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Physik in unserer Zeit Redaktion 'WO steht die Kernfusion? Soweit wir wissen, lief 1952 die erste Kern- fusionsreaktion auf der Erdc ab. Zwar nicht kontrolliert - dafur aber umso heftiger -, denn es handelte sich um die Test-Explosion der ersten H-Bombe auf dem Bikini-Atoll im Pazifik. Seither werden groflc Anstrengungen gemacht, diese Energien nicht schlagartig, sondern fein sauberlich gesteuert und uber einen langeren Zeitraum verteilt, freizuset- Zen. Die hierzu notige Grundlagen- und Techno- logie-Forschung wird vor allem in den USA, der UdSSR und in Deutschland heftig gefor- den. So sind in Deutschland (BRD) fur 1974 68 Millionen DM vorgesehen, die sich bis 1976 auf 90 Millionen DM steigern sollen. Angesichts der 3,6 Milliarden DM im Zeit- raum 1973-1976 fur die Kernspaltungs-Reak- toren (Briiter) ist dies ein relativ bescheide- ner Beitrag, jedoch durchaus angemessen, um die Langzeitsicherung unserer Energieversor- gung zu ubernehmen. Kurzfristig ist dies - wenn uberhaupt - nun uber Kernspaltungs- reaktoren einschliefllich der schnellen Briiter moglich. Man hofft nun in Kreisen der Fusions-For- scher, bis 1980 dic prinzipielle Moglichkeit der Durchfuhrung gesteuerter Fusionsreak- tionen nachgewiesen zu haben. Bis etwa 1990 sollten dann die ersten Prototypen eines Fu- sionsreaktors in Angriff genommen werden. Ein wirklichcr Beitrag (10 70) zur Energie- versorgung durfte mit dem industriellen Fu- sionsreaktoren um 2020 realisierbar sein. Bis dahin ist es noch cin weiter Weg, und es ist daher ganz interessant, den neuesten Stand der Fusionsforschung und die noch anstehen- den Probleme eines Fusionsreaktors kurz zu beleuchten. Im deutschen Forschungspro- gramm sind vier mogliche Typcn eines Fusionsreaktors aufgenomrnen worden. Es handelt sich im einzelnen: 1. um die Toka- mak- und die Stellarator-Maschine, 2. urn die Spiegelmaschine, 3. um kurzzeitig gepulste, toroidale Systeme sowie 4. urn die Laserkern- fusion. Die Vielfalt der geforderten Systeme zeigt schon, dafl heute noch nicht zu ent- scheiden ist, welches einmal zur optinialen Losung des Fusionsproblems fuhren wird. Tokamak- und Stellarator-Maschinen sind toroidale Anlagen, in denen das Plasma durch spiralartig verwundene Magnetfelder einge- schlossen wird. Wahrend im ersten Fall die Heizung hauptsachlich uber den Ohrnschen Widerstand des Plasmas erreicht wird, gelingt dies im zweiten Fall durch magnetische Kom- pression. Sol1 eine solche Maschine Energie liefern, dann mufl nach dem Lawson-Krite- rium das Produkt aus Dichte und Einschlufl- zeit des Plasmas einen gewissen Wert uber- schreiten, wahrend die Temperatur bei eini- gen hundcrt Millionen Grad licgen solltc. Fur die Deuterium-Tritium-Fusionsreaktion licgt diesesProdukt bci mindestcns 1 01's/cm3. Mit der Tokamak-Maschine wurde bis jetzt etwa 1012s/cm3 bei 7 Millionen Grad Kelvin erreicht. Nicht vie1 besser ist die Situation beim Stellarator. Spiegelmaschinen erlauben hohe Temperaturen und Plasmadichten, aber nur sehr kurze Einschluflzeiten. Xhnlich ist die Lage bei der Laserfusion. Man konnte zeigen, dafl mit den besten hcutigen Lasern (102-103J/Puls, Pulsbreite 1,5-5ns, Nd-Glas Laser) bereits Fusionsreaktionen moglich sind. Ein zukunftiger Fusionsreaktor verlangt die Losung folgender Probleme: Die Wand des Plasma-Vakuumgefafles - sie soll aus Niob, Molybdan odcr Vanadium bestehen - mufl 600-2000" C bei einem Neutronenflufl von 1 014 ~in-~s-' (= 14 MeV fur D-T-Reaktion) widerstehen konnen. Die Materialprobleme des Abtragens, Versprodens und Schwellens sind weitgehend ungeklart. Ebenso existieren Schwierigkeiten beim Einbringen des Brenn- stoffnachschubs in und beim Entfernen des Abfalls (Helium) aus dem heiBen Plasma. Die Energiekonversion von der kinetischen Energie der Neutronen in Warme erfolgt in einer Lithium-Zone. Diese soll uber eine (Li + n)-Reaktion auch das fur die D-T- Reaktion notige Tritium ausbruten. Die Li- Technologic sowic Stromungcn des flussigen Lithiums in den Magnetfeldern zum Plasma- einschlufl geben weiterc Ratsel auf. Schliefl- lich ist auch noch an die Radioaktivitat des Tritiums (xIl2 = 12,3 Jahre, Eintritt als uberschweres Wasser in die Biosphare) und an die Aktivierung des Wandmaterials zu denken. Der Laserfusionsreaktor erfordert die Ent- wicklung von Lasern mit hoher Schuflfre- quenz und groflem Wirkungsgrad (besser 20%) sowie den Einschufl von Laserlicht in die Keaktionszone, ohne dafl die, bei der Fu- sion entstehenden Neutronen- und Rontgen- strahlen, das Reaktorgefafl verlassen konnen. Forschungen in den USA in Los Alamos, Princeton und Livermore, in Culham/UK so- wie in Garching, Jiilich, Karlsruhe undBerlin/ Deutschland als auch im Kurchatov- und Le- bedev-Institut in der UdSSR oder in Limeill Frankreich werden zeigen, ob das ehrgeizige Projekt eines Fusionsreaktors bis zur Jahr- hundertwende verwirklicht werden kann. Pbysik in unserer Zeitl S. Jaahrg. 1974 / Nr. 4 99

Wo steht die Kernfusion?

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Physik in unserer Zeit

Redaktion 'WO steht die Kernfusion?

Soweit wir wissen, lief 1952 die erste Kern- fusionsreaktion auf der Erdc ab. Zwar nicht kontrolliert - dafur aber umso heftiger -, denn es handelte sich um die Test-Explosion der ersten H-Bombe auf dem Bikini-Atoll im Pazifik. Seither werden groflc Anstrengungen gemacht, diese Energien nicht schlagartig, sondern fein sauberlich gesteuert und uber einen langeren Zeitraum verteilt, freizuset- Zen.

Die hierzu notige Grundlagen- und Techno- logie-Forschung wird vor allem in den USA, der UdSSR und in Deutschland heftig gefor- den. So sind in Deutschland (BRD) fur 1974 68 Millionen DM vorgesehen, die sich bis 1976 auf 90 Millionen DM steigern sollen. Angesichts der 3,6 Milliarden D M im Zeit- raum 1973-1976 fur die Kernspaltungs-Reak- toren (Briiter) ist dies ein relativ bescheide- ner Beitrag, jedoch durchaus angemessen, um die Langzeitsicherung unserer Energieversor- gung zu ubernehmen. Kurzfristig ist dies - wenn uberhaupt - nun uber Kernspaltungs- reaktoren einschliefllich der schnellen Briiter moglich.

Man hofft nun in Kreisen der Fusions-For- scher, bis 1980 dic prinzipielle Moglichkeit der Durchfuhrung gesteuerter Fusionsreak- tionen nachgewiesen zu haben. Bis etwa 1990 sollten dann die ersten Prototypen eines Fu- sionsreaktors in Angriff genommen werden. Ein wirklichcr Beitrag (10 70) zur Energie- versorgung durfte mit dem industriellen Fu- sionsreaktoren um 2020 realisierbar sein.

Bis dahin ist es noch cin weiter Weg, und es ist daher ganz interessant, den neuesten Stand der Fusionsforschung und die noch anstehen- den Probleme eines Fusionsreaktors kurz zu

beleuchten. Im deutschen Forschungspro- gramm sind vier mogliche Typcn eines Fusionsreaktors aufgenomrnen worden. Es handelt sich im einzelnen: 1. um die Toka- mak- und die Stellarator-Maschine, 2. urn die Spiegelmaschine, 3 . um kurzzeitig gepulste, toroidale Systeme sowie 4. urn die Laserkern- fusion. Die Vielfalt der geforderten Systeme zeigt schon, dafl heute noch nicht zu ent- scheiden ist, welches einmal zur optinialen Losung des Fusionsproblems fuhren wird.

Tokamak- und Stellarator-Maschinen sind toroidale Anlagen, in denen das Plasma durch spiralartig verwundene Magnetfelder einge- schlossen wird. Wahrend im ersten Fall die Heizung hauptsachlich uber den Ohrnschen Widerstand des Plasmas erreicht wird, gelingt dies im zweiten Fall durch magnetische Kom- pression. Sol1 eine solche Maschine Energie liefern, dann mufl nach dem Lawson-Krite- rium das Produkt aus Dichte und Einschlufl- zeit des Plasmas einen gewissen Wert uber- schreiten, wahrend die Temperatur bei eini- gen hundcrt Millionen Grad licgen solltc. Fur die Deuterium-Tritium-Fusionsreaktion licgt diesesProdukt bci mindestcns 1 01's/cm3. Mit der Tokamak-Maschine wurde bis jetzt etwa 1012s/cm3 bei 7 Millionen Grad Kelvin erreicht. Nicht vie1 besser ist die Situation beim Stellarator. Spiegelmaschinen erlauben hohe Temperaturen und Plasmadichten, aber nur sehr kurze Einschluflzeiten. Xhnlich ist die Lage bei der Laserfusion. Man konnte zeigen, dafl mit den besten hcutigen Lasern (102-103J/Puls, Pulsbreite 1,5-5 ns, Nd-Glas Laser) bereits Fusionsreaktionen moglich sind.

Ein zukunftiger Fusionsreaktor verlangt die Losung folgender Probleme: Die Wand des

Plasma-Vakuumgefafles - sie soll aus Niob, Molybdan odcr Vanadium bestehen - mufl 600-2000" C bei einem Neutronenflufl von 1 014 ~ i n - ~ s - ' (= 14 MeV fur D-T-Reaktion) widerstehen konnen. Die Materialprobleme des Abtragens, Versprodens und Schwellens sind weitgehend ungeklart. Ebenso existieren Schwierigkeiten beim Einbringen des Brenn- stoffnachschubs in und beim Entfernen des Abfalls (Helium) aus dem heiBen Plasma.

Die Energiekonversion von der kinetischen Energie der Neutronen in Warme erfolgt in einer Lithium-Zone. Diese soll uber eine (Li + n)-Reaktion auch das fur die D-T- Reaktion notige Tritium ausbruten. Die Li- Technologic sowic Stromungcn des flussigen Lithiums in den Magnetfeldern zum Plasma- einschlufl geben weiterc Ratsel auf. Schliefl- lich ist auch noch an die Radioaktivitat des Tritiums (xIl2 = 12,3 Jahre, Eintritt als uberschweres Wasser in die Biosphare) und an die Aktivierung des Wandmaterials zu denken.

Der Laserfusionsreaktor erfordert die Ent- wicklung von Lasern mit hoher Schuflfre- quenz und groflem Wirkungsgrad (besser 20%) sowie den Einschufl von Laserlicht in die Keaktionszone, ohne dafl die, bei der Fu- sion entstehenden Neutronen- und Rontgen- strahlen, das Reaktorgefafl verlassen konnen.

Forschungen in den USA in Los Alamos, Princeton und Livermore, in Culham/UK so- wie in Garching, Jiilich, Karlsruhe undBerlin/ Deutschland als auch im Kurchatov- und Le- bedev-Institut in der UdSSR oder in Limeill Frankreich werden zeigen, ob das ehrgeizige Projekt eines Fusionsreaktors bis zur Jahr- hundertwende verwirklicht werden kann.

Pbysik in unserer Zeitl S. Jaahrg. 1974 / Nr. 4 99