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Zur Kenntnis der schwefligen Säure und ihrer Derivate. IV. Über Hydrazinsulfinsäuren

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Zur Kenntnis der schwefligen Saure und ihrer Derivate. I V

Uber Hydrazinsulfinsauren Von MARGOT GOEHRING und HEINB K a s r a ~ t

Mit 1 Abbildung

Tnhaltsubersicht Durch Umsetaen von Thionylchlorid mit N,H, bei Gegenwart von CaO und durch

anschlierjende Extrilktion mit Hydrazin wurde das Calciumsalz einer Hydrazinsulfin- slure, Ca(0,S. NH . NHJ,, in Form von gelben Kristallen gewonnen. Die Eigenschaften dieser Verbindung werden beschrieben. Versuche, Hydrazindisulfinate aus SO, und N,11 I

zu gewinnen, verliefen dagegen ergebnislos.

Schon EPHRAIM und PIOTROWSKI~) hatten die Umsetzung zwischeii Thionylchlorid und Hydrazin studiert in dem Bestreben, zu Hydrazin- derivaten der schwefligen SBure zu gelangen. Sie stellten fest, da13 in lionzentrierter Losung Thionylchlorid zu Schwefel und Schwefelwasser- etoff reduziert wird und da13 sich Hydrazoniumsulfid neben anderen Produkten bildet. In verdunnten Losungen entstanden offenbar Hydra- zinderivate mit Schwefel hoherer Oxydationsstufe, die aber nicht ge- trennt werden konriten. Wir na'hmen diese ~'ersucl~e wieder a8uf, in der Hoffnung , zu Hydrazinsulfinsauren oder deren Hydraziden zii gela,ngen.

Beim Einleiten von gasformigem Hydrazin in eine Liisung von Thionylchlorid in Chloroform beobachteten wir immer Reduktion des Thionylchlorids zu Schwefel. Als wir umgekehrt Thionylchloridlosung zu einer gekuhlten Losung von Hydrazin in Chloroform gaben, beob- achteten wir dagegen kaum eine Reduktion, sondern die Entstehung cines gelben Oles neben Hydrazoniumchlorid. Wir konnten aber - ebenso mie die alteren Autoren - die Reaktionsprodukte nicht voll- standig voneinander trennen ; wir konnten nur beobachten, dalS das gelbe 01 sehr wenig bestandig war und bei der Hydrolyse neben Schwefel vor alfem Schwefelwasserstoff lieferte. Um die Bildung des storenden Hydrazoniumchlorids zu vermeiden, versuchten wir dann die bei der Umsetzung zwischen OSC1, und N,H, entstehende Salzsaure durch

1) F. EPHRAIM u. If. PIOTROWSKI, Ber. dtsch. chem. Ges. 44, 386 (1911).

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256 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemic. Band 278. 1955

Calciumoxyd oder Bariumoxyd zu binden. Als wir Thionylchlorid zu einer Losung von Hydrazin, in der CaO suspendiert war, gaben, ent- stand ein grunes, festes Reaktionsprodukt, aus dem sich mit wasser- freiem Hydrazin eine goldgelbe Losung extrahieren lie& Aus der Hy- drazinlosung kristallisierten in der Kalte langsarn gelbe Kristalle aus , die Ca:S:N wie 1 : 2 : 4 enthielten und offenbar aus dem Calciumsalz einer Hydrazinsulfinsaure bestanden. Es hatte also die Umsetzung (1) stattgefunden.

c‘1 NH * NH, O = W + N,H, -+ O=S/ -+ HCl;

‘Tl \GI

CaO -1 2 HCl -+ CaCI, + H,O; (1)

Ca + H,O. I [ \o . 2

N H . PJH, N H - NH, + CaO- O=S/ 20=s/ ‘OH

Das Calciumhydrazidosulfinat zerfiel schon an der feuchten Luft , besonders aber bei der Beruhrung mit Wasser und mit Sauren rasch unter Bildung von Calciumionen, Hydrazoniumionen, schwefliger Saure, etwas Schwefelwasserstoff und Schwefel. In Alkalilauge und in waISrigem Ammoniak loste sich das Salz mit gelber Farbe; diese Losung zersetzte sich ebenfalls innerhalb von 3 Stunden vollstaridig. Das Ca,lciumsalz erwies sich als kraftiges Reduktionsmittel, das qualitativ alle Reduk- tionsreaktionen des Hydrazins zeigte. Es war in der Lage, 1 2 Oxyda- tionsaquivalente Jod zu Jodion zu reduzieren (2).

(2) HO * SO * N H * N H , + 3 J, + 2 H,O = H,SO, + N, + 6 H J .

Calciumhydrazidosulfinat ist nicht das einzige Reaktionsprodukt von OSCl,, N2Hd und CaO. Mit fliissigem Ammoniak 1aBt sich aus dem Rohprodukt eine gelbe harzige Substanz extrahieren, die Schwefel zu Stickstoff etwa im Verhaltnis 1:l enthalt, und die mit Dimethylformamid tief gefirbte Losungen ergibt. Die Farbe ist abhangig von der Konzentration und von der Temperatur; sehr stark verdunnte Losungen sehen gelb aus, konzentriertere sind grun bis dunkelblau. Temperaturerhohung wirkt in gleichem Sinne wie starkere Konzentration. Die sehr instabilen, sauerstoffempfindlichen, offenbar radi- kalischen Losungeii werden weiter untersucht.

EPHRAIM und PIOTROWSKI l) haben Salze einer Hydrazindisulfin- saure beschrieben, die nacli (3) gebildet werdeii sollen. Das Hydra-

2 SO, + 3 N,H, -> [H,N,]O,S-NH * NH-SO,[N,H,] (3)

zoniumsalz dieser Sulfinsaure soll farblos aussehen und sich unzersetz t in Wasser losen. Durch doppelte Umsetzung soll sich unter Entwick- lung von SO, ein farbloses Bariumsalz Ba,(NSO,), gewinnen lassen, das beim Lagern in Sulfit ubergeht. Wir fanden, dal3 beim Einleiten von

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SO, in eine alkoholisehe Hydrazinlosung zuniichst farbloses Hydra- zoniumsulfit, [N,H,],SO,, ausfiel. Bei langerem Einleiten von SO, war dem Hydrazoniumsulfit Hydrazoniumdisulfit beigemischt. Der Nieder- schlag loste sich bei weiterem Einleiten von SO, zu einer gelben Losung auf, aus der sich durch Eindampfen reines Hydrazoniumdisulfit, [N,H,],S,@, herstellen lieti. Hydrazido-disulfinat konnten wir auf diesein Weg also nicht erhalten.

Neben dem Calciumsalz der Hydrazinmonosulfinsaure konnte aus der Hydrazin- losung durch Fallen mit Alkohol eine Verbindung der Zusammensetzung Ca(OH), . 2 N,H, - 2 H,O in Form von groBen, schwach gelben Nadeln gewonnen werden. Diese Substanz gehort wohl zu derselben Gruppe von Hydrazinverbindungen, wie sie z. B. von Halogeniden der Erdalkalimet~lle als CaC1, - 2 N,H, und BaCI, . 2 NzHo be- kannt sind,).

Expcrimentclles Zur Herstellung des wasserfreien H y d r a z i n s entwisserten wir entweder Hydra-

zoniumhydroxyd durch Destillation iiber NaOH3) oder wir extrahierten Hydrazoniuni- sulfat in der in Abb. 1 dargestellten Apparatur mit NHS4). Nach zweimaliger Destillation uber NaOH war das Hydrazin 9Oproz. ; nach dem Extraktionsverfahren entwassertes Hydrazin war 75proz. 5). Mit beiden Hydrazinpraparaten erzielten wir vollig uberein- stimniende Versuchsergebnisse.

Die zu den Versuchen verwendeten Losungsmittel waren wasserfrei 6 , und frisch destilliert. Besonders wichtig war, daB das Chloroform vor dem Zusammenbringen rnit Hydrazin frisch destilliert wurde, da mit gealtertem Chloroform gelegentlich heftige Ex- plosionen auftraten.

Zur Herstellung des Calc iumhydraz idosul f ina tes benutzten wir einen 1,5 Liter fassenden Dreihalskolben, der mit einem Schliffriihrer, einem Tropftrichter, der auf ein Absaugstiick aufgesetxt war, und einem Einleitungsrohr fur reinen Stickstoff versehen war, das nicht in die Fliissigkeit hineinreichte. Der Tropftrichter besaB keinen Hahn; die Tropfgeschwindigkeit wurde dadurch reguliert, dalj in dem mit Glaswolle verstopften Eintropfrohr ein Unterdruck aufrecht erhalten wurde. Der seitliche Ansatz des Absaug- stuckes war mit einem mit NaOH gefullten Trockenrohr verbunden. Wir gaben in den mit trockenem Stickstoff gefiillten KoIben 1000 ml Chloroform, 29 g Hydrazin und 250 g feingemahlenes CaO. Zu dieser Mischung tropften wir innerhalb von 3 Stunden eine Losung von 27 g Thionylchlorid in 150 ml Chloroform. Wahrend dieser Operation wurde mit Eiswasser gekuhlt. An der Eintropfstelle farbte sich die Masse sofort gelbrot und nach etwa 3 Minuten griin. Nach 3 Stunden war die gesamte Masse gleichmaljig griin. Wir gossen das iiberstehende Losungsmittel, das noch etwas Thionylchlorid enthielt, a b und wuschen die griine, feste Masse durch Dekantieren mehrmals mit frischem Chloro- form am. Das feste, noch chloroformfeuchte Produkt wurde in Kolben 1 der in Abb. 1 geschilderten Apparatur gebracht. Durch Evakuieren wurde das Rohprodukt bei 20'

z, H. FRANZEN u. 0. v. MAYER, Z. anorg. allg. Chem. GO, 245 (1908). 3, Vgl. L. F. AUDRIETH u. B. ACKERSON OGG, The Chemistry of Hydrazine, NewYork

4, F. FRIEDRICHS, Z. anorg. allg. Chem. 127, 221 (1923). j) Zur Analyse vgl. E. RUPP, J. prakt. Chem. 67, 140 (1902). 6) Zur Analyse vgl. K. FISCHER, Angew. Chem. 48, 394 (1935).

1951, S. 48ff.

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nnd 0,Ol torr von Chloroform und Hydrazin befreit. Es war notwendig, etwa 10 Stunden lang im Vakuum auf 20" zu halten. Das Rohprodukt enthielt vie1 CaO, etwas CaCI, - und zwar konnten 84% des apgewandten C1 als CaCI, gefunden werden - und Stickstoff und Schwefel in verschiedener Bindung im Atomverhaltnis 6 : 1. Wasser loste CaCl, und Schwefel- und Stickstoffverbindungen mit gelber Farbe, und Ca(OH), blieb znruck; aus der gelben Losung schied sich nach kurzer Zeit Schwefel ab, und Geruch nach H,S trat auf.

Zur Abtrennung der Schwefel- und Stickstoffverbindungen versuchten wir die Substanz zu extrahieren. Die Masse loste sich weitgehend in mit Ammoniak gesattigtem Pyridin, Nitromethan, Nitrobenzol oder Methanol. Die gelben bis dunkelblauen Lo-

Abb. 1. B e n u t z t e A p p a r a t u r

sungen waren sehr luftempfindlich; einheitliche Produkte konnten dar- aus nicht gewonnen werden. In Di- methylformamid loste sich die Sub- stanz ebenfalls mit blauer Farbe, wahrend mit fliissigem Ammoniak und mit wasserfreiem Hydrazin goldgelbelosungen erhalten wurden. Zu den Extraktionsversuchen be- nutzten wir den in Abb. 1 darge- stellten Apparat. Im Kolben 1 be- fand sich das Reaktionsprodukt. I n diesen etwa 600 ml fassenden Kolben wurde das Losungsmittel hinein- destilliert. Durch Kippen der Appa- ratur und Kuhlen des Kolbens 2 wurde die Flussigkeit durch eine Glasfritte nach 2 gesaugt. Dabei konnte durch den Hahn A gege- benenfalls Stickstoff eingeleitet werden. Durch weiteres Kippen konnte die Losung in das Vorrats- kolbchen 3 iibergefiihrt werden.

Wenn wir NH, als Extraktionsmittel verwandten, enthielt der Extrakt N: S etwa im Ver- haltnis 1 : 1. Die Hydrazinlosung enthielt eine betrachtliche Menge C1- als Hydrazonium- chlorid und daneben Ca, N und S i n verschiedener Bindung. Wir extrahierten jeweils etwa 1/10 der Rohsubstanz mit etwa 50 ml Hydrazin und kiihlten diese Losung auf 0". Nach 2 Tagen begannen sich gelbe Kristalle abzuscheiden ; die Kristallisation war nach etwa 10 Tagen beendet. Gelegentlich muSte zu Beginn 1-2 ml Alkohol zugesetzt werden, um Kristallkeime zu bilden. Die Kristalle konnten unter LuftabschluS abfiltriert, kurz mit wasserfreiem Alkohol gewaschen und im Hochvakuum getrooknet werden. Sie muaten unter trockenem Stickstoff aufbewahrt werden. Wir erhielten jeweils aus 1/10 der Roh- substanz 100 mg der Kristalle.

Zur Analyse Iosten wir die Substanz in Wasser und bestimmten das Calcium iiach Fallen als Oxalat durch Titration mit Kaliumpermanganat. Zur Schwefelbestimniung schlossen wir die Verbindung in der Parr-Bombe mit Na,O, auf ; wir entfernten die Cal- ciumionen mit einem Austauscher7) und fallten als Bariumsulfat. Vor der Fallung wurde

7) M. GOEHRING u. I. DARGE, Z. andyt. Chem. 126, 179 (1942).

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die saure Losung mit Nitritlosung versetzt und erhitzt, um etwa gebildete Stickstoff- sulfonsauren zu zerstoren. Gelegentlich schlossen wir die Substanz auch zur Schwefel- bestimmung durch Erhitzen mit Kalium auf. Zur Stickstoffbestimniung bedienten wir uns der Metliode von DUMAS. Das Chlorid wurde nach der Oxydafion mit Salpetersaure nach VOLHARD titriert. Wir fanden im Mittel von 5 Bestinimungen : 17,7% Ca, 28,4% S, 25,2% N, 5,0% H; fur Ca(O,SN,H,), berechnet sich: 17,4; 27,8; 24,6; 2,6%.

Zur Bestimmung des R,edukt ionswer tes trugen wir die Substanz in iiberschiissige n/10 Jodlosung ein; das Jod wurde zuriickgemessen. Durch 20 mg Substanz wurde in 3 Bestimmungen 10,55 ml n/10 Jodlosung reduziert. 230,3 g Subst,anz, d. h. 1 Mol, reagierten also mit 12,1 Oxydationsaquivalenten.

Durch Fallen mit Alkohol oder mit Dimethylformamid konnten wir nach dem Aus- kristallisieren des Hydrazidosulfinates aus der Hydrazinlosung Ca(OH), . 2 N,H,. 2 H,O gewinnen. Wir fanden in den fast farblosen Kristallen 32,1% N und 20,0% Ca bei eineni Reduktionsaquivalent von 7,5. Dieses Salz loste sich sehr leicht in Wasser, es war sogar hygroskopisch. Beim Erwarmen auf 35' zerfallt die wa0rige Losung in Calciumhydroxyd und Hydrazinhydrat.

Wir danken der Deutscheri Forschungsgemeinschaft fur eine Unterstutzung dieser Arbeit durch eine Sachbeihilfe.

Heidelberg, Ghemisches Institut der Universitat, Abteilung fur . ail- organische und aiaalytische Chemie.

Bei der Redaktion eingegangen am 18. Oktober 1954.

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