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274 ZfCM | Controlling & Management | 49. Jg. 2005, H.4

Die wirtschaftliche Bedeutungkleiner und mittlerer Unterneh-men (KMU) ist allgemein be-

kannt und wird von Politikern und Wirt-schaftsverbänden immer wieder betont.In deutlichem Gegensatz zu dieser Be-deutung steht die Berücksichtigung derKMU in der betriebswirtschaftlichenForschung. In diesem Spannungsfeld wardie Thematik der erstmals am 15.04.2005 ausgerichteten Konferenz zum„Einsatz von Controllinginstrumentenim Mittelstand“ angesiedelt, die gemein-sam von der proALPHA Software AGund dem Lehrstuhl für Unternehmens-rechnung und Controlling der TU Kaisers-lautern veranstaltet wurde.

Insgesamt wurden acht Beiträge fürdie Konferenz ausgewählt, die in vierThemenblöcke gegliedert waren. Nach-dem der Prodekan des Fachbereichs Wirt-schaftswissenschaften, Prof. Dr. ReinholdHölscher, die Konferenz mit Fakten zurwirtschaftlichen Bedeutung des Mittel-standes und dessen Rolle in der Betriebs-wirtschaftslehre eröffnet hatte, führtenProf. Dr. Volker Lingnau, Inhaber des Lehr-stuhls für Unternehmensrechnung undControlling, sowie Leo Ernst, Vorstand derproALPHA Software AG, mit Ihren Be-grüßungsworten in die Thematik ein.

Der erste inhaltliche Block befasstesich mit der Einsatzhäufigkeit und denAusgestaltungsanforderungen der Balan-ced Scorecard im Zusammenhang mitdem Mittelstand. Dazu stellte Prof. Dr.Thomas Rautenstrauch die Ergebnisseeiner Studie vor, welche im Raum Ost-westfalen /Lippe durchgeführt wurde.Hauptergebnis war die Beobachtungeiner geringen Einsatzhäufigkeit des In-strumentes, welche auf eine mangelndestrategische Ausrichtung, fehlendes Know-how und Zeitmangel zurückzuführen ist.

Der zweite Beitrag von Barbara Simgen-Weber und Andreas Jonen zeigte auf,welche Modifikationen eine auf den Mit-telstand ausgerichtete Balanced Score-card haben sollte. Ergebnis der Über-legungen waren nicht nur pauschaleKürzungsempfehlungen für Perspektiven,Ursache-Wirkungsketten und Kaskadie-rung, sondern insbesondere konkreteAusgestaltungsmerkmale der einzelnenBausteine und Implementierungsschritte.Die im Rahmen von Hypothesen aufge-stellten Modifikationen zur originärenBSC konnten weitestgehend Bestätigungin einer vorgestellten Expertenbefragungfinden.

Die nachfolgenden Vorträge befasstensich mit der Ausgestaltung der Kosten-rechnung für mittelständische Unterneh-men. Konkret wurden der Einsatz derGrenzplankostenrechnung und die Ver-wendung einer Komplexitätskostenrech-nung analysiert. Dr. Robert Obermaier

ging der Frage nach, inwieweit die Ein-führung einer Grenzplankostenrechnungin mittelständischen Unternehmen mitdem Ziel, ein entscheidungsorientiertesKostenrechnungssystem einzuführen,empfohlen werden kann. Die in dem Vor-trag herausgearbeitete Ablehnung diesesSystems beruhte auf spezifischen Argu-menten in Bezug auf den Mittelstand, wiedem zu hohen Ressourcenaufwand undauf allgemeinen Argumenten, die an denGrundprämissen des Kostenrechnungs-verfahrens ansetzen. Der zweite Vortraginnerhalb des Kostenrechnungsblockesbefasste sich mit der Thematik Komple-xitätskostenrechnung für den Mittel-stand. Manuela Faller und Fabian Krachtstellten dazu einen Ausgestaltungsvor-schlag für die Verwendung einer Kom-plexitätskostenrechnung vor, welcherden Spezifika des Mittelstandes durchseinen fallweisen Charakter besondersgerecht wird.

Einsatz von Controlling-instrumenten im MittelstandSeminar ReviewAndreas Jonen

Andreas Jonen beim Vortrag zu den Modifikationen der Balanced Scorecard für den Mittelstand

49. Jg. 2005, H.4 | Controlling & Management | ZfCM 275

Der folgende Block beschäftigte sichmit dem Controlling von Forschung undEntwicklung und Produktionsplanungs-systemen. Der Beitrag von Ines Eberhardtbezog sich auf das F&E-Controlling vonhochtechnologieorientierten Unterneh-men. Dabei wurde die Bedeutung einessolchen Controllings herausgearbeitetund das Roadmapping als ein im vorge-stellten Kontext besonders geeignetesVerfahren herausgearbeitet. Prof. Dr.Paul Dieter Kluge, Pawel Orzeszko undAnita Debicka betrachteten in ihrem Bei-trag Wirtschaftlichkeits-Nachweise fürLösungen von Advanced Planning Syste-men. Dazu diskutierten sie möglicheWege der Einführung solcher Verfahrenin mittelständischen Unternehmen.

Der letzte Veranstaltungsteil behan-delte das Thema Risikocontrolling. TinaPüthe und Florian Krol analysierten inihrem Vortrag die Bedeutung der verän-derten Finanzierungsrahmenbedingun-gen für das Controlling mittelständischerUnternehmen. Dazu stellten sie eine breitangelegte Studie vor. Wichtigste Ergeb-nisse waren der weitestgehend geringeEinsatz von Entscheidungsunterstüt-zungsinstrumenten wie Kostenrechnungoder Investitionsrechnungsverfahren undspeziellen Risikoinstrumenten. Im letztenVortrag betrachteten Peter Winter,Michael Otte und Volker Nietzel risiko-orientierte Balanced Scorecard-Konzeptefür KMUs. Dazu wurde ein Vorschlagentwickelt, der den Cash Flow at Risk in ein BSC-Konzept als risikobezogeneFinanzspitzenkennzahl integriert.

Abschließend fasste Prof. VolkerLingnau wesentliche Ergebnisse nocheinmal zusammen, wobei er insbesonde-re auf das Fehlen eigenständiger Mittel-stands-Controllinginstrumente hinwies.Gerade die häufig als Problemfeld ange-führte starke Position der geschäftsfüh-renden Gesellschafter könne man auchals Chance begreifen. Ein nicht unbe-trächtlicher Teil der betriebswirtschaft-lichen Forschung beschäftige sich mit derProblematik von Interessenkonfliktenzwischen Eigentümern und Manage-ment, ein Problem, das bei eigentümer-geführten Unternehmen überhaupt nichtexistent sei. Auch das Fehlen von ausfor-

mulierten Visionen, Leitbildern und Stra-tegien müsse nicht unbedingt ein Mankosein, vielmehr könne es auch eine spezifi-sche Stärke des Mittelstands sein, einenEigentümer als „lebende Vision“ zuhaben. Aus dieser Perspektive sei es dannauch kein Wunder, dass z. B. eine einfa-che Reduzierung der Balanced Scorecard,bei der weiterhin eine ausformulierteStrategie als Grundvoraussetzung exis-tiert, nur eine geringe Verbreitung habe.

Die einzelnen Vorträge weckten beiden rund 60 Teilnehmern großes Interes-se und es entwickelten sich interessanteDiskussionen, die auch in die Pausen undden abschließenden Sektempfang weiter-getragen wurden. Es ist geplant, die Ver-anstaltung in Zukunft im Zweijahres-rhythmus weiterzuführen und verstärktim Rahmen von Fallstudienpräsenta-tionen Unternehmensvertreter in die Ver-anstaltung einzubinden. Die Ergebnisseder Konferenz werden in den nächstenWochen in einem Sammelband in der imEul-Verlag neu aufgelegten Reihe „Con-trolling“ erscheinen.

Dipl.-Wirtsch.-Ing. Andreas Jonen


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