12
4 K 287 Ist das zuvi el verlangt? Wenn in einem Betrieb eine neue Ma- schine zum Einsatz kommt, dann kann mehr produziert werden in weniger Zeit. Wenn die gesamte Produktion mit neuer Technologie reorganisiert wird, kann mehr produziert werden in weniger Zeit. Wenn weltweit die besten Standortemiteinan- der verbunden sind über neue Informati- ons- und Kommunikationsverbünde unter Einsatz von Satelliten, kann mehr produ- ziert werden in weniger Zeit. Wenn welt- weit dort, wo die Rohstoffe sind, produ- ziert wird, wenn also die Hemden dort hergestellt werden, wo die Baumwolle wächst und der Stahl dort, wo das Eisen- erz gefördert wird, kann von all dem mehr produziert werden in weniger Zeit. Wir müßten also, so gesehen, alle weniger ar- beiten und nnten besser leben. Ist das zuviel verlangt? Warum, zum Teufel, müs- sen dann 800 Millionen Menschen auf der Welt hungern, warum gibt es bei uns in den reichsten Ländern Erwerbslosigkeit, Jagd nach Zweitjobs, Scheinselbständigkeit, warum Vermehrung der Obdachlosen, der Sozialhilfeempfänger, während in den Betrieben unter dem Namen Gruppenar- beit(ohne daß die klassischeAntreibe- rei durch Meister und Kalkulatoren irgend- wo verschwunden wäre) die tägliche Schwitzolympiade gefahren wird und die Hundte1 die 40-Stunden-Woche wieder zum Standard machen wollen. Gl obalisi erung: Regen ll t doch auch auf Reich und Arm? Früher, in unvordenklichen Zeiten, hieß es mal: Das ist halt Kapitalismus und wenns Dir nicht paßt, dann gehdoch rüber. Aber heute - man ist ja innovativ - sind die alten Klamotten weggepackt. Jetzt ist Globalisierung, und das ist bekannter- maßen ein Naturereignis, noch weniger beherrschbar als das Wetter. Für die einen bringt sie Sonne und für die anderen Käl- te und Frost. Und bekanntlich gibt es ja auch kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Bekleidung. Wer also friert, ist selbst dran schuld. Und wers dann noch nicht glaubt, für den hält man bereit - wie modern und kundenorientiert: den Tsche- chen, den Polen, und die Kulis in Malay- Wenn wi r e s sc ha ff en end li c h b illi ger zu arbe i ten a l s d i e Ta i wane s en d i e b illi ger arbe i ten a l s d i e Süda fri k aner d i e b illi ger arbe i ten a l s d i e Gri e c hen d i e b illi ger arbe i ten a l s d i e Span i er d i e b illi ger arbe i ten a l s d i e Po l en d i e b illi ger arbe i ten a l s d i e Japaner d i e b illi ger arbe i ten a l s wi r dann brau c hen wi r nur no c h b illi ger zu arbe i ten a l s d i e zwang s arbe i tenden K i nder au f den Ph ili pp i nen um end li c h Pl atz e i ns au f der We l trang li ste e i nzunehmen . Knut Be ck er 1 Herr Dieter Hundt ist als Vorsitzender der mächti- gen Kapitalistenorganisation Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände(BDA) mit dieser Forderung hervorgetreten. sia oder die blauen AmeisenChinas, den Ausländer an sich. Denen wird dann un- terstellt, daß sie zum Nulltarif 24 Stunden am Tag arbeiten wollen und dafür noch danke sagen, angeblich mit dem einzigen Ziel, unsereArbeitsplätze kaputt zu ma- chen. Die Propagandaformeln der Bour- geoisie, die uns noch am Trommelfell sur- ren: Stärkung der internationalen Kon- kurrenzfähigkeit-abgelutscht? Standort Deutschlandausgelaugt? Keineswegs! Nur mit dem Begriff Globalisierung erhal- ten sie noch die besondere Note des Un- vermeidlichen, des Fortschritts, der eben seine Opfer kostet, dem man sich anzupas- sen hat - oder untergeht. Wird nicht auch in diesem weltumspannenden Prozeß der alte Hader zwischen den Nationen hinfäl- lig und Klassen und Klassenkampf zur Absurdität? Rückt nicht dank der Ent- wicklung neuer Informations- und Kom- munikationstechnologien die Perspektive in greifbare Nähe, daß die Welt zu einem globalen Dorfzusammenwächst, in dem jeder mit allen sich verständigen kann und sich alles nach den Gesetzen des Marktes - und damit zum Besten in der besten aller möglichen Welten reguliert? Gl obalisi erung 1989ff.: Schranken ni ederrei ßen Aber etwas ist ja passiert - weniger daß da etwas zusammengewachsen wäre, als daß es ihnen jetzt wieder gehört - im Ge- folge des Jahres 1989, das die üppige Ver- wendung des Begriffs Globalisierung ge- fördert hat: die Beendigung des sog. Ost-West-Konflikts. So wird der Kon- flikt offiziell genannt, der 70 Jahre des 20. Jahrhunderts geprägt hat, und weniger eine Frage der Himmelsrichtungen war, son- dern eine Form der weltweiten Klassen- auseinandersetzung zwischen Bourgeoisie und Proletariat, eine Form des Kampfs von Kapitalismus und Sozialismus. Diese be- sondere Form des Klassenkampfs war ge- kennzeichnet durch die Schaffung des er- sten proletarischen Staats, die Sowjetuni- on, und weiterer Staaten, die den Weg des Sozialismus gehen wollten. An diesem Abschnitt hat die internationale Arbeiter- bewegung seit 1989 mit der Einverleibung der DDR durch den deutschen Imperialis- mus und schließlich mit der Zerschlagung der UdSSR eine schwere Niederlage erlit- ten mit Auswirkungen auf alle anderen Formen, Fronten und Abteilungen des Klassenkampfs. Mit dem sympathischen Wort Globalisierungsoll die Offensive des Kapitals verhüllt werden, in der es Schranken für seinen weltweiten Repro- duktionsprozeß niederzureißen und seine unumschränkte Herrschaft zu erweitern sucht. Worin best anden di e Schranken? 1. Die wichtigste Schranke bestand in dem seit der Oktoberrevolution erfolgen- den Abfallen der Sowjetunion und weite- rer Länder vom kapitalistischen Weltsy- stem. Globalisierung bedeutet daher die Wiederherstellung der direkten unum- schränkten Herrschaft des Kapitals in die- sen Ländern seit 1989 (dessen Einfluß seit Globalisierung We ss e n We l t i s t d i e We l t ?

W essen W elt ist die W elt? · 2008-10-18 · te rs te llt, d a § s ie z u m N u llta rif 2 4 S tu n d e n a m T a g a rb e ite n w o lle n u n d d a f r n o c h d a n k e s a ge

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: W essen W elt ist die W elt? · 2008-10-18 · te rs te llt, d a § s ie z u m N u llta rif 2 4 S tu n d e n a m T a g a rb e ite n w o lle n u n d d a f r n o c h d a n k e s a ge

4 K 287

Ist das zuviel verlangt?Wenn in einem Betrieb eine neue Ma-

schine zum Einsatz kommt, dann kannmehr produziert werden in weniger Zeit.Wenn die gesamte Produktion mit neuerTechnologie reorganisiert wird, kann mehrproduziert werden in weniger Zeit. Wennweltweit die „besten Standorte“ miteinan-der verbunden sind über neue Informati-ons- und Kommunikationsverbünde unterEinsatz von Satelliten, kann mehr produ-ziert werden in weniger Zeit. Wenn welt-weit dort, wo die Rohstoffe sind, produ-ziert wird, wenn also die Hemden dorthergestellt werden, wo die Baumwollewächst und der Stahl dort, wo das Eisen-erz gefördert wird, kann von all dem mehrproduziert werden in weniger Zeit. Wirmüßten also, so gesehen, alle weniger ar-beiten und könnten besser leben. Ist daszuviel verlangt? Warum, zum Teufel, müs-sen dann 800 Millionen Menschen auf derWelt hungern, warum gibt es bei uns in denreichsten Ländern Erwerbslosigkeit, Jagdnach Zweitjobs, Scheinselbständigkeit,warum Vermehrung der Obdachlosen, derSozialhilfeempfänger, während in denBetrieben unter dem Namen „Gruppenar-beit“ (ohne daß die „klassische“ Antreibe-rei durch Meister und Kalkulatoren irgend-wo verschwunden wäre) die täglicheSchwitzolympiade gefahren wird und die„Hundte“1 die 40-Stunden-Woche wiederzum Standard machen wollen.

Globalisierung:Regen fällt doch auch aufReich und Arm?

Früher, in unvordenklichen Zeiten,hieß es mal: Das ist halt Kapitalismus undwenn’s Dir nicht paßt, dann geh’ dochrüber. Aber heute - man ist ja innovativ -sind die alten Klamotten weggepackt. Jetztist Globalisierung, und das ist bekannter-maßen ein Naturereignis, noch wenigerbeherrschbar als das Wetter. Für die einenbringt sie Sonne und für die anderen Käl-te und Frost. Und bekanntlich gibt es jaauch kein schlechtes Wetter, sondern nurschlechte Bekleidung. Wer also friert, istselbst dran schuld. Und wer’s dann nochnicht glaubt, für den hält man bereit - wiemodern und kundenorientiert: den Tsche-chen, den Polen, und die Kulis in Malay-

Wenn wir es schaffenend lich b illiger zu arbe itenals d ie Taiwanesend ie b illiger arbe itenals d ie Südafrikanerd ie b illiger arbe itenals d ie Griechend ie b illiger arbe itenals d ie Spanierd ie b illiger arbe itenals d ie Po lend ie b illiger arbe itenals d ie Japanerd ie b illiger arbe itenals wirdann brauchen wir nur nochb illiger zu arbe itenals d ie zwangsarbe itendenKinder auf den Philipp inenum end lichPlatz e ins auf derWe ltrang listee inzunehmen.

Knut Becker1 Herr Dieter Hundt ist als Vorsitzender der mächti-

gen Kapitalistenorganisation „Bundesvereinigungder Deutschen Arbeitgeberverbände“ (BDA) mitdieser Forderung hervorgetreten.

sia oder die „blauen Ameisen“ Chinas, denAusländer an sich. Denen wird dann un-terstellt, daß sie zum Nulltarif 24 Stundenam Tag arbeiten wollen und dafür nochdanke sagen, angeblich mit dem einzigenZiel, „unsere“ Arbeitsplätze kaputt zu ma-chen. Die Propagandaformeln der Bour-geoisie, die uns noch am Trommelfell sur-ren: „Stärkung der internationalen Kon-kurrenzfähigkeit“ -abgelutscht? „StandortDeutschland“ ausgelaugt? Keineswegs!Nur mit dem Begriff Globalisierung erhal-ten sie noch die besondere Note des Un-vermeidlichen, des Fortschritts, der ebenseine Opfer kostet, dem man sich anzupas-sen hat - oder untergeht. Wird nicht auchin diesem weltumspannenden Prozeß deralte Hader zwischen den Nationen hinfäl-lig und Klassen und Klassenkampf zurAbsurdität? Rückt nicht dank der Ent-wicklung neuer Informations- und Kom-munikationstechnologien die Perspektivein greifbare Nähe, daß die Welt zu einem„globalen Dorf“ zusammenwächst, in demjeder mit allen sich verständigen kann undsich alles nach den Gesetzen des Marktes- und damit zum Besten in der besten allermöglichen Welten reguliert?

Globalisierung 1989ff.:Schranken niederreißen

Aber etwas ist ja passiert - weniger daßda etwas zusammengewachsen wäre, alsdaß es ihnen jetzt wieder gehört - im Ge-folge des Jahres 1989, das die üppige Ver-wendung des Begriffs Globalisierung ge-fördert hat: die Beendigung des sog.„Ost-West-Konflikts“. So wird der Kon-flikt offiziell genannt, der 70 Jahre des 20.Jahrhunderts geprägt hat, und weniger eineFrage der Himmelsrichtungen war, son-dern eine Form der weltweiten Klassen-auseinandersetzung zwischen Bourgeoisieund Proletariat, eine Form des Kampfs vonKapitalismus und Sozialismus. Diese be-sondere Form des Klassenkampfs war ge-kennzeichnet durch die Schaffung des er-sten proletarischen Staats, die Sowjetuni-on, und weiterer Staaten, die den Weg desSozialismus gehen wollten. An diesemAbschnitt hat die internationale Arbeiter-bewegung seit 1989 mit der Einverleibungder DDR durch den deutschen Imperialis-

mus und schließlich mit der Zerschlagungder UdSSR eine schwere Niederlage erlit-ten mit Auswirkungen auf alle anderenFormen, Fronten und Abteilungen desKlassenkampfs. Mit dem sympathischenWort „Globalisierung“ soll die Offensivedes Kapitals verhüllt werden, in der esSchranken für seinen weltweiten Repro-duktionsprozeß niederzureißen und seineunumschränkte Herrschaft zu erweiternsucht.

Worin bestanden dieSchranken?

1. Die wichtigste Schranke bestand indem seit der Oktoberrevolution erfolgen-den Abfallen der Sowjetunion und weite-rer Länder vom kapitalistischen Weltsy-stem. Globalisierung bedeutet daher dieWiederherstellung der direkten unum-schränkten Herrschaft des Kapitals in die-sen Ländern seit 1989 (dessen Einfluß seit

Globalisierung

Wessen Welt ist die Welt?

Page 2: W essen W elt ist die W elt? · 2008-10-18 · te rs te llt, d a § s ie z u m N u llta rif 2 4 S tu n d e n a m T a g a rb e ite n w o lle n u n d d a f r n o c h d a n k e s a ge

K 287 5

Chruschtschow2 wieder die Türen geöffnetwaren, dessen freier Betätigung jedochweiterhin erhebliche Grenzen gesetzt wa-ren). Globalisierung bedeutet die „Heim-holung“, die Ein- und Unterordnung in daskapitalistische Weltsystem mit freiem Zu-gang zu den Märkten, Rohstoffquellen undArbeitskräften in diesen Ländern. In derWelt des Kapitals bestimmen aber dieMonopole und die imperialistischen Groß-mächte. Globalisierung bedeutet hier, dieAuf- und Neuverteilung der Sowjetunionund der anderen Länder in Europa, dieeinmal den sozialistischen Weg gegangensind. (Siehe Kasten: Die territoriale Neu-afteilung der Welt hat wieder begonnen)Die Folge ist die Veränderung des Kräfte-verhältnisses zwischen den Monopolenund Großmächten, das seit Ende des 2.Weltkriegs in Europa bestanden hat, alsounter denjenigen Kräften, deren Kampf umdie Neuaufteilung zu zwei Weltkriegen undzur Oktoberrevolution selbst geführt ha-ben.3

2. Eine weitere Schranke bestand undbesteht im nationalen Befreiungskampfder vom Imperialismus abhängigen Län-der. Die hierdurch entstandenen National-staaten hatten politische Souveränität undpolitische Unabhängigkeit erreicht undeine eigene Staatsgewalt geschaffen. Sienutzten sie in äußerst unterschiedlicherWeise gegenüber dem Wirken der Mono-pole und der Imperialisten. In einigen Län-dern (z.B. Indonesien ab 1965, Chile ab1973) wurde die Staatsgewalt genutzt, umdas Land ökonomisch ausländischen Mo-

nopolen und einem oder mehreren impe-rialistischen Mächten auszuliefern. Ande-re Länder beschritten den Weg der neude-mokratischen Revolution und des Sozialis-mus (China, Cuba, Vietnam usw.), um diepolitische Unabhängigkeit durch die öko-nomische Selbständigkeit zu sichern.4 Glo-balisierung bedeutet hier unumschränkteWiederherstellung des Zugangs zu Absatz-märkten und Rohstoffquellen für die Mo-nopole und Wiederherstellung der voll-ständigen Abhängigkeit von den imperia-listischen Mächten, also „Chilenisierung“der Welt auch mit der Möglichkeit, diepolitische Unabhängigkeit ganz oder teil-weise einzuschränken.

3. Eine dritte Schranke besteht imKampf der Arbeiterklasse in allen Ländern.Dieser Kampf wurde in den imperialisti-schen Ländern nach dem 2. Weltkrieg imwesentlichen bei Vorherrschen des sozial-demokratischen Einflusses in der Arbeiter-

bewegung mit dem Ziel geführt, den Kapi-talismus „wohnlicher“ zu machen und ge-gen revolutionäre Bestrebungen abzusi-chern (nicht nur in der BRD mit demBismarck’schen Zuckerbrot für die „Bra-ven“ und Peitsche für die „Störenfriede“).Voraussetzung für die Begrenzung derAusbeutung ist die Beschränkung der Kon-kurrenz unter den Arbeitern mittels star-ker Gewerkschaften auf der Basis relativprosperierender Konjunktur, wofür dieZerstörungen des Weltkriegs die Grundla-ge waren. Zur Beschränkung der Ausbeu-tung sollten vor allem Tarifverträge zu Ar-beitszeit und Arbeitslohn und staatlicheArbeiterschutzgesetze dienen. Danebensollten teilstaatliche soziale Sicherungssy-steme vor den Folgen der Ausbeutungschützen. Die entsprechenden Regularienwurden in Gesetzen der Nationalstaatenniedergelegt, was den Schein vom Natio-nalstaat als Schutzmacht der Arbeiter ver-

3 Das kann man gut nachvollziehen, wenn man dieeinstmalige Schlagetotformel „geh’ doch rüber“überdenkt. Früher: die, die wollten, durften nicht,und wir, die durften, wollten nicht (denn die hat-ten ja keine Bananen, keinen Golf, nur Schwarzmeerstatt Mallorca und keine Videorecorder); jetzt gehendie, die früher nicht durften, rüber und nehmen unsnicht mit. Und denen, die schon immer drüben wa-ren, haben sie erstmal das Licht abgedreht. Jetztbeglückt man sie mit Kerzen - natürlich elektronischgesteuerten - und verteilt Schutzbrillen, damit manvor lauter Helligkeit nicht geblendet wird. Und die

4 Deswegen verwenden wir auch den Begriff „Tri-kont“ nicht, weil dadurch die Unterschiede zwi-schen den einzelnen Ländern in ihrem Verhältniszum Imperialismus verdeckt werden. Die einenleiden Hunger, weil sie vom Imperialismus abhän-gig sind; die anderen leiden (noch) Hunger, weil sieim Kampf stehen, um sich vom Imperialismus zubefreien. Ebensowenig verwenden wir den Begriff„Triade“ als Bezeichnung für die imperialistischenZentren der Welt: USA, Japan, Europa. Gerade fürEuropa werden dabei die Widersprüche zwischenden europäischen imperialistischen Ländern (Eng-land, Frankreich Italien, BRD) verniedlicht und dieVorherrschaftsbestrebungen des deutschen Impe-rialismus vertuscht.

D ie territoria le N euaufte ilungD ie territoria le N euaufte ilungD ie territoria le N euaufte ilungD ie territoria le N euaufte ilungD ie territoria le N euaufte ilungder We lt hat wieder begonnender We lt hat wieder begonnender We lt hat wieder begonnender We lt hat wieder begonnender We lt hat wieder begonnen

Len ins D e fin it ion d es Imp eria lismussagt u .a .: „ . . .5 . d ie territoria le Aufte i-lung der We lt unter d ie kap ita listischenGroßmächte ist beendet.“ M it der Zer-schlagung der Sowjetunion und Jugo-slaw iens ist d ie Mög lichke it und N ot-wend igke it auch der territoria len N eu-aufte ilung d er W e lt entstand en . D ererste Schritt dazu war d ie E inverle ibungder D DR durch den deutschen Imperia-lismus. D ie d erze it vorherrschend enFormen d er Durchdringung , um d ieneu entstand enen Staaten vor a llemm it Ö konom ischen M itte ln in A bhän-g igke it zu bringen (Währung und Kre-d it, Aufkauf von Staatsbetrieben, Auf-hau neuer Werke etc.) so llten nicht dar-über hinwegtäuschen, daß genau hierind ie Scha ffung d es Konfliktpotent ia lsliegt, das zur Anwendung von m ilitäri-schen M itte ln führt. So hat sich inzwi-schen auch herumgesprochen, daß z.B.d er Konflikt zw ischen Armen ien undAserbe idschan nur äußerlich um BergKarabach g eht . D er w irk liche Kamp fgeht um das Ö l von Baku; und darumgeht es auch in Tschetschenien.

Kollegen-Demo in Berlin 1991, nachdem die Arbeitslosenzahl in der einverleibten DDRauf 21% gestiegen war.

damals von Osten nach dem goldenen Westen woll-ten und hier als Helden mit Begrüßungsgeld emp-fangen wurden, die will man hier heute nicht mehr.Solange „eiserner Vorhang“ war, konnte man sichnicht genug tun, für offene Grenzen einzutreten.Jetzt, wo dort die „Freiheit“ herrscht, schützt dieBundeswehr die Oder - nicht nur mit Sandsäcken -vor unerwünschten Elementen, wertlos, da sie sichnicht einmal mehr als Antikommunisten qualifizie-ren können. Beeilen sie sich etwa deshalb heute sosehr, die „Mauerschützen“ abzuurteilen, damit nichtdas von den neuen Grenzwächtern vergossene Blutin der Oder die DDR-Staatsgrenze geradezu als Idyl-le erscheinen läßt?

2 Nikita Chruschtschow war Generalsekretär derKPdSU von 1953-64 und Ministerpräsident derUdSSR von 1958-64. Unter seiner Führung verfolg-te die KPdSU seit dem 20. Parteitag (1956) einePolitik der friedlichen Koexistenz und des friedli-chen Wettbewerbs mit dem Imperialismus. Für dieTaktik der Arbeiterbewegung in den imperialisti-schen Ländern wurden die Möglichkeiten des fried-lichen Übergangs zum Sozialismus verabsolutiert.Die KPdSU ging damals von einer Abstumpfung derWidersprüche zwischen Sozialismus und Imperia-lismus aus, von der Unumkehrbarkeit der Entwick-lung des Sozialismus und der sozialistischen Län-der und von einer grundlegenden, irreversiblenVeränderung des Kräfteverhältnisses in der Weltzugunsten des sozialistischen Lagers. Chruscht-schow proklamierte die Einführung des Kommunis-mus in der Sowjetunion für das Jahr 1980.

Page 3: W essen W elt ist die W elt? · 2008-10-18 · te rs te llt, d a § s ie z u m N u llta rif 2 4 S tu n d e n a m T a g a rb e ite n w o lle n u n d d a f r n o c h d a n k e s a ge

6 K 287

WWWWWas ist Ausbeutung?as ist Ausbeutung?as ist Ausbeutung?as ist Ausbeutung?as ist Ausbeutung?

W ie von Marx her bekannt, ist Ausbeu-tung e in wissenschaftlicher Begriff, derdas trügerische B ild der Ersche inungs-formen durchbricht. So kann e in deut-scher Facharb e iter mehr ausg e b eute tse in a ls e in Landarbe iter in Guatema la .Ausbeutung ist d ie Ane ignung fremderArbe it durch d ie jewe ilige K lasse der E i-g entümer d er Produkt ionsm itte l . DasMaß der Ausbeutung ist das Verhä ltnisder Mehrarbe itsze it zur notwend igen Ar-be itsze it, a lso wie vie le Stunden jewe ilsfür den Herrn und wievie l Stunden derProduzent für sich (für d ie Reproduktionse iner Arbe itskraft und d ie se ines N ach-wuchses) arbe itet. D ie Kap ita listen kön-nen d ieses Verhä ltnis zu ihren Gunstenveränd ern , a lso d en M ehrwert in zwe iFormen ste ig ern: Durch Verläng erungdes Arbe itstags und Intensivierung derArbe it, z.B. Erhöhung der Taktze iten (ab-so luter Mehrwert) oder durch Verbesse-rung der Maschinerie in den Industrie-zwe ig en , d ie Waren herste llen , d ie inden Konsum des G esamtarbe iters e in-gehen (re lativer Mehrwert). D ie ernüch-ternde Frage ist dabe i, wievie l Arbe its-ze it kostet es: um d ie Lebensm itte l (imwe itesten Sinn) herzuste llen, dam it im-mer w ie d er g enüg end Arb e itskrä ftenach M eng e und Q ua lität für d ie Auf-rechterha ltung der kap ita listischen Pro-dukt ion (m it ihren Schwankung en) b e-re itstehen. So gesehen ist typ ischerwe i-se in e inem hochindustria lisierten Landm it mechanisierter Landwirtschaft, ent-wicke lter Textil- und Bekle idungsindu-strie usw . sow ie e inem stab ilen F ert i-gungsprozeß dank industrie ll e ingeüb-ter, d iszip linierter und qua lifizierter Ar-be iterschaft d ie Ausbeutungsrate höhera ls in e inem nichtindustria lisierten Land ,auch wenn es d em C amp esino o ffen-sichtlich we it dreckiger geht als dem Ko l-legen von Da im ler, der auch noch be-tont: „Uns geht’s doch noch G o ld “ . Da-be i kommt im Ze italter des Imperialismusnoch hinzu, daß d ie Monopo le aus denabhäng igen Ländern landwirtschaftlicheProdukte (nicht zuletzt Bananen): Roh-stoffe , aber auch Ha lb- und Fertigwarenwe it unter ihrem W ert herausscha ffenkönnen. Sowe it d iese d irekt oder ind i-rekt in den Konsum der Arbe iterklasse inden imperialistischen Ländern e ingehen,können sie so (abzüg lich natürlich desProfits der be i McDona ld ’s, N estle , A ld ihängenb le ibt) dazu be itragen, daß d ienotwend ige Arbe itsze it gesenkt wird . Soentsteht d ie Situation, daß d ie Ausbeu-tung h i er h i er h i er h i er h i er d ie Kap ita listen fett macht ,dam it sie in der ganzen We lt p lündernkönnen und uns dann wieder m it Brok-

ken aus ihrer Beute abzufüttern versu-chen. Das Prob lem ist nur: Senkung dernotwend igen Arbe itsze it bedeutet, daßgrößerer Mehrwert m it weniger Arbe its-kräften erzeugt werden kann. N ehmenw ir an , in e inem kap ita list ischen Landwurde b isher 6 Stunden für d ie Kap ita li-sten gearbe itet und 2 für d ie Arbe iter.Durch d ie genannten Entwicklungen se ies nun ge lungen, d ieses Verhä ltnis auf7:1 zu verändern. Dann kann der g le icheMehrwert immerhin mit rd . 14% wenigerArb e itskräften erzeugt werd en , d ie and ie Luft gesetzt werden können . G anzabgesehen davon, ist m it e iner so lchenEntw ick lung üb licherwe ise e ine ung e-heure Vermehrung d er produziertenWaren verbunden, d ie verkauft werdenmüssen, während ebenfa lls üb licherwe i-se d ie Löhne und G ehä lter nicht im g le i-chem Maß ste igen, um d iese Waren zukaufen. Denn jetzt braucht es ja e ine ge-ring ere g ese llscha ft liche Lohnsumme ,um d ie g le iche Menge Arbe itskräfte be-re itzuste llen (ohne daß sich jetzt schonetwas an Art und Menge des Konsumsgeändert haben muß). Dann ist Werks-schließung angesagt, d ie Erwerbslosig-ke it ste igt an usw. und so fort. D ie vonKon junkturzyk lus zu Kon junkturzyk lusste ig end e Massenerwerbslosigke it istdas G esetzmäß ig e , das „ N orma le “ imKap ita lismus und durch ke ine bürgerli-che Re g ierung we lcher C ou leur auchimmer zu b ese it ig en . D ie b isherig en„ He ilm itte l“ , um d iese Sp ira le nach un-ten aufzuhalten, waren und sind: Kriege ,M ilitarisierung , Subvent ionen m it d erentsprechenden Vermehrung der Staats-verschuldung . D ie Ause inandersetzungum „keynesianische“ und sog . „neo libe-rale“ Po litik besteht darin, daß erstere an„Beschäft igung “ , Arb e it fre i von je g li-cher Bestimmthe it und irgendwe lchemSinn , a ls staat liche Aufgab e festhä lt ,während be i letzterer d ie Beschäftigungzum persönlichen Risiko wird . In be idenVarianten b le ibt „ Arbe it“ d ie Vorausset-zung für d ie Zute ilung von Lebensm it-te ln. Dort fährt der berühmte He izer au fau fau fau fau fder E-Lok hier fährt d ie E-Lok über denH e izer. Vor d iese A lternat ive g este llt ,verte id igen wir den He izer auf der E-Lok.A ber we lche A lternative! Keynesianischwird erst d ie Arbe iterklasse ruhiggeste llt,neo libera l können dann d ie Kap ita listengegene inander in d ie Schlacht ziehen -a ls Schlachtop fer bringen sie dabe i still-ge legte Betriebe und ausgemusterte Ar-b e itskrä fte . Und sch ließ lich schrump ftder Unterschied we iter, wenn d ie E-Lokm it od er ohne H e izer in d en nächstenKrieg „ damp ft“ .

stärkte. Der gewerkschaftliche Kampfkonnte jedoch nicht verhindern, daß auchin den imperialistischen Ländern die Aus-beutung der Arbeitskraft weiter anstieg,und das nicht durch wachsende Intensivie-rung und Flexibilisierung der Arbeit. Es istja gerade das Pervers-Natürliche des Kapi-talismus, daß die eigentlich von uns ge-wollte Verbilligung der Waren, die in denKonsum der Arbeiterklasse eingehen, denMehrwert, also den Anteil der Kapitalisten,erhöhen; oder die an sich erwünschteEinbeziehung der Frauen in die gesell-schaftliche Arbeit die Tendenz mit sichbringt, daß das Familieneinkommen vonzwei statt nur von einem verdient werdenmuß. Anders ausgedrückt: Für die Auf-zucht des (weniger werdenden) Arbeits-kräftenachwuchses müssen jetzt zwei fürdie Kapitalisten malochen, während früherhäufig nur ein „Ernährer“ notwendig war,um wesentlich größere Arbeiterfamilienrecht und schlecht durchzubringen.(SieheKasten: Was ist Ausbeutung)

Globalisierung bedeutet hier Herstel-lung vollständiger Konkurrenz unter denArbeitern, die bereits durch die anwach-sende Erwerbslosigkeit gefördert wird,durch Untergrabung der Gewerkschaften.Damit soll weltweit unbeschränkter Zugriffauf die billigsten Arbeitskräfte, unbegrenz-te Arbeitszeit, Senkung der Löhne auf einNiveau erreicht werden, das den Umfangder aktiven Arbeiter reduziert und wach-sende Teile des Welt-Gesamtarbeiters ein-reiht in die industrielle Reservearmee. Fürdie soll Arbeit zum Privileg werden, d.h.Ausgebeutetwerden soll als Gnadenakt derKapitalistenklasse erscheinen. Der Druckauf die Erwerbslosen wird ständig erhöhtdurch die Untergrabung der Sozialkassen.Und: Industrielle Reservearmee heißtnichts anderes als relative Überbevölke-rung, und dahinter steht nichts anderes alsdie latente Drohung der Eliminierung,Vernichtung durch sozialen Mord (Ver-hungern, Erfrieren, Seuchen usw.) undKriege, in denen die Menschheit auf ein fürdiese barbarische Produktionsweise ver-trägliches Niveau reduziert wird.

Das ist der wirkliche Kern des Schlag-worts Globalisierung.

Moderne Technik -neue Zeiten?

In der öffentlichen Debatte stehen da-gegen die technischen Errungenschaftenim Vordergrund, die Informations- undKommunikationstechnologien, die dieWelt zum „globalen Dorf“ machen sollen.Und die technische Sichtweise hat natür-lich zunächst allen Schein und die Faszi-nation auf ihrer Seite, denn zunächst ver-schwindet der Produzent; die unmittelba-re Arbeit ist dem Glanz der neuen Errun-genschaften von Wissenschaft und Tech-nik völlig untergeordnet (vgl. auch Kasten:Was ist Reichtum?). Und wieder wird in

Page 4: W essen W elt ist die W elt? · 2008-10-18 · te rs te llt, d a § s ie z u m N u llta rif 2 4 S tu n d e n a m T a g a rb e ite n w o lle n u n d d a f r n o c h d a n k e s a ge

K 287 7

der linken Debatte eine neue Runde eröff-net: Hat das Ganze nicht eine neue Quali-tät erreicht? Grundlegende Veränderun-gen im Kapitalismus? Arbeiterklasse gibt’sdie noch? Klassenkampf - was soll dasdenn?

Das wirklich Neue sind die aufgrundgesunkener Herstellungskosten für Mikro-chips massenhaft einsetzbaren Rechner.Sie können weltweit vernetzt werden aufder Basis von Satelliten und des Telefon-netzes, das auf Glasfaserleitungen umge-stellt wird und damit ermöglicht, Informa-tionen (einschließlich Bild, Videosequen-zen und Ton) in erheblich schnellerer Zeitzu übertragen. Dadurch wird bewirkt, daßdie reelle Subsumtion von Arbeitskraft(statt der formellen)5, auch in entfernt lie-genden Betrieben auf anderen Kontinen-ten unter ein vorzugsweise in den Metro-polen ansässiges Einzelkapital möglichwird. Dadurch können Produktionspro-zesse z.B. in Tschechien oder Pakistan voneinem zentralen Fertigungsleitstand inMünchen aus gesteuert und überwachtwerden. Häufig verlangt die Nutzung sol-cher Möglichkeiten eine moderne techno-logische Basis auch im abhängigen Betriebmit einer hohen organischen Zusammen-setzung des Kapitals (also im Verhältniszur Maschinerie wenig Arbeitskräfte, sodaß die Unterschiede in den Lohnkostennicht sehr stark ins Gewicht fallen). Aberum das zu erkennen, dazu braucht mannicht in ferne Länder zu gehen. Es ist hierin der BRD z.B. besonders ausgeprägt inder Automobilindustrie, wo die großenMonopole wie Daimler, VW etc. tief in dietechnischen und ökonomischen Abläufebei den Zulieferern, insbesondere den sog.mittelständischen, eingreifen und sie sichso mehr und mehr auch reell unterordnen.

Durch die Informations- und Kommu-nikationstechnologien wird weiterhin dieUmschlagsdauer des Kapitals vermindert.Das ist der Zeitraum vom Beginn des Pro-duktionsprozesses (unter Einschluß des

des Kapitals darniederliegt, wenn z.B. keinÖl mehr transportiert wird. Für kleinereund mittlere Unternehmen allerdings bie-ten sich neue Formen des „Verlagswe-sens“7 an: Leder wird von der BRD aus inUsbekistan bestellt, Lieferadresse Burma.Die dortige Schneiderei erhält die Designs

Entwicklungsprozesses) bis zum Verkaufder Ware, nach welchem das investierteGeld für die Bereitstellung von Produkti-onsmitteln, den Kauf von Rohstoffen undArbeitskräften dem Kapitalisten wieder alsum den Profit vermehrtes Geld zurück-fließt.6 Der Zweck der Übung ist nicht etwadie Verbesserung von „Kundenfreundlich-keit“ und Qualität, sondern in erster Linie,daß mit weniger Kapital mehr produziertwerden kann, daß die vorhandenen Be-triebsmittel noch gründlicher eingesetztwerden. Von daher die Tendenz zu länge-ren Betriebslaufzeiten, nach Verlängerungder Arbeitszeit und „Flexibilisierung“.

Mit der Abhängigkeit von den Kommu-nikationsmitteln, mit der Reduzierung vonLagern und sonstigen Puffern z.B. durchsog. Just-in-time-Fertigung wächst aber -und das ist entscheidend - die Verwund-barkeit der kapitalistischen Produktion.Die französischen Verkehrs- und Trans-portarbeiter haben gezeigt, mit welch ge-ringen Mitteln die Macht und Herrlichkeit

DGB-Kundgebung gegen Jugendarbeitslosigkeit in Dortmund, 8.11.1975

7 „Und in der Textilindustrie hatte der Kaufmann an-gefangen, die kleinen Webermeister direkt in sei-nen Dienst zu stellen, indem er ihnen Garn liefer-te und gegen fixen Lohn für seine Rechnung inGewebe verwandeln ließ, kurz, indem er aus einembloßen Käufer zu einem Verleger wurde. Hier ha-ben wir die ersten Anfänge kapitalistischer Mehr-wertsbildung vor uns.“ (K. Marx, Das Kapital Bd.3,MEW 25, S.914) Ist es nicht berückend, erleben zudürfen, wie die nagelneuen Technologien dazu die-nen, „die ersten Anfänge kapitalistischer Mehrwerts-bildung“ nun total global auferstehen zu lassen!?

6 „Die Wirkung des Umschlags auf die Produktionvon Mehrwert, also auch von Profit ... läßt sich kurzdahin zusammenfassen, daß infolge der für denUmschlag erforderlichen Zeitdauer nicht das gan-ze Kapital in der Produktion verwendet werdenkann; daß also ein Teil des Kapitals fortwährendbrachliegt, sei es in der Form von Geldkapital, vonvorrätigen Rohstoffen, von fertigem, aber nochunverkauftem Warenkapital oder von noch nichtfälligen Schuldforderungen; daß das in der aktivenProduktion, also bei der Erzeugung und Aneignungvon Mehrwert tätige Kapital fortwährend um die-sen Teil verkürzt und der erzeugte und angeeigne-te Mehrwert fortwährend im selben Verhältnis ver-ringert wird. Je kürzer die Umschlagszeit, destokleiner wird dieser brachliegende Teil des Kapitals,verglichen mit dem Ganzen; desto größer wird alsoauch, bei sonst gleichbleibenden Umständen, derangeeignete Mehrwert.“ (K. Marx, Das KapitalBd.3, MEW 25, S.80) Marx erwähnt hier vor allemverbesserte Verfahren und „Kommunikationen“:Eisenbahn, Dampfschiff, Telegraph.

5 Reelle Subsumtion bedeutet, daß die Arbeitskraftdirekt von einem Einzelkapitalisten ausgebeutetwird, also schaffen beim Daimler hier oder irgend-wo in der Welt. Die formelle Subsumtion unter dasKapital kann vielfältige Formen annehmen undbedeutet z.B., daß ein selbständiger Bauer einenKredit aufnimmt und damit zwar weiterhin für sicharbeitet, aber bereits über die Zahlung von Zins undTilgung dem Kapital untergeordnet wird. FormelleSubsumtion unter ausländisches Kapital liegt vor,wenn z.B. ein pakistanischer Kapitalist, der seineeigenen Arbeitskräfte reell subsumiert hat, von sei-ten der Aufträge, der Zulieferungen, der Lizenzenu.ä. in hohem Maß von einem ausländischen Ka-pitalisten oder Monopol abhängig ist.

Demonstration des philippinischen Gewerkschaftsbundes KMU, März 1997: Hier wie dort- Kampf gegen den Kapitalismus

Page 5: W essen W elt ist die W elt? · 2008-10-18 · te rs te llt, d a § s ie z u m N u llta rif 2 4 S tu n d e n a m T a g a rb e ite n w o lle n u n d d a f r n o c h d a n k e s a ge

8 K 287

für eine Musterkollektion auf modernenKommunikationsmedien aus der BRD undfertigt nun in altertümlicher Weise zu ge-ringsten Lohnkosten die Lederjacken, Lie-feradresse BRD, die dann, präsentiert vonGlamourgirls, auf den Modeschauen derMetropolen zu bestaunen sind.

Das erscheinen uns - neben der Ent-wicklung der internationalen Finanzmärk-te, auf die wir in einem gesonderten Bei-trag eingehen - die wesentlichen öko-nomisch-technischen Momente der derzei-tigen Globalisierungsbewegung des Kapi-tals zu sein. Es sind - wie eigentlich nichtanders zu erwarten war, aber angesichtsder technischen Faszination gelegentlichvergessen wird - Formen, um den Profit zusteigern. (Siehe Kasten: Warum Kapitalex-port?) Sie tragen zu einer weiteren Verge-sellschaftung der Produktion bei, d.h. im-mer weniger ist das fertige Produkt das Er-gebnis eines einzelnen, eines Betriebs, vie-ler Betriebe desselben Landes. Viele Arbei-

Warum Kap ita lexporteWarum Kap ita lexporteWarum Kap ita lexporteWarum Kap ita lexporteWarum Kap ita lexporte

Dabe i sind d ie Motive für d ie Expansi-on der Monopo le ins Ausland gar nichtin erster Linie niedrige Löhne , sondernd er re lat ive Kap ita lüb erschuß in d enimp eria list ischen Länd ern zw ingt d ieMonopo le dazu , sich im W ett lauf umA bsatzmärkte und Rohstoffque llen An-lagemög lichke iten im „ Ausland “ zu er-schließen. D er Monatsbericht der Bun-desbank vom August 1997 macht d iesdeutlich: „Unternehmen investieren in-sowe it im Ausland , um b estehend eA bsatzmärkte auszubauen od er umneue A bsatzmärkte zu ersch ließen .N ach Schätzung en sp ie lten End e d erachtziger Jahre absatzstrateg ische be ifast der Hä lfte der we ltwe it getätigtenD irekt invest it ionen d ie primäre Ro lle .Um d ie angestrebten Absatzzie le zu er-re ichen , ist d ie Präsenz an ausländ i-schen Standorten aus versch ie d enenGründen notwend ig . D ie immer größe-re Produktd ifferenzierung erfordert inzunehmend em Maß Kenntn isse üb erd ie loka len Konsumpräferenzen sowieverstärkte Anstrengung en b e i Marke-ting , Vertrieb und Service le istungen. ImBere ich d er industrie llen N achfrag eführt d ie zunehmende F lexib ilisierungund e ffizientere Organisation der Pro-duktion (Just-in-time-Fertigung) dazu ,daß immer mehr Vorle ister und Zulie-ferer großen Industrieunternehmen insAusland fo lgen. Vie le Unternehmen be-trachten es aufgrund ihrer g loba lenProdukt ions- und Market ingstrate g iea ls unerläß lich , ne b en ihren d irektenKonkurrenten auf d en Hauptmärktenpräsent zu se in . . . . D ie g enannten ab-satzorientierten Motive sp ie len o ffen-bar auch e ine Hauptro lle be i den Aus-landsinvestitionsentsche idungen deut-scher Unternehmen.“

nis selbst. Denn die wichtigste Produktiv-kraft, der Mensch, zählt für den Kapitali-sten nur als Lohnarbeiter und als solcherist er oder sie Kostenfaktor, der reduziertwerden muß, soll der Profit steigen. DieEinsparung von bezahlter Arbeitskraft,nicht von Arbeitszeit an sich, ist der Sta-chel, der die Kapitalisten treibt. Dazu wer-den Wissenschaft und Technik bemühtund nicht, um der Gesellschaft Mühsal undEntbehrung ab zunehmen. (Siehe Kasten:Der Diebstahl fremder Arbeit oder was istReichtum)

Die Konzentrierung der Produktions-,Beschäftigungs- und damit der Lebensmit-tel in der Hand von wenigen, den Kapita-listen, basiert auf dem Fehlen eben dieserMittel in der Hand von vielen. Damit istdas Wohl der vielen dem Wohl (dem Pro-fit) der wenigen Besitzer von Produktions-mitteln nach- und untergeordnet. Von da-her werden im wesentlichen nur die Fähig-keiten im Menschen, nur die Menschen,nur die Regionen, nur die Teile der Weltentwickelt, die dem Wohl der wenigen ent-sprechen. Was über dieses Maß hinaus-geht, darf dann unter der Flagge „sozial“laufen, eben mit dem Hauch von Groß-mut, Almosen, Fürsorge, Entwicklungshil-fe versehen (und damit der stillen Drohungdes Verkommen- und Verreckenlassens,der Vernichtung, weil „überflüssig“) stattmit Anspruch und Recht. Die Wirtschafts-krisen mit ihrer Vernichtung von Produkt-ions- und Lebensmitteln und die von Kri-se zu Krise auf einem immer höheren Sok-kel stehende chronische Erwerbslosigkeitsind der offene und schreiende Ausdruck,wie sehr das Kapitalverhältnis zur Schran-ke für die Entwicklung der wichtigsten

ter aus vielen Betrieben in vielen Ländernmüssen zusammenwirken. Die Aneignungder Produktion aber bleibt privat, d.h. derFortschritt auf der Basis der Vergesell-schaftung kommt zugute den Eigentümernder Fabriken, den Herren der Banken undKonzerne und ihrem ganzen Gefolge vonRentiers (=Bezieher von ständigen, festenEinkommen, in diesem Sinne Renten, auf-grund von Kapitalanlagen in Wertpapie-ren) und Spekulanten.

Vom Ende der Arbeitsge-sellschaft oder: derungeliebte Arbeiter undder Heißhunger nachArbeit

Soweit ist die Vergesellschaftung gedie-hen, daß im nächsten Jahrhundert damitgerechnet wird, die Weltwirtschaft mit nurnoch 20 Prozent der arbeitsfähigen Welt-bevölkerung „in Schwung“ zu halten.8

Leider und immer wieder beunruhigendmuß man feststellen: es ist kein Naturer-eignis, das uns hier trifft, sondern Kapita-lismus, der sich beinahe ohne Schrankenentwickelt und Mächte der Wissenschaftund Technik in Bewegung setzt, um dieLebens- und Arbeitsbedingungen für dieMasse der Menschen noch unerträglicherund widerwärtiger, armseliger und knech-tischer zu gestalten, damit die Privateigen-tümer der Produktionsmittel und ihr An-hang im Reichtum ersaufen. (Aber immer-hin kann man sich im Internet bei Kohl,Clinton oder auch bei Siemens und Daim-ler beschweren und die Wunden lecken.)Die größte Schranke für die Entwicklungder Produktivkräfte ist das Kapitalverhält-

8 vgl. J. Rifkin, Das Ende der Arbeit und H.P. Mar-tin/H. Schumann, Die Globalisierungsfalle

Frankreichs LKW-Fahrer streiken für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen6.11.1997

Page 6: W essen W elt ist die W elt? · 2008-10-18 · te rs te llt, d a § s ie z u m N u llta rif 2 4 S tu n d e n a m T a g a rb e ite n w o lle n u n d d a f r n o c h d a n k e s a ge

K 287 9

duen durch d ie für sie a lle fre igewordneZe it und g escha ffnen M itte l entspricht .Das Kap ita l ist se lbst der prozessierendeW iderspruch dadurch, daß es d ie Arbe its-ze it auf e in M inimum zu reduzieren stört,während es andrerse its d ie Arbe itsze it a lse inziges Maß und Q ue lle des Re ichtumssetzt. Es verm indert d ie Arbe itsze it daherin der Form der notwend igen, um sie zuvermehren in der Form der überflüssigen;setzt daher d ie überflüssige in wachsen-dem Maß a ls Bed ingung - question de vieet de mort (= Frage von Leben und Tod) -für d ie notwend ige . N ach der e inen Se iteruft es a lso a lle Mächte der W issenschaftund der N atur, wie der gese llschaftlichenKomb inat ion und d es g ese llschaft lichenVerkehrs ins Leben, um d ie Schöpfung desRe ichtums unabhäng ig (re lativ) zu machenvon der auf sie angewandten Arbe itsze it.N ach der andren Se ite will es d iese so ge-scha ffnen riesig en G ese llscha ftskrä ftemessen an der Arbe itsze it, und sie e inban-nen in d ie Grenzen, d ie erhe ischt (= erfor-derlich) sind , um den schon geschaffnenWert a ls Wert zu erha lten. D ie Produktiv-kräfte und gese llschaftlichen Beziehungen- be ides verschiedne Se iten der Entwick-lung des gese llschaftlichen Ind ividuums -ersche inen dem Kap ita l nur a ls M itte l, undsind für es nur M itte l, um von se iner bor-nierten (= engbegrenzten) Grund lage auszu produzieren . In fact (= in W irklichke it)ab er sind sie d ie materie llen Be d ingun-gen, um sie in d ie Luft zu sprengen. ‘Wahr-haft re ich e ine N ation, wenn statt 12 Stun-den 6 gearbe itet werden. Wea lth (=Re ich-tum) ist nicht Kommando von Surp lusar-be itsze it (rea ler Re ichtum), sond ern d is-sond ern d is-sond ern d is-sond ern d is-sond ern d is-p osab le t ime p osab le t ime p osab le t ime p osab le t ime p osab le t ime (=verfügbare Ze it) außer derin d er unm itte lbaren Produkt ion g e-brauchten für je d es Ind ividuum und d ieganze G ese llschaft.’ (The Source and Re-medy, etc. 1821, p . 6)“

(K . Marx, Grundrisse der Kritik der Po liti-schen Ö konom ie , Frankfurt /W ien , o .J . ,S.592ff., Übersetzungen von uns stehen inK lammern m it vorgeste lltem ‘ = ’, d .Red .)

ke iten und der Entwicklung des menschli-chen Verkehrs.) Es ist nicht mehr der Ar-b e iter, d er mod ifizierten (=veränd erten ,bearbe iteten) N aturgegenstand zwischendas O b jekt und sich e inschiebt; sondernden N aturprozeß , den er in e inen industri-e llen umwande lt, schiebt er a ls M itte l zwi-schen sich und d ie unorgan ische N atur,deren er sich beme istert. Er tritt neben denProduktionsprozeß , statt se in Hauptagentzu se in. In d ieser Umwand lung ist es we-d er d ie unm itte lbare Arb e it , d ie d erMensch se lbst verrichtet, noch d ie Ze it ,d ieer arbe itet, sondern d ie Ane ignung se inere ignen a llg eme inen Produkt ivkra ft , se inVerständn is d er N atur und d ie Beherr-schung d erse lb en durch se in Dase in a lsG ese llschaftskörp er - in e inem Wort d ieEntwicklung des gese llschaftlichen Ind ivi-duums, d ie als der große Grundp fe iler derProduktion und des Re ichtums ersche int.Der D iebstahl an fremder Arbe itsze it, wor-D iebstahl an fremder Arbe itsze it, wor-D iebstahl an fremder Arbe itsze it, wor-D iebstahl an fremder Arbe itsze it, wor-D iebstahl an fremder Arbe itsze it, wor-auf d er jetzig e b eruht , auf d er jetzig e b eruht , auf d er jetzig e b eruht , auf d er jetzig e b eruht , auf d er jetzig e b eruht , ersche int miserab le(= armse lige) Grund lage gegen d iese neu-entw icke lte , durch d ie große Industriese lbst geschaffne . Sobald d ie Arbe it in un-m itte lbarer Form aufgehört hat, d ie gro-ße Q ue lle des Re ichtums zu se in, hört undmuß aufhören d ie Arbe itsze it se in Maß zuse in und daher der Tauschwert das Maßd es G e brauchswerts. D ie Surp lusarb e i tSurp lusarb e i tSurp lusarb e i tSurp lusarb e i tSurp lusarb e i t(= Mehrarbe it) d er Masse hat d er Masse hat d er Masse hat d er Masse hat d er Masse hat aufgehört Be-d ingung für d ie Entwicklung des allgeme i-nen Re ichtums zu se in , e b enso w ie d ieN ichtarb e it d er W en ig en N ichtarb e it d er W en ig en N ichtarb e it d er W en ig en N ichtarb e it d er W en ig en N ichtarb e it d er W en ig en für d ie Entwick-lung der allgeme inen Mächte des mensch-lichen Kop fs. Dam it bricht d ie auf d emTauschwert ruhend e Produkt ion zusam-men, und der unmitte lbare materie lle Pro-duktionsprozeß erhä lt se lbst d ie Form derN otdürftigke it und der G egensätzlichke itabgestre ift. D ie fre ie Entwicklung der In-d ividua lität, und daher nicht das Reduzie-ren der notwend igen Arbe itsze it um Surp-lusarbe it zu setzen, sondern überhaupt d ieReduktion (=Verringerung) der notwend i-gen Arbe it der G ese llschaft zu e inem M i-n imum , d er dann d ie künst lerische , w is-senschaftliche etc. Ausb ildung der Ind ivi-

„ Der Austausch von lebend iger Arbe it ge-gen vergegenständ lichte , d .h. das Setzender gese llschaftlichen Arbe it in der Formdes G egensatzes von Kap ita l und Lohnar-be it - ist d ie letzte Entwicklung des W ert-W ert-W ert-W ert-W ert-verhä ltn isses verhä ltn isses verhä ltn isses verhä ltn isses verhä ltn isses und der auf dem Wert beru-henden Produktion. Ihre Voraussetzung istund b le ibt - d ie Masse unm itte lbarer Ar-be itsze it, das Q uantum (= d ie Menge) an-gewandter Arbe it a ls der entsche idendeFaktor der Produktion des Re ichtums. Indem Maße aber, wie d ie große Industriesich entw icke lt , w ird d ie Schöp fung d esw irk lichen Re ichtums abhäng ig wen ig ervon der Arbe itsze it und dem Q uantum an-gewandter Arbe it, a ls von der Macht derA gentien (= H ilfsm itte l), d ie während derArbe itsze it in Bewegung gesetzt werdenund d ie se lbst wieder - deren powerful e f-fectiveness (= W irkungsgrad) - in ke inemVerhältnis steht zur unmitte lbaren Arbe its-ze it, d ie ihre Produktion kostet, sondernvie lmehr abhängt vom a llgeme inen Standder W issenschaft und dem Fortschritt derTechno log ie , oder der Anwendung d ieserW issenschaft auf d ie Produktion. (D ie Ent-wicklung d ieser W issenschaft, besondersd er N aturw issenscha ft , und m it ihr a lleranderen, steht se lbst wieder im Verhä ltniszur Entwicklung der materie llen Produkti-on.) D ie A grikultur (=Landwirtschaft) z.B .wird b loße Anwendung der W issenschaftdes materie llen Stoffwechse ls, wie er amvorte ilhaftesten zu regulieren für den gan-zen G ese llscha ftskörp er. D er w irk licheRe ichtum manifestiert sich vie lmehr - undd ies enthüllt d ie große Industrie - im un-geheuren M ißverhä ltnis zwischen der an-gewandten Arbe itsze it und ihrem Produkt,wie ebenso im qua litativen M ißverhä ltniszwischen der auf re ine A bstraktion redu-zierten Arbe it und der G ewa lt des Produk-tionsprozesses, den sie bewacht. D ie Ar-be it ersche int nicht mehr so sehr als in denProdukt ionsprozeß e ing esch lossen , a lssich der Mensch a ls Wächter und Regula-tor zum Produktionsprozeß se lbst verhä lt.(Was von der Maschinerie , g ilt ebenso vonder Komb ination der menschlichen Tätig-

D er D iebstahl frD er D iebstahl frD er D iebstahl frD er D iebstahl frD er D iebstahl fremder Arbe it oder was ist Re ichtum?emder Arbe it oder was ist Re ichtum?emder Arbe it oder was ist Re ichtum?emder Arbe it oder was ist Re ichtum?emder Arbe it oder was ist Re ichtum?

Produktivkraft, des Menschen, gewordenist. Die Verseuchung und Vergiftung derNatur sind dann die zwangsläufige Folgeeines Systems, das auf dem Diebstahl frem-der Arbeitszeit beruht. (Siehe Kasten: ZumVerhältnis des befreiten Menschen zurNatur) Um wieviel mehr wirken diese Ge-setze, wenn ein paar hundert weltumspan-nende Monopole sie mit ihrer ganzen öko-nomischen Potenz und unter Ausnutzungvon staatlicher Gewalt aufzwingen kön-nen; jetzt nicht mehr als Ergebnis vonKonkurrenz, die sich hinter dem Rückender Beteiligten durchsetzt, sondern als Be-standteil bewußter Tätigkeit zur Beherr-schung eben der Konkurrenz.

Globalisierung -der neue Hut

Und bei der Monopolisierung hat sicheiniges getan. Insofern ist Globalisierungnichts anderes als Zunahme der weltwei-ten Vermachtung der Wirtschaft. Das istder Versuch, sich den ökonomischen Ge-setzmäßigkeiten durch Kapitalzusammen-ballung - und das ist Machtzusammenbal-lung -, durch Stärke, zu entziehen.

Heute existieren rd. 40.000 sog. multi-nationale Konzerne (gegenüber 7.000 imJahr 1980) mit 250.000 Filialen im Aus-land.9

Aber ist wirklich netto soviel Kapital inneuen Fabriken angelegt worden, ist dasAkkumulationstempo so angestiegen, daßvon einer neuen Qualität zu sprechenwäre? Besteht nicht das Gros der Kapital-anlagen in Aufkäufen anderer Firmen, alsoÜbernahme des dort angehäuften Kapitalsdurch einen neuen Eigentümer, also Ver-

9 Vgl. UNCTAD, World Investment Report 1995. DieUNCTAD ist eine Unterorganisation der UNO fürHandel und Entwicklung. Wir sprechen von soge-nannten multinationalen Konzernen, weil dieserBegriff suggeriert, daß die damit bezeichneten Un-ternehmen sich von ihrer nationalen Herkunft undBasis gelöst hätten und vielen Nationalstaaten zu-zurechnen seien. Wir werden zeigen, daß dies nichtden Tatsachen entspricht (s.u.)

Page 7: W essen W elt ist die W elt? · 2008-10-18 · te rs te llt, d a § s ie z u m N u llta rif 2 4 S tu n d e n a m T a g a rb e ite n w o lle n u n d d a f r n o c h d a n k e s a ge

10 K 287

pensiert wird. In Industrie und Landwirt-schaft sind chronische Krisen das Hervor-stechende: Zuviel Nahrungsmittel, zuvielTraktoren, zuviel Kleider, zuviel Maschi-nen.

Und sind nicht gerade Verlagerungenan andere Standorte nur der Ausdruck, daßdie Produktion keineswegs global gestei-gert wird, sondern nur umgruppiert wirdunter dem Aspekt der Senkung der Pro-duktionskosten, also bei gleicher Produkt-menge Erhöhung des Profits? Dort wo esnicht um die Senkung der Produktionsko-sten geht, sondern die Kapitalanlage er-folgt wegen der Nähe zum Absatzmarkt,zur Umgehung von Handelsschranken,zum Ergattern von Subventionen, zumVermeiden von Umweltauflagen etc. wirdnur die bisherige Produktion am StandortX, die bisher statistisch unter z.B. „Sozial-produkt“ der BRD und Export aus derBRD erfaßt wurde, ersetzt durch die glei-che Produktionsmenge, jetzt beim Stand-ort Y erfaßt als „Sozialprodukt“ z.B. Tsche-chiens und tschechischer Export. Globalhat sich an der Produktion des Un-ternehmens Siemens nichts geändert. Gehtdie in Tschechien produzierte Ware zu100% in den Export z.B. als Zulieferung aneinen noch nicht verlagerten Sie-mens-Betrieb in der BRD, erhöht sich inder Tendenz der Handelsbilanzüberschußder Tschechischen Republik, während derDruck auf die Handelsbilanz der BRD ver-stärkt wird („Importüberschüsse“). So ent-stehen dann Meldungen wie „Der Welt-handel wächst weiter“ oder „Mittel- undosteuropäische Reformländer im Auf-schwung“. Diejenigen, die dabei wirklichim Aufschwung sind, sind die Eigentümerdes Siemens-Konzerns.

Die 500 bedeutendsten Industrieunter-nehmen der Welt (das sind gut 1% der sog.multinationalen Konzerne) beschäftigen0,05% der Weltbevölkerung und kontrol-lieren 25% der Weltproduktion. Zwei Drit-tel des Welthandels werden von ihnen kon-

Zum Verhä ltn is d es b e fre itenZum Verhä ltn is d es b e fre itenZum Verhä ltn is d es b e fre itenZum Verhä ltn is d es b e fre itenZum Verhä ltn is d es b e fre itenMenschen zur N aturMenschen zur N aturMenschen zur N aturMenschen zur N aturMenschen zur N atur

Kruden Umgang m it der N atur g ibt esauch im Sozia lismus, so lange sich vomJoch des Kap ita lismus be fre ite Länderan d er Art und d em Tempo d er Ent-w ick lung im Kap ita lismus orient ierenbzw. orientieren müssen durch d ie per-manente Drohung m it Krieg durch denImperia lismus. N atürlich ist das Ergeb-nis dann auch das g le iche: Umwe ltver-schmutzung . Nur hier a ls Ergebnis derProdukt ionswe ise se lbst , dort a ls vonaußen auferlegter Zwang , der noch zurVerte id igung d es g ese llscha ft lichenFortschritts in Kauf g enommen w ird .Fre iraum für e ine andere Entwicklungschafft der K lassenkamp f in den nochn icht b e fre iten Länd ern . N otwend ig eVoraussetzung , dam it z.B . Cuba se inenatürlichen Ressourcen n icht verg eu-d en und versch leud ern muß , ist d erKamp f gegen d ie B lockade durch d ieUSA und ihre Verbünd eten . Darüb er-hinaus sichert ke ine G ese llschaftsord-nung davor, daß Menschen d ie außer-ha lb von ihnen existierende We lt fa lscherkennen und entsprechend falsch han-d e ln . D ie Lösung kann woh l n icht imVerb ieten des Erkenntnisprozesses, inVerhinderung von Fortschritt, in verord-neter B lindhe it liegen, sondern in derBe fre iung des Erkenntnisprozesses vonse inen K lassenschranken, was d ie Auf-hebung des Private igentums se lbst zurVoraussetzung hat.

stärkung des kapitalistischen Kannibalis-mus (wobei die alten Eigentümer zwar ge-fressen, aber als fürstlich entschädigte Ren-tiers, Teilnehmer an den internationalenFinanzmärkten wieder ausgespieen wer-den), ohne daß eine neue Maschine ange-schafft worden wäre; im Gegenteil durchdie Übernahme häufig unter der Flagge von„Synergieeffekten“, Straffung etc. Werkestillgelegt werden? Und wir müssen hiervon Anlagen in der Industrie und in derLandwirtschaft sprechen. Denn ist es nichtgerade bezeichnend, daß angesichts desglobalen Hungers und des Elends ausge-rechnet der Ausbau der materiellen Pro-duktion relativ und in Teilen sogar abso-lut abnimmt. In den imperialistischen Län-dern spielt sich seit etwa 20 Jahren einkontinuierlicher Desindustrialisierungs-prozeß ab. Die Einverleibung der DDRund die Durchdringung Osteuropas ist ge-radezu gekennzeichnet durch Plattmachender vorhandenen Industrie, die durch Neu-anlage von Kapital in keinster Weise kom-

Renault-Arbeiter aus Brüssel „besuchen” die Opel Kollegen in Antwerpen, März 1997

10 vgl. UNCTAD, a.a.O. Das erscheint bedeutend undist sicher gegenüber der Zeit, als Lenin seine be-rühmte Schrift „Der Imperialismus als höchstesStadium des Kapitalismus“ (1915/16) verfaßte, eineenorme Entwicklung, die sich damals erst im Keimankündigte. Für alle, die die revolutionären Schluß-folgerungen aus Lenins Theorie ablehnen, Grundvon einer neuen Qualität zu sprechen und dabeiauch noch das Gesetz des Umschlagens von Quan-tität in Qualität zu bemühen. Die einzig neue Qua-lität erscheint uns hierbei, daß es in Europa keinesozialistischen Länder mehr gibt und sich dadurchdie Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus in seinemimperialistischen Stadium nur umso ungehinderterentfalten können.

trolliert. Die Hälfte davon, also 1.300 Mrd.Dollar Export, geht auf den sog.Intra-Handel, den Austausch zwischenden Multinationalen und ihren Filialen.Von fünf Dollar im Ausland verkaufterWaren und Dienstleistungen derUS-amerikanischen Multinationalen,stammen vier Dollar, die durch die Filia-len im Ausland hergestellt wurden oder diesie an eben diese Filialen verkauft haben.Dieses 1% der sog. multinationalen Kon-zerne besitzt die Hälfte der Direktinvesti-tionen im Ausland. Die 100 bedeutendsten(nicht gerechnet im Bank- und Finanzwe-sen) halten Aktiva in Höhe von 3.700 Mil-liarden Dollar, darunter sind 1.300 Mrd. imAusland angelegt, also etwa ein Drittel ihr-er Gesamtanlagen.10 (Dies entspricht auch

N eues vom We ltmarktN eues vom We ltmarktN eues vom We ltmarktN eues vom We ltmarktN eues vom We ltmarkt

N ach Informat ionen von „Terre d eshommes“ , Schwe iz lassen Sport-schuh-Produzenten w ie A d idas, N ike ,Reebok und Puma ihre teuren Marken-artike l unter unwürd igsten Arb e itsb e-d ingung en in Südostasien herste llen .„ Während zum Be isp ie l N ike für d enBasketba llsp ie ler M ichae l Jordan a lsW erb eträg er pro Jahr 20 M illionenUS-Do llar aufwendet“ , so d ie Organi-sationen, „kommen d ie 12.000 indone-sischen Arbe iterinnen und Arbe iter ind en Vertragsfirmen von N ike zusam-men nur auf e ine jährliche Lohnsummevon unter 10 M illionen US-Do llar“ - dassind 118 DM pro Arbe iterin und Monat.(zitiert nach: DER RABE RALF - umwe lt-abhäng ig es Monatsb latt , Berlin , A pril1997)

Page 8: W essen W elt ist die W elt? · 2008-10-18 · te rs te llt, d a § s ie z u m N u llta rif 2 4 S tu n d e n a m T a g a rb e ite n w o lle n u n d d a f r n o c h d a n k e s a ge

K 287 11

beiterklasse weltweit fällt.Ein Rechenbeispiel, das grob vereinfa-

chend die Tendenz aufzeigt: Ein Arbeiterbei Daimler verdient in der BRD 4.000,-DM brutto/Monat; sein Kollege bei Daim-ler in Ungarn verdient umgerechnet 400,-DM. Wurde die Fabrik 1 zu 1 in der BRDabgebaut und in Ungarn wieder hingestellt- 10.000 Kollegen hier abgebaut und dort10.000 Kollegen eingestellt -, so hat sichdie zahlungsfähige Nachfrage bei gleicherProduktionsmenge auf ein Zehntel redu-ziert von 40 Mio auf 4 Mio. Das ist demDaimler natürlich ziemlich gleichgültig,weil er verkauft seine Autos nicht in ersterLinie an die eigenen Arbeiter. Aber die glo-bale Nachfrage nach Lebensmitteln, Be-kleidung etc. sinkt damit um 36 Mio DM.

Nehmen wir einmal an, die Reproduk-tion des Kapitals würde sich tatsächlichohne staatliche, nationale Beschränkun-gen vollziehen, - nur der Globus sei dieGrenze -, könnte man dann ernsthaft an-nehmen, daß damit die ÜberakkumulationKapital, die Überproduktion von Waren,die Unterkonsumtion der Massen, die Er-werbslosigkeit zu beseitigen wäre?

Globalisierung -ein alter Hut

Schauen wir genauer hin: Globalisie-rung, das war die Tendenz der Bourgeoi-sie, seit es Kapital als gesellschaftlichesProduktionsverhältnis gibt, also Privatei-gentümer von Produktionsmitteln einer-seits und andererseits Lohnarbeiter, dienichts zu verkaufen haben als ihre Arbeits-kraft.

„Das Bedürfnis nach einem stets aus-gedehnteren Absatz für ihre Produkte jagtdie Bourgeoisie über die ganze Erdkugel.Überall muß sie sich einnisten, überallanbauen, überall Verbindungen herstel-len. Die Bourgeoisie hat durch ihre Ex-ploitation des Weltmarkts die Produkti-on und Konsumtion aller Länder kosmo-politisch gestaltet. Sie hat zum großen Be-dauern der Reaktionäre den nationalenBoden der Industrie unter den Füßenweggezogen. Die uralten nationalen In-dustrien sind vernichtet worden und wer-den noch täglich vernichtet. Sie werdenverdrängt durch neue Industrien, derenEinführung eine Lebensfrage für alle zi-vilisierten Nationen wird, durch Industri-en, die nicht mehr einheimische Rohstof-fe, sondern den entlegensten Zonen an-gehörige Rohstoffe verarbeiten und derenFabrikate nicht nur im Lande selbst, son-dern in allen Weltteilen zugleich ver-braucht werden. An die Stelle der alten,durch Landeserzeugnisse befriedigtenBedürfnisse treten neue, welche die Pro-dukte der entferntesten Länder und Kli-mate zu ihrer Befriedigung erheischen.An die Stelle der alten lokalen und na-tionalen Selbstgenügsamkeit und Abge-schlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr,

eine allseitige Abhängigkeit voneinander.Und wie in der materiellen, so auch in dergeistigen Produktion.“ (K. Marx/F. En-gels, Manifest der Kommunistischen Par-tei, MEW Bd.4, S.467)

Die Entwicklung der Produktivkräfte,für die Verfasser des „Manifests“ verkör-pert in der Entwicklung der Industrie, ver-langt geradezu nach Überwindung der na-tionalen Schranken, der Nationen selbst.Die Bourgeoisie muß über diese Schran-ken hinausgehen und sie doch beständigwiederherstellen.

Nation und NationalstaatDie Entwicklung der Nationen ist eng

verknüpft mit der Entwicklung des Kapi-talismus und der Entwicklung seiner Trä-gerin, der Bourgeoisie. Die modernen bür-gerlichen Nationen werden zuerst durchden Amerikanischen Unabhängigkeits-krieg (1775-83) und die Französische Re-volution hergestellt, England hatte eineähnliche Entwicklung bereits im 17. Jahr-hundert durchlaufen. Die Bourgeoisiestellt die Nation her, indem sie die feuda-len Fesseln wegräumt und den Binnen-markt herstellt. Dazu übernimmt sie denStaat und verändert ihn nach ihren Bedürf-nissen. Der Staat wird jetzt Unterdrük-kungsorgan gegen die Restaurationsversu-che der Feudalklasse und mehr und mehrgegen die anderen Klassen der Gesell-schaft, insbesondere das Proletariat. DerStaat wird aber auch Instrument, um dieInteressen der jeweiligen nationalen Bour-geoisie gegen den Rest der Welt durchzu-setzen, d.h. gegen die jeweils andere natio-nale Bourgeoisie. So bilden sich im 19.Jahrhundert bürgerliche Nationalstaatenheraus. Je stärker dabei der Druck der be-reits stabilen Bourgeoisstaaten ist und je

Woh in geht das Kap ita l?Woh in geht das Kap ita l?Woh in geht das Kap ita l?Woh in geht das Kap ita l?Woh in geht das Kap ita l?

Rd . 70% der D irektinvestitionen im Aus-land (Fore ign d irect investment , F D I)kommen aus den fünf imperia listischenHaupt länd ern (D eutsch land , Frank-re ich , Japan , USA , Eng land) und rd .60% davon g ehen w ie d erum in e b end iese imperialistischen Länder. D ie ver-b le ibenden F DI (rd . 40%) gehen dannan d ie restlichen Länder der We lt; da-von ab er w ie d erum 80% in ganze 10Länder wie VR China , Ind ien, Mexiko ,Venezue la u .a . G anze 4% flossen aufden afrikanischen Kontinent.

Tsche ch ische Arb e it er n ichtTsche ch ische Arb e it er n ichtTsche ch ische Arb e it er n ichtTsche ch ische Arb e it er n ichtTsche ch ische Arb e it er n ichtb i l l ig g enug für VW-Tochterb i l l ig g enug für VW-Tochterb i l l ig g enug für VW-Tochterb i l l ig g enug für VW-Tochterb i l l ig g enug für VW-TochterSkodaSkodaSkodaSkodaSkoda

Skoda Auto AS hat e in Grundsatzab-kommen m it der ind ischen Reg ierungüber den Bau e ines Automob ilwerkesunterze ichnet, berichtet d ie tschechi-sche N achrichtenag entur C TK unterBerufung auf Skoda-Führungskräfte .D ie Vere inbarung konkre t isiere d iePläne von Skoda , rund 300 M io US-$für e ine Produktionsstätte in Ind ien mite iner Jahreskapazität von 50.000 b is60.000 E inhe iten zu investieren, wirdSkoda-Sprecher M ilan Smutny zitiert.D ie Entsche idung über den Standortso ll laut dem Bericht nicht vor Jahres-end e g etro ffen werd en . Im Rennense ien dre i Städte , d eren N amen je-doch n icht g enannt wurd en . (aus:H TTP: / W W W . M ARKET-M A KER . D E ,26.11.97)

Stahl- und Bergarbeiter kämpfen für dieZukunft des Reviers. 1992

etwa den Größenverhältnissen der deut-schen Monopole, vor allem aus dem Che-mie-, Elektro- und Automobilbereich.) DieDirektinvestitionen im Ausland sind fünf-mal schneller gewachsen als der Handel,zehnmal schneller als die Weltproduktionseit 1983. Dabei ist bezeichnend, daß dieVerlagerungen vor allem zwischen den im-perialistischen Ländern stattfinden. (SieheKasten: Wohin geht das Kapital?)

Globalisierung ist so gesehen nichts an-deres als der Ausdruck einer ungeheurenVerstärkung der Konzentration und Zen-tralisation des Kapitals, der Monopolisie-rung, und damit der Macht, die wenigeTrusts über der Weltbevölkerung errichtethaben. Es ist auch Ausdruck des Über-schusses von Kapital in den imperialisti-schen Ländern, das in diesen Ländernnicht mehr profitabel genug angelegt wer-den kann und um den Erdball geschicktwerden muß auf der Suche nach Maximal-profit.

Im Ergebnis führen diese Kapitalbewe-gungen jedoch global dazu, daß das durch-schnittliche Gesamteinkommen der unmit-telbaren Produzenten in der Summe fällt,daß die zahlungsfähige Nachfrage der Ar-

Page 9: W essen W elt ist die W elt? · 2008-10-18 · te rs te llt, d a § s ie z u m N u llta rif 2 4 S tu n d e n a m T a g a rb e ite n w o lle n u n d d a f r n o c h d a n k e s a ge

12 K 287

stärker das Proletariat sich als eigenstän-dige Klasse bemerkbar macht, desto mehrsucht diese Bourgeoisie das Bündnis mitden feudalen, reaktionären Kräften, destoweniger bereitet sie den Boden für einefreie Entfaltung der Produktivkräfte, destoaggressiver und gewaltsamer tritt sie gegen-über anderen Nationen auf. Deutschland,Italien, Rußland und Japan sind hierfürBeispiel.

Globalisierung: Aufteilungund Neuaufteilung derWelt

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatteeine Handvoll kapitalistischer Nationen,zu Großmächten geworden, die Welt un-ter sich aufgeteilt. Diese Nationen hattensich riesenhafte Länder als Kolonien un-tertan gemacht. Daneben gab es noch halb-koloniale und halbfeudale Länder wie z.B.China, Persien, Türkei und eine ganzeReihe von Ländern, die sich zwar die for-male politische Unabhängigkeit erkämpfthatten (wie z.B. in Europa und Süd-amerika), aber immer mehr unter den po-litischen und ökonomischen Einfluß eineroder mehrerer Großmächte geraten waren.Daneben waren Großunternehmen ent-standen, die nicht mehr nur als passiveTeilnehmer sich einem anonymen Marktunterzuordnen hatten, sondern die aktivin das Marktgeschehen eingriffen. DieKonkurrenz hatte Monopole hervorge-bracht, die sich zwar in den Grenzen ihrerNationalstaaten entwickelt hatten, für dieaber die Heimatmärkte zu eng gewordenwaren. Auf sie konzentrierte sich schon derExport von Waren. Neu war, daß sie mehrund mehr darauf angewiesen waren, auchKapital im Ausland anzulegen, um Rendi-ten für ihr ungeschwollenes Kapital zu er-

mit der Ausbeutung des Menschen durchden Menschen. Im Gefolge des 2. Welt-kriegs befreiten sich weitere Länder vonder Herrschaft des Imperialismus, nichtzuletzt das volksreichste Land der Erde,China. Damit waren der Expansion nebenden dem Monopolkapitalismus inhärentenGrenzen, weitere Schranken gesetzt.

Mit der Entstehung von Monopol undImperialismus am Ende des 19. Jahrhun-derts entsteht auf der Welt auch eine kon-krete Konstellation von imperialistischenGroßmächten und abhängigen Ländern,von Unterdrückernationen und unter-drückten Nationen. Diese Konstellationder imperialistischen Staaten ist heutenamhaft zu machen in der Siebenergrup-pe (G7) des Internationalen Währungs-fonds (IWF), die die USA, Kanada, Groß-britannien, Frankreich, Deutschland, Ita-lien und Japan umfaßt.

Monopolbourgeoisie undNation

Die Monopole sind Ausdruck, daß füreinen Teil der Bourgeoisie die eigene Na-tion, der Binnenmarkt kein ausreichendesBetätigungsfeld mehr abgibt. Sie habeneine solche Größe erreicht, daß der zuHause erzielbare Profit nicht mehr aus-reicht, um ihr riesenhaftes Kapital zu ver-werten. Sie müssen über die Grenzen derNation hinaus, nicht nur mit ihren Waren(Export), sondern auch mit ihrem Kapital.So wie sie in ihren Ursprungsländern denStaat mehr und mehr sich unterordnen, sotun sie es in fremden Ländern und sie tunes um so offener und gewaltsamer, jeschwächer das Land ist, in das sie eindrin-gen und in dem sie sich festsetzen. Vondaher das Bild in den abhängigen Ländern,wo sich die nationale Bourgeoisie sogar mitden Arbeitern und Bauern zusammen-schließen muß, um sich dem Würgegriffder ausländischen Monopole und der im-perialistischen Staaten zu erwehren, wäh-rend sich die Monopole häufig auf reaktio-näre halbfeudale (Großgrundbesitz), javorfeudale (z.B. Clans) Kräfte stützen, umihre Vormachtstellung auszubauen und zufestigen. Doch schon hier muß die Frageentschieden werden, welches Monopolka-pital, welches imperialistische Land solldie Dominanz haben, die bis hin zumKrieg führt, zu den sog. Stellvertreterkrie-gen, wie sie die Entwicklung nach dem 2.Weltkrieg gekennzeichnet haben.

Anders die Situation, wo das in ein an-deres imperialistisches Land eindringendeMonopolkapital auf eine einheimischeMonopolbourgeoisie trifft. Hier ist der Ka-pitalaufwand um ein Vielfaches höher,damit eine gefestigte Stellung erreicht wer-den kann. Das erklärt auch, weshalb diegroße Masse der Kapitalanlagen aus impe-rialistischen Ländern in andere imperiali-stische Länder fließt. Dabei war entschei-dend die Situation nach dem 2. Weltkrieg.

wirtschaften. Renditen, die ihre „Shareh-olders“ zufriedenstellten und sie davon ab-hielt, ihr Kapital in anderen Sphären an-zulegen wie z.B. in festverzinslichenStaatspapieren. Bald waren die Märkte vonwenigen solcher Monopole besetzt undbeherrscht. Bei den unvermindert anhal-tenden Wirtschaftskrisen wurden jedochnicht mehr wie bisher die überzähligenAnbieter „bereinigt“ und so ein vorüberge-hendes Gleichgewicht hergestellt. Zu großund bedeutsam für die Ökonomien ihrerHerkunftsländer waren diese Monopolegeworden. Die Pleite eines einzigen hätteim betreffenden Land unabsehbare Folgengehabt. Immer mehr wurde die Sache ei-nes einzelnen Unternehmens zur Staatsan-gelegenheit und nationalen Aufgabe er-klärt. „Die Sache der Gebrüder Mannes-mann ist Sache jedes Deutschen“, titeltenZeitungen in der Marokko-Krise 1905, alsden Eigentümern des Mannesmann-Kon-zerns die ergaunerten Erzkonzessionendurch Intervention der französischen Re-gierung wieder abgejagt werden sollten.

Damit stieß der der kapitalistischenÖkonomie innewohnende Expansions-zwang auf Grenzen. Jede weitere Ausdeh-nung des Einflusses bedeutete nun, einzu-brechen in die Reviere einer anderenGroßmacht oder eines anderen Monopols,das diesen oder jenen Markt, diese oderjene Rohstoffquelle für sich reklamierte.Diese Grenzen waren nur durch neue Ab-kommen zu überwinden. Aber wenn der„Partner“ nicht mitspielte, blieb nur nochdie Gewalt zur Neuaufteilung der Welt.Der 1. Weltkrieg war das Ergebnis diesesKampfs um Neuaufteilung. Und er ver-schärft sich noch weiter, weil die Oktober-revolution ein Sechstel der Erde dem un-gehinderten Schalten und Walten derMonopole entzogen hatte und daran ge-gangen war, generell Schluß zu machen

Zum dritten Mal sperren Stahlarbeiter die Rheinbrücke von Rheinhausen nach Duisburg-Hochfeld, 20.1.1988

Page 10: W essen W elt ist die W elt? · 2008-10-18 · te rs te llt, d a § s ie z u m N u llta rif 2 4 S tu n d e n a m T a g a rb e ite n w o lle n u n d d a f r n o c h d a n k e s a ge

K 287 13

Die USA als Weltpolizist und Vorkämpfergegen die sozialistischen Länder und dieum ihre Befreiung kämpfenden Völkersogen in riesigem Umfang Waren und Ka-pital an. Märkte und Anlagemöglichkeitenim zivilen Bereich waren von der heimi-schen Monopolbourgeoisie teil- und zeit-weise geräumt worden zugunsten ihres En-gagements im militärischen Sektor, um vonKorea über Vietnam bis zum Golfkrieg die„Pax americana“ durchzusetzen. Von die-ser Konstellation haben vor allem Deutsch-land und Japan profitiert. Mit der Zerschla-gung der Sowjetunion und der damit fol-genden (vorübergehenden?) Reduzierungdes Rüstungssektors verstärkt sich derDruck der US-Monopole zur Wiedergut-machung verlorenen Terrains im „zivilen“Bereich. Von daher bezeichnet das Schlag-wort von der Globalisierung auch die Aus-einandersetzung um die Neuaufteilung vorallem zwischen den USA, Japan undDeutschland, wobei die Auseinanderset-zung um die Dominanz in Europa, in Ruß-land mit den Nachfolgestaaten der UdSSRund um China mit dem pazifischen Raumgeht.

Während die Monopole über ihre eige-ne Nation hinauswachsen und sie sich da-bei untertan machen, sie ausplündern undruinieren und ihren Untergang in Kaufnehmen (wie es die deutschen Monopoleim Hitlerfaschismus und 2. Weltkrieg un-ter Beweis gestellt haben), während dieMonopole fremde Nationen sich abhängigmachen, sie sogar an der kapitalistischenEntwicklung aus Konkurrenzgründen be-hindern, können sie die Form des Natio-nalstaats nicht überwinden. Sie benötigenden Staat, um die Arbeiterklasse und allenichtmonopolistischen Klassen niederzu-halten bzw. für ihre Zwecke auszurichten.Und sie benötigen den Nationalstaat, umsich gegen den Zugriff anderer Monopoleschützen zu können bzw. seine Kräfte fürdie Expansion gegen andere Monopolenutzbar zu machen. Denn wer bekommtdenn die Subventionen, die Hermes-Kre-ditbürgschaften, wozu die Gesetze undNormen (von DIN bis zum bayrischenReinheitsgebot beim Bier) und wozu Bun-deswehr? (Siehe Kasten: Deutsches Mono-polkapital) Doch nicht etwa für GeneralMotors und Exxon, sondern für Siemensund Thyssen. Und zeigt denn nicht dieÜbernahme DDR-Wirtschaft, wie faststreng nach der nationalen Duftmarke desMonopols und gar nicht global hier dieKernbereiche verteilt wurden und wer vondem riesenhaften Verteilungs- und Kon-junkturprogramm der Treuhand einge-steckt hat: Deutsche Banken, deutscheVersicherungen, deutsche Industrie- undHandelsmonopole. Die 350 Mrd. DM Ver-lust der Treuhand, die den Werktätigenaufgebürdet wurden, sind Gewinne undMacht geworden, damit die deutsche Mo-nopolbourgeoisie noch unverschämter unddreister nach innen und außen auftretenkann. Und sie sind der Stachel, sich bei

anderen Völkern in Europa („Euro“) undin der Welt schadlos zu halten. Gerade dieinternationale Verflechtung, die Abhängig-keit der Monopole von ihren Engagementsim Ausland schafft eben nicht nur schein-bar friedliche ökonomische Verbindungen,führt zu Kapitalanlagen, die von Länderndringend angefordert werden, fördert Han-del und Wandel, sondern bereitet das Kon-fliktpotential, das die Interessengegensät-ze von Klassen und Ländern zuspitzt biszu gewaltsamen Konflikten.

Und was heute unter dem Begriff Glo-balisierung als scheinbar friedliche ökono-mische Durchdringung und mit kosmopo-litischem Anstrich vonstatten geht, wirdbegleitet von unverhohlenem Nationalis-mus wie er in der Parole vom „StandortDeutschland“ zum Ausdruck kommt. Undin diesem Widerspruch drückt sich nichtsanderes aus als das Verhältnis der Mono-polbourgeoisie zu Nation und National-staat. Der Ausgangspunkt ist die monopo-listische Expansion, die den Kosmopolitis-mus braucht, d.h. ungehinderten Zugangzu allen Profitquellen. Und sie braucht denNationalismus, das Unterdrückungs- undDrohpotential des Nationalstaats, um demkosmopolitischen Anspruch des Mono-pols, seinem Drang nach Weltbeherr-schung Geltung zu verschaffen.

Arbeiterklasse und NationUnd eben darum geht es: Wie verhält

sich die Arbeiterbewegung zu diesem Kon-flikt. Stellt sie sich jammernd zur Seite undweint über den „Klassenkampf von oben“?Das Proletariat ordnet sein Verhältnis zurNation der sozialen Frage unter, d.h. derAbschaffung der Ausbeutung; das Mono-polkapital ordnet sein Verhältnis zur Na-tion dem Monopolprofit unter, d.h. derErhaltung und Verschärfung der Ausbeu-tung. Ebenso wie das Monopolkapitalsteht das Proletariat von seiner Klassenla-ge her nur bedingt zur Verteidigung derNation, des „Vaterlands“. Es muß, um sichselbst von seiner Stellung als ausgebeute-te Klasse befreien zu können, für die Über-windung der Klassengesellschaft eintreten,für die Abschaffung aller Klassen. Mit demKlassengegensatz fällt aber auch die feind-liche Gegenüberstellung der Nationen, dieaufgehoben werden im Prozeß der Ver-schmelzung der Völker. Das Proletariat istseinem Wesen nach international (undbüßt jedesmal die Verletzung des proleta-rischen Internationalismus durch Ver-schärfung der Konkurrenz untereinanderbis dahin, daß es von der eigenen Bour-geoisie im Krieg gegen die eigenen Klassen-genossen, zur Schlachtbank geführt wird)und hat keine nationalen Interessen. Umjedoch die Herrschaft der Monopolbour-geoisie weltweit zu stürzen, braucht dasProletariat Bündnispartner, deren Interes-sen sich zunächst nur im Rahmen derNation durchsetzen lassen. Die Verteidi-gung der Nation ist selbst ein Klassenkom-

promiß. In den Unterdrückernationen hatdas Proletariat die Aufgabe, die Herrschaftdes Monopolkapitals zu stürzen, dabei hates Reserven d.h. potentielle Bündnispart-ner (bedingt durch die Interessenlage,durch die Tendenz zur Proletarisierung) inTeilen des städtischen und ländlichenKleinbürgertums (Bauernschaft, die auchbei zahlenmäßiger Reduzierung, weiterhinideologischen Einfluß auch auf Teile desProletariats hat, nicht zuletzt ausländischeKollegen, die aus ihren Dörfern für dieFabriken in den imperialistischen Ländernrekrutiert wurden).

In den unterdrückten Nationen, wo dasMonopolkapital und die imperialistischenMächte eine selbst kapitalistische Entwick-lung hemmen, strebt das Proletariat eineDiktatur mehrerer revolutionärer Klassenan: Proletariat, Bauernschaft, städtisches

D eutschesD eutschesD eutschesD eutschesD eutsches Monopo lkap ita l Monopo lkap ita l Monopo lkap ita l Monopo lkap ita l Monopo lkap ita l

Unter d en 28 größten Industrieunter-nehmen m it über 10 M illiarden Umsatzg ibt es insgesamt fünf, d ie mehrhe itlichin ausländ ischer Hand sind . Davon sindm it She ll und Esso zwe i M inera lö lkon-zerne (Plätze 25 und 27), a lso e inerBranche , in d er das d eutsche Kap ita labgesehen von Ara l (= Veba-Konzern)noch n icht vie l zu me ld en hat . Unterd en dre izehn größten Industrieunter-nehmen sind ke ine in mehrhe itlich aus-länd ischer E ig entümerstruktur, d iegrößten sind d ie deutschen N iederlas-sung en d er US-Automob ilkonzerneO pe l und Ford auf den Plätzen 14 und15, daneben be findet sich auf Platz 26noch IBM D eutschland . Dabe i ist anzu-merken, daß d ies N iederlassungen aus-länd ischer Konzerne sind , d eren Ent-sche idungszentra le sich e ind eut ig ind en USA , bzw . Großbritann ien b e fin-den. Be i den Banken, Versicherungenund Hand e lskonzernen ist das B ildnoch e indeutiger. Unter den Kred itin-stituten finden sich unter den 25 größ-ten auf Platz 24 und 25 m it d erBH F-Bank und d er B f G Bank A G nurzwe i mehrhe itlich in französischem E i-gentum be find liche Banken, unter den25 größten Versicherungen sind insge-samt fünf mehrhe it lich in ausländ i-schem E igentum (Plätze 3, 5, 14, 17 und25). Unter den 25 größten Hande lskon-zernen ist ke in ausländ ischer, so fernman d ie M etro-Grup p e a ls Te il d esdeutschen Kap ita ls de finiert. ( vg l. „D iehund ert größten Unternehmen [d erBRD]“ , F AZ vom 08.07.97 in Komb ina-t ion m it F AZ vom 06 .10 .97) D ieM etro-Zentra le b e find et sich zwar ind er Schwe iz , d ieser größte Hand e ls-konzern Europas gehört jedoch mehr-he it lich O tto Be ishe im , d eutscherStaatsangehöriger und ehemaliges M it-g lied der SS-Le ibstandarte Ado lf H itler.

Page 11: W essen W elt ist die W elt? · 2008-10-18 · te rs te llt, d a § s ie z u m N u llta rif 2 4 S tu n d e n a m T a g a rb e ite n w o lle n u n d d a f r n o c h d a n k e s a ge

14 K 287

Kleinbürgertum und nationale Bourgeoi-sie. Diese Klassen sind revolutionär, soweites um die Unabhängigkeit der Nationdurch Zurückdrängung des Einflusses desImperialismus, der ausländischen Mono-pole und des Diktats der Großmächte geht.

Wie wichtig die Anerkennung des Un-terschieds von unterdrückenden und un-terdrückten Nationen ist, zeigt die ganzeDebatte, wie sie derzeit in der BRD geführtwird. Wird sie nicht aus der Sicht einer Un-terdrückernation geführt? Wer überlegtdenn schon, was es heißen würde, wennin Malawi die Frage nach der „internatio-nalen Konkurrenzfähigkeit“ gestellt wür-de oder was es bedeuten würde, wenn esum den „Standort Uruguay“ ginge?

Der Kampf um dasKleinbürgertum

Monopolbourgeoisie und Proletariatkämpfen gleichermaßen um das Kleinbür-gertum als Bündnispartner. Die Monopol-bourgeoisie ruiniert ökonomisch dasKleinbürgertum (Bauern, Handwerker,kleine Selbständige, Intelligenz bis hin zuTeilen der nichtmonopolistischen Bour-geoisie) und verweist es daher auf denAusweg, sich am Proletariat (z.B. durchDemontage von Arbeiterschutzgesetzenwie Aufhebung des Nachtarbeitsverbotsfür Frauen, durch Aushöhlung von Tarif-verträgen durch Öffnungsklauseln etc.)und an anderen Völkern schadlos zu hal-ten (Glücksritterstimmung im Osten, dieals Subunternehmer getarnten Schlepper-banden, Asylsuchende als rechtloses Ar-beitsvieh etc.) Damit werden ständestaat-liche, faschistische Perspektiven (bei denNazis hieß das dann Nährstand, Wehr-stand, Lehrstand) aufgezeigt, also die Si-cherung von Privilegien für Teile des Klein-bürgertums als Treueprämie für Unterwür-figkeit. Mit der Globalisierungsformel ver-sucht die Monopolbourgeoisie das Klein-

bürgertum vom Kampf gegen den Haupt-feind im eigenen Land abzuhalten (dabeiwird auch an Losungen angeknüpft wie„die eine Erde“). Mit dem Nationalismuswerden andere Teile des Kleinbürgertumsauf den Nationalstaat gelenkt, der ihnenSchutz vor den Folgen des Ruins gewäh-ren soll. Das Proletariat in der BRD, auchwenn in den imperialistischen Ländern derAnteil, der in der Industrie beschäftigt ist,zahlenmäßig relativ und absolut zurückge-gangen ist, hat gerade durch die neuenProduktionsformen (lean production,just-in-time) eine ungeheures Machtpoten-tial in der Hand. Die Verwundbarkeit derkapitalistischen Produktion ist erheblichgewachsen und die französischen Trans-portarbeiter haben dies anschaulich ge-macht. Nicht umsonst geifern alle Kapita-listen in Europa, die deutschen voran, überunsere französischen Klassenbrüder; nichtumsonst auch macht sich Blüm stark fürdie Erhaltung des Flächentarifvertrags11,weil er weiß, daß ohne Tarifbindung spon-tan einzelne Belegschaften in Kämpfen umLohn- und Arbeitsbedingungen ganzeBranchen lahmlegen können. Durch dieGlobalisierung und die damit verbundeneErhöhung des Vergesellschaftungsgradeswird die potentielle Macht gesteigert, weileine störungsfreie Produktion nun nochstärker vom Zusammenwirken mit Kolle-gen in fremden Ländern abhängig wird.Wie nie seit dem 2. Weltkrieg zeigt sichauch, wie Kapitalismus ohne Fesseln funk-tioniert, insbesondere in der Massener-werbslosigkeit, die auch bei einer Besse-rung der Konjunktur noch steigt, in derAusplünderung ganzer Weltregionen, imElend, das anwächst bei wachsenderÜberproduktion, in der offenen Umvertei-lung des Reichtums zugunsten der Rei-chen. Die Umsetzung dieser Erkenntnissein revolutionäres Handeln gelingt wegendes vorherrschenden sozialdemokrati-schen Einflusses im Proletariat gegenwär-tig nicht. Dieser Einfluß lähmt vor allem

die wichtigste organisierte Kraft des Pro-letariats in der BRD, die Gewerkschaft.Der Gewerkschaftsführung war es vor1989 gelungen, das westdeutsche Proleta-riat unter das deutsche Monopolkapital,unter das Wohl der einzelnen Kapitalisten,unter die Bewegung der Konjunktur unter-zuordnen und so die westdeutsche Arbei-terbewegung an den Schwanz der Bour-geoisie zu heften. Nach 1989 ist sie demMonopolkapital bei der Einverleibung derDDR gefolgt durch die Auflösung desFDGB. Der Dank dafür ist, daß in derMonopolbourgeoisie inzwischen verstärktdarüber nachgedacht wird, ob sie Gewerk-schaften, selbst sozialpartnerschaftlichgeführte, überhaupt noch nötig haben. DieReaktion hierauf ist Bündnispolitik (ge-genüber Kirchen, kleinen Gewerbetreiben-den z.B. in den „Montagsdemos“), die da-durch ihren sozialdemokratischen Stem-pel erhält, daß sie als Ersatz für das Han-deln der Arbeiterklasse genommen undobjektiv dazu dient, das Proletariat in dieBittstellerrolle gegenüber dem Staat zuführen. Die offenkundige materielle Er-folglosigkeit dieser Bemühungen stößt dieBündnispartner aus dem Kleinbürgertumauf Dauer ab, führt sie in die Resignationbzw. öffnet sie dem Lockruf des Stände-staats. In der Auseinandersetzung mit dersozialdemokratischen Ideologie der Klas-senversöhnung müssen die revolutionärenPositionen nach der Niederlage von 1989und der folgenden massiven Diskreditie-rung des Sozialismus und der Verwirrungin den eigenen Reihen wieder erarbeitetwerden, damit das Proletariat sich eineseiner objektiven Klassenlage gemäße Par-tei schaffen kann. Ohne Verteidigung derGewerkschaften gegen die Angriffe derMonopolbourgeoisie und ohne Kampfgegen das Zurückweichen der eigenenFührung wird diese Partei allerdings einfrommer Wunsch bleiben.

Die kleinbürgerliche Demokratie, wiesie in der BRD nicht nur durch Bündnis90/Die Grünen repräsentiert wird, will dieGlobalisierung ohne Klassen und häßli-ches nationalistisches Treiben, so wie esden Frieden will ohne Waffen, die Demo-kratie als etwas Reines über den KlassenStehendes, die Welt, die sich gefälligstnach höherer Vernunft zu drehen habe.Die Phrase vom „globalen Dorf” scheintgeradezu für sie gemacht zu sein. Jedemsein Häuschen, sein Feldchen, sein Gärt-chen. Virtuell? - Macht auch nichts! Dawird davon geredet, daß man/frau die Her-ausforderungen der Globalisierung anneh-men müsse, aber ohne Eingriffe in das so-ziale Netz und umweltverträglich bitte.Dabei ist man beim Sparen schon langepotentiell „regierungsfähig“ - Konsumver-

11Wir kämpfen aus etwas anderen Motiven für die Er-haltung des Flächentarifvertrags als Mittel zur Ver-einheitlichung der Klasse und ihrer Organisiertheit.Und weil manche Herrschaften Flächentarifvertragsagen und die Zerschlagung der Gewerkschaftenmeinen.

Zum Gedenken an die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, 11.1.1998

Page 12: W essen W elt ist die W elt? · 2008-10-18 · te rs te llt, d a § s ie z u m N u llta rif 2 4 S tu n d e n a m T a g a rb e ite n w o lle n u n d d a f r n o c h d a n k e s a ge

K 287 15

zicht als Weltrettungskonzept. Es ist derTraum vom „dritten Weg“ zwischen demder Bourgeoisie und dem des Proletariats,der immer im Graben zwischen den Klas-sen und deren konkreten Machtverhältnis-sen endet. Die kleinbürgerliche Demokra-tie ist - nach heftigen Auseinandersetzun-gen - mehrheitlich in der Jugoslaw-ien-Frage und vorher schon bei der Einver-leibung der DDR und im Golfkrieg auf defacto chauvinistische Positionen überge-

gangen. (Siehe Kasten: Grenzen und Klas-sen) Faktisch hat man dem Eingreifendeutschen Militärs in Bosnien zugestimmt,faktisch stimmt man der Verletzung bür-gerlichen Rechts durch die Repression inder DDR zu. Das ist kein Moralisieren,sondern Feststellung der notwendigenKonsequenz aus dem gegenwärtigen Kräf-teverhältnis der Klassen, wo das Kleinbür-gertum dem jeweils Stärkeren folgt. Eszeigt aber auch, daß das Kleinbürgertumnicht in der Lage ist, die Führung im Klas-senkampf zu übernehmen, sondern selbstgeführt wird - heute durch die Monopol-bourgeoisie, morgen durch das Proletari-at. Klar ist, daß wir nicht auf dieses Mor-gen warten können. Auch heute ist es not-wendig und möglich, das Bündnis mit denKräften der kleinbürgerlichen Demokratiezu suchen im Kampf gegen den Abbau derbürgerlichen Demokratie in konkretenAktionen z.B. gegen den staatlichen Ras-sismus, für die Gleichbehandlung vonDeutschen und allen Nationalitäten in derBRD.

Internationalismus beginntim eigenen Land

Aber ist denn Globalisierung nichtauch: Weltweite Vergesellschaftung derProduktion, Überwindung von Grenzen;wird nicht der Staat und seine Allmacht alsAnomalie fühlbar? Reichen da die alten„Rezepte“ aus, um der Wucht des reaktio-nären Angriffs entgegenzutreten? Begebenwir uns nicht in defensive und schädlichePositionen, wenn wir dabei stehen bleiben,die Verteidigung des Errungenen zu for-dern? Aber ist es nicht auch so, daß dasganze Bürgertum die Linken als die letz-ten Konservativen und „Besitzstandswah-rer“ verhöhnt, weil es gerade verhindernwill, daß tatsächlich um Errungenes ge-kämpft wird? Denn hinter der Maske desHohnlächelns spürt das Bürgertum schondie Gefahr, daß die Arbeiterklasse nichtnur die Besitzstandsmehrung der Reichenpeinlich in Frage stellt, sondern darüberhinaus erkennen kann, daß schon eine Er-träglichkeit der kapitalistischen Ausbeu-tung nicht zu erreichen ist, ohne ihre Be-seitigung auf die Fahnen zu schreiben undein Leben mit Zukunft nur durch die re-volutionäre Umgestaltung der herrschen-den Verhältnisse möglich ist. Freilich kön-nen wir es uns dabei nicht leisten, einfachjede Bewegung zu begrüßen, und dabei dieBauarbeiter in Berlin, die Bergarbeiter inBonn oder die Stahlarbeiter vor der Deut-schen Bank in Frankfurt einfach gleichset-zen. Allen Bewegungen gemeinsam ist, daßsie Ausdruck des Zorns der Arbeiter sind.Aber wir haben auch wahrzunehmen, daßunter sozialdemokratischem Einfluß in un-terschiedlichem Maß chauvinistische Po-sitionen in diesen Bewegungen Fuß fas-sen und der Staat implizit zum Schutzhei-ligen der Arbeiterklasse gemacht wird,

Grenzen und Klassen

N ahrung für Chauvin ismus g ibt dasmange lnde Bewußtse in, daß d ie heu-tige Bewegung der G loba lisierung imwesentlichen basiert auf der Zerschla-gung der Staaten, in denen das Pro le-tariat zum erstenma l in der G eschichtezur Herrschaft ge langt war. Und daß d ieZersch lagung vor sich g e gang en istunter der Herrschaft e iner in ihrem In-ha lt gewande lten Bourgeo isie , e iner inihrem W esen reakt ionären Monopo l-bourgeo isie gegenüber e iner (im G e-gensatz zum Feuda lismus) revo lutionä-ren Bourg eo isie . Müßte es n icht zudenken geben: Aus den G edärmen derSow jetun ion , d er Tschechoslowake iund Jugoslaw iens ziehen d ie H errender G loba lisierung neue N ationa lstaa-ten hervor - a lle in nicht lebensfähig -,lassen neue Grenzen ziehen, schaffensich so mundgerechte Brocken, d ie siebesser schlucken können. N immt manG loba lisierung b e im Wort: we ltum-spannend , grenzen los - warum dannGrenzen , Grenzwächter, . . . Staaten ,Zö lle , Subvent ionen , versch ie d eneWährung en? Während in e inem Te ilEuropas Grenzen sche inbar fa llen, wer-den sie anderswo aufgerichtet: Kroati-en , Slowenien , Bosnien , Mazedonien ,Est land , Le tt land , Litauen , Aserb e id-schan , Armen ien , G eorg ien usw . Esg eht darum , daß d ie Grenzen für d ieMonopo le fa llen, daß sie fre i scha ltenund wa lten können, daß d ie We lt nachihrer W illkür tanzt - und das he ißt auch,daß sie dort, wo sie es für notwend igerachten, den Zugang zu Märkten undRohsto ffque llen abschotten vor d emZugriff der Konkurrenz. Dazu bemühensie dann ge legentlich auch das Se lbst-bestimmungsrecht der Vö lker, we inenKrokod ilstränen für das Recht der M in-derhe iten, mahnen Menschenrechte anund im g le ichen Zug verlangen sie dasRecht auf unbeschränkte Intervention,auf E inm ischung in d ie inneren Ange-le g enhe iten hübsch g etarnt a ls „ frie-d enschaffend e Maßnahme “ und „hu-man itäre ” A kt ionen . Von daher ist esnotwend ig , den reaktionären Charakterd er g e g enwärt ig en „ G loba lisierung “hervorzuheben, gegenüber dem G eha-b e von Fortschritt und Kosmopo lit is-mus.

auch und gerade weil er mit seinem Segenspart. Es ist unsere Aufgabe als Revolutio-näre, der Staatsgläubigkeit entgegenzutre-ten, dem Nationalismus, der damit in dieHirne transportiert wird und nach deut-scher Lösung verlangt statt nach einer so-zialen.

Die Arbeiterklasse darf die Nation alsKampfboden nicht aufgeben, wie es dieGlobalisierungsapostel suggerieren. Mitder Globalisierung wollen sie uns ins po-litische Niemandsland schicken. Da sollkein Siemens mehr verantwortlich undhaftbar gemacht werden für Entlassungen,Stillegungen und Verlagerungen und keinKohl mehr für Sozialraub und Steuerlast.

Was sich daraus ergibt, mag nicht neusein. Es ist nur so richtig, wie es 1915 ineinem illegalen Flugblatt des Spartakus-bundes, von Karl Liebknecht verfaßt,heißt: „Der Hauptfeind des deutschenVolkes steht in Deutschland: der deut-sche Imperialismus. Der Hauptfeindsteht im eigenen Land“. Das ist die Ant-wort auf kapitalistische Globalisierung undWeltherrschaftsgelüste. Das ist der tiefeAusdruck des proletarischen Inter-nationalismus, der sich nicht gegen ande-re Völker und andere Klassengenossenhetzen läßt, sondern sich gegen den welt-weit verbundenen Klassenfeind dort wen-det, wo er seiner habhaft werden kann - imeigenen Land, im eigenen Betrieb.

Und Liebknecht ist deshalb richtig - unddas haben wir versucht, in diesem Beitragaufzuzeigen -, weil sich am Wesen desdeutschen Imperialismus nichts geänderthat, sondern es gerade durch „Globalisie-rung“ von neuem und aggressiv bestätigtwird.

Statt Einsätze der Bundeswehr inJugoslawien und aller Welt;Kampfeinsätze der Gewerkschaf-ten gegen Sozialraub und sozialenMord.Statt der Nazi-Parole: Deutsch-land muß leben, auch wenn wirsterben müssen! Wir wollen leben,auch wenn Kapital-Deutschlandzugrunde geht.

Keine Europaillusionen - Europawird so reaktionär, so deutsch,wie wir es in Deutschlandzulassen.

Statt Standortpolitik - Klassen-standpunkt!

Gegen die Ausplünderung derLänder durch den Imperialismus.Ächtung des Streikbruchs. Hochdie internationale Solidarität desProletariats!

Arbeitsgruppe „Globalisierung“