riicksicht darauf, daB die Funktion

1 1 + x y=-log~~

2 1 - x

Page 12: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

65. Zusammenhange mit der hyperbolischen Geometrie 255

im Intervall 0 < x < 1 monoton wachsend ist,

(65.16)

und somit der Beweis des ersten Telles des Satzes. Der Beweis der Ver­kleinerung von [LywJ folgt durch Integration von (65.15) von t = tl bis t = t2•

Man nehme jetzt an, es gelte in einem Punkt Zo von H: Iz/ < 1

(65.17) w' _ 1 - Iwl' I 1- 1 - Izl'

Man definiere die Funktion g (C) durch die Gleichung

mit

und

g(C) = w*(z(C))

w* (z) = w(z) - wo 1 - wow(z)

C + Zo

Z = 1 + zoC (ICI < 1) .

Dann ist g (C) in ICI < 1 regular und besitzt wegen Ig' (0) I = 1 die Ent­wicklung

(lsi = 1) .

Daraus folgt wegen g(O) = 0, Ig (C) I ~ 1 und somit Ig(C)/ ~ ICI, 1 f dC r2 + la212r4 + la312 r6 + ... = 2ni g(C) gm T ;£: r2.

It I =7

Es ist also g (C) = sC und mithin

w (z) - Wo z - Zo

1 - wow(z) = s 1 - zoz •

Das beweist die Behauptung. Fiir das Eintreten des Gleichheitszeichens in der Ungleichung

(65.18)

schlieBt man analog. 1st namlich [LywJ = [LyzJ, so muB fUr mindestens ein t (65.17) gelten und somit w (z) ein Automorphismus sein.

Auf die hier entwickelten Zusammenhange kommen wir in der Num­mer 68 zuruck. Dort wird der Leser erfahren, wie man den hier bewiese­nen Satz von SCHWARZ und PICK wesentlich verallgemeinern kann.

66. Schlichte Funktionen. Der Riemannsche Abblldungssatz. 1st w = w (z) in einem Gebiet G eindeutig regular, so heiBt sie dort schlicht, wenn fiir je zwei Punkte zl> Z2 (Zl =!= Z2) von G stets w (Zl) =!= w (Z2) gilt. Die einfachsten schlichten Funktionen sind offenbar die linearen Trans­formationen.

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256 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

Satz. 1st W (z) schlicht in C, so gilt w' (z) =t= 0 in jedem Punkt z E C. Beweis. Man nehme an, es gibt einen Punkt Zo von C mit w' (zo) = O.

Dann gilt in einem hinreichend kleinen Kreis K r : Iz - zol ~ r (r > 0)

W (z) - Wo = (z - zo)ng(z) (n ~ 2, Wo = w(zo))

mit einem dort reguHiren g(z), g(z) =l= O. Es bezeichne rr den (positiv orientierten) Rand von K r . Dann gilt

Es sei nun

1;; w' --. dz=n. 2nt r, W - Wo

m = Min {Iw(z) - wolllz- zol = r} > 0

und la - wol ~ ~ m. Dann wird, wenn N die Anzahl der Nullstellen

von w(z)-a in Kr ist

also

und somit ist fUr kleine Iwo - al N - n = 0 (da die linke Seite eine ganze Zahl ~ 0 ist). Das wurde aber bedeuten, daB die Funktion w(z) in Kr den Wert an-mal annimmt.

Satz. Es sei w (z) schlicht inC. Man schreibeCzJurCund setze Cw=w (C). 1st dann g (w) schlicht in Cw, so ist J(z) = g(w (z) schlicht in Cz.

Beweis. Es sei ZI =t= Z2' Man setze WI = w (ZI) und W2 = w (Z2)' Da w (z) schlicht ist, so ist WI =t= w2 und somit (wegen der Schlichtheit von g) auch J(ZI) =t= J(Z2)'

Satz. Es bedeute (wn(z)) (z = 1,2, ... ) eine Folge schlichter Funktionen in C. Konvergiert dann (wn (z)) gleichmafJig in jeder kompakten Teilmenge von C gegen eine (regulare) nicht konstante Funktion w (z), so ist diese in C schlicht.

Beweis. Zunachst ist es klar, daB w (z) in C eindeutig regular ist. Man setze nun r > 0 so klein voraus, daB w (z) - w (zo) (kurz w - wo) in K r : Iz - zol ~ r lediglich die. Nullstelle z = Zo hat. Ferner nehme man k so groB, daB auf dem Rande rr von Kr

gilt, wobei wieder

m = Min {Iw(z) - wolliz - zol = r} > 0

Page 14: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

66. Schlichte Funktionen. Der Riemannsche Abbildungssatz 257

ist. Das ist stets maglich, weil wk (z) auf rr gleichmaBig gegen W (z) konvergiert. ]etzt setze man

N=--. dz 1 J w' 2:rn r ,. W - Wo

und fiir k = 1, 2, ...

Somit wird

IN -Nkl ~ 21n JJ w:' Wo - Wk ~ Wo !Idzl,

das heiBt

(N ganz, > 0)

(Nk Null oder Eins).

IN - N I :;: _1 r! w' - w~ !Idzl _1 r Iw - wkllwkl Idzl k - 2n Jr, W - Wo + 2n Jr, IWk - wollw - wol

und fUr hinreichend groBe k (und m ~ 1)

IN-Nkl ~~;-Max{lw'-wil + IW-Wkllwklllzi =r}.

Daraus folgt wegen der gleichmaBigen Konvergenz von (wk ) und (wi) auf rr gegen W bzw. w' und den Bedingungen N =l= 0, Nk = ° oder N k = 1 von einem k an Nlc = N = 1. Ware nun W (z) in G nicht schlicht, so miiBte sie dort jedenfalls eine von Null verschiedene Ableitung besitzen. Andererseits kann W (z) in zwei voneinander verschiedenen Punkten Zlt Z2 von G nicht denselben Wert Wo annehmen. Denn sonst miiBte jedes Wlc mit k ;;:;; kl in einer hinreichend kleinen Umgebung um Zl und um Z2 denselben Wert annehmen, was der Schlichtheit jeder Funk­tion W k (z) widerspricht.

Satz. Es sei (wn (z) (n = 1,2, ... ) eine Folge gleichmapig beschrankter, schlichter Funktionen in G. Dann lapt sich aus (wn (z) eine Teilfolge (wnk (z)) (k = 1,2, ... ) auswahlen, die entweder gegen eine endliche Kon­stante oder gegen eine in G schlichte Funktion W (z) konvergiert.

Beweis. Die Existenz einer konvergenten Teilfolge (wnk (z)) ist durch die Entwicklungen von 37. gesichert. Konvergiert dann (wnk (z)) nicht

gegen eine Konstante (wie z. B. im FaIle der Folge (:)), so muB die

Grenzfunktion W (z) schlicht sein. Folgender Satz mage yom Leser bewiesen werden:

Satz 5. 1st W = W (z) in einem Gebiet Gz der z-Ebene schlicht, so ist die inverse Funktion z = z (w) im Gebiet Gw = W (G.) schlicht.

Dem Beweis des Riemannschen Abbildungssatzes schicken wir fol­gende vorbereitende Tatsachen voraus: Gibt es eine regulare analytische Funktion W (z), we1che ein gegebenes Gebiet Gz der komplexen Ebene eineindeutig auf ein (ebenso gegebenes) Gebiet Gw abbildet, so heiBen

Dinghas, Funktionentheorie 17

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258 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

Gz und Gw = w (Gz) konform aquivalent. Die Bestimmung der Abbil­dungsfunktion w = w (z) und ihre Eigenschaften bilden das zentrale Problem der Abbildung schlichter Gebiete. Man kann ohne weiteres zeigen, daB es Paare von Gebieten gibt, die nicht konform aquivalent sind. So k6nnen z. B. die offene komplexe Ebene und die Kreisscheibe K: Izl < 1 nicht konform aquivalent sein, denn jede eindeutige regulare Funktion w = w (z) mit der Eigenschaft w (E) = K muBte nach dem Cauchy-Liouvilleschen Satz konstant sein.

Die konforme .Aquivalenz weist die drei charakteristischen Eigen­schaften der .Aquivalenz-Relation auf:

1. Reflexivitat, 2. Symmetrie, 3. Transitivitat. Gilt in der Tat Gw = w(Gz) und ist z = z(w) die zu w = w(z) inverse

Funktion, so ist z (w) ebenfalls schlicht und somit Gz = z (Gw). Ebenso leicht zeigt man, daB die konforme .Aquivalenz transitiv ist. Der Begriff der konformen .Aquivalenz teilt die Gesamtheit aUer nichtleeren Gebiete der voUen komplexen Ebene in konform-aquivalente Klassen.

Satz (RIEMANN). Jedes einfach zusammenhiingende Gebiet G mit minde­stens zwei voneinander verschiedenen Randpunkten a, b ist zu jeder offene'lt Kreisscheibe Izl < R (R < 00) konform aquivalent.

Beweis. Da w = Rz die Kreisscheibe K: Izi < 1 auf die Kreisscheibe Iwl < R konform abbildet, genugt es, R = 1 zu nehmen. Es bezeichne 5 die Klasse allerin G regularen Funktionenf = f(z) , die dorl schlicht sind und die Eigenschaft f (G) S;; K haben. Wir behaupten zunachst: Die Klasse 5 ist nicht leer. Man betrachte in der Tat die Funktion

1/ 1 - a1,; V 1 - b1,;

in der Nahe von r; = 0 und nehme denjenigen Zweig, der fUr r; -,0 gegen + 1 konvergiert. Dann ist

w(z) = 11; =: in G eindeutig (da G einfach zusammenhangend und w(z) unbeschrankt fortsetzbar in G) und schlicht in G, kann aber dorl mit eden Werl - c nicht annehmen. Daraus folgt, es gibt ein endliches c derart, daB fur aUe z in G Iw (z) - cl ~ '1'J > 0 bleibt. Das hat wieder zur Folge, daB bei geeigneter Wahl von A und B die Funktion

A w1 (z) = () + B w z - c

in G schlicht und dem Betrag nach < 1 ist. Es sei jetzt Zo ein fester Punkt von G. 1st dann f E 5, so setze man

fo = f(zo) und . f(z) - fo

w(z) =-1 ~Jof(z)-'

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66. Schlichte Funktionen. Der Riemannsche Abbildungssatz 259

und beachte, daB die neue Familie

So = {w If(z) E S}

aus Funktionen besteht, die in G schlicht sind und dem Betrag nach kleiner als Eins. Man betrachte jetzt die Kreisscheibe Ko: Iz-zol < r(zo). Dann ist jedes wE So dort regular und dem Betrag nach kleiner Eins. Da noch w (zo) = 0 ist, gilt nach dem Schwarzschen Lemma

und mithin auch

(66.1)

Danach ist (66.2)

Iw(z)1 :::;: Iz - zol - r(zo}

hOchstens gleich _(I) und somit endlich. r Zo

Es bedeute jetzt (gn (z)) (n = 1, 2, ... ) eine abzahlbare Teilmenge von So mit (66.3)

Dann gibt es wegen Ign (z) I ;:;;;; 1 eine Teilfolge (gnk (z)) (k = 1,2, ... ) von (gn (z)), die in jeder kompakten Teilmenge von G gleichmaBig gegen eine (regulare) Funktion konvergiertl. Schreibt man also wk(z) fiir gnk(z), so gilt (66.4) lim W k (z) = W (z) (z E G) ,

k .... oo

und die Grenzfunktion w (z) ist (da sie wegen w (zo) = 0, Iw' (zo) I = D keine Konstante sein kann) nach dem vorhin bewiesenen Satz schlicht in G. Wir behaupten nun:

Die Funktion w (z) bildet das Gebiet G eineindeutig auf K abo Man nehme in der Tat an, die Menge Kl = K \ w (G) sei nicht leer

und betrachte die Funktion

w1(z) = ,/--:-Iw_-=a_ V· -aw

mit einem festen a. Dann sind aIle beide Zweige der so definierten Funk­tion in G eindeutig regular und schlicht. Man wahle einen dieser Zweige und bilde die Funktion

1 Die Funktionen gn (z) konnen natiirlich aIle gleich sein. Dieser Fall tritt sicher ein, falls es in So eine Funktion w (z) mit Iw' (zo) 1 = D gibt. Was die Konvergenz der Folge (gnk (z)) anbetrifft, so wird diese fUr den Fall, daB der Punkt z = 00 innerer

Punkt von Gist, durch die Transformation C = ~ erledigt. z

17*

Page 17: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

260 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

Dann ist Wo (z) E So, und es gilt

I () dwo I 1 + lal I ( ) Wo Zo = -- = V W Zo ' dz Z=Zo 2-a

also I 1 + lal I 1 + lal

Iwo (Zo) I = V- Iw (Zo) I = V- D > D. 2 lal 2 lal

Das ist aber gegen die Voraussetzung (66.2). So mit ist w(G) = K und der Satz bewiesen.

Da w(z) noch von der (willklirlichen) Wahl von Zo abhangt, so schrei­ben wir im folgenden w (z, zo) anstelle w (z) und normieren diese Funktion durch Multiplikation mit einer Zahla (Ial = 1), so daB w' (z, zo) > 0 wird. Wie man leicht sieht, wird w (z, zo) durch diese zusatzliche Bedingung eindeutig bestimmt.

67. Das Dirichletsche Problem. Greensche Funktion und harmoni­sches Mall. Bedeutet r den Rand des einfach zusammenhangenden Ge­bietes G der vorigen Nummer und konvergiert (zn) (zn E G; n = 1,2, ... ) gegen r, so liegt jeder Haufungspunkt der Bildpunktfolge (wn) (wn = w(zn) auf dem Rand des Einheitskreises K. Ware namlich dies nicht der Fall, so gabe es eine Teilfolge (wnJ (n = 1,2, ... ) von (wn) mit lim wnk = Wo (Iwol < 1).

k-+oo

Es sei jetzt Zo = z(wo). Dann gilt mit Rlicksicht darauf, daB z(w) in der Umgebung von Wo holomorph ist, lim z (w) -+ zo' was flir w = wnk falsch

W~tOo

ist. Es folgt also aus Zn -+ r stets Iwni -+ 1 und umgekehrt. Man setze jetzt

(67.1) 1

g (z, zo) = log I ( ) I . w z,zo

Dann hat g (z, zo) folgende Eigenschaften:

1. g(z, zo) ist in jedem Punkt z E G, z =!= Zo eine regulare harmonische Funktion.

2. In der Umgebung von Zo ist

(67.2) regular harmonisch.

3. Es gilt (67.3)

log Iz - zol + g (z, zo)

limg(z, zo) = O. z-+r

Die Funktion g (z, zo) ist harmonisch in bezug auf zoo Genauer gesagt gilt der

Satz. Sind p, q zwei beliebige Punkte von G, so ist stets

(67.4) g(P, q) = g(q, P) .

Page 18: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

67. Das Dirichletsche Problem. Greensche Funktion und harmonisches MaE 261

Beweis. Man fasse die Funktion

(67.5) w (z) = w (z, q) - w (P, q) 1 - w(P, q) w(z, q)

als Funktion von w (z, P) auf. Dann ist wegen G +-+ K w (z) eine eindeutige (regulare) Funktion von w (z, P), und somit gilt (da beide Funktionen fUr z = p verschwinden) nach dem Schwarzschen Lemma

Iw(z)l;;:; Iw(z,P)I, also

(67.6) Iw(P,q)l;;:; Iw(q,P)I·

Vertauscht man die Rolle von P und q, so wird entsprechend

(67.7) Iw(q,P)I;;:; \w(P, q)1

und so mit auch Iw(q, P)I = Iw(P, q)l·

Def. 1st G ein beliebiges Gebiet der komplexen Ebene und existiert dort eine Funktion g (z, zo) mit den Eigenschaften 1., 2., 3., so heifJt diese die Greensche Funktion von G.

Nach den vorherigen Entwicklungen besitzt jedes einfach zusammen­hangende Gebiet der komplexen Ebene mit mindestens zwei Randpunk­ten eine Greensche Funktion. DaB es auch Gebiete gibt, die keine Greensche Funktion besitzen, sieht der Leser an dem Beispiel der offen en komplexen Ebene E.

Der Nachweis der Existenz einer Greenschen Funktion g (z, zo) bei gegebenem G hangt eng mit der Lasung des sog. Dirichletschen Problems zusammen, das man folgendermaBen formulieren kann:

Es sei G ein Gebiet der komplexen Ebene, dessen Rand r kein aus einem einzigen Punkt bestehendes Kontinuum enthiilt. 1st a(C), C E r, eine stetige Funktion von C, so soU eine in G reguliire harmonische Funktion u (z) mit der Eigenschaft

(67.8) lim u(z) = a (C) (z E G) z ...... c

gefunden werden. Nachfolgende Bestimmung von u (z) geht auf eine Arbeit von PERRON

aus dem Jahre 1923 zuriick und fUhrt fUr eine breite Klasse von Ge­bieten G zum Ziel.

Hilfssatz 1 (Prinzip von HARNACK). Es sei (Un) (n = 1,2, ... ) eine nicht abnehmende F olge von reg~tliiren eindeutigen harmonischen Funktionen

Page 19: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

262 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

Un = Un (z) (z E G). Dann ist die GrenzJunktion

(67.9) u (z) = lim Un (z) (z E G) n-..oo

entweder die Konstante + 00 oder eine in G harmonische Funktion 1•

Beweis. Es sei Zo ein Punkt von G, den man ohne Einschrankung der Ailgemeinheit als den Nuilpunkt nehmen kann. Dann gilt zunachst in jedem Punkt z der Kreisscheibe Izl < e < r (0)

(67.10) 1 102" . eeil} + z Un (z) = -2- 21n (et,l}) Re jf) df} :n; 0 ee - z

und somit 1 r2 :n; • eeil} + z

<1m ,n (z) = --zn)o <1m ,n (ee,l}) Re eeil} _ z df}

mit <1m, n (z) = ~tm (z) - Un (z). Nimmt man m ~ n ~ 1, so erhalt man wegen <1m ,n(z) ~ 0 und

1 r" <1m ,n(O) =--zn)o <1m ,n(eei l}) df}

die Doppelungleichung

e - Izl ( ) ( ) < e + Izl ( ) e + Izl <1m,n 0 ~ <1m,n Z = e _ Izl <1m,n 0 .

Daraus kann man leicht folgendes Resultat ableiten: Es sei Zo ein beliebi­

ger Punkt in G. Dann gilt in Iz - zol < + r (zo)

1 (67.11) gl<1m,n(zo)1 ~ l<1m ,n(z)1 ~ 31<1m ,n(zo)1

fur aile m, n ~ 1. Da man jede kompakte Teilmenge von G durch end­lich viele Kreisscheiben Kv K 2, ••• , KN derart uberdecken kann, daB der Mittelpunkt von Kr (r = 2, ... , N) in K r- 1 liegt, erhalt man dadurch einen Beweis des Hamackschen Satzes.

Ein Gebiet G wird als zulassig bezeichnet, wenn zu jedem Punkt I; des Randes r von G eine harmonische Funktion w (z, 1;) (z E G) mit fol­genden Eigenschaften existiert:

1. Es ist w(z, 1;) > 0 (z E G). 2. Es gilt lim w (z, 1;) = O.

z-..c 1 Bei den nachfolgenden Entwicklungen wird, ohne daB dies jedesmal hervor­

gehoben wird, angenommen, daB der Rand r von G im Endlichen liegt. Ent­sprechend wird (aus Vereinfachungsgriinden) bei den Konvergenzbeweisen voraus­gesetzt, daB G beschrankt ist. Der Leser wird alle diese Beweise, sofern er nicht die Eigenschaft der konformen Invarianz [Gleichung (67.2) 1] verwenden will, auch direkt auf den Fall Zoo E G ausdehnen k5nnen, nachdem er den Hilfssatz von 70. kennengelernt hat.

Page 20: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

67. Das Dirichletsche Problem. Greensche Funktion und harmonisches MaG 263

3. Zu jedem r; > 0 existiert eine (von r; abhiingige) Konstante A > 0 derart, daB

gilt. Aus 1. und 2. folgt ohne weiteres (mit Riicksicht auf den Mittelwert­

satz fUr harmonische Funktionen), daB r keine isolierten Randpunkte enthalten kann. Gibt es einen Punkt Co auBerhalb G derart, daB die Strecke ITo ebenfalls auBerhalb G liegt, so kann man die Funktion OJ (z, C) konstruieren, indem man

(67.12) OJ (z, C) = 1m (e- iX -V ; =: ~o )

setzt und rechts nach Festlegung des Zweiges von 1 / z -; die Zahl r/.. V z - so

geeignet wahlt. In den spater zur Anwendung kommenden Fallen ist die Konstruktion der Funktionen OJ (z, C) fUr jeden Randpunkt C nach dem hier geschilderten Verfahren stets moglich. Es bezeichne j etzt bei gegebenem (zulassigem) G 6 die Menge aller in G subharmonischen Funktionen v (z) mit der Eigenschaft

(67.13) limv(z) ~ a(C) (C Er). z-+~

Die Menge 6 ist offenbar nicht leer, denn sie enthalt alle Konstanten C ~ -Mmit

M = sup {la(C)11 C E r}.

Aus der Definition von 6 folgt, daB die GroBe

M(6) = sup {v(z) I z E G, v E 6}

kleiner oder gleich Mist und somit cndlich ausfallt. Denn bildet man v* (z) = v (z) - M, so gilt lim v* (z) ~ 0 und somit (da v* (z) subhar-

z-+C monisch ist) auch v* (z) ~ 0 in jedem Punkt von G.

Hilfssatz 2 (PERRON-RAD6-RIEsz). Die in jedem Ptmkt von G definierte Funktion (67.14) tl(Z) = sup {v(z) I v E 6} (z EG) ist harmonisch in G.

Beweis. Es sei Zo E G. Dann gibt es eine Folge (gn (z) (n = 1,2, ... ; gn (z) E 6) derart, daB

(67.15) lim gn (zo) =U (zo) n-+oo

gilt. Wir definieren die Folge (vn (z) durch die Gleichung

(67.16)

und beachten, daB jedes Vn (z) eine (stetige) subharmonische Funktion ist.

Page 21: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

264 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

In der Tat ist jedes Vn (z) mit Rueksieht auf (67.16) stetig. Andererseits ist

gn (z) ~ 21% f gn (e) d{} ~ 21% f vn (e) d{}

IC-zl=r IC-zl=r und so mit aueh

Vn(Z) ~ 2~ f vn(e) d{} (n = 1,2, ... ) . It-zl = r

Wir haben also vorerst folgendes Teilresultat gewonnen: 1st Zo E G, so gibt es eine nieht abnehmende Folge (vn (z)) mit der Eigensehaft

(67.17) n-+oo

Es sei jetzt Iz - zol = r < r (zo)' Man ersetze fur jedes n = 1,2, ... die Werte von Vn (z) in der abgesehlossenen Kreisseheibe Iz - zol ~ r dureh die entspreehenden Werte der harmonisehen Funktion

(67.18)

und bilde die Funktionen

(67.19) hn (z) = { v; (z) I Iz - zol < r vn(z) Ilz-zol ~ r.

Da jedes Vn (z) stetig ist und v~ (z) bei Annaherung an den Peripherie­punkt e gegen Vn (e) konvergiert, so ist zunaehst jedes hn (z) in G stetig und genugt in jedem Punkt Z der Kreisseheibe Iz - zol < r der Un­gleiehung hn (z) ~ Vn (z). DaB hn (z) noeh subharmoniseh ist, sieht man folgendermaBen ein:

Es sei Iz - zol > r. Dann gilt fUr hinreiehend kleines 1] > 0 (da auBer­halb Iz - zol ~ r hn (z) == Vn (z) gilt)

hn (z) ~ 21% f hn (e) d{} . IC-zl='1

Ahnlieh sehlieBt man, wenn Iz - zol < r ist. Es sei jetzt Iz - zol = r und es bedeuten "'1 bzw. "'2 die Teile dieser Peripherie, die innerhalb bzw. auBerhalb der Kreisseheibe Ie - zol ~ 17 liegen. Dann wird wegen

hn (z) = vn (z) ~ 21% 1, Vn (e) d{} + 21% 1, Vn (e) d{}

und Vn (e) ~ hn (e) (e E "'1), Vn (e) = hn (C) (e E "'2)

hn (Z) ~ 21% f hn (e) d{} . IC-zl='1

Page 22: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

67. Das Dirichletsche Problem. Greensche Funktion und harmonisches MaE 265

Das Verfahren (67.19), wodurch h(z) aus einer (stetigen) subharmoni­schen Funktion mit Hilfe von (67.18) gewonnen wird, solI im folgenden als P-Verfahren bezeichnet werden. Da dieses Verfahren das Randver­halten (67.13) nicht beeinfluBt, liegt jede dadurch gewonnene Funktion hn (z) wieder in E3. Andererseits liefert die Gleichung (67.17) in Ver­bindung mit den Ungleichungen Vn (z) ;£ hn (z) unter Heranziehung des Harnackschen Prinzips die in der Kreisscheibe Kio: Iz - zol < r reguHire harmonische Funktion (67.20) h (z) = lim hn (z) (z E K~.)

n.~oo

mit der Eigenschaft h (zo) = u (zo)' Wie bekannt, ist die Konvergenz der Folge (hn (z)) in jedem Kreis X;:: Iz-zol;£ ro< r gleichmaBig. Wir zeigen jetzt: Es existiert eine in der Umgebung von Zo regulare harmonische Funktion H (z) derart, daB dort u (z) = H (z) gilt. Man betrachte in der Tat einen Punkt ZI (ZI =I=- zo) aus der Kreisscheibe K~:

mit ro = ; und bilde, ahnlich wie vorhin, eine nicht abnehmende Folge

(vn (z)) mit

n-+ 00

Bezeichnet dann (lin (z)) die durch das P-Verfahren (in der Kreisscheibe

K~:: Iz - zll < r1 = ;) transformierte Folge von (13n (z)), so erhalt man

eine dort regulare harmonische Funktion li (z) mit der Eigenschaft li (ZI) = u (ZI)' Zum Beweis, daB in ~: h (z) = li (z) ist, bilde man die Folge (Vn(z)) durch die Vorschrift

Vn(z) = Max (vn(z),13n(z))

und konstruiere wieder (durch Anwendung des P-Verfahrens) in K~: die Folge der regularen harmonischen Funktionen (Hn (z)). Setzt man dann

H (z) = lim Hn (z) (z E K~:) , n--..oo

so erhalt man leicht die Ungleichungen

h (z) ~ H (z), li (z) ;£ H (z) (z E K~:) .

Nun sind beide Funktionen v (z) = h (z) - H (z) und v (z) = li (z) - H (z) auf dem Rande von K~: nicht positiv und verschwinden in Zo bzw. ZI' Daraus folgt aber (mit Rticksicht auf das Maximumprinzip) v (z) = V (z) = 0 (z E K~:) und somit auch u (zo) = h (zo) und U (ZI) = h (ZI)' Da ZI willktir­lich in K~: gewahlt werden kann, folgt daraus der Beweis der Behauptung.

Hilfssatz 3 (PERRON). Fur jedes zuliissige Gebiet Gist (67.8) stets erfullt.

Beweis. Man wahle bei vorgegebenem e> 0 die Zahl 1] > 0 so, daB fUr aIle CEr, IC-Col< 1], die Ungleichung la(C)-a(Co)l< e gilt. Wir

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266 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

bezeiehnen den entspreehenden Randteil von r mit r l und setzen r z = r \ r l . Jetzt bilde man die (harmonisehen) Funktionen

HI(z) = O'(Co) + B + W(~Co) (M -O'(Co))

sowie Hz(z) = O'(Co) - s- w (~Co) (M + O'(Co))

ist. Daraus folgt mit Rlieksieht auf das Maximumprinzip und auf die Gleiehung (67.13) u(z) ~ Hdz). Nun ist noeh

lim Hz(z) s: {O'(Co) - B < O'(C) 1 C E r l

z->, - - M - siC E r z,

und somit liegt H 2 (z) in e. Es ist also H 2 (z) ~ tt (z) und mithin

H2 (z) ~ tt(z) ~ HI(z).

Uil3t man hier z -+ Co konvergieren, so erhalt man (67.8). Mit Hilfe des Hilfssatzes 2. von PERRON-RAD6 und F. RIESZ kann nun die Existenz einer Greenschen F unktion flir ein zulassiges G leicht nachgewiesen werden, indem man zunachst flir jedes Zo E G n E die Rand- bzw. Belegfunktion 0' (C) durch die Gleichung

0' (0 = u (C, zo) = log 1 C - Zo 1 vorschreibt. Setzt man dann

1 g (z, zo) = log [z _ zo[ + tt (z, zo)

so erflillt diese Funktion die flir die Greensche Funktion geforderten Eigenschaften 1.-3. 1m folgenden solI zur Herausstellung des Gebietes G bzw. dessen Randes r auch g (z, zo, G) bzw. g (z, zo, r) flir g (z, zo) geschrieben werden. 1st Iz-zol klein, so laBt sich tt(z, zo) in der Form y (zo) + B (z, zo) mit lim B (z, zo) = 0 schreiben und infolgedessen wird in der Nahe von Zo Z-->-Zo

1 (67.21) g(z, zo) = log [z _ zo[ + y(zo) + B(Z, zo) .

Die (endliche) GroBe eY(Zo) (zo E G n E) heiBt oft der innere Radius von G (in bezug auf zo)'

Die Greensche Funktion ist in folgendem Sinne konform invariant: Es sei w = w(z) eine konforme Abbildung von G auf ein Gebiet Gw=w(G) der w-Ebene. Dann ist

(67.22)

Page 24: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

68. Approximationsfragen. Symmetrieeigenschaft der Greenschen Funktion 267

Der Leser mage diese Gleichung verwenden, um (mit Hilfe etwa der

Transformation w = 1 _ ,Z1 E G n E) das Verhalten von g(z, zo, G) z - ""1

in der Nahe von z = 00 zu studieren, falls dieser Punkt in G liegt. Auch der Fall zo= Zoo laBt sich auf diese \Veise erledigen.

Der filr Verallgemeinerungen interessierte Leser findet in der Arbeit von PERRON [Math. Z. 18, 42-54 (1923)J mehrere Hinweise, wie man diese Methode filr nicht schlichte Gebiete bzw. filr Riemannsche Flachen­stucke zu modifizieren hat. Der Beweis des Hilfssatzes 2 (dessen Richtig­keit von PERRON vermutet wurde) geht auf T. RAD6 und F. RIESZ [Math. Z. 22, 41-44 (1925)J zuruck. Beim Beweis des Hilfssatzes 3 (von PERRON) wurde eine Beweisfuhrung von AHLFORS zugrunde gelegt.

Eine zweite wichtige Anwendung des Dirichletschen Problems ist die Konstruktion des harmonischen MaBes w (z, y) einer (abgeschlosse­nen) Teilmenge y von T. Hier wird Funktion O"(C) durch die Vorschrift

(67.23) {I ICEY

0" (C) = ° ICE T \ y

definiert. Die Lasung dieses Problems nach der vorhin entwickelten Methode von PERRON fuhrt zu einer Funktion w (z, y) mit folgenden Eigenschaften :

1. w (z, y) ist harmonisch in G und nimmt im allgemeinen Werte aus dem Intervall 0 < x < 1 an.

2. In jedem Stetigkeitspunkt' von 0" (C) gilt

(67.24) lim w (z, y) = { 1 ICE y He 0ICET\y.

Dieses Ergebnis genugt filr die Anwendungen, sofern die Unstetigkeits­menge von O"(C) aus endlich vielen Punkten besteht. Ein wesentlich tieferes Eindringen in die Theorie des harmonischen MaBes findet der Leser in dem Buch von NEVANLINNA: Eindeutige analytische Funk­tionen.

68. Approximationsfragen. Die Symmetrieeigenschaft der Greenschen Funktion. LINDELOFS Kontraktionstheorem. Hat man bei gegebenem Gebiet G und filr ein Zo E G die Greensche Funktion g (z, zo) konstruiert, so kann man leicht zeigen, daB jede andere Funktion mit den geforderten Eigenschaften (d. h. mit den Eigenschaften 1., 2. und 3. von 67.) mit g (z, zo) ubereinstimmen muB. Denn hat g* (z, zo) diese Eigenschaften, so ist

u (z) = g (z, zo) - g* (z, zo)

in G regular harmonisch und genugt der Gleichung

lim u(z) = 0 (C E T) . z---+,

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268 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

Daraus folgt aber u(z) == 0 in G. Wir verbinden den Beweis der Symmetrieeigenschaft

(68.1)

von g (z, zo) mit wichtigen Approximationsbetrachtungen. 1st G ein Gebiet von iff, dessen Rand rim Endlichen liegt, so kann

dieses durch eine ansteigende Folge (Gn) (n = 1,2, ... ) von Gebieten Gn mit folgenden Eigenschaften ausgesch6pft werden:

1. Es ist an C Gn+1.

2. Der Rand rn von Gn besteht aus endlich vielen achsenparallelen, geschlossenen, niehtausgearteten Polygonzugen.

3. Der Punkt Zo liegt in jedem Gn •

Es bedeute nun allgemein gn (z, zo) die (existierende) Greensche Funk­tion von Gn , und es sei

Dann ist wegen

Un (z) ~ 0 in Gn und somit die Folge (gn (z, zo» nieht abnehmend. Nach dem Hamackschen Prinzip muG also die Grenzfunktion

(68.2)

entweder harmonisch in G sein oder stets den Wert + 00 haben. Liegt der erste Fall vor, so ist a(z, zo) die Greensche Funktion eines Gebietes G, das eventuell das Gebiet G enthalt1•

Man bestimme jetzt fUr jedes n die zu gn = gn(z, zo) konjugierte har­monische Funktion hn = hn(z, zo) mit Hilfe der Cauchy-Riemannschen Differen tialgleichungen

und Integration des totalen Differentials

dh = ok. dx+ ok. d n ox oy y

und bilde die Funktion (68.3) Wn (z, zo) = e-(un+ ihnl •

Da hn in Gn (das nicht einfach zusammenhangend zu sein braucht) im allgemeinen nieht eindeutig ist, so ist diese Funktion dort nicht unbedingt eindeutig, hat jedoch, wie man leieht sieht, bei z = Zo eine einfache NuU-

1 Das trifft z. B. ein, wenn G isolierte Randpunkte hat. Fur ein zuHissiges Ge­biet gilt natiirlich stets u(z, zo) = g(z, zo).

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68. Approximationsfragen. Symmetrieeigenschaft der Greenschen Funktion 269

stelle. (Eine Anleitung zum Beweis dieser Tatsache findet der Leser in der Erganzung 10 am Ende dieses Kapitels.) Die Funktion

qn (z, zo) = gn (z, zo) + ihn(z, zo)

kann mit Hilfe des Schwarzschen Spiegelungsprinzips (da gn auf rn verschwindet) in der Umgebung jedes Punktes C von rn, der von einem Eckpunkt verschieden ist, tiber rn hinaus fortgesetzt werden. 1st C ein Eckpunkt von rn' so ist qn(z, zo) in dessen Umgebung von algebraischem Charakter. Bildet man also die Ableitung

I () w~ (z, zo) 0 ( ) 1 0 ( ) q" Z, Zo = - ( ) = ,,-gn Z, Zo + --c-,,-gn Z, Zo ' Wn ZJ Zo u X t u y

so ist diese in jedem (von achsenparallelen Polygonztigen begrenzten) Gebiet G* (Gn - 1 C a* C Gn ) holomorph und hat in Z = Zo einen ein­fachen Pol mit dem Residuum - 1. Somit wird bei geeigneter Orien­tierung der Randstticke r* von G*

(68.4) J(Z ) = _1_ r J(r) w~ (C;, zo) d r o 2ni Jr. <, wn(C;, zo) <"

fUr jede in an eindeutige analytische FunktionJ(z) = u(z) + iv(z). Geht man hier zum Realteil tiber, so erhalt man nach leichten Uberlegungen

wobei

1. -:- gn (C, zo) die Ableitung von gn (C, zo) (C E G*) nach der inneren uPI;

Normalrichtung vI; von G* im Punkte C E r* bedeutet und 2. 8 n eine GroBe darstellt, die mit G* -+ Gn gegen Null konvergiert. LaBt man nun G* -+ Gn konvergieren, so erhalt man (mit Rlicksicht

auf das Verhalten von qn (z, zo) auf rn)

und mithin allgemein

(68.5) 1 1 0 u(z) = -2 u(C) -~-gn(C, z) ds n rn uPI;

(ds = IdCI) .

Die auf diese Art gewonnene Darstellung der eindeutigen harmonischen Funktion u (z) gilt auch dann, wenn die zu dieser konjugiert harmonische Funktion v (z) (und mithin auchJ(z)) in Gn nicht eindeutig ist. Man kann dies leicht beweisen, indem man Gn durch endlich viele Polygonallinien

1 Diese wichtige Formel kann auch direkt aus der Greenschen Formel (25.6) acgeleitet werden, wenn man dort U = gn (z, zo) und V = u (z) wahlt. Dabei ist vor deren Anwendung das Integrationsgebiet an durch Entfernung einer hinrei­chend kleinen Kreisscheibe um Zo frei von der Singularitat an der Stelle Zo zu machen.

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270 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

(Ruckkehrschnitte), die nicht durch Zo gehen, zu einem einfach zusammen­hangenden Gebiet macht, irgendeinen (fest gewahlten) Zweig heranzieht und beachtet, daB die zu dem Integral (68.4) rechts hinzukommenden Integrale rein imaginar sind. Das ruhrt wieder davon her, daB die Sprlinge von j(z) bei Uberqueren der Ruckkehrschnitte (d. h. die Differenz der Werte von j(z) auf beiden Seiten eines solchen Ruckkehrschnitts) ent­weder Null oder rein imaginar sind. Wendet man dieses Ergebnis auf die

Funktion j(z) = - log Wn (z, zo) an, so steIIt man leicht fest, daB deren z - Zo

Realteil gn (z, zo) + log Iz - zol = Un (z, zo) durch die Gleichung

1 £ a un(z, zo) = -2- log Ie - zol-a -gn (e, z) ds n rn Pc

gegeben wird. Daher ist un(z, zo) und somit auch

1 gn(z, zo) = log I I + un(z, Zo)

Z - Zo

(bei festem Z E Gn ) harmonisch in bezug auf ZOo Nun ist (bei festem Zo bzw. bei festem z) gn(z, zo) - gn(zo, z) in G" harmonisch, und es gilt

lim {gn(z, zo) - gn(zo, z)} ~ 0 z......".rn

und lim {gn(z, zo) - gn(zo, z)} ~ 0 .

Zo-'J!>rn

Somit muB diese Differenz (nach dem Maximumprinzip) in Gn verschwin­den. Berucksichtigt man noch die Gleichung lim gn (z, zo) = g(z, zo), so erhalt man aus den Gleichungen n-.oo

durch Grenzubergang die Symmetrieeigenschaft der Greenschen Funk­tion g(z, zo) von G.

Die zu g(z, zo) konjugiert harmonische Funktion h(z, zo) ist in G, nicht eindeutig. Betrachtet man wieder die Funktion

(68.6) w(z, zo) = e-(g(z,zo)+ih(z,zo» ,

so ist diese (und dies solI hier ohne eingehende Begrundung lediglich der VolIstandigkeit wegen erwahnt werden) auf der universelIen Uber­lagerungsfiache Goo von G eindeutig und bildet diese (eineindeutig) auf das Innere des Einheitskreises abo Der interessierte Leser findet in den Erganzungen dieses Kapitels (Erganzung 18: Das Uniformisierungs­problem) bzw. in dem Buch von NEvANLINNA: "Eindeutige analytische Funktionen" eine (generelIe) Behandlung des Abbildungsproblems einer universelIen Uberlagerungsfiache auf das Innere des Einheitskreises bzw. ein tieferes Eindringen in viele damit zusammenhangende Fragen.

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68. Approximationsfragen. Symmetrieeigenschaft der Greenschen Funktion 271

Eine wichtige Anwendung der Greenschen Funktion auf funktionen­theoretische Fragen verdankt man ERNST LINDELOF [Memoire sur certaines inegaIites dans la theorie des fonctions monogenes et sur quel­ques proprietes nouvelles de ces fonctions dans Ie voisinage d'un point singulier essentiel, Acta Soc. Sci. Fennicae 35, Nr. 7 (1908)J.

Satz (Lindel6fsches Prinzip). Es sei G ein Gebiet der komplexen Ebene mit dem Rand r und w = w (z) eine dart definierte eindeutige analyti­sche Funktion von z. 1st dann w(G) ~ Go, so gilt, falls sowohl Gals auch Go eine Greensche Funktion besitzen,

(68.7)

Beweis. Man bilde die Funktion u (z) = g(z, zo, G) - g(w (z), w (zo) , Go) (z E G) und beachte, daB u (z) mit Rticksicht auf die Entwicklung

(k ~ 1 ganz)

von w(z) in der Umgebung von Zo entweder in G\zo oder in G regular harmonisch ist. Da im ersten FaIle (k> 1) lim u(z) = - 00 gilt und in

%--)ozo

beiden Fallen lim u (z) ~ 0 ausfallt, so muB nach dem Maximumprinzip Z-+r

u(z) ;£; 0 in G gelten. Das beweist die Ungleichung (68.7). Tritt in (68.7) ftir einen Punkt Zl von G das Gleichheitszeichen ein,

somuB (68.8) g(w(z), w(zo), Go) = g(z, zo, G)

tiberall in G\zo gelten und daher k = 1 sein. Das hat wieder zur Folge, daB (68.8) in jedem Punkt von G gilt.

Wir zeigen nun: 1st (68.8) richtig, so muB Go = w(G) sein. Es sei in der Tat Go\w(G) =l= 10. Dann hat w(G) einen Randpunkt w in Go. Man betrachte eine gegen w konvergente Folge (wn ) von Punkten von w (G) und setze wn = W (zn). 1st dann (znk) (k = 1,2, ... ) eine konvergente Teilfolge von (zn), so muB

g (w, w (zo), Go) = lim g (znk' zO' G) = 0 k-+oo

gelten, was der Eigenschaft g(w, w (Zo) , Go) > 0 in jedem Punkt von Go widerspricht. Man kann tiber das hier gewonnene Ergebnis hinaus noch zeigen: Gilt (68.8), so ist w = w (z) in G unbeschrankt fortsetzbar und liefert eine bestimmte, konforme Abbildung der universellen Uberlage­rungsflache von G auf sich selbst. Auf den Beweis dieser Zusammenhange soIl jedoch hier wieder nicht eingegangen werden.

Wir kehren jetzt zu den Entwicklungen der vorigen Nummer zurtick und nehmen der Einfachheit halber an, daB der Punkt Zoo entweder ein

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272 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

auBerer oder ein Randpunkt von Gist. Es sei Zo ein Punkt von G und u (z, zo) durch die Gleichung

u (z, zo) = g (z, zo) + log [z - zo[ (z E G)

definiert. Um die Stetigkeit von u (z, z) in G nachzuweisen, genugt es zu zeigen, daB diese Funktion in der Umgebung des Nullpunktes (der ohne Beeintrachtigung der Allgemeinheit als Punkt von G angenommen werden darf) stetig ist.

Es bedeute EQ eine (abgeschlossene) Kreisscheibe um den Punkt z = 0 und es seien zo' z zwei (zunachst) verschiedene Punkte von K Q• Dann ist

(68.9) 1 (21<

U (z, zo) = 2n Jo u (z, C) H (C, zo) d{}

C + Zo H(C, zo) = Re-r--· s - Zo

mit

Daraus folgt (da H (C, zo) stetig in Zo ist)

1 (21< Y (z, G) = u (z, z) = 2n Jo u (z, C) H (C, z) d{} ,

und somit ist u (z, z) stetig in [z[ < e 1.

Def. Es sei y = {z [ z = z (t), to ~ t ~ t1}

eine in G stiickweise stetig diJJerenzierbare K urve. Dann soU die GrofJe

L (y, G) = (e-Y(Z,G) [dz[ = lt1 e-y(z(t),G) [z' (t)[ dt Jy to

die LindeloJsche Lange von y heifJen.

Mit Hilfe von L (y, G) kann man dem Linde16fschen Prinzip eine geometrische Deutung geben, die als Spezialfall die Picksche Fassung des Schwarzschen Lemmas liefert. Dazu schreiben wir Yz fur y, setzen Yw = w(yz) und definieren L(yw' Go) durch die Gleichung

L(yw' Go) = ( e-y(w,Go) [dw[ . Jyw

Dann HiBt sich der vorige Satz von LINDELOF folgendermaBen formulieren:

Satz (LINDELOF). Unter den Voraussetzungen des LindelOjschen Prinzips (68.7) besteht zwischen der Lange L (Yz, G) einer stiickweise stetig diJJerenzier­baren Kurve Yz in G und der Lange L (Yw, Go) von Yw die Ungleichung

(68.10)

1 Auf den Beweis der Tatsache, daB - y (z) = - u (z, z) subharmonisch (man nennt dann u (z, z) superharmonisch) ist, wird hier nicht eingegangen.

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68. Approximationsfragen. Symmetrieeigenschaft der Greenschen Funktion 273

Beweis. Man schreibe w, Wo fUr w(z), w(zo) und bilde die GraBen u (z, zo, G) = g (z, zo, G) + log Iz - zol sowie u (w, wo' Go) = g (w, wo' Go) + + log Iw - wol. Dann folgt aus (68.7)

I_W_-_W--,-'o I e-u(W,wo,Go) :;;; e-u(Z,zo,G) Z - Zo

und mithin durch Grenziibergang z -+ Zo

Iw' (zo) I e-Y(Wo,Go) :;;; e-Y(Zo,G) •

Das beweist (68.10). Man kann zeigen, daB, falls fiir eine Kurve Yz in Gin (68.10) das Gleich­

heitszeichen gilt, die Gleichungen Go = w (G) und (68.8) gelten miissen. Gilt w(G) ~ G, so kann man in (68.10) an stelle von Go wieder das

Gebiet G nehmen. Es gilt dann der Satz:

Satz (Lindel6f-Picksches Kontraktionstheorem). Bildet w(z) das Gebiet G in sich ab, so gilt stets

(68.11) L(yw> G) :;;; L(yz, G).

Auch hier kann gezeigt werden, daB das Gleichheitszeichen dann und nur dann eintritt, wenn w (G) = Gist und (68.8) gilt. Geht man dann zu der Abbildung von Goo auf den Einheitskreis Izl < 1 iiber, so ist die (konforme) Abbildung Goo ...... w (GOO) ein Automorphismus. Ein tieferes Eindringen in diese Fragen findet der Leser in dem Buch von CARA­THEODORV: Conformal Representation und in der bereits erwahnten Monographie von R. NEVANLINNA.

Das Lindelaf-Picksche Kontraktionstheorem enthalt fUr G = K: Izi < 1 und Iw (z) I < 1 (z E K) wegen

y (z, K) = log (1-lzI2) die Picksche Fassung des Schwarzschen Lemmas als Spezialfall. Der Leser mage als weitere Anwendung den Fall einer Halbebene behandeln, etwa der Halbebene

In diesem Fall ist

und somit wegen

H:lmz> O.

( I Z - Zo I g z, zo,H) = log--Z - Zo

y(zo, H) = log 2 1m Zo

1 r idzi L(yz, H) = 2 Jy Imz .

Die durch das Bogenelement

[dz] =~ Imz

Dinghas, Funktionentheorie 18

Page 31: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

274 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

definierte Geometrie fillt inhaltlich mit der hyperbolischen Geometrie des Einheitskreises Izl < 1 zusammen. Dieser Zusammenhang ist (wie be­reits erwahnt) von POINCARE entdeckt worden und liefert ein ein­faches Modell der nichteuklidischen (hyperbolischen) Geometrie. Aus diesem Grunde nennt man oft die obere (komplexe) Halbebene die Poin­caresche Halbebene.

DaB nichteuklidische VerhaItnisse beim Lindelof-Pickschen Kontrak­tionstheorem auch im allgemeinen Fall eines beliebigen (zulassigen) Gebietes G eine Rolle spielen, liegt im wesentlichen an der bereits erwahn­ten Tatsache, daB die universelle Uberlagerungsflache Goo (wie dies vorhin angedeutet wurde) auf die Kreisscheibe K konform abgebildet werden kann. Wie der Leser in der nachsten Nummer in einem wichtigen Spezialfall erfahren wird, sind die Bedingungen ftir die konforme Ab­bildung von Goo auf den Einheitskreis K auch dann gegeben, wenn der Rand von G mindestens drei Punkte hat. Eine Vertiefung der hier ent­wickelten Satze von LINPELOF (durch O. LEHTO) findet der Leser in den Erganzungen und Aufgaben (Erganzung 1) zum neunten Kapitel.

69. Funktionen auf Riemannschen FHi.chen. Konstruktion der Modul­funktion durch das Spiegelungsprinzip. Die Entwicklungen von 41. konnen dahin verallgemeinert werden, daB man bei vorgegebener fester, nicht eindeutiger analytischer Funktion g(z) ihre tiber der z-Ebene aus­gebreitete Riemannsche Flache S zum Ausgangspunkt einer Funktionen­theorie macht, bei der die in Frage kommenden Definitionsgebiete nicht TeiIgebiete von E, sondem von S sind. Von diesem Standpunkt aus gesehen erhalt der Begriff der Riemannschen Flache nicht nur erhOhte Bedeutung, sondem auch (beim Versuch, S zu einer allgemeineren Grund­mannigfaltigkeit als die komplexe Ebene zu machen) den Wert einer von der speziellen analytischen Funktion unabhangigen, abstrakten Kon­zeption.

Urn dem Leser ein einfaches Beispiel einer Riemannschen Flache zu geben, ohne eine bestimmte mehrdeutige Funktion zum Ausgangspunkt zu machen, kehre man zu der am Ende des ftinften Kapitels kurz skizzierten Theorie der algebraischen Funktionen zurtick und wende folgendes Verfahren an, das, wie bereits angedeutet wurde, zuerst von RIEMANN in seiner Dissertation angewandt wurde. Dieser Weg liefert eine tibersichtliche Vorstellung tiber den Gesamtverlauf einer algebrai­schen Funktion, sofem man rtickwarts von einer algebraischen Gleichung p (w, z) = 0 ausgeht und die entsprechende Riemannsche Flache der algebraischen Funktion w = w (z) in entsprechender Weise konstruiert. Man betrachte die in q (q > 1) Punkten al , .•. , a<l. punktierte, volle komplexe Ebene Eq und ftihre die Numerierung so durch, daB die aus den Strecken al a2, a2 aa, ... , aq - l aq gebildete Polygonallinie Ilq einfach ist.

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69. Funktionen auf Riemannschen FUichen 275

Nun schlitze man die volle komplexe Ebene It langs IIg auf und denke sich q Exemplare Rl> ... , Rq (welche die Rolle von Blattem zu spielen haben) der so aufgeschlitzten Ebene ubereinander gelegt. Verbindet man die durch das Aufschlitzen der Rk entstandenen Ufer miteinander1, so entsteht im allgemeinen ein Gebilde, das nicht zusammenhangend zu sein braucht. Das ist z. B. der Fall, wenn man die aufgeschlitzten Blatter wieder zu der Ebene It zusammenheftet. Es ist aber leicht zu sehen, daB man die 2q Ufer von R1, ••• , Rq (je zwei gegenuberliegende) so ver­schmelzen kann, daB das so entstehende Gebilde R aus einem einzigen Stuck besteht, d. h. im Sinne der Theorie der Riemannschen Flache zusammenhangend ist. Der Nachweis, daB zu jedem so gegebenen Gebilde Reine algebraische Funktion (d. h. ein irreduzibles Polynom p (w, z)) existiert, deren Riemannsche Flache gerade R ist, gehort zu den GroBtaten RIEMANNS.

LaBt man die unendlich­blattrige Flache beiseite, die man dadurch konstruieren kann, daB man E langs der negativen reellen Achse auf­schlitzt und die ubereinander liegenden Exemplare ... , R_l> Ro, R1 , • •• so verheftet, daB das untere Ufer von R n - 1 mit dem oberen Ufer von Rn iden­tifiziert wird (Riemannsche Flache des logz), so ist die sog. Modulflache von groBer Be­deutung fUr die Funktionen­theorie. Ihre Konstruktion kann genauso gefUhrt werden

A, A~ ~------------~~~-------------,

Abb.17

wie die Konstruktion der vorhin angegebenen algebraischen Flachen und der logarithmischen Flache. 1m folgenden wahlen wir einen Weg, der nicht nur zu der Modulflache fUhrt, sondem zugleich die Funktion liefert, welche diese konform und schlicht auf das Innere des Einheitskreises abbildet.

Wir betrachten das gleichseitige Dreieck A{A;A~ (Abb. 17) mit dem Einheitskreis K: Izl = 1 als Innenkreis und konstruieren das nullwinklige Kreisbogendreieck AIA2Aa, des sen Inneres wir mit G bezeichnen. Es ist ohne weiteres zu sehen, daB die Kreisbogen AIA2' A 2Aa, AgAl mit den Mittelpunkten A~, A{, A~ den Kreis K (Fundamentalkreis genannt)

1 Allgemeine Regel: Es kommen stets nur solche Ufer zur Verheftung, deren Spuren in der z-Ebene gegeniiberliegen.

Die Entfernung von zwei aufeinanderfolgenden Blattern wird als Null vor­ausgesetzt.

18*

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276 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

orthogonal schneiden. Da nun die obere Halbebene HI (HI: 1m z > 0) und die Kreisscheibe konform aquivalent sind, so kann zunachst G auf HI eineindeutig und konform abgebildet werden. J etzt wird behauptet: Die (konforme) Abbild~tng G -+ HI kann so normiert werden, dafJ die Ecken AI> A 2, A3 in die Punkte C = (Xl, C = 0 und C = 1 iJbergehen. Man nehme in der Tat an, C (z) leistet die konforme Abbildung von G auf HI' Dann kann sie vorerst tiber jeden Punkt der drei (offenen) Kreisbogen hinaus ana­lytisch fortgesetzt werden. Denn ist z. B. Zo ein (innerer) Punkt von AIA2' und betrachtet man die Kreisscheibe

mit einem hinreichend kleinen ro, so kann C(z), da sie in Kro n G regular ist und bei Annaherung an A B reellen Werten zustrebt, in Kro\Kro n G durch Spiegelung fortgesetzt werden. Das hat den Sachverhalt zur Folge: Bei der Abbildung G -+ HI gehen die drei KreisbOgen Al A 2 ,

A 2 A 3,·A3A I in Punktmengen der reellen Achse tiber, die stereographisch auf die Riemannsche Kugel projiziert, drei offene, punktfremde lnter­valle II> 12' 13 eines GroBkreises dieser Kugel geben. Man lege zunachst eine Kreisperipherie urn A2 vom Radius r, 0 < r < e, und bezeichne durch Sr den Teil dieser Peripherie, der in G fallt. Es sei d die spharische Entfemung von II und 12, und es sei Yr die Bildkurve von Sr. 1st dann L y , die (spharische) Lange von Yr> so ist

< _ r _ r~IC~ d = Ly,. - jYr [dC] - js,. 1 + IC(z)12 Idzl,

und mithin

Daraus folgt, wenn man das (euklidische) Flachenelement von Emit da bezeichnet,

d 2 r r IC'12 ~logr;:;;; js r (1 + IC12)2 da,

ro

wobei S,_ aus allen Punkten z von G mit ro:;;; Iz-e 7s" il :;;; r (ro < r) ro

besteht. LaBt man jetzt, bei festem r, ro gegen Null konvergieren, so erhalt man (da die rechte Seite kleiner als n ist), falls d > 0 angenommen wird, einen Widerspruch. Wiederholt man dasselbe Verfahren fUr die beiden tibrigen Ecken, so hat man das Ergebnis, daB JI U 12 U 13 den GroB­kreis voll ausfUllt. Dbt man dann auf E eine lineare Transformation aus, welche HI in sich tiberfUhrt und die Abbildungspunkte von AI> A 2, A3 in die Punkte C = (Xl, C = 0 und C = 1 bringt, so hat man die gesuchte Transformation. Diese bezeichnen wir im folgenden wieder mit C (z).

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69. Funktionen auf Riemannschen FHichen 277

Wir spiegeln jetzt G an dem Kreisbogen A2A3 und setzen (nach dem Spiegelungsprinzip von SCHWARZ) die Funktion C (z) in GI dadurch fort, daB wir dieser in jedem in bezug auf A2A3 inversen Punkt von z E G den Wert C (z) zuordnen. Auf diese Weise wird mit Hilfe der (durch die Spiegelung erganzten) Funktion z = z(C) die langs der reellen Achse von - 00 bis C = ° und von C = 1 bis 00 aufgeschlitzte Ebene E eineindeutig und konform auf das (fundamentale) Kreisviereck GO:AIA2A3A4 ab­gebildet. ]etzt bezeichne man die so aufgeschlitzte komplexe Ebene mit Fo (Abb. 18) und konstruiere abzahlbar viele kongruente Exemplare Fl , F 2, ••• von F o, die wir als Blatter einer Riemannschen Flache iiber­einanderlegen und folgendermaBen verheften: Es bezeichnen allgemein (1.n' (1.;" {3n' {3;, die (liber (1.0' (1.~, {30, (3~ liegenden) Ufer des n-ten Blattes Fn­Wir verheften (1.0 mit (1.~, (1.~ mit (1.2' {30 mit {3~ und {3~ mit {34' Die so ver­hefteten flinf Blatter F 0' ... , F 4 stellen ein Riemannsches Flachenstiick WI dar, das man auf dasjenige Kreiszwolfeck eineindeutig und konform

(0--------__ _ 1 00

Abb.18

abbilden kann, das sich durch Spiegelung von Go an den Kreisbogen AIA2' A 2 A 4, AIA3 und A3A4 ergibt. Setzt man dieses Verfahren un end­lich fort, so erhalt man durch Hinzufiigung neuer Blatter eine Flache W (die durch eine wohldefinierte ansteigende Folge (W,,) von zusammen­hangenden Riemannschen Flachenstlicken ausgeschopft wird) , die man als Modulflache des Einheitskreises bezeichnet. Die Funktion 'I' (C), we1che die Flache W konform und schlicht auf das Innere des Einheits­kreises abbildet, ist als Funktion des Spurpunktes C der in C = 0, C = ] und C = 00 punktierten komplexen Ebene E' unendlich vieldeutig und besitzt diese Punkte als Windungspunkte unendlich hoher Ordnung. Geht man von einem Punkt Co des Existenzbereiches E' aus und verfolgt man die Werte von 'I'(C) (nach Festlegung des Anfangszweiges 'I'(Co)) langs einer geschlossenen Kurve y in E', so stellt man leicht fest, daB 'I' (C) nach der Riickkehr zum Ausgangspunkt Co eine lineare Transforma­tion erleidet. Das ist eine Folge der Tatsache, daB der Anfangspunkt 'I' (Co) sowie der Endpunkt einer in E' geschlossenen Linie stets in Gebie­ten gleicher Farbe (Abb. 17) liegen und infolgedessen mittels einer geraden Anzahl von Spiegelungen auseinander hervorgehen. Da nun

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278 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

jede Spiegelung die Form w = Tz hat, so zeigt eine leichte Uberlegung, daB bei dem Umlauf langs y der reprasentative Punkt v (C) eine lineare Transformation (einer bestimmten Gruppe) erleidet. Die Funktion v (C) gehort zu einer Gruppe wichtiger Transzendenten v(C; al>"" aq), die man als linear polymorphe Funktionen bezeichnet. Diese sind in der Umgebung jedes Punktes C =1= aI' ... , aq regular und besitzen diese Punkte als Windungspunkte unendlich hoher Ordnung. Diese Funk­tionen sind femer so beschaffen, daB ihre Umkehrungen A(Z; al> ... , aq )

(kurz A(Z)) in JzJ < 1 regular eindeutig (holomorph) sind und bei allen linearen Transformationen einer gewissen Gruppe, die den (Fundamen­tal-) Kreis JzJ = 1 in sich tiberflihren, invariant bleiben. Bei fest en

Abb.19

al> ... , aq nimmt A(Z) in JzJ < 1 alle komplexen Werte, mit Ausnahme der Werte al> ... , aq , unendlich oft an. Der Leser wird am Ende dieses Kapitels einiges tiber diese Klasse der sog. automorphen Funktionen erfahren.

Einen Uberblick tiber die Gruppe der linearen Transformationen des Einheitskreises, welche die Modulfunktion A(Z; 0, 1, (0) (kurz A(Z)) des Einheitskreises invariant lassen, gewinnt man am einfachsten, wenn man dies en durch die Transformation

(69.1) z - i

t=---.-= Tz Z6 + Z62

auf die obere Halbebene so abbildet (Abb. 19), daB die Punkte AI' A2 in die Punkte t = ° und t = 1 tibergehen und der Punkt Aa in den Punkt t = 00 der t-Ebene kommt.

Mit Hilfe der Abbildung (69.1) kann man leicht die Existenz einer in der C-Ebene (mit Ausnahme der Punkte C = 0, C = 1 und C = (0) defi­nierten unendlich vieldeutigen Funktion t = w (C) nachweisen mit den Eigenschaften :

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70. Kapazitatsfragen. Die Evans-Selbergsche Kapazitatsfunktion 279

1. Die (unendlich vieldeutige) Funktion w (C) ist in der Umgebung jedes Punktes C + 0, 1,00 regular und besitzt die Punkte C = 0, 1,00 als Win­dungspunkte unendlich hoher Ordnung.

2. Es gilt stets 1m w (C) > 0. 3. Die zu der Funktion w(C) inverse Funktion (Modulfunktion) A(t)

existiert in 1m t > ° und besitzt die Achse t = ° als naturliche Grenze. 4. Die Funktion A(t) bleibt im Sinne der Gleichung

(69.2) A (at + b) = A (t) ct + d

fur aile linearen Transformationen

(69.3) I at + b

t = ct + d

invariant, welche man durch (finite) Zusammensetz~tng der beiden (erzeu­genden) Transformationen

~tnd

T it 2: t = z-t:tT erhalten kann.

Die hier entwickelte allgemeine Methode der Spiegelung (in Verbin­dung mit dem Riemannschen Abbildungssatz) zur Konstruktion wich­tiger Transzendenten geht auf H. A. SCHWARZ zuruck [Uber diejenigen FaIle, in welchen die GauBsche hypergeometrische Reihe eine algebraische Funktion ihres vierten Argumentes darstellt, Crelle's j. Math. 75, 292 (1873), Ges. math. Abhandl. 2, 211-259J, der als erster die Theorie der nach ihm benannten eindeutigen Dreiecksfunktionen (die der Pflasterung einer Kreisscheibe mit nicht notwendig nullwinkligen Kreisdreiecken entsprechen) vollstandig entwickelte. Neben SCHWARZ durften in diesem Zusammenhang noch RIEMANN (und vor ihm GAUSS) und L. FUCHS genannt werden. Den weitaus gr6Bten Beitrag zur Entwicklung der Theorie der automorphen Funktionen lieferte HENRI POINCARE, dessen Publikationen uber diesen Gegenstand (in Unkenntnis der Arbeiten von RIEMANN, SCHWARZ und KLEIN) im Jahre 1881 [Sur les fonctions fuchsiennes, Campt. rend. acado sci. Paris 92, 333-335 (1881)J einsetzen. Wir kommen auf diese Zusammenhange am Ende dieses Kapitels zuruck.

70. Kapazitatsfragen. Die Evans-Selbergsche Kapazitatsfunktion. Wir betrachten wieder ein Gebiet G, dessen Rand rim Endlichen liegt, und das den Punkt z = 00 als inneren Punkt hat. Wir approximieren G durch die Folge (Gn ) (n = 1,2, ... ) von 67. und untersuchen zunachst genauer die Struktur des Gebietes G, in dem die Funktion a(z, zo) (z E G n E), falls diese endlich ausfallt, existiert.

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280 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

Hilfssatz. 1st die eindeutige Funktion u(z) in einer punktienen Kreis­scheibe Ko: 0 < Izl < R harmonisch und lu (z) I beschriinkt in K o' so gibt es eine in K: Izl < R eindeutige harmonische F unktion u (z), die in Ko mit u (z) ubereinstimmt.

Beweis. Man konstruiere in Ko mit Hilfe der Gleichung

dv =-ull dx+ u.,dy

die zu u (z) konjugiert harmonische Funktion v (z) in Ko und beachte, daB diese als Funktion der Stelle 0 des universellen tJberlagerungsfHi.chen­stuckes K'; von Ko eindeutig ist. Setzt man dann w(z) = u(z) + iv(z), so erfahrt diese Funktion bei einem (einfachen) Umlauf urn z = Olangs einer Kurve in Ko den Zuwachs 2niq(0 ~ q < 00). Man setze jetzt

{ exp w (z) I q = 0

J(z) = 1 I expq-w(z) 0 < q < 00.

Dann istJ(z) in Ko holomorph und dem Betrag nach kleiner oder gleich 1

e1u(z)1 bzw. eqlu(Z)I. Daraus folgt aber, daB z = 0 eine hebbare Stelle fUr J(z) sein muB. Da nun noch J(z) =l= 0 in Izl < R ist, so muB dort u (z) = log IJ(z) I bzw. u (z) = q log IJ(z) I regular harmonisch sein. Ein entsprechender Hilfssatz gilt, wenn anstelle der Kreisscheibe 0 < Izl < R das Gebiet R < Izl < + 00 genommen wird 1.

Der eben bewiesene Hilfssatz hat zur Folge, daB G wegen a(z, zo) > 0 (z E G) keine isolierten Randpunkte enthalten kann. Bevor jedoch eine genauere Charakterisierung des Randes r* von G gegeben werden kann, wird es notwendig sein, die Alternativen lim gn (z, zo) = g (z, zo) < + 00

n-+oo

oder lim gn (z, zo) = 00 durch die Einfuhrung des Kapazitatsbegriffes zu n----?oo

prazisieren. Zunachst ermoglicht der vorhin bewiesene Hilfssatz, den Punkt Zo ins Unendliche zu verlegen und das Verhalten der Funktionen

(70.1) Un (z, 00) = gn (z, (0) -log Izl in der Umgebung von z = 00 erschopfend zu behandeln 2.

Man setze jetzt Y (Tn) = Yn (00, G) = Un (00, (0).

Dann ist (y (rn)) nicht abnehmend, und somit existiert der endliche bzw. unendliche Grenzwert

(70.2) n-+oo

1 Dieser Hilfssatz erledigt die in den Erganzungen zum dritten Kapitel (Ergan­zung 4.) nicht restlos behandelte Frage der Definition einer (eindeutigen) harmoni­schen Funktion in der Nahe von Z = 00.

2 Durch diesen Hilfssatz erhalten auch die Ausfiihrungen von 67. (sofern der Punkt Zoo in G liegt) eine solidere Basis.

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70. Kapazitatsfragen. Die Evans-Selbergsche Kapazitatsfunktion 281

Der Leser kann ohne Schwierigkeit beweisen, daB der Wert von y(r) von der Art der Ausschopfung von G (sofern fUr jedes Gn die entspre­chende Greensche Funktion existiert) unabhangig ist.

Die GroBe y (r) heiBt die Robinsche Konstante von G. 1st y (F) endlich, so kann man mit Hilfe des Harnackschen Prinzips zeigen, daB der Grenzwert lim g n (z, zo) in j edem Punkt von G endlich ausfallt.

n--..oo

Dagegen fallt dieser Grenzwert gleich + 00 aus, wenn y (r) = + 00 ist.

Def. Die Grof3e

(70.3) C (F) = e- y(r)

heif3t die Kapazitat von r. 1st C(r) = 0, so heif3t r eine (Rand-)Menge von verschwindender Kapazitat.

1st r von verschwindender Kapazitat, so haben G. C. EVANS und HENRIK SELBERG ziemlich gleichzeitig und unabhangig voneinander gezeigt, daB in diesem Faile (als eine Art Ersatz fUr die fehlende Greensche Funktion) eine in G\zoo eindeutige harmonische Funktion g(z) existiert mit der Eigenschaft limg(z) = 00 (C Er). Genauer gesagt, haben EVANS

z--..c nnd SELBERG folgenden Satz bewiesen 1:

Satz. Es sei G (G =!= E) ein Gebiet der vollen komplexen Ebene E, das den Punkt Zoo enthalt. Gilt dann y (r) = 00 (also C (r) = 0), so gibt es eine reelle Funktion g (z) (ausfuhrlicher: g (z, G)) mit den Eigenschaften:

1. g (z) ist harmonisch in G\zOO' 2. In del' Umgebung von Zoo gilt

(70.4) g (z) = - log Izl + harmonisch (z E G).

3. Fur ieden Punkt C E r ist limg (z) = 00 •

Z-+C

Daruber hinaus kann gezeigt werden, daf3 jede Komponente von r aus einem Punkt besteht 2•

1 EVANS, G. C.: Potentials and positively infinite singularities of harmonic functions [Monatsh. Math. Physik 43, 419-424 (1936)]. SELBERG, H.: Uber die ebenen Punktmengen von der Kapazitat Null (Avhandl. Norske Videnskaps-Akad. Oslo, I, 1937, No. 10). Wahrend EVANSS Arbeit, in der Punktmengen des gewohn­lichen Raumes zugrundegelegt werden, einen groBen EinfluB auf die Entwicklung der allgemeinen Kapazitatstheorie ausubte, beeinfluBte die Selbergsche Arbeit die moderne Funktionentheorie in wesentlichen Punkten. Wie bedeutend fur die Funktionentheorie die Selbergsche Funktion g (z) ist, zeigt am eindruckvollsten die Dissertation von G. AF HALLSTROM. (Man vgl. Erganzungen und Aufgaben zum neunten Kapitel, Ergiinzung S.)

2 Eine kompakte Punktmenge von E, die aus lauter ausgearteten, punktfrem­den Kontinuen besteht, heiBt ein diskontinuierliches Kompaktum bzw. ein punkt­haftes Kontinuum.

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282 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

Beweis. Man betrachte fUr ein n (n = 0, 1,2, ... ) die Gesamtheit mn der Quadrate (11.4) (kurz das Netz mn) und bezeichne mit Bn den graB ten Bereich in G mit den Eigenschaften:

1. Es ist Zoo E Bn. 2. Die Menge B n \ Zoo ist die Vereinigung von (abzahlbar vielen)

Rechtecken des Netzes mn-Es sei nun rn der (jedes Mal im Endlichen liegende) Rand von B n,

gn (z, 00) die Greensche Funktion von Gn = En \ rn und Pc die innere Normalrichtung in dem Punkt CErn. Wir konstruieren die Funktionen­folge (Un (z) (n = 1,2, ... ) mit

1 t 1 a Un(Z) = -2- log-[r--[' -~-gn(C, 00) ds n rn ~ - z uVc

und beachten, daB wegen

1 r [z[ a Un(Z) + log Izi = ~ Jrnlog~. a;;cgn(C, 00) ds

in der Umgebung von z = 00 die Entwicklung

(70.5) un(z) = -log Izl + B (i) mit lim B (-[~[ ) = 0 gleichmaBig in n gilt. Man nehme nun Zl in E \ Gn und

[Z["-7oo

setze 1

Vn (z) = log [z _ Z,[ + gn (z, 00)

Da Vn (z) in Gn harmonisch ist, gilt

(70.6) a

. -~-gn(C, 00) ds. uVc

Jetzt entferne man aus jedem Gn alle Quadrate (von mn), welche an des sen Rand rn angrenzen, und definiere innerhalb der so entstandenen (Quadrat-)Menge An das Gebiet Gn nach dem Vorbild von Gn. Danach ist Gn der graBte aus Quadraten des Netzes mn zusammengesetzte Be­reich, der den Punkt Zoo enthalt und des sen Rand rn aus endlich vielen Polygonzugen besteht, die einen (echten oder unechten) Teil des Randes von An ausmachen.

Es bedeutet nun keine Einschrankung der Allgemeinheit, wenn man

r 1 innerhalb des Quadrates I xl < : ,Iyl < : annimmt. Man betrachte ein

beliebiges n (n = 1,2, ... ) und bezeichne mit Qn1' Qn2"'" QnN(n=N (n)

Page 40: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

70. Kapazitatsfragen. Die Evans-Selbergsche Kapazitatsfunktion 283

diejenigen Quadrate von E\Gn, die mit Tn mehr als einen Punkt gemein­sam haben. 1st dann Ynk der Randteil von Qnk, der auf rn taIlt, so soIlen die einzelnen Bogen, die Ynk ausmachen, die gleiche Orientierung wie Tn erhalten. ]etzt wahle man in jedem Qnk einen Punkt von r, etwa ank> und schreibe Un (z) in der Form

N 1 un (z) = 1) flk log -I --I + en (z) = V n (z) + en (z)

1 z-ak (70.7)

mit

1 h a flk= -2 -~-gn(C, 00) ds n Yk uVe

wobei noch ak und Yk fUr ank und Ynk geschrieben wurde. Dann zeigt eine leichte Uberlegung, daB die Funktion

auf rn dem Betrag nach kleiner als eine numerische Konstante bleibt. Aus (70.4) und (70.6) folgt nun zunachst

1 r IC - z,1 a (70.8) ~tn(z)+logC(rn)=~ jrnlog IC-zi ·avcgn(C,oo)ds,

wobei Zl frei in E\(jn gewahlt werden darf. Urn daraus eine wichtige Eigenschaft der V n (z) abzuleiten, wahle man Z = zo, wobei jetzt Zo einen Punkt darstellt, in dem un (z) auf Tn ihr Minimum annimmt, und be­stimme Zl durch die F orderungen :

1. Zl ist Mittelpunkt eines der Quadrate, die E\Gn ausmachen, 2. Der Wert \zo- zll kann durch die Wahl eines anderen (zulassigen)

Punktes nicht verkleinert werden. Durch diese Wahl von Zl wird nun

IC-z,1 1 log IC _ zol ~ logs

und daher mit Rucksicht auf die Gleichung

_1_ r _a_ (1- 00) d s - 1 2n jrn ave gn ", -

sowie auf die Definition (70.7)

Vn(z) ~ -logC(rn) - Co

wobei Co eine numerische Konstante bedeutet. Urn die Existenz einer Funktion g (z) mit den oben angegebenen Eigenschaften nachzuweisen, genugt es, jetzt nur noch die Voraussetzung lim C (rn) = 0 heranzuziehen.

n--> 00

Es sei in der Tat (O(k) (k = 1, 2, ... ) eine beliebige monotone NuIlfolge

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284 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

positiver Zahlen mit 1)(1+ 1)(2+ ••• = 1. Man bestimme eine (nicht ab­nehmende) Indizesfolge (qk) (k = 1,2, ... ) derart, daB

gilt und setze

(70.9) g(z) = 1.) ak Vqk(z) . 1

(k=1,2, ... )

Dann ist g(z) in jeder kompakten Teilmenge K von G*= lim Gn gleich-n---+oo

maBig konvergent und stellt eine dort harmonische Funktion darl. Die Funktion g (z) hat nun folgende Eigenschaften:

1. Es ist

lim {g (z) + log izi} = lim {£ I)(k (Vqk (z) + log iZIJ} = 0 . [z;'-" 00 [z[....,. 00 1

2. Es gilt auf r qk

g(z) ~ I)(kVqk(Z) ~ k-I)(/cCo '

Da letztere Ungleichung die (gleichmaBige) Konvergenz von g (z) gegen + (Xl fiir z -+ r zur Folge hat, stellt g (z) eine der moglichen Evans-Selberg­schen Funktionen dar.

Der Leser kann leicht feststeIlen, daB im FaIle einer aus endlich vielen Punkten av a2, ... , aN bestehenden Randmenge r als g (z) jede der Funktionen

N 1 1.) flk log-!--!-

1 z - ak

genommen werden kann. Das zeigt zugleich, daB die Funktion g (z) nicht eindeutig bestimmt ist.

DaB rkeine echten (d. h. nur ausgeartete) Kontinuen enthalten kann, zeigt man am einfachsten so: Es sei C eine nicht ausgeartete Komponente von rund es bezeichne Co das kleinste Kontinuum, das 1. C enthalt und 2. die Eigenschaft besitzt, daB Go = £\Co einfach zusammenhangend ist. Dieses Kontinuum kann man etwa dadurch bestimmen, daB man die Gesamtheit a aller monoton abnehmenden Folgen (En) von Bereichen En betrachtet, die 1. von einem (einfachen, achsenparallelen) Polygonzug berandet sind und 2. das Kontinuum C iiberdecken. (Das Kontinuum Co ist dann gleich lim a.)

Das Gebiet Go enthalt offenbar Gals Teilgebiet. Denn ware z. B. Zo E G und Zo ~ Go, so konnte man diesen Punkt durch einen Weg yin G

1 Der Konvergenzbeweis HiBt sich am leichtesten durchfiihren, wenn man die 1 D

Summanden log--! durch log-, --.! (mit einem D > sup{!z-ak!!zEK, akEF}) z-a" iz-ak

ersetzt, die in K positiv sind.

Page 42: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

70. Kapazitiitsfragen. Die Evans-Selbergsche Kapazitiitsfunktion 285

mit dem Punkt Zoo verbinden und anschlieBend eine Foige (B::) kon­struieren mit B: n y = 0 fUr aIle n und lim B:J; = Co' Das widerspricht aber der Annahme, daB Zo ~ Go ist. 11-+00

Es bezeichne jetzt kurz go (z, 00) die (nach dem Riemannschen Ab­bildungssatz existierende) Greensche Funktion von Go. Man bilde die Foige (an (z)) mit

an (z) = gn (z, 00) - go (z, 00)

und beachte, daB an (z) in Gn (einschlieBlich zoo!) harmonisch ist. Da nun noch lim an (z) ~ 0 gilt, so ist dort gn (z, 00) ~ go (z, 00), und somit kann

z~rn

die Foige (gn (z, 00)) nicht gegen + 00 konvergieren. Durch den in 67. erbrachten Nachweis der Greenschen Funktion

sowie durch die Konstruktion der Kapazitatsfunktion werden die in 55. offengelassenen Existenzfragen beantwortet.

Die AusfUhrungen dieser Nummer gestatten zunachst, die in 54. ge­gebene Verscharfung des Maximumprinzips fur harmonische und sub­harmonische Funktionen in einer Hinsicht (da eine Menge verschwinden­der Kapazitat nicht notwendigerweise abzahlbar sein muE) zu ver­allgemeinem.

Es sei G ein beschranktes Gebiet der komplexen Ebene und u (z) eine dort definierte subharmonische Funktion. Dann gilt der Satz:

Satz (Allgemeines Maxim urn prinzi p). Hatfiirjedes s> OdieM enge

(70.10) Ce= CIM(C, u) ~ s, C E r} die Kapazitat Null und gilt M (C, u) < + 00 auf r, so ist entweder u (z) < 0 in G oder u(z) = O.

Beweis. Man konstruiere fur ein gegebenes s > 0 die Kapazitatsfunk­tion g (z) = g (z, E\Ce) und betrachte in G die Funktion v (z) = u (z) -- 'Yjg(z) mit einem 'Yj > O. Da nun v(z) in G subharmonisch ist und M (C, v) fUr jedes C E r kleiner s ausfillt, muE (nach dem klassischen Maximumprinzip) v (z) ~ s und mithin u (z) ~ 'Yjg (z) + s in G gelten. Daraus folgt durch Grenzubergang 'Yj --+ 0 (bei festem z) u (z) ~ s, und somit auch u (z) ~ O. Der Beweis der Altemativen u (z) < 0 oder u (z) == 0 in G lauft nach dem Schema des klassischen Maximumprinzips.

Mit Hilfe des allgemeinen Maximumprinzips kann man (durch den Ansatz u (z) = log IWI (z) - W 2 (z) i) foigenden Satz beweisen:

Satz. Es seien WI (z), w2 (z) zwei in G holomorphe F unktionen. Man setze

M(C) = lim IWI (z) - w2 (z)1 (C E F) . z-+C

Hat dann fur jedes s > 0 die Menge

C8 ={CICEr,M(C) ~ s} die KapazitatNull, so gilt WI (z) = W 2 (z) in G. Dabei wird wieder M (C) < + 00 (C E r) vorausgesetzt.

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286 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

Mit Hilfe der KapazWitsfunktion ist es moglich geworden, eine Reihe von grundlegenden funktionentheoretischen Fragen wesentlich zu ver­tiefen (obwohl die Frage nach der "maximalen funktionentheoretischen Nullmenge" noch nicht allgemein beantwortet werden konnte). So kann man z. B. folgenden Satz beweisen:

Satz. Es sei G ein (beschriinktes) Gebiet der komplexen Ebene und A eine Teilmenge von G mit der Eigenschaft, dafJ die Mengen An K fur jede abgeschlossene Teilmenge K von G die Kapazitiit Null haben. 1st dann w (z) eine in G eindeutige stetige komplexe Funktion von z und existiert in G\A die Ableitung w' (z) im Sinne der Gleichung (18.1), so ist w (z) holo­morph in G.

Ersetzt man hier die F orderung der S tetigkei t durch die der Regulari tat in G\A und der Beschranktheit von Iw (z) I in der Umgebung jedes Punk­tes' von A (also lim Iw(z)1 < + 00 flir jedes' E A), so erhalt man dadurch

z-+c eine wesentliche Vertiefung des Begriffs der hebbaren Stelle. Die Uber-tragung schlieBlich der durch den zuletzt formulierten Satz gewonnenen Erkenntnisse liefert einen Zugang zu der Frage, die zu Beginn dieser Nummer gestellt (jedoch nicht beantwortet) wurde, namlich nach der Struktur der Menge G \ G, in der (J' (z, zo) noch regular harmonisch sein kann. Man kann z. B. zeigen [man vgl. z. B. P. MYRBERG: Uber die Existenz der Greenschen Funktion auf einer gegebenen Riemannschen Flache, Acta Math. 61, 39-79 (1933)J, daB der Rand f' von G (der transfinite Kern von r genannt) keine Mengen wie die vorhin betrachte­ten Mengen A enthalten kann.

Die moderne Entwicklung des Kapazitatsbegriffs beginnt mit den Arbeiten von NORBERT WIENER, DE LA VALLEE-POUSSIN, FEKETE, POLYA und SZEGO. Aber erst durch die Dissertation von O. FROSTMAN (Potentiel d'equilibre et capacite des ensembles, Medd. Lunds Univ. mat. sem. 3, Lund, 1933) und die Arbeiten von G. CROQUET [man vgl. etwa die zusammenfassende Darstellung: Theory of Capacities, Ann. Inst. Fourier 5, 131-295 (1955)J erreichen die Begriffsbildungen und diesbeziiglichen Resultate einen mehr oder weniger definitiven Stand.

Der hier gegebene Beweis des Evans-Selbergschen Satzes schlieBt sich im wesentlichen an das Selbergsche Beweisverfahren an. Hierbei ist die Beschrankung auf die Dimensionszahl n = 2 unerheblich. Bei der Einfiihrung des Kapazitatsbegriffs wurde hier der Approximations­weg der direkten Einfiihrung (durch den transfiniten Durchmesser) vorgezogen. Eine Konstruktion der Kapazitatsfunktion g (z), welche dies en Begriff (man vgl. Erganzung 21 dieses Kapitels) zugrunde legt und dem Schema nach dem (flir den dreidimensionalen Raum gegebenen) Beweis von EVANS nachgebildet ist, gibt K. No SHIRO in seinem vor kur­zem erschienenen Buch (Cluster Sets, Ergeb. Math., Springer-Verlag 1960).

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71. Modulfunktion der Siitze von PICARD, LANDAU und SCHOTTKY 287

71. Anwendung der Modulfunktion auf den Beweis der Siitze von PICARD, LANDAU und SCHOTTKY. Die Funktion v (z), welche die uni­verselle UberlagerungsfHiche der in z = 0, z = 1 und z = 00 punktierten Ebene auf den Einheitskreis eineindeutig und konform, wie dies in der Nummer 69 gezeigt wurde, abbildet, gestattet, eine auf PICARD zuruck­gehende, wesentliche Vertiefung des Casorati-WeierstraDschen Satzes zu beweisen.

Wir beschranken uns zuerst auf den sog. kleinen Picardschen Satz. Satz (PICARD). 1st w (z) in E eindeutig regular und nimmt sie dort zwei

endliche Werte a, b (a =1= b) nicht an, so ist sie konstant. Beweis. Man bilde die Funktion

(71.1) ( ) _ w(z) - a gz- b-a .

Dann ist g(z) holomorph und nimmt in E die Werte Null und Eins nicht an. Man lege jetzt den Anfangswert v(g (0)) in Iv (z) I < 1 fest und beachte, daD v(g(z)) in E (da g(z) Null und Eins nicht annimmt) unbeschrankt fortsetzbar und somit dort eindeutig ist. Andererseits gilt

(71.2) Iv(g(z))1 < 1 (z EE),

was nach dem Liouvilleschen Satz unmoglich ist. LANDAU hat im Jahre 1905 dies en Picardschen Satz folgendermaDen

verallgemeinert: Satz (LANDAU). 1st w (z) in Izl < R eindeutig regular und gilt dort

w(z) =1= 0, w(z) =1= 1, so ist

(71.3) R ~L(w(O), W(k) (0)) ,

wobei W(k) (z) die erste im Nullpunkt nicht verschwindende Ableitung von w (z) bedmttet.

Nachfolgender Beweis des Landauschen Satzes, der zugleich den genauen Wert der Landauschen Schranke L(w(O), W(k) (0)) liefert, geht auf CARATHEDORY zuruck. Man bilde (nach Festlegung von v(w (0))) die Funktion

(71.4) a(z) = v(w(z)) - v(w(O)) . 1 - v(w(O)) v(w(z))

Dann ist a (z) in Izl < R unbeschrankt fortsetzbar und so mit dort ein­deutig regular. Da noch a (0) = 0 ist, so gilt nach dem Schwarzschen Lemma, falls a (z) die Entwicklung

a(z) = A),Zk + Ak+lZk+l + ... hat,

(Izl < R),

und somit auch

Page 45: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

288 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

Nun ist, wie man leicht feststelit,

k 'A - (kl(O) v'(w(O)) . k- W l-lv(w(O))12'

und somit wird 1

{ k! (I -lv(w(O))12) }-k' (71.5) R ~ IW(k)(O)llv'(w(O))1 .

Insbesondere ist fur k = 1 1 - Iv(w(O))12

(71.6) R ~ Iw'(O)llv'(w(O))1 •

Wie man an dem Beispiel w(z) = A (~) sieht, ist die Abschatzung (71.6) genau.

F. SCHOTTKY (1851-1935) hat den Satz von PICARD ebenfalls ver­tieft und bewiesen:

Satz (SCHOTTKY). Nimmt die in Izl < 1 eindeutige reguliire Funktion dart die Werte Null und Eins nicht an, so gilt:

(71.7) Iw(z)1 ~ S(w(O), Izl),

mit einer nur von w (0) und Izl abhiingigen Schranke Sew (0), Izl) (Schott­kysche Schranke).

Aus dieser Ungleichung folgt mit Rucksicht auf das Maximumprinzip

(71.8) Iw(z)1 ~ S(w(O), #) (Izl ~ # < 1) •

1m folgenden fuhren wir den Beweis des Schottkyschen Satzes teil­weise durch, indem wir bis zur Abschatzung (71.10) vordringen. Aus dieser folgt dann mehr oder weniger leicht, daB (mit Rucksicht darauf, daB sonst die Werte '/I(w (z) beliebig nahe an die Peripherie Izl = 1 heran­rucken wurden) eine Ungleichung von der Form (71.7) gelten muB.

Beweis. Man setze Izl ~ # < 1 voraus. Dann ist nach dem Schwarz­schen Lemma

Nun ist die Gleichung

mit der Kreisgleichung

aquivalent, wobei

und

ist. Daraus folgt wegen

1<1 (z) I ~ #

I l;- a I 1 - til; = #

(I - 1J2) Co = a 1 _ lal'1J2

r = # (1 - lal") o 1 - laI21J'

daB in Izl ~ #

(71.9)

lal + 1J ICI ~ ICol + ro = 1 + lal1J '

I ( ( )1 < Iv(w(O))1 + 1J '/I W Z = 1 + Iv(w(O))I1J < 1

(Izl ~ #) .

(Ial < 1)

gelten muB. Das hat aber zur Folge, daB w (z) nicht zu nahe an die Punkte z = 0, 1 und z = 00 kommen kann.

Page 46: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

72. BLOCHs Methode zum Beweis der Siitze von PICARD et al. 289

Nimmt man in (71.9) den Punkt z auf der Peripherie Izl = {}, so erhaJt man

(71.10) < Iv(w(O))1 + Izl IY(w(z)1 = 1 + Iv(w(O))llzl •

Die hier gegebenen Beweise der Satze von LANDAU und SCHOTTKY gehen auf CARATHEODORY [Sur quelques generalisations du tMoreme de M. PICARD, Compt. rend. Acad. Sc. (Paris) 145, 1213 (1905)J zuriick. Der Leser mage zeigen, daB aus dem Schottkyschen Satz der Landausche Satz (und somit auch der Picardsche Satz) unmittelbar folgt.

Die explizite Aufstellung einer einfachen Schranke fUr S (w (0), {}) ist mit Hilfe der Modulfunktion schwierig durchzufiihren und ver­langt genaue Kenntnis des Verhaltens von Y (z) in der Nahe der kriti­schen Stellen. Nachfolgende Methode von BLOCH fiihrt leichter zum ZieI.

72. BLOCHS Methode zurn Beweis der S1i.tze von PICARD, LANDAU und SCHOTTKY. ANDRE BLOCH (1893-1947) hat als erster im Jahre 1924 eine Beweisanordnung der Satze von PICARD, LANDAU und SCHOTTKY gegeben, die neben der Kiirze noch den Vorzug hat, lediglich element are Hilfsmittel zu benutzen. Nachfolgende Darstellung der Blochschen Methode stiitzt sich auf Gedanken von LANDAU und VALIRON. '

Satz (BLOCH). 1st w (z) in Izl ~ 1 eindeutig regular und gilt Iw' (0)1 ;:;:;; 1, so gibt es eine Konstante B > 0 derart, dafJ eine bestimmte offene Kreis­scheibe vom Radius B das schlichte Bild eines Gebietes von Izl < 1 ist.

Ein ahnlicher Satz gilt auch dann, wenn man auf die Schlichtheit der Vberdeckung verzichtet.

Satz (BLOCH-LANDAU). lstw(z) in Izi ~ 1 regular und IW'(O)I ~ 1, so nimmt w (z) in Izl < 1 alle Werte aus einer offenen Kreisscheibe mit dem

d . 1 Ra ~us 16 an.

Wir beweisen zuerst den Satz von BLOCH. Man setze fUr Izl = r, o ~ r ~ 1,

Ml(r) = Max {lw'(z)1 I Izl = r}. Dann gibt es wegen

lim r Ml (1 - r) = 0 f-"O

und lim r Ml (1 - r) = Ml (0) = IW' (0) I ~ 1 f--> 1

ein (kleinstes) ro' 0 < ro ~ 1, mit

rOMl(l-ro) = 1.

Man wahle 1; auf 11;1 = 1- ro so, daB IW' (1;)1 = Ml (1- ro) wird, und setze

g(z) = w(z + 1;) - w(l;). Dinghas, Funktionentheorie 19

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290 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

Dann ist g(z) in Izl ~ ro regular, g(O) = 0 und

Ig'(O)1 = Iw'(C)1 =~. ro

Da nun IC + zl ~ Izl + l-ro ist, so gilt in Izl ~ ~

Ig' (z) I = Iw' (z + C) I ~ M1 (1- ~ ) ~ :0 und somit dort fo

Ig(z)1 ~ foX Ig' (z)I Idzl ~ 1 .

Das beweist aber (mit Rticksicht auf die Ergebnisse von S. 157, daB g (z)

in Izl ~ ~ jeden Wert aus der Kreisscheibe

Iwl ~ (~o )2. 6~ = 2~ genau einmal annehmen muB. Danach nimmt w (z) III Iz - CI ~ ~ jeden Wert der Kreisscheibe

1 (72.1) Iw - w(C)I ~ 24 ~ B

genau einmal an. Der Beweis des Bloch-Landauschen Satzes kann so geftihrt werden:

Es sei g (z) =l= d (Izl ~ ~o), wobei noch d ohne Einschrankung der All­

gemeinheit reell positiv angenommen werden darf. Dann ist

h(z) = 1h- g~Z) (h(O) = 1)

in Izi ~ ~ eindeutig regular, und somit wird mit Rticksicht auf die

Ungleichung von GUTZMER

1 + Ig~~~12 (~ y ~ Max Ih(z)12 ~ 1 + Max Ig~)1 ~ 1 + ~ , Izl ~ ;0 Izi ~ _~o

also (wegen Ig' (0)1 ro = 1) d ~ *. Somit tiberdeckt das Riemannsche

Flachensttick von w (z) die Kreisscheibe Iw - w (C) I < 1~ .

Man kann das durch den Satz von BLOCH aufgeworfene Problem auch so formulieren:

Man betrachte die Klasse m aller in der Kreisscheibe

K:lzi < 1

eindeutigen reguliiren Funktionen mit der Eigenschaft, daft das Riemannsche Fliichenbild (d. h. das Riemannsche Fliichenstuck der inversen Funktion) keine schlichte Kreisscheibe vom Radius grafter Eins enthiilt. Dann ist

B-1 = sup {Iw' (0)1 I w Em}.

Page 48: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

72. BLOCHS Methode zum Beweis der Satze von PICARD et al. 291

Der genaue Wert der (Blochschen) Konstanten B ist bisher noch nicht ermittelt worden. Man konnte beweisen (AHLFORS und GRUNSKY, Math. Z. 1937), daB

1 - r(!) J r(%)j! B~24Vn r(!) lrC~) =0,4718 ...

ist, und man vermutet, daB hier das Gleichheitszeichen steht. AHLFORS (Trans. Am. Math. Soc. 1938) konnte durch eine scharfsinnige Methode zeigen, daB B > 0,43 ... gilt. Somit steht fest, daB B zwischen 0,43 ... und 0,47 ... liegt.

Wir setzen jetzt

(72.2) b (z) = ;i arc cos {~i log (- z)}

und nehmen an, die in Izl ~ 1 reguHire eindeutige Funktion w (z) nehme dort die Werte Null und Eins nicht an. Dann ist

g(z) = b(w(z))

nach Festlegung von b(w (0) (auf der Riemannschen FHiche) in Izl ~ 1 iiberall fortsetzbar und somit dort eindeutig regular. Wir behaupten nun:

Die Funktion g (z) (Blochsche Hilfsfunktion genannt) nimmt fUr kein z, Izl ~ 1, einen der Werte

OCnm = ± log (Vm+ Vm-l) + n;i (m,nganz;m ~ 1)

an. Ware dies namlich fUr ein z der Fall, so wiirde, wie man leicht fest­stellt,

e2g (z) + e-2g(z) = 2(-I)n(2m-l)

gelten, und somit ware

w(z) = - e",i(-1)H(2m-l) = 1 ,

was wegen w (z) =1= 1 falsch ist. Da nun die Differenz von zwei aufeinander­

folgenden Abszissen der Zahlen OCn m kleiner als Eins und ~ < va ist,

so ist das Zahlengitter (ocnm) in der z-Ebene so verteilt, daB jede (offene) Kreisscheibe vom Radius Eins mindestens eine der Zahlen OCnm iiber­deckt. Somit muB g (z) der Klasse Q3 angehOren.

Satz. fede in Izl ~ 1 eindeutige reguliire Funktion w (z), die der Klasse Q3 angehOrt, genugt der Ungleichung

(72.3) IW' (z)l ~ ~ 1.! Izls (Izl < 1) .

19*

Page 49: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

292 VIII. Geometrische Funktionenthcorie. Konforme Abbildung

Beweis. Da flir eine konstante Funktion w (z) (72.3) erfiillt ist, so kann man w' (z) :$ 0, [z[ < 1, annehmen. Man nehme [z[ ~ {} < 1 an und bestimme e, lei = {} so, daB

(72.4) [w' (e) [ = Max [w' (z) [ Izl = {}

wird. Man setze

w* (z) = w ( z + i ) . 1 + 'z

Dann geh6rt w* (z) ebenfalls der Klasse Q3 an, und somit gilt

[W*' (0)[ = [w' (e) [ (1-[e[2) ~ ~ ,

also wegen (72.4)

[w' (z)[ ~ ~ 1 ~ Iz l2

auf [zl = lei. Da {} willkiirlich im Intervall 0 ~ {} < 1 genommen werden kann, ist (72.3) richtig.

Aus (72.3) folgt:

Gehort die in [z[ < 1 eindeutige Funktion g (z) der Klasse Q3 an, so gilt fur je zwei Punkte Zl' Z2' [Zl[ < 1, [Z2[ < 1,

(72.5)

Insbesondere ist flir [z[ < 1 1 1 + Izl

(72.6) [g (z) - g (0) [ ~ 2 B log T=Tzf .

Die Ungleichung (72.6) hat den Schottkyschen Satz zur Folge. Denn ist w (z) in [z[ < 1 eindeutig regular und dort =l= 0,1, so ist

g(z) = b(w(z)

nach Festlegung von b(w (0) unbeschrankt fortsetzbar und somit dort eindeutig. Da nach dem vorhin Gesagten g (z) der Klasse Q3 angeh6rt, so gilt in [z[ ~ {} < 1

1 1 + D [g(z)[ ~ [g (0) [ + 2B log-l_ D '

also

Das beweist wegen ([z[ ~ {})

den Schottkyschen Satz. DaB man aus dem Schottkyschen Satz

[w(z)[ ~ S(w(O), {}) ([z[ ~ {})

Page 50: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

72. BLOCHs Methode zum Beweis der Siitze von PICARD et al. 293

den Landauschen Satz mit Hilfe der Cauchyschen Abschatzung des Koeffizienten ak der Entwicklung

(72.7)

in der Form

(72.8)

w(z) - a + a Zk + a Zk+l + ... - 0 k k+l

1

R -::;, ~ { 5 (w (0), {}) }k - {} lakl

(B- fest)

erhalten kann (und somit auch den Beweis des kleinen Picardschen Satzes) ist wohl trivial und bedarf hier keiner weiteren ErHiuterung.

Ftir die Entwicklungen der nachsten Nummer, insbesondere fUr den Beweis des groBen Picardschen Satzes, ist es von Vorteil, zu zeigen, daB man die Schottkysche Schranke Sew (0), B-) durch eine GroBe w(lw (O)I,B-) nach oben abschatzen kann, die in bezug auf Iw (0) I mono ton wach­send ist.

Satz. 1st w(z) in Izi < 1 eindeutig reguUir und dart =1=0,1, so gilt in Izl ~ B- < 1

(72.9) 16g Iw (z) I ~ A (1 + log Iw (0) I) ,

mit einem nur von B- abhiingigen A > o. Beweis. 1st Iw(z) I < 1 (Izl < 1), so ist offenbar (72.9) mit A = 1 richtig.

Wir betrachten nun die Faile: 1. Es gilt Iw (z) I > 1 (Izl ~ B-). 2. Es gibt einen Punkt zo, IZol ~ B- derart, daB Iw (zo) I = 1 ist. Wir betrachten g (z) = b (w (z) und beachten, daB man hier ohne

weiteres denjenigen (in Izl < 1 eindeutigen) Zweig a (z) der Funktion log(- w(z) zugrunde legen kann, dessen Imaginarteil arg(- w) in einem willktirlich gewahlten Punkt in Izl < 1 der Ungleichung - n ~ arg ( - w (Zl) < n gentigt. Man nehme zunachst Zl = 0 und bilde g' (z). Dann ist

und somit wegen

und

(72.10)

, 1 a' (z)

g (z) ="2 Vn2+ a2(z)

IVn2 + a2 (z) I ~ n VI + la (z)i2

Ig' (z) I ~ (1 _ I{}2) B

la'(z)1 -::;, c = C (B-) . VI + la(z)12 - 0 0

Man setze j etzt allgemein

X (IX) = IX + VI + oc2

und setze la (0) I < la(C)1

(Izl ~ B-)

(IX ;;;; 0)

(C =1= 0, ICI ~ B-) voraus. Dann folgt aus (72.10) durch Integration langs der Strecke, die z = 0 und z = C verbindet,

X(la(C)1l ~ eCoOX(la(O)I)·

Page 51: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

294 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

Da diese Ungleichung auch dann gilt, wenn la (') I ~ la (0) I ist, so wird wegen

und somit auch (72.11)

20e ~ X(oe) ~ 2(1 + a)

la (') I ~ eCoD (1 + la (0) I)

log Iw(')1 ~ Ao(1 + log Iw(O)1)

mit einem Ao = Ao (fJ) > O. Urn den Fall 2. zu erledigen, wahle man Zl = Zo und integriere die

Differentialungleichung (72.10) von z = Zo bis zu z = , langs der Strecke, welche die beiden Punkte verbindet. Dabei darf noch Iw(')I> 1 an­genommen werden. Das Ergebnis ist wieder (mit Riicksicht auf la(zo)I ~ n) eine Ungleichung von der Form loglw(')1 ~ C1 (fJ), wobei die Konstante rechts ebenfalls nur von fJ abhangt. Das gibt zusammen­fassend die Ungleichung (72.9).

Mit Riicksicht auf das Maximumprinzip kann (72.9) auch in der Form

(72.12) log Iw(z)1 ~ A(1 + log Iw(O)1)

mit A = A (Izl) oder auch in der Form

(72.13) Iw (z) I ~ C (1 + Iw (0) 1)0

mit einem geeigneten C = C (Izl) geschrieben werden. Scharfe Abschatzungen des absoluten Betrages von w (z) durch

Iw (0) I gab (mit Hilfe der Funktion 'jI (z)) A. OSTROWSKI (Studien iiber den Schottkyschen Satz, Basel 1931).

AHLFORS (Trans. Am. Math. Soc. 1938) konnte mit Hilfe einer scharfsinnigen elementaren Methode anstelle (72.9) die Abschatzung

log Iw(z)1 ~ ~ ~ 1:1 (7 + log Iw(O)1) (lzi < 1)

gewinnen.

73. Der allgemeine Satz von PICARD und der Satz von JULIA. 1st w (z) in

(73.1) ro < Izl < + 00 (ro> 0)

meromorph, d. h. bis auf Pole eindeutig regular, und nimmt sie dart drei voneinander verschiedene Werte a, b, c nicht an, so kann sie bei z = 00

hochstens einen Pol haben. Anders ausgedriickt: 1st z = 00 eine singulare Stelle/iir w(z), so kann sie in (73.1) hOchstens zwei Werte der vollen kom­plexen Ebene auslassen1• Dieses schon in 24. angegebene Ergebnis (groJ3er

1 Unter einer wesentlichen isolierten singuHiren Stelle von w (z) wird im folgen­den im Einklang mit den Ausfiihrungen auf S. 50 entweder eine Laurent-Stelle oder ein (isolierter) Haufungspunkt von Polen von w (z) verstanden. Diese ist also stets ein isolierter Randpunkt des Rationalitatsbereiches von w (z). (Friiher wurden solche Stellen auch isolierte Singularitaten zweiter Art genannt.) DaB flir solche Stellen der Casorati-\VeierstraBsche Satz gilt. hat der Leser inzwischen schon erkannt.

Page 52: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

73. Der allgemeine Satz von PICARD und der Satz von JULIA 295

Picardscher Satz) von PICARD aus dem Jahre 1879 hat die gesamte For­schung der letzten 70 Jahre auf dem Gebiet der Funktionentheorie ent­scheidend beeinfiuBt.

Hilfssatz. Es sei w (z) in Izi ~ r eindeutig regular, und es sei 1. w (z) =l= a, b (a, b endlich, a =l= b) 2. Iw(O)1 < ct 3. Max {laI. Ibl, Ib - ai-I} < {J < + 00 . Dann gibt es eine nur von ct und {J abhangige Schranke V (ct, (J) derart,

dafJ in Izl ~ ;

(73.2) Iw(z)1 ~ V(ct, (J) gilt.

Beweis. Setzt man ( ) _ w(rz) - a

gz- b-a '

so ist g (z) in Izl ~ 1 eindeutig reguHir und =l= 0,1. Da

Ig(O)1 = I wiO~ ~ a I ~ (ct + (J) (J

ist, so muB in Izl ~ ~ (mit Riicksicht auf (72.9))

Ig (z) I ~ C . Max {I, (ct + {Jfl. {J0I} = VI (ct, (J)

mit C1 = A ( ~) und C = eO, gelten.

Daraus folgt

Man setze jetzt

(73.3)

Iw(z)1 ~ (J(1 + 2V1 (ct, (J» = V(ct, (J).

voraus und nehme an, w(z) sei in (73.1) von a, b, c (a, bEE; c = 00) verschieden. Man bestimme die (monoton wachsende) Folge (rn) (n = 1,2, ... , r1 > 2ro, r",-+ 00) so, daB es auf Izl = rn einen Punkt z'" gibt derart, daB Iw(zn}l < 1 gilt, was nach dem Casorati-WeierstraBschen

Satz m6glich ist. J etzt schreibe man el fiir Zn' setze N = [4;] + 1 und 2",ki

ek = e1elf (k = 1,2, ... , N)

und wende den vorherigen Satz auf die Kreisscheiben

K~: Iz - evl ~ 2 I-' le.1 (11 = 1, 2, ... , N)

an, indem man mit dem Kreis K1 beginnt. Da Iw (e1}1 < 1 ist, so gilt in Iz - ell ~ I-' le11

Iw (z) I ~ VI (I-')

und somit (wegen Iw (e2)1 ~ VI (1-')) auch

Iw(z)1 ~ V2 (1-')

Page 53: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

296 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

Wiederholt man dieses Verfahren Nmal, so erhalt man die Ungleichung

(73.4) Iw (z) I ~ V (p) (lzi = r n) mit V(p) = VN(p).

Diese Ungleichungen haben aber (mit Riicksicht auf den Casorati­WeierstraBschen Satz) zur Folge, daB z = 00 eine hebbare Singularitat sein muB, was gegen die Voraussetzung ist.

G. JULIA hat als Verallgemeinerung dieses allgemeinen Picardschen Satzes u. a. folgenden Satz bewiesen:

Satz (JULIA). Hat die in (73.1) bis auf Pole eindeutige regulare F unk­tion w (z) einen asymptotischen Weg, so gibt es zu jedem (einfachen) Weg

(73.5) y = {z(t) I 0 ~ t < + oo} ,

der von dem Punkt z = 0 zu dem Punkt z = 00 fuhrt, etnen Winkel IX (0 ~ IX < 2 n) derart, dafJ w (z) in

(73.6) Iz- eiaz(t)1 ~ Blz(t)1 (0 ~ t < + (0)

fur noch so kleines B > 0 jeden Wert mit hOchstens zwei Ausnahmen unend­lich oft annimmt.

Hierbei soll wieder der Punkt Zoo eine wesentliche Singularitat fUr w (z) sein.

1m folgenden beweisen wir den Juliaschen Satz fUr den Fall, daB w (z) in (73.1) regular ist, ohne dabei (explizit) von der Tatsache Gebrauch zu machen, daB es einen asymptotischen Weg gibt mit lim w(z(t) = Woo-

t.-+OO

Zunachst kann man aus dem vorhin bewiesenen Hilfssatz folgenden

SchluB ziehen: Zu jedem durch die Bedingung 0 < p < : festgelegten p existieren unendlich viele Kreisscheiben

(73.7) (k = 1,2, ... )

derart, daB w (z) in jedem dieser Kreise jeden Wert aus der Kreisscheibe

Iwl ~ ~ annimmt mit Ausnahme von hochstens einer Punktmenge M,

die man durch eine Kreisscheibe vom Radius p iiberdecken kann. Man betrach te in der Tat die Gesam thei t der Kreisscheiben K~ (n = 1, 2, . . .),

bezeichne mit Kp die Kreisscheibe Iwl ~ ~ und bilde bei festem n die Punktmengen

A~ = Kp\w(K~) (v = 1,2, ... , N) .

Enthalt dann jedes A~ zwei Punkte a, b mit la - bl ~ p, so gilt auf Izl = rn Iw(z)1 ~ V(p). Das kann aber (da z = 00 fUr w(z) eine wesent­liche Singularitat ist) fUr hOchstens endlich viele n stattfinden. Somit existiert zu j edem peine Kreisfolge

(k = 1,2, ... )

Page 54: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

73. Der allgemeine Satz von PICARD und der Satz von JULIA 297

mit lim IZkl = 00 derart, daB w(z) in jedem Ck jeden Wert aus Kp. mit Ausnahme hochstens einer Teilmenge A, die man mit einer Kreisscheibe vom Radius /-l uberdecken kann, mindestens einmal annimmtl. Es sei jetzt (Pn) (n = 1,2, ... ) eine monoton gegen Null konvergierende Folge positiver Zahlen. Man bestimme zu jedem /-In die Kreise C!(k = 1,2, ... ) und bilde die Diagonalfolge q (kurz C Ie) aller dieser Kreisscheiben.

Jetzt bestimme man bei fest em s (s ganz;;;; 1) einen Winkel IX.

(0 ~ IX. < 2n) derart, daB im Winkelraum . 1

Iz - e~IX'z(t)1 ~ ~-lz(t)1 (0 ~ t < + 00)

unendlich viele Kreisscheiben Cr liegen. Wahlt man dann nacheinander s = 1,2, ... und nimmt man einen Haufungspunkt, etwa ex, der Folge (ex.), so enthalt

(73.8) Iz- eilXz(t)1 ~ eIZ(t)1 (0 ~ t < + 00)

fUr jedes feste e > 0 unendlich viele Kreisscheiben Cr" Cr" ..•. Dabei hangt im allgemeinen die Indexfolge (r,,) von e abo Nun kann folgendes vorkommen: Entweder liegt jeder Wert a der w-Ebene (bei festem e) in unendlich vielen w (C,), und in dies em FaIle nimmt w (z) in (73.8) jeden Wert unendlich oft an, oder es gibt ein (endliches) a, das in nur endlich vielen w (Crk ) liegt.

In dies em FaIle muS aber (da die /-l" gegen Null konvergieren) w (z) jeden Wert b =1= a, 00 in jedem Kreis Crk mit hinreichend groBem k min­destens einmal annehmen. Das beweist den Satz. Der allgemeinere Satz von JULIA fUr meromorphe Funktionen mit einem asymptotischen Wert wird ahnlich bewiesen. OSTROWSKI [Uber Folgen analytischer Funktio­nen und einige Verscharfungen des Picardschen Satzes, Math. Z. 24, 225 (1925)J konnte beweisen, daB die Juliasche Aussage uber die Gilltigkeit des Picardschen Satzes in jedem Raum (73.8) bei geeignetem ex fUr mero­morphe Funktionen dann und nur dann richtig ist, wenn die Funk­tionenfamilie

F = {w(anz) I an E E, lim an = oo}

fUr mindestens eine Folge (an) keine normale Familie ist. Meromorphe Funktionen w(z), fUr die jede FamilieF normal ist (undfUrdie eskein ex mit der Juliaschen Eigenschaft gibt), werden nach OSTROWSKI als Aus­nahmefunktionen im J uliaschen Sinne bezeichnet.

LEHTO und VIRTANEN haben neuerdings (On the behaviour of meromorphic functions in the neighbourhood of an isolated singularity, Ann. Acad. Sci. Fennicae, Helsinki 1957) die (von OSTROWSKI auf andere

1 Kreisscheiben von relativ kleinem Radius, in denen der Wertevorrat von w (z) groBe Gebiete der w-Ebene iiberdeckt, werden nach MILLOUX als AusfiUlungskreise (cerdes de remplissage) bezeichnet.

Page 55: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

298 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

Weise erledigte) Frage der Juliaschen Ausnahmefunktionen erneut auf­gegriffen und folgendes bewiesen:

Die notwendige und hinreichende Bedingung dafur, dafJ die in der Um­gebung von z = 00 meromorphe Funktion w(z) eine Juliasche Ausnahme­funktion ist, besteht darin, dafJ

ist.

-.- Iw'(z)1 lIm Izl 1 + Iw(z)l" < 00

Z->OO

Der vorhin gegebene Beweis des Juliaschen Satzes stiitzt sich auf Gedanken von VALIRON (Bull. sci. Math., Bd. 49) und MILLOUX (J. Math. ge ser. 1934). Das Buch von JULIA (Lec;:ons sur les fonctions uniformes a point singulier essen tiel isole, Gauthier Villars 1924) gibt einen vollsUindi­gen Uberblick liber die Juliaschen Arbeiten. Flir die hier gegebene Dar­stellung vgl. man auch das im Literaturverzeichnis erwahnte Buch von V ALIRON.

74. Geschichtliche Zusammenhange und Literaturangaben. RIE­MANNS berlihmter Satz, wonach jedes einfach zusammenhiingende Gebiet, das nicht die gesamte komplexe Ebene E ausmacht, auf das I nnere des Einheitskreises abgebildet werden kann, der die konforme Aquivalenz aller einfach zusammenhangenden Gebiete mit mindestens zwei Randpunkten begrlindete (Grundlagen flir eine allgemeine Theorie der Funktionen einer veranderlichen komplexen GroBe, Diss. Gottingen 1851, Ges. Werke 2te Aufl., S. 3-48), eroffnete zusammen mit dem Begriff der Riemannschen Flache ein neues, groBes Feld funktionentheoretischer Forschung (die geometrische Funktionentheorie), das trotz einer mehr als hundertjahrigen intensiven Bearbeitung weder seine Bedeutung noch seinen Reiz verloren hat. Den erst en vollstandigen Beweis des Satzes, daB jedes einfach zusammenhangende (schlicht e) , mit einer endlichen Anzahl von analytischen Kurvenstlicken, die sich unter einem von Null verschiedenen Winkel schneiden, berandete Gebiet G einschlieBlich seines Randes r eineindeutig und stetig auf den Einheitskreis derart abgebiIdet werden kann, daB die Abbildung von G auf Izl < 1 schlicht ist, lieferte H. A. SCHWARZ im Jahre 1869 (Zur Theorie der Abbildung, Programm d. eidgenassischen polyt. Sch~tle Zurich, 1869/70, Ges. Math. Abhandl. 2, Berlin, Verlag Julius Springer 1890, S. 108-132. Ferner: Uber einen Grenzlibergang durch alternierendes Verfahren, Viertel­iahrschr. naturj. Ges. Zurich, J ahrg. 15, 1870, S. 272-286, Ges. Math. Abhandl. 2, S. 133-143. Dazu kame noch die Abhandlung: Uber die Integration der partiellen Differentialgleichung LI u = ° unter vorgeschrie­benen Grenz- und Unstetigkeitsbedingungen, Monatsber. Kgl. Akad. Wiss. Berlin, 1870, S. 767-795). Eine ausgezeichnete Darstellung des alternierenden Verfahrens von SCHWARZ findet der Leser in den Mono­graphien von NEVANLINNA. H. A. SCHWARZ und spater W. OSGOOD haben

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74. Geschichtliche Zusammenhange und Literaturangaben 299

als erste das Problem der konformen Abbildung der inneren Punkte eines Bereiches von dem Problem des Anschlusses dieser Abbildung an den Rand getrennt, eine Trennung, die bald gestattete, tiber den von SCHWARZ behandelten Fall eines von sttickweise analytischen Kurven begrenzten Bereiches hinauszugehen und die Abbildung des allgemeinsten, zuHissigen Gebietes zu studieren [W. F. OSGOOD, On the existence of the Green's Function for the most general simply connected plane region, Trans. Am. Math. Soc. 1, 310-314 (1900)J. H. POINCARE [Acta Math. 4, 231 (1886)J hat zuerst darauf hingewiesen, daB die konforme Aquivalenz von zwei einfach zusammenhangenden Gebieten aufeinander (nach geeigneter Zuordnung von zwei Linienelementen) auch dann eindeutig bestimmt ist, wenn man tiber die gegenseitigen Zuordnungen der Rander gar keine V oraussetzung macht.

Es ist CARATHEODORYs groBes Verdienst, dies en Sachverhalt [Un­tersuchungen tiber die konformen Abbildungen von fest en und verander­lichen Gebieten, Math. Ann. 12, 107-144 (1912)J vertieft und gezeigt zu haben, daB die Abbildung zweier Gebiete aufeinander schon vollstan­dig bestimmt ist, wenn man die schlichte Abbildung der Gebiete auf­einander verlangt, ohne von vornherein die gegenseitige Abbildung der Rander vorauszusetzen Der Beweis von CARATHEODORY wurde kurz darauf von KOEBE (Gottinger Nachr. Math. Phys. Klasse, 1912) verein­facht und durch eine Reihe neuer wichtiger Gesichtspunkte erganzt (man vgl. z. B. Die Kreisabbildung der allgemeinsten einfach und zwei­fach zusammenhangenden schlichten Bereiche und die Randerzuordnung bei konformer Abbildung, Crelles j. 145, 1915). Neben den hier angefUhr­ten Arbeiten verdienen zunachst noch die Arbeiten von CARATHEODORY [Elementarer Beweis fUr den Fundamentalsatz der konformen Abbil­dungen, Math. Abhandl. Hermann Amandus Schwarz zu seinem /unJzig­jiihrigen Doktorjubiliium am 6. Aug. 1914, gewidmet von Freunden 1tnd Schiilern. Berlin, Verlag Julius Springer, 1914, und Bemerkungen zu den Existenztheoremen der konformen Abbildung, Bull. Calcutta Math. Soc. 20, 125-134 (1928)J sowie die Arbeit von T. RAD6 (Uber die Fun­damentalabbildungen schlichter Gebiete, Acta Litt. ac. Scient. Univ. Hung. 1,240-251, 1923) erwahnt zu werden, in der der Leser auch die Leistungen von F. RIESZ und L. FEJER gewtirdigt findet.

Eine ausfUhrliche Geschichte der verschiedenen Phasen des Problems bis 1918 findet ferner der Leser in dem ausftihrlichen Enzyklopadie­artikel von LICHTENSTEIN, Neuere Entwicklungen der Potentialtheorie. Konforme Abbildung, II, C3 (Vol. II, 3, 1). Auch das Caratheodorysche Buch Conformal Representation (Cambridge Tracts, London 1932) ent· halt ein ausftihrliches Literaturverzeichnis.

E. LINDELOF (Sur la representation conforme d'une aire simplement connexe sur l'aire du cerc1e, Quatrieme Congres des mathem. Scandinaves

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300 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

Ii Stockholm 1916, S.59-90) gab eine Fassung der Caratheodoryschen Methode, in der das Auswahlprinzip vermieden wird. Die Methode be­steht in der Bildung einer (durch Iteration gewonnenen) Folge, deren Funktionen, absolut genommen, eine nicht abnehmende Folge bilden, und deren Grenzwert die gesuchte Abbildungsfunktion ist.

LaBt man die Arbeiten von C. NEUMANN beiseite, so hat neb en SCHWARZ H. POINCARE im Jahre 1890 (Sur les equations aux derivees partielles de la physique mathematique, Am. J. Math. 12) eine Methode zur Uisung des Dirichletschen Problems, wie dieses von RIEMANN in seiner Dissertation gestellt wurde (namlich die Lasung von LI u = 0 bei vorgeschriebenen Randwerten) gegeben, die sog. Ausfegemethode (Methode de Balayage), die in der neuesten Zeit zur weiteren Entwick­lung gekommen ist (man vgl. z. B. das Buch von DE LA V ALLEE-POUSSIN, Le Potentiel logarithmique, Paris, Gauthier-Villars, 1949). Den ersten exakten Beweis des von RIEMANN verwendeten Dirichletschen Prinzips hat D. HILBERT (Das Dirichletsche Prinzip, Gott. Festschr. 1901) gegeben. Eine (mehr oder weniger veranderte) Darstellung der Hilbertschen Methode findet der Leser in dem schon zitierten Buch von WEYL, Die Idee der Riemannschen Flache, sowie in dem Buch von R. COURANT, Dirichlet's Principle, Conformal Mapping, and Minimal Surfaces, Intersc. Publishers, New York 1950. Die im Text gegebene Methode zur Lasung des Dirichletschen Problems ist, wie dies schon erwahnt, diejenige, die O. PERRON in seiner klassischen Abhandlung (Eine neue Behandlung der ersten Randwertaufgabe LI u = 0, Math. Z. 18) aus dem Jahre 1923 ent­wickelt hat. Dabei wurden einige, spater von T. RADO und F. RIESZ [Uber die erste Randwertaufgabe fUr LI u = 0, Math. Z. 22, 41-44 (1925)J vorgebrachte Vereinfachungen verwendet. Eine auf der Perron­schen Methode fuBende Behandlung des Dirichletschen Problems hat noch CARATHEODORY [On Dirichlet's Problem, Am. J. Math. 59,709-731 ( 1937) J gege ben. Dem fUr geschich tliche Z usammenhange in teressierten Leser ware hier noch REMAKs Note [Uber potentialkonvexe Funktionen, Math. Z. 20, 126-130J aus dem Jahre 1924 zu empfehlen.

Urn das Problem der Randerzuordnung sowie das Verhalten der konformen Abbildung in der Umgebung eines Randpunktes hat sich eine umfangreiche Literatur angesammelt, von der hier nur die zwei wichtigen Arbeiten von AHLFORS und OSTROWSKI [Untersuchungen zur Theorie der konformen Abbildung und der ganzen Funktionen, Acta Soc. Sci. Fennicae A, I, Nr. 9, 1930 und: Uber den Habitus der kon­formen Abbildung am Rande des Abbildungsbereiches, Acta Math. 64, 81-184 (1935)J angefiihrt werden kannen. Einen wichtigen Satz von AHLFORS (Ahlforsscher Verzerrungssatz) findet der Leser (in aquiva­lenter Form formuliert) in den Erganzungen und Aufgaben dieses Kapitels.

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74. Geschichtliche Zusammenhange und Literaturangaben 301

Der funktionentheoretische Beweis des Hauptsatzes der konformen Abbildung kann ebenso leicht flir mehrfach zusammenhangende Gebiete sowie auch flir Riemannsche Flachenstlicke durchgeflihrt werden. Der Leser findet einen solchen Beweis in der Arbeit von CARATHEODORY, A Proof of the First Principal Theorem on Conformal Representation [Studies and Essays presented to R. COURANT on his 60th birthday, Jan. 8, 1948, Intersc. Publishers, New York, S. 77-83, Ges. Math. Schr. 3, 334-361 (1948)J bzw. im zweiten Band seiner Funktionentheorie. DaB man aus der mit Hilfe der Perronschen Methode gewonnenen Greenschen Funktion auch das Problem der Abbildung von Gebieten von endlichem Zusammenhang auf bestimmte (sog. Normal-)Gebiete erledigen kann, findet der Leser eben falls in den anschlieBenden Erganzungen. Die Ab­bildung der liber drei Punkten der komplexen Ebene regular verzweigten Riemannschen Flache (Riemannsche Flache der Modulfunktion) durch die Funktion J,,(z), wie diese im AnschluB an eine klassische Arbeit von LINDELOF gegeben wurde, ist ein Spezialfall des sog. Problems der Uni­formisierung einer (abstrakt gegebenen) Riemannschen Flache. Dariiber erfahrt der Leser manches in den Erganzungen und Aufgaben dieses Kapitels. Die Konstruktion der Funktion J" (z) (in etwas veranderter Form, die durch die Abbildung des Einheitskreises auf die obere Halb­ebene entsteht) ist historisch sowohl flir das Uniformisierungsproblem, das in seiner allgemeinsten Form erstmalig von POINCARE aufgeworfen (und spater gegen 1907 gleichzeitig mit KOEBE gelost) wurde, von Bedeu­tung, wie auch flir das (durch HADAMARD und BOREL gegriindete) Ge­samtgebiet der Werteverteilung. Dieses Problem wird im nachsten Kapitel behandelt.

PICARDS groBe Entdeckung von 1879 [Sur une propriete des fonctions entieres, Compt. rend. Acad. Sci. (Paris) 88, 1024-1027 (1879), und Memoire sur les fonctions entieres, Ann. Sci. Ec. nor. sup. Ser. 2, Bd. 9, 146-148 (1880)J, die durch die Betrachtung von v(w(z)) zustande kam, eroffnete zwar ein neues, groBes Feld mathematischer Forschung, lieferte jedoch kaum die Mittel (erst F. NEVANLINNA gelang es im Jahre 1927 auf dem von PICARD gewiesenen Wege, die gesamten Wertever­teilungsergebnisse von R. NEVANLINNA zu erhalten), diese Resultate mit dem librigen Teil der Funktionentheorie in einen organischen Zu­sammenhang zu bringen. Ein Einbau der Ergebnisse von PICARD in die damalige Funktionentheorie begann (was im nachsten Kapitel ausflihr­licher auseinandergesetzt werden soH) mit HADAMARD 1892 (ganze Funktionen endlicher Ordnung) und BOREL 1896 (ganze Funktionen be­liebiger Ordnung) und endete mit R. NEVANLINNA im Jahre 1924 (meromorphe Funktionen beliebiger Ordnung). Die Entdeckungen von E. LANDAU (Cber eine Verallgemeinerung des Picardschen Satzes, Sitzungsber. PreufJ. Akad. Wiss. 1904, S. 1118-1133) und F. SCHOTTKY

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302 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

(Uber den Picardschen Satz und die Borelschen Ungleichungen, ebenda, 1904, S. 1244-1262), die unabhiingig voneinander entstanden sind, sowie die Note von CARATHEODORY [Sur quelques generalisations du tMoreme de M. PICARD, Compt. rend. Acad. Sci. (Paris) 1905, S. 1212 bis 1215 und Sur quelques applications du tMoreme de LANDAU-PICARD, ebenda 144, 1203-1206 (1907)] bedeuten einen Wendepunkt in der Entwicklung der Borelschen Methode und des Picardschen Satzes. Insbesondere liefern die zuletzt angefuhrten CaratModoryschen Noten durch konsequente Anwendung des Schwarzschen Lemmas auf die Funktion v (w (z)) neben einer Verallgemeinerung des Landauschen Satzes die genauen Schranken fur R.

Die groBe Wen dung in dem Fragenkomplex des Picard-Landauschen Satzes kommt (merkwiirdigerweise in demselben Jahr, in dem R. NEVAN­LINNA seinen elementaren Beweis des Picardschen Satzes fur mero­morphe Funktionen findet) im Jahre 1924 durch BWCH [Demonstration direct de theoremes de M. PICARD, Compt. rend. Acad. Sci. Paris, 178, 1593-1595 (1924)]. Eine vollstiindige Liste der Blochschen Arbeiten zum Picard-Landauschen Satz findet der Leser in semt"m Buch Les fonctions holomorphes et meromorphes dans Ie cercle-unite, M em. sci. math., Paris 1926. Neben BWCHs Arbeiten sind hier die Veroffentlichun­gen von LANDAU von Bedeutung, die mehr oder weniger in seinem bereits erwiihnten Buch, Darstellung und Begriindung einiger neuerer Ergeb­nisse der Funktionentheorie (2te Auf I. Springer-Verlag, Berlin 1929) zusammengefaBt sind. Neben den (klassisch gewordenen) Leistungen von LANDAU, welche, wie dies bereits hervorgehoben wurde, die Gestal­tung der entsprechenden Nummern des Textes wesentlich beeinfluBt haben, durften hier noch die Arbeiten von V ALIRON [man vergleiche etwa: Sur Ie tMoreme de Bloch, Rend. Circ. Palermo, 54,76-82 (1930)] beson­ders hervorgehoben werden.

Auf den Zusammenhang zwischen den asymptotischen Werten einer meromorphen Funktion w (z) und den nichtalgebraischen Singularitiiten ihrer inversen Funktion (Satze von A. HURWITZ, F. IVERSEN und W. GROSS) ist mit Rucksicht auf den Umfang, den dieser Fragenkomplex in den letzten Jahren angenommen hat, nicht eingegangen worden. Der Leser findet diese klassischen Ergebnisse (und dariiber hinaus eine Reihe neuer Resultate) in den beiden Monographien von N EVANLINNA dargestellt.

Eine ausfuhrliche Literatur uber Riemannsche Flachen und ihre Uniformisierung findet der Leser neben den erwahnten Buchern von WEYL und NEVANLINNA auch in den ausgezeichneten Buchern von G. SPRINGER (Introduction to RIEMANN Surfaces, Addison-Wesley Publish. Camp. Inc. 1957) und A. PFLUGER (Theorie der Riemannschen Flachen, Springer-Verlag, Berlin-Gottingen-Heidelberg, 1957), sowie in der kurzlich erschienenen Monographie von AHLFORS und SARlO.

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2. Der Fundamentalbereich einer Gruppe 303

Die Literatur uber den Kapazitatsbegriff und den damit zusammen­hangenden Begriff der harmonischen Nullmengen (Punktmengen vom harmonischen MaB Null) findet der Leser in den beiden Buchern von NEvANLINNA, Eindeutige analytische Funktionen und Uniformisierung. Einige prinzipiell wichtige Tatsachen werden kurz in den Aufgaben und Erganzungen dieses Kapitels entwickelt.

Erganzungen und Aufgaben zum achten Kapitel

1. Der isometrische Kreis einer Unearen Transformation. 1st

az + b (1) W = cz + d (ad - be = 1)

eine lineare Transformation und ist e =!= 0, so heiBt der Kreis

(2) ]: lez + dl = 1

der isometrische Kreis von (1). Man beweise: 1m 1nneren von J werden Langen und Flacheninhalte

vergroBert.

2. Der Fundamentalbereich einer Gruppe. Es sei 5 eine Gruppe linearer Transformationen. Sind dann A, A' zwei Punktmengen von E, so heiBen sie in bezug auf die Gruppe 5 kongruent (aquivalent), wenn es ein T E 5 gibt, das A in A I uberfUhrt.

Eine grofite P$tnktmenge Ro von E, die kein Paar aquivalenter Punkte (in bezug auf 5) enthalt, heipt ein Fundamentalbereieh von S. Man kann (neben der Schlichtheit von Ro) zeigen, daB fur jedes T E 5 T (Ro) n n Ro= 0 ist, sofern T nieht die identische Transformation ist.

Enthalt 5 unendlich viele Transformationen T, so spielt die ab­geschlossene Rulle H der Mittelpunkte der isometrischen Kreise von 5 eine wichtige Rolle.

Eine Gruppe 5 heiBt eigentlich diskontinuierlich, falls ein Kreis K: Iz - zol < r (r > 0) existiert, so daB fUr jede Transformation T E 5, die nicht die identische Transformation ist, IT Zo - zol ~ r gilt. Bei den nachfolgenden Betrachtungen kommen lediglich (eigentlich) diskontinu­ierliche Gruppen 5 in Frage. Zu erwahnen ware hier noch, daB die Ele­mente einer (eigentlich) diskontinuierlichen Gruppe entweder endlich oder abzahlbar sind.

Man unterscheidet: 1. Elementare Gruppen. Das sind Gruppen, die entweder endlich

viele Elemente T aufweisen, oder Gruppen, fUr die H hochstens zwei Punkte enthalt.

2. Gruppen mit Grenzkreis oder Fuehssehe Gruppen. 1st 5 eine solche Gruppe, so hat jedes T E 5 die Eigenschaft, daB ein fester Kreis (der sog. Fundamentalkreis) in sich ubergeht.

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304 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

3. Gruppen ohne Grenzkreis bzw. Schottky-Kleinsche Gruppen. Das sind Gruppen, die weder elementar noch solche mit Grenzkreis sind.

3. Der Begriff der automorphen Funktion. Eine komplexe Funktion w(z) soli eine in bezug auf eine Gruppe S = {Tn}, (n = 0,1,2, ... ) auto­morphe Funktion heiBen, wenn

1. w (z) eindeutig regular in einem Gebiet Gist, 2. Tn(G) ~ G(n = 1,2, ... ) gilt und 3. w(Tnz) = w(z)

fur alle n ist. Der Begriff der automorphen Funktion (der in seiner groBten Ali­

gemeinheit von POINCARE in seinen bahnbrechenden Arbeiten aus den Jahren 1881-1884 entwickelt wurde) enthii.lt die ExponentiaIfunktion, die trigonometrischen und die elliptischen Funktionen aIs SpeziaIfall. Eine (nichttriviale) automorphe Funktion hat der Leser in 69 kennen­gelernt.

Eine allgemeine Konstruktionsmethode von automorphen Funktionen hat POINCARE (Sur les fonctions fuchsiennes, Acta Math. 1, 193-294 (1882)] gegeben. Es bedeute R(z) eine rationale Funktion mit der Eigen­schaft, daB kein Pol von R (z) in H liegt. Man schreibe die Transformatio­nen von S in der Form

fur n = 0, 1,2, ... (Toz = z!) und setze

(1)

Dann gilt

00

() (z) = E (cnz + dn)-2m R (T nZ) o

()(TkZ) = (ckz+ dk)2m()(z).

(andn - bncn = 1)

(m ganz, > 1) .

Hat man nun zwei Reihen von der Form (1), etwa ()dZ) , ()2(Z), die zu demselben m gehoren, so ist offenbar

( ) (J1 (z) W Z = (J2(Z)

eine (eindeutige) automorphe Funktion.

(2)

Spezielle automorphe Funktionen sind, wie bereits erwahnt: 1. Die Exponentialfunktion w = eZ , fur die Gruppe S:

Tnz=z+2inn (n = 0, ± 1, ± 2, ... ) .

2. Aile trigonometrischen Funktionen. 3. Die Modulformen (#-Reihen!)

n=+oo 1 w(z) = '\'

"'"' (z-2inn)m n=-oo (m ganz, > 1) •

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4. Eine Ungleichung von PLEMEL] und CARATHEOD:)RY 305

4. Alle Modulformen

(3) k.l= 00 1

1£! (z) = }; (-?k _ 21 )"' k.l=-oo Z - wl W 2

(m ganz, > 2) ,

sofern WI und W 2 nicht linear abhangig sind.

A ufgabe: Man be1£'eise, dafJ (2) und (3) in /eder kompakten Teilmenge von E, die keinen der Punktf 2nin (n = 0, ± 1, ± 2, ... ) bz1£'. der Punkte 2kw1 + 21w2 (k, l = 0, ± 1, ± 2, ... ) enthalt, gleichmafJig konvergieren.

4. Eine Ungleichung von PLEMELJ und CARATHEODORY. Es sei 1£' (z) in Izl ~ I regular, 1£'(0) = ° und

(1)

Dann gilt in Izl < I

(2)

IRe1£'(z)l:S A (lzl=I).

2A 1 + Izi 11m 1£'(z)1 ~ ~log~---. n 1 - Izl

Die Ungleichung gilt auch dann, wenn 1£' (z) nur in Izl < 1 regular und

lim IRe 1£'(z)1 ~ A !zl~l

ist. Beweis. Man bilde die Funktion

:ri ( ) 2 • w(z)

gz =e" . (Izl ~ 1). Dann ist

" - 2A v n l~eg(z) = e cos 2A It ~ ° (1£' = u + iv).

Somit ist wegen g (0) = 1

1 12 " ei {}+ z g (z) = ~ Re g (e i 0) --c- d{} 2n 0 e~{}-z'

also

(3) 1 - Izl /' 1 + Izl l+Tzr~ Ig(z)1 ~~-.

1st 1£' (z) nur in Izl < 1 regular, so wende man die Poissonsche Formel auf

eine Reihe von Peripherien Kn: Izl = 1-.2... an und lasse n -+ 00 kon­n

vergieren.

Aus (3) folgt die Behauptung wegen

Ig (z) I = e- 2A v(z)

ohne Schwierigkcit.

Man beweise nun (2) (wie es CARATHEODORY getan hat) mit Hilfe des Schwarzschen Lemmas (SCHWARZS Festschrift, S. 21).

Dinghas, Funktionentheorie 20

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306 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

5. Der Verzerrungssatz von KOEBE und BmBERBAcH. 1st w(z) in Izl < 1 schlicht und gilt w (0) = 0, w' (0) = 1, so ist

) Izl < I () I < Izl (1 (1 + IZ!)2 = W Z = (1 _ IZ!)2 und

(2) 1 - Izl < I '( 1< 1 + Izl (1 + IZ!)3 = W z) = (1 - IZ!)3 .

Beide Ungleichungen sind scharf und besitzen als Extremalfunktionen die (Koebeschen) schlichten Funktionen

(3) z

w(z) = (1 + ez)2 (181=1).

Folgender Beweis geht auf BIEBERBACH (Sitzber. preuss. Akad. Wiss. 1916) und R. NEVANLINNA (Overs. av Vet. Soc. Forh., Bd. 62, 1919-1920) zuruck. Es sei z (Izl < 1) fest und

(4)

( ~ + z ) w ~ -w(z)

g(C) = (l-zz)w'(z) =C+a2C2+ ...

mit ICI < 1. Dann ist (da 1~ :zz~ bei fest em z in ICI < 1 schlicht ist) g(C) schlicht.

Man setze jetzt

F(c) ~ Vg(M (v g(C2) = C + ~ a2C3+ .. -).

Dann ist F (C) in ICI > 1 schlicht und besitzt dort die Entwicklung

F (C) = C + ? + ~~ + ...

mit C1 = - ~ a2• Es sei jetzt r > 1 fest und y die durch

F(re i {}) = u + iv (0 ~ f) ~ 2n)

dargestellte einfachgeschlossene, positiv orientierte Kurve. Dann stellt

J = ( udv = (2" u~df) J1' Jo of}

den Inhalt des von y eingeschlossenen Gebietes dar. Nun ist wegen

1 - 1 - 1 (2" U = 2: (F +F), v= 2i (F -F), J = 4" Jo 1jJ(r, f}) df}

mit

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5. Der Verzerrungssatz von KOEBE und BIEBERBACH 307

und e = ei 0, und somit wird nach leichten Rechnungen

n (r2 - .f k Ickl2 r- 2k) ;;S 0

und fur jedes N, N = 1,2, ... N

I; klckI2r- 2k ;;;; r2. 1

Daraus folgt durch Grenzubergang r -+ 1 N

I;khI2;;;; 1 1

und durch Grenzubergang N -+ 00

00

(5)

Diese Ungleichung wurde unabhangig voneinander von L. BlEBERBACH [Uber einige Extremalprobleme im Gebiete der konformen Abbildung, Math. Ann. 77, 153-172 (1916)J und T. H. GRONWALL [Some remarks on conformal representation, Ann. Math. 16, 72-76 (1914/15)J gefunden und wird in der Literatur als Flachensatz von BlEBERBACH bzw. als Flachensatz von GRONWALL gefiihrt.

Man behalte jetzt in (5) lediglich das erste Glied bei und beachte, daJ3

__ ~ __ ~(W"(z) (1-zz) -2-) c1 - 2 a2 - 4 w' (z) z

ist. Es wird also

und somit

(6)

Nun ist

und allgemein

und

/ w"(z) (1 - zZ) _ 2Z/ ::;; 4

w'(z) -

2JZJ2 - 4JzJ < R (ZW") < 4JzJ + 2JZJ2 1 - JZJ2 = e w' = 1 _ JZJ2

(ZW") iJ Re ----w' = Izl ~ log Iw' (z) I

( 1 - X)' 2x - 4 log (1 + X)3 = 1 _ x 2

( 1+X)' 4+2x log (1 _ X)3 = 1 _ x 2 •

Verwendet man diese Gleichungen in (6), so erhalt man

d 1 - JzJ iJ I d 1 + JzJ dJzJ log (1 + JZJ)3 ;;;; ~ log Iw (z)1 ;;;; dJzJlog (1 - JZJ)3

und somit durch Integration von z = 0 bis z = z die Ungleichung (2). 20*

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308 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

Es bezeichnen jetzt Zv Z2 zwei Punkte von Izl = r und YI' Y2 zwei (differenzierbare) Kurven in Izl ~ r, die den Punkt z = 0 mit ZI bzw. Z2 verbinden. Man wahle ZI und Z2 so, daB Iw(ZI) I = Max Iw(z)1 und

Izl=r Iw (Z2) I = Min Iw (z) list und nehme als YI die Strecke OZI' Nimmt man dann

Izl=" als Y2 diejenige Kurve, deren Bild Y~ = w (Y2) die Strecke OW2 (W2= w (Z2) der w-Ebene ist, so erhalt man

Iw(z)1 ~ 1" Iw' (C)lldCI ~ (1 ~zllzl)2 und

Iw(z)1 ~ ;:; Idwl = ;:,1 ~: !Idzl ~ (llzllzlJ 2

Das Gleichheitszeichen (auf einer der beiden Seiten) in (1) oder in (2) fur ein z =F 0 kann offenbar dann und nur dann eintreten, wenn in (6) fUr eine Seite das Gleichheitszeichen gilt. Daraus folgt aber

! w"(z) (1 - zz) _ 2Z! = 4 w'(z) ,

und somit IcII = 1 und c2 = C3 = ... = O. Es muB also

gelten und mithin

(7)

6 F(C) = C+T

[; g(C) = (1 + 6[;)2

(e = e(z), lei = 1)

(ICI < 1).

Diese Gleichung muB (da sowohl (2) als auch (1) durch Integration von (6) bewiesen wurden) fur alle Punkte von YI bzw. Y2 gelten, je nachdem es sich urn das Gleichheitszeichen rechts bzw. links handelt. LaBt man dann in (7) den Punkt z auf dem entsprechenden Wege gegen Null kon­vergieren, so erhalt man

w (C) = lim g (C) = (1/15 [;)2 (Ieol = 1) . Z'"""'"'70 0

Aus (1) kann man noch folgenden Satz von KOEBE (1907) ableiten, der den AnstoB zu der ganzen spateren Literatur gegeben hat:

Satz. (KOEBE-CARATHEODORY-FABER). 1st w(z) in K: Izl < 1 schlicht, so enthiilt w (K) die Kreisscheibe

1 Iw - w(O)1 < T Iw' (0)1·

Die Konstante ~ (die zuerst von G. FABER bestimmt wurde) kann, wie

das Beispiel der Koebeschen Extremalfunktionen zeigt, durch keine groBere ersetzt werden.

Von den wichtigsten alteren Arbeiten aus dem Koebe-Caratheodory­Bieberbach-Faberschen Fragenkreis sollen hier neben den vorhin zitier­ten Arbeiten von GRONWALL und BIEBERBACH [hierzu kame auch sein

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6. Der Drehungssatz von BIEBERBACH-GOLUSIN 309

Artikel tiber: Neuere Forschungen auf dem Gebiet der konformen Ab­bildung, Glasnik hrv. prirod. drustra 33, 24 S. (1921) in BetrachtJ noch die Arbeiten von G. FABER [Neuer Beweis eines Koebe-Bieberbachschen Satzes, Munch. Ber. ]ahrg. 1916, 39-42J und G. PICK [Uber den Koebe­schen Verzerrungssatz, Leipz. Ber. 68, 58-64 (1916)J erwahnt werden, sowie die Arbeit von R. NEVANLINNA [Uber die schlichten Abbildungen des Einheitskreises, Overs. av Finska Vetensk. Soc. Forh. 62, 295-305 (1919-20)J. Das Ungleichungssystem (1) und (2) wurde (unter Annahme der spater von BIEBERBACH bewiesenen genauen Abschatzung Iw" (0) I ~ 4) zuerst von J. PLEMELJ [Uber den Verzerrungssatz von P. Koebe, Verh. d. Ges. Dtsch. NaturJ. u. Arzte 85, 249-252 (1913)J aufgestellt. Eine Reihe von Ergebnissen aus dem Koebe-CaratModory-Faberschen Gedanken­kreis sind von H. GROTZSCH [man vergleiche z. B.: Uber einige Extremal­probleme der konformen Abbildung 1, II, Leipz. Ber. 80, 367-376, 497-502 (1928) J auf schlichte Abbildungen von mehrfach zusammen­hangenden Gebieten tibertragen worden.

6. Der Drehungssatz von BIEBERBACH-GOLUSIN. Aus der Ungleichung

I ~- 21z12 1< 41z1 z w' 1 - Izl2 = 1 - Izl2

folgt 41z1 ( w" ) 41z1

- 1 - Izl2 ~ 1m z W' ~ 1 _ Izl2 und somit wegen

( W") a 1m z- = Izl--argw'(z) w' alzl

(1) I 1 + Izl largw (z)1 ~ 2 log 1 _ Izl •

Diese Ungleichung stammt von BIEBERBACH, liefert jedoch keine genaue universelle Abschatzung des Arguments ftir die gesamte Klasse der in Izl < 1 schlichten Funktionen. Die genauen Schranken ftir larg w' (z) I gab zuerst GOLUSIN (Mat. Sb.l, 1936, Mat. Sb. 6, 1939 und Mat. Sb. 18, 1946), der folgendes bewiesen hat: 1st w (z) in Izl < 1 eine normierte (w(O) = 0, w' (0) = 1) schlichte Funktion, so gilt

(2) 14 arc sin Izl Ilzl ~ ~-

largw'(z) I ~ Izl' 1 2

'Jt + log 1 _ ,z ,21 v-z ~ Izl < 1 .

DaB (2) scharf ist, lehren zwei von GOLUSIN und BASILEWITSCH (Mat. Sb. 1, 1936) gegebene Beispiele.

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310 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

7. Das Koeffizientenproblem. Ist

(1) w(z) = z + a2z + llaZ3 + ... eine in Izl < 1 schlichte Potenzreihe, so ist vermutet worden (BIEBER­BACH 1916, loco cit. S. 946), daB lanl ~ n(n = 2, 3, ... ) giltundsomit daB

(2) z

w(z) = (1 + 6Z)2 (lei = 1)

die Extremalfunktionen auch fur das Koeffizientenproblem liefern. Diese Vermutung ist bisher lediglich fur n = 2 (BIEBERBACH 1916, loco cit.), fur n = 3 (L6wNER 1923, Math. Ann. Bd. 89) und fur n = 4 [(GARA­BEDIAN und SCHIFFER, Arch. Rat. Mech. Anal. 4, 427-465 (1955)] be­wiesen. Neuerdings haben M. SCHIFFER und Z. CHARZYNSKI [A New Proof of the BIEBERBACH Conjecture for the Fourth Coefficient, Arch. Rat. Mech. Anal. 5, 187-193 (1960)] einen verbliiffend einfachen Beweis fur die Ungleichung la41 ~ 4 gegebenl. Neben den grundlegenden Arbeiten von BIEBERBACH, LOEWNER und SCHIFFER zum Koeffizienten­Problem dudte hier noch das bahnbrechende Ergebnis von W. HAY­MAN [La regularite des fonctions univalents, Compt. rend. Acad. Sci. (Paris) 237, 1624-1625 (1953)] angefuhrt werden, wonach fur die Koeffizienten der schlichten, normierten Potenzreihe (1) die Gleichung

(3) lim ~ = oc < 1 n---+-oo n

gilt, sofem w (z) mit keiner der Funktionen (2) zusammenfiillt. Ist die Vermutung lanl ~ n richtig, so konnen in jedem Punkt von

Izi < 1 genaue Abschiitzungen fur Iw(n) (z)1 nach oben gegeben werden. Die ersten Schritte dazu wurden von E. LANDAU [Einige Bemerkungen tiber schlichte Abbildung, Jahresber. D. M. V. 34, 239-243 (1925)] gemacht. Schade Abschiitzungen fur w(n) (z) wurden von DINGHAS (Avhandl. Norske Videnskaps-Akad. Oslo, 1959) gegeben und lauten

(4) Iw<") (z)1 n + Izl {(I - IzIl2Iw(z)I}1' n! ~ (1 - Izll'H2 Izl '

mit 1 + Izl2

f-l = 2 (1 + Izll2 . Ersetzt man hier f-l durch Null, so erhiilt man die Landauschen Abschiit­zungen. Allgemein gilt [F. MARTY, Com pt. rend. Acad. Sci. (Paris) 194, 1308--1310 (1953) und DINGHAS, Arch. Math. 8, 413-416 (1957)]

Iw<n) (zll, n + Izl (5) n! ~ Iw (z)1 (1 + Izll (1 _ Izll" 1 •

1 Wie mir Herr M. SCHIFFER und Herr W. K. HAYMAN Anfang November 1960 mitteilten, enthiilt der kiirzlich von K. KOSEK! im Math. J. Okayama Univ. 9, 173-197 (1960) publizierte Beweis der Bieberbachschen Vermutung Liicken, die bisher nicht ausgefiillt werden konnten.

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8. Die konforme Abbildung eines Polygons auf eine Halbebene 311

Der interessierte Leser findet eine Reihe von Fortschritten auf dem Ge­biet der schlichten Funktionen in den Buchem von W. HAYMAN (Multi­valent Functions, Cambridge Univ. Press 1958), J. JENKINS (Univalent Functions and Conformal Mapping, Ergeb. Math. und ihrer Grenzgeb., Springer-Verlag 1958) und G. GOLUSIN (Geometrische Funktionen­theorie, Akademie-Verlag Berlin 1957).

8. Die konforme Abbildung eines Polygons auf eine Halbebene. Das Problem der konformen Abbildung eines Polygons P mit den Ecken AI> ... , An und den (inneren) Winkeln 0(1) ••• , O(n ist ein Musterbeispiel der Riemannschen Auffassung, daB durch das Verhalten einer analyti­schen Funktion w (z) in der Umgebung aller ihrer singularen Stellen diese im wesentlichen bestimmt wird. Wir nehmen an, daB P einfachzusam­menhangend ist und daB sein Rand aus einem einfachen Polygonzug r

besteht. Es sei w (z) die Funktion, As welche die obere Halbebene 1m

r

, I " I

, I , I ,~ -A~

Air z> 0 auf das Innere von P ein­eindeutig und konform (Abb. 20) abbildet.

Abb.20

AI 1

z.

Da der Rand von P aus geradlinigen Strecken besteht, kann man sowohl Z= z(w), als auch w = w(z) durch Spiegelung an jeder der Strek­ken Ale-lA k fortsetzen, was zunachst das Ergebnis liefert, daB der Rand von P in die (volle) reelle Achse der z-Ebene ubergeht und daB jeder Ecke Ak von P (ein-eindeutig) ein Punkt Ak dieser Achse entspricht.

Es sei jetzt al die komplexe Zahl, die dem Punkt Al entspricht. Man

bilde (w (z) - al)"". Dann ist diese Funktion in der Umgebung von a~ schlicht und hiermit gilt

(w(z) - al)"" = cl(z-ai) + c2(z-ai)2+ ...

Daraus folgt leicht

(1) w"(z)

w'(z)

~-1 n ---;- + g (z - a~) z - ai

(cl =!= 0) .

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312 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

mit einem regularen g(z- an. Analog verfahrt man mit den tibrigen Ecken. Entspricht dem Punkt z = 00 eine Ecke, etwa die Ecke As, so findet man leicht die Entwicklung (in der Umgebung von z = 00)

" (

- C1 c. w(z)-a)"'·=-+-+·· . 2 z z' ,

und somit die Differentialbeziehung

(2) w"{z) w'{z)

1+~ :rr; d.

z +z.-+ ... 1m FaIle, daB dem Punkt z = 00 keine Ecke von P entspricht, ist

w(z)=c +2-+~+ ... o z z' und mithin

w"{z) 2 d. (3) w' (z) = - z + z.- + ... Wir bilden jetzt die Funktion

(4) (z) - w"{z) E' otk - :rr; g - w' (z) - :rr; (z - ale) ,

wobei die Summation tiber alle endlichen ak zu erstrecken ist. Da nun w' (z) in jedem von ak verschiedenen Punkt von Null verschieden ist, hat g (z) im Endlichen lediglich hebbare Singularitaten und ist somit in E holomorph. Wegen

1 n 1 -}; (a.k-n) = -{(n-2) n-nn} =-2 :rr; 1 :rr;

hat g (z) in der Umgebung von z = 00 die Form

g(z) = :: + ...

und mithin muB sie nach dem Liouvilleschen Satz identisch verschwin­den. Aus

w"{z) _ E' otk -:rr; _ E' {3k - 1 w' (z) - :rr; (z - ale) - z - ai.

erhiiIt man leicht durch Integration

(5) w(z)=C1 (Z {ll'(C- ak)flk-l}dC+C2 Jzo mit zwei endlichen Konstanten Cl> C2 (C1 =l= 0).

Aufgabe: Man beweise: Istn > 4, so kanndieFunktionz = z(w) nicht eindeutig sein.

Gibt man w = w (z) durch die Gleichung

(6) w (z) = 100 C"'-1 (C - l)fl-1 dC (0 < a. + (3 < I)

Page 70: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

8. Die konforme Abbildung eines Polygons auf eine Halbebene 313

so stellt diese die Abbildung der Halbebene rm z > 0 auf ein Dreieck mit den Winkeln nIX, n{J und ny = n(I-IX- {J) dar. Setzt man IX, {J, y

rational und von der Form IX = ~ , {J = ~ , y = ~ mit m, n, p > 0 ganz

und m ~ n ~ p voraus, so sind offenbar lediglich die Hille

1.

2.

3.

4.

m=n=p=3, m = n = 4,p = 2,

m = 6, n = 3,p = 2,

m = 00, n = 2, P = 2

maglich. Der Leser mage als Aufgabe die Struktur der zu diesen Fallen zugehOrigen inversen (eindeutigen) Funktionen studieren.

Der Fall eines (im Endlichen liegenden) Rechtecks fuhrt zu der Funktion

(7)

Diese ist vom funktionentheoretischen Standpunkt aus zu der Funktion

(8) r d~ w(z) = Jo V(1 _ ~2) (1 _ k2~2) (0 < k < 1)

aquivalent (was man ohne weiteres einsieht, wenn man die z-Ebene einer geeigneten linearen Transformation unterwirft).

Das Integral (8) (elliptisches Integral erster Gattung) fuhrt direkt zur J acobischen Theorie der elliptischen Funktionen. Einen ausgezeichneten Uberblick daruber geben die Bucher von HURWITZ-COURANT und WHITTAKER-WATSON (insbesondere Kap.22, The Jacobian elliptic functions) .

Geht man vom Integral (7) aus, ohne dabei vorauszusetzen, daB ev e2, e3 und e4 Bildpunkte eines Rechtecks sind, so wird man auf die allgemeinen elliptischen Integrale

(9)

mit

(00 d~ w(z) = Jz VP(~)

P(C) = aoC4 + 4a1C3 + 6a2C2 + 4a3C + a4

gefUhrt. Hierbei darf ohne Einschrankung der Allgemeinheit angenom­men werden, daB P (C) keine mehrfachen Wurzeln hat. Auch fUr dieses Problem sei hier der Leser auf die beiden vorhin erwahnten Bucher hin­gewiesen.

Die Formel (5) (fUr n = 3) ist im Jahre 1864 von H. A. SCHWARZ [Ges. Math. Abhandl. 2, 65-83 (1890)J gegeben worden und unabhangig von ihm von CHRISTOFFEL [Annali di matematica, Ser. II, 1, 89 (1867)]. Sie heiBt oft die Schwarz-Christoffelsche Formel.

Page 71: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

o

314 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

9. Der Ahlforssche Verzerrungssatz. Es bedeute G ein einfach­zusammenhangendes Gebiet der komplexen Ebene, das die Punkte z = 0 und z = 00 als Randpunkte enthalt. Aus Vereinfachungsgrunden wird angenommen, daB die beiden Randteile FI , F2 des Randes von G, die von z = 0 zu dem Punkt z = 00 fUhren, aus hochstens abzahlbar vielen analytischen Randstucken bestehen, deren Ecken sich (fails es un end­lich viele gibt) nur im Unendlichen haufen. Man betrachte den Durch­schnitt von G mit der Peripherie JzJ = r. Dann gibt es einen Kreisbogen Sr von JzJ = r mit der Lange S (r) > 0 derart, daB Sr die Punkte z = 0 und z = 00 voneinander trennt. Man sieht leicht, daB unter den zugrunde gelegten Voraussetzungen (die stark abgeschwacht werden konnen) die Funktion S (r) in jedem endlichen r-Intervail, mit Ausnahme von hoch­stens endlich vielen Sprungsteilen, stetig ist. J etzt bilde man G mit Hilfe der Funktion w = w (z) derart auf die rechte w-Halbebene konform ab,

Abb.21

daB der Punkt z = 0 fest bleibt und der Punkt z = 00 in den Punkt w = 00 der w-Ebene kommt. Setzt man dann fur ein r> 0

p,(r) = Min {Jw(z)JJ z ESr}

und

M (r) = Max {Jw (z) J J z E Sr} ,

so lautet der Ahlforssche Verzerrungssatz:

1st 0 < r I < r 2 und r'dt

Jr, ~>2, so gilt

(1) /l(r2) r' dt log M(r1) ~ n Jr, ~-4n.

Wir bezeichnen nun mit Gr dasjenige Gebiet, das von dem Bogen Sr und den damn anschlieBenden Teilen von FI und F2 begrenzt wird (Abb. 21).

Man bilde mit Hilfe der Funktion 1; (z) das Gebiet Gr auf den Halb­kreis H

(2)

derart konform ab (Gr und H sind als einfachzusammenhangende Gebicte konform aquivalent), daB bei der stetigen Abbildung des Ran­des Fr von Gr auf den Rand von H die Punkte 1; = 0, 1; = - i und ?; = i dem Punkt z = 0 sowie den Endpunkten A und B von Sr entsprechen. Dann kann man mit Hilfe der Ahlforsschen Beweismethode zeigen:

Page 72: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

10. Kanonische konforme Abbildungen 315

IstO<[z[<yund

so gilt

(3)

MILLOUX [Sur les domaines de determination infinie des fonetions entieres, Acta Math. 61, 105-134 (1933)J hat mit Hilfe von (1) die Ab­sehatzung einer in Gr holomorphen Funktion w (z) gegeben, die den Be­dingungen

lim [w(z)[ ;;;;; M = M(r) z--+ ~

und lim [w(z)[ ;;;;; m (0 < m < M(r)) z--+ ~

fiir C E rr \sr geniigt. Man setze namlieh

f(C) = w(z(C))

Dann gilt naeh den Entwieklungen von 58.

log [f(C) [ ::::::~log~[C(z)[, m - n m

und somit fiir z E Gr (von einem ran) r dt

(4) log [w~z)[ ;;;;; clog M~r) e -" }zi 8(t)

mit c = ~ e4 ,.. Wie bereits erwahnt, hat AHLFORS [Untersuchungen zur n

Theorie der konformen Abbildung und der ganzen Funktionen, Acta Soc. Sci. Fennicae N. Ser. A, 1, Nr. 9 (1930)J mit Hilfe des Verzerrungs­satzes als erster die Denjoysche Vermutung bewiesen. Eine allgemeinere Formulierung und einen Beweis (unter allgemeineren Voraussetzungen) findet der Leser in der Ahlforsschen Abhandlung und in den Biichern von NEVANLINNA und BIEBERBACH.

10. Kanonische konforme Abbildungen. 1st das (besehrankte) Gebiet G nieht einfaehzusammenhangend, so muS man beim Problem der kon­formen Aquivalenz entweder auf die Eindeutigkeit der abbildenden Funktion oder auf die Abbildung auf den vollen Kreis [z[ < 1 verziehten. Beide Alternativen sind (unter gewissen Voraussetzungen) durehflihrbar und fiihren zu wesentliehen Ergebnissen.

Der Leser kann fiir zwei, allgemeinere wichtige Falle nichteindeutige Abbildungsfunktionen angeben:

1. Filr den Fall der in z = 0 und z = 00 punktierten Ebene und 2. Fiir den Fall der in z = 0, z = 1 und z = 00 punktierten Ebene.

Page 73: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

316 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

1m FaIle 1. ist die gesuchte Funktion der log z und im Faile 2. die in 69. konstruierte Funktion 'V (z).

Es sei jetzt G ein beschranktes Gebiet der komplexen Ebene, das (was keine Einschrankung der Allgemeinheit ist) den Punkt z = 0 enthalt. Dann kann man zeigen, daB es in G Funktionen w (z) gibt mit folgenden Eigenschaften:

1. J edes w (z) ist in einem festen Kreis Ko: [z[ < r 0 (Ko C G) holo­morph und Hings jedes Weges yin G fortsetzbar.

2. Sind y', y" zwei Wege in G, die den Punkt z = 0 mit den Punkten z', z" (z' =f= z") verbinden, so ist fUr die durch Fortsetzung langs y', y" erhaltenen Werte wy' (z'), wy" (z"): wy' (z') =f= wy" (z").

3. Ftir jeden Weg y von G gilt

[Wy(z)[ < 1.

4. 1st Wo ein Punkt von [wi < 1, so gibt es einen Punkt Zo E G und einen Weg Yo der z = 0 mit z = Zo verbindet derart, daB wYo (zo) = Wo gilt.

Wegen 2. ist Zo eindeutige Funktion von wo, falls Wo in [wi < 1 variiert. Man bestatigt leicht, daB die Funktion z = f(w) den Einheits­kreis [wi < 1 auf eine tiber G liegende einfachzusammenhangende Rie­mannsche Flache Goo (ohne relativen Rand tiber G) abbildet, die uni­verselle Dberlagerungsfiache von G. Der Leser findet in der Conformal Representation von CARATHEODORY den vollen Beweis der hier an­gefUhrten Ergebnisse, sowie den Nachweis, daB die Funktion z = f(w) in [wi < 1 automorph ist. Das hat wiederum zur Folge, daB die (linear polymorphe) Funktion w = w (z) beim Durchlaufen einer Klasse ge­schlossener homotoper Wege eine lineare Transformation erleidet. Hat man eine zweite Funktion f (w) in [wi < 1, die aus der Inversion einer Funktion w (z) mit den Eigenschaften 1. bis 4. hervorgeht, so liefert die Gleichung f(w) = few) (w = w(z), W = w(z)) eine nichteuklidische Be­wegung von [wi < 1.

Wir wenden uns jetzt ausfUhrlicher der Aufgabe zu, ein Gebiet von endlichem Zusammenhang r > 1 auf ein Normalgebiet ein-eindeutig und konform abzubilden. Dabei wird angenommen, daB G beschrankt ist und daB r = G\G aus r punktfremden einfach geschlossenen Kurven Yl' Y2"'" Yr mit einer stetig variierenden Tangente besteht. Dabei wird die Numerierung so vorgenommen, daB Yr aIle tibrigen Kurven einschlieBt. Ferner ist es bei der Bildung der Summe y = Yl + ... + Yr zweckmaBig, die Orientierung von Yr positiv und die Orientierungen von Yl' Y2' ... , Yr-l negativ zunehmen.

Nun kann man mit Hilfe der Entwicklungen von 67. zeigen: 1. Die Greensche Funktion g(C, z) von Ghat eine stetige Ableitung

nach der inneren Normale n in jedem Punkt von r.

Page 74: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

10. Kanonische konforme Abbildungen 317

2. Die Funktion a (C, z) = g (C, z) + ih (C, z) (wobei h (C, z) die zu g(C, z) konjugiert harmonische Funktion in bezug auf C darstellt) hat die "Residuen"

(1) 2n i Wle (z) = - r da = - i r dh = - i r ~~ ds jYk jYk jYk uS

= i r -:-g(1;, z) ds jYk un

J edes Wk (z) stellt dann das harmonische MaD von Yle dar. Mit Hilfe der Wk (z) kann man wieder die Funktionen Wle (z) = Wk (z) + ihle (z) (wobei hie (z) die zu Wle (z) konjugiert harmonische Funktion ist) bilden und die Gleichungen

(2) I 1 1 d ~ OWk d ~ OWk d Ie I = --;- Wle = - -,,- s = - WI -,,- S l Yl Yl un Y un

gewinnen. Da (wegen (25.6))

(3) _r W oWkds= r(OWk OWl + OWk OWI)dxd jy I on jG ox ox oy oy y

gilt, SO ist stets Inl = l11c' Man setze jetzt

(4)

und bilde die GroDe

(5)

r

w(z) =}; iXleWle(Z) 1

(iXle reell)

Die GroDe I verschwindet dann und nur dann, wenn W (z) = C = Kon­stante ist. LaJ3t man nun z gegen YTc konvergieren, so erhalt man iXle = C. Da andererseits WI (z) + ... + W T (z) = 1 ist, so kann I dann und nur dann verschwinden, wenn aIle iXk zueinander gleich sind. Wahlt man in (5) iXT = 0, so kann offenbar die quadratische Form

(6) 7-1

II = }; likiXi iXle i,k=l

dann und nur dann verschwinden, wenn aIle iXi(i = 1,2, ... , r- I) gleich Null werden. Somit ist II positiv definit und die Matrix (file) (i, k = 1,2, ... , r - 1) hat eine inverse Matrix (file) (i, k = 1,2, ... . . . , r - I). Man setze jetzt Aile = 2 nlik und

1st dann

so ist die Funktion

r-1

tti (z) = }; A ik wdz) . 1

r-1

w(z, C) =}; Uk (C) Wle(Z) , 1

fo(z, C) = a(z, C) + w(z, C)

Page 75: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

318 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

wegen

und

eindeutig in G. Die eindeutige Funktion

(7) f(z, C) = e-fo(Z,C)

ist nun in G dem Betrag nach kleiner als Eins und hat in z = C eine ein­fache Nullstelle. Andererseits ist

{ -Uk (C) I k < r 1

lim If(z, C)I = e Z->-Yk 1 I k = r

und somit kann man leicht schlieBen, daB f(z, C) das Gebiet G auf ein (Normal-)Gebiet Kr abbildet, das man aus dem Einheitskreis lal < 1 erhalt, wenn man diesen langs r - 1 konzentrischen Bogen aufschlitzt, die auf den Peripherien lakl = e-Uk(C) (k = 1, ... , r - 1) liegen. Der Leser kann durch Betrachtung des Integrals

J (a) - ."_1_ r l' (z, ~) dz 2 - 2ni Jy f(z,~) - a

zeigen, daB f(z, C) jeden Wert a aus dem so aufgeschlitzten Kreis genau einmal annimmt.

Somit ist folgender Satz von KOEBE [Abhandlungen zur Theorie der konformen Abbildung, IV, Acta Math. 41, 305-344 (1918)J bewiesen worden:

J edes beschriinkte Gebiet G, dessen Rand aus r einfach geschlossenen K urven (mit einer stetig variierenden Tangente) besteht, liif3t sich einein­deutig und konform auf ein Normalgebiet Kr so abbilden, daf3 ein beliebig vorgegebener Punkt C von G in den Nullpunkt kommt.

LaBt man in (7) den zusatzlichen Teil w (z, C) weg und setzt man

f(z, C) = e-a(Z,C) ,

so erhalt man (auf anderem Wege) die eingangs dieser Nummer gemach­ten Entwicklungen.

Der interessierte Leser findet in dem umfassenden Artikel von M. SCHIFFER (COURANT, Dirichlets Principle, Conformal Mapping, and

1 Das folgt leicht aus der Tatsache, daB aile Hauptunterdeterminanten von lJ;kl positiv sind.

2 Bei allen hier auftretenden Randintegrationen k6nnen die Integrationswege durch stiickweise analytische Kurven in hinreichender N1lhe des betreffenden Randstiickes ersetzt werden

Page 76: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

12. Eine Ungleichung von OSTROWSKI-NEVANLINNA 319

Minimal Surfaces) eine weitere Entwicklung der hier kurz angefuhrlen Tatsachen sowie eine WeiterfUhrung der Ansatze und einen VorstoB zu wichtigen Teilen der modern en Funktionentheorie.

11. CARATHEODORYS Verscharfung des grofien Picardschen Satzes. CARATHEODORY hat [Compt. rend. Acad. Sci. Paris 154, 1690-1693 (1912)J fur den allgemeinen Satz von PICARD eine Vertiefung gegeben, die derjenigen von LANDAU fur den speziellen Picardschen Satz ent­spricht.

Sein Satz lautet:

I. 1st w (z) in 0 < JzJ < 1 eindeutig regular und gilt dart w (z) =\= 0, 1, so gibt es zu jedem Paar (a, (J) (0 < a < (J) eine Zahl (j = (j (a, (J) (0 < (j < 1) derart, dafJ in 0 < JzJ < (j entweder Jw(z)J > a oder Jw(z)J < {J gilt.

Genauer kann man zeigen:

II. 1st w (z) in e(j < JzJ < 1 mit einem jrsten e1, 0 ~ e < (j, eindeutig regular und dart =\= 0, 1, so gilt in e < JzJ < (j entweder Jw (z) J > a oder Jw(z)J < {J.

Aus dem Caratheodoryschen Satz folgt insbesondere der Picardsche Satz dadurch, daB mit Rucksicht auf den Casorati-WeierstraBschen Satz der Punkt z = 0 fUr w (z) hachstens ein Pol sein kann.

Einen elementaren Beweis des Satzes II findet der Leser in der Note von LANDAU [Uber die Caratheodorysche Verscharfung des groBen Picardschen Satzes, Math. Z. 30, 208-210 (1929) und Nachtrag dazuJ.

12. Eine Ungleichung von OSTROWSKI-NEVANLINNA. Es sei G ein be­schranktes Gebiet der komplexen Ebene, dessen Rand r man sich in n nichtausgeartete Kontinua rv r2, ••• , rn zerlegt denken mage, die, zu zweit genommen hachstens zwei Punkte gemeinsam haben. Man nehme an, daB man fUr jedes k das harmonische MaB w (z, r k , G) von r k kon­struieren kann.

Es bedeute nun w (z) eine in G eindeutige regulare Funktion mit der Eigenschaft

( 1) lim Jw(z)J ~ Mk (t: E r k , k = 1, 2, ... , n) , z->-C

sofern t: kein gemeinsamer Punkt von zwei oder mehreren r£ ist. Ist dann w (z) beschrankt in G, so ist offenbar

n

W (z) =}; w(z, rk , G) log Mk 1

1 CARATHEODORY bewies den Satz II mit e2 statt G(I sowie ex; = ~ und fJ = 2. 2

Er teilte jedoch brieflich LANDAU (5. 6. 1912) mit, daB sich 0 < oc < fJ fast ebenso erledigen HiBt. Die Verscharfung e2 -7 Ge geht auf OSTROWSKI [jber. dlsch. Math.­Ver. 34, 103 (1926)J zuriick.

Page 77: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

320 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

eine harmonische Majorante von log /w (z)i. Beachtet man noch, daB 11,

E W (z, rk , G) = 1 ist, so erhiilt man 1

11,-1 M (2) log /w(z)/ ;;;, E w(z, r k , G) log Mk + log Mn

1 n

und somit auch

(3) 11,-1 (M )W(Z r Gj

/w(z)/ ;;;, Mn If M: 'k'.

Man vgl. dariiber die Arbeit von F. und R. NEVANLINNA (Uber die Eigen­schaften anaIytischer Funktionen in der Umgebung einer singularen Stelle oder Linie, Acta Soc. Sci. Fennicae 50, Nr. 5, 1922), sowie die be­reits erwahnte Arbeit von A. OSTROWSKI in den Acta Litt. ac. Scient. Univ. Hung. 1, 80-87 (1923).

13. Das Normalitatskriterium von CARATHEODORY und LANDAU. Nimmt keine der in einem festen Gebiet G der komplexen Ebene regularen eindeutigen analytischen F unktionen w (z) der F amitie

(1) S = {w / w E S}

zwei (endliche) Werte, etwa Null und Eins, an, so ist S normal in G. Sind die Funktionen w (z) in G meromorph, so kann man behaupten, daft Seine normale Famitie bildet, sofern kein w drei feste voneinander ver­schiedene Werte a, b, c der vollen komplexen Ebene annimmt. Das ist der Inhalt des beriihmten Normalitatskriteriums, das CARATH.EODORY und LANDAU im Jahre 1911 (Sitzber. preuss. Akad. Wiss. Physik.-math. Kl. 1911) bewiesen haben. Nachfolgender Beweis, bei dem (ohne Einschran­kung der Allgemeinheit) a = 0, b = 1, c = 00 vorausgesetzt wird, diirfte der einfachste sein. Es sei bei festem z E G

S(z) = sup {/w(z)// w E S}

gesetzt. Dann ist S (z) entweder stets gleich unendlich oder es gibt einen Punkt Zo E G derart, daB S (zo) = M 0 < + 00 ist. In diesem FaIle gibt

es eine endliche Konstante Ml = Ml (zo, M 0) derart, daB in /z _ zo/ < r (~o) (2) /w(z)/ ;;;, Ml (w E S)

gilt. Da man nun jede kompakte Teilmenge von G durch endlich viele

Kreise K k : /z - Ck / ;;;, r ~k) (k = 1, 2, ... , N) derart iiberdecken kann,

daB Ck-l (k = 2, ... , N) in Kk liegt, so gibt es eine endliche Konstante M derart, daB in der betreffenden kompakten Menge

Iw(z)/ ;;;, M (w E S)

gilt. Das fiihrt uns aber zu den Voraussetzungen des klassischen Vitali­schen Satzes. Somit kann man aus S entweder eine Folge (wn) (n= 1,2, ... )

Page 78: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

15. Nochmals der Satz von JULIA 321

auswahlen derart, daB Iwnl gegen Unendlich konvergiert, oder es gibt eine Teilfolge (un), die gegen eine in G eindeutige analytische Funktion w(z) (und zwar gleichmaBig in jeder kompakten Teilmenge von G) konver­giert. Das beweist das Normalitatskriterium von CARATHEODORY und LANDAU.

14. Der Montelsche Beweis des Picardschen Satzes. Nimmt die in

(1) M;;;;;; Izl <00 (M>O)

eindeutige reguliire Funktion w(z) dort die Werte 0,1 nicht an, so ist die F unktionenfamilie

in (2)

wn(z) = w(3nz)

r:M;;;;;; Izl;;;;;; 3M

(n = 1, 2, ... )

normal. Daraus folgt, daB eine Teilfolge {wnk} (k = 1,2, ... ) existieren muB, die in (3) M < Izl < 3M

entweder gegen eine reguHire Funktion Wo (z) konvergiert oder gegen die komplexe Zahl z = 00. 1m ersten FaIle ist

sup {Iwnk(z) I I Izl = 2M, k = 1,2, ... } = D

endlich. Daraus wiirde aber folgen, daB w (z) auf Izl = 2 . 3n -1 M (n = 1, 2, ... ) dem Betrag nach kleiner oder gleich D ist, was (falls z = 00 eine wesentliche Singularitat ist) dem WeierstraBschen Satz widerspricht. Liegt der zweite Fall vor, so geniigt es, die (ebenfalls in

(2) regularen eindeutigen) Funktionen __ 1(_)_ zu betrachten. Der hier Wnk Z

gegebene Beweis des Picardschen Satzes geht auf PAUL MONTEL (man vgl. etwa Le<;ons sur les familles normales des fonctions analytiques et leurs applications, Paris 1927) zuruck.

15. Nochmals der Satz von JULIA. Wir erinnem an die Definition der normalen Familien von meromorphen Funktionen: Die Familie

(1) 5 = {w I wE S}

der in G meromorphen Funktionen ist normal in G, wenn jede unendliche Teilmenge von 5 eine entweder gegen die Konstante z = 00 oder gegen eine in G meromorphe Funktion konvergente, abziihlbare Folge enthiilt. Man nehme nun an, w (z) sei in (2) Mo;;;;;; Izl < + 00

meromorph und besitze einen asymptotischen Wert a. Danach existiert ein Weg (3) r = {z I z = Z(T), 1 ;;;;;; T < + oo}

Dinghas, Funktionentheorie 21

Page 79: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

322 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

mit Z1 = z(I) in (2) und (4) lim w(z(o') = a

Wir betrachten die Kurve r von 60. und bilden die Familie

(5) 5 = {wdz) I wt(z) = w(zcr(t)}

mit 0 ~ t < + 00, wobei wir noch Icr(O)1 > Mo annehmen. Es sei

(a (E).

(6) M1 ~ Izl ~ M2 (Mo < M1 < M2 < + 00) .

Dann wird behauptet: 5 ist nieht normal in (6). Man nehme an,S sei in (6) normal, und betrachte eine Folge (Wtn (z»

(t1 < t2 < ... , lim tn = 00) , die dort etwa gegen die Funktion Wo (z) n-+oo

(wobei hier auch die Konstante Woo zugelassen wird) konvergieren moge. Wir zeigen, daB Wo (z) = a sein muB. Es sei in der Tat

K M : Izi = M (M1< M< M 2)

eine feste Peripherie in (6). Dann gibt es mit Rucksicht auf (4) eine Folge (Cn) auf K M mit der Eigenschaft lim Wtn (Cn) = a. Es sei Co ein Haufungs­punkt der Folge (Cn)' Dann gilt, wie man leicht sieht, Wo (Co) = a, und somit muB (da M in (6) willkurlich genommen werden dart) Wo (z)= a sein. Daraus wiirde aber leieht folgen, daB fur aile Punkte z des Kreisringes (6)

lim Iw(zcr(t»1 = lal 1-+00

gelten muB, was dem Casorati-WeierstraBschen Satz widersprieht. 1st nun (Wtn) in (6) nicht normal, so gibt es (mit Rucksicht auf den

Heine-Borelschen Uberdeckungssatz) zu jedem hinreichend kleinen lh > 0 mindestens eine Kreisscheibe K.]: Iz - z11 ~ 81 mit Z1 in (6) derart, daB (wen) in K" nieht normal ist. Man betrachte jetzt die Kreise

setze K;: = {C I C = zcr(tn), z E K.,},

1'1

K"' = U K"' 1 n

und bezeiehne mit A die Menge del' komplexen Zahlen, die von der Funktion W (z) in K" hochstens endlieh oft angenommen werden. Diese Menge kann (mit Rucksicht auf das Normalitatskriterium von CARA­THEODORY und LANDAU) hochstens zwei voneinander verschiedene Punkte a, b enthalten. Wiederholt man diese Konstruktion fur die Elemente einer (eigentlich monotonen) Nullfolge (en) (n = 1,2, ... ), so erhalt man eine Folge von Kreisscheiben

K.,,: Iz- znl ~ 8n (n = 1,2, ... )

mit Zn in (6) sowie eine Folge (K·n) mit der Eigenschaft, daB W (z) in jedem K'n hochstens zwei Werte an' bn (an =l= bn) nieht unendlich oft annimmt.

Page 80: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

15. Nochmals der Satz von JULIA 323

Es sei nun Zo ein Haufungspunkt der Folge (znJ. Man betrachte die Kurve zoa(t) und gebe ein (hinreichend kleines) 13 > 0 VOL Dann nimmt w (z) in

Iz- zoa(t)1 ~ sla(tJI (0 ~ t < + 00)

jeden (endlichen oder unendlichen) komplexen Wert mit hochstens zwei Ausnahmen unendlich oft an. Das ist der allgemeine Juliasche Satz. Wie bereits erwahnt, hat OSTROWSKI [Math. Z. 24, 215 (1926JJ allgemeine Bedingungen daftir gegeben, daB der Juliasche Satz nicht gilt und somit w (z) eine Ausnahmefunktion im Juliaschen Sinne ist.

Geht man bei den vorigen Uberlegungen von einer Halbgeraden durch den Nullpunkt aus, so kann man unter den selben Voraussetzungen zeigen, daB w (z) mindestens eine Juliasche Richtung J (auch Juliasche Gerade genannt) besitzt mit der Eigenschaft, daB w (z) in jedem symmetrisch zu J gelegenen Winkelraum (von beliebig kleiner Offnung) jeden Wert mit h6chstens zwei Ausnahmen unendlich oft annimmt.

LEHTO [The spherical derivative of meromorphic functions in the neighbourhood of an isolated singularity, Comm. Helvetici 33, 196 (1959)J hat die Zusammenhange von 73. vertieft und gezeigt: 1st h(r) eine beliebig e stetig e F unktion mit lim h (r) I r < + 00 und gilt

mit

f---> 00

lim {h(lzIJ a(w)} = 00

Izl---+oo

[w'(zl[ a(w) = 1 + [W(Zl[2 ,

so gibt es eine (von 13 unabhangige) Kreisfolge

(n = 1,2, ... ) 00

mit der Eigenschaft, dafJ w (z) in fedem der Gebiete U Cnk(k = 1,2, ... ) alle k=l

Werte a mit hOchstens zwei A ~tsnahmen annimmt. Fur die GroBe a (w) hat LEHTO ferner gezeigt, daB diese der Ungleichung

- 1 (7) lim {Izl a(w)} ~ 2

Izl---+oo

genugt. 1st w (z) in der Umgebung der (endlichen) Stelle a meromorph und ist a eine wesentliche Singularitat fur w (z), so gilt anstelle von (7) die Ungleichung

(8) - 1 lim {Iz - al a(w)} ~"2'

Izl---+oo

Wie LEHTO an dem Beispiel

w (z) = if z - a - an n=l z - a + an

zeigt, kann die rechte Seite von (8) durch keine gr6Bere Zahl ersetzt werden.

21*

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324 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

16. Das Problem der Randerzuordnung. Sind G und G' zwei kon­formaquivalente beschrankte Gebiete, deren Rander zwei einfach geschlossene Jordansche Kurven r bzw. r' sind, so k6nnen die Punkte von r und r' ein-eindeutig und stetig aufeinander bezogen werden. Dieser Sachverhalt wurde von VV-. F. OSGOOD im Jahre 1900 vermutet und von CARATHEODORY bewiesen. Die ausftihrliche Darstellung des Caratheodoryschen Beweises (dessen Hauptzuge in der Karlsruher Naturforscher-Versammlung im Jahre 1911 vorgetragen wurden) findet der Leser in seiner groBangelegten Abhandlung; Uber die gegen­seitige Beziehung der Rander bei der konformen Abbildung des Inneren einer Jordanschen Kurve auf einen Kreis [Math. Ann. 73, 305-320 (1913), Ges. Math. Abhandl. 4, 3-22 (1956)]. Fast gleichzeitig mit dieser Caratheodoryschen Arbeit bringt die gemeinsame Arbeit von OSGOOD und E. H. TAYLOR [Conformal transformation on the boundaries of their regions of definitions, Trans. Am. Math. Soc. 14,277 (1913)J einen Beweis der Osgoodschen Vermutung (und einer Reihe von Os goods chen Satzen aus dem Jahre 1903) mit rein potentialtheoretischen Hilfsmitteln. Kurze Beweise des Osgood-Caratheodoryschen Satzes findet der interes­sierte Leser in der Note von CARATHEODORY; Zur Randerzuordnung bei konformer Abbildung (Nachr. Ges. Wiss. Gottingen. Math.-physik. Kl. 1913, S. 509-518) und in dem bereits zitierten Vortrag von LINDELOF, wo auch die Verdienste KOEBES gewurdigt werden. Eine zusammenhan­gende Theorie des ganzen Fragenkomplexes der Randerzuordnung, we1che als Zugang zu einer Reihe klassischer (wie z. B. von IVERSEN und GROSS) und modemer Arbeiten (etwa die Arbeiten von COLLINGWOOD und CARTWRIGHT) dienen kann, findet der Studierende in dem zweiten Band der Caratheodoryschen Funktionentheorie.

Zum SchluB sei noch nachfolgender auf FEJER (Uber die Konvergenz der Potenzreihe an der Konvergenzgrenze in Fallen der konformen Ab­bildung auf die schlichte Ebene, SCHWARZS Festschrift, S. 42-53) zuruck­gehender Satz ohne Beweis angeftihrt; Wird durch die fur Izl < 1 kon­vergente Reihe

w = w(z) = ao+ a1z + a2 z2 + '" das Innere des Einheitskreises Izl = 1 auf ein beschriinktes Gebiet G, dessen Begrenzung r eine (einfach geschlossene) J ordansche K urve ist, konform abgebildet, so ist die Reihe (1) ao+ a1ei 1?+ a2 e2i 1?+ .••

im I ntervall 0 ~ {} < 2]1; gleichmiifJig konvergent und somit dort stetig. Daraus folgt, dafJ die Funktion

(2) w(ei 1?) = lim w(rei 1?) rp

dureh die Reihe (1) darstellbar ist. Zieht man hier den beruhmten Jordan­schen Satz heran, wonach jede einfach geschlossene J ordansche K urve y

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18. Das Uniformisierungsproblem 325

die komplexe Ebene in zwei Gebiete zerlegt und sie somit als Begrenzung eines beschriinkten, einfach zusammenhiingenden Gebietes aufgefapt werden kann (einen schonen Beweis findet der Leser in dem Buch von P. ALEXAN­DROFF, Combinatorial Topology, Graylock Press, Rochester, N. Y. 1956), so weist dieser Fejersche Satz (unter Heranziehung des Osgood-Cara­tModoryschen Satzes) auf die Moglichkeit hin, die Koordinaten eines Punktes von r durch zwei (gleichmaBig konvergente) konjugierte Fourier-Reihen, namlich durch den Real- bzw. Imaginarteil von (1), darzustellen.

17. Ein Satz von PICARD. E. PICARD (Traite d'Analyse Bd. II, Paris, Gauthier-Villars, 1905, S.309) hat den Satz fiber die Rander­zuordnung in gewissem Sinne umgekehrt, indem er aus der ein-eindeuti­gen stetigen Zuordnung der Rander und der Regularitat einer Abbildung von G auf G' auf die Konformitat schlieBt. Genauer formuliert lautet das Picardsche Resultat:

Es sei G einfach zusammenhiingend, r = G\G eine Jordansche Kurve und w (z) eine Funktion von z, die in G U r stetig und in G analytisch ist. Bildet dann w (z) den Rand r ein-eindeutig und stetig auf eine einfach ge­schlossene (] ordansche) Kurve F' der w-Ebene ab, so bildet w (z) das Gebiet G auf das von r' berandete Gebiet G' konform abo

Man kann das Picardsche Ergebnis auch so zum Ausdruck bringen: Die Funktion w(z), welche die Rander rbzw. r' ein-eindeutig und stetig aufeinander abbildet und in G eindeutig regular ist, ist in G schlicht.

Folgender kurzer Beweis von CARATHEODORY und RADEMACHER LOber die Eindeutigkeit im Kleinen und im GroBen stetiger Abbildungen von Gebieten, Arch. Math. Phys. (3),26, 1-9 (1917)] sei hier gegeben: Man betrachte die beschrankte und abgeschlossene Punktmenge w(G). Da jedem inneren Punkt von G (also jedem Punkt von G) ein innerer Punkt von w(G) entsprechen muB, besteht die Begrenzung von w(G) aus lauter Punkten, die auf F' liegen. Andererseits kann w (G) keine Teil­menge von r' sein, da diese keine inneren Punkte besitzt. Nun gibt es nur eine einzige beschrankte und abgeschlossene Punktmenge, die keine Teilmenge von r' ist, und deren Begrenzung in r' enthalten ist. Das ist der Bereich G'. Hieraus folgt leicht die Behauptung. Einen mehr funktionentheoretischen Beweis gibt PICARD.

18. Das Uniformisierungsproblem. Das Problem der Uniformisierung einer Riemannschen Flache entwickelte sich aus dem Bestreben heraus, eine gegebene analytische Funktion W (z) nicht nur lokal in einer Para­meterform im Sinne der Entwicklungen von 41. darzusteIlen, sondern ihren Verlauf durch eine einheitliche Darstellung z = g(t), w = h(t) mit Hilfe eines in einem Gebiet Gt der schlichten (komplexen) t-Ebene variierenden (uniformisierenden) Parameters t anzugeben. Dabei sollen noch die Funktionen g (t) und h (t) meromorph sein, ffir aIle t E Gt die

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326 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

Gleichung h(t) = w(g(t) fUr jedes (w I G) E W(z) identisch erfiillen und durch Elimination von tin Gt aus den Elementepaaren rationalen Cha­rakters der beiden Funktionen g (t) und h (t) aile Elemente algebraischen Charakters, also aile Stellen des analytischen Gebildes von W (z) liefern.

Die Idee, daB man jedes analytische Gebilde mit einem Parameter t uniformisieren kann, der sich an jeder Stelle als lokaler uniformisieren­der Parameter eignet, faBte zuerst POINCARE im Jahre 1883 [Sur un theoreme de la theorie generale des fonctions, Bull. soc. math. France 11, 112-125 (1883) J, nachdem KLEIN vorher den algebraischen Fall in Be­tracht gezogen hatte. Der mehr oder weniger vollstandige Beweis dieses grundlegenden Satzes konnte aber erst im Jahre 1907 erbracht werden, und zwar gleichzeitig von POINCARE [Sur l'uniformisation des fonctions analytiques, Acta Math. 31, 1-64 (1908)J und KOEBE (Uber die Uni­formisierung beliebiger analytischer Kurven, Gottinger N achr. 1907, S. 197-210)1.

Das Uniformisierungsproblem, wie dies zu Anfang gestellt wurde, ist zunachst auf mehr als eine Art 16sbar. So kann man z. B. das analytische Gebilde von Z2+ w2 = 1 sowohl durch den Ansatz

( 2t 1-t2 )

(1) 3 = "T+t","T+t" ' wie auch durch den Ansatz (2) 3 = (sin t, cos t) ,

wobei t in der komplexen t-Ebene variiert, uniformisieren. Verlangt man aber, daB der uniformisierende Parameter nicht bloB die Riemann­sche Flache F der gegebenen Funktion uniformisiert, sondern noch alle Funktionen der Riemannschen Flachen, die als unverzweigte Uberlage­rungsflachen von F aufgefaBt werden k6nnen, so gibt es im wesentlichen nD[ eine L6sung. Die auf diese Weise erweiterte Aufgabe fUhrt die Uni­formisierung von W (z) auf die Uniformisierung der (einfach zusammen­hangenden) universellen UberlagerungsfHi.che P von F zuriick. Der Leser hat in 42. und 69. die einfachsten (nichttrivialen) universellen Uber­lagerungsflachen kennengelernt, namlich die universellen Uberlagerungs­flachen der in z = 0 und z = 00 bzw. z = 0, z = 1 und z = 00 punktierten komplexen Ebene. Bei der Uniformisierung der Modulflache wurde prak­tisch so vorgegangen, daB diese in den unendlich vielen kongruenten schlicht en Blattern durch die beiden Schlitze von z = 00 bis z = 0 langs der negativen reellen Achse und von z = 1 bis z = 00 langs der positiven reellen Achse "zerschnitten" wurde und jedes dieser Blatter auf ein geeignetes Kreisbogendreieck des Einheitskreises ein-eindeutig und kon­form abgebildet wurde. Entsprechend wurde beim Fall der logarithmischen Flache verfahren.

1 Die Poincaresche Arbeit wurde im Marz 1907 gedruckt, die Koebesche Arbeit im Mai 1907 vorgelegt.

Page 84: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

18. Das Uniformisierungsproblem 327

Der Ronstruktion der universeilen UberlagerungsfHiche von F schicken wir folgende Definitionen voraus:

Def. Zwei Kantenzuge IX und IX', die beide von einem Funkt a zu einem Funkt b von F fuhren, heifJen kombinatoriseh ineinander deformierbar (homotop) , wenn man IX dureh finite Anwendttng der beiden folgenden Sehritte in IX' uberfuhren kann:

1. Ersetzen einer Dreieekskante dureh die naeheinander zu durch­laufenden beiden ubrigen Kanten und

2. H inzufugung oder Weglassung einer in beiden Riehtungen zu dureh­laufenden Kante.

Bei festem a und gegebenem b bilden aile homotopen Polygonztige eine sog. Wegeklasse{(a, bn. Wegeklassen von der Form {(a, bn und{(b, en k6nnen addiert werden (Produkt von Wegeklassen!). Die Gesamtheit aller geschlossenen Polygonztige, die durch einen festen Punkt gehen, kann (ahnlich wie beim Fall eines Gebietes der z-Ebene) in Homotopie­klassen eingeteilt werden, die dann als Elemente einer Gruppe aufgefaBt werden k6nnen.

Def. Gibt es zu beliebig gegebenen a und b nur eine Wegeklasse, so heifJt F einfaeh zusammenhangend.

Man kann ohne weiteres zeigen daB diese Eigenschaft von F von der Wahl des Punktes a unabhiingig ist.

Die Ronstruktion der universellen Uberlagerungsflache F von F kann nun folgendermaBen durchgeftihrt werden:

Man wahle einen (festen) Punkt 0 von Fund tiberlagere jedes Dreieck

LI von F mit ebenso vielen (kongruenten) Dreiecken i wie es Wegeklassen gibt, die 0 mit einer Ecke von LI verbinden. (Man zeigt leicht, daB die Anzahl der Wegeklassen unabhangig von der Wahl der Ecke ist.) Sind LI und L1' zwei benachbarte Dreiecke von F, die langs einer die Ecken a und b verbindenden Rante y aneinanderstoBen, und ist beide Male die­selbe Wegeklasse{(o,an (oder{(o,b)}) zugeordnet, so soilen auch die ent­sprechenden (dartiber liegenden) Dreiecke der Uberlagerungsfiache langs dieser Rante zusammengeheftet werden.

Die so konstruierte Flache F (universeller Uberlagerungskomplex) hat folgende wichtige Eigenschaften:

1. Fist (relativ zu F) unverzweigt. 2. F tiberlagert jede Uberlagerungsflache von F. 3. Fist einfach zusammenhangend. Die Eigenschaft 1. ist eine unmittelbare Folgerung der Definition.

Denn jede Ecke von F liegt tiber einer Ecke von F, und somit kann F nur Verzweigungsstellen haben, die tiber Ecken von F liegen. Zum Beweis von 3. verfahre man so: Es sei <i ein Punkt von F (definiert durch IX = (oa)) und fJ ein Weg, der vom Punkt a zu dem Punkt b ftihrt. Dann

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328 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

gibt es einen (und nur einen) von a ausgehenden Weg P auf F mit dem Grundweg fJ (Projektion von P aufF!). Es sei 6 der Endpunkt von fJ, und es sei y ein zweiter Weg, der von d zu dem Punkt 6 fiihrt. Dann bestimmt der Weg IXI' (d. h. das nacheinander-Durchlaufen der Wege (00) und 1') den Punkt 6 genau wie der Weg IXfJ. Daraus folgt aber leicht (durch Kombination mit dem entgegengesetzt durchlaufenen Weg IX), daB fJ homotop zu I' ist. Da nun alle elementaren kombinatorischen Schritte, durch die I' in fJ iibediihrt wird, auf l' vedolgt werden diiden, so folgt daraus, daB P und y homotop sind. Das hat wieder zur Folge (da d sowie fJ und I' beliebig waren), daB F einfach zusammenhangend ist.

Auf den Beweis der Eigenschaft 2., von der im folgenden kein Ge­brauch gemacht wird, wird hier nicht eingegangen. Der interessierte Leser findet einen solchen in dem Buch von SEIFERT und THRELFALL (Lehrbuch der Topologie) sowie in dem Buch von KEREKJART6 (Vor­lesungen iiber Topologie).

Die universelle Uberlagerungsfiache fl einer Riemannschen Flache R ist natiirlich wieder eine Riemannsche Flache. Denn bei hinreichend feiner Unterteilung von R kann jedes Dreieck LI innerhalb einer Um­gebung 0 angenommen werden und (mit Hilfe des Ortsparameters) konform auf ein schlichtes Gebiet der komplexen Ebene abgebildet wer­den. Somit konnen aber gleichzeitig (durch die Verwendung der Grund­abbildung) auch alle iiber Llliegenden Dreiecke J von fl abgebildet werden.

Def. Eine in einem Gebiet G von R definierte komplexwertige Funktion soll dort regular bzw. holomorph heifJen, wenn sie in der Umgebung jedes Punktes 0 von G in bezug auf die jeweilige lokale Uniformisierende z regular ist.

Ahnlich definiert man eine regulare harmonische Funktion auf G. Bildet eine komplexe Funktion w das Gebiet G ein-eindeutig auf ein Gebiet der w-Ebene ab, so sagen wir kurz, dafJ w eine konforme Abbildung von G auf die komplexe Ebene vermittelt.

Der Hauptsatz der Uniformisierungstheorie lautet nun: Auf jeder universellen tJberlagerungsflache fl gibt es eine F unktion

t = t(d), welche diese konform entweder aUf die volle t-Ebene (elliptischer Fall), oder aUf die endliche Ebene (parabolischer Fall), oder auf das Innere des Einheitskreises der komplexen Ebene (hyperbolischer Fall) abbildet.

Dieser Satz wird oft aIs "Grenzkreistheorem" bezeichnet. Dies hangt damit zusammen, daB die Funktionen, welche die Abbildung vermitteln, im hyperbolischen FaIle als Funktionen von t die Einheitsperipherie aIs natiirliche Grenze haben. (A utomorphe Funktionen mit Grenzkreis!)

Wie hangt nun der Uniformierungssatz mit der (eindeutigen Para­meterdarstellung von w und z) Aufgabe von POINCARE-KLEIN zusammen ? Es sei W die Riemannsche Flache der analytischen Funktion W (z). Wir schreiben 0 fur die Punkte von W (statt 0 = (z, w) (w = w (z») und

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18. Das Uniformisierungsproblem 329

~ fur die Punkte der universellen Uberlagerungsflache W von W. Es bezeichne K t (je nach dem eintretenden Fall) die volle t-Ebene, oder die offene t-Ebene oder den Kreis It I < 1 und t = t (~) die konforme Abbildung von W auf K t. Diese Relation geht, durch den Spurpunkt z und 3 aus­gedriickt (und jeder so1che Punkt, in dessen Umgebung w (z) meromorph ist, gehOrt dazu), in eine analytische Funktion t = t(z) uber, die im all­gemeinen nicht eindeutig ist. Dagegen ist deren Um!.<ehrungsfunktion

z = z (t) (mit Rucksicht darauf, daB zwei Punkte von W mit verschiede­nen Spurpunkten verschiedenen t entsprechen) in K t stets eindeutig, und kann dort hOchsten Pole haben. Da nun noch w(z(t)) in K t ein­deutig ist und dort ebenfalls hOchstens Pole haben kann, gestattet die Uniformisierung von W eine eindeutige Darstellung von 0 durch den Parameter t. Wie der Leser sieht, werden durch die Uniformisierung von

W mit Walle unverzweigten Uberlagerungsflachen tv von W uniformisiert.

Die Heranziehung der universellen Uberlagerungsflache W, mit deren Hilfe man nicht nur w(z), sondern auch aIle Funktionen uniformisiert, die lokal durch t uniformisiert werden (d. h. aIle relativ zu W unver­zweigten Flachen), geht auf eine Idee von SCHWARZ (man vgl. z. B. den Brief von F. KLEIN an POINCARE vom 14. Mai 1882, KLEIN, Ges. Math. Abhandl. 3, Berlin, Verlag Julius Springer, S.616) zuruck und bildet die Grundlage einer der von POINCARE verwendeten Methoden.

Als letzte Aufgabe dieser langeren Nummer bleibt jetzt nur noch ein Hinweis darauf, wie man zu der Abbildung t = t(d) kommt. Das ge­schieht durch AusschOpfung von R durch Flachenstucke

Fn= Lll+ ... + LIn (n = 1,2, ... )

und konforme Abbildung von F n auf einen Kreis Kn: It I < r n' etwa durch die Gleichung tn = fn (a) 1. Diese sukzessiven Uniformisierungen bilden mehr oder weniger die Grundlagen aller Uniformisierungsbeweise. VAN DER W AERDEN, dessen Arbeit Topologie und Uniformisierung der Riemannschen Flachen (Leipz. Ber. 93, S. 147-160) hier zugrunde gelegt wurde, hat durch nachfolgenden Satz die Beweisanordnung des Uniformierungssatzes neu gestaltet und bewiesen:

1st F eine einfach zusammenhiingende, offene Fliiche, so kann man stets die (unendlich vielen) Dreiecke LI k von F so numerieren, dafJ jedes F n von einem einzigen Polygonzug rn berandet ist.

1 Bei FHichenstiicken (Summe von endlich vielen Dreiecken) faUt die Bedin­gung. daB jede Kante genau zwei Dreiecken angehoren muB, weg. Die Gesamtheit der "freien Kanten" bildet dann dessen Rand Tn. Eigentlich handelt es sich hier um die konforme Abbildung des durch Tn begrenzten offenen Flachenstiickes. Der Leser findet in der Note von CARATHEODORV: Bemerkung tiber die Definition der Riemannschen Flachen [Mathem. Zeitschr. 52. 103-108 (1950)] wertvolle Einzelheiten tiber die mogliche Wahl der Rander der einzelnen Dreiecke.

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330 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

19. Durchfiihrung des Uniformisierungsbeweises. Mit Hilfe dieses Satzes von VAN DER WAERDEN und eines Kunstgriffes von CARATHEODORY (Elementarer Beweis fUr den Fundamentalsatz der konformen Ab­bildungen, SCHWARZ' Festschrift, S. 36) kann man jetzt die Existenz der durch den Uniformisierungssatz behaupteten Abbildung F -+ K t

fur den Fall einer offenen FHiche F leicht nachweisen (die Behandlung des Falles einer kompakten Flache1 kann der Leser am besten in der Originalabhandlung von VAN DER WAERDEN nachlesen).

Man bezeichne bei festem n ~ 1 das van der Waerdensche Gebiet F n

durch Fund das Dreieck Lln+l durch LI und nehme an, daB man F derart topologisch auf die Kreisscheibe It I < 1 abbilden kann, daB t = t (0) als Funktion des Ortsparameters 1; in der Umgebung des betreffenden Punktes schlicht ist. Dann soli gezeigt werden, daB derselbe Sachverhalt auch fur F + LI gilt. Da der Beweis (unter Zugrundelegung des van der Waerdenschen Satzes) unabhangig davon verHiuft, ob LI mit F eine oder zwei Seiten gemeinsam hat, soli im folgenden angenommen werden, daB LI mit F eine Kante, etwa die Kante y, gemeinsam hat und in einer kreishomoomorphen Umgebung 0 liegt. Wir bilden F auf die Kreis­scheibe K der t-Ebene ab (Abb.22) und beachten, daB das (einfach zu-

sammenhiingende) Gebiet G = T (0) das BUd D des Dreiecks LI enthalt. Neben der topologischen Zuordnung der Seiten y, y' der Bilder cP von

1 Kompakt (oder geschlossen) nennt man eine Flache F, wenn sie aus endlich vielen Dreiecken besteht, wobei jede Kante genau zwei (benachbarten Dreiecken angehiirt. Die Uniformisierung einer solchen Flache wird nach einem Kunstgriff von CARATHEODORY durch Entfernung eines inneren Punktes eines ihrer Dreiecke realisiert (wodurch F in eine offene Flache umgewandelt wird.)

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19. Durchfiihrung des Uniformisierungsbeweises 331

P-und D von Ll gibt es eine (Jordansche) Kurve IX', die mit dem Rand von DauBer A', B' keine weiteren Punkte gemeinsam hat, und zwar so, daB das von y' und IX' begrenzte Gebiet T' noch in G liegt. Der von IX'

und y' begrenzte Lappen, des sen Anbringung an y' auf eine Idee von CARATHEODORY zUrUckgeht, wird jetzt helfen, die Verschmelzung von P und Ll durchzuflihren. Wir bilden D + T' auf den Einheitskreis kon­form ab (Abb.22, Mitte unten) und nehmen an (was stets durch die Wahl von IX' zu erreichen ist), daB man die Punkte A' und B' durch einen Kreisbogen f3' verbinden kann, der mit dem Bogen A' IX' B' einen Winkel

;n (n ~ 0 ganz) bildet. Es sei f3 das Bild von f3' in W. Wir bilden das

von f3 und dem Kreisbogen AM B begrenzte Gebiet auf einen Kreis ab (Abb. 23), spiegeln das von IX und f3 begrenzte Gebiet an der Peripherie

!1 #'

Abb.23

(Abb. 24) und bilden das durch die Spiegelung erweiterte Gebiet A M B iX' erneut auf einen Kreis ab (Abb. 24, unten Mitte). Wiederholt man dieses Verfahren n-mal, so erhiilt man die (eineindeutige) Abbildung des Kreises

!1

If

8 Abb.24

J( .7l: Zll 2"

Page 89: Vorlesungen über Funktionentheorie || Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

332 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

K' auf das von der Kurve IX und dem Kreisbogen AN B begrenzte Gebiet des Kreises K (Abb. 25). Somit ist gezeigt worden, daB man die Kreisscheibe K' schlicht auf das von der Kurve IX und dem Kreisbogen AN B be­grenzte Gebiet des Kreises K abbilden kann. Zugleich wird dadurch auch die gesuchte (schlichte) Abbildung von F + ,1 auf die Kreisscheibe K bewerkstelligt. Denn bei der SchluBabbildung (n-fache Wiederholung der Spiegelung und Ubergang von K' zur Kreisscheibe K) gehen die Punkte der von den Kurven IX, y und IX', y' (Abb.22 obenfbegrenzten Gebiete T und T' , welche durch eine schlichte Funktion t = h(C)1 (C E T', t E T) miteinander verbunden sind, in denselben Punkt des von IX und y begrenzten Gebietes von K fiber. Somit liefert das hier geschilderte Ver-

A A'

¢ f1 N'

« tV ee'

K K'

B Abb.25

fahren die Abbildung der Gebiete F" (n = 1, 2, ... ) auf die Kreisscheiben Kn(n = 1,2, ... ) der t-Ebene. Die Radien rn dieser Kreisscheiben kon­nen eindeutig bestimmt werden, wenn man einen festen Punkt 0 in ,11 wahlt und verlangt, daB die Abbildungsfunktionen In (a) durch die Be­dingungen

In (0) = O,f~(o) = 1

normiert werden, wobei unter I~ die Ableitung nach dem Ortsparameter verstanden wird. 1st diese Normiemng vorgenommen, so zeigt man leicht, daB die Folge (rn) monoton ist (und somit r = lim rn existiert), und daB die Grenzfunktion n ...... oo

I(a) = limln (a) n-+oo

(als Funktion des jeweiligen Ortsparameters) schlicht ist. Der Nachweis der Konvergenz der Folge Un (a» wird nach ahnlichen

Prinzipien durchgeffihrt wie beim klassischen Beweis des Riemannschen Abbildungssatzes. Ausflihrlich dargestellt findet man ihn z. B. in dem Buch von BIEBERBACH (Funktionentheorie II) und in der Arbeit von VAN DER WAERDEN.

1 Das ist eine Folge der (direkt) konformen Nachbarrelationen von T(O) und der entsprechenden Abbildung der Umgebung des an y grenzenden Dreiecks von F. Der Ortsparameter dieser Umgebung ist offenbar eine schlichte Funktion von t, sofern tin der N1ihe von y (innerhalb der Kreisscheibe) bleibt.

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20. Das alternierende Verfahren von SCHWARZ 333

Die hier gegebene kurze Skizze der Uniformisierungstheorie bedarf in vielen Punkten einer Erganzung. Insbesondere fehlt noch der Beweis des Satzes tiber die (stetige) Randerzuordnung von Gebieten, die von einer (einfach geschlossenen) Jordanschen Kurve begrenzt sind. Der Leser findet eine Reihe von grundlegenden Bemerkungen, die diesen und andere Punkte der Theorie betreffen, in der Note von CARATHEODORY, Bemerkung tiber die Definition der Riemannschen Flachen, Math. Z. 52, 703-708 (1950) (Ges. Werke Bd.4, S. 125). Die Idee der Anbringung des Lappens T' (Abb.22) an die Seite y' (Caratheodoryscher Lappen!) ist wesentlich und gestattet die Verschmelzung der zwei benachbarten Gebiete ohne Verwendung von komplizierten Verfahren (also nur mit Rilfe des Riemannschen Satzes) durchzuftihren 1.

Wesentlich breitere Darstellungen der Uniformisierung nach der Methode von KOEBE-CARATHEODORy-VAN DER WAERDEN gibt das Buch von BEHNKE und SOMMER.

BIEBERBACHS Uniformisierungsmethode eines analytischen Gebildes (dargestellt im zweiten Band seiner Funktionentheorie) verwendet die Aussch6pfung der Riemannschen Flache des Gebildes durch Flachen­stticke, die man durch Verschmelzung von endlich vielen (abgeschlosse­nen) Kreisscheiben (in denen die entsprechenden Potenzreihen konver­gieren) erhalten kann. Sehr niitzlich (und zum Teil die Poincan~schen Resultate vermittelnd) ist ftir den Leser das Buch Conformal Represen­tation von CARATHEODORY. Die allgemeinsten und ausfiihrlichsten Dar­stellungen der Uniformisierung geben neb en BIEBERBACH die Mono­graphien von WEYL, PFLUGER, NEVANLINNA und G. SPRINGER. Einen kurzen (bisher nicht in einem Lehrbuch aufgenommenen) Beweis der Uniformisierung einfach zusammenhangender Riemannscher Flachen gab noch M. REINS [Ann. Math. 50, 686-690 (1949)]. Rier wird irgend­welche Aussch6pfung von F zugrunde gelegt und die Triangulation explizit nicht verwendet. WITTICHS Ergebnisbericht (Neuere Unter­suchungen tiber eindeutige analytische Funktionen, Springer-Verlag 1955) sowie NEVANLINNAS Monographien bringen den Leser mit einer Reihe von wichtigen, zum Teil unge16sten Problemen in Bertihrung.

20. Das alternierende Verfahren von SCHWARZ. Ein allgemeines, mit der Verschmelzung zweier Gebiete Gv G2 der komplexen Ebene zusammen­hangendes Verfahren ist das (bertihmte) alternierende Verfahren von SCHWARZ, das neb en dem in 67. entwickelten Perronschen Verfahren eine der grundlegenden Methoden zur L6sung des Dirichletschen

1 CARATHEODORY hebt in seiner Arbeit (loc. cit. S. 37) ausdriicklich hervor, daB durch sein Verfahren auch jedes (endlichbHittrige und im Endlichen liegende) Riemannsche FHi.chenstiick auf einen Kreis abgebildet werden kann.

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334 VIII. Geometrische Funktionentheorie. Konforme Abbildung

Problems (durch sukzessive AusschOpfung des betreffenden Gebietes) darstellt. Der Einfachheit halber beschranken wir uns auf folgenden Fall:

Gegeben sind zwei (beschriinkte) Gebiete GI , G2 der komplexen Ebene mit den Riindern rl , r2• Wir nehmen an, dafJ GI n G2 = G =l= 0 ist und dafJ rl n r2 aus endlich vielen Punkten besteht (Das ist z. B. bei konvexen GI , G2 stets der Fall). Ferner nehmen wir an, dafJ fur GI und G2 das Dirichletsche Problem mit den (reeUen, beschriinkten und bis auf endlich viele Punkte stetigen) Funktionenfl (C) (C E rl) undf2 (C) (C E r2) losbar sei. Dann kann gezeigt werden, dafJ dies auch fur das Gebiet GI U G2 der Fall ist. Man setze in der Tat CXI = r l \rl n G2, CX2 = r 2 \r2 n GI und y = r l n r 2• Ferner setze man fh = r l n G2, (J2 = r 2 n GI und r = CXI U CX2 U y. 1st dann f(C) (C E r) reellwertig, beschrankt und bis auf endlich viele Punkte stetig auf r, so konstruiere man die Folgen (un (z)) (z E GI ) und (vn (z)) (z E G2) mit Uo (z) == 0 und

fur n = 1, 2, ...

(1)

Wir behaupten: 1. Die Grenzwerte

und

u _ {f ICE CXI

n+1 - Vn ICE {JI

v ={f ICEcx2

n un ICE {J2

u (z) = lim Un (z) n .... oo

v (z) = lim Vn (z)

existieren und stellen in GI bzw. G2 reguliire harmonische Funktionen dar. 2. Es gilt

(2) u (z) = v (z) (z E G) • 3. Die Funktion

(3) U (z) = { u (z) I z E GI

v(z) I z E G2

lost das Dirichletsche Problem fur GI U G2•

Zum Beweis von 1. nehme man an (was keine Einschrankung der Allgemeinheit bedeutet), daB f;?; 0 ist und bilde die harmonischen Funktionen

(n = 1,2, ... ) .

Dann sind die Folgen (Pn) und (qn) (n = 1,2, ... ) wegen Vo ;?; 0 monoton wachsend, und somit existieren (mit Rucksicht auf die gleichmaBige Be­schranktheit der Folgen (un) und (vn) und auf das Harnacksche Prinzip) die Grenzwerle (1) und stellen in GI bzw. G2 regulare harmonische Funk­tionen dar. Die Gleichung (2) folgt durchAnwendung des Maximumprinzi ps

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21. Der transfinite Durchmesser einer Punktmenge 335

auf die Funktionen WI (z) = U (z) -v (z) (z E G) und w2 (z) = - WI (z). Ent­sprechend beweist man (3).

Die Methode des alternierenden Verfahrens liefert ohne weiteres die Losung des (allgemeinen) Dirichletschen Problems (und insbesondere die Konstruktion der Greenschen Funktion) fur ein Gebiet G der komplexen Ebene.

Zunachst die Formulierung des allgemeinen Dirichletschen Problems (nach LEBESGUE und WIENER) :

Es sei f(C) (C E T) eine auf r = a\G definierte, reelle, stetige Funktion von C. Ferner sei F (z) eine auf a definierte reelle, stetige Funktion derart, dafJ F(C) = f(C) gilt. Wir betrachten eine Folge (Gn) (n = 1,2, ... ) von Gebieten, die G ausschopfen, wobei jedesmal an in G liegt, und setzen voraus, dafJ fur jedes Gn das Dirichletsche Problem mit den Randwerten F (C) (C Ern = an \Gn) losbar sei, etwa durch die Funktion Un (z). Dann konvergiert (un (z)) (n = 1,2, ... ) in jeder kompakten Teilmenge von G gegen eine harmonische F ttnktion u (z). Diese (in ganz G) definierte harmonische F unk­tion heif3t dann die Losung des verallgemeinerten Dirichletschen Problems.

Der Beweis kann durch Ausschopfung von G durch Gebiete gefuhrt werden, die jedesmal eine Vereinigung von endlich vielen abgeschlosse­nen Kreisscheiben sind. Da fUr jede Kreisscheibe das Dirichletsche Prin­zip durch das Poissonsche Integral explizit gelost wird, liefert die Methode des alternierenden Verfahrens ohne Schwierigkeit die Losung des all­gemeinen Dirichletschen Problems. Was man mit dieser (geeignet ver­allgemeinerten) Schwarzschen Methode noch beweisen kann (etwa die gesamte Uniformisierung abstrakter Riemannscher Flachen), erfahrt der Leser aus dem Buch von NEVANLINNA uber Uniformisierung.

21. Der transfinite Durchmesser einer Punktmenge. Es sei K eine beschrankte abgeschlossene Punktmenge der komplexen Ebene. Man bilde bei gegebenem n die GroBen

(1) rn(z, K) = Max{V1z- zkl-~ I zV' '" zn EK}'

(2) rn (K) = Min {rn (z, K) I z E K} und

(3) dn (K) = Max {(~IZi - zkl) (~) I Zv .• " Zn E K} . Dann existieren die Grenzwerte

(4) r (K) = lim r n (K) n----*oo

und (5) d (K) = lim dn (K)

n----*oo

und sind einander gleich.

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336 IX. Verhalten in der Umgebung einer wesentlichen Singularitat

Die GroBe d(K) heiBt nach FEKETE [Math. Z. 17,228-249 (1923)J der transfinite Durchmesser von M. FEKETE und SZEGO [Math. Z. 21, 203-208 (1924)J haben folgenden Zusammenhang zwischen der GroBe d (K) und der Greenschen Funktion entdeckt:

Es sei T eine beliebige beschrankte abgeschlossene Punktmenge der kom­plexen Ebene und G diejenige (zusammenhiingende) Komponente von E\T, die den Punkt z = 00 enthiilt. Dann ist d (T) = e-Y (r). Die Grope y (T) (die Robinsche Konstante genannt) ist definitionsgemap gleich lim {g(z, oo)-log [z[}, wobei g (z, 00) die Greensche Funktion des Gebietes G,

Izl-+oo genommen in bezug auf z = 00, bedeutet.

Der Zusammenhang zwischen der Kapazitatsfunktion und dem transfiniten Durchmesser d (T) ist insofern von Bedeutung, als man sowohl die Greensche Funktion als auch die Evans-Selbergsche Kapazi­tatsfunktion durch Betrachtungen konstruieren kann, we1che die GroBe d (T) bzw. r (T) verwenden. Man vgl. hierzu neben der erwahnten Arbeit von SZEGO noch die Arbeit von EVANS (Potentials and positively infinite singularities of harmonic functions, Monatsh. Math. Physik 41, 419-424 (1934)J. Auch NEVANLINNAs Eindeutige analytische Funktionen geben einen Uberblick tiber diesen wichtigen Teil der modernen Funktionen­theorie.

Neuntes Kapitel

Eindeutige analytische Funktionen in der Umgebung einer wesentlichen isolierten Singularitat

75. Die Wachstumscharakteristik einer meromorphen Funktion. 1st w(z) in [z[ < R (R ~ + 00) meromorph und a eine endliche oder unend­liche komplexe Zahl, so solI, wie bisher, n (r, a) (0 ~ r < R) die Anzahl der Nullstellen von w (z) - a in [z[ ~ r unter Berticksichtigung ihrer Vielfachheit darstellen1 .

Setzt man flir ein endliches a

A = n(O, a) -n(O, 00), so ist die Funktion

(75.1) g(z) = (w(z) -a) (~r in der Umgebung von z = ° regular und von Null verschieden, und somit gilt die (Jensensche Formel) Gleichung

1 r'" log [g(O)[ = zn Jo log [w (rei b) - a[ d{}-N (r, a) + N (r, 00)

1 1m folgenden wird n (r, 00) flir n (r, zoo) geschrieben. Ferner wird bei gegebenem a stets w (z) $ a vorausgesetzt.