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259 70. Lothar leyer: Zur Geschichte der periodirchen Atomirtik. (Vorgetrageu in der Sitzung von Hrn. F. Tiemann.) Bemerknngen, welche Hr. Ad. W iirtz in einem am 11. Jan. d. J. in der Vorstandssitzung der deutschen chem. Gesellschaft verlesenen Schreiben geniacht hat 1) , veranlassen mich auf die Entstehungs- geschichte der Lehre von der Periodicitlit der Atomgewichte zuriick- zukommen, um nicht aus allzu grosser Bescheidenheit den Antheil, den ich an derselben genommen, der Vergessenheit anheim fallen zu laesen. So lange man sich der G m e 1 in 'scben sog. Aequivalentgewkh te bediente, konnte die allgemeine Periodicitat nicht erkannt werden. Nachdem Canu i zzaro die richtigen Grundsatze fur die Bestimmung der Atomgewichte aufgestellt hatte , erhielten die bis dahin aufgefun- denen Regelmbsigkeiten 1864 in der eraten Auflage meiner ,,Modernen Theorien" eine gleichfiirmige Gcstaltung in nachstehend wieder ab- gedruckten Tafeln. Ein unbefangener Beurtheiler wird in dieaen Tafeln wohl etwas mehr als ,,eine eiofache Zusamrnenstellung von Gruppen analoger Elemente" *), namlich das Bestreben entdecken, dieselben nach der Grosse der Atomgewichte zu ordnen und zugleich zu zeigen, dass der chemische Werth in regelmassiger Weise mit dem Atomgewichte rer- anderlich ist. Nur die Gruppe Cu, Ag, Au wurde an8 Ende der zweiten Tafel gestellt, weil sie Elemente ungleichen Werthes enthielt und dtrrum die Zussmmengehiirigkeit dieser Elemente mir damals zweifelhaft erschien. Im Uebrigen enthalten die beiden Tafeln etwa die Halfte dessen, was wir heute als das natiirliche System der Ele- mente betrachten. auch entging es mir schon damals nicht, dass sich die zweite Tafel mit der Gruppe Zn, Cd, Hg an die linke Seite der ersten anschliessen und mit ihr zu einer einzigen vereinen liess, Ich versuchte auch in Folge dieser Bemerkung, alle iibrigen Elemente in die Tafel einzureihen. Das aber konnte mir nicht gelingen, weil die damals ganzlich falsch bestimmten Atomgewichte Mo = 92, Nb = 97.6, Vd = 137, Ta = 136.6 (statt Mo = 96, Nb = 94, Vd = 51, Ta = 182) mich irrefiihrten. Nachdem diese berichtigt waren, gelang mir leicht die Einreihuug aller Elemente in eine einzige, nach der Griisse der Atomgewichte geordnete Tafel. Bevor ich diese verijffentlichte, erschien 1869 in der Zeitschrift fiir Chemie, N. F. Bd. V S. 405, ein Auszug aus einer Arbeit des Hrn. 1) Diese Berichte XIII, 6. 2) Vergl. diese Berichte IV, 351, 352. Der letzte dort in der Anm. 2 citirte Satz BUS den Mod. Theorieu iat in der Mitte abgebrochen, wodurch sein Sinn vallig etitstellt wird.

Zur Geschichte der periodischen Atomistik

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Page 1: Zur Geschichte der periodischen Atomistik

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70. Lothar l e y e r : Zur Geschichte der periodirchen Atomirtik. (Vorgetrageu in der Sitzung von Hrn. F. Tiemann.)

Bemerknngen, welche Hr. A d . W i i r t z in einem am 11. Jan. d. J. i n der Vorstandssitzung der deutschen chem. Gesellschaft verlesenen Schreiben geniacht hat 1) , veranlassen mich auf die Entstehungs- geschichte der Lehre von der Periodicitlit der Atomgewichte zuriick- zukommen, um nicht aus allzu grosser Bescheidenheit den Antheil, den ich a n derselben genommen, der Vergessenheit anheim fallen zu laesen.

So lange man sich der G m e 1 i n 'scben sog. Aequivalentgewkh te bediente, konnte die allgemeine Periodicitat nicht erkannt werden. Nachdem C a n u i z z a r o die richtigen Grundsatze fur die Bestimmung der Atomgewichte aufgestellt hatte , erhielten die bis dahin aufgefun- denen Regelmbsigkeiten 1864 i n der eraten Auflage meiner ,,Modernen Theorien" eine gleichfiirmige Gcstaltung in nachstehend wieder ab- gedruckten Tafeln.

Ein unbefangener Beurtheiler wird in dieaen Tafeln wohl etwas mehr als ,,eine eiofache Zusamrnenstellung von Gruppen analoger Elemente" *), namlich das Bestreben entdecken, dieselben nach der Grosse der Atomgewichte zu ordnen und zugleich zu zeigen, dass der chemische Werth in regelmassiger Weise mit dem Atomgewichte rer- anderlich ist. Nur die Gruppe Cu, Ag, Au wurde an8 Ende der zweiten Tafel gestellt, weil sie Elemente ungleichen Werthes enthielt und dtrrum die Zussmmengehiirigkeit dieser Elemente mir damals zweifelhaft erschien. I m Uebrigen enthalten die beiden Tafeln etwa die Halfte dessen, was wir heute als das natiirliche System der Ele- mente betrachten. a u c h entging es mir schon damals nicht, dass sich die zweite Tafel mit der Gruppe Zn, Cd, H g a n die linke Seite der ersten anschliessen und mit ihr zu einer einzigen vereinen liess, Ich versuchte auch in Folge dieser Bemerkung, alle iibrigen Elemente i n die Tafel einzureihen. Das aber konnte mir nicht gelingen, weil die damals ganzlich falsch bestimmten Atomgewichte Mo = 92, N b = 97.6, Vd = 137, Ta = 136.6 (statt Mo = 96, N b = 9 4 , Vd = 51, Ta = 182) mich irrefiihrten. Nachdem diese berichtigt waren, gelang mir leicht die Einreihuug aller Elemente in eine einzige, nach der Griisse der Atomgewichte geordnete Tafel.

Bevor ich diese verijffentlichte, erschien 1869 in der Zeitschrift fiir Chemie, N. F. Bd. V S . 405, ein Auszug aus einer Arbeit des Hrn.

1) Diese Berichte XIII, 6. 2) Vergl. diese Berichte IV, 351 , 352. Der letzte dort in der Anm. 2 citirte

Satz BUS den Mod. Theorieu iat in der Mitte abgebrochen, wodurch sein Sinn vallig etitstellt wird.

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M e n d e l e j e f f , welcher nachstehende Zusammenstellung der Elemente enthielt. - -___ ~ _ _ _ ~ - ___---- _ _ _ __ ~.

-1 -- ~

~ - - _- - -

Ca = 40 ? = 4 5

?Er=56

8 = 1 I3e = 9.4 H = l l

I N = 1 4 0 = 1 6 1 F = 1 9

Li- 7 ! Na = 23

j c = 1 2

1 I

~ Ti=50 I V=51

1 ' ~ r = 5 2 Mn = 55

I Fe = 56 i

Jsi = c o = 59 I Cu = 63.4

I

I

Zn = 65.2 ?=68 ?=70

As = 75 Se = 79.4 Br = 80 l tb 3 85.4 Sr = 87.6 Ce = 92 La = 94 Di = 95 Th =118?

Zr= 90 Nb= 94 kfo= 96 Rh = 104.4 Ru = 104.4 Pd = 106.6 Ag = 108 Cd = 112 Vr = 116 Sn=118 Sb = 122 Te= 1281

J = 127 C s = 133 Ba= 137

? = 180 Ta- 182 W = 186 Pt = 197.4 Jr = 198 0s = 199 Hg = 200

Au = 197?

Bi = 210?

Ti = 204 Pb 3 207

Im begleitenden Texte war gesagt, dass die nach der Oriisee des Atomgewichtes geordneten Elemente eine stufenweise Abanderung der Eigenschsften zeigen, dass die Griisse des Atomgewichtes die Eigen- schaften bedinge, dass einige Atomgewichte der Berichtigung bediirftig nnd die Entdeckung neuer Elemente vorherzusehen sei ; daneben noch einige weniger wichtige Bemerkungen. Diese Gesichtspunkte hat also Hr. M e n d e l e j e f f jedenfalls vor mir und wahrscheinlich iiberhaupt zoerst veroffentlicht, soweit nicht die Prioritatsanspriiche des Hrn. N e w l a n d s l), die ich bis jetzt nicht habe priifen kGnnen, berechtigt sein sollten.

Man sieht aber sogleich, dass Hrn. M e n d e l e j e f f ' e Tafel nicht e i n e e i n z i g e nach der Qriisee der Atomgewichte fortlaufende Reihe, sondern deren d r e i enthalt, die sich nicht a n einander reihen laseen und ron sehr ungleicher Lange sind. Es ist das urn SO auffallender, a ls diese Discontinuitat der Reihe nnr durch die Einschaltung von sieben unsicher und, wie wir jetzt wissen, unrichtig bestimmten Atom- gewichten (Er, Y, In, Ce, La, Di, Th) hervorgebracht wurde. HHtte Hr. M e n d e l e j e f f damals Werth suf die Herstellung einer e i n z i g e n Reihe gelegt, so wiirde er ohne Zweifel diese Atomgewichte anders angenommen haben.

Meine bald darauf veriiffentlichte , im December 1869 geachrie- bene Abhandlung : ,,Die Natur der chemischen Elemente ala Function ihrer Atomgewichte' a ) enthielt die nachstehende erete zu einer ein-

1) Siehe F i t t i c a , Jahresber. f. 1878, S. 8. 2, Ann. Chem. Phann. 7. Snppl., S. 864.

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z i g e n Reihe zusammengefiigte Uebersicht aller bis dahin sicher be- stimmten Atomgewichte, darunter das des Indiums a& Orund des periodiscben Oesetzes berichtigt , wie es bald darauf B u n s e n be- stiitigte.

Diese Znsammenstellung ist aus einer Erglinzung meiner friiheren hervorgegangen , von der sie sich Bosserlich dadurch unterscheidet, dass die aiif einander folgenden Atomgewichte nicht horizontal neben, sondern, wie bei M e n d e l e j e f f , vertical unter einander gestellt sind. Von M e n d e l e j e f f ' s Tafel ist sie besonders durch den Wegfall jener unrichtig angenommenen Atomgewichte und durch die regelrechte Ein- reihung der aus jener oben hinausragenden Heihen verschieden. Ich zeigte zugleich a n der Hand meiner graphischen Darstellung der Atomvohmina, dass diese von mir eingereihten Elemente nur einen Theil der Eigenschaften der ihnen entsprechend gestellten anderen besitzen, SO dass einige Eigeoscbaften erst in der zweitniichsten Pe- riode wiederkehren, d i e P e r i o d i c i t i i t a l s o e i n e d o p p e l t e ist. Diese Thatsache hat Hr. M e n d e l e j e f f spater, ohne mich zu nennen, verwerthet als Unterschied seioer ,,paarenu und .unpaaren Reihen'.

Ich wlire in meiner Arbeit gern auf die Verschiedenheiten un- serer Tafeln niiher eingegangen; aber bei dem damals bescbriinkteo und feat begrenzten Raurne der Annalen durfte ich die Freundlichkeit der Redaction, die mir ganz ausnahmsweise die Verofentlichung einer keine ueuen experimentellen Daten enthaltenden Abhandlung verstat- tete, nicht missbrauchen und musste mich der Bussersten Kiirze be- fleissigen. Ich sagte daher, meine Tafel sei ,,im Wesentlichen' (d. b. in der Anordnung nach der Oriisse der Atomgewichte) ,,identisch mit der von M e n d e l e j e f f gegebenen'. Dies war vielleicht etwas zuviel Hoflichkeit; aber jedenfalls besser, als hiitte ich mir zuviel Verdienst zugeschrieben.

Hr. M e n d e l e j e f f hat so aiemlich alles, was icb zu seiner Ar- beit hinzugefiigt, in seine mit Recht beriihmte Abhandlung: ,,Die periodische Oesetzmhsigkeit der chemischen Elemente' l ) als richtig aufgenommen, mich und meine Arbeit aber mit keiner Sylbe erwiihnt. Nach einer seiner frtiheren iihnlichen Tafel I druckt er ale Tafel I1 die folgende a b , welche der meinen vie1 iihnlicher ist ale -seiner frii- heren, nur dass eie, wie meine erste, die Atomgewichte horizontal statt vertical fortlaufen liiset, und dass die Reihen ein wenig anders abgetheilt sind.

I ) Ann. Chem. Pharm. 8.Suppl., 5. 188, 1871.

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Da mit der Verlegung nach Miinchen die R e d a c t i ~ o a e r l k o n a l e n eine freiere Verfiigong iiber den Raum der Zeitschrift gewonnen hatte, so konnte Hr. M e n d e l e j e f f in einer umfangreichen Abhandlung manches ausfiihren, was mir kaum anzudeuten vergonnt war. Er hat aber ouch eine Reihe von neuen und besonders wichtigen Gesichts- punkten eingefiihrt, welche unsere Kenntniss dicses G’egenstandes be- deutend fijrderten. Ich rechne dahin For allem die Betrachtung des chemischen Werthes der Elemente, wie e r sich aus der Zusammen- setzung ihrer nicht fliichtigen Verbindungen , namentlich der Oxyde, ergiebt , und seine ebenso gliicklichen als kiihnen Vorausbestimmun- gen der Eigenschaften noch unentdeckter Elemente, wie des Gallioms und des Scandiums. Ich gestehe bereitwillig z : ~ , dass ich damals noch zu sehr in den lediglich auf A v o g a d r o ’ s Hypothese beruhen- den Molelrulargewichtsbestimmungen befangen war , um nicht unzer- setzt fluchtige Verbindungen zur Grundlage von Betrachtungen iiber den chemischen Werth zu machen, und dass mir die Riihnheit zu so weitgehenden Vermuthungen fehltc, wie sie Hr. M e n d e l e j e f f mit Zuversicht aussprach. Ich habe seine Hetrachtungen uber den chemi- schen Werth unter voller Anerkennung ihrer Hedeutung in meioe ,,Mod. Theorien’ aufgenommen; und uber das Zutreffen seiner Vor- aussagungen hat sich schwerlich irgend jemand mehr gefreut als ich. Auch nach Abzug meines bescheidenen Antheils an der Entwickelung des Periodengesetzes, der Herstellung eincr e i n z i g e n Reihe der Atomgewichte nnd der Erkcnntniss der d o p p e l t e n Periodicitat der- selben bleibt Hrn. M e n d e l e j e f f ’ s Verdienst noch ein sehr grosses.

Ich hoffe , dass diese meine objective geschichtliche Darstellung, die ich nach dem Angriffe des Hrn. W i irtz eu geben rerpflichtet war , auch Hrn. M e n d e l e j e f f als genau und richtig erscheinen und ihm zu Ausstellungen keinen Anlass geben wird. Dass e r mir nicht mit demselben Maasse wie ich ihm gemessen, mijchte ich auch nicht zu hoch anschlagen. Es ist nicht leicbt, gegen jemanden, der einem die eigenen Lieblingsgedanken unerwartet durchkreuzt, vijllig objectiv gerecht zu bleiben. Auch ich hatte, ale icb 1869 Hrn. M e n d e l e j e f f ’ s erste Abhandlung fand, ihm gern zugerufen: ,J”li turbare circulos rneos.’

T i i b i n g e n , 29. Januar 1880.

71. A. Herzfeld: Acetylirnng einiger Kohlenhydrate nach dem Lie bermann’schen Verfahren.

(Eingegangen am 9. Februar 1SSO; verl. in der Sitziing yon nm. A. Pinner.) F r a n c h i m o n t beschreibt im vorigen Jahrgang dieser Berichte

(Seite 1940) ein nach obigem Verfahren erhaltenes Acetylderivat der Berichte d. D. ehem. Gescllschsft. Jahrg. XIII. 18