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KOKOEinführung in die SprachpsychologieEinführung in die Sprachpsychologie
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WS 2004/05
Martin Leyrer
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Semiotikallgemeine Zeichentheorie (aus Philosophie)
Welche globale Eigenschaft kommt dem Symbolsystem menschlicher Sprachen zu?
Wie schneiden nicht menschliche Kommunikationssysteme (z.B. tierische Kommunikation) relativ zu Menschensprachen ab?
Wie schneiden nicht-sprachliche Zeichensysteme (Zeichen, die vom Mensch erfunden wurden) relativ zu ihrer Muttersprache ab?
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nicht linguistische Zeichensysteme:
Verkehrszeichen
Gesten, die ritualisiert sein können
Notenschrift in Musik
allgemeine Notationssysteme
…
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3 Zeichentypen(aus Semiotik)
1. Ikonische ZeichenSinn des Zeichens erschließt sich kraft seines ikonischen (i.e. bildlichen) Charakters; diese Zeichen bilden das, wofür sie stehen, auf direkte Weise ab!
2. Indexikalische Zeichensind hinweisende Zeichen; stehen in einem Folge-Verhältnis, in einem „Wenn-dann“-Verhältnis zum Bezeichneten oder Gemeinten; Voraussetzung: Erfahrungswissen von der Welt (Totenkopf als Folge von der Einnahme von Gift)
3. Symbole
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ad Symbole
Laut- und Schriftzeichen menschlicher Sprachen sind ausschließlich Symbole!
Es gibt keinen direkten oder indirekten Bezug zwischen dem Zeichen (Gestalt, Laut) zur Bedeutung!
rein zufällig! z.B. das Schriftbild „TISCH“ oder Lautbild [tisch] hat eine ganz bestimmte Bedeutung, steht für etwas, was nicht visualisiert ist
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6 definierende/semiotische Merkmale menschlicher Sprachen
1. Arbitrarität/ Zufälligkeit
2. Displacement/ Dislozierung
3. Kreativität
3.1. Offenheit (openness)
3.2. Rekursivität (recursion)
4. Dualität
5. Grammatikalität
6. Kulturelle Transmission
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ad Zufälligkeit
Zuordnung von Laut/Gebärde/Schriftsymbol und Bedeutung ist zufällig, muss gelernt werden, ist weder so offensichtlich wie bei ikonischen Zeichen, noch kann es erschlossen werden wie bei indexikalischen Zeichen (Erfahrung, Weltwissen vorausgesetzt)
Ausnahmslos gültig für Sprachen der Welt? Es gibt kleine Wortschatzsegmente, die zumindest
indexikalisch (wenn nicht sogar ikonisch) verstehbar wären und somit Kriterium der Arbitrarität verletzen z.B. in GS die Gebärde für Polizist (abgeleitet von Pickelhaube) in LS mimetische Wörter (lautmalerische Wörter,
Onomatopoetica)
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Ad Displacement/ Dislozierung
Wir können Sprache außerhalb einer konkreten Situation und in Abwesenheit eines Referenzobjektes verwenden
Alle menschlichen Sprachen verfügen über Tempus-Formen. D.h. wir können über zukünftiges oder vergangenes sprechen
Wir können ferner über nicht direkt sichtbares, abwesendes sprechen, über hypothetisches (Konjunktiv), über nicht existierendes (Fabelwesen)
vgl. Bühler: Darstellungsfunktion
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ad Kreativität
Nur die KREATIVITÄT ist spezifisch menschlich (für alle anderen
definierenden Merkmale gibt es kuriose Parallelen auch im Tierreich)!
2 Varianten der Kreativität:
Offenheit (openness) meint, dass unser Wortschatz jederzeit erweiterbar ist durch z.B. Neuerfindungen, Wortentlehnungen, Wortabkürzungen oder durch morphologische Mittel wie der Komposition)
Rekursivität (recursion) meint, eine Regel immer wieder an ihrem output anwenden zu können
in Mathematik: Zahlensystem ist recursiv (1+1=2; dieses +1 kann ich immer wieder an output anwenden)
In Sprachen Syntax: Möglichkeit einer Grammatik, mit einer endlichen Anzahl von Regeln eine unendliche Menge von Sätzen zu bilden; z.B. Satzeinbettung/ NS-Syntax, Modifikatoren von NP´s (der Hund des Mannes des Besitzers der Fabrik …)
kommt sogar in der Berechnung unserer Absichten vor (ToM), z.B. ich denke, dass du denkst, dass ich denke, dass …
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ad Dualität
Aus einer Kombination von sinnlosen Zeichen
können wir sinnvolles entstehen lassen
z.B: aus den 4 an sich unbedeutenden Zeichen bzw.
Einzellauten, „h“, „u“, „n“ und „d“, die einzeln
betrachtet an sich keine Bedeutung haben, ergibt
sich zusammen, in der richtigen Reihenfolge
sortiert, etwas bedeutungstragendes, das Morphem
<Hund>.
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ad Grammatikalität
Regeln vorhanden, die für „Ordnung“ in einer
Sprache sorgen, sind quasi die „Verkehrsregeln“
der Sprache Grammatische Regeln: z.B. Regeln, wie Morpheme
aneinander gereiht werden dürfen, also
Wortstellungsregeln, oder Regeln über die Subjekt-
Verb-Kongruenz, Aktiv-Passiv, etc. (Neurokognitives
Korrelat: Broca-Areal)
Phonologische Regeln (Phonotaktik)
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ad kulturelle Transmission
biologische Komponenteunser Gehörsystem z.B. ist spezialisiert für SprachwahrnehmungMenschen besitzen eine angeborene Sprachkompetenz, die es
jedem Kind gestattet, in relativ kurzer Zeit ohne expliziten Unterricht auf ziemlich gleichförmige Weise sich ihre Sprache anzueignen, das syntaktische Grundgerüst ist im Genom verankert, so dass Sprachen weniger gelernt werden, sondern viel mehr „wachsen“
kulturelle KomponenteSprachen verändern sich, können sogar aussterben, haben eine
kulturelle Seite; unabhängig vom biologischen Grundgerüst werden Sprachen von Generation zu Generation weitergereicht (Deutsch indogermanische Ursprache)
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Ursprung der Sprache
Eine Sprache für alle? „Esperanto“ (klingt wie ein Mix aus Spanisch, Deutsch und
Russisch), eine Kunstsprache; gut gemeint in Zeiten der politischen Unruhen des 20. Jhdt., Idee von beherzten Idealisten durch gemeinsame Sprache bessere Verständigung
Sprachen haben eine „Familie“vor mindestens 50000 Jahren einzige Ursprache sehr
wahrscheinlich! nach und nach Trennung Menschen begannen in abgelegene Regionen der Erde zu siedeln Sprachen wandern, verändern sich
Wie groß ist so eine Sprachfamilie? Verwandte am indischen Ozean?
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Indogermanische (indoeuropäische) Sprachfamilie
Name der Sprachfamilie, die sich zunächst über Europa
und weite Teile Südasiens ausbreitete deren
Abkömmlinge heute aufgrund der Kolonialisierung auf der
ganzen Welt zu finden
Heute von mehr als 2 Milliarden Menschen gesprochen
( somit die am weitesten verbreitete Sprachfamilie)
Verhältnis der Sprachen zueinander, ihre Verwandtschaft
miteinander am anschaulichsten in einem Sprachbaum
abbildbar
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Indogermanische Sprachbaum
„Stamm“ stellt indogermanische Ursprache dar (vor ~ 7000 Jahren gesprochen, von Europa bis Indien)
Ursprache hatte verschiedene Dialekte (wie heutige Sprachen auch), aus denen sich die unterschiedlichen Sprachen entwickelten (Äste)
„Äste“ spalteten sich im Laufe der Zeit in Generationen von Tochtersprachen „Zweige“
Das Deutsche gibt es erst seit ~ 1500 Jahren Althochdeutsch trennte sich von anderen germanischen Sprachen wie z.B. dem Angelsächsischen (Gemeingermanisch: ~1500 v.Chr. bis 500 n.Chr.)
2000-1000 v.Chr.: frühesten schriftlichen Dokumente der griechischen, anatolischen und indoiranischen Sprachen
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Nicht ganz Europa ist indogermanisch …
Im europäischen Sprachraum gibt es …
Eine einzige lebende (vermutlich) vor-
indoeuropäische Sprache Baskisch
Eine einzige nicht-indoeuropäische
Sprachfamilie Finnisch, Ungarisch (Finno-
ugrische Sprachfamilie)
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nicht vergessen
Aphasiesyndrome (Broca A., Wernicke A.,
Amnestische A., Globale A., Transkortikale A.,
Leitungsaphasie (S/ auch Kapitel 3 des Tutorials
http://www.ims.uni-stuttgart.de/phonetik/joerg/s
gtutorial/
)
Split-brain Experimente und Ergebnisse