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50 JAHRE PORSCHE 911 SYSTEM BOXER Auf der Internationalen Automobilausstellung IAA im Jahr 1963 feierte der Porsche 911 (als 901) mit Sechszylinder-Boxermotor Weltpremiere. Zum 50. Jubiläum werfen wir einen Blick in den Rückspiegel. BILD © [M] Porsche ENTWICKLUNG REPORT 550

50 Jahre Porsche 911 System Boxer

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50 JAHRE PORSCHE 911 SYSTEM BOXER

Auf der Internationalen Automobilausstellung IAA im Jahr 1963 feierte

der Porsche 911 (als 901) mit Sechszylinder-Boxermotor Weltpremiere.

Zum 50. Jubiläum werfen wir einen Blick in den Rückspiegel.

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VOM 356 ZUM 911

Wenn zwei das Gleiche tun, ist es den-noch nicht dasselbe. Im Porsche 356 arbeitet ein Vierzylinder-Boxermotor, im Gegensatz zum Sechszylinder-Boxer-Motor im Modell 911. Der von Porsche lancierte Typ 901 war die Bezeichnung eines internen Konstruktionsbüros im Hause Porsche, das mit diesem Projekt beauftragt war und diesen Sportwagen-typ erstmalig 1963 auf der Internatio-nalen Automobilausstellung in Frankfurt am Main präsentierte.

Bis August 1969 bezeichnet Porsche alle mechanischen Aggregate und Ein-zelteile der 911-Baureihe mit der intern vergebenen Nummer 901. Danach stellt man auf die Zahlenkombination 911 um. Wegen eines Rechtstreits mit Peugeot darf Porsche als Fahrzeughersteller die Typisierung 901 bei seinen straßenzuge-lassenen Fahrzeugen nicht verwenden. Mit einer Einschränkung: Die Rennsport-wagen, wie die Typen 904, 906 oder 908, die auf abgesperrten Rennstrecken fah-ren, dürfen ihre Bezeichnungen behalten und so nach außen darstellen. Grundlage dieses Streits ist die von Peugeot initiierte Zahlenkombination mit einer Null in der Mitte, die seit 1929 als Warenmuster geschützt ist.

Mit dem Typ 901 (911 – ab Erstaus-lieferung September 1964) kommt erst das zweite Modell des Sportwagenbauers Porsche auf den Markt, das nach Ende der 356er-Produktion vorübergehend als einziges den Namen Porsche weltweit repräsentiert. Die noch bis 1965 zeit-gleiche Produktion des bis heute sehr begehrten Porsche 356 lässt den betriebs-eigenen Ingenieuren etwas mehr Zeit bei der Umsetzung des Serienproduk-tionsbeginns vom 911er.

SECHSZYLINDER-BOXERMOTOR

Als Antrieb wählen die Konstrukteure einen sechszylindrigen Boxermotor mit 2,0 l Hubraum. Bereits bei der Planung dieses Motors legt man die Grundkonst-ruktion so aus, dass, wenn es der Markt erfordert, eine Hubraumvergrößerung ohne viel Mehraufwand machbar ist. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt gehen die Überlegungen in Richtung einer suk-zessiven Erweiterung der Bohrungs- und Hubmaße, um einen Hubraum bis 2,7 l und darüber hinaus zu realisieren. Die Hauptbestandteile des Motors, Gehäuse und Zylinderköpfe, fertigt Porsche aus Alu-minium. Aufgrund von Erfahrungen bevor-zugen die Motorkonstrukteure Biral-Zylin-der (Graugussbüchse mit umgossenen Alu-miniumrippen). Durch weitere Entwick-lungsschritte entfernen sich die Ingenieure immer weiter von der ehe maligen Konst-ruktion des 356er-Stoß stangen-Mo tors. Man entscheidet sich für eine obenlie-gende Nockenwelle mit Ket ten antrieb und jeweils einem hydrau lischen Kettenspan-ner für jede Zylinderreihe. Ein Trocken-sumpfsystem mit größerem Ölvor rat leitet man von den Vier- und Achtzylinder-Rennmotoren ab. Die dreimal gelagerten Nockenwellen, die hohl ausgeführt sind, sitzen ohne gesonderte Lagerschalen im Aluminiumgehäuse und werden axial mit Öl versorgt. Kleine Radialbohrungen ge-währleisten die Schmierung der Nocken bis Motornummer 3069. Nachfolgende Motoren ab den Kennzeichnungsziffern 9013070 erhalten ein parallel zur Nocken-welle verlaufendes Rohr mit Spritzboh-rung, durch das eine effizientere Ölzu-fuhr gewähr leistet bleibt.

Das axiale Kühlgebläse mit einem Gebläseraddurchmesser von nur 245 mm, das mit der 1,3-fachen Kurbelwellen-drehzahl dreht, ersetzt das Radialge-bläse früherer Konstruktionen. Bei einer Drehzahl von 6100/min ist ein Luftdurch-satz von 1390 l/s realisierbar. Motoren dieser ersten Version 901/01 arbeiten mit einer Verdichtung 9:1 und erreichen bei 6100/min eine Leistung von 96 kW. Der Motor des ab August 1966 liefer-baren 911 S (901/02) mobilisierte 118 kW mit erhöhter Vedichtung von 9,8:1 bei 6600/min. Beide Motor varianten verlan-gen nach Kraftstoff mit 98 ROZ. In der A-Serie (August 1967 bis Juli 1968) kom-men Motoren des Typs 901/03 als 911 T mit 81 kW (reduzierte Verdichtung 8,6:1) und für den Typ „L“ (901/06) und „S“ die

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Null-Serien-Motoren mit 96 kW bezie-hungsweise 118 kW zum Einsatz. Unter-schiedliche Maßnahmen, wie zwei Weber-Dreifachvergaser statt sechs Solex-Überlaufvergaser, verschiedene Ventildurchmesser, geringere Ventilüber-schneidung sowie überarbeitete Wärme-tauscher lassen Porsche mit diesem 2,0-l-Aggregat Spielraum für unter-

schiedliche Leistungsprofile. Das ab August 1968 lieferbare B-Modell verteilt nochmals drei unterschiedliche Motoren-typen auf die Versionen „T“ (unverändert zum A-Modell, bis auf Magnesium-Kur-bel wellengehäuse und eine stärkere Licht-maschine mit 770 W), „E“ mit einer um 7,35 kW erhöhten Leistung – 103 kW bei 6500/min (wie vor herge hend „L“, jedoch

Serienstart des 901-Motors im Porsche 911 (Bild © Porsche)

Der legendäre Schweizer Rennfahrer Herbert Müller auf dem Carrera mit 2,14-l-Turbomotor, 1974 (Bild © Porsche)

Der schmal wirkende Porsche 911 Targa (G-Modell ab 1974) neben einem Serien-Turbo-Carrera und die dazugehörigen Motoren (Bild © Porsche)

ZITATE VON FERRY PORSCHE„Hätte ich damals gewusst, dass man den Motor (Typ 901) sogar bis drei Liter bei unverminderter Zuverlässigkeit, auch im Renneinsatz, vergrößern konnte, hätte ich bestimmt gesagt, der Motor sei unnötig groß und schwer, und ich hätte meinen Technikern gesagt, sie sollten ihn kleiner machen. Jetzt bin ich froh, dass ich es nicht wusste.“

„Im Laufe meines Lebens hat die Technik große Schritte zur Erleichterung und Ver-besserung der Qualität unseres Lebens ge-macht. Als Kind erlebte ich den Beginn des Automobilzeitalters; selbst aber fuhr ich noch mit dem Pferdewagen zur Schule.“

„ …, denn nur ein gutes Team konnte diese Leistung vollbringen.“

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WAS MEINEN WIR DAZU?

„PORSCHE – DIE UNGLAUBLICHE GESCHICHTE EINES KLEINEN KONSTRUK TIONSBÜROS, DAS ZUM TRAUMWAGEN-PRODUZENTEN AVANCIERT.“

DETLEF KREHLKorrespondent MTZ

Schnittzeichnung, 3-l-Motor mit Turboaufladung, Typ 930/50 (1975/76), Seiten- und Frontalansicht (Bild © Porsche)

mit reduzierter Verdichtung 9,1:1, eine mechanische Sechsstempel-Einspritz-pumpe ersetzt die Weber-Dreifach-vergaser), und das „S“-Modell mit seiner Leistungsabgabe von 125 kW bei 6800/min erhält zusätzlich zu den Änderungen des „E“ einen Ölkühler in den rechten vorderen Kot flügel. Die erste Hubraumvergrößerung auf 2,195 l voll-zieht Porsche nun für das Modelljahr 1970 und das C- und D-Serien-Modell (ab August 1969 bis Juli 1971). Für das „T-Modell“ stehen nun 92 kW, für „E“ 114 kW und für „S“ 133 kW zur Verfü-gung. Da die Motorenbauer von Porsche nun den Hub auf 70,4 mm verlängern und das im 2,2-l-Modell erhöhte Boh-rungsmaß von 84 mm bei behalten, ergibt sich daraus erneut ein höherer Hubraum. Der 2,4-l-Motor entspricht den neuesten Abgasbestimmungen und ist somit auch für den US-ame rikanischen Export mit reduzierter Verdichtung für Normalben-zin (91 ROZ) ausgelegt. Von August 1971 bis Juli 1973 sind folgende Leistungen für den sport lichen Porschefahrer im Angebot (E- und F-Serie): 2,4 T – 96 kW, E – 121 kW und S – 140 kW. Ein beson-deres Angebot steht für die F-Serie als Carrera mit 2,7 l Hubraum und 155 kW ab Frühjahr 1972 bei den Porsche- Händ-lern. Produziert wird der berühmte „Entenbürzel“ Carrera nur in der Zeit von April 1972 bis Juli 1973. Ab Januar 1973 erhalten zuerst die für den US-ame-

Bis in die Neuzeit erfreut sich der 911er immer noch großer Beliebtheit. 50 Jahre sind dank der visionären Vorreiterrolle des Prof. Dr. h.c. Ferdinand Porsche und seines Sohns „Ferry“ mit ihrer strikten Haltung für die Grund-konstruk tion und der immer wiederkehrenden „Neuerfindung“ des Porsche 911 erst möglich geworden. „Fahren in seiner schönsten Form“ ist die Werbeaussage der Firma Porsche, der nichts mehr hinzuzufügen ist.

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rikanischen Markt vorgesehenen Modelle die von Bosch entwickelte K-Jetronic – eine etwas irreführende Bezeichnung für ein mechanisch dosierendes und kontinuier-lich einspritzendes System.

DAS G-MODELL

Das Modelljahr 1974 läutet das „G-Modell“ ein und stellt mit 2,7 l Hubraum die Basis für alle drei Leistungsstufen von 110 kW über 129 kW bis 155 kW. Eine Erweiterung des Hubraums auf nunmehr 3,0 l und eine Leistung von 169 kW bleibt bei dieser Serie dem Modell Carrera RS 3.0 vorbehalten. Eine Leistungssteigerung von 22 kW stellt der Typ 930 Turbo ab August 1974 zur Ver-fügung. Er ist motorseitig mit einem Ab-gasturbolader (Steuerdruck 0,8 bar) aus-gestattet. Das Kurbelgehäuse besteht aus Aluminium-Druckguss anstatt Alumini-um-Kokillenguss. Seit Beginn der Produk-tion des Grundmotors wurde die Bohrung um 15 mm erweitert. Motorsport ist und war für die Entwicklung im Hause Porsche immer die Basis. Hieraus entstanden und ent stehen sicherlich auch in Zukunft Inno-vationen, die in die Serie einfließen. Dies lässt sich daraus ablesen, dass der Motor-Typ 901 bis 1997 in der gleichen Grund-form gefertigt und auf mehr als 3,0 l Hub-raum aufgebohrt wurde.

WASSER- ERSETZT LUFTKÜHLUNG

Eine bis zu diesem Zeitpunkt undenk-bare Weiterentwicklung ermöglicht ein Umdenken und Leistungsausbeuten in anderen Dimensionen. Der wasserge-kühlte Porsche 911 (Typ 996) spaltet die Porschefahrer in ihrer „Porsche-Welt-anschauung“. Luftgekühlt war gestern, und die Hubraumerweiterung geht weiter vor wärts. Im Modelljahr 2012 arbeiten 294 kW aus 3,8 l Hubraum im Modell 911 Carrera S. Hier liegt laut NEFZ-Ver-brauchsmessung der durchschnittliche Kraftstoffverbrauch bei 8,7 l/100 km. Im Rückblick umfasst die Entwicklung des Porsche-911-Motors immer stetig anwachsende Leistungsausbeute, gekop-pelt mit dezent gesteigerter Hubraumer-weiterung. Aus Rücksicht auf das Abgas-verhalten variierten die Motorenentwick-ler von Porsche immer zeitgemäß, aber immer mit Blick auf das Grundbedürfnis des Porschefahrers – „Fahren in seiner schönsten Form“.

Detlef Krehl

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EFFIZIENZ OHNE KOMPROMISSE

Automatisierte Getriebe in PerfektionVerbrauchsreduktion durch „Downspeeding“ des gesamten Antriebsstrangs ohne Einbußen in der Fahrleistung.

Unterbrechungsfrei in alle Gänge kommenLastschaltbare Gangwechsel auch in den unteren Gängen für Motorkonzepte mit eingeengtem Drehzahlband. Erhöhte Performance und Fahrkomfort bei gleichzeitiger Kraftstoff-einsparung. Ideal für Anwendungen im Fernverkehr und auch dort, wo vermehrt die unteren Gangstufen benutzt werden.

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