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Das Wort Zapchen kommt aus dem Tibetanischen und bedeutet u.a. das ungehörige Verhal- ten von Kindern im Sinne von Neugierigsein und Ausprobierenwollen. Zapchen ist ein körper- orientiertes meditatives Verfahren, das den Körper mit großer Wertschätzung direkt an- spricht. In der von Dr. Julie Henderson (Napa, USA) vor über 30 Jahren entwickelten Arbeits- weise werden die Kenntnisse des Somatics und der Psychosomatik mit denen des Tibeta- nischen Vajrayana-Buddhismus kombiniert [1]. Die Arbeit mit Diaphragmen im Zapchen Birgit Weiß Ein Kaleidoskop zeigt viele Facetten. (© Adobe Stock/irantzuarb) Spektrum | Interdisziplinär 38 Weiß B. Die Arbeit mit DO Deutsche Zeitschrift für Osteopathie 2019; 17: 3842 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung

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Page 1: Zapchen Tsokpa Institut Marburg - Die Arbeit mit ......angebote und emotionalen Reaktionen lesen kann, füh-len wirunssicherundgeborgen ( Abb.1).Mitihrer war-men Haut, ihren gleichmäßigen

Die Arbeit mit Diaphragmenim ZapchenBirgit Weiß

Ein Kaleidoskop zeigt viele Facetten. (© Adobe Stock/irantzuarb)

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Das Wort Zapchen kommt aus dem Tibetanischen und bedeutet u. a. das ungehörige Verhal-ten von Kindern im Sinne von Neugierigsein und Ausprobierenwollen. Zapchen ist ein körper-orientiertes meditatives Verfahren, das den Körper mit großer Wertschätzung direkt an-spricht. In der von Dr. Julie Henderson (Napa, USA) vor über 30 Jahren entwickelten Arbeits-weise werden die Kenntnisse des Somatics und der Psychosomatik mit denen des Tibeta-nischen Vajrayana-Buddhismus kombiniert [1].

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Julie Henderson ist es gelungen, das komplexe Wissen,wie uns somatische und psychische Vorgänge wechsel-seitig formen, in einfache Übungen zu übersetzen. Wiekönnen wir uns dies vorstellen? Ich habe dafür das Bilddes Kaleidoskops gewählt, um die verschiedenen Aspektezu beschreiben, die Zapchen zugrunde liegen und für dieArbeit mit den Diaphragmen bedeutsam sind. Sie kennendas Kaleidoskop bestimmt aus Ihren Kindertagen. Wäh-rend wir es einfach nur drehen, erblicken unsere Augenzauberhafte Muster, die sich aus bunten, glitzerndenGlassteinen bilden. Begeistert entdecken wir immer wie-der neue Varianten, die uns weiter mit Freude und Stau-nen erfüllen.

Blick auf die Musterund die Bewegung

Zapchen begeistert mit einem breiten Spektrum an ein-fachen, zuweilen spielerischen Übungen, die unmittelbardas Wohlbefinden und die körpereigene Selbstregulation– unabhängig von den äußeren Herausforderungen – un-terstützen. „Wir laden unseren Körper in seiner Spracheein – mittels Stimme, Atem, Bewegung oder Berührung–, sich gesehen zu fühlen und uns Resonanz zu geben,wie es ihm gerade geht und was er braucht.“ [2] Wir ler-nen, achtsam und verantwortungsvoll mit uns zu sein,dabei unsere Grenzen zu bemerken wie auch die Grenzender anderen zu respektieren. In einem Raum von „nichtsMüssen“ fällt es uns leichter, loszulassen, in eine innereRuhe einzutauchen und auch tiefe Regeneration zu erle-ben. „Ausgehend von der Grundannahme, dass unserKörper intelligent und bewusst ist, lernen wir, ihm zu ver-trauen. Denn oft sind die Wege der Entwicklung, Verän-derung und der Heilung anders als wir es uns vorstellen.“[2]

Für einen ersten Eindruck von Zapchen greife ich an die-ser Stelle nur eine kleine Auswahl von Übungen auf. Spä-ter stelle ich weitere Übungen vor, die besonders bei derArbeit mit Diaphragmen hilfreich sind.

Wir beginnen mit dem „Strecken“. Sich genüsslich zustrecken – erst die Arme, nachfolgend Schritt für Schrittden ganzen Körper –, löst schon Freude und ein wohligesKörpergefühl aus. Gleichzeitig werden wir mehr Offen-heit und Leichtigkeit wahrnehmen, die unser Körper-bewusstsein stärken. Während wir herzhaft „gähnen“,lässt sich die Hirnrinde massieren, die Aufmerksamkeitwird gestärkt und es werden vermehrt Serotonin undOxytocin ausgeschüttet. Die Flüssigkeiten kommen mehrin Fluss, wenn wir „wippen“. Der Stoffwechsel wird ange-regt. Wenn wir sehr aufgeregt sind, leitet das „Choo-Choo-Stampfen“ (mit den Beinen und Füßen) die Energienach unten und lässt uns wieder den Boden unter den Fü-ßen spüren. Sie bemerken, dass sich die Übungen leichtin den Alltag integrieren lassen: morgens sich am offenen

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Fenster strecken oder in den Pausen zwischen den Be-handlungen ausgiebig gähnen.

Mit den fortgeschrittenen Übungen sprechen wir die ver-schiedenen Gewebsschichten und Körpersysteme direktan. Wir erleben, wie sich das Wohlbefinden in immer tie-fer liegende Schichten unseres Körpers ausdehnt. Als einegrundlegende Methode nutzen wir das „Summen“ [3].Mit den feinen Vibrations- und Klangwellen gleiten un-sere freundliche Aufmerksamkeit und unser Mitgefühl indas ausgewählte Gewebe oder System. Spannungen kön-nen sich lösen. Die Übung „Alignment“ (Ausrichtung derverschiedenen Teile des körperlichen Selbst über die Ge-lenke, die das größte Gefühl von Wohlbefinden erzeugt)unterstützt unsere äußere und innere Haltung. Währendder feinen Schaukelbewegungen lockern sich die Gelen-ke, gehaltene Energie kann wieder fließen. Unser körper-liches Selbst kann sich besser ausrichten. Ferner lernenwir, Energie wahrzunehmen und sie bewusst in unseremKörper zu lenken [4]. Der feinstoffliche Körper wird unsdadurch zugänglich, d. h. es eröffnen sich körperlicheund energetische Räume, die wir westlichen Menschenmeist nicht so gut wahrnehmen können. Ein Zustandvon tiefer Präsenz erschließt sich uns.

Das Erkenntniswissen des Buddhistischen Vajrayanas be-stimmt zudem die geistige Haltung, wie wir den Kontaktund auch die Übungsanleitungen gestalten. Neuere neu-rophysiologische Studien auch von Meditation und Mit-gefühl fließen mit ein und bestätigen unsere langjährigenErfahrungen [5–7].

Somatische ZusammenhängeNun möchte ich Sie einladen, mit mir Ihren Blick in demBild auf die einzelnen Details weiterschweifen zu lassen,welche die beeindruckenden Muster erst ermöglichen.Die Röhre des Kaleidoskops wie auch die Drehbewegungstehen für die somatischen Zusammenhänge. Die Pris-men und deren Spiegelung stehen mit den bunten Glit-zersteinen für das Nervensystem und das Verkörpern vonGefühlen und Haltungen.

Unser Körper ist ein großes Wunder. All das Wissen, wieer wächst und sich formt, liegt in jeder Körperzelle fürihn bereit. Machen wir eine kleine Reise durch die faszi-nierende Architektur, wie unsere Organe und Körpersys-teme eingebettet sind [8]. Aus den 3 Keimschichten – En-toderm, Mesoderm und Ektoderm – wächst ein komple-xes Netzwerk von Beuteln und Röhren heran, Gewebs-schichten, die in Verbindung bleiben. Flexible Wändeund Diaphragmen aus Faszien- und Muskelgewebe schüt-zen und halten die großen und kleinen Hohlräume. Siesind gefüllt und umgeben von Flüssigkeiten, wie das Ge-webe auch. Es sind die pulsierenden Wellenbewegungen,die für die lebenswichtigen Abläufe im Körper sorgen, wieden Druckausgleich und Austausch von Flüssigkeiten, die

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▶ Abb. 1 Resonanzwellen zeigen die Kohärente Schwingung, wenn zweiKörper miteinander „sprechen“. (© Adobe Stock/Jürgen Fälchle)

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Atmung, die Aufnahme von nährenden Stoffen und dieAusscheidung.

Im Zapchen verstehen wir Pulsation als Basis von Leben-digsein. Sie in ihren unterschiedlichen Rhythmen zu för-dern, ist unser grundlegendes Anliegen. Im Zusammen-spiel von Gewebetonus, Flüssigkeitsdruck und Pulsationbildet sich das primäre Körperbewusstsein.

Das NervensystemAlle Einheiten in unserem Körper sind verbunden undkommunizieren unaufhörlich über das Nervensystem,um gut für sich zu sorgen. Für die Arbeit mit den Dia-phragmen und das Verkörpern von Gefühlen betrachtenwir besonders das autonome Nervensystem (ANS). Da-rüber regelt unser Körper wesentliche psychosomatischeFunktionen. Der Sympathikus reagiert bei drohenderNot, das Herz pocht, der Atem geht unruhig, Angst steigtauf, der Blutdruck steigt, die Muskulatur spannt sich an,Kräfte werden mobilisiert, während der Parasympathi-kus mit dem N. vagus beruhigend wirkt, der Atem lang-samer wird, die Muskeln entspannen, der Darm weiterverdaut und sich wieder ein Wohlgefühl ausbreitet.

Berceli erwähnt ein weiteres Nervengeflecht im Bauch-und Beckenraum, das Bauch-Becken-Gehirn, das engmit dem ANS verbunden ist und uns intuitiv Gefahr wahr-nehmen lässt [9]. Mithilfe des zentralen Nervensystems(ZNS) können wir abstrakt denken, lernen, bewusst wahr-nehmen sowie willentlich Informationen in den Körperschicken.

Zapchen-Übungen wirken regulierend auf das ANS undbeziehen das ZNS besonders in der Art der Anleitungenein.

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Verkörpern von Gefühlenund Haltungen

Schon als Babys sind wir darauf angewiesen, mit einer Be-zugsperson in Resonanz zu sein. Wenn diese entspanntund mit sich verbunden unsere Bedürfnisse, Kontakt-angebote und emotionalen Reaktionen lesen kann, füh-len wir uns sicher und geborgen (▶Abb. 1). Mit ihrer war-men Haut, ihren gleichmäßigen Atemwellen und ihrerberuhigenden Tonlage umhüllt sie unseren aufgeregtenKörper, der sich nach und nach ihrem Rhythmus hingibt[10,11]. Auf der innerkörperlichen Ebene sprechen jetzt– wie wir im Zapchen sagen – beide Systeme des ANSmiteinander. Die Pulsation wie auch der Spannungstonusder Diaphragmen balancieren sich aus. Erleben wir wie-derholt diese Sicherheit, formt sich ein tiefes Körpermus-ter, das bis in das erwachsene Alter wirkt.

Ist die Bezugsperson durch besondere Umstände sehr an-gestrengt oder häufig unter Stress, übernimmt der Sym-pathikus die „Gesprächsführung“ und wir erleben Unsi-cherheit und Unruhe. Diese Erfahrung kann sich dannebenfalls als Muster formen und als Botschaft im Körpereinnisten. Dies sind Beispiele dafür, wie sich Gefühle ver-körpern, ob solche wie Sicherheit, Vertrauen und Gehal-tensein oder die von Unsicherheit, Unruhe und Getrennt-sein. Die entsprechenden Haltungen dazu, „mit Neugier-de ins Leben gehen“ oder „das Leben ist nicht sicher, passauf“ sind die Folge.

Aus der Bindungsforschung wissen wir, dass dauerhafterMangel an Zuwendung oder das Erfahren von längererTrennung von wichtigen Bezugspersonen bei Säuglingenund Kleinkindern zu einem dauerhaft erhöhten Kortisol-spiegel führt [12]. Wenn Kinder ihre Gefühle von Trauer,Angst oder Ärger runterschlucken, um sich vor drohen-dem Liebesentzug oder Zurückweisung ihrer Bezugsper-sonen zu schützen, versuchen sie, eine scheinbare Reso-nanz wiederherzustellen. Dieser Zustand lässt sich nurmit chronischer Muskel- und Gewebsanspannung odergar Verhärtung aufrechthalten. Da die Gefühlsbewegungim Körper eine aufsteigende ist, benötigen wir für diesenZustand besonders die horizontal liegenden Diaphrag-men, wie z. B. Kehldeckel oder Zwerchfell (▶ Abb. 2).

Arbeit mit den Diaphragmenund ihre Bedeutung

Es würde den Rahmen sprengen, all die Übungen zu er-klären, mit denen wir gezielt die einzelnen Diaphragmenansprechen. Daher greife ich nur einige wenige auf. DasAnliegen ist es, die Körper-Seele-Geist-Einheit im pulsie-renden Fluss zu stärken, d. h. eine kohärente Schwingungaller 3 Kraftzentren zu fördern.

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▶ Abb. 2 Wirkungsketten des Zwerchfells. (aus: [14])

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Mit den folgenden Basisübungen können wir die Dia-phragmen fokussiert ansprechen, mit weiterführendenÜbungen arbeiten wir eher indirekt mit ihnen. Über diewertschätzende Berührung des Oberflächengewebesund eine geeignete geistige Haltung erreichen wir auchdie tieferen Diaphragmen, wo wir das tiefere Körperwis-sen und die frühen Körpermuster erreichen.

Mit dem „Gähnen“ erreichen wir das obere Kraftzen-trum, die in unserem Kopf liegenden Diaphragmen: Ten-torium cerebelli, Türkensattel, Augenlinsen, Trommelfel-le, Hirnbasis, Kehldeckel und Zungenbein. Der Rhythmusder zerebrospinalen Flüssigkeit kommt ins Gleichgewichtund fördert den Informationsfluss vom und zum Gehirn.Rückenmark und Gehirn können entspannen. Die Augenberuhigen sich durch den vermehrten Flüssigkeitsfluss.Die Hirnbasis, wo wir gerne unsere Sorgen ablegen, wirdmassiert und kann Spannung abfließen lassen, es öffnensich Raum und Weite. Anspannung und Enge lassen unseher ängstlich fühlen und unsicher nach außen blicken,während Weite und Raum unsere Neugierde unterstüt-zen und uns eher sicher fühlen lassen.

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Die Verbindung zummittleren Kraftzentrum, dem Brust-raum, bilden schon Kehldeckel und Zungenbein. Mit derAnspannung dieser Diaphragmen halten wir aufsteigen-de Gefühlsimpulse zurück bzw. drücken sie weg oderschlucken sie hinunter. Mithilfe des „spielerischen Wür-gens“ lockern wir sie und korrespondieren gleichzeitigmit dem Zwerchfell. Gefühle von Traurigkeit oder Empö-rung können ihren Weg finden. Wir können die Wahl tref-fen, ob wir sie ausdrücken wollen.

Mediastinum und Zwerchfell spielen in unserem Brust-raum eine bedeutende Rolle. Beide befinden sich imWechselspiel mit der Atmung. Nur wenn beide in ihremSpannungstonus ausbalanciert sind, können wir ausge-wogen und tief atmen. Tiefe Empfindungen von Leben-digkeit erfüllen uns. „Es [das Zwerchfell] massiert dasHerz und den Vagusnerv, vergrößert und verkleinert denDruck in Brust- und Bauchraum“, bemerkt Kelemann [8].So kann auch das Mediastinum zwischen unseren Lun-genflügeln flexibel pulsieren. Unser Herz kann sich ver-bunden fühlen. Eine flache Atmung durch angespannteDiaphragmen löst Ängste und Sich-getrennt-Fühlen aus.In diesem Zentrum haben wir es mit den Themen Ver-trauen und Liebe, Nähe und Distanz zu tun. Lachen z.B.lockert das Gewebe und macht einfach Freude und Spaß.

Das Zwerchfell übernimmt auch die Verbindung zum un-teren Zentrum, dem Bauch- und Beckenraum, das unserKraftpotenzial und die Themen Stabilität und Geerdet-sein beheimatet bzw. beherbergt. Aufsteigende Energie-wellen, wie Gefühle von Wut und Abgrenzung, könnenwir über das Zwerchfell regulieren. Bei chronischer An-spannung wird der Energiefluss behindert, werden dieGefühle zurückgehalten, aber auch unsere Kraft, die einegroße Ressource bedeutet. Weitere Diaphragmen bildendas Lig. teres uteri und die Beckenbodenstrukturen. Sindsie in ihrem Tonus eingeschränkt, fühlen wir uns nicht ge-nug geerdet und instabil. Sich in die Hocke niederzulas-sen und tief auszuatmen, dehnen wohltuend den Raum,mobilisieren den N. vagus und fördern ein erstes Loslas-sen. „Seufzen“ und „Wippen“ („jiggeln“) eignen sichwunderbar, alle Diaphragmen auf einmal zu erreichen.Seufzen Sie mehrmals nach Herzenslust. Wahrscheinlichwerden Sie eine nach unten sinkende Energiewelle wahr-nehmen, die wohlige und belebende Empfindungen in Ih-nen entfacht. Die Flüssigkeiten, die beim „Wippen“ in

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Bewegung kommen, drücken sanft das Gewebe, lassen eswieder los, was die Diaphragmen in Schwung bringt undeinen ausbalancierten Tonus ermuntert. Wenn wir er-schöpft sind, vitalisiert uns das Wippen, fühlen wir unsangespannt, lockert es. Der Stoffwechsel wird stimuliertund die verfügbare Energie erhöht.

FazitZapchen wirkt durch das direkte Erleben. Wir wissen umdie funktionellen Zusammenhänge, bei den Übungen je-doch „sprechen“ wir von Körper zu Körper. Die Übung„Mutuality“ (Gleichzeitigkeit) fördert unsere Fähigkeit,gleichzeitig sowohl uns als auch das Gegenüber in der je-weils eigenen Präsenz wahrzunehmen. Es erlaubt, mit-einander zu schwingen und auch ohne physische Berüh-rung in Resonanz zu kommen. Das Geheimnis liegt imNichtstun bzw. im Einfach-nur-Dasein. Dies erlaubt los-zulassen und löst unmittelbar Zustände, wie sich geliebtund angenommen fühlen, Freude, Mitgefühl und Ver-trauen aus. Wollen wir dabei den tieferen Diaphragmenbesondere Aufmerksamkeit schenken, erweitern wir dieÜbung, indem wir uns unseres entspannten tieferen Ge-webes bewusst werden und uns freundlich und mitfüh-lend mit den entsprechenden Diaphragmen des Gegen-übers energetisch verbinden. Spannung kann abfließen.

Wir verstehen jetzt besser, wie Körper, Seele und Geistwechselwirksam und nicht einseitig miteinander kom-munizieren. Mit jeder Zapchen-Übung erhält der Körperneue Informationen von Wohlgefühl, Vertrauen sowieFlexibilität, die er während des Nickerchens zwischenden Übungen integrieren und nach und nach als neuesStrukturmuster im Gehirn ablegen kann. Wenn sich kör-perliche und geistige Räume öffnen und Bewusstheitweiter werden kann, weichen alte, nicht mehr hilfreicheKörpermuster auf. Früh verkörperte Themen steigen inForm von Energien oder/und Inhalten auf, die wir jetztbesser verstehen und für uns konstruktiv ausdrückenkönnen. Wir werden freier zu wählen, wie wir reagierenmöchten. Wir lernen, mehr Energie bewusst zu halten(Containing), ohne in Not zu geraten, und sie für uns alsPotenzial zu erschließen.

Autorinnen/Autoren

Birgit Weiß

ist Körperpsycho-, Familientherapeutin und Su-pervisorin und arbeitet seit über 25 Jahren ineigener Praxis. Sie ist durch die Psychologin Dr.Julie Henderson autorisierte Zapchen-Lehrerin.In dem von ihr gegründeten Zapchen TsokpaInstitut Marburg unterrichtet sie dieses körper-

therapeutische Verfahren in Übungsgruppen, Workshops, alsJahrestraining und in Fortbildungen im klinischen und sozialenBereich.

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Korrespondenzadresse

B. Die

Birgit WeißZapchen Tsokpa InstitutGeorg-Voigt-Str. 2435039 [email protected]

Literatur

[1] Henderson J. Embodying Well-Being oder Wie man sich trotzallem wohl fühlen kann. 3. Aufl. Bielefeld: AJZ; 2010

[2] Weiß B. Körperarbeit mit Zapchen: Achtsam und frei. Deut-sche Hebammen Zeitschrift 2016; 68 (1): 38–40

[3] Henderson J. Das Buch vom Summen. 2. Aufl. Bielefeld: AJZ;2007

[4] Henderson J. Die Erweckung des Inneren Geliebten. Bielefeld:AJZ; 2006

[5] Singer T et al. Mitgefühl – In Alltag und Forschung. München:e-book, Max Plank Society; 2013

[6] Porges S. Die Polyvagal-Theorie. Neurophysiologische Grund-lagen der Therapie. Emotionen, Bindung, Kommunikation undihre Entstehung. Paderborn: Junfermann; 2010

[7] Newberg A, Waldman R. How God changes your brain. NewYork: Ballantine Books; 2009

[8] Kelemann S. Verkörperte Gefühle. Der anatomische Ursprungunserer Erfahrungen und Einstellungen. München: Kösel;1992

[9] Berceli D. Körperübungen für die Traumaheilung und zurStressreduktion im Alltag. 7. Aufl. Köln: Norddeutsches Insti-tut für Bioenergetische Analyse; 2017

[10] Harms T. Körper, Bindung, Katharsis. Kongress der DeutschenGesellschaft für Körperpsychotherapie. Berlin, September2011

[11] Harms T. Emotionale Erste Hilfe. 2. Aufl. Gießen: Psychosozial;2016

[12] Brisch KH. Bindungsstörungen. Von der Bindungstheorie zurTherapie. 13. Aufl. Stuttgart: Klett-Cotta; 2015

[13] Schleip R et al. Lehrbuch Faszien. München: Urban & Fischer;2012

[14] Huss S, Wentzel B. Diaphragmen und die Zirkulation. Stutt-gart: Haug; 2015

Bibliografie

DOI https://doi.org/10.1055/a-0732-3861DO – Deutsche Zeitschrift für Osteopathie 2019; 17: 38–42© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New YorkISSN 1610-5044

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