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b Der Continental-Konzern ist globaler Automobilzulieferer. Ne- ben den Divisionen für Fahrzeug- elektronik und Bremssysteme ist die Division Rubber, die Produkte wie Reifen, Schläuche und An- triebsriemen herstellt, von Reach und CLP betroffen (siehe Glossar und Kasten S. 894). Die Werkstoffe für diese Produkte entstehen direkt aus chemischen Rohstoffen. Auf zentraler Ebene unterstützt die Ab- teilung Gefahrstoffmanagement bei der Produktsicherheit und der Ein- haltung des Gefahrstoffrechts. Expositionsszenarien anpassen b Reach betrifft neben den Ent- wicklungs- und Einkaufsabteilun- gen, welche die unterbrechungs- freie Belieferung mit chemischen Rohstoffen sicherstellen, vor allem das zentral koordinierende Gefahr- stoffmanagement und die Abtei- lungen für Arbeitssicherheit und Umweltschutz. Eine der Aufgaben liegt derzeit im Umgang mit den erweiterten Sicherheitsdatenblät- tern und den mit ihnen gelieferten Expositionsszenarien. Vor allem das Verstehen und Umsetzen die- ser Szenarien führt zu erheblichem Aufwand beim Gefahrstoffmanage- ment und in den Werken. Durch die Szenarien teilt der Lieferant eines Stoffs dem nachge- schalteten Anwender mit, wie er den Stoff verwenden darf, ohne dass es zu einer Gefährdung von Mensch oder Umwelt kommt. Hierbei macht der Lieferant bei- spielsweise Angaben über die er- laubten Einsatzmengen oder zu Schutzmaßnahmen wie Handschu- hen oder Absaugung. Der Anwen- der muss die sichere Verwendung nachweisen. Er muss also prüfen, ob seine Verwendungsbedingun- gen mit denen im Expositionssze- nario übereinstimmen. Die Auswertung des Szenarios ist mit großem Arbeitsaufwand verbunden. Zum einen gibt es un- terschiedliche Formate, da gesetz- liche Vorgaben dafür fehlen. Au- ßerdem übermitteln einige Liefe- ranten Expositionsszenarien für sämtliche Verwendungen des Stoffs. Dadurch liegt der Umfang dieser Dokumente teils bei über 100 Seiten und der Anwender muss die für ihn zutreffenden, meistens etwa drei bis fünf Seiten finden. Zum anderen sind nicht selten die vom Lieferanten vorge- gebenen Verwendungsbedingun- gen nicht einzuhalten. Der Grund liegt in den zu vorsichtigen Anga- ben der Lieferanten. Sie berechnen die erlaubten Einsatzmengen häu- fig so gering, dass dies die Produk- tionsprozesse erschwert. Kommt der Anwender bei der Prüfung der sicheren Verwendung zu einem negativen Ergebnis, muss er handeln. Er hat verschiedene Möglichkeiten, die aber nicht alle gleich gut geeignet sind. So ist es in komplexen Lieferketten oft schwierig, einen alternativen Liefe- ranten zu finden, der die benötig- ten Verwendungen beschreibt. Auch der Austausch eines Stoffs gegen einen anderen ist nicht ein- fach, da dies oft mit langwierigen Entwicklungsarbeiten verbunden ist. Ein weiterer Weg ist das Scaling. Hier informiert der Lieferant den Anwender darüber, wie dieser die Expositionsberechnung durch die Berücksichtigung seiner individu- ellen Situation anpassen kann. Ein Beispiel ist die Berechnung der Umweltexposition: Hier wird häu- fig ein Standardwert für die Größe des Flusses angenommen, in den die Prozessabwässer gelangen. Das Andreas Vogelpohl Wie die Verordnungen zur Chemikaliensicherheit mit den neuen Sicherheitsdatenblättern und Expositionsszenarien die Produktion beeinflussen. Wenn das Szenario nicht passt BChemiewirtschaftV Foto: Bluedesign, Fotolia b Glossar Reach: Europäische Verordnung zur Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien (Registration, Evaluation, Autho- risation of Chemicals). CLP: Europäische Verordnung über die Einstufung, Kennzeich- nung und Verpackung von Stof- fen und Gemischen (Classificati- on, Labelling and Packaging of Substances and Mixtures). GHS: Global Harmonisiertes System. Nachrichten aus der Chemie| 60 | September 2012 | www.gdch.de/nachrichten 892

Wenn das Szenario nicht passt

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b Der Continental-Konzern ist globaler Automobilzulieferer. Ne-ben den Divisionen für Fahrzeug-elektronik und Bremssysteme ist die Division Rubber, die Produkte wie Reifen, Schläuche und An-triebsriemen herstellt, von Reach und CLP betroffen (siehe Glossar und Kasten S. 894). Die Werkstoffe für diese Produkte entstehen direkt aus chemischen Rohstoffen. Auf zentraler Ebene unterstützt die Ab-teilung Gefahrstoffmanagement bei der Produktsicherheit und der Ein-haltung des Gefahrstoffrechts.

Expositionsszenarien anpassen

b Reach betrifft neben den Ent-wicklungs- und Einkaufsabteilun-gen, welche die unterbrechungs-freie Belieferung mit chemischen Rohstoffen sicherstellen, vor allem das zentral koordinierende Gefahr-stoffmanagement und die Abtei-lungen für Arbeitssicherheit und Umweltschutz. Eine der Aufgaben liegt derzeit im Umgang mit den erweiterten Sicherheitsdatenblät-tern und den mit ihnen gelieferten Expositionsszenarien. Vor allem das Verstehen und Umsetzen die-ser Szenarien führt zu erheblichem Aufwand beim Gefahrstoffmanage-ment und in den Werken.

Durch die Szenarien teilt der Lieferant eines Stoffs dem nachge-schalteten Anwender mit, wie er den Stoff verwenden darf, ohne

dass es zu einer Gefährdung von Mensch oder Umwelt kommt. Hierbei macht der Lieferant bei-spielsweise Angaben über die er-laubten Einsatzmengen oder zu Schutzmaßnahmen wie Handschu-hen oder Absaugung. Der Anwen-der muss die sichere Verwendung nachweisen. Er muss also prüfen, ob seine Verwendungsbedingun-gen mit denen im Expositionssze-nario übereinstimmen.

Die Auswertung des Szenarios ist mit großem Arbeitsaufwand verbunden. Zum einen gibt es un-terschiedliche Formate, da gesetz-liche Vorgaben dafür fehlen. Au-ßerdem übermitteln einige Liefe-ranten Expositionsszenarien für sämtliche Verwendungen des Stoffs. Dadurch liegt der Umfang dieser Dokumente teils bei über 100 Seiten und der Anwender muss die für ihn zutreffenden, meistens etwa drei bis fünf Seiten finden. Zum anderen sind nicht selten die vom Lieferanten vorge-gebenen Verwendungsbedingun-gen nicht einzuhalten. Der Grund liegt in den zu vorsichtigen Anga-ben der Lieferanten. Sie berechnen die erlaubten Einsatzmengen häu-fig so gering, dass dies die Produk-tionsprozesse erschwert.

Kommt der Anwender bei der Prüfung der sicheren Verwendung zu einem negativen Ergebnis, muss er handeln. Er hat verschiedene Möglichkeiten, die aber nicht alle

gleich gut geeignet sind. So ist es in komplexen Lieferketten oft schwierig, einen alternativen Liefe-ranten zu finden, der die benötig-ten Verwendungen beschreibt. Auch der Austausch eines Stoffs gegen einen anderen ist nicht ein-fach, da dies oft mit langwierigen Entwicklungsarbeiten verbunden ist.

Ein weiterer Weg ist das Scaling. Hier informiert der Lieferant den Anwender darüber, wie dieser die Expositionsberechnung durch die Berücksichtigung seiner individu-ellen Situation anpassen kann. Ein Beispiel ist die Berechnung der Umweltexposition: Hier wird häu-fig ein Standardwert für die Größe des Flusses angenommen, in den die Prozessabwässer gelangen. Das

Andreas Vogelpohl

Wie die Verordnungen zur Chemikaliensicherheit mit den neuen Sicherheitsdatenblättern

und Expositionsszenarien die Produktion beeinflussen.

Wenn das Szenario nicht passt

BChemiewirtschaftV

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b Glossar

Reach: Europäische Verordnung

zur Registrierung, Bewertung

und Zulassung von Chemikalien

(Registration, Evaluation, Autho-

risation of Chemicals).

CLP: Europäische Verordnung

über die Einstufung, Kennzeich-

nung und Verpackung von Stof-

fen und Gemischen (Classificati-

on, Labelling and Packaging of

Substances and Mixtures).

GHS: Global Harmonisiertes

System.

Nachrichten aus der Chemie| 60 | September 2012 | www.gdch.de/nachrichten

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Anpassen der Berechnung an die tatsächlichen Gegebenheiten führt dann zu anderen Einsatzmengen. Allerdings existieren bisher nur wenige Expositionsszenarien, in denen die Hersteller die nötigen Angaben zur Berechnung integriert haben.

Der erste Schritt bei Problemen sollte daher der Kontakt zum Liefe-ranten sein, um mit ihm die Expo-sitionsszenarien zu besprechen und die Fragen zu klären, die bei-spielsweise zu einer zu geringen er-laubten Einsatzmenge führten.

Einstufungen ändern

b Die CLP-Verordnung beein-flusst Aufgaben der Produktsicher-heit. So muss das Gefahrstoffmana-gement die Sicherheitsdatenblätter der Lieferanten aufgrund der neu-en Einstufung und Kennzeichnung prüfen. Außerdem sind die eigenen Gemische neu einzustufen und da-nach die Sicherheitsdatenblätter bezüglich Einstufung und Kenn-zeichnung zu aktualisieren. Dies muss bis zum Ende der Übergangs-frist am 1. Juni des Jahes 2015 ge-schehen sein.

Zurzeit wird der Ansatz verfolgt, die Gemische noch nicht komplett neu einzustufen, da hierzu die CLP-Einstufungen aller Rohmate-rialien der Lieferanten vorliegen müssten. Diese sind aber noch nicht vollständig, da auch die Lie-feranten der Gemische erst zum 1. Juni 2015 die neue Einstufung um-gesetzt haben müssen. Die Neuein-stufungen werden daher nach und nach immer dann durchgeführt, wenn die CLP-Einstufungen für die jeweiligen Rohmaterialien einer Mischung vorliegen.

Doppelgleisig fahren

b Die neu gekennzeichneten Roh-materialien betreffen die Arbeitssi-cherheit und die Produktion. Die Mitarbeiter sind im Umgang mit dem alten und dem neuen Kenn-zeichnungssystem zu schulen.

Zudem müssen innerbetriebli-che Transportgebinde neu gekenn-zeichnet werden. Die meisten Ge-mische tragen noch die alten Sym-bole aus der Verordnung 1999/45/EC. Es gibt aber auch schon CLP-konforme Gemische – verschiedene Hersteller desselben chemischen Gemisches handhaben wegen der Übergangsfrist die Kennzeichnung unterschiedlich. Dadurch finden sich chemisch glei-che Rohmaterialien mit unter-schiedlicher Kennzeichnung in La-ger und Produktion. Aus diesem Grund wird in den Werken zurzeit eine doppelte Kennzeichnung durchgeführt. Dies schult die Mit-arbeiter im Umgang mit den neuen Symbolen und Sicherheitsratschlä-gen, da sie den direkten Vergleich zwischen alter und neuer Kenn-zeichnung auf den Gebinden nach-vollziehen können.

Fazit: Die nahezu zeitgleiche Einführung der europäischen Che-mikalienverordnungen stellte und stellt die nachgeschalteten Anwen-dern vor anspruchsvolle Aufgaben und führt zu einem vermehrten Ar-beitsaufwand.

Der promovierte Chemiker Andreas Vogelpohl

arbeitet im Konzern-Gefahrstoffmanagement

und als Reach-Koordinator bei Continental in

Hannover. Über die Herausforderungen für

nachgeschaltete Anwender spricht er wäh-

rend des 4. Forums zum Globally Harmonized

System der Chem-Academy im September in

Köln. [email protected]

Tantalus und Rhodia kooperieren

b Tantalus Rare Earths aus Düs-seldorf und Rhodia, ein Spezialche-mieunternehmen der belgischen Solvay-Gruppe, wollen beim Tanta-lus-Projekt in Madagaskar gemein-sam die Seltenen Erden nutzbar machen. Rhodia erhält das exklusi-ve Abnahmerecht von jährlich bis zu 15 000 Tonnen. Die Fundstätte birgt wohl eines der größten Vor-kommen seltenerdhaltiger Tone au-ßerhalb Chinas.

Spezialkunststoff recyclen

b Dyneon, Tochter des US-Unter-nehmens 3M, baut in Bayern eine Pi-lotanlage, um jährlich 500 Tonnen Polytetrafluorethylen (PTFE) zu re-cyceln: Ein Pyrolysereaktor zersetzt das PTFE, und aus den Reaktionsga-sen lassen sich Tetra fluor ethen und Hexafluorpropen gewinnen und wieder zu PTFE verarbeiten. Der Au-tomobilbau nutzt es für Benzin-schläuche, die Umwelttechnik für Dichtungen und Rohre. Die jährlich in Europa bis zu 5000 Tonnen PTFE-Abfall werden bisher verbrannt oder auf Sonderdeponien entsorgt.

K+S verkauft Nitrogen

b Der Salz- und Düngerspezialist K+S veräußert die Stickstoffdünger-sparte Nitrogen an den russischen Chemiekonzern Euro Chem. Im Jahr 2011 erzielte Nitrogen einen Umsatz von knapp 1,2 Mrd. Euro und ein operatives Ergebnis von 69,4 Mio. Euro. Der Unterneh-menswert liegt bei 140 Mio. Euro.

Kurz notiert

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