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W Berufsbi Idung dauert ein Leben Das Berufs- und We iterb i I d u n g s ko nze pt des S G INFO-PARTNER Schriftenreihe des Schweizerischen Gewerkschafi lang B :sbundes

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Berufsbi Idung dauert ein Leben

Das Berufs- und We i terb i I d u n g s ko nze pt des S G

INFO-PARTNER

Schriftenreihe des Schweizerischen Gewerkschafi

lang

B

:sbundes

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Berufsbi Idung dauert ein Leben lang

Das Berufs- und - Weiterbildungskonzept des SG B

1 Ausgabe 1989

Bubenberg Druck- und Verlags-AG ISBN 3-906 257-24-2

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In ha Itsverzeic h n is

. . Vorwort

1. Teil: Die berufliche Grundausbildung

Einleitung

1. 2. 3.

4.

4 1 4 2

4 3

4 3 1 4 3 2 4 3 3 4 4 4 4 1 4 4 2 4 4 3 4 4 4

4 4 5 4 4 6 4 4 7

4 4 9 4 4 1 0 4 4.1 1 4 4 1 2 5.

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Stellenwert bildungspolitischer Forderungen . Veränderungen in der Arbeitswelt. . . Bildungspolitischer Hintergrund der Veränderungen - Merkmale der Berufsbildung in der Schweiz Forderungen für eine umfassende Berufsbildungs- reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hauptforderung Eine breite Grundausbildung Eine kontinuierliche Berufsbildungsforschung als Voraus- setzung Eine ausgewogene Verteilung zwischen Berufsschule, uberbetrieblichen Lehrgangen und betrieblicher Ausbildung . Funktion der uberbetrieblichen Ausbildung . . . . . Funktion der Berufsschule Funktion der betrieblichen Ausbildung Weitere Forderungen .

Der erste Einfuhrungskurs als Einstieg in den Beruf Bildung von Lerngruppen Koordination Betrieb ~ Schule - uberbetriebliche Lehrgange

Einfuhrung von Zwischenprufungen . . .

(Einfuhrungskurse) . . Vermehrte Ausbildung der Ausbildner . . . . I nformatikunterricht Ausbau der Allgemeinbildung Neue Regelung der rechtlichen Situation Bessere Kontrolle der Ausbildung . Of fen ere Aus b i Id u ng sreg lemen te Neue finanzielle Basis . . Verbesserung der Anlehre. Schlussbemerkung

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2.Teil: Die berufliche Weiterbildung . . . . . . . . 20 1. 2. 3.

4. 5. 5 1 5 2 5 3 5 4 5 5 5 6 5 7 5 8 6. 6.1

_.-- 6 2 6 3 6 4 6 5 6.6 7 .

- Weiterbildung für alle . . . < 20 Wie kann man Weiterbildung unterscheiden? . . 21 Bedürfnisse und Erwartungen an die Weiterbildung heute . . . . . 24 Zielvorgaben aus Arbeitnehmersicht: Grobforderungen 2 5 Zielorientierte Weiterbildungsmassnahmen . . . 26 Vertiefung 26 Nachholen . . . . . 27 Anpassen . . 29 Umschulung 29 Aufbau von Zusatzqualifikation . 30 Berufswechsel aus Eigeninteresse . . 31 Aufstiegcorientierte Hoherqualifizierung . . . 32 Vermehrung soziokultureller Qualifikationen 32 Andere Massnahmen . . 33 Probleme der Abgrenzung . . . . . 33 Unfallverhutung. neue Werkstoffe, Umweltschutz 33 Beratung und Forschung . . . 33 Zert if i kate . . . . . 33 Fragen der Motivation , . . . . 34 Finanzen . . . 35 Wie sollen die Gewerkschaften mit diesem Konzept umgehen? . . . . 35

3.Teil: Berufsbildung für Frauen . . 37 1. Die berufliche Grundausbildung von Frauen. . . . 37 2. Massnahmen, um die starre Rollenteilung aufzu-

brechen . . . _ . . 40

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Vorwort

Berufliche Bildung entscheidet wesentlich daruber. welchen Platz ein Mensch in der Arbeitswelt und in der Gesellschaft einnimmt Der SGB und die ihm angeschlossenen Gewerkschaften haben sich deshalb seit jeher prioritar mit beruflicher Grund- und Weiterbildung auseinandergesetzt ~ sei dies theore- tisch im Entwurf neuer Konzeptionen, sei dies als praktische Anbieterorganisa- tionen 1985 stellte der SGB sein neues Leitbild zur beruflichen Grundausbildung vor Dieses entspricht dem 1 Teil des vorliegenden Gesamtkonzeptes Die darin erhobenen Forderungen haben nichts von ihrer Aktualitat eingebusst Die letzten vier Jahre zeigten aber deutlich auf, dass es nicht genugen kann, nur die berufliche Grundausbildung zu revidieren Unbestritten bleibt, dass die berufliche Grundausbildung vermehrt auf Schlusselqualifikationen zielen und deshalb vermehrt berufsfeldspezifisch erfolgen muss In einer Zeit aber, in der der technologische Wandel ungestum die Berufswirklichkeit verandert, drangt sich eine Fortsetzung Richtung Weiterbildung geradezu auf Diese Lucke soll hier mit dem 2 Teil geschlossen werden Der SGB legt deshalb heute ein Leitbild zu einer beruflichen Bildung vor, die nicht mit einem Diplomabschluss beendet ist, sondern ein Leben lang dauern soll Im 1 Teil geht es darum, die berufliche Grundausbildung den Zeiterfordernis- sen anzupassen Die berufliche Grundausbildung muss eine solide Bildung fur eine nach der Lehrabschlussprufung anzutretende Berufsarbeit und gleich- zeitig Grundlage zu beruflicher Mobilitat sein Zentraler Begriff einer berufli- chen Erstausbildung. die beiden Postulaten gerecht werden soll, ist derjenige des Berufsfeldes In der Zusammenlegung von Berufen zu Berufsfeldern und damit in einem Lernen, das wenigstens zeitweise Basiskompetenz gegenuber spezialisierter Anwendung den Vorrang gibt, entdecken wir den Schlusse1 zu den Toren einer erneuerten beruflichen Grundausbildung Dass wir dabei in den Einfuhrungskursen den optimalen Lernort sehen, der es am ehesten er- laubt, berufsfeldspezifisches Wissen aufzubauen, hat damit zu tun, dass wir die berufliche Grundsausbildung auf der Grundlage des bestehenden Systems entwickeln mochten Der Prozess des Umbaus und der Erweiterung der Ein- fuhrungskurse wird ungleichzeitig und quantitativ nicht in allen Branchen gleich verlaufen Dies leuchtet jedem ein. der berufliche Erstausbildung nicht nur am Reissbrett entwickeln wi l l U ber Weiterbildung wird viel geredet und geschrieben Seit Jahrzehnten for- dern Experten und Expertinnen aus der ganzen Welt unter dem Stichwort ((Education permanente)) eine fur alle zugangliche Weiterbildung Im 2 Teil des hier vorliegenden Gesamtkonzeptes versucht der SGB darzulegen, welche Massnahmen ergriffen werden mussen, damit die Durststrecke zwischen ver- balen Forderungen und Wirklichkeit uberwunden wird Der SGB kann dabei

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kein Wunderkonzept vorlegen, das ein- und fur allemal gultig die Frage beant- wortet, wer was wann w o wie lange und unter welchen Umstanden an Weiter- bildung zugute hat. Aber er formuliert allgemeine Grundsatze, die ihre prakti- sche Wirksamkeit in der von ihm und in der von den ihm angeschlossenen Gewerkschaften betriebenen Weiterbildungspolitik zu erweisen haben An prominentester Stelle steht dabei die Forderung, dass Weiterbildung der Hu- manisierung der Arbeit zu dienen hat und deshalb immer auch an einem sozialen Ideal von Chancengleichheit und Gerechtigkeit gemessen werden muss. Weiterbildung bedeutet dem SGB deshalb viel mehr als bloss Lucken im Kaderbereich zu schliessen Sie ist ein Mittel, damit der einzelne und die einzelne Entfaltungsmoglichkeiten in der Arbeit optimal nutzen konnen Mit Bedacht haben wir im vorangehenden Satz vom «einzelnen» und von «der einzelnen)) gesprochen Alle unsere Forderungen beziehen sich immer auf Frauen und Manner Dass die in der Verfassung verankerte Gleichheit der Geschlechter in der beruflichen Aus- und Weiterbildung aber noch nicht gelebte Wirklichkeit ist. belegt bereits ein schneller Blick auf die Berufsbil- dungsstatistiken In einem 3 Teil wird deshalb darauf hingewiesen, dass es spezielle Massnahmen fur Manner und Frauen braucht, wenn dem Postulat der Chancengleichheit in der beruflichen Bildungspolitik nachgelebt werden soll Dass da Anderungen rechtlicher und reglementarischer Voraussetzungen nicht genugen, sondern die Tiefe des geschlechtlichen Verhaltens ausgeleuchtet werden muss, wird zweifellos das Ergreifen praktischer Massnahmen er- schweren So erstaunt es denn nicht, dass berufliche Forderung von Frauen weit fruher beginnen muss als beim Versuch, mehr Madchen fur gewerblich- industrielle Lehren zu gewinnen, und gleichzeitig weit daruber hinausweisen muss Ausgefeiltere Vorschlage zu dieser Problematik wird ebenfalls die SG 6- Frauenkommission vorlegen Vielen durfte das vorliegende Konzept sauer aufstossen die Gewerkschaften forderten wieder auf einmal so viele Veranderungen Dass vieles verandert werden muss, wenn berufliche Bildung unseren Vorschlagen zufolge ausge- baut werden soll, stimmt Nur die Veranderungen, die nach Anderungen in der beruflichen Bildung rufen, vollzieht die Wirtschaft Wenn wir uns dabei mit unseren Vorschlagen nicht immer sklavisch an diese Richtung des Schemas Ursache-Wirkung halten, dann deshalb, weil wir in der beruflichen Bildung mehr sehen als bloss das materielle Ruckgrat von Marktbedurfnissen Legitim muss dies sein dass die Berufsbildung auch ein Mittel ist, Berufswirklichkeit zu verandern

Ewald Ackermann

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1. Teil: Die berufliche Grundausbildung

Einleitung

Der vorliegende 1 Teil enthalt weitgehende Reformen zur Berufsbildung. welche allerdings auf bestehenden Strukturen aufbauen Er legt sich deshalb nicht auf ein einziges. allgemeingultiges Modell fest In einer kurzen Analyse halten wir zunachst die wichtigsten quantitativen und qualitativen Veranderungen in der Arbeitswelt fest Als Antwort auf die ge- stiegenen Mobilitatsanforderungen entwickeln wir danach adaquate Vor- schlage Unser Hauptziel ist es dabei, das an sich unbestrittene Postulat einer breiteren beruflichen und allgemeinen Grundausbildung zu konkretisieren, einerseits bezuglich der Ausbildungsinhalte, anderseits bezuglich der inctitu- tionellen und organisatorischen Rahmenbedingungen Die daraus abgeleiteten Forderungen sind Elemente fur ein neues Berufsbildungskonzept, sie bilden eine in sich geschlossene Einheit Dieser Konzeptteil ist von der Jugendkornmission des Schweizerischen Ge- werkschaftsbundes (SGB) erarbeitet und danach mit zahlreichen Fachleuten aus dem Bereich der Berufsbildung diskutiert und vertieft worden Der Vor- stand SGB hat ihn an seiner Sitzung vom 29 Mai 1985 verabschiedet und einer leicht modifizierten Version am 22 Februar 1989 zugestimmt

1. Stellenwert bildungspolitischer Forderungen

Je langer je weniger lasst sich die Bildungspolitik losgelost von den okonomi- schen Voraussetzungen betrachten Gerade die berufliche Bildung steht in einem engen Abhangigkeitsverhaltnis zu den Interessen, Rahmenbedingcingen und konkreten Anforderungen in der Arbeitswelt Was nutzt die beste Ausbil- dung, wenn danach kein angemessener Arbeitsplatz zur Verfugung steht? So bewirkt die Einfuhrung von neuen Technologien oft stark standardisierte Pro- dukte und Arbeitsablaufe. Vielfalt und Differenzierung gehen verloren oder werden doch wesentlich eingeschrankt Dies wiederum beeinflusst Tatigkeits- bilder und berufliche Qualifikationsanforderungen Zudem leistet die Mi- kroelektronik in vielen Fallen einer Verstarkung der irinerbetrieblichen Hierar- chien, einer Zentralisierung der Entscheidungsablaufe und einer verscharften Arbeitsteilung Vorschub Die Grenzen einer jeden Bildungspolitik sind also recht eng gesteckt Trotzdem ware es falsch, diese in einem mechanischen Abhangigkeitsverhaltnis zu den Arbeitsverhaltnissen zu beurteilen Bildungspolitische Reformen allein bewir- ken zwar in der Arbeitswelt noch keine Veranderungen. wohl aber die qualitati- ven Voraussetzungen fur neue, menschengerechte Formen der Arbeitsorgani- cation Gut ausgebildete Arbeitnehmer wehren sich auch eher gegen monoto- ne und unterfordernde Tatigkeiten

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2. Veränderungen in der Arbeitswelt

Irn Laufe der letzten Jahren haben sich in der Arbeitswelt spurbare quantitative und qualitative Veranderungen vollzogen Dies ist in erster Linie - wenn auch nicht ausschliesslich - eine Folge der Neuen Technologien, welche fast jeden Berufszweig erfassen Es handelt sich um technische Innovationen. welche sich nicht bloss auf Grossbetriebe beschranken Nehmen wir die Mikroelek- tronik Der andauernde Preiszerfall bei Steuerungen und ganz allgemein die verhaltnismassig niedrigen Investitionskosten erlauben es auch Klein- und Mittelbetrieben. ihre Produktion weitgehend umzustellen Dies ist fur die schweizerische Volkswirtschaft bedeutsam Der Entwicklungsprozess verlauft zwar je nach Betriebsgrosse, Wirtschafts- zweig und Region unterschiedlich schnell, doch haben, gesamthaft gesehen, deutliche quantitative Verschiebungen unter den einzelnen Lehrberufen statt- gefunden Wahrend in Branchen, welche von der Mikroelektronik stark beruhrt worden sind. verschiedene traditionelle Lehrberufe zahlenmassig zuruckge- gangen sind, war in den fruhen achtziger Jahren gleichzeitig eine teilweise sprunghafte Zunahme der Lehrverhaltnisse im Nahrungsmittelsektor, im Gast- gewerbe oder etwa auch bei den Verkaufsberufen festzustellen Die Mikroelektronik lasst an sich verschiedene Entwicklungsmoglichkeiten offen Es ist moglich, durch die Softwaregestaltung und bestimmte Formen der Arbeitsorganisation rechtzeitig menschengerechte Bedingungen zu schaffen So ist es beispielsweise wesentlich. ob die Programmierung in der Werkstatt oder im Buro stattfindet Die Arbeit kann also monoton, geisttotend, isolierend oder aber interessant, kreativ, uberschaubar werden Entscheidend ist, ob neben rein betriebsokonomischen U berlegungen das berufliche Qualifika- tionsniveau gleichwertig gewichtet wird oder nicht Dies wiederum ist abhan- gig von der jeweiligen Verfugungsgewalt uber den technischen Fortschritt Wenn aber eine qualifikationsfordernde Entwicklung moglich ist, so muss die herufliche Ausbildung die Grundlagen dazu bieten Unsere Aufgabe ist es, mit entsprechenden Ausbildungsinhalten und -methoden zu reagieren Angesprochen sind also auch die qualitativen Auswirkungen der Mikroelek- tronik In verschiedenen Untersuchungen ist bereits erwahnt worden, dass das Erfahrungswissen, die eingeubfen Fertigkeiten und sensitiven Fahigkeiten des traditionellen Facharbeiters an Bedeutung verlieren, hingegen abstrakte, pro- zessunabhangige Qualifikationen wie das Denken in Modellen und Algorhith- men (Algorhithmus = Abfolge von Tatigkeiten, Handlungsablauf), die Fahig- keit zu planen und Prozesse zu steuern immer wichtiger werden Unter ((pro- zessunabhangigen Qualifikationen)) verstehen w/r also Kenntnisse und Fahig- keiten. welche nicht an einen bestimmten Beruf gebunden, sondern berufs- ubergreifend sind Der Maschinenmechaniker benotigt sie ebenso wie der Schriftsetzer, der Laborant ebenso wie der Bauzeichner usw Betroffen sind nicht nur Hilfsfunktionen, sondern in gleichem Ausmass auch hochqualifizierte Tatigkeiten. Wenn wir verhindern wollen, dass in Zukunft wenigen Speziali- sten zahlreiche halbqualifizierte Arbeitnehmer gegenuberstehen, so mussen wir die neu entstandenen Qualifikationsanforderungen in die Berufsbildung miteinbeziehen, ohne grundlegende traditionelle Fertigkeiten uber Bord zu werfen Notwendig ist ein neuer Typus des Facharbeiters, der neben prakt i -

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schem vermehrt auch theoretisches Wissen mitbringt und dieses auch anwen- den sowie den jeweiligen Erfordernissen anpassen kann (Siehe Kapitel 4 1 (( H a u p t f o rd e r u n g E in e breit e G ru n d a us b i Id u n g D ) Es ware nun jedoch zumindest einseitig. bloss auf Veranderungen zu reagieren. welche durch die Mikroelektronik hervorgerufen werden Auch in zahlreichen andern Berufen sind die Anforderungen an die Mobilitat der Arbeitnehmer massiv angestiegen Durch die Vermittlung eines breiten Grundwissens ist uberall der Tendenz zur beruflichen Abwertung und der Gefahr einer Polarisie- rung entgegenzuwirken Gerade diese Polarisierung (Aufsplitterung in Spezi- alisten und Hilfskrafte) ist nicht eine Folge der Neuen Technologien. sondern einer bestimmten Arbeitsorganisation Durch die Mikroelektronik wirken sich extreme Former der Arbeitsteilung hochstens insofern starker aus, als eine klare Trennung in «Denker» und ((Anwender)) entsteht

3. Bildungspolitischer Hintergrund der Veränderungen - Merkmale der Berufsbildung in der Schweiz

Die Berufsbildung in der Schweiz ruht auf drei, allerdings sehr ungleichen Saulen dem Betrieb. der Berufsschule und den uberbetrieblichen Einfuhrungs- kursen Weit uber 90 Prozent der Lehrlinge in gewerblich-industriellen und rund 7 5 Prozent in den kaufmannischen Berufen (ohne Einfuhrungskurse) werden auf dieser Basis ausgebildet Wichtigster Acisbildungsort ist eindeutig der Betrieb, wobei Kleiti- und Mit- telbetriebe uberproportional viele Lehrlinge einstellen Die Qualitat der berufli- chen Ausbildung hangt mithin wesentlich ab von den beruflichen Fahigkeiten. personlichen Eigenschaften, dem padagogischen Geschick der Ausbildner oder Lehrmeister. der Vielfalt der Produkte, respektive der Breite des Tatigkeits- Spektrums sowie den Maschinen und technischen Hilfsmitteln Auffallendes Merkmal dieser starken betrieblichen Ausrichtung sind grosse Unterschiede in der Qualitat der Ausbildung So variieren Arbeitszeiten, Anteil von bercifsfrem- der oder Routinearbeit, Systematik der Ausbildung, Entlohnung der Lehrlinge von Branche zu Branche, sogar von Betrieb zu Betrieb betrachtlich Ein signifi- kanter Bestimmurigsfaktor ist dabei die Betriebsgrosse (vgi Hafeli, Frisch- knecht. Stoll, Schweizer Lehrlinge zwischen Ausbildung urid Produktion. Muri b Bern 1981) Weit geringer ist - an Stunden gemessen ~ die Bedeutung der Berufsschule. Die zahflussigen Auseinandersetzungen um eine auch nur bescheidene Aus- weitung des Schulunterrichts sowie die (trotz Berufsbildungsgesetz und Ver- ordnung) weiterhin unbefriedigende Freifacherregelung sind Ausdruck einer gewissen ((Schulfeindlichkeit)), welche vor allem in gewerblichen Kreisen ver- ankert ist Die Berufsschule, insbesondere der allgemeinbildende Unterricht. werden als ((verlorene Zeit)) betrachtet Entsprechend wird die Allgemeinbil- dung denn auch vernachlassigt Zwangslaufig veraltete Lehrmethoden, wenig Personlichkeitsbildung und Kreativitat sind die Folgen De facto wird der Lehrling oft mehr als Arbeitskraft denn als Auszubildender betrachtet, ein Fremdbild, das auch sein eigenes Rollenverstandnis mitpragt Nicht viel mehr als Luckenbusserfunktion haben die Einführungskurse. Auch in1 Gewerbe anerkennt man zwar die Notwendigkeit von uberbetriebli-

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chen Lehrgangen, doch sollen diese gerade jene in den Ausbildungsvorschrif- ten festgehaltenen Qualifikationen vermitteln, welche im Betrieb nicht erlernt werden konnen An sich sollte jedoch der Lehrling in den Einfuhrungskursen grundlegende Fertigkeiten erwerben, welche er danach im Betrieb uben und vertiefen musste Nur allzu oft funktioniert diese Arbeitsteilung nicht Die Einfuhrungskurse sind jedenfalls weit davon entfernt, ein dritter Pfeiler der Berufsbildung zu sein Nun hat der enge Bezug zum Betrieb sicher auch seine Vorteile So ist eine optimale Diversifikation des Lehrstellenangebots rnoglich Die Berufsbildung spielt sich zudem in der Realitat der Arbeitswelt ab Jedes neue Berufsbil- dungskonzept muss daher den Betrieb als Ausbildungsort mitberucksichtigen Was wir kritisieren, ist die einseitige Doi-iiinanz der betrieblichen Ausbildung Vor diesem Hintergrund orientieren sich Reformen meist nur an kurzfristigen okonomischen und technischen Bedurfnissen So wird denn auch jede beliebi- ge Anderung als Reform bezeichnet Eine andere Folge der Ausrichtung auf eng definierte, betriebliche Arbeitgeberinteressen ist die viel zu hohe Anzahl von Lehrberufen Wir denken dabei nicht primar an die Berufslehren mit nur wenigen Lehrverhaltnissen. sondern an jene 45 Lehrberufe, welche insgesamt uber 80 Prozent der Lehrlinge umfassen Die ubertriebene Spezialisierung wirkt sich mobilitatshemmend aus und ist eine schlechte Basis fur die spatere Wei- terbi Idu ng Zusammenfassend lasst sich feststellen, dass Artikel 6 des geltenden Berufsbil- dungsgesetzes nur sehr bedingt realisiery wird Er lautet ((Die berufliche Grundausbildung vermittelt die zur Ausubung eines Berufes notwendigen Fertigkeiten und Kenntnisse Sie erweitert die Allgemeinbildung und fordert die Entfaltung der Personlichkeit und des Verantwortungsbewusstseins Sie bildet ferner die Grundlage zur fachlichen und allgemeinen Weiterbildung ))

4. Forderungen für eine umfassende Berufsbildungsreforrn

Wichtigstes Ziel ist eine breitere berufliche und allgemeine Grundausbildung. welche die Basis fur eine standige Weiterbildung und eine berufliche Mobilitat (ohne Qualifikationseinbusse) sein muss Von dieser sehr allgemeinen Zielset- zung lassen sich mehr oder weniger direkt alle unsere konkreten Forderungen ableiten M i t andern Worten Wir haben nicht alle beliebigen Postulate im Zusammenhang mit der Berufsbildung aufgelistet Die Begrundungen lassen sich oft aus der im Text vorangehenden Kritik des Berufcbildungssysterns ableiten. so dass wir uns teilweise recht kurz fassen konnen

4 I Hauptforderung One breite Grundausbildung Das Postulat nach einer breiteren beruflichen und allgemeinen Grundausbil- dung ist an sich unbestritten, gleichzeitig ist es bisher kaum konkretisiert worden Allgeniein betrachtet verstehen wii- darunter eine Zusanimen fassung der zahlreichen Lehrberufe in eine wesentlich geringere Zahl von Grundbe- rufen mit bestimmten prozessunabhangigen Qualifikationen Dazu gehoren in erster Linie berufsubergreifende Inhal'te (nicht spezifische Tatigkeiteni) wie Formgebung, Farbempfinden, mathematicch-technische Kenntnisse. abstrak- tes Denkvermogen. zuverlassiges, exaktes Arbeiten usw Es geht darum, spezi-

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fische Qualifikationen zu vereinheitlichen, die Anzahl Lehrberufe zu reduzieren und in Berufsfelder zusammenzufassen Uberflussiger Ballast ist aus den Aus- bildungsvorschriften zu entfernen Eine breitere Grundausbildung is t also nicht einfach zu verwechseln mit mehr allgemeinbildenden Fachern Allgemeinbil- dung ist allerdings ein durchaus wichtiger Bestandteil, der gerade in Richtung ((Schulung des logischen Denkensn und ((Kennenlernen von neuen Informa- tionctechiiiken)) ausgebaut werden muss Ebenso wesentlich sind indessen praktische Grundfertigkeiten, welche sich nicht bloss an eng umrissenen be- ruflichen Funktionen orientieren Auf diese Weise soll eine bessere Durchlas- sigkeit zwischen einzelnen Berufen erreicht werden Weiter sei betont, dass wir die berufliche Spezialisierung keineswegs ablehnen, sie ist auch nicht - wie das etwa falschlicherweise behauptet wird ~~ ein Widerspruch zur breiten Grundausbildung Hingegen sollte sie zu einem wesentlich grosseren Teil a ls bisher in einer spateren Phase, das heisst im Rahmen der Weiterbildung, vermittelt werden Eine berufcfeldbezogene Ausbildung kann jedoch nicht in allen Berufen in gleichem Ausmass vermittelt werden Damit wollen wir andeuten, dass sich nicht jeder Lehrberuf stur nach dem gleichen Schema behandeln lasst So ist etwa in der metallverarbeitenden Industrie eine berufsfeldbezogene Ausbil- dung eher denkbar a ls in einzelnen Bauberufen Am besten verdeutlichen wir unser Verstandnis einer breiten Grundausbildung, indem wir vom neuen Typus des Facharbeiters, respektive dessen Qualifikationsanforderungen ausgehen Nachstehend einige Beispiele Lebensrnitteltechnologe Er muss zum einen uber fundierte Materialkenntnisse verfugen, zum andern aber mit modernen computergesteuerten Maschinen vertraut sein. er benotigt also auch eine Ausbildung in Hydraulik, Pneumatik und vor allem Elektronik Mechaniker Seine Tatigkeit war bisher sehr stark mit der unmittelbaren Bear- beitung des Materials verbunden Aus dem «manuellen» wird nun tendenziell ein «handloser» Berufsarbeiter. der fast ausschliesslich mit Informationen kon- frontiert ist Damit er die Steuerungsvorgange begreifen und interpretieren kann, muss er den gesamten Arbeitsablauf uberblicken konnen Gleichzeitig muss er auch weiterhin mechanische Drehbanke bedienen konnen Schriftsetzer Viele traditionelle Funktionen werden durch den Fotosatz uber- nommen. gerade deshalb muss der Schriftsetzer ein gutes Formgefuhl entwik- keln. Bauberufe Bedingt durch den Einsatz neuer Materialien werden neben den bisherigen Fertigkeiten auch dispositive Fahigkeiten (Koordination. Termin- Planung) an Bedeutung gewinnen Allgemein lasst sich sagen, dass der Lehrling vermehrt mi t der Planung, der Ausfuhrung und der Kontrolle eines Arbeitsablaufes vertraut werden muss Der Beriifsstolz ist in dem Sinne zu fordern, dass der Lehrling bereit ist, sich zu engagieren, mitzudenken, innerhalb einer Gruppe Verantwortung zu uberneh- men.

4 2 Eine kontinuierliche Berufsbildungsforschung als Voraussetzung Weder das BIGA noch die Arbeitgeberverbande oder die Gewerkschaften konnen allein die notwendigen Grundlagen fur eine breite Grundausbildung

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liefern. Notig ist die Mithilfe durch eine kontinuierliche, praxisnahe Berufsbil- dungsforschung, damit mehrere Lehrberufe in einem breiteren Grundberuf zu- sammengefasst werden konnen Die Berufsbildungsforschung ist also eine wichtige ~ wenn auch nicht die einzige -Voraussetzung fur die inhaltliche Kon- kretisierung einer breiteren Grundausbildung Ihre Aufgabe ist es, die Qualifika- tionen zu vereinheitlichen. die Berufsfelder inhaltlich zu definieren und organi- satorische Modelle fur eine berufsfeldbezogene Ausbildung zu entwickeln Die- se Arbeit kann sicher nicht fur al le Berufe gleichzeitig in Angriff genommen wer- den Gerade deshalb sollten die Erfahrungen bei der Umsetzung der ersten Ver- suche in spatere Forschungsphasen miteinbezogen werden Berufsbildcingsforschung. wie wir sie verstehen, ist in dem Sinne nicht wert- neutral. indem sie sich fur die berufliche Qualifikation der Facharbeiter und Facharbeiterinnen einsetzt Dazu ist eine interdisriplinare Zusammenarbeit mit andern Fachgebieten wie Arbeitspsychologie. Informatik, Ingenieurwissen- schaften usw notwendig Welche aussere Organisation der Berufsbildungsforschung sinnvoll sein wird, is t genau abzuklaren Vermutlich ist die Zusammenarbeit unter verschiedenen Forschungsstellen einem einzigen Institut vorzuziehen, denkbar ware dabei eine zentrale Doku mentatioris- und Koordi nationsstel le Wichtig sind Kon - tinuitat und eine genugende personelle Dotierung sowie eine enge Zusam- menarbeit mit Praktikern (Ausbildner, Lehrmeister. Arbeitgeberverbande, Ge- werkschafteri, fur den Vollzug zustandige Behorden. Berufsschullehrer. Be- r u f s bera ter) Es ware daher einseitig und falsch, die Antworten allein von der Forschung zu erwarten, vielnieht sind es ja gerade Praktiker, welche realitatsnahe Tatigkeits- analysen entwickeln konnen Die Praktiker spielen auch deshalb eine wichtige Rolle, weil die Inhalte von Berufsfeldern nicht ein fur allemal definiert werden konnen, sondern Veranderungen unterworfen sind Im Anschluss an das nationale Forschungsprogramm ((Education et vie active)) ist die Schweizerische Gesellschaft fur angewandte Berufsbildungsforschung (SGAB) gegrundet worden Damit die SGAB, in der alle relevanten Institu- tionen, die ein Interesse an Berufsbildungsforschcing bekunden, vertreten sind, wirklich eine aktive Rolle spielen kann, ist es unumganglich, dass sievom Bund starker unterstutzt wird Der Bund kann sich aus seiner Verantwortung, die er sich mit Art 62 BBG selber stellte, nicht einfach wegstehlen

4 3 Eine ausgewogene Verteilung zwischen Berufsschule, uberbetrieblichen Lehrgangen und betrieblicher Ausbildung Institutionelle Voraussetzungen fur eine breite Grundausbildung ist ein ausge- wogeneres Verhaltnis zwischen Betrieb. Berufsschule und uberbetrieblichen Lehrgangen Die Arbeitsteilung sollte ungefahr wie folgt aussehen Uberbetriebliche Lehrgange (Einfuhrungskurse) Erwerben von wichtigen. be- r u f sf e l d bezog e ne n Q u a l i f i ka t i o ne n Betriebliche Ausbildung Vertiefen und praktisches Anwenden dieser Qualifi- kationen in1 Anschluss an die uberbetriebliclieii Lehrgange Berufsschule Vermitteln der berufstheoretischen Kenntnisse und der Allge- meinbildung Begleitend zur betrieblichen Ausbildung oder allenfalls im Blockunterricht

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Die drei Ausbildungstrager lassen sich nicht messerscharf voneinander ab- grenzen, dies umso weniger. als eine Trennung in Theorie und Praxis weder moglich noch wunschbar ist ( w o ist zum Beispiel der Unterschied zwischen Theorie und Praxis bei der Tatigkeit eines Laboranten,) Tendenziell sind die praxisnaheren Ausbildungsteile in den Einfuhrungskursen, die theoretischen Grundlagen wie Informatik und Mathematik in der Berufsschule zu vermitteln Zeitlich durften die drei Ausbildungstrager etwa eine gleiche Dauer in An- spruch nehmen, also ungefahr je einen Drittel Die jeweilige Ausgestaltung kann aber von Berufsfeld zu Berufsfeld variieren M i t der von uns vorgeschlagenen Aufteilung versprechen wir uns wesentlich mehr Systematik in der Ausbildung und eine bessere Koordination unter den verschiedenen Tragern Unser Vorschlag sagt also nicht nein zur Betriebslehre. sieht indessen eine andere Gewichtung vor Wir wollen die Vorteile der betrieblichen Ausbildung (Nahe zur Arbeitswelt, Moglichkeit der Diversifikation) beibehalten, gleichzeitig aber die Nachteile (Unterschiede in der Ausbildungsqualitat. Mangel an Systematik und Koor- dination) verringern Wir bezwecken nicht, wie auch schon behauptet worden i s t - eine Verschu- lung der Berufslehre, zumal wir die stark praxisorientierten Einfuhrungskurse bedeutend mehr als die Berufsschule ausbauen wollen Eine verstarkte ((Kopflastigkeitn der Berufsbildung ergibt sich nicht aus unseren Vorschlagen, sondern aus den veranderten realen Qualifikationsanforderungen Gerade deshalb sind in Zukunft die durch das Berufsbildungsgesetz vorge- sehenen Stutzkurse auszubauen. Unser «Modell» soll es ermoglichen, nicht nur kurzfristige und anwendungs- orientierte, sondern vermehrt auch fundierte, theoretische Kenntnisse zu ver- mitteln. damit die Arbeitnehmer spater die Anforderungen ~ insbesondere aus dem Bereich der Informatik ~ bewaltigen konnen Dadurch sollen Anpassungs- fahigkeit und Offenheit fur neues Wissen gefordert werden Gesamthaft gesehen gehen wir von einer gleichen Dauer der Berufslehre aus Zu prufen bleibt, ob die zweijahrigen und auch gewisse dreijahrige Berufsleh- ren als Folge einer berufsfeldbezogenen Ausbildung zeitlich verlangert werden mussen Bevor allerdings einer Lehrzeitveranderung zugestimmt werden kann, muss sichergestellt sein, dass in einem revidierten Ausbildungsgang nicht noch Ballast mitgeschleppt wird Ebenso ist genau zu prufen. ob gewisse Qualifika- tionen nicht erst im Rahmen der Weiterbildung zu erwerben sind Eine Inten- sivierung der Ausbildung ruft gleichzeitig nach einer effizienteren Kontrolle der Lehrverhaltnisse (siehe 4 4 7) Die zeitliche Gewichtung der drei Ausbildungstrager muss nicht in jedem Berufsfeld gleich aussehen Wiewohl es gilt, die Berufsschule und vor allem die Einfuhrungskurse in ihrer Bedeutung zu starken, darf nicht ausser acht gelassen werden, dass sich Qualifikationsveranderungen nicht in allen Bran- chen mit derselben Schnelligkeit abspielen In der Realisierung unserer For- derungen ist also berufsfeldspezifischer Vielfalt zuzustimmen

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4 3 1 Funktion der uberbetrieblichen Ausbildung Bei der Organisationsform der uberbetrieblichen Ausbildung kann von den bestehenden Einfuhrungskursen ausgegangen werden Es geht aber nicht bloss um das notdurftige Vermitteln von Qualifikationen. damit der Lehrling die Lehrabschlussprufung bestehen kann, sondern um ein standiges Vermitteln von wichtigen Fahigkeiten Dazu konnen etwa auch traditionelle Fertigkeiten gehoren, die der Lehrling in einzelnen Betrieben gar nicht mehr erlernen kann Wir sprechen von ((Einfuhrungskursenu, weil dieser Begriff auch im Berufsbil- dungsgesetz (BBG) verwendet wird Die Bezeichnung ist insofern etwas un- klar, als man darunter einfach einen ersten Kurs zu Beginn der Lehrzeit ver- stehen konnte. Das ist nicht der Fal l Einfuhrungskurse finden in Blocken, verteilt auf die gesamte Lehrzeit, statt und dienen zur ((Aneignung der grund- legenden Fertigkeiten)) (siehe BBG. Art 16, Abc 1) Je nach Bedarf kann die gesamte Dauer der Einfuhrungskurse sehr stark variieren Im Vordergrund steht dabei praxisorientiertes Lernen und nicht produktive Arbeit, wobei es nicht auszuschliessen ist, dass Produkte hergestellt und verkauft wurden Auf einen solchen Ausbildungsblock folgen jeweils die betriebliche Ausbil- dung und der Berufsschulunterricht Der zeitliche Anteil der uberbetrieblichen Lehrgange hangt von den zu erlernenden Qualifikationen ab In diesem Zu- sammenhang sei darauf hingewiesen. dass einzelne Berufe in ihrer Ausbil- dungsdauer schon heute einen recht hohen Anteil an Einfuhrungskursen auf- weisen Ausbildungsorte konnen uberbetriebliche Ausbildungszentren. aber auch ein- zelne Betriebe oder Lehrwerkstatten sein, sofern sie die technischen und per- sonellen Voraussetzungen erfullen Aus diesem Grunde unterstutzt der Schweizerische Gewerkschaftsbund die Erweiterung von bestehenden und die Schaffung von neuen Lehrwerkstatteti.

4 3 2 Funktion der Berufsschule

Eine zeitliche Erweiterung des Berufsschulunterrichts soll dazu beitragen, dass vermehrt zusammenhangend und facherubergreifend gelehrt werden kann Dadurch wird auch die Grundlage fur neue Lehrmethoden wie etwa das ((Lernen in Gruppen)) und fur ein vertiefteres Eingehen auf die Bedurfnisse des Lehrlings geschaffen. Im allgemeinbildenden Unterricht sollte mehr Zeit fur Denkschulung einge- raumt werden Erforderlich ist zudem eine wesentlich umfassendere Einfuh- rung in die Informatik Die theoretischen Unterrichtsinhalte sollten besser mit der jeweiligen praktischen Ausbildung des Lehrlings abgestimmt werden Vom Zeitgewinn sollte sodann auch die Personlichkeitsbildung profitieren.

4 3 3 Funktion der betrieblichen Ausbildung

Im Vordergrund steht das Vertiefen der Qualifikationen, welche in den uberbe- trieblichen Lehrgangen erworben worden sind Im Betrieb mussen die jeweili- gen Kenntnisse also angewendet werden korinen Dass dies uber einen Iange- ren Zeitraum (z B ein halbes Jahr) nicht ausschliesslich gemacht werden kann, versteht sich von selbst Wichtig ist. dass die Voraussetzungen erfullt sind In Frage kommen Gross-, Mittel- oder Kleinbetriebe Sofern ein ge-

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nugend breites Tatigkeitsspektrum garantiert werden kann, kehrt der Lehrling uber die ganze Lehrzeit hinweg immer wieder in denselben Betrieb zuruck Andernfalls soll es moglich sein, die Lehre in verschiedenen Betrieben zu absolvieren Bei dieser Variante ist es sinnvoll, dass sich einzelne Betriebe einer Region zu Ausbildungsgerneinschaften zusammenschliessen Fur die gesamte betriebliche Aucbildungsplanung sollte das kantonale Berufsbildungsamt zu- standig sein Der Betrieb ist jener Ausbildungsort, w o der Lehrling ((Wirklichkeit)) lernt Nachdem er im uberbetrieblichen Lehrgang (Einfuhrungskurs) die Grundfer- tigkeiten und -kenntnisse erworben hat, soll er mit produktiver Arbeit vertraut werden So ist etwa das ((Einhalten einer vorgegebenen Zeit» durchaus auch ein Lernziel Fur die geleistete Arbeit erhalt er wahrend der ganzen Lehre einen Lehrlingslohn. der nicht niedriger als bisher sein darf, selbst wenri der betriebli- che Anteil zeitlich wesentlich kleiner sein wird. Diese Rechnung rechtfertigt sich, weil der Lehrling j a bereits mit einem Vorwissen in den Betrieb kommt und deshalb viel schneller produktiv eingesetzt werden kann Unsere grundsatzlich positive Haltung zur betrieblichen Ausbildung schliesst allerdings mit ein. dass die Lehrlinge den Gesamtarbeitsvertragen unterstellt werden

4 4 Weitere Forderungen

4 4 1 Einfuhrung von Zwrschenprofungen Die jetzige Grundausbildung ist allzu sehr auf die Lehrabschlussprufurig fixiert Wir schlagen deshalb vermehrt Zwischenprufungen vor Diese ermoglichen eine recht effiziente Kontrolle uber Lern- und Lehrerfolg Schwachen des Lehrlings und Schwachen der ausbildenden Betriebe konnen so rechtzeitig aufgedeckt und allenfalls behoben werden Selbstverstandlich durfen diese Zwischenprufungen nicht zu einem Selektionsinstrument werden Zeigen sich Lernschwachen, muss der Lehrling die Moglichkeit haben, mit Hilfe der ge- setzlich vorgesehenen Stutzkurse Wissenslucken zu fullen Liegt es am Betrieb. dass nicht das gewunschte Resultat vorliegt. dann hat das Berufsbildungsamt die notigen Voraussetzungen zu schaffen, damit effizient ausgebildet wird Im Anschluss an die letzte Zwischenprufung soll am Ende der Lehrzeit eine abschliessende Evaluation durchgefuhrt werden Wir denken dabei an eine Ubersicht uber die erworbenen Kenntnisse. eine Auswertung der gesamten Lehre und einen Ausblick auf die berufliche Tatigkeit Diese Evaluation wurde sich mit Sicherheit uber einen langeren Zeitraum erstrecken als die jetzige Lehra bsch I usspruf u ng Methodisch sind Formen zu entwickeln, mit welchen auch prozess- unabhangige Qualifikationen gepruft werden konnen. Da in Einfuhrungskur- sen oft projektbezogen gearbeitet wird. muss das Projektergebnis mitberuck- sichtigt werden

4 4 2 Der erste Einfuhrungskurs als Einstieg In den Beruf Zu Beginn der Berufslehre kommen die Lehrlinge in einen Einfuhrungskurs. der stark Berufswahlcharakter hat, respektive einer Uberprufung der Berufswahl dient Sie erhalten einen summarischen Uberblick uber das Berufsfeld und werden vertraut mit einigen Grundfertigkeiten Am Schluss dieser ersten

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Phase, die gegenuber dem heutigen ersten Einfuhrungskurs wesentlich verlan- gert werden soll, treffen sie die Entscheidung uber Weiterfuhren oder Abbruch der gewahlten Richtung Ein halbes Jahr nach dem Einstieg in die Lehre sollten sie - wenn notig - in einem andern Berufsfeld neu beginnen konnen Dieses Vorgehen kann zwar einen Zeitverlust und zusatzliche organisatorische Umtriebe bringen Es is t aber die bessere Losung als das heutige System. welches durch zahlreiche Lehrabbruche und mit ihrer Berufswahl unzufriedene Lehrlinge gekennzeichnet ist

4 4 3 Bildung von Lerngruppen Absolviert der Lehrling seine Praktika in verschiedenen Betrieben, so fehlt ihm eine feste Bezugsperson, wie sie Lehrmeister oder Ausbildner heute oft sind Am Ende des ersten Einfuhrungskurses sollten deshalb unter den Lehrlingen Gruppen gebildet werden, welche uber die gesamte Lehrzeit hinweg stabil bleiben Dies nicht nur, damit der Lehrling in einem sozialen Bezugsrahmen ((aufgehoben)) ist, die Gruppen sollen auch dem Erfahrungsaustausch dienen und Moglichkeit zur gegenseitigen Hilfe. zur gemeinsamen Lernzielkontrolle (analog dem heutigen Arbeitsbuch) sowie zur Diskussion von Problemen im Zusammenhang mit der Ausbildung bieten Damit die Gruppen diese Auf- gaben uberhaupt erfullen konnen. sollen sie klein sein, das heisst konkret- eine Gruppengrosse von ungefahr 6 Lehrlingen Wichtig ist eine standige Betreu- ung, entweder durch einen betrieblichen Ausbildner oder durch einen Berufs- Schullehrer Diese mussten in ihrer Ausbildung auf eine solche Funktion vorbe- reitet werden

4 4 4 Koordination Betrieb-Schule-uberbetriebliche Lehrgange (Einfuhrungs- kurse) Betriebliche Ausbildner, Berufsschullehrer und Lehrkrafte in uberbetrieblichen Lehrgangen sollten sich regelmassig in einer Gruppe treffen, um aktuelle Pro- bleme besprechen und die inhaltliche Koordination gewahrleisten zu konnen Die Koordination darf nicht nur in den Ausbildungsvorschriften verankert sein, sie muss ein lebendiges Zusammenwirken der fur die Ausbildung zustandigen Personen beinhalten

4 4 5 Vermehrte Ausbildung der Ausbildner Die zusatzlichen Funktionen erfordern eine vermehrte Ausbildung der betrieb- lichen Ausbildner Das bedeutet nicht unbedingt eine langere Erstausbildung en bloc, sondern eher ein Angebot an bausteinartigen Weiterbildungskursen

4 4 6 Informatikunterricht Der Grundkurs fur alle Lehrlinge muss sicher umfassender sein als die vom BIGA vorgesehenen 20 Stunden Er soll sich gerade auch mit den sozialen Auswirkungen fui die Arbeitnehmer befassen Die Idee. ein weiterfuhrendes Angebot in die Freifacher zu integrieren, ist an sich richtig. doch mussen dann die gesetzlichen Moglichkeiten - Besuch von Freifachern wahrend der Arbeitszeit ohne Lohnabzug - auch energischer reali- siert werden Viele Lehrlinge konnen heute diese Moglichkeit nicht wahrneh- men

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Die berufsbezogene Informatik ist je nach Beruf unterschiedlich In Berufs- Zweigen. w o die Mikroelektronik eine bedeutende Rolle spielt, sollten die Lehrlinge ausgewogener als bisher in abstrakten Fahigkeiten und manuellen Fertigkeiten unterrichtet werden Wie gross der jeweilige Anteil der Informatik sein soll, muss von der Berufsbildungsforschung zusammen mit Praktikern untersucht werden

4 4 7 Ausbau der Allgemeinbildung Starker als heute sollte die Allgemeinbildurig auf die Persorilichkeits- entwicklung des jungen Menschen ausgerichtet sein. sich mit dessen realen Problemen befassen und seine soziale Handlungsfahigkeit erhohen Als Gegengewicht zu den Folgen der Mikroelektronik sollten die Kornmunika- tionsfahigkeit und der Umgang init Informationen verbessert, Kreativitat ge- weckt und gefordert, Verantwortungsbewusstsein und Teamfahigkeit vertieft werden Gleichzeitig sind die Lehrplane von uberflussigem, lebensfremdem Ballast ZIA befreien Die Allgemeinbildung muss neben den bisherigen Inhalten auch mathema-

I tisch-naturwissenschaftliche Kenntnisse, prozessunabhangige Qualifikationen wie logisches Denken oder Planen sowie die Grundzuge eirier Arbeitsmethodik (Erleichterung der eigenen Arbeit) umfassen Grundsatzlich sollten alle Lehrlinge. ungeachtet der Lehrdauer, gleichviel All- gemeinbildung haben Es ist nicht einzusehen, weshalb eine Verkauferin weni- ger Personlichkeitsbildung braucht als ein Maschinenmechaniker

4 4 8 Neue Regelung der rechtlichen Situation Wir befurworten die Betriebslehre, verlangen aber, dass die Dominanz der Arbeitgeberseite durch die Unterstellung der Lehrlinge unter die Gesamtar- beitsvertrage abgebaut wird Falls der Lehrling wahrend der gesamten Lehrzeit im selben Betrieb bleibt. so kann dieser wie bisher zusammen mit dem gesetzlichen Vertreter des Lehrlings den Lehrvertrag unterzeichnen Absolviert der L.ehrling seine Ausbildung in verschiedenen Betrieben. so kann einer unter ihnen stellvertretend fur die andern als Vertragsunterzeichner auftreten Dem Lehrvertrag sollte eine Skizze uber den Ablauf der Ausbildung und eine Liste mit Ausbildungsbetrieben aus der Region beigelegt werden Als mittelfristiges Ziel sehen wir einen Lehrvertrag, der von einer Ausbildungs- gemeinschaft unterzeichnet wurde Diese sollte sich aus Vertretern der Einfuh- rungskurse. der Berufsschule, eines oder mehrerer Lehrbetriebe sowie aus den

4 4 9 Bessere Kontrolle der Ausbildung Da n k Z w i sc h e n p r u f u n g e n , der vor g esc t i I agene n (( Le h r I i n g sg ru p p e», der K oo r - dinationsgruppe mit betrieblichen Ausbildnern, Berufsschullehrern, Lehrkraf- ten von uberbetrieblichen Lehrgangen sollte die Kontrolle der Ausbildung automatisch verbessert werden Damit ist auch angedeutet, dass die Kontrolle viel mehr Hilfeleistung als burokratische Sanktion sein muss Darciber hinaus soll fur die Kontrolle weiterhin die kantonale Vollzugsbehorde zusammen mit den Arbeitgeberorganisationen und den Gewerkschaften zustandig sein

,.- gesetzlichen Vertretern zusammensetzen

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4 4 I O Offenere Ausbildungsreglernente

Mit der Reduktion der Lehrberufe und deren Zusammenfassung in Berufsfel- dern verringert sich auch die Anzahl der Ausbildungsreglemente Diese sollten weniger schwerfallig und stereotyp formuliert werden und mehr Gestaltungs- moglichkeiten offenlassen Partielle Anderungen sollten ohne ubertriebenen burokratischen Aufwand moglich sein Die Konzeption der Ausbildungs- reglemente sollte von der Berufsbildungsforschung zusammen mit den Ver- tretern aus der Praxis (Arbeitgeber, Gewerkschaften, Lehrkrafte, Ausbildner usw.) geleistet werden

4 4 1 I Neue finanzielle Basis

Bei einer Beurteilung der finanziellen Konsequenzen ist zunachst zu beachten, dass der Lehrling im Betrieb eher noch produktiver arbeitet als bisher. da die Grundkenntnisse in den Einfuhrungskursen vermittelt werden (siehe Kapitel 4 3 3 ((Funktion der betrieblichen Ausbildung) Mehrkosten entstehen in erster Linie durch den massiven Ausbau der Einfuh- rungskurse Die Geldmittel dafur sollen ~ w ie bisher - durch die offentliche Hand und die Berufsverbande aufgebracht werden Zur Finanzierung sind aber zusatzlich jene Betriebe einer Branche beizuziehen. welche selber keine oder i r r Verhaltnis zur Anzahl der beschaftigten Facharbeiter wenig Lehrlinge aus- bilden Solche oder ahnliche Regelungen sind heute bereits in einzelnen Be- rufszweigen Realitat

4 4 12 Verbesserung der Anlehre

Wir stellen fest, dass mit gesetzlich verankerten Anlehren wenig Missbrauch getrieben wird Der Anteil der Anlehrlinge an der Gesamtzahl der Lehrlinge ist wesentlich kleiner als befurchtet. wobei allerdings die Schwankungen, je nach Kanton, betrachtlich sind Die alles in allem positive Bilanz ist wesentlich darauf zuruckzufuhren, dass die Gewerkschaften von den Gefahren der Anleh- re gewarnt haben Trotzdem drangen sich einige Verbesserungen auf Bei der Einteilung von Sonderbewilligungen ist die Arbeitsrnarktsituation zu berucksichtigen, dort, w o selbst Ausgelernte nur mit Muhe eine Stelle finden, durfen keine Anlehrstellen bewilligt werden Die Ausbildungsprogramme fur Anlehrlinge werden in der Regel zu wenig sorgfaltig ausgearbeitet. der individuell zu gestaltende Lehrplan sollte erst nach einem halben Jahr erstellt werden, damit die Anlehre ((massgeschneidert)) ist und Erfolgserlebnisse ermoglicht Der Augenschein. welcher die Prufung er- setzt, ist zu standardisiert Die Prufungsexperten sollten ebenso wie die Lehrer von Anlehrklassen eine Zusatzausbildung in heilpadagogischer Richtung auf- weisen Schliesslich fallt auf, dass die Anlehrlinge gleich schlecht wie die Le h rI in ge ko n t rol I iert werden Einfuhrungskurse sollen auch fur die Anlehre obligatorisch werden, damit ein projektorientierter Unterricht ermoglicht wird Die Kurse konnen weniger lange dauern als bei einer Berufslehre. doch ist nicht einzusehen, weshalb Anlehrlin- ge den Lehrlingen gegenuber benachteiligt werden sollten

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5. Schlussbemerkung

Der vorliegende Bericht ist die Grundlage fur zukunftige Reforrnforderungen Er weist in die Richtung, in welche sich die Berufsbildung entwickeln muss Dabei betonen wir nochmals, dass wir nicht ein einziges, allgemein gultiges Modell fur alle Lehrberufe sehen Massgebend sind die spezifischen Bedurfnis- se und Qualifikationsanforderungen Trotzdem konnen sich verschiedene Mo- delle gegenseitig befruchten Deshalb unterstutzen wir von Wissenschaftern und Praktikern begleitete Experimente, welche selbstverstandlich minimale Standards garantieren mussen

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2. Teil: Die berufliche Weiterbildung

I . Weiterbildung für alle

Mobilitat ist das Kennzeichen der Moderne Berufliche Mobilitat durchdringt a u c h d i e «d u rc t i sc t i n it t I ich e» B i og ra p h i e Ber u f I ic he M ob i I it a t setzt 'en t f a I - tungsfahige Kompetenzen voraus Die berufliche Erstausbildung. wie sie der Schweizerische Gewerkschaftsbund [SGB] im ersten Teil dieses Konzeptes entwickelt hat. will diesen Grundstock schaffen Zeitresistentes, ein fur allemal abgeschlossenes Berufswissen gibt es heute kaum mehr Die technologische Entwicklung halt nicht still Sie entwickelt sich im Gegenteil immer schneller Dazu kommt der Knick in der Demographie die Neuerungen konnen nicht einfach auf die Schultern der Jungen abgewalzt werden Alle Erwerbstatigen haben sie zu bcwaltigen Also ist in Zukunft Weiterbildung vermehrt verlangt Weiterbildung gibt es bereits heute Je nach Branche existieren unterschiedli- che Angebote und Regelungen Fs sind auch gute Ansatze vorhanden Das heute noch viel zu wenig institutionalisierte Weiterbildungswesen weist aber zahlreiche Schwachstellen auf 1 Wesentlich gepragt wird das Weiterbildungssystern durch eine starke

Zweigleisigkeit Auf der einen Seite wird Weiterbildung heute dominant im engeren Sinne der eindeutig aiifstiegsorientierten Hoherqualifizierung be- trieben Sie ist zu sehr a i i f die Kader zugeschnitten Sie liegt anderseits zu abgetrennt von einer Fortbildung. in der es nur um Anpassung geht Anpas- sung muss zwar sein Wenn es bei der Anpassungsweiterbildung aber nur darum geht, der technologischen Entwicklung hintennachzuhinken und zu eingeschrankt definierte Defizite zu stopfen, dann werden Lust und Freude an der Weiterbildung nicht geweckt Auch Anpassungsweiterbildung muss zum Ziel haben, die Arbeitenden breit und in die Tiefe zielend zu qualifizie- ren Dies ist eine Voraussetzung dazu, die Arbeitswelt zu humanisieren Denn erst eine einigermassen ausgewogene Verteilung von Qualifikationen errnoglicht arbeitsorganisatorische Regelungen, die dem einzelnen Be- friedigung verschaffen

2. Wer in einem Kleinbetrieb arbeitet, hat weniger Chancen, in den Genuss einer formalen Weiterbildung zu gelangen Nur in seltenen Fallen hat er die Moglichkeit. wahrend der Arbeitszeit einen Weiterbildungskurs zu besu- chen Fraglich bleibt, ob dieses Manko durch die Moglichkeit starkerer informeller Weiterbildung am Arbeitsplatz wettgemacht werden kann

3 Arbeitende mit wenig ausgepragten Qualifikationen werden bei Weiterbil- dungs- und Fortbildungsrnassnahmen zu wenig berucksichtigt Weil sie vom bestehenden Weiterbildungsangebot zu wenig angesprochen werden, nutzen sie ihrerseits dieses zu wenig aus

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Die Anstrengungen fur die Fortbildung werden zu oft zu ungleich verteilt Wenn Fortbildung nur dazu dient, die Konkurrenzfahigkeit des Betriebes zu starken. durfen den Lernenden keine zeitlichen oder finanziellen Opfer abverlangt werden Wo Weiterbildung Anpassung an einen wirtschaftlich und technologisch vordefinierten neuen Standard bedeutet, mussen die Betriebe den Arbeitnehmer und die Arbeitnehmerin freistellen Weiterbil- dung darf nicht einfach die Zeit verschlingen, die der Erholung, der Familie, der Gemeinschaft, den privaten Interessen gehort «Opfer» durfen nur da erwartet werden, w o Weiterbildung eindeutig eine Hoherqualifizierung mit dem Ziel eines markanten beruflichen Aufstiegs vorbereitet Wie fur alle ubrigen soll aber auch fur diese Weiterbildungswilligen gelten, dass sie lahrlich einen bezahlten Bildungsurlaub beanspruchen konnen Weiterbildung darf nicht nur beruflich eingegrenzt werden Soziale Kom- petenz, Selbstverwirklichung. Sinngebung. ein veraritwortbarer Umgang mit der Welt a l l dies darf nicht nur etwas sein, das an den Feierabend und an das Wochenende delegiert wird Auch hier ist der Weiterbildung Raum zu geben, auch hier hat Weiterbildung Raum zu offnen Technischer Fort- schritt soll sich in menschlichen wandeln

Die Weiterbildungsforderungen des SGB zielen nicht auf ein einziges Modell Verschiedene Trager. Formen, Lernorte und Finanzierungsarten sollen weiter- bestehen und entwickelt werden Angesprochen sind der Staat, die Arbeitge- ber- und Arbeitnehmerverbande mit oder ohne paritatische Institutionen. die Branchen, die Betriebe, die schulischen Institutionen und die Erwachsenenbil- dung Vertrage zwischen den Arbeitgeberverbanden und den Gewerkschaften sind genau CO notig wie politische Vorstosse Betriebsinterne, branchenmas- sige, gesamtarbeitsvertragliche und staatliche Regelungen haben sich zu er- ganzen Uberall aber muss gelten, dass die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerin- nen die Weiterbildung mitbestinimen konnen Weiterbildung ist eine Notwendigkeit Die Gewerkschaften sind selbst Weiter- bildungstrager Mit den nachfolgend entwickelten Vorschlagen stellen die Gewerkschaften ihre Konzeption einer fur alle zuganglichen Weiterbildung zur Diskussion Den Gewerkschaften geht es in der Weiterbildung nicht nur darum, den Fachkraftemangel zu beheben und Kaderluckeri zu stopfen Weiterbildung hat mehr als bloss die Antwort auf einen stets von der Wirtschaft definierten Mangel zu sein Weiterbildung ist fur die Gewerkschaften auch ein Mittel, eine drohende Polarisierung der Arbeitswelt zu verhindern Weiterbildung ist fur die Gewerkschaften ebenfalls ein Mittel. die Arbeit zu humanisieren Weiterbil- dung muss allen zugute kommen. vor allem auch denen, die sonst unter die Rader der Entwicklung geraten Wenn das vorliegende Konzept anregt, uber diese Forderungen laut nachzudenken, dann hat es eine seiner Aufgaben erf u1 I t

2. Wie kann man Weiterbildung unterscheiden?

Wer die Weiterbildungspraxis heute systematisieren will, kampft sich durch einen Dschungel Nichts desto trotz sollen hier einige Unterscheidungen ge- troffen werden

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Grundlegend ist der Unterschied zwischen formaler und informeller Weiterbildung. Formale Weiterbildung geschieht in eigens dazu reservierten Zeit- Raumen [Kurse]. informelle Weiterbildung geschieht ohne planmassige Verordnung Sie kann am Arbeitsplatz, an Sitzungen. in Gesprachen mit Ar- beitskolleginnen und -kollegen. durch Lekture von Fachzeitschriften, durch Probeln und sogar durch Hobbytatigkeiten erfolgen Je breiter ein berufliches Tatigkeitsspektrum, desto hoher die Chancen zu informeller Weiterbildung am Arbeitsplatz Je mehr Freiraume. je weniger Einschrankungen ein Arbeitsplatz aufweist, desto mehr wird sich der Arbeitnehmer und die Arbeitnehmerin informell weiterbilden Nach der Art der formalen Qualifizierung lasst sich Weiterbildung wie f o1 g t u n tersc he i de t i

o hoher qualifizierende Weiterbildung o breiter qualifizierende Weiterbildung o vertiefend qualifizierende Weiterbildung Weiterbildung mit dem Ziel der hoheren Qualifizierung visiert meist einen beruflichen Aufstieg Dieser kann zwar auch bei Weiterbildung mit dem Ziel einer Verbreiterung oder Vertiefung der Qualifikationen erfolgen In der Regel aber fuhrt bloss Weiterbildung mit dem Ziel der hoheren Qualifizierung zu einer vertikalen beruflichen Mobilitat Diese Weiterbildung wird denn auch stark gefordert Dagegen mangelt es trotz vielerlei guten Ansatzen ~ es sei nur auf die paritatisch zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbanden betriebene Weiterbildung hingewiesen ~ an einer Weiterbildung mit dem Ziel der Ver- breiterung und Vertiefung der beruflichen Qualifikationen Nach Inhalten lasst sich die Weiterbildung. ohne dass die Abgrenzungen messerscharf waren, wie folgt aufteilen

7 Vertiefung

Bei der Vertiefung geht es darum, nicht nur uber anwendungsorientiertes Wissen zu verfugen, sondern dieses auf eine solide Grundlage zu stellen Es werden prozessunabhangige Qualifikationen erworben Diese vertiefende Weiterbildung wird stark auszubauen sein Darauf drangen die Gewerkschaf- ten

2 Nachholen 7% aller marinlichen und 19% aller weiblichen Schulabganger geniessen keine berufliche Aus- oder schulische Weiterbildung (Stand 1987/88) Weiterbil- dung muss fur sie also eine Funktion des Nachholens erfullen Dieses Ziel von We i ter b i Id u n g g i It a u c h f II r W i e d e r e i n st e i g e r i n ne n Bessere Ra h me n bed i n g u n - gen sind dabei fur das Nachholen einer Berufslehre vorzukehren, wie es Art 41 BBG ermoglicht

3 Anpassung Wenn eine Ausbildung Erwerbstatigen nicht mehr erlaubt, mit der Entwicklung Schritt zu halten, dann muss sie angepasst werden Diese Fortbildung in einem eingeschrankten Sinn, dieses Aufholen von Ruckstanden wird je wichtiger je schneller sich die berufliche Wirklichkeit andert

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4 Neuaufbau [Umschulung, Zweitausbildung] In der Weiterbildung mussen auch neue Berufe erlernbar sein Die Gestaltung entsprechender Massnahmen hangt davon ab, ob die sich Weiterbildenden diese Ausbildung aus freier oder durch die wirtschaftliche Entwicklung vorbe- stimmter Wahl treffen Letzterem gleichzustellen sind gesundheitliche Grunde Wer sich beispielsweise zum Polizisten oder Sozialarbeiter weiterbildet, weil er aus gesundheitlichen Grunden den ersterlernten Beruf nicht mehr aucuben kann oder weil dieser Beruf in eine Sackgasse fuhrt, soll auf staatliche Unter- stutzung zahlen durfen

5 Verbreiterung Der Zimmermann, der in seiner Grundausbildung nach dem SGB-Modell vermehrt prozessunabhangige Qualifikationen erwirbt, wird die Spezialitaten im Handwerk des Treppenbaus in der Erstausbildung nicht mehr erlernen Arbeitet er nach Lehrabschluss in einem Betrieb. w o der Treppenbau zum Tatigkeitsspektrum gehort, wird er sich dieses Wissen durch Weiterbildung erwerben mussen Zu einer Verbreiterung der Qualifikationen fuhrt naturlich auch jedes Wissen, das man sich «auf Vorrat)), «fur den Fall, dass)) aneignet

6 Spezialisierung Die Spezialisierung kann auf einen neuen Beruf zielen oder als Vertiefung einer Berufsanforderung konzipiert sein Kranfuhrer zum Beispiel ist ein spezialisier- ter baugewerblicher Beruf Kranfuhrer wird man erst durch Weiterbildung Ein Beruf wie Rohrnetzmonteur sollte in einer spezialisierten Zucatzausbildung zum Sanitarinstallateur gelernt werden konnen Gerade wenn die berufliche Grundausbildung wie von uns gefordert vermehrt berufcfeldspezifische Quali- fikationen betonen soll, wird diese Weiterbildung ein starkeres Gewicht erlan- gen

7 Bewaltigung Die wirtschaftliche und berufliche Entwicklung beeinflusst auch die soziale und personliche Sphare Sie muss denn auch auf dieser Ebene bewaltigt werden konnen Das kann vom Erlernen des Englischen uber schopferische Tatigkeiten als Gegengewicht zu einer abstrakten Berufsrealitat bis zum Erlan- gen von allgemein sozialen und personlichen Kompetenzen gehen (von Fragen der Paarbeziehungen und Kindererziehung bis zum Ausfullen der Steuer- erklarung)

Folgende Trager bieten heute Weiterbildung an

o die allgemeine Erwachsenenbildung o Berufs- und hohere Schulen o Berufsverbande Arbeitgeberorganisationen allein, Arbeitnehmerorganisa-

tionen allein, paritatisch o Betriebe o private Institutionen Tendenziell dominant ist heute der allgemeinen Erwachsenenbildung die Wei- terbildung mit dem Ziel vermehrter soziokultureller Kompetenz zugeordnet

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Aufstiegsorientierte Weiterbildung erfolgt dominant bei den Tragern «Schulen» und ((Berufsverbanden)) In die Anpassungs-Fortbildung teilen sich die Be- triebe. Schulen und Berufsverbande Nach unseren Vorstellungen haben diese vier Trager ihr Bildungsprogramm in Zukunft auszubauen

3. Bedürfnisse und Erwartungen an die Weitberbildung heute

Von verschiedener Seite werden heute an die Weiterbildung Bedurfnisse for- m ci I ie rt

a) die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen erwarten von der Weiterbildung eine Grundlage zu beruflicher Mobilitat in all ihren Spielarten (Aufstieg, Berufswechsel, Halten der Position), eine Erhohung der Chancen auf einen guten Arbeitsplatz, eine bessere Arbeitsorganisation niit dem Ziel qualifizierender Arbeitsplatz- gestalturig Dies meint, dass der einzelne Arbeitnehmer und die einzelne Arbeitnehmerin mit Weiterbildung nicht nur einen Wissensruckstand be- seitigen will Die Weiterbildungswilligen erwarten Konsequenzen am Ar- beitsplatz, eine Umverteilung der Arbeit, die es ihnen ermoglicht. anregende und Befriedigung verschaffende Aufgaben zu losen Weiterbildung hat hier Hand in Hand zu gehen mit einer durch die Mitbestimmung abgesicherten Planung der betrieblichen Organisation mehr soziale Kompetenz und personliche Befriedigung innerhalb und aus- serhalb der Arbeit

6 ) die Arbeitgeber erwarten von der Weiterbildung e o

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den Erhalt der Konkurrenzfahigkeit des Betriebes das Anpassen der Kenntnisse der Beschaftigten an einen neuen Standard, damit Flexibilitat des Unternehmens gegeben sei eine Sicherstellung fur den Kadernachwuchs

aus gesamtgesellschaftlicher Sicht konnen folgende Erwartungen an die Weiterbildung abgeleitet werden Weiterbildung ist ein Mittel, Bildungsdefizite abzubauen, Bildung gerechter ZIJ verteilen, um von dieser Seite her moglichst Chancengleichheit bei der Teilhabe an den gesellschaftlichen Prozessen zu ermoglichen Weiterbil- dung muss sich auch zum Ziel setzen, abgekoppelte Gruppen wieder zu i n t eg r i e re n . Weiterbildung soll soweit w ie moglich den Graben zwischen eingeengtem fachlichen Spezialistentum und einer ganzheitlichen Sichtweise uberbruk- ken helfen Dieser Anspruch ist an jede Weiterbildung zu stellen, soll aber besonders bei hoherer beruflicher Weiterbildung auf Hochschul- und For- schungsebene zur Geltung kommen Es darf nicht sein, dass ein Meister auf seinem Fach etwas entwickelt. das sich auf gesamtgesellschaftlicher Ebene als U n tiei I hera u sstel I t (vei gleiche Gen tec t i no log ie) Weiterbildung soll zu politischer Mundigkeit und personlicher Autonomie fuhren Sie soll Interesse an der Gestaltbarkeit politischer Verhaltnisse erzeugen

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o Die Volkswirtschaft erwartet von der Weiterbildung flexible Beschaftigte, die sich schnell anpassen konnen

Bereits diese ausserst knappe Aufzahlung zeigt. dass die Erwartungen, die die verschiedenen Individuen und Institutionen an die Weiterbildung richten, nicht automatisch in die gleiche Richtung zielen Fur die Gewerkschaften hat Wei- terbildung immer ein Mittel zu sein. das im Dienste der Humanicierung der Arbeit und der Bildung einer besseren, auf Chancengleichheit ausgerichteten Gesellschaft steht

4. Zielvorgaben aus Arbeitnehmersicht: Grobforderungen a ) an den Staat o bezahlten Bildungsurlaub fur alle gesetzlich garantieren o vermehrtes Zur-Verfugungstellen raumlicher und materieller Infrastruktur

fur Weiterbildungs-Aufgaben o Subventioniercing von Weiterbildungs-Zentren, die von Berufsverbanden

oder vom Staat erstellt werden -,-. o Steuerungsfuriktionen finanzieller Art, damit Weiterbildung allen offen

steht o Transparenz in das Angebot bringen o intensiviertere Massnahmen fur Abgekoppelte o Ausbau der Stipendien auf die berufliche Weiterbildung o Ausbau bestehenden Weiterbildungs-Angebotes an Berufsschulen, An-

gliederung von Vertiefungclehrgangen mit dem Ziel des Qualifikationser- halts Ausbau der Weiterbildungs- Beratung

6) a n die Arbeitgeberorganisationen o Schaffung und Ausbau uberbetrieblicher Weiterbildungszentren o Zeitliche Freistellung der Beschaftigten fur Weiterbildungs- Massnahmen o Ubernahme der Gesarntkocten da, w o die Unternehmen von den neu er-

worbenen Kenntnissen profitieren mehr Teilzeitstellen fur sich (aufwarts-) Weiterbildende

o Ausbau paritatischer Fonds o Bereitschaft zci vertragspartnerschaftlichen Losungen

c) an die Betriebe o Moglichkeit, sich wahrend der Arbeitszeit am Arbeitsplatz oder betriebs-

extern weiterbilden zu konnen o Bereitschaft, arbeitsorganisatorieche Umgestaltungen zu treffen mit dem

Ziel qualifizierender Arbeitsplatzgestaltung, die auf einen Abbau der Quali- fikationsunterschiede zielt Mitbestimmung der Beschaftigten auf allen Ebenen der Weiterbildung

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d) a n die Beschaftigten o Bereitschaft zur Weiterbildung o Bereitschaft zur Mitarbeit an qualifizierender Arbeitsplatzgestaltung o Bereitschaft zu mehr Mischarbeit

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e) an die Arbeitnehrnerorganisationen

o Einsatz und Massnahmen, damit Weiterbildung allen zugute kommt o Ausbau des bisherigen Weiterbildungsangebotes, sei es paritatisch oder

nicht o ((Weiterbildung fur alle» zu einem Thema machen

5. Zielorientierte Weiterbildungsmassnahmen

In diesem Kapitel schlagt der SGB Weiterbildungsrnassnahrnen vor Diese unterscheiden sich 1 durch ihre Zieloptik 2 durch die Eignung fur l e aufgrund der vorhandenen Qualifikationsstruktur

besonders angepeilte Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmer- Kategorien Die Zieloptik selbst kann grob zweigeteilt werden Am hinteren Ende dieser Reihe von Massnahmen steht der markante berufliche Aufstieg Am vorderen Ende geht es um das Vertiefen, das Halten und das Verbessern von beruflichen Qualifikationen Auch markantes Verbessern nur schwach ausgepragter Aus- gangsqualifikationeii gehort in diese Kategorie Dabei gilt folgender Grundsatz fur den Schweizerischen Gewerkschaftsbund je aufwärtsorientierter, je elitärer eine Weiterbildung ist, die ein bereits über die Stufe qualifizierter Facharbeiter tätiger Arbeitneh- mer absolviert, desto mehr ist die Eigenverantwortung der Weiter- bildungswilligen heranzuziehen. Weiterbildung auf akademischer Ebene soll weitgehend diesem Grundsatz gehorchen Umgekehrt lautet der gleiche Grundsatz wenn es in der Weiterbildung darum geht, in der berufli- chen Entwicklung seine Stellung zu bewahren, anzupassen und da- mit zu verbessern, dann hat der Betrieb, allenfalls die Öffentlichkeit, dafür auf ganzer Ebene aufzukommen. Einen Uberblick uber feinere Differenzierungen gibt der folgende Katalog von zu treffenden Weiterbildungs- massna hmen Bei der folgenden Aufzahlung wird zuerst das Ziel einer Massnahme erklart und wenn notig mit Beispielen erlautert Darauf wird erwahnt, fur wen dieses Ziel von Weiterbildung gilt und was wir zur Erreichung desselben fordern Schliesslich stellen wir uns die Frage, wann und w o entsprechende Massnah- men stattzufinden haben Wo nicht aus der Forderung selbst ersichtlich, wird auch auf die Finanzfrage hingewiesen oder ein Kurzkommentar nachgeliefert

5 1 Weiterbildungsmassnahrnen mit dem Ziel der Qualifikationserweiterung als QuafifikationsstaiJ~anpassung Vertiefung

Weil sich die Bedingungen in der Arbeitswelt stets verandern, verlieren die angeeigneten Qualifikationen der Beschaftigten an Wert Wollen diese ihren beruflichen Status nicht verlieren, mussen sie neue Qualifikationen erwerben Dazu gehort zentral das Vermitteln von Hintergrundwissen So mussen Ra- dioelektriker und -elektrikerinnen. die sich neu mit der CD-Technik auseinan- dersetzten, diese nicht nur anwenden, sondern auch ((verstehen)) konnen Die neu mit einer CNC-Maschine Arbeitenden sollen das Gerat nicht nur anwen- den, sondern auch warten, reparieren, in Stand setzen etc konnen Kranken-

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Pfleger l ind Krankenpflegerinnen in einer psychiatrischen Klinik sollen die Voraussetzungen und Prinzipien. auf denen eine neue Betreuungsmethode aufbaut, kennenlernen. wenn sie sich diese aneignen mussen Vertiefende Weiterbildung greift also weiter a ls blosse Anpassung Bei der Vertiefung geht es immer auch darum zu zeigen. warum etwas so ist Der Versuch der Beant- wortung dieser Frage tragt zur Starkung prozessunabhangiger Qualifikationen bei Gerade deren Entwicklung ermoglicht es dem arbeitender Menschen, sich neuen Anforderungen gewappneter zu stellen Eine Weiterbildung mit diesem Ziel gilt all denen, deren Beruf einem Wandel unterliegt, sowie all jenen. die auf ihrem Beruf eine vertiefende Weiterbildung geniessen wollen

Wir verlangen dazu folgende Massnahmen e einen gesetzlich verankerten Bildungsurlaub [Das Gesetz soll ein Minimum

von einer Woche fixieren, mittels Vertragen ist die Zeitdauer erweiterbar] e intenciviertere betnebliche Weiterbildungsanstrengungen wahrend der Ar-

beitszeit e einen Ausbau von an Berufsschulen oder uberbetrieblichen Weiterbil-

dungszentren angegliederten Lehrgangen mit dem Ziel der vertiefenden Weiterbildung

e einen Ausbau der durch die Vertragspartner [Gewerkschaften und Arbeit- gebet - Verbande] betriebenen Weiterbildung

Den Beschaftigten soll es moglich sein, sich das fehlende Wissen während der Arbeitszeit anzueignen Wo dies organisatorisch nicht moglich ist. soll die aufgewendete Zeit kompensiert werden Die Vermittlung der Inhalte kann je nach Voraussetzungen an verschiedenen Lernorten erfolgen Dabei kann es sich um Berufsschulen, um uberbetriebliche Weiterbildungs-Zentren von Arbeitgeberverbanden, um paritatische Kurse oder um Weiterbildungs-Zentren. die gemeinsam von Staat, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbanden verwaltet sind, handeln Weil vor allem die Aneignung eines Grundlage-und Hintergrundwissens verlangt ist. wird sich das entspre- chende Angebot an Berufs- und weiterfuhrenden Schulen, an von Arbeitge- ber- und Arbeitnehmerorganisationen gemeinsam verantworteten Kursen und noch zu schaffenden beziehungsweise zu erweiternden Weiterbildungs-Zen- tren konzentrieren Wo die verlangte Weiterbildung innerbetrieblich moglich ist. soll diese Moglichkeit benutzt werden Ausser bei den parifonds- Kursen hat der Arbeitgeber fur die Kosten dieser Weiterbildungsmassnahnien aufzukommen Die Arbeitenden haben Anspruch auf Lohnfortzahlung Der Staat hat ciberbetriebliche Weiterbildungszentren zu subventionieren

5 2 Weiterbildunysmassnahmen mit dem Ziel des 4ufbaus von beruflichen Oualifikationen Nachholen Ungelernte, Angelernte und Wiedereinsteigerinnen mit veraltetem Berufswis- sen sollen eine Berufslehre nachholen und/oder berufliches Wissen neu auf- bauen konnen Im Visier dieser Massnahme stehen damit alle, die via BBG Art 41 eine Berufs- lehre nachholen wollen Die Verwirklichung identischer Massnahmen drangt sich auch fur Nicht- BIGA- Berufe auf Besonders Auslander der ersten Genera-

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tion oder Einwanderer. die keine Lehre absolvierten, aber faktische Berufsarbeit verrichten, sind hier angesprochen Betroffen sind aber auch alle nur auf einer niederen beruflichen Stufe Qualifizierten, die eine nachsthohere Qualifika- tionsstufe erreichen wollen Diese auszubauenden Massnahmen sollen verhin- dern, dass eine neue Klasse von Erwerbstatigen entsteht beziehungsweise wachst, denen bloss prekare Arbeiten zugewiesen werden, weil sie von der Entwicklung der Arbeitswelt abgekoppelt sind Andererseits soll bei der Be- hebung des Mangels an Fachkraften ein Vorgehen gewahlt werden, das der gesamtgesellschaftlichen Perspektive von besser verteilten Berufsqualifika- tionen Rechnung tragt Fur Wiedereinsteigerinnen verweisen wir auf den ent- sprechenden Abschnitt irn Kapitel uber die berufliche Forderung von Frauen Wir verlangen dieselben Massnahmen wie unter 5 1 aufgefuhrt Wer eine Berufslehre nach Art 41 absolviert, soll uber einen Arbeitsplatz verfugen kon- nen. der es ermoglicht, in der ganzen Breite und Tiefe des verlangten Berufsin- haltes tatig zu sein Die Arbeitsplatze durfen nicht so eng zugeschnitten sein, dass Lernen am Arbeitsplatz nicht mehr rnoglich ist Es muss auch moglich sein. wahrend der Arbeitszeit die Allgemeinbildung bis zu einem Standard, wie er an einer Lehrabschlussprufung verlangt wird, nachzuholen Wo notig, soll auch ein Sekundar- beziehungsweise Realschulabschluss nachgeholt werden Betriebliche Freistellung soll auch hier mithelfen, dieses Ziel leichter zu errei- chen Fur Arbeitslose sind vermehrt Kurse zu organisieren, die gleichzeitig von betrieblichen Praktika begleitet werden Was generell gilt. muss hier speziell beachtet werden dass alle Lernmassnahmen auf dem bisherigen Wissensstand aufzubauen haben und didaktisch massgeschneidert werden Wer inner- oder ausserbetrieblich grundlegende Qualifikationen nachholen wil l. kann dies in der Regel nicht in einem Kurs tun, der als Vertiefung der Bildung fur Fachar- beiterinnen und Facharbeiter konzipiert i s t Bezuglich des Wann? und des Wo? sollen die gleichen Voraussetzungen wie bei 5 1 gelten Die Finanzierung dieser Massnahmen soll wie bei 5 1 von den Arbeitgebern geleistet werden Da diese Qualifizierung zum Teil langere Zeit beansprucht, ist ein System vorzusehen, mittels dessen dem Arbeitgeber langere Absenzen des Arbeitnehmers und der Arbeitnehmerin durch den Staat oder sekundar auch durch paritatische Fonds vergutet werden Dies ist angebracht, weil die sonst auf dem Arbeitsmarkt ohnehin benachteiligten schwach Qualifizierten zusatzliche Schwierigkeiten haben, eine Stelle zu finden beziehungsweise zu halten Da die Betroffenen in ihrer Jugend eine berufliche Ausbildung verpasst haben, ist es nur recht. wenn ihnen der Staat nachtraglich eine Hilfe zugute kommen lasst Diese Massnahme der Qualifizierung der Unqualifizierten schreibt sich auch ein in ein Konzept der vernunftigen Behebung des Fachkraf- temangels Statt Fachkrafte abzuwerben. kann ein Unternehmen die eigene Belegschaft schubweise qualifizieren die unqualifizierten Arbeitnehmer wer- den zu qualifizierten auf der nachsthoheren Stufe weitergebildet, die qualifi- zierten zu hoher qualifizierten etc Ein solches uber mehrere Stufen sich ab- spielendes Qualifizierungsrnodell ist zweifellos vernunftiger ats die Abwerbung von Fachkraften Es ermoglicht, dass Neueinstellungen in den nieder qualifi- zierten Bereichen erfolgen

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5 3 Weiterbildungsrnassnahmen rnit dem Ziel des Anpassens beruflicher Quali- fikationen

Unter Anpassen verstehen wir hier ein kurzfristig einmaliges anwendungs- onentieires Lernen rnit dem Ziel, Kenntnisse zu erlangen, die sofort produktiven Einsatz ermoglichen Im Unterschied zur Vertiefung fehlt hier die Vermittlung des Hintergrundwissens Ein Beispiel wird in einem Betrieb eine neue Ma- schine eingefuhrt. sind die Beschaftigten zu instruieren, wie diese zu bedienen ist Von dieser Weiterbildungsmassnahme sind alle Beschaftigten betroffen, die sich auf neue Verfahren einstellen mussen

Wir verlangen, dass fur die Anpassung allen Arbeitenden genugend Lernphasen wahrend der Arbeitszeit garantiert werden Dabei spielt es keine Rolle, ob die ergriffenen Massnahmen am Arbeitsplatz oder betriebsextern erfolgen Weiter- bildungsmassnahmen mit dem Ziel der Anpassung stellen bereits heute eine Selbstverstandlichkeit dar Die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sollen aber keine Zeitopfer erbringen mussen Die Betriebskonimissionen sollen nicht nur bei der Gestaltung der Lernphasen. sondern bereits bei der Entscheidung uber betriebliche Erneuerungen mitbestimmen konnen

Die Massnahmen sollen wahrend der Arbeitszeit erfolgen Wo aus organisato- rischen Grunden Freizeit eingesetzt werden muss, soll diese ruckvergutet wer- den Die Arbeitgeber zahlen den Lohn fort Lernen, das wie hier bloss auf die unmittelbare Beherrschung neuer Maschinen und/oder Methoden und damit auf einen reibungslosen betrieblichen Ablauf zielt, wird immer notig sein Damit aber eine breite Qualifizierung der Beschaf- tigten Tatsache wird. soll das kurzfristige Anpassen w o immer moglich rnit einem vertiefenden Qualifizieren kombiniert werden Erst ir) diesem sinnvollen Zusammenspiel wird ein System durchbrochen. in dem sich die einzelnen nur in einem Einsatzbereich eines an sich umfassenden Arbeitsgebietes auskennen

5 4 Weiterhildungsniassnahmen rni t dem Ziel des Aufbaus neuer beruflicher Qualifikationen Umschulung

Unter dem Aufbau neuer beruflicher Qualifikationen und als Grundlage fur die diesbezuglich geforderten Massnahmen verstehen wir e/n Lernen, das als Reaktion auf wirtschaftliche Entwicklungszwange oder auch aus gesundheitli- chen Grunden einsetzt Im ersten Fall wird die Ausubung des gelernten be- ziehungsweise ausgecibten Berufes fur die Zukunft unsicher, weil dieser durch die Entwicklung uberholt beziehungsweise gefahrdet wird lm zweiten Fall sehen sich die Arbeitenden ebenfalls vor die Notwendigkeit eines Berufswech- sels gestellt Nur geben hier medizinisch gesundheitliche Grunde den Aus- schlag fur einen Berufswechsel Dieser Aufbau kann eine neue Berufstatigkeit oder eine Spezialisierung im angestammten Berufsfeld visieren Als Beispiele mogen dienen o Schriftsetzerinnen und Schriftsetzer, die sich auf Neue Technologien im

Bereich der Satz- und Bildverarbeitung umzuschulen haben o arbeitslos gewordene Uhrenarbeiterinnen und Uhrenarbeiter, die sich auf

einen neuen Beruf umschulen mussen

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e Primarlehrerinnen und Primarlehrer, die infolge Lehrerarbeitslosigkeit Heil- padagogik oder Sonderdidaktik zu studieren beginnen

Beabsichtigt ist also jeweils ein Berufswechsel Die Grunde dazu liegen jedoch nicht irn subjektiven Willen der Beschaftigten begrundet, sondern in einer o bje kt iven Notwendigkeit D iese M assna hrnen betreffen somit al le potentiel I von Arbeitslosigkeit Bedrohten In der Praxis wird es nicht immer leicht sein. einen Berufswechsel in die Kategorie ((objektiv notwendig)) oder «frei gewahlt)) [siehe Massnahmen 5 6 ] einzureihen Eine Losung dieser Frage wird wohl am ehesten zu erreichen sein. wenn die Vertragspartner und der Staat fur die einkomrnensmascige Abstutzung Listen jener Berufe erstellen. die in der je momentanen Lage eine Umschulung aus wirtschaftlichen Grunden und damit die unten aufgelisteten Massnahmen rechtfertigen

Wir verlangen e Freistellung fur kurzere Lernphasen e ein durch die ALV garantiertes Mindesteinkommen bei lang dauernden

Umschulungskursen/Zweitausbildungen e die Moglichkeit, neu Gelerntes in den Betrieben von professionellen Aus-

bildnern und Ausbildnerinnen begleitet anzuwenden e bei erfolgreich Umgeschulten muss die Moglichkeit bestehen, via Ver-

tiefungsmassnahmen den beruflichen Status der Facharbeiter und Fachar- beiterinnen zu erreichen

e eine Gestaltung des neuen Arbeitsplatzes. die eine Qualifizierung auch mittels informellen Lernens zulasst

Umschulungsrnassnahrnen sollen an langeren Kursen und am neuen Arbeits- platz erfolgen Als Lernorte kommen alle rnoglichen Weiterbildungstrager in Frage Was die Finanzierbarkeit angeht, sind sowohl die Berufsverbande, pri- mar aber der Staat angesprochen Dieser hat dafur zu sorgen, dass die entspre- chende Bildungsinfrastruktur existiert und dass die Menschen, die sich ihrer bedienen, uber ein regelmassiges Einkommen verfugen Je nach Umschul- ungs- oder Weiterbildungstyp ist dabei das Mittel der ALV, die praventiver ausgestaltet werden muss, oder von Stipendien zu verwenden

5 5 Weiterbildungsmassnahmen mit dem Ziel des Aufbaus von Zusatzqualifika- tionen

Beim Aneignen von Zusatzqualifikationen wird die berufliche, aber auch die allgemeine Kompetenz erweitert, ohne dass dies notwendig eine Anderung der Berufstatigkeit zur Folge hat Im Unterschied zur letzterwahnten Massnahme geht es hier nicht um ein Lernen, das von einer Notlage diktiert wird Dieser Aufbau von Zusatzqualifikationen schafft Kompetenz «auf Reserve)) Erst langfri- stig durfte sich diese auf die Arbeitstatigkeit auswirken Beispiele

e Arbeitnehrnerinnen und Arbeitnehmer wollen das Bedienen eines PC erler- nen. ohne dass betriebliche Erfordernisse dies notig machen

e Arbeitnehrnerinnen und Arbeitnehmer wollen eine Fremdsprache oder handwerkliches Gestalten lernen oder personlichkeitsstarkende Kurse be- suchen, ohne dass dies vom Betrieb verlangt wurde oder direkte und fundamentale Auswirkungen auf den Beruf hatte

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Unsere Forderungen gelten somit fur alle Bescha ftigten Wir fordern

e allgemeine Arbeitszeitverkurzung e Bezahlten Bildungsurlaub fur alle e Als Zusatzvariante dazu ein Bildungsguthaben pro Belegschaft, das von

dieser selbst verwaltet wird e Recht der Arbeitenden, das Arbeitspensum zeitweise zu verringern (unbe-

zahlter Urlaub. Sabbathjahr) a Vermehrtes Schaffen von Teilzeitstellen fur die, die dies wunschen Alle unsere Forderungen zielen darauf ab, fur Lernphasen dieser Art eine spezielle Frei-Zeit zu erreichen Zu einem grossen Teil werden dabei die firian- ziellen ((Opfer)) den Weiterbildungswilligen aufgelastet Dies ist gerechtfertigt. kann es doch nicht Aufgabe von Staat und von den Arbeitgebern sein, furjede Art von Weiterbildung aufzukommen Wichtiger als die finanziellen Regelun - gen ist, dass Zeit zu einem solchen lernen uberhaupt zur Verfugung gestellt wird und nicht den Ferien oder der Freizeit generell entnommen werden muss Dies ermoglichen die oben aufgefuhrten Massnahmen. Prioritar ist fur uns

4 dabei der bezahlte Bildungsurlaub Sekundar und als Zusatz ist auch ein Bildungsguthaben pro Belegschaft, das von dieser selbst verwaltet wird, denk- bar Ein gewisser Prozentteil der Arbeitszeit ware in diesem Modell weiterbil- denden Aktivitaten zu widmen Wollen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dabei das ihnen zustehende Kontingent nicht oder nicht voll ausschopfen. so konnen sie dieses teils oder ganz an Kolleginnen und Kollegen abtreten Was die Lernorte betrifft, sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt Ein guter Teil des gewerkschaftlichen Weiterbildungsangebotes ist auf diese Bedurfnis- se zugeschnitten Naturlich darf es bei einer solchen Regelung nicht vorkommen, dass der ganze Produktionsdruck einfach auf die ((Restbelegschaft)) abgeschoben wird, die dann denselben Umfang an Auftragen in Uberzeit zu erledigen hatte Entweder wird von Seite des Unternehmens die Annahme der Auftrage der Kapazitat der Belegschaft angepasst, oder es sind entsprechend Neueinstellungen vor- zunehmen

5 6 Weiterbildungsrnassnahmen mit dem Ziel eines Berufswechsels aus Eigen- interesse

Im Unterschied zur oben erwahnten Umschulung visiert diese Massnahme Er- werbstatige, die einen Berufswechsel beziehungsweise eine Umschulung aus frei gewahltern Entschluss und nicht aus einer objektiven Notlage heraus absol- vieren Klassische Zweitberuf- Beispiele sind Sozialarbeiter und Polizist Gemeint ist aber ebenso die Coiffeuse und der Coiffeur, die auf einen Buroberuf wechseln, wie die Maler, die Chauffeur beziehungsweise Chauffeuse werden wollen

Prinzipiell soll ein Berufswechsel allen offenstehen Neben einem Recht auf Teilzeitarbeit und der allgemein zu kurzenden Arbeitszeit soll der Staat mit Stipendien und Darlehen unter Einberechnung der finanziellen Eigenkraft der sich Weiterbildenden vermehrt als heute unterstutzend wirken

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5 7 Weiterbildungsrnassnahmen rnit dem Ziel au fstiegsorientierter Hoherquali fi- zierung

Wer einen beruflichen Aufstieg erreichen will, soll sich weiterbilden konnen Hoherqualifizierung berechtigt zum Einnehmen leitender Stellen [Erlangen eidgenossischer Diplorne, Absolvieren hoherer Fachprufungen. Polierschulen. Meisterkurse. aber auch Lerngange an allen hoheren Schulen] Wir fordern fur alle, die sich so weiterbilden wollen, die Moglichkeit, teilzeitig zu arbeiten Die obere beziehungsweise untere Grenze dieser Teilzeitpensen soll von den Arbeitenden selbst festgelegt werden konnen und nicht von den Schulen in einem restriktiven Sinne vorgeschrieben werden Stipendien und Darlehen sollen auch Minderbemittelten einen Zugang zu aufstiegsorientierter Weiterbildung ermoglichen Wir fordern ebenfalls eine erhohte Durchlassigkeit zwischen Berufslehre und hoheren, auch akademischen. Bildungsgangen Die den Zugang an die Universitaten sperrenden Barrieren sollen abgebaut wer- den Fur den Berufsmann und die Berufsfrau soll es rnoglich sein, ohne Nach- holen der Maturitat ein akademisches Studium zu beginnen Das Bestehen von je auf die Studienwahl hin konzipierten Prufungen kann dabei zur Vorausset- zung gemacht werden Als Lernorte kommen die aufgefuhrten schulischen Institutionen in Frage Grundsatzlich soll in der Freizeit gelernt werden Diese soll allerdings ausge- dehnt werden konnen Ausnahmen von diesem Grundsatz sollen immer da gemacht werden, wo sich nur auf einer niederen Stufe Qualifizierte auf eine nachsthohere Stufe weiterbilden Wo Hoherqualifizierung Nachholen oder Vertiefen im Sinne der zwei hier am Beginn des Kapitels erlauterten Massnah- men bedeutet, gelten die dort erwahnten Forderungen Die Abgrenzung von Massnahmen soll dabei auf der Ebene moglichst breit geltender Gesarntar- beitsvertrage [GAVs] erfolgen Wo im Rahmen der paritatisch verantworteten Weiterbildung hoherqualifizierende Kurse geplant sind, soll vom Grundsatz des Lernens in der Freizeit ebenfalls abgewichen werden Die Kosten sollen hierin wie bisher verteilt werden Die Verhandlungspartner sollen in nationalen oder moglichst breit geltenden GAVs festlegen, welche Hoherqualifizierungen aus den Mitteln der paritatischen Fonds finanziert werden sollen Ansonsten sollen die Weiterbildungswilligen fur die Kosten aufkommen, da die Weiterbildung sich spater in der Regel mit der Einnahme einer hoheren beruflichen Stellung und damit einem erhohten Salar auch finanziell auswirkt M i t einer grosszugi- gen Stipendienpolitik soll der Staat allerdings Hartefalle zu verhindern helfen

5 8 Weiterbildungsrnassnahmen r n i t dem Ziel derVermehrung von soziokulturel- len Quali fikationen

Berufliche Weiterbildungsinitiativen sind notig Es muss jedoch der Gefahr entgegengesteuert werden, dass die berufliche Weiterbildung die Aspekte einer personlichen und soziokulturellen Qualifizierung total verdrangt Die Beschaftigten mussen sich auch personlich und auf die Allgemeinheit gerichtet weiterbilden konnen Wir schlagen dazu vor, das Recht aufeine Woche bezahl- ten Bildungsurlaub gesetzlich zu verankern Wir verzichten hier auf weitere Ausfuhrungen und verweisen auf die 1987 erschienene Broschure des SGB zu m beza h I te n B i Id u n g s u r I a u b [ )) E eza h I te r 6 i Id u n g s u r I a u b» , 1 9 8 71

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6. Andere Massnahmen

6 1 Probleme der Abgrenzung In der Praxis wird es sicher nicht immer leicht sein, den Qualifikationsstand eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin so zu beurteilen, dass fur ihn oder sie klar eine der unter dem vorangehenden Kapitel erwahnten Massnah- men zutrifft Auch wird es nicht immer leicht sein, Grenzen zwischen den einzelnen Massnahmen zu ziehen So durften etwa zwischen Weiterbildung mit dem Ziel der Vertiefung und des Aufbaus von Zusatzqualifikationen, zwi- schen Umschulung und Aufbau von Zusatzqualifikationen sowie zwischen Umschulung, die aus vorgegebener Notlage oder freiem Weiterbildungswillen erfolgt, diffuse Grenzbezirke herrschen Ein generelles Konzept, wie es hier vorliegt, kann nicht im Detail regeln, welche konkreten Inhalte von wem wie lange wo zu lernen sind Deshalb bleibt dieses Konzept auf Grundzuge be- schrankt Dies zeigt, wie notig bei einer inhaltlichen Konzeption der Weiterbil- dung Mitbestimmung der Beschaftigten und ihrer Organisationen ist

6 2 Un fallverhutung. neue Werkstoffe, Fragen des Umweltschutzes Die im 5 Kapitel erhobenen Forderungen umfassen nicht die gesamten Mass- nahmen, die in Zukunft zu treffen sind Weiterbildung muss sich auch mit Fragen der Unfallverhutung. des Umwelt- und Gesundheitsschutzes sowie mit den Gefahren, die aus dem Umgang mit neuen gifthaltigen Werkstoffen resul- tieren, befassen Weiterbildung, die der U nfallverhutung. dem Umweltschutz und dem Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz dient, kann zwar durchaus als Teil der vertiefenden Weiterbildung betrachtet werden Sie kann aber auch in eigens dazu konzipierten Lehrgangen betrieben werden. wobei die Lernorte sowohl betriebsintern wie -extern sein konnen Fragen im Schnittbereich von Arbeitsmedizin und Arbeitsgestaltung mussen in die Weiterbildung einfliessen

6 3 Beratung und Forschung Auszubauen ist die Erwachsenenberufsberatung Notig ist ein sandiger Infor- mationsfluss zwischen dieser. den Unternehmen, den Arbeitenden und den Weiterbildungs-Tragern Daraus soll auch eine bessere Ubersicht uber das Weiterbildungsangebot resultieren Auch die Gewerkschaften konnten ver- mehrt solche Beratungsdienste anbieten In die Weiterbildung haben auch die Erkenntnisse wissenschaftlicher For- schung einzufliessen Deren Reservoir wird bei der inhaltlichen Konzeption von Weiterbildungsbausteinen anzuzapfen sein Von der Wissenschaft allein darf aber die Losung der Frage, was gelernt werden soll, nicht erwartet werden Die inhaltliche Bestimmung und Zuordnung der Weiterbildung kann immer nur Resultat eines Prozesses sein, bei dem alle Beteiligten mitgewirkt haben Auch hier zeigt sich wieder. wie wichtig die Forderung nach Mitbestimmung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und ihrer Organisationen ist

6 4 Zertifikate Allen sich Weiterbildenden sollte eine Teilnahmebescheinigung ausgehandigt werden Daraus musste ersichtlich sein. welche Inhalte der Kurs zu vermitteln

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anstrebte. Der Arbeitnehmer und die Arbeitnehmerin verfugten so uber einen Bildungsnachweis, w a s die Transparenz auf dem Arbeitsmarkt erhohte Dass diese nur bei einer gewissen Standardisierung erreicht werden kann, versteht sich indessen von selbst Anders stellt sich die Frage bei einem eigentlichen aufgrund einer Prufung erstellten Zeugnis Solche Zeugnisse haben zwar den Vorteil. dass sie 1 zu einer Transparenz der Kompetenz beitragen, die auf dem Arbeitsmarkt

sowohl im Interesse der Arbeitnehmer wie der Arbeitgeber liegt und 2 in einer auf Titel und Abschlucsen fixierten Bildung motivationsbildend

wirken konnen Auf der andern Seite haben sie aber den Nachteil, dass sie Unsichere abschrek- ken und einen Leistungszwang produzieren, der sich bloss auf die Prcifung hin orientiert Zudem konnen solche Zeugnisse den Zugang zu Weiterbildcings- Veranstaltungen zu sehr formalisieren und hierarchisieren und bedeuten bei inhaltlichen Anderungen immer auch ein gerutteltes Mass an administrativer Arbeit Ausser bei selbstverstandlichen Fallen wie beim Nachholen einer Berufslehre nach Art 41 BBG, einer Zweitausbildung oder einer aufwartsorientierten Wei- terbildung [zum Beispiel hohere Fachprufung] wird die Frage nach standar- disierten Abschlusszeugriissen fur vertiefende Weiterbildungsgange vorteilhaft auf Branchenebene entschieden

6 5 Fragen der Motivation

Weiterbildung wird nur Erfolg haben, wenn sie motiviert angegangen wird Das darf nicht selbstverstandlich erwartet werden Andert sich durch Weiterbil- dung nichts am Qualifikationsstand. wird in der Folge das genau gleiche Abhangigkeitsverhaltnis am Arbeitsplatz erlebt, dann wirkt sich dies nicht gerade motivierend aus Neben diese grundcatzliche Erwagung tritt eine Erfah- rungstatsache Viele Beschaftigte haben eher schlechte Schulerfahrungen ge- macht, sie haben bei betriebsexterner Weiterbildung eventuell mit Hemm- schwellen zu kampfen Diese werden am besten uberwunden. wenn die Or- ganisation der Weiterbildung nicht an das Schulzimmer von einst erinnert Das Lernen in Gruppen, ein Abbau des frontalen Unterrichts oder eine starke Durchsetzung desselben mit verarbeitenden und evaluativen Phasen sowie eine Dozentenrolle. die eher an Beratung und Begleitung orientiert ist, sind methodische Voraussetzungen fur eine alle motivierende Weiterbildung Ein breiter Arbeitsplatz und damit die Moglichkeit zu vermehrtem informellen Lernen ist in diesem Kontext auch insofern von Bedeutung, als ein solches Lernen Voraussetzungen dazu schafft, Hemmschwelleri fur die Absolvierung betriebsexterner Weiterbildung abzubauen Ebenso sind die Lernschritte und das Lerntempo den Voraussetzungen der Weiterbildungswilligen anzupassen Dabei ist an die betriebliche Erfahrung anzukncipfen So wird vertiefende Weiterbildung als Beitrag zur Bildung einer Kompetenz erfahren, die immer auch einen Bezug zur konkreten Arbeitswirklichkeit aufweist

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6 6 Finanzen

Die Frage der Finanzierung der Weiterbildungsmassnahmen ist im vorange- henden Kapitel bereits angeritzt worden Der Meinung, Weiterbildung sei immer eine Angelegenheit beider ((Sozialpart- nern, und die Kosten, aber auch die Zeitopfer. seien daher zu teilen, widersetzen sich die SGB-Gewerkschaften W o Weiterbildung ~ sei sie vertiefend, er- weiternd, anpassend oder nachholend ausgerichtet - dazu dient, sich an einen neu geltenden Standard in der Arbeitswelt anzupassen, darf von den Beschaf- tigten keine finanzielle Beteiligung erwartet werden Die Kosten fur diese Weiterbildung haben primar die Arbeitgeber zu ubernehmen Der Staat hat eine subsidiare Rolle zu spielen Dies rechtfertigt sich dadurch, dass der Staat ja auch einen bedeutenden Teil der beruflichen Grundausbildung ubernimmt Wenn sich nun entwicklungsbedingt das Modell der zeitlich klar getrennten Phasen Lernen und Erwerben in ein dauerndes Ineinander zu verschieben beginnt. dann kann sich der Staat nicht aus seiner finanziellen Verantwortung wegstehlen Wie in den einzelnen Massnahmen erwahnt, wird der Staat vor allem fur Infrastrukturkosten Finanzen locker machen mussen Gleichzeitig muss er sich finanziell intensiver fur die Un- und Schwachqualifizierten einsetzen Im Be- reich aufstiegsorientierter Weiterbildung ist vor allem eine Neukonzeption der Stipend ien po I it i k not ig Zudem drangt sich die Schaffung eines Weiterbildungs-Fonds auf Branchen- ebene auf Die Unternehmen sollten in einen solchen einen Beitrag einzahlen. dessen Hohe sich nach deren Umsatz bemisst Verwaltet werden sollten solche jeweils fur eine Branche geltenden Fonds gemeinsam von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen und dem Staat Damit sich Unternehmen nicht von dieser Aufgabe drucken konnen. drangt sich eine gesetzliche Regelung auf Unternehmen. die bereits selbst uber die gesetzliche und vertragliche Norm hinaus Weiterbildung betreiben. konnten dabei entlastet werden Dies aber nur dann, wenn den so Lernenden transferierbare Qualifikationen vermit- telt werden Im Kanton Genf ist ein solcher Weiterbildungs-Forids bereits verwirk1 icht

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7. Wie sollen die Gewerkschaften mit diesem Konzept umgehen?

Das vorliegende allgemeine Weiterbildungskonzept hat den Charakter eines Leitbildes Das Konzept im Detail inhaltlich zu fullen, ist Aufgabe der einzelnen Gewerkschaften Dazu mussen die einzelnen Gewerkschaften Arbeitsgruppen bilden. die fur ihre Branche, respektive die einzelnen Berufe feststellen 1 Wie die Ziele der Vertiefung, des Nachholens, der Anpassung und der

weiteren Massnahmen gegeneinander abgestimmt werden konnen 2 M i t welchen konkreten Inhalten diese Massnahmen zu fullen sind 3 Welche Art von Weiterbildung welche Berufstatige benotigen Die so definierten Resultate sollen die Gewerkschaften in den Gesamtarbeits- vertragen [GAVs] festschreiben Ein fur eine ganze Branche geltender Vertrag wird die Weiterbildung aber nicht immer so feingliedrig regeln konnen Wo die

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Festlegung eines differenzierten Weiterbildungsteiles in einem nationalen Ver- trag nicht moglich ist, ist in diesem GAV ein spezielles Gremium zu schaffen, das die Weiterbildung operationalisiert Ein solcher Rahmen-GAV hat somit bloss das Recht jedes einzelnen Arbeitnehmers und jeder einzelnen Arbeitneh- merin auf Weiterbildung und das Ausmass der dazu im Minimum notigen Freistellung festzulegen Die inhaltliche Feingliederung der Weiterbildung, die Antwort auf die Frage, wem wieviel w o und w a s an Weiterbildung zugute kommen soll, ware somit dem rnit Vorteil paritatischen Weiterbildungs-Gre- mium zuzuweisen. Dazu ist dieses im Rahmen-GAV rnit griffiger Kompetenz auszurusten Je nach Angebotsbreite soll den betroffenen Individuen eine Wahl- und Mitendscheidungsrnoglichkeit offen gelassen werden Wo Be- '

triebskomrniscionen existieren, sollen auch diese mitbestimmen konnen Dies betrifft insbesondere auch den Bereich des informellen Lernens am Arbeits- platz In die Verantwortung des SGB wird es fallen, auf staatlich-gesetzlicher Ebene Massnahmen einzuleiten, die dazu beitragen. dass Weiterbildung als ein alien zugangliches Recht konzipiert wird

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3. Teil: Berufsbildung für Frauen

I . Die berufliche Grundausbildung von Frauen a) Frauen bleiben haufiger ohne beruflichen Abschluss Die Mehrheit der schulentlassenen jungen Madchen absolviert heute eine berufliche Grund- oder eine andere Ausbildung Aber dennoch bereits ein kurzer Blick auf die Statistik zeigt, dass die Frauen - obwohl sie aufholen ~ in der beruflichen Bildung gegenuber den Manriern benachteiligt sind

Ausbildung der 2ûjahrigen Aus b i I d u ng (Sekundarstufe I l ) 1979180 1984185 1986187 1987/88 Berufsbildung Total 65 68 70 72

Frauen 54 59 63 66 Mittelschule Total 14 14 14 15 Manner 13 14 14 15 Frauen 13 1 5 15 15 keine Total 21 18 16 13 Manner 1 2 10 8 7 Frauen 33 26 2 2 19

1

Manner 75 76 78 78

Quelle BFS

So haben im Schuljahr 1987/88 19% aller zwanzigjahrigen Frauen keine oder doch keine institutionell genugend abgesicherte Ausbildung nach der Schul- entlassung absolviert

6 ) Das Berufsspektrurn fur Frauen ist eingeengt Die Liste der 4 am haufigsten gewahlten Beriifsarten zeigt folgendes Bild

Die vier meistgewahlteri Beiufsarten 1987/88 Frauen Manner

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Buro 39% Metall und Maschinen 3 3% Verkauf 1 9 % Bur0 17% Heil be hand I u ng 16% Technische Berufe 8%

Total 80% 65% Korperpf lege - 6% Holzbearbeitung 7% -

Ouelle BFS

Diese Wertezeigen. dassdas Berufs( bi1dungs)spektrum der Fraueneingeengt ist

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c) Madchen werden weniger lang ausgebildet

Madchen Wahlen nicht nur in einem engen Berufsspektrum. Die dort dominan- ten Berufe weisen eine kurzere Ausbildungszeit aus. Die Statistik uber die Eintritte in eine Berufsausbildung nach Ausbildungsdauer und Geschlecht zeigt folgendes Bild.

Berufsschuler/innen nach Ausbildungsdauer, I987/88 Dauer Manner Frauen

absolut % absolut % 1 Jahr 1 % und 2 Jahre 2% und 3 Jahre 3% und 4 Jahre unbestimmt

4173 3 7 671 8 6 734 5 24 469 24

53 952 39 60 202 59 72 838 52 7816 8

1271 1 1379 1 Total 138 968 1 O0 98 897 1 O0 Quelle BFS

Madchen werden somit eindeutig weniger lang ausgebildet als Knaben Im Geschlechtervergleich absolvierten im Schuljahr 1985/86 1 O0 Madchen 276 berufliche Ausbildungsjahre, 1 O0 Knaben 337 Ausbildungsjahre Die mittlere Dauer einer mannlichen beruflichen Primarbildung war damit um 0.6 Jahre oder gut 7 Monate langer Dieser Abstand hat sich - wie die aktuellsten Zahlen zeigen ~ nicht verringert

d) Madchen werden weniger intensiv ausgebildet

Fur den informellen Lernbereich am einzelnen Arbeitsplatz lasst sich dies nicht eindeutig belegen Eine klare Sprache sprechen aber die Zahlen uber den B M S- Besuc h

BMS- Besuch total Manner in % Frauen in %

1986187 5 699 4317 76 1382 24 1987188 5 749 3 933 86.5 1816 31.5 Quelle BFS

Die Zahlen bezeugen fur die Madchen zwar einen Aufwärtstrend. zeigen aber deutlich, dass sie an der BMS weiterhin untervertreten sind Denn in beiden Jahren betrug der Madchenanteil am Gesamt der eine Berufsschule Absol- vierenden rund 41% Die Zahlen sind also symptomatisch dafur zu nehmen, dass Madchen fur einen beruflichen Aufstieg weder genugend motiviert sind, noch genugend motiviert werden Dass fur Verkaufslehrlinge kein BMS-Be- such moglich ist. zeigt zusitzlich, wie die beruflichen Entwicklungsmoglich- keiten der Madchen eingeschrankt werden

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Wenn wir zusammenfassen.

gelangen wir somit zum eindeutigen Schluss, dass die Madchen in der Berufs- bildung negativ diskriminiert sind Auf einen Nenner gebracht Deutlich weni- ger Frauen als Manner bilden sich beruflich aus Deren Ausbildung erfolgt zudem in einem deutlich engeren Berufsspektrum. in deutlich kurzerer Zeit und in deutlich schwacherer Intensitat Diese Kumulation einer vierfachen Benach- teiligung von Frauen gegenuber Mannern weist darauf hin, dass die Berufsbil- dung an einem strukturellen Defizit krankt Dieses wiegt umso schwerer, als die einzelnen Faktoren der vierfachen Benachteiligung von Frauen nicht auto- nom sind, sondern sich gegenseitig bedingen Dieses strukturelle Defizit, das Frauen in der Berufsbildung erfahren, kann grob zweifach erklart werden Die erste Erklarung tendiert darauf hin, dass die Gesellschaft objektiv weiterhin kein grosses Interesse an weiblicher Emanzipa- tion hat und deshalb bewusst oder unbewusst nicht alle moglichen Barrieren wegraumt Somit gelangen Frauen zu einer im Durchschnitt schlechteren Berufsbildung als Manner Das andere Erklarungsmuster setzt bei den Frauen selbst an Vertreter dieser Deutung behaupten, die Madchen wurden ge- schlechtsspezifisch ihren Beruf Wahlen, seien mit dieser Wahl meist zufrieden und deshalb auch nicht fur mehr Experimentierfreude in Richtung einer lange- ren, breiteren und intensiveren Berufsbildung zu haben Beide Erklarungsan- Satze sind nur scheinbar kontrar In der Praxis bedingen sich vielmehr die objektive und die subjektive Ebene Oder anders ausgedruckt die Madchen haben jene Werte, Normen und Verhaltensweisen, die ihnen eine spezifische Beru fsbildung vorschreiben, verinnerlicht Dies mussen alle Reforrnkonzepte und Einzelrnassnahrnen, die an der Benachteiligung der Frau in der Berufsbil- dung etwas andern wollen. in Betracht ziehen Sie rnussen gleichzeitig den subjektiven Erfahrungshorizont und die Wertvorstellungen von Madchen auf- brechen und damit verknupft eine Anderung der objektiv vorgegebenen Kon- stellationen in der Berufswirklichkeit anstreben Die Benachteiligung in der Berufsbildung - aber nicht nur sie allein - schrankt die berufliche Entwicklungsfahigkeiten der Frauen ein Auf dem Arbeitsmarkt und am Arbeitsplatz erfahren Frauen ein grosseres Abhangigkeitsverhaltnis Die Moglichkeit. die berufliche Position zu verbessern, ist geringer ausgepragt als bei den Mannern Die Gefahr, in prekare und damit in ausbeutungsahnliche Arbeitsverhaltnisse gezwungen zu werden, is t grosser als bei Mannern Nied- riger Lohn behindert eine ganzheitliche Selbstandigkeit Zudem sind schwach ausgebildete Frauen am ehesten Rationalisierungsopfer und werden damit zur beruflichen Manovriermasse Alle hier erwahnten Benachteiligungen, die sich im Verlauf einer Berufslauf- bahn noch verscharfen. sind naturlich nicht ausschliesslich durch die Benach- teiligung in der Berufsbildung bedingt. Die verinnerlichten biografischen Ent- wurfe bedingen die durch die beruflich schwachere Bildung begrundete unter- privilegierte Stellung der Frau im Erwerbsleben - und umgekehrt Frauen sind aber mehr als nur ein je nach Gang der Konjunktur zusatzlich montiertes Rad am Wagen der Wirtschaft Die ausgepragte Rollenzuweisung in und rund urn die Berufswirklichkeit ist deshalb aufzubrechen Dies bedeutet aber auch, dass die Manner in den typisch den Frauen zugewiesenen Rollen einen grosseren

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Teil an Verantwortung wahrnehmen mussen Gelingt es nicht, sie vermehrt an Erziehungs- und Haushaltsarbeiten teilhaben zu lassen, durfte die Chance zu einer beruflichen Emanzipation der Frauen, die diesen Namen verdient, vertan sein Eine neue Rollenteilung zwischen Mann und Frau rund um die Pole Produktion und Reproduktion ist notig ~ und das ist erheblich mehr als nur den Prozentsatz derjenigen Madchen zu steigern, die eine gewerblich-industrielle Berufswahl treffen

2. Massnahmen, um die starre Rollenteilung aufzubrechen

a) Schule e

e e

e

b) e

e e e e

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c) e

e e

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d ) e

Wahrend dem 1 -8 Schuljahr gleiche Lehrplane fur Knaben und Madchen Unterricht im Kochen, Werken, textilen Werken, in naturwissenschaftlichen Fachern usw den Madchen und Knaben gemeinsam erteilen Abschaffung der Lehrmittel rnit einseitiger Rollendarstellung Die Lehrkrafte sollen die eigene Einstellung zur traditionellen Rollenver- teilung und zur traditionellen Berufswelt uberdenken Die Rolle der Geschlechter und die Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau in Beruf und Familie sollen in den lebenskundlichen Bereich und in andere Facher einfliessen

7 bis 9 Schuljahr Im Beriifskundeunterricht mussen beide Geschlechter uber die gesamte Breite des Berufsspektrums informiert werden Die Eltern sollen in den Berufskundeunterricht einbezogen werden Gleiche Betriebsbesichtigungen fur Knaben und Madchen. Schnupperlehren fur Schulerinnen in gewerblich-technischen Berufen Berufstatige Frauen aus dem gewerblich-technischen Bereich zu Klassen- besprechungen einladen Im Berufskundeunterricht sollen Erfahrungen von Frauen in untypischen Berufen ausgewertet werden

Berufsberatung DasThema Chancengleichheit in der Berufsbildung istwahrend der Ausbil- dung der Berufsberater und Berufsberaterinnen speziell zu behandeln Berufsberatungsstellen sind nicht nach Geschlechtern getrennt zu fuhren. In Dokumentationen und in Gesprachen sind immer mannliche undweibl i - che Berufsbezeichnungen zu verwenden In der Berufsberatung, aber auch in allem ubrigen Werbe- und Dokumenta- tionsmaterial zur Berufsbildung, sollen die Berufe nicht geschlechtsspezi- fisch vorgestellt werden Ratsuchende rnit geschlechtsunspezifischen Berufswunschen sind bei der Lehrstellensuche tatkraftig zu unterstutzen

Berufliche Grundausbildung Das Schlagwort ((Madchen in Mannerberufen ist zu hinterfragen Es darf nicht als Vorwand dazu dienen. Madchen in solche Mannerberufe zu schleusen, die in absehbarer Zukunft von der technologischen Entwicklung

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uberholt sind W o sich Anforderungsprofile eines Berufsfeldes andern oder spalten, ist dafur zu sorgen, dass Madchen wie Jungen dieselbe Qualifika- tionsbreite zuteil wird

o Die offentlichen Lehrwerkstatten sollen Madchenquoten erlassen Dassel- be gilt fur grossere Unternehmen, die technische Lehren anbieten

o Den Madchen der zweiten Auslandergeneration ist spezielle Beratung zu bieten Wo vor allem sprachliche Grunde dafur ausschlaggebend sind. dass keine oder nur eine unbefriedigende berufliche Grundausbildung absolviert wird, ist ein entsprechendes Stutzkurswesen auf- bzw auszubauen

o Die Lehrstellenausschreibung soll immer in mannlicher und weiblicher Form erfolgen

o Die Berufsschule hat Frauen und Manner fur die gleichen Wahlfacher zu motivieren.

o Weibliche Lehrlinge. die eine geschlechtsuntypische Ausbildung ergriffen haben, sollen in organisierten Treffen einen regelmassigen Erfahrungsaus- tausch betreiben konnen

Fur alle Ausbildenden bzw Ratgebenden auf al l den hier erwahnten Stufen gilt gleichermassen, dass die Thematik ((Rollenfixierung in der Berufsbildungx in ihre Weiterbildung einzufliessen hat Als selbstverstandlich muss auch das Prinzip ((gleiche Arbeit ~ gleicher Lohn)) gelten

C.

e) Weiterbildung

Alle im generellen Weiterbildungsteil dieses Konzepts verlangten Massnahmen gelten fur Manner wie Frauen Dennoch mussen fur Frauen Massnahmen ergriffen werden, die mehr als bloss flankierend sind o Fur Familienverantwortliche (Manner und Frauen), die dies wunschen,

mussen vermehrt sozial abgesicherte Teilzeitstellen geschaffen werden o Grossere Betriebe sollen Kinderhorte betreiben. womit die Moglichkeiten

gemeinsamer Mahlzeiten gegeben sind Kleinere Betriebe sollten dies im Verbund ebenfalls tun

o Das Angebot an Tagesschulen muss ausgebaut werden Eine breite Palette von Kinderbetreuungsmoglichkeiten soll allen Eltern zur Verfugung stehen Ki n de r k r i p pe n , K i n d e r h o rt e, S c h u I er c I u bs Tag es m u tt e rve r e i ne so I I en u n - terstutzt werden

Da die betriebliche Praxis zeigt. dass die Frauen in der beruflichen Entwicklung benachteiligt sind. sind sie in der Weiterbildung speziell zu fordern Weiterbil- dungskurse sollen vermehrt auf Familienpflichten Rucksicht nehmen und des- halb in Kurzblocken geboten werden Die Gewerkschaften konnen sich hier profilieren nicht nur, indem sie vertragspolitisch eine allen zugangliche Weiter- bildung durchsetzen, sondern auch, indem sie im Bereich personlichkeitsstar- kender Bildung fur Frauen vermehrt als Kurstrager hervortteten Die Gewerk- schaften sollten ebenfalls das Thema ((Partnerschaftliche Teilung der Hausar- beit» kursmassig angehen Zudem sollen sie Betriebskommissionsmitglieder in der Frage der Frauenforderung schulen Vertraglich sollten auch paritatische Gremien mit dem Ziel der Weiterbildungsforderung fur Frauen durchgesetzt werden

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Besondere Massnahmen fur Frauen drangen sich aber geradezu gebieterisch beim Wiedereinstieq auf1

Haben wiedereinsteigende Frauen noch Kinder zu betreuen, sind fur sie genugend Teilzeitstellen zu schaffen Wollen wiedereinsteigende Frauen eine Ausbildung nachholen, dann mus- sen die fur verschiedene Berufe geltenden Alterslimiten abgeschafft wer- den Die Moglichkeit des Nachholens einer Berufsausbildung nach Art 41 BBG muss auf Nicht-BIGA-Berufe ausgedehnt werden Die Berufsberatung ist zu unterstutzen, damit sie vermehrt Gruppen- und Paarberatungen durchfuhren kann Wiedereinsteigende Frauen sollen sich sowohl am Arbeitsplatz wie be- triebsextern an Kursen, die ihre berufliche Kompetenz auf den neuesten Stand bringen, weiterbilden Diese auch an Berufsschulen angliederbaren Kurse sind zu fordern, die Absolventinnen sollten Stipendien beziehen konnen Nicht nur, aber gerade auch beim Wiedereinstieg zeigt sich die Schaffung kantonaler Frauenforderungsstellen, die uber griffige Kompetenz verfugen, als notwendia an

Dies sind einige Massnahmen dafur. dass sich in der beruflichen Aus- und Weiterbildung die Entwicklungsmoglichkeiten der Frauen denjenigen der Manner angleichen Sie dienen dazu, dass der in der Bundesverfassung erklar- ten Gleichheit der Geschlechter auch Taten folgen Soll diese Gleichheit nicht nur papierene Wirklichkeit bleiben, dann mussen allerdings zum ersten die Lohnunterschiede zwischen Manner- und Frauenarbeit endlich aufgehoben und zum zweiten die ((typischen Frauenberufe)) durch die Verbesserung der Arbeits- und Lohnbedingungen aufgewertet werden

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