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Zur .Berichtigung" Dr. Glasscheibs zu meinem Artikel: Sch~idigung der Z~hne nach Radikaloperation von der 0berkieferh~hle. Von Dr. Halle. (Eingegangen am 3. Mai 1931.) Herr Glasscheib schreibt, dal3 er die OberkieferhShlenoperation in der jetzt yon mir dargestellten und begrfindeten Form nicht yon mir ausgeffihrt gesehen habe. ])as mag zutreffen. Aber er unterli~l~t es zuzugestehen, dab ich bei der Ausffihrung meiner Ozaenaoperation vor meinen Assistenten und Kursteilnehmern immer wieder darauf hingewiesen babe, d~I3 sie sich ausgezeichnet auch f fir die Radikal- operation tier Oberkieferh6hlenempyeme eignet, weft man durch die tempor~re Verlagerung der medialen Kieferh6hlenwand einen tiber- raschend guten Uberblick fiber die HShle bekommt und mit grol3er Sicherheit alle Buchten und Nisehen der ttShle erreichen kann. Da~ diese h~ufigen Darlegungen oft in Gegenwart des Herrn Glasscheib erfolgt sind, wird er schwerlich abstreiten wollen. Es w~ren auch daffir genfigend unverds Zeugen vorhanden. Herr Glasscheib .wird nicht in Abrede stellen wollen, cIal~ wit nicht selten F~lle yon Ozaena, die mit chronischen Empyemen kompliziert waren, mit bestem Dauererfolge operiert haben. Dabei ist es an sich gleichgfiltig~ ob man die HShle f fir kurze Zeit vorn often h~lt, entsprechend dem perpendikul~ren Sehnitt bei der Ozaenaoperation, oder ob man, wie ich es beschrieben h~be, die natfirliche (~ffnung mittels Bougies oder dergleichen geniigend erweitert, um bequem yon dort aus nach- behandeln zu kSnnen, oder endlieh, ob man sich entscheidet, ein Ver- f~hren anzuwenden, das wit seit Jahrzehnten bei der Radikaloperation der KieferhShle gebrauchen. Die Bil4ung des Schleimhautlappens im unteren Nasengang, die zuerst Boenningha~s als Hineinsto~en tier Schleimhaut in die HShle in etwa sternartiger Form beschrieben hat, wi~hrend Dahmer dem Lappen zuerst die heute fibliche sorgsam geschnittene Form gab, und der daher wohl richtig der Boenninghaus-Dahmersche Lappen heil3t -- die Bildung dieses Lappens bei jeder Art yon l~dikal- operation des Antrums ist li~ngst Allgemeingut je4es Operateurs auf diesem Gebiete. Und wenn Glasscheib emphatisch betont, die Kom- bination der yon mir zugegebenermai]en erlernten Ozaenaoperation

Zur “Berichtigung” Dr. Glasscheibs zu meinem Artikel: Schädigung der Zähne nach Radikaloperation von der Oberkieferhöhle

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Page 1: Zur “Berichtigung” Dr. Glasscheibs zu meinem Artikel: Schädigung der Zähne nach Radikaloperation von der Oberkieferhöhle

Zur .Berichtigung" Dr. Glasscheibs zu meinem Artikel: Sch~idigung der Z~hne nach Radikaloperation von der

0berkieferh~hle.

Von

Dr. Halle.

(Eingegangen am 3. Mai 1931.)

Herr Glasscheib schreibt, dal3 er die OberkieferhShlenoperation in der jetzt yon mir dargestellten und begrfindeten Form nicht yon mir ausgeffihrt gesehen habe. ])as mag zutreffen. Aber er unterli~l~t es zuzugestehen, dab ich bei der Ausffihrung meiner Ozaenaoperation vor meinen Assistenten und Kursteilnehmern immer wieder darauf hingewiesen babe, d~I3 sie sich ausgezeichnet auch f fir die Radikal- operation tier Oberkieferh6hlenempyeme eignet, weft man durch die tempor~re Verlagerung der medialen Kieferh6hlenwand einen tiber- raschend guten Uberblick fiber die HShle bekommt und mit grol3er Sicherheit alle Buchten und Nisehen der ttShle erreichen kann. Da~ diese h~ufigen Darlegungen oft in Gegenwart des Herrn Glasscheib erfolgt sind, wird er schwerlich abstreiten wollen. Es w~ren auch daffir genfigend unverds Zeugen vorhanden.

Herr Glasscheib .wird nicht in Abrede stellen wollen, cIal~ wit nicht selten F~lle yon Ozaena, die mit chronischen Empyemen kompliziert waren, mit bestem Dauererfolge operiert haben. Dabei ist es an sich gleichgfiltig~ ob man die HShle f fir kurze Zeit vorn often h~lt, entsprechend dem perpendikul~ren Sehnitt bei der Ozaenaoperation, oder ob man, wie ich es beschrieben h~be, die natfirliche (~ffnung mittels Bougies oder dergleichen geniigend erweitert, um bequem yon dort aus nach- behandeln zu kSnnen, oder endlieh, ob man sich entscheidet, ein Ver- f~hren anzuwenden, das wit seit Jahrzehnten bei der Radikaloperation der KieferhShle gebrauchen. Die Bil4ung des Schleimhautlappens im unteren Nasengang, die zuerst Boenningha~s als Hineinsto~en tier Schleimhaut in die HShle in etwa sternartiger Form beschrieben hat, wi~hrend Dahmer dem Lappen zuerst die heute fibliche sorgsam geschnittene Form gab, und der daher wohl richtig der Boenninghaus-Dahmersche Lappen heil3t - - die Bildung dieses Lappens bei jeder Art yon l~dikal- operation des Antrums ist li~ngst Allgemeingut je4es Operateurs auf diesem Gebiete. Und wenn Glasscheib emphatisch betont, die Kom- bination der yon mir zugegebenermai]en erlernten Ozaenaoperation

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und ihrer Verwendung als Radikaloperation dcr Kieferh6hle, die er leider versehwiegen hat, mit dem Boenninghausschen Lappensehnitt sei seine ,,ureigenste Erfindung", so ist das zwar ein biBehen wenig. Aber man kSnnte ihm diese ,,Erfindung" gem zugestehen, wenn es jemand gibt, der diese Leistung iiberkaupt als Erfindnng gelten lassen wolite. Abet dann fehlte eben seiter/s des Herrn Glasscheib der Hinweis nicht nur auf meine Ozaenaoperat'ion, die ieh schon publiziert hatte, sondern auch auI meine ibm sozusagen vertranlich mitgeteilten und ibm wohlbekannten Darlegungen hinsicktlieh ihrer Verwendung zur l~adika.1- operation der Xieferh6hle, deren Indikation ich nur noeh vet der Publikation an meinem grogen diesbeziiglichen Material hinreiehend erproben wollte, was Herr Glasscheib augenscheinlich nieht so nStig hatte, da er seine , ,Erfindung" anffallend kurze Zeit nach dem Scheiden aus meinen Insti tuten verSffentticht hat.

Ich habe zwar weder yon dieser Arbeit des Herrn Glasscheib noeh yon seinen sp/~teren VerSffentlichungen einen Separatabdruck bekommen, habe ihn abet gelesert. Vonder schon damals beabsichtigten Entgegnung, die immer recht wenig erfreulich werden muBte, da ieh Herrn Glasscheib in diesem Falle keinen guten Glauben hgtte zugestehen kSnnen, glaubte ich absehen zu sollen, da in derselben Zeitsehrift 1924 eine Entgegnung von Dahmer erschien, die sick gegen Herrn Gtassche~b wandte. Mir kam es in "erster Linie auf die Sgche an, und darum wollte ieh erproben, ob man diese Methode als Regel empfehlen dfirfte, und warum die bisherigen Methoden weniger zweekmgBig w/~ren.

Ich hatte sehofi an der Lautenschldigerschen Operation der Ozaena, bei aller Anerkennung ihrer neuartigen Idee, auszusetzen gehabt, dab sic auf beiden Seiten grol3e Schleimkautschnitte ira Munde, eine umfang- reiche Fortnahme tier Fossa caning und eine eventuelle Schleimhaut- plastik verlangte: Daher die Ausbildung meiner intranasalen Operation, die zwar die Idee tier Lautsnschldigerschen aufnahm, aber ungemein vie] konservativer ist, so gut wie keine Zerst6rungen macht und naeh meinen Erfahrungen bei guter Ausfiihrung mindestens die gleichen guten Resultate zeitig t. D i e Sehonung yon Sehleimhaut und Knoehen stand auch bei der Anwendnng meiner Ozeanaoperation fiir die Radikal- operation der OberkieferkShle an erster Stelle, abgesehen yon den sonstigen Annehmlichkeiten fiir den Patienten.

Nun belehrt reich Herr Glasscheib, dal~' die Zahnnerven gar nickt dureh meine Methode gesehont werden, da sie am Boden der Kieferh6kle liegen. E s werde nur die Pgr~sthesie und An~stkesie der Lippen ver- mieden. Nun das wgre ja aueh sehon ein nieht unwichtiger VorteiI. Aber ieh habe dock lieber neck einmal in den mir zuggnglichen Lehr- biichern der Anatomie naehgeschlagen. Und da land ich iibereinstimmend : Bricht man die obere Wand des Canalis inffaorbitalis weg, so findet man an der nnteren Wand desselben, von augen nicht siektbar, feine 0ffnungen,

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der Z/~hne nach Radikaloperation yon der OberkieferhShle. 25~

die Foramina alveolaria superiora, anteriora und media, in welehe die gleiehnamigen Zweige des N., der A. und V. infraorbitalis hineintreten, um in kleinen Knochenkaniilchen zu den Wurzeln der vorderen und mittleren Zdihne zu verlau/en.

Und an einer anderen Stelle: Die Nn. alveolares superiores, medii und anteriores verlanfen in den nach ihnen benannten Kanglchen des Oberkieferbeins bis zu den Zahnwurzeln, die sie in Form eines Geflechtes, des sog. Plexus dentalis superior, umspinnen. Von diesem Plexus treten die oberen Zahnnerven in die Zahnwurzeln usw. Au6erdem gehen vom N. infraorbitalis feine l~ami gingivales und buccales, Rami faciales usw. ab und aueh Aste a i r die Sehleimhaut. der Oberkieferh6hle. - -

Die' Anatomen seheinen danaeh doeh anderer Ansieht zu sein als Herr Glasscheib, u n d e r wird es mir nieht abel nehmen, wenn ieh ihrer Autorit/it eher folge. D a n n aber massen durch die oft weitgehende Fortnahme der Fossa canina usw. die Nerven und Gef~tSe der Z~hne in groftem Umfange zerst6rt werden, und die Folge ist die nicht selten so sehr beklagte Par/isthesie und An~tsthesie der Z/~hne und der Wange.

Nun schreibt Herr Glasscheib: Er (Halle) will genau so mit meiner Arbeit verfahren wie mit der Tr/~nensaekoperation yon West ! ! ! Herr Glas- scheib! Wenn andere Kollegen aus Unkenntnis der Literatur aueh die Operation nach West benennen konnten, Sie durften das nichV. Sie durften auch einen derartigen Anwurf gegen reich nieht erheben. Sie waren dureh meine zahlreichen Darlegungen genauestens fiber die Tatsaehen informiert, die za bespreehen oder zu widerlegen Ihnen wie jedem meiner Assistenten jederzeit often stand. Sie mul~ten die Daten kennen, die ieh zuletzt noch in Basel genauestens publiziert habe, 0der Sie muBten sie riehtig- stellen. Herr West hat das Verdienst, die von ibm so genannte ,,Fenster- resektion des Ductus" gesehaffen zu haben, die er am 14. 10. 1910 in der Berl. lar. Ges. vor t rug. Er hat mich dadurch zu meiner Tr/~nensaek- operation mit Bildung eines gefensterten Sehleimhautperiostlappens angeregt, wie ieh immer betont habe. Einen derartig "operierten Fall stellte ieh am 12. 5. 1911 in derselben Gesellschaft v o r . Ieh beschrieb damals schon alle Einzelheiten, wie ick sie sp~ter genauer verSffentlicht habe. West konnte daran keinen Anteil haben, da er unmittelbar naeh seinem Vortrag in der Berl. lar. Ges. naeh Amerika zuraekkehrte. Als er wieder nach Berlin kam, h a t er seine ersten 100 F/~lle in meiner Klinik operiert. Er hat bei mir die Ab/~nderung und Erweiterung seiner Methode gesehen und begrfindet bekommen, da ieh in weitestgehender Kollegialit/~t gewohnt war, alles zu zeigen, was bei mir geschah. Er hat, wie Herr Glasscheib leicht h/~tte in den Protokollen nachlesen k5nnen, in meiner Gegenwart in der Berl. lar. Ges. mein Verfahren far gut erkl/~rt, hat aueh bei seinen sp/~teren Publikationen etwa 2 Jahre danach (!) nur meinen Lappen ver/~ndert und verschleehtert. Polyak selber hat an- erkannt, dal] die erste ErSffnung des Saekes mit Lappenbildung yon

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mir stammt, anerkannte Autoren, wie Herzog, haben, es bests Aber wenige Kollegen gaben sich die Mfihe, sich yon den Tatsachen zu fiber- zeugen, die eigentlich deutlich genug durch die Protokolle der Berl. lar. Ges. festgelegt sind. Herr Glasscheib aber jedoch unterrichte~, nluBte sieh zumindest nnterrichten, wie die Dinge sieh unbezweifelbar verhalten.

Aber damit er ein andermal noch mehr Material gegen mieh hat, will ieh gleich einen and.eren Fall hinzufiigen, wo meine weitgehende Kollegialiti~t mir ebenfalls fiblen Dank braehte. Ieh babe eine neue Methode der Gaumenoperation angegeben, die auch bei Erwachsenen beste klinische und funktionelle Erfolge ermSglicht. Ich babe bei meiner diesbezfigliehen Publikation auf i~hnliche Bemfihungen Ganzers hin- gewiesen und habe berichtet, dab ich zu dieser Operation durch Dr. Ernst vom Zahn~Lrztlichen Insti tut in Berlin angeregt worden bin, der mir an Patienten seine Prothesen fiir Gaumendefek~e zeigte und mir sagte, die bisherigen Gaumenoperationen h~Ltten, zumal bei Erwachsenen, wenig Zweek, weft die Spraehe danach wenig oder keine Besserung zeigte. Die Erfolge kSnnten erst besser werden, wenn man eine Ann~herung des Gaumens an die Raehenwand ermSglichen kSnnte. U n d e r meinte damals, dab es meiner yon ibm sehr anerkannten Teehnik gelingen miiBte, eine solche Operation zu linden. Nun es gelang mir, und ieh babe s.ie auf dem KongreB unserer Gesellschaft vorgetragen, babe in der Berl. lar. Ges. and in der Berl. reed. Ges. dariiber gesprochen und Patienten vorgestellt, die allgemein anerkannte Resultate zeigten. Herr Ernst hat vom Jahre 1915--21 auf seinen Wunseh fast allen der- artigen Operationen als Zusekauer beigewohnt. Er hat mir aber weder einen Patienten fibergeben, noeh je irgend einenHinweis fiber die mSgliehe Technik gemaeht, wozu er um so weniger qualifiziert war, als er vorher niemals ein Messer in der Hand. gehabt hatte. Aber im Jahre 1921 stellte er in der Chit. Ges. die Methode als die seinige vor, ohne auch nur meinen Numen zu nennen. Und nach einem Versprechen mir gegenfiber, das richtigzustellen., verSffentlichte er spi~ter in einer zahn~trztliehen Zeit- schrift: Zur Ausffihrung dieser Idee gewann ieh zungchst Halle-Berlin. Das war alles. Ich habe zwar Herrn Ernst vor dem Forum der Berl. reed. Ges. zur Rede gestellt und ihm diese Tatsaehen vorgehalten. Aber ich bin nicht gewi~, daB er, mit minderem Rechte als Herr West, nicht weiterhin die Methode als die seinige erkls wenn auch Limberg und Rosenthal u. a. es korrekt dargestellt haben.