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Wenn eine eine Reise tut... ... dann kann sie was erzählen - Felicitas Hoppe berichtet in Trier von USA-Trip auf den Spuren russischer Autoren Felicitas Hoppe ist auf Lesetour in der Region unterwegs. Nach ei- nem Auftritt in Echternach war die Autorin am Donnerstag in der Trierer Stadtbibliothek zu Gast. Dort berichtete sie von ihrer USA- Reise, auf der sie der Route des berühmten Reiseberichts ,,Das eingeschossige Amerika" der sowjetischen Schriftsteller lija llf und Jewgeni Petrow gefolgt ist. Von unserer Mitarbeiterin Kathrin Schug Trier. Ihre jüngste Reise führte Fe- Ucitas Hoppe in die vermeintlich auserzählten Vereinigten Staaten von Amerika. Auf den Spuren des sowjetischen Schriftsteller-Duos Ilja llf und Jewgeni Petrow bereis- te Hoppe das Land 80 Jahre nach deren Erfolgserzählung „Das ein- geschossige Amerika". Wenige Ta- ge nach ihrer Rückkehr hat die Au- torin ihre Eindrücke auf Einla- dung des Zentrums für Amerika- studien der Universität Trier im voll besetzten Lesesaal der Stadt- bibliothek vorgestellt. Amerika, Heimstätte der Super- Size-Menüs, des Coffee to go und der Kulturindustrie. Brutstätte der Coca Cola, der Angriffskriege und der unbegrenzten Freiheit - kein anderer Staat der Welt scheint so beladen mit Hass und Hoffnung, kein anderes Land hat die Populärkultur des 20. Jahr- hunderts in ähnlicher Weise ge- prägt. Wie kann man einen Blick auf diese Nation wagen, der kein standardisiertes Klischee ist? Felicitas Hoppe stieß vor eini- gen Jahren auf ein Dokument, das ein so fundamental anderes Bild von Amerika zeichnete, dass es sie Büchner-Preisträgerin Felicitas Hoppe zeigt in der Trierer Stadtbibliothek ein Exemplar von „Das eingeschossige Amerika". FOTO: UWE DÖRWALD nicht mehr losließ: Im Jahr 1935 hatte die sowjetische Parteizei- tung Prawda die Schriftsteller Ilja llf und Jewgeni Petrow in das Ge- biet des Klassenfeinds entsandt. Ergebnis ihrer achtwöchigen Rei- se war der Bericht „Das einge- schossige Amerika", der von Alltag und Gesellschaft in den Vereinig- ten Staaten erzählte und in der UdSSR rasch zu einem Bestseller avancierte. Dabei schufen die begnadeten Satiriker keine Kampfschrift ge- gen das kapitahstische Feindes- land, im Gegenteil: Sie erlebten in bemerkenswerter geistiger Offen- heit die amerikanische Gegen- wart, beschrieben Wolkenkratzer, Autos und Grapefruits mit großer Begeisterung, schilderten ihre Be- gegnungen mit Religiösen, India- nern, Werktätigen und Hausfrau- en mit dem Blick der Entdecker. In der Summe ihrer Darstellungen schufen sie ein unnachahmhch de- tailliertes und kurzweiliges Bild der 30er Jahre in Amerika. Liveberichte im Netz Hoppe war von der Lektüre derart beeindruckt, dass sie nicht nur das Vorwort zu der von ihr erwirkten Neuauflage schrieb - sie begab sich im Herbst dieses Jahres in Be- gleitung der Fotografin Jana Mül- ler und des Künstlers Alexej Merschtschanow auf die Spuren der legendären Reise. Die Gruppe bereiste dieselben Orte, die llf und Petrow in intellektueller und sti- Ustischer Schärfe beschrieben hatten. Ihre Eindrücke veröffent- lichte die Gruppe live auf einer In- ternetseite, die Felicitas Hoppe mit Hintergründen und Erläute- rungen den 120 Besuchern im Le- sesaal der Stadtbibhothek präsen- tierte (www.3668ilfpetrow.com). Sie erzählt von den einst stolzen amerikanischen Autowerken, die heute als folkloristische Touris- tenattraktion dienen, von der Ab- geschlossenheit und Unsichtbar- keit der heutigen kapitalistischen Zentren im Silicon Valley, von dem Elend der letzten Indianer, das zu fotografieren bei Strafe verboten ist. Sie schildert ein Land, das nicht ärmer an Faszination und Widersprüchen ist, als es den sow- jetischen Kundschaftern 80 Jahn zuvor erschien. Und doch scheini das „alte Amerika" in unerreichba re Ferne gerückt zu sein. Das Reisen und die damit ver bundenen Abenteuer sind ein treuer Wegbegleiter im literari- schen Werk von Felicitas Hoppe Ihre Weltreise auf einem Contai- nerfrachtschiff verarbeitete sie in ihrem Roman „Pigafetta", ihre fik- tive Autobiografie „Hoppe" führte nach Kanada, Australien und Amerika - und bescherte ihr den renommierten Georg-Büchner Preis. „Ich bin keine Reiseschrift stellerin", sagt die Autorin, die mit klassischen Reiseberichten wenig anfangen kann. „Ich bin eine Schriftstellerin, die auch reist." Literaturfreunde dürfen hoffen, dass aus den Notizen ihrer Ameri- kareise noch mehr entstehen wird: „Die übhchen Mediendemagogen sagen oft, man könne Amerika heute nicht mehr sehen. Das glau- be ich nicht. Ich will es zumindest versuchen." (N (3

Wenn e Reis tut.. - Uni Trier: Willkommen · dan n kan n si e wa s erzähle n-Felicita s Hopp e berichte t i n Trie r vo n USA-Tri p au f de n Spure n russische r Autore n Felicita

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Wenn eine eine Reise tut... ... dann kann sie was erzählen - Felicitas Hoppe berichtet in Trier von USA-Trip auf den Spuren russischer Autoren

Felicitas Hoppe ist auf Lesetour in der Region unterwegs. Nach ei­nem Auftritt in Echternach war die Autorin am Donnerstag in der Trierer Stadtbibliothek zu Gast. Dort berichtete sie von ihrer USA-Reise, auf der sie der Route des berühmten Reiseberichts ,,Das eingeschossige Amerika" der sowjetischen Schriftsteller lija llf und Jewgeni Petrow gefolgt ist.

Von unserer Mitarbeiterin Kathrin Schug

Trier. Ihre jüngste Reise führte Fe-Ucitas Hoppe in die vermeintlich auserzählten Vereinigten Staaten von Amerika. Auf den Spuren des sowjetischen Schriftsteller-Duos Ilja llf und Jewgeni Petrow bereis­te Hoppe das Land 80 Jahre nach deren Erfolgserzählung „Das ein­geschossige Amerika". Wenige Ta­ge nach ihrer Rückkehr hat die Au­torin ihre Eindrücke auf Einla­dung des Zentrums für Amerika­studien der Universität Trier im voll besetzten Lesesaal der Stadt­bibliothek vorgestellt.

Amerika, Heimstätte der Super-Size-Menüs, des Coffee to go und der Kulturindustrie. Brutstätte der Coca Cola, der Angriffskriege und der unbegrenzten Freiheit -kein anderer Staat der Welt scheint so beladen mit Hass und Hoffnung, kein anderes Land hat die Populärkultur des 20. Jahr­hunderts in ähnlicher Weise ge­prägt. Wie kann man einen Blick auf diese Nation wagen, der kein standardisiertes Klischee ist?

Felicitas Hoppe stieß vor eini­gen Jahren auf ein Dokument, das ein so fundamental anderes Bild von Amerika zeichnete, dass es sie

Büchner-Preisträgerin Felicitas Hoppe zeigt in der Trierer Stadtbibliothek ein Exemplar von „Das eingeschossige Amerika". FOTO: UWE DÖRWALD

nicht mehr losließ: Im Jahr 1935 hatte die sowjetische Parteizei­tung Prawda die Schriftsteller Ilja llf und Jewgeni Petrow in das Ge­biet des Klassenfeinds entsandt. Ergebnis ihrer achtwöchigen Rei­se war der Bericht „Das einge­

schossige Amerika", der von Alltag und Gesellschaft in den Vereinig­ten Staaten erzählte und in der UdSSR rasch zu einem Bestseller avancierte.

Dabei schufen die begnadeten Satiriker keine Kampfschrift ge­

gen das kapitahstische Feindes­land, im Gegenteil: Sie erlebten in bemerkenswerter geistiger Offen­heit die amerikanische Gegen­wart, beschrieben Wolkenkratzer, Autos und Grapefruits mit großer Begeisterung, schilderten ihre Be­gegnungen mit Religiösen, India­nern, Werktätigen und Hausfrau­en mit dem Blick der Entdecker. In der Summe ihrer Darstellungen schufen sie ein unnachahmhch de­tailliertes und kurzweiliges Bild der 30er Jahre in Amerika. Liveberichte im Netz Hoppe war von der Lektüre derart beeindruckt, dass sie nicht nur das Vorwort zu der von ihr erwirkten Neuauflage schrieb - sie begab sich im Herbst dieses Jahres in Be­gleitung der Fotografin Jana Mül­ler und des Künstlers Alexej Merschtschanow auf die Spuren der legendären Reise. Die Gruppe bereiste dieselben Orte, die llf und Petrow in intellektueller und sti-Ustischer Schärfe beschrieben hatten. Ihre Eindrücke veröffent­lichte die Gruppe live auf einer In­ternetseite, die Felicitas Hoppe mit Hintergründen und Erläute­rungen den 120 Besuchern im Le­sesaal der Stadtbibhothek präsen­tierte (www.3668ilfpetrow.com).

Sie erzählt von den einst stolzen amerikanischen Autowerken, die heute als folkloristische Touris­tenattraktion dienen, von der Ab­geschlossenheit und Unsichtbar-keit der heutigen kapitalistischen Zentren im Silicon Valley, von dem Elend der letzten Indianer, das zu fotografieren bei Strafe verboten ist. Sie schildert ein Land, das nicht ärmer an Faszination und Widersprüchen ist, als es den sow­

jetischen Kundschaftern 80 Jahn zuvor erschien. Und doch scheini das „alte Amerika" in unerreichba re Ferne gerückt zu sein.

Das Reisen und die damit ver bundenen Abenteuer sind ein treuer Wegbegleiter im literari­schen Werk von Felicitas Hoppe Ihre Weltreise auf einem Contai­nerfrachtschiff verarbeitete sie in ihrem Roman „Pigafetta", ihre fik­tive Autobiografie „Hoppe" führte nach Kanada, Australien und Amerika - und bescherte ihr den renommierten Georg-Büchner Preis. „Ich bin keine Reiseschrift stellerin", sagt die Autorin, die mit klassischen Reiseberichten wenig anfangen kann. „Ich bin eine Schriftstellerin, die auch reist."

Literaturfreunde dürfen hoffen, dass aus den Notizen ihrer Ameri­kareise noch mehr entstehen wird: „Die übhchen Mediendemagogen sagen oft, man könne Amerika heute nicht mehr sehen. Das glau­be ich nicht. Ich will es zumindest versuchen."

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