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NEUE BERUFSBILDER IN DEN MEDIEN
Kopfsprung in den NachrichtenstromAuftakt zur neuen kress-Serie: Steffen Konrath hat den Liquid Newsroom gebaut – und drei Berufe mit Zukunft erfunden
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L Wer seiner internetfernen Oma den Job von Steffen Konrath, 48,
erläutern möchte, wählt am besten das Bild eines reißenden Gebirgsflusses. In diesen unwirtlichen Strom stürzt sich Konrath täglich, fischt ein paar Perlen heraus und veredelt sie zu Schmuckstü-cken. Nur: Nass wird Konrath bei den Sprüngen nicht. Seine Tauchgänge fin-den auf Twitter, Facebook, Reddit und in Blogs statt. Seine Perlen sind Nach-richten, die erhofften Schmuckstücke Tweets, Posts und Artikel.
Erst bei dem Namen seiner Erfindung kommt wieder Flüssigkeit ins Spiel: Li-quid Newsroom heißt das Konzept, das zugleich Software und im Kern eine Ar-beitsphilosophie ist. Ein Modell, das neue Medien-Jobs hervorbringt. Der kressreport wird in einer neuen Serie in-novative Medienberufe vorstellen und zeigen, wie sich Anforderungen in der Branche wandeln.
Konrath ist weder Theoretiker noch Träumer, der mal eben seine Hirnge-spinste von der Leine lässt. Bis 2011 stand er in Diensten des Süddeutschen Verlages und entwickelte als Director Web Appliances und Technical Lead di-gitale und insbesondere mobile Angebo-
32 kressreport 02.14 vom 06. Februar 2014
te. Schon im Jahr zuvor entstand das Newsroom-Konzept in seinem Kopf, nach einem halben Jahr Zwischenspiel beim Internetunternehmen 1&1 machte er sich im Frühjahr 2012 damit selbst-ständig. Seitdem geht er vom heimi-schen Kiefersfelden an der Grenze zu Ös-terreich auf Tauchtour in den Nachrich-tenstrom.
„Nicht die Technik, der kuratierende Journalist ist der Filter.“LNR-Erfinder Steffen Konrath
Im Kern ist der Liquid Newsroom (LNR) eine technische Lösung, mit der Redak-tionen und andere Inhalteverwerter Quellen aus dem Netz zusammentragen, bearbeiten und weiterverbreiten können und dabei in Echtzeit im Blick haben, wie viele Menschen das interessiert. Dies läuft gebündelt in eine Software. Mit de-ren Lizenz will Konrath Geld verdienen: die Testversion ist gratis, die Vollversion kostet monatlich 600 Euro. Die Ausbil-dung des LNR-Personals übernimmt er persönlich. Sein Newsroom-Prinzip er-läutert er auch per YouTube-Video (http://goo.gl/f6Po0i).
Anstoß zum LNR gab sein eigenes aus-uferndes Leseverhalten. Er wollte teilen, was er mochte, fand das aber zu anstren-gend. „Was mir bisher fehlte, war ein Sys-tem, mit dem ich Content einfach über-all, wo auch gelesen wird, verteilen kann,
ohne dafür auf unterschiedliche Newssi-tes und Plattformen wie Twitter, Face-book und Wordpress gehen zu müssen.“
Jeder virtuelle LNR bezieht sich auf Themen – einer etwa auf die Ukraine-Proteste, einer auf die Entwicklung der Medienlandschaft. Letzteres Thema ist Konraths Showcase: Zu Medienthemen kuratiert er News unter anderem über das Blog „Nextlevelofnews“. Auch sein Twitter-Account @StKonrath ist einer der Ausspielwege, mehr als 110.000 fol-gen ihm bereits. Derzeit vereint er die drei Jobs seines LNR in einer Person.
Sourcing Expert – Quellen- spezialistHier nimmt alles seinen Anfang: Der Sourcing Expert identifiziert Quellen im Netz. Alles, was über Schnittstellen bezo-gen werden kann, wird in den Newsroom eingespeist (siehe Screenshot, Seite 33 oben). Der Sourcing Expert ist „Trüffel-schwein“ und Techniker, muss aber vor allem verifizieren: Ist die Quelle wirklich echt? Befindet sich der Twitter-User tat-sächlich wie behauptet auf dem Maidan in Kiew oder steckt ein Spaßvogel aus Stockholm dahinter? Konrath erklärt: „Der Sourcing Expert muss schnell beur-teilen können, häufig nachfragen und zum Telefon greifen. Dieses Checken von Fakten erfordert also klassische jour-nalistische Kompetenzen.“
Am ehesten vergleichbar ist das Ar-beitsumfeld des Sourcing Expert mit dem eines Dokumentationsjournalisten. Wie dieser wühlt auch ein Sourcing Ex-pert viel herum, schreibt aber nie selbst.
eine Aufgabe ist dennoch nicht zu er-etzen. Die Verifikation ist Vorausset-ung für die Arbeit mit der Quelle – und nders als ein herkömmlicher Social-edia-Redakteur konzentriert sich der uellenspezialist voll darauf. Unter-
tützt wird der Experte von der Technik: ie merkt sich einmal verifizierte Ac-ounts, Kollegen können bei anderen achrichtenereignissen in einem ande-
en LNR auf die Vorarbeit zurückgreifen.
eat Curator – Pulsfühlernhalte aus jenen Quellen, die der Sour-ing Expert ins System eingebunden hat, üssen vom Beat Curator ausgewertet erden (siehe Screenshot u. l.). „Seine ufgabe ist es, die Texte der zuvor ausge-
uchten Quellen schnell zu erfassen. Ein eat Curator muss also eine extrem hohe uffassungsgabe haben“, sagt Konrath. er schon einmal am Ticker der Nach-
ichtenagenturen saß und hunderte eldungen von dpa, Reuters, AFP und
en anderen überflogen hat, kann sich en Arbeitsdruck vorstellen. Dennoch ei der Beat Curator eher kein Journalist. enn er schreibt kaum selbst, sondern
fasst Inhalte zusammen, die er relevant für seine Leser findet.
Eben diese Empfänger muss der Beat Curator genau kennen – er ist nicht nur Pulsfühler der Nachrichten, sondern auch Pulsfühler innerhalb der Interessen seiner Kunden. „Eine seiner Fähigkeiten ist: Er muss wissen, wie man auf den ver-schiedenen Systemen redet“, sagt Kon-rath. Konkret: Für Facebook schreibt er salopper als für LinkedIn und für Twitter komprimierter als für ein Blog. Tech-nisch hilft der LNR dabei: Für jedes Sys-tem steht eine Eingabemaske bereit – mit einem Klick wird alles verschickt.
Data Analyst – ZahlenzaubererEr muss Statistiken lesen und sie in Emp-fehlungen für seine Kollegen umformu-lieren. Der Data Analyst hat im Blick, wie viele Retweets ein bestimmtes Thema kassiert, wie viele Likes auf Facebook und +1 bei Google Plus vergeben wer-den (siehe Screenshot u. r.). Dies trägt er weiter zum Sourcing Expert und Beat Curator, um deren Output zu optimieren – er ist Kommunikator und Antreiber. „Es gibt gerade sehr viel Engagement auf
hema X“ wäre sein typischer Satz oder: Offensichtlich sind die Leser vor allem n den Meinungen von Y interessiert.“ Mehr noch als ein Social-Media-
edakteur orientiert sich der Data Ana-yst am Nutzerwillen. Man könnte auch agen: Er trägt das Diktat der Klicks di-ekt in die Redaktion. Analytische Kom-etenz und Teamfähigkeit sind in sei-em Gebiet die zentralen Qualifikatio-en. Allzu getrieben sieht Konrath die rbeiter im LNR aber doch nicht, denn m Ende entscheide der Mensch: „Nicht ie Technik, sondern der kuratierende
ournalist ist der Filter.“Ob es den LNR serienmäßig geben ird, mag nicht einmal Konrath vorher-
agen. Alle Medienunternehmen suchen ach Erlösmodellen. „Das macht die inführung des LNR in Redaktionen chwierig.“ Der Gründer kooperiert vor-rst mit anderen Zweigen der Branche: u seinen zahlenden Pilotkunden gehö-
en nach eigenen Angaben Software- nd Dienstleistungsunternehmen, eine ifestyle-Marke und ein Branchenver-and. Schon jetzt habe die Firma die Ge-innschwelle erreicht.Als einzigen Beispielkunden nennt
onrath den Veranstalter einer Konfe-enz für voraussagende Analyse („pre-ictive analytics“). Für den aggregiert er achrichtenquellen zum Thema, verteilt iese Informationen an Fachleute zu-ück, bespielt ein Blog, erstellt Newslet-er und einen LinkedIn-Account.
Ansätze aus den drei LNR-Berufen ind in vielen Redaktionen längst Alltag, ndere werden vielleicht bald realisiert, hne dass das Label LNR daraufklebt. ie so oft im digitalen Wandel gilt: ichts ist fertig und morgen kommt so-ieso alles anders. Jens Twiehaus
Steffen Konrath führt in seinem LNR drei Berufs- felder zusammen
er Sourcing Ex-ert überprüft den ahrheitsgehalt
er Nachrichten
er Beat Curator steuert mit Inhalten das Interesse der Nutzer
er Data Analyst wertet das Klickverhalten der Nutzer auskressreport 02.14 vom 06. Februar 2014 33