SSM EBM für die Praxis
Univ.-Prof. DI Dr. Andrea BergholdInstitut für Med. Informatik, Statistik und Dokumentation
Medizinische Universität Graz
Interventionsstudien
SSM EBM für die Praxis
Vorgangsweise der EBM
1. Formulierung der relevanten und beantwortbarenklinischen Frage
P Problem des Patienten
I Intervention
C Vergleichsbehandlung („control“: Placebo oder Standardtherapie)
O Zielgröße, Endpunkt („outcome“: Mortalität) undInterventionsrisiko
2. Systematische Suche nach (externer) Evidenz
3. Kritische Bewertung der Evidenz ("criticalappraisal")
SSM EBM für die Praxis
Vorgangsweise der EBM
4. Prüfung der Anwendbarkeit der gefundenen wissenschaftlichen Evidenz auf das gegebene klinische Problem
5. Integration der externen Evidenz mit klinischer Erfahrung und Werten des Patienten
6. Bewertung der eigenen Leistung
SSM EBM für die Praxis
EBM
Patient
Verlaufskontrolle
Überprüfung der Validität, klinische Anwendbarkeit
Suche der besten externen Evidenz
Probleme, Fragen
Praktische Erfahrung & externe Evidenz
SSM EBM für die Praxis
Schritt 1 - Stellen der beantwortbaren Frage
Bewirkt bei Kindern mit akuter Otitis media
ein Antibiotikum
im Vergleich zu Placebo
eine Änderung der Dauer der Schmerzen?
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Schritt 1 - Stellen der beantwortbaren Frage
Ist bei Patienten mit Asthma
die Verwendung einer Dauertherapie auch als Bedarfstherapie
im Vergleich zu anderen Therapieschemen
besser zur „Asthmakontrolle“?
SSM EBM für die Praxis
Schritt 1 - Stellen der beantwortbaren Frage
Bewirkt bei Patienten mit Herzinsuffizienz (NYHA III)
ein Angiotensin-II-Rezeptorblocker
im Vergleich zu Placebo
eine Änderung der Sterblichkeitsrate?
SSM EBM für die Praxis
Schritt 2 - Suche nach externer Evidenz
Datenbanksuche nach Originalliteratur (Medline,…)www.pubmed.gov
Evidenzbasierte Literatur (Cochrane Library, Clinicalevidence …)
Leitlinien (Fachgesellschaften, …)www.leitlinien.de
Lehrbuch
Experten
SSM EBM für die Praxis
Schritt 3 - Kritische Bewertung der Evidenz
Dieser Schritt wird im Englischen als "CriticalAppraisal" bezeichnet. Die bei der Literaturrecherche gefundenen Artikel werden kritisch überprüft.
Hinterfragt werden dabei die Methodik und die Aussagekraft der Untersuchungen, die zu den jeweiligen Erkenntnissen geführt haben. Besonderes Augenmerk richtet sich dabei auf Validität, Reliabilität und Relevanz der Untersuchung.
SSM EBM für die Praxis
Schritt 3 - Kritische Bewertung der Evidenz
Schlüsselfragen:
Ist diese Information valide?
Ist diese Information wichtig?
Ist diese Information auf meinen Patienten anwendbar?
SSM EBM für die Praxis
Validität einer Studie
Interne Validität:Ausmaß, in dem ein Studienergebnis die Wirklichkeit widerspiegelt und frei von systematischen Fehlern (Bias) ist
– Selection Bias - Verzerrung bei Festlegung und Auswahl der Untersuchungspopulation
– Detection Bias – systematische Unterschiede in der Bewertung
– Information Bias - Verzerrung durch fehlerhafte Information (z.B. systematischer Erfassungsfehler)
– etc.
SSM EBM für die Praxis
Evidenzgrade bei Therapiestudien
I Randomisierte kontrollierte Studien (RCTs)A) MetaanalyseB) ausreichend großer methodisch hochwertiger RCT
II Kohortenstudie (Prospektive nicht-randomisierteStudien)
III Fall-Kontroll Studien (Retrospektive Studien)
IV Fallserien
V Meinungen von Expertenhttp://www.cebm.net
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Auszüge aus Checkliste von RCTs
1. Erfolgte eine zufällige Zuordnung der Patienten in die jeweilige Gruppe (Randomisierung) und war die Zuordnung verdeckt?
2. (Doppel-) Blindstudie?
3. Erfolgte eine Intention to treat Analyse?
4. Wieviele Patienten wurden nachuntersucht?
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Auszüge aus Checkliste von RCTs
5. Wurden patientenrelevante Endpunkte gewählt?
6. Kann man sich den Behandlungseffekt selbst berechnen?
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Wichtigkeit
Praxisbezogene Wichtigkeit validerStudienergebnisse?
Art der untersuchten ParameterPatient oriented Evidence that matters (POEM)
Größe des EffektsRRR, ARR, NNT
Wie genau war die Schätzung des Behandlungseffekts (Präzision)?
SSM EBM für die Praxis
Beschreibung des Behandlungseffekts
Ereignisrate in der Kontrollgruppe (Control Event rate): CER
Ereignisrate in der Behandlungsgruppe (Experimental Event rate): EER
Relatives Risiko (RR): EER/CER
Relative Risikoreduktion (RRR): (CER-EER)/CER
Absolute Risikoreduktion (ARR): CER-EER
Number needed to treat (NNT): 1/ARR
SSM EBM für die Praxis
Relative Risikoreduktion - RRR
Die proportionale Reduktion des Risikos in der experimentellen Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe.
RRR = (Ereignisrate in der Kontrollgruppe –Ereignisrate in der Experimentalgruppe) / Ereignisrate in der Kontrollgruppe
CEREERCER −
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Absolute Risikoreduktion - ARR
Die absolute Senkung der Rate an unerwünschten Ereignissen in der experimentellen Gruppe einer Studie im Vergleich zur Kontrollgruppe.
ARR = Ereignisrate in der Kontrollgruppe – Ereignisrate in der Experimentalgruppe
ARI (absolute risk increase)
EERCER −
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Number needed to treat – NNT
Zahl der Patienten, die über einen bestimmten Zeitraum mit der experimentellen Therapie behandelt werden müssen, um ein zusätzliches unerwünschtes Ereignis zu verhindern.
NNT (Zeitraum) = 1 / ARR
NNH (number needed to harm)
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NNT - Heart Protection Study
Benefit (SE)/1000 5(3) 20(4) 35(5) 46(5) 54(7) 60(18)NNT 200 50 29 22 19 17
SSM EBM für die Praxis
Ergebnisparameter
11Number neededto treat
9%Absolute Risikoreduktion
90%Relative Risikoreduktion
10 (1%)100 (10%)Ereignisrate
10001000Patienten
Interventionsgruppe z.B. aktives Medikament
Kontrollgruppe z.B. Placebo
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Effektgrößen
Veränderung der Effektgrößen in Abhängigkeit vom Ausgangsrisiko
Szenario C
Szenario B
Szenario A
Auftreten eines Ereignisses
20000,05%25%0,15%0,2%
2000,5%25%1,5%2%
205%25%15%20%
NNTARRRRRNeu(EER)
Standard(CER)
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Bewertung einer Studie
Wie lauten die Studienergebnisse?
Wie groß war der Behandlungseffekt?
In welcher Form wurde er berichtet?– Absolutes Risiko / Absolute Risikoreduktion– Relatives Risiko / Relative Risikoreduktion– Number needed to treat (NNT)
Wie genau war die Schätzung des Behandlungseffekts (Streuung)?
SSM EBM für die Praxis
Genauigkeit der Schätzung - KI
Bei 10 Personen findet man 1 Pollenallergiker (10%), 2 Pollenallergiker (20%).
Bei 100 Personen findet man 10 Pollenallergiker (10%), 9 Pollenallergiker (9%), 11 Pollenallergiker (11%)
Angabe von 95% Konfidenzintervallen
SSM EBM für die Praxis
Anwendung im klinischen Alltag
Lassen sich die Ergebnisse auf meine Patienten anwenden?
Wurden alle wichtigen Endpunkte berücksichtigt?
Lohnt es sich, für die absehbaren Behandlungswirkungen die möglichen Nebenwirkungen und Kosten einzugehen?