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Ausgabe 9 · September 2018 · www.primemedic.ch CME-FORTBILDUNG Psychiatrie Psychopharmakotherapie Psychotherapie bei Angststörungen Psychosomatische Krankheitsbilder Magen und Speiseröhre Ösophaguskarzinom H. pylori-Infektion Kongress Medidays Zürich Inzidentalome der Hypophyse Praxismanagement Vertrauen als Basis

Ausgabe 9 · September 2018 ·

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Page 1: Ausgabe 9 · September 2018 ·

Ausgabe 9 · September 2018 · www.primemedic.ch

CME-FORTBILDUNG

Psychiatrie

Psychopharmakotherapie

Psychotherapie bei Angststörungen

Psychosomatische Krankheitsbilder

Magen und Speiseröhre

Ösophaguskarzinom

H. pylori-Infektion

Kongress

Medidays Zürich Inzidentalome der Hypophyse

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HAUSARZT PRAXIS 2018; Vol. 13, Nr. 9 EDITORIAL

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Credits auf

Einloggen, Fragen beantworten und direkt zum Zertifikat gelangen

■■ Die vorliegende Ausgabe der Hausarzt Praxis widmet sich schwerpunktmässig dem Gebiet der Psy-chiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Viele Menschen mit psychischen Beschwerden wenden sich zunächst an den Hausarzt. Dementsprechend hoch ist der Anteil an Patienten in der Hausarzt praxis, die an einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung leiden. In Anbetracht dieses Umstands werden vom Hausarzt gute Kenntnisse über pharmakologische und psychotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten ver-langt.

Zu den Chancen, Grenzen und Risiken einer Behandlung mit Psychopharmaka vermittelt Dr. med. Antje Heck aus Sicht der klinischen Pharma-kologie einen differenzierten Überblick. Die wich-tigsten Klassen von Psychopharmaka werden anhand des Wirkungs- und Nebenwirkungsprofils überblicks-artig dargestellt. Besonderer Wert wird dabei auf die Patientensicherheit gelegt, die z.B. im Fall von soma-tischen Begleiterkrankungen, bei geriatrischen Pati-enten oder während einer Schwangerschaft speziell Bedeutung erlangt. Neben der Beachtung von Kontra-indikationen bestimmter Substanzen und den notwen-digen Kontrolluntersuchungen vor und während einer Psychopharmakotherapie werden mögliche Interak-tionen verschiedener Medikamente, besonders bei Polypharmazie, unterstrichen.

In den letzten Dekaden hat die Neurobiologie beeindruckende Fortschritte in der Identifizierung funktioneller Veränderungen in Hirnstrukturen erzielt, die bei psychiatrischen und psychosomatischen Erkrankungen beteiligt sind. Dennoch lassen sich psy-chische Störungen nicht auf chemische Ungleichge-wichte im Gehirn reduzieren. Vielmehr betreffen psychische Krankheiten immer die Person in ihrer Beziehung zur Umwelt und zu anderen Personen [1]. Die sorgfältige psychologische Diagnostik und ver-stehende psychopathologische Befunderhebung sind

nach wie vor unerlässlich in Psychiatrie und Psycho-somatik. Dieser Notwendigkeit, den gesamten Men-schen mit seiner individuellen Biografie und in sei-nen aktuellen sozialen Bezügen nicht aus dem Auge zu verlieren, widmet sich unter anderem der Artikel von Dr. med. Iris Klausmann und PD Dr. phil. Klaus Rink. Die Autoren heben die Bedeutung sozialer, kul-tureller und lebensgeschichtlicher Aspekte nicht nur für die Psychiatrie, sondern für die gesamte Medizin hervor. Indem sie das Augenmerk auf die komplexen Interaktionen von biologischen Prozessen, psycho-pathologischen Erlebnisweisen, psychologisch-bio-rafischen Zusammenhängen und sozialen Kontexten richten, zeigen sie, dass letztlich die gesamte Medizin psychosomatisch ist.

Der eigene Beitrag befasst sich schliesslich mit den unterschiedlichen psychotherapeutischen Ansät-zen in der Behandlung von Angststörungen, wobei die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Psychotherapieverfahren herausgearbeitet werden.

Ich wünsche Ihnen eine interessante und bereichernde Lektüre!

Dr. med. Dipl.-Psych. Markus Ernst, Zürich

Literatur:1. Fuchs T: Das Gehirn – ein Beziehungsorgan. Stuttgart:

Kohlhammer 2017.

PsychiatriePsychiatrie

Die Psyche – (k)ein Buch mit sieben SiegelnLe psychisme – un vrai-faux mystère

Die Fortbildungsartikel in dieser Ausgabe

Psychiatrie

Sinnvolle Psychopharmakotherapie Seite 12

Phobien – wie behandeln? Seite 19

Psychosomatik Seite 23

Magen/Speiseröhre

Ösophaguskarzinom Seite 29

H. pylori-Infektion Seite 34

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MP MEDICPINHALT

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EDITORIAL

1 Psychiatrie Die Psyche – (k)ein Buch mit sieben Siegeln Dr. med. Dipl.-Psych. Markus Ernst, Zürich

PRAXISMANAGEMENT

4 Kommunikation & Zusammenarbeit in der Hausarzt-Praxis Vertrauen als Basis für die Praxiskultur Sandra Limacher, Zürich

AM PULS

6 Goldrute bei Harnwegsinfekten Erfahrungsmedizin vs. klinische Studien Dr. pharm. Christoph Bachmann, Luzern

8 Überlastungsschäden in der Sporttraumatologie Ein multidimensionales Problem Dr. med. Peter Jenoure, Gravesano

CME-FORTBILDUNG

12 Sinnvolle Psychopharmakotherapie Einsatzmöglichkeiten, Datenlage und Tipps für die Praxis Dr. med. Antje Heck, Windisch

19 Phobien – wie behandeln? Psychotherapeutische Ansätze bei Angststörungen Dr. med. Dipl.-Psych. Markus Ernst, Dr. med. Josef Hättenschwiler, Dr. sc. nat. Jutta Ernst, Dr. phil. Patricia Waldvogel, Prof. Dr. med. Jiri Modestin, Zürich

23 Psychosomatik Die gesamte Medizin ist letztlich «psychosomatisch» Dr. med. Iris Klausmann, PD Dr. phil. Klaus Rink, Braunwald

27 CME-Fortbildungsfragen «Psychiatrie»

28 Anleitung CME-Fragebogen auf medizinonline.ch

29 Ösophaguskarzinom Frühe Diagnose und individuelle Nachsorge Pract. med. Fiorenzo Angehrn, PD Dr. med. Martin Bolli, Prof. Dr. med. Markus von Flüe, Basel

34 H. pylori-Infektion Trend geht in Richtung der Quadrupeltherapie Prof. Dr. med. Gerhard Treiber, Aarau

39 CME-Fortbildungsfragen «Magen/Speiseröhre»

AKTUELL

40 Therapeutische Wirkung ätherischer Öle Pfefferminz- und Kümmelöle bei Magen-Darm-Beschwerden

KONGRESS

42 Medidays Zürich Aktuelles zur Abklärung von Inzidentalomen der Hypophyse

DIGITAL

45 Blockchain im Gesundheitswesen Disruption Block by Block

WEITERE RUBRIKEN

10 Board

32 Impressum

48 Rezept – Kochen fürs Herz

Titelbild: iStock

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MP MEDICPPRAXISMANAGEMENT

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Kommunikation & Zusammenarbeit in der Hausarzt-Praxis

Vertrauen als Basis für die Praxiskultur

■■ Der Fall: Eine Ärztin schilderte ihre Situation: «Wir haben eine ziemlich turbulente Praxiszeit hinter uns, mit vielen Wechseln im MPA-Team und der Kündi-gung von meiner Praxiskollegin. Dies bringt ziemlich Unruhe in die Praxis. Ich habe den Eindruck, mich mehr um meine Angestellten zu kümmern als um meine Patienten. Letzte Woche hat eine Mitarbeiterin bereits in der Probezeit wieder gekündigt. Was kann nun helfen, damit es langfristig ruhiger wird im Team und wir in Zukunft besser zusammenarbeiten?»

Erste Analyse: Hier schienen zwei Problemfelder mit-einander zusammenzuhängen: einerseits die sich auf-lösende Partnerschaft der Ärztinnen und andererseits die Teamarbeit des MPA-Teams. Stringente Führung, die Einigkeit über die Praxis- und Teamführung ver-mittelt, schafft das notwendige Klima des Vertrauens, indem eine Teamarbeit erfolgreich möglich ist und die Patienten dies positiv wahrnehmen.

Vorgehensweise im Coaching: Ich schilderte der Ärz-tin meine Einschätzung des Falles und beobachtete, wie diese auf sie wirkte. Sie erkannte, dass sie bei der Partnerwahl einer Ärztin oder eines Arztes genau dar-auf achten sollte, dass es ein gemeinsames Verständnis hinsichtlich Praxis- und Teamführung gibt. Das betrifft die Organisation, die Verteilung von Verantwortlich-keiten, die Infrastruktur sowie Werthaltung und Glau-benssätze. Beide Partnerinnen sollten an einem Strang ziehen, um so ein Team erfolgreich zu führen. Es lag nun in der Hand meiner Klientin, einen Anforderungs-katalog darüber zu erstellen, was die neue Partnerin mitbringen sollte, und somit Klarheit zu schaffen.

Zur Verbesserung der Team-Zusammenarbeit schlug ich der Ärztin vor, ihr Team beim Erarbei-ten von Lösungen einzubeziehen. Aus meiner Erfah-rung weiss ich, dass ein Team immer mehr und bes-sere Lösungen zustande bringt als ein Einzelner. Hinzu kommt, dass die Motivation des Teams für die Zusammenarbeit durch Mitwirkung gefördert wird. Meine Klientin willigte ein, und ich konnte ein Team- Coaching durchführen.

Für das Team-Coaching habe ich die MPAs und Ärztinnen durch einen «Parcours mit Fragen» laufen lassen. Es ging um drei Leitfragen: – Was läuft gut und soll beibehalten werden? – Was ist verbesserungswürdig, und gibt es bereits Verbesserungsvorschläge?

– Was wurde bereits versucht, um die Situation zu ver-bessern?

Zunächst wurden Inputs gesammelt und dann mitei-nander diskutiert. In meiner Rolle als Coach mode-rierte ich, fragte nach und sorgte dafür, dass alle das Wort ergreifen und ihre Befindlichkeiten einbringen konnten.

Ergebnisse: Starke Emotionen und unterschwellige Konflikte kamen zum Vorschein. Allianzen wurden offensichtlich, ebenso organisatorische Unklarheiten wie die Arbeitsteilung und ein mangelnder Informa-tionsfluss. Die Ursachen wurden vom Praxisteam, das in der Mehrheit aus Teilzeitmitarbeiterinnen bestand, beim Namen genannt: eine inaktive Führung und eine verbesserungswürdige Kommunikation.

Meine Klientin wollte Lösungen für ihre Prob-leme, und ihr wurde bewusst, dass sie diese mitver-ursacht hatte. Dies ist emotional nicht so leicht zu verkraften. Der Parcours hat die Kraft der Teamar-beit hervorgehoben, und meine Klientin hat sich von ihrem Team unterstützt gefühlt. Sie hat gemerkt, dass das Team gemeinsam an Lösungen mitwirken wollte. Das war eine positive Erfahrung und eine wichtige Erkenntnis für eine Veränderung, und zwar sowohl für sie als Chefin als auch für das Team.

Transfer in den Praxisalltag: Das Team hat gemein-same Ziele definiert und Massnahmen für den Pra-xisalltag schriftlich festgehalten. In diesem Zusam-menhang ist das Commitment jedes einzelnen Teammitglieds sehr wichtig. Nur so können die fest-gelegten Massnahmen fruchten, es entsteht eine Kul-tur des Vertrauens und ein Wir-Gefühl. Die konkret vereinbarten Ziele umfassen nun die aktive Füh-rung durch die Praxisinhaberin und Partnerin und die offene, transparente Kommunikation als wichtigstes Führungsinstrument. Die entsprechenden Massnah-men liegen auf der Hand: – Die Praxisinhaberin übernimmt aktiv die Führung, klärt Regeln, Rollen und Verantwortlichkeiten, hält

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HAUSARZT PRAXIS 2018; Vol. 13, Nr. 9 PRAXISMANAGEMENT

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diese schriftlich fest und kommuniziert sie im Praxis-team.

– Einmal wöchentlich findet eine MPA-Sitzung statt, alle zwei Wochen bespricht sich das gesamte Praxis-team.

– Die Stimmung im Team wird jede Woche mit einem Stimmungsbarometer (Skala 1–10) abgefragt. 1 stellt den schlechtesten und 10 den besten Zustand dar. Alle Teammitglieder setzen auf der Skala einen Punkt. Das Stimmungsbarometer ist ein effektives Tool, um die Stimmung in der Praxis zu messen, die Entwicklung im Laufe der Zeit zu beobachten und schrittweise zu verbessern.

Fragen zum Fall an Sandra Limacher

Wie funktioniert ein «Kommunikations-Parcours mit Fragen»?

Wichtige Fragestellungen für die Verbesserung der Teamarbeit stehen im Fokus und werden thematisiert. Jedes Teammitglied durchläuft verschiedene Posten und wird dabei mit Fragestellungen zur Teamkommunikation, Zusam-menarbeit, Motivation, Arbeitsteilung, Führung und Bereitschaft zur Veränderung konfrontiert. Jeder wird eingeladen, Stellung zu beziehen und seine Meinung mitzuteilen. Zur Bewertung von Zuständen eignet sich eine Skala (1 = gar nicht wichtig, 10 = sehr wichtig) sehr gut. Hierzu ein paar Beispiele: – Was läuft gut in der Kommunikation und soll beibehalten werden? – Wie bewertest Du die Kommunikation im Team auf Skala von 1 bis 10? – Hast Du Ideen, wie die Kommunikation verbessert werden kann? – Was kannst Du zur Verbesserung beisteuern? – Wie beschreibst Du das Team als Metapher?

Was ist der Vorteil einer solchen Übung?

Die Motivation aller Teammitglieder für eine bessere Zusammenarbeit wird enorm gefördert. Man kann feststellen, wo das Team steht, welche Ideen und Bereitschaft zur Veränderung vorhanden sind und wie diese gemeinsam angegan-gen werden können. Der Dialog ermöglicht mehr Selbstreflexion, die Sichtweisen der anderen Teammitglieder werden besser verstanden und können in einen besseren Einklang mit dem eigenen Wirken gebracht werden. Das Arbeiten Hand in Hand wird verbessert.

Haben Sie einen Tipp, in welcher Form Rollen und Verantwortlichkeiten möglichst einfach dokumentiert und kommuniziert werden können?

Ein gemeinsam erstelltes Dokument hält am besten fest, wer welche Rollen und Verantwortlichkeiten hat und was wichtig für die Zusammenarbeit ist. Jedes Teammitglied soll darin erkennen, dass es etwas zur guten Teamarbeit und zum Erfolg der Praxis beitragen kann. Ich empfehle meinen Klienten, ein gemeinsames Poster oder einen physischen Ordner zu erstellen, in dem alle wichtigen Punkte gut verständlich festgehalten werden. So kann man in Teammee-tings laufend an Verbesserungen arbeiten.

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Als ehemalige MPA sind Sandra Limacher die Heraus forderungen des hektischen Praxisalltags aus eigener Erfahrung bestens bekannt. Sie studierte Unternehmens-kommunikation und Coaching und unterstützt heute als Kommunikationsexpertin und Coach Arztpraxen wirksam in der Verbesserung der Teamkommunikation. Als Dozentin und Lehrmittelautorin ist sie an der Juventus Medizin Schule in Zürich tätig und unter-richtet lernende MPAs im Fach Kommunikation.

KontaktSandra LimacherKommunikation & Coaching mit Spezialisierung GesundheitswesenPraxis Integralis im SeefeldDufourstrasse 187, 8008 ZürichTel.: 079 755 81 31, Email: [email protected] Informationen: www.sandra-limacher.ch

– Zudem wird abgefragt: Was läuft gut? Was ist ver-besserungswürdig? Auf diese Weise sollen Prob-leme und Konflikte offen angesprochen und gelöst werden. Bei der Einstellung von neuen Mitarbeiten-den wird das Team befragt, worauf es ankommt und was in den Anforderungskatalog soll. Das Team hat bei der Anstellung ein Mitspracherecht.

Fazit: Es lohnt sich immer, das Team einzubeziehen und einen offenen Austausch zu unterstützen. Nur so kommen für alle Praxismitglieder die besten Lösungen heraus. Gleichzeitig wird man als Chefin entlastet und nicht zuletzt strahlt eine konfliktfreie, vertrauensvolle Arbeitsatmosphäre auch auf eine positive Patienten-erfahrung aus.

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MP MEDICPAM PULS

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■■ Die gewöhnliche Goldrute (Solidago virgau-rea L.) aus der Familie der Korbblütler (Astera-ceen) ist eine krautige, robuste Pflanze, die in Mitteleuropa weit verbreitet ist (Abb. 1). Die Goldrute bevorzugt nährstoffärmere und eher trockene Standorte, wie z.B. Weg- oder Wald-ränder. Man trifft sie auch auf Magerwiesen an. Ihr Verbreitungsgebiet in Europa und Asien ist sehr gross. Sie wächst sowohl in arktischen Zonen als auch in subtropischen Gebieten, dort jedoch nur im Gebirge. Je nach Region existie-ren verschiedene Subspezies.

InhaltsstoffeAus der Goldrute lassen sich diverse Inhalts-stoffe extrahieren. Im Leitfaden Phytotherapie, einem Standardwerk der Phytotherapie, werden folgende Inhaltsstoffe genannt [1]:

Die Goldrute, Solidago virgaurea L., ist eine Arzneipflanze mit einer volksmedizinischen Tradition, die Tees, Tinkturen und Extrakte der Goldrute seit Jahrhunderten zur Behandlung von Harnwegsinfekten ein-setzt. Bis heute wurden keine klinischen Versuche nach RCT-Standard durchgeführt, welche die Wirksamkeit wissenschaftlich belegen. Kann man die Verwendung der Goldrute in der modernen Medizin trotzdem empfehlen?

– 1–3% Flavonoide – Saponine – Phenylglykoside – Gerbstoffe – Ätherisches Öl

Von den Phenylglykosiden verdienen Leicarpo-sid und Virgaureosid besondere Erwähnung, da diese sowohl als Leitsubstanz (zur Gehaltsbe-stimmung) wie auch als Wirkstoff dienen. Dazu tragen weiter auch 3,5-Dicaffeoly-Chinasäure, Neochlorogensäure und Chlorogensäure bei.

Volksmedizinische BedeutungIn einem Artikel der Wiener Medizinischen Wochenschrift [2] wird Solidago virgaurea als Arzneipflanze mit jahrhundertelanger Tradition hinsichtlich der Behandlung von Harnwegser-krankungen bezeichnet. In historischen Auf-zeichnungen finden sich Hinweise auf den Wir-kungsbereich: Der Goldrute wird diuretische, schwach spasmolytische, antiphlogistische und antibakterielle Wirkungen zugesprochen.

Sowohl die Kommission E als auch die ESCOP und das HMPC der EMA (Tab. 1) attes-tieren der Pflanze eine positive Wirkung. Die aktuellste dieser Monografien, verfasst durch das HMPC, anerkennt den «well established use» der Arzneipflanze bei der Behandlung von Harnwegsinfekten, kann aber, wie die übrigen Monografien, auf keine entsprechenden klini-schen Studien verweisen. Die HMPC-Mono-grafie empfiehlt folgende Anwendungen, die aus der volksmedizinischen Erfahrung stam-men [3]:

– als Kraut: 2–4×/Tag 3–5 g getrocknetes Kraut

Goldrute bei Harnwegsinfekten

Erfahrungsmedizin vs. klinische Studien

– als Tinktur: 3×/Tag 0,5–2 ml Tinktur – als Extrakt: 3×/Tag 350–450 mg Trocken-

extrakt

Bisher kaum StudienIn Medline konnten keine Studien gefunden werden, welche die medizinische Wirksamkeit von Solidago überprüfen. Im Leitfaden Phyto-therapie sind vier Anwendungsbeobachtungen aus den Jahren 1996 bis 2002 erwähnt [1], welche die Wirksamkeit verschiedener, in Deutschland zugelassenen Arzneimittel mit Solidago als Wirkstoff prüften. Bei diesen Anwendungsbeobachtungen wurde die Wirk-samkeit des Pflanzenpräparats vor allem bei chronisch-rezidivierenden Harnwegsinfekten untersucht. Die Studienpopulationen waren mit 512 bis 3927 Patienten jeweils gross. Bei allen Studien wurde von sehr guten bis hoch signifi-kanten positiven Resultaten berichtet. Die Qua-lität dieser Studien konnte indes nicht über-prüft werden, zumal nur die Erwähnungen im Leitfaden zur Verfügung standen, welche zum Teil vage blieben. Eine Beurteilungsinstanz wie z.B. die Cochrane Collaboration, die nur RCT gelten lässt, würde solche Anwendungsbeob-achtungen nicht als wissenschaftlichen Beweis für die Wirksamkeit akzeptieren. Ausserdem stammen die erwähnten Anwendungsbeobach-tungen aus einer Zeit mit weniger strikten Stu-dienkriterien hinsichtlich der Ein- und Aus-schlusskriterien, der Zielparameter sowie der Auslegung der Ergebnisse.

Erfahrungsmedizin vs. klinische StudienEine rein schulmedizinisch denkende Person würde an dieser Stelle sagen: «Es gibt keine Beweise für die Wirksamkeit von Solidago vir-gaurea. Demzufolge muss eine Anwendung abgelehnt werden». Ist das nun der Weisheit letzter Schluss? Nein – denn damit würde man das seit Jahrhunderten von Generation zu Generation weitergegebene Erfahrungswissen lediglich als Trugschluss abtun. Derart lange tradiertes Wissen über die Heilwirkung von Arz-

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Tab. 1: Instanzen zur Beurteilung pflanzlicher Arzneimittel

Kommission E Deutsche Expertenkommission, die von 1978 bis 1994 für das ehemalige deutsche Bundesgesundheitsamt (heute BfArM) wissenschaftliche Grund-lagen über Arzneipflanzen dokumentierte.

ESCOP European Scientific Cooperative on Phytotherapy: 1989 aus nationalen Phytotherapiegesellschaften Europas gegründetes Komitee, das seither immer häufiger die Aufgaben der Kommission E übernahm.

HMPC Herbal Medicinal Products Committee: eine Expertengruppe der European Medical Agency (EMA), der Arzneimittelagentur der EU.

Vorgestellt von

Dr. pharm. Christoph Bachmann

Hirschmattstrasse 466003 [email protected]

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HAUSARZT PRAXIS 2018; Vol. 13, Nr. 9 AM PULS

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neipflanzen darf man durchaus als Wirksam-keitsbeweis gelten lassen.

Nichtsdestotrotz ist Vorsicht geboten. So könnte eine Firma ein beliebiges pflanzliches Präparat auf den Markt bringen, z.B. eine auf den ersten Blick interessante Kombination ver-schiedener Pflanzen, und in der Bewerbung des Produkts auf Jahrhunderte altes Erfahrungswis-sen hinweisen. Dies könnte «Quacksalbern» Vorschub leisten. Auch Quellen der Erfahrungs-medizin müssen kritisch beurteilt werden und dürfen nur dann als überzeugend bezeichnet werden, wenn es davon verschiedene glaub-würdige gibt, die eine Anwendung im Verlaufe der Jahrhunderte immer wieder neu bestätigen.

Der Wert und die Notwendigkeit von klini-schen Studien soll dabei in keiner Weise in Abrede gestellt werden, im Gegenteil: Klinische Studien sind ein wichtiges Instrument zur Beur-teilung der Wirksamkeit von synthetischen und pflanzlichen Arzneimitteln. Und es ist wün-schenswert, dass Krankenkassen in erster Linie die Kosten von Präparaten erstatten, deren Wirksamkeit durch klinische Studien belegt ist.

Wenn die Wirksamkeit eines Präparats beurteilt werden muss, das nicht in klinischen Studien resp. lediglich in Anwendungsbeobach-tungen geprüft wurde, sein Wirkstoff, im vorlie-genden Fall Solidago virgaurea, aber seit Jahr-

Tab. 2: Solidago virgaurea in der Schweiz

In der Schweiz gibt es gegenwärtig kein zugelassenes Fertigpräparat, das Solidago virgaurea als Einzelwirkstoff enthält. Folgende Firmen bieten die Goldrute jedoch als Urtinktur an:

Alpinamed Solidago Urtinktur 3× 10 bis 20 Tropfen/d

Ceres Ceres Solidago 3× 3 (sic!) Tropfen/d

Hänseler Solidago virgaurea Urtinktur 3× 10 bis 20 Tropfen/d

Spagyros Solidago virgaurea Urtinktur 3× 10 bis 20 Tropfen/d

hunderten von glaubwürdigen Quellen als wirksam beschrieben wird, dann darf dies als erfahrungsgestützter Wirksamkeitsnachweis akzeptiert werden. Denn auch die praktisch tätigen Ärzte stützen ihre Therapie nicht nur auf klinische Versuche; eigene Erfahrungen, die Empfehlung von Opinion-Leaders usw. spielen dabei eine bedeutende Rolle.

ZusammenfassungDie medizinische Anwendung der Goldrute, Soli-dago virgaurea L., fusst auf einer Jahrhunderte alten volksmedizinischen Überlieferung als Thera peutikum von Harnwegsinfekten. Dies konnte bisher nicht mit klinischen Studien wissenschaftlich validiert werden, wobei einige Anwendungsbeobachtungen um die Jahr-tausendwende die Wirksamkeit bei chronisch-

rezidivierenden Harnwegsinfekten bestätigen. Die lange volksmedizinische Überlieferung sowie die Anwendungsbeobachtungen können für Ärzte aber Anlass sein, die Goldrute als Tink-tur oder Urtinktur zu verschreiben (Tab. 2), allenfalls in Kombination mit anderen Harn-wegs-aktiven Arzneipflanzen.

Literatur:1. Schilcher H, Kammerer S, Wegener T: Leitfaden Phyto-

therapie, 3. Auflage. München: Elsevier, 2007, 113.2. Melzig MF: Echtes Goldrutenkraut – ein Klassi ker in

der urologischen Phytotherapie. Wien Med Wochen-schr 2004; 154: 523–527.

3. Committee on Herbal Medicinal Products: Community Herbal Monograph on Solidaginis virgau-reae L., Herba. 2008. www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_Community_herbal_monograph/2009/12/WC500018159.pdf. Stand 6.8.2018.

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■■ Neben den gesundheitsfördernden Wirkun-gen einer regelmässigen, vernünftig ausgeüb-ten körperlichen Aktivität weist Sport auch eine Kehrseite auf: sportbedingte Unfälle und Über-lastungsschäden. Während die Anzahl Sportun-fälle statistisch einigermassen gut erfasst ist (UVG: 300 000/Jahr*, BfU: 410 000/Jahr), sind Überlastungsschäden kaum quantifizierbar, da sie über die Krankenkassen verwaltet und damit nicht gemeldet werden. In einer eigenen, über fünf Jahre hinweg erfassten Statistik zeigte sich allerdings, dass Überlastungsschä-

* Datenbasis bildet die obligatorisch nach Unfallversi-cherungsgesetz (UVG) versicherten Arbeitnehmer in der Schweiz sowie die Arbeitslosen. Alle übrigen Per-sonen (Kinder, Schüler, Studenten, nicht erwerbstäti-ge Hausfrauen und -männer, Pensionierte) sind nach Krankenversicherungsgesetz (KVG) versichert und somit in den Statistiken nicht enthalten.

Falsche Technik, schlechtes Schuhwerk, ungünstige Anatomie – Über-lastungsschäden im Sport sind ätiologisch vielfältig. Ihre Behandlung erfordert den Einbezug diverser intrinsischer und extrinsischer Fak-toren, wovon einige nur schwer eruiert werden können. Ein Einblick in die Ursachen und Manifestationen dieser häufigsten Art von Sportschä-digung – und wie man sie behandeln kann.

den gegenüber Verletzungen um über das Dop-pelte häufiger sind [1].

Wie entsteht Überlastung?Um den Begriff der Überlastungsschäden im Sport zu begreifen, ist es notwendig, sich an die Grundprinzipien der Trainingslehre zu erinnern (korrekte Belastung und Erholung bewirken eine positive Anpassung der stimulierten Struk-tur) und Anpassungsleistungen der Gewebe-arten des muskuloskelettalen Systems noch-mals Revue passieren zu lassen (Tab. 1).

Im Rahmen des sportlichen Einsatzes kommt es aber häufig vor, dass diese Grund-prinzipien nicht respektiert werden – im Gegen-teil: Es wird, gerade im Amateursport, unter voller Belastung trainiert, ohne dass extrinsi-sche Faktoren wie Trainingsplanung, Erholung, Ernährung, Ausrüstung (Sportschuhe, Tennis-

Überlastungsschäden in der Sporttraumatologie

Ein multidimensionales Problem

schlägergriffumfang, Radmasse usw.), Sport-technik und Bodenwahl berücksichtigt würden. Wenn zu ungünstig wirkenden extrinsischen Faktoren noch intrinsische wie hinderliche ana-tomische Formvarianten (Knick-, Senk- und Spreizfuss, O- oder X-Beine, Hüftrotation, Hyper-lordose, Ellenbogen-Valgus usw.) und weitere Aspekte wie Knochendichtestörung oder Wachstum hinzukommen, ist es nachvollzieh-bar, dass Körperteile Schaden nehmen. Das anschaulichste Beispiel einer Überlastungs-reaktion ist möglicherweise die Ermüdungs- oder Stressfraktur des II. Os Metatarsale: Die Rückfussbelastung entspricht bei jedem Schritt des 1,2-fachen des Körpergewichts, beim gemütlichen Joggen des 2,4-fachen. Bei einem 70 kg schweren Menschen, der 8000 bis 10 000 Schritte ausführt (die untere Grenze für eine gesundheitsfördernde Wirkung) haben seine Füsse am Ende des Tages eine Last von 2,52 Tonnen ertragen, am Schluss des Jahres 858 480 Tonnen. Bei solchen Belastungen ist es nicht verwunderlich, dass ein kleiner, langer

Vorgestellt von

Dr. med. Peter Jenoure, Gravesano [email protected]

Tab. 1: Anpassungseffekte

Biologische Auswirkungen des Trainings Art des Trainings

Sehnen – Verdickung – Krafttraining

Muskulatur – Vermehrung der weissen, rasch kontrahierenden Fasern – Vermehrung der Myofibrillen (Actin/Myosin) – Vergrösserung des physiologischen Abschnitts – Erhöhung des Ruhetonus – Erhöhung der elektrischen Erregbarkeit – Raschere Erregungsleitung – Aktivierung von mehr Fasern pro Zeiteinheit – Erhöhung von Glykogen und Kreatininphosphat – Erhöhung der glykolytischen Fermente – Erhöhung der Alkalireserve – Vermehrung der roten, langsam kontrahierenden Fasern – Vermehrung der Mitochondrien – Vermehrung des Myoglobins – Erhöhung von Glykogen und Fett – Vermehrung der oxydativen Enzyme – Gesteigerte Aufnahmekapazität für Sauerstoff – Vermehrung der Anastomosen, Öffnung bestehender Kapillaren, eventuell Gefäss-

neubildung, verbesserte Vaskularisation

– Krafttraining

– Schnellkrafttraining

– Training von Schnelligkeit und Widerstandsfähigkeit

– Ausdauertraining

Knochen – Dickenwachstum – Morphologische Veränderungen der Knochen- und Gelenkstrukturen sowie der Muskel-

ansätze am Knochen

– Zug- und Druckbelastung

Gelenke – Verdickung des Gelenkknorpels – Gelenkkapsel und Bänder vergrössert – Gelenkkapsel und Bänder beweglicher, geschmeidiger

– Druckbelastung – Krafttraining – Beweglichkeitstraining

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HAUSARZT PRAXIS 2018; Vol. 13, Nr. 9 AM PULS

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Fussknochen «aufgibt», umso mehr, wenn das Schuhwerk und somit die Fussstatik subopti-mal sind.

Manifestationen sportlicher ÜberlastungDer sportbedingte Überlastungsschaden ist eine reversible, manchmal auch irreversible Schädigung einer Struktur hauptsächlich des Bewegungsapparats, bedingt durch ein Miss-verhältnis zwischen Belastung und Belastbar-keit des jeweiligen Körperteils sowie begünstigt durch verschiedene Faktoren intrinsischer und extrinsischer Natur. Das Missverhältnis mani-festiert sich dabei erst nach einer gewissen Zeit. Tabelle 2 gibt Auskunft über mögliche Überlastungsreaktionen der verschiedenen Gewebearten.

Stressreaktionen am Knochen sind schmerz hafte Zustände mit periostaler Reak-tion, jedoch ohne Kontinuitätsunterbrüche der Kortikalis. Man findet sie an der Innenkante des Schienbeins. Das klinische Bild ist als mediales Tibia-Stress-Syndrom (MTSS) bekannt. Es handelt sich um eine Vorstufe in einem Kontinuum bis zur vollständigen Stress-fraktur. Die Begriffe Tendinopathie und Tendi-nose haben die Bezeichnung Tendinitis ersetzt. Die Sehnenpathologien sind wissenschaftlich gut untersucht worden, wobei u.a. bewiesen wurde, dass in schmerzenden Sehnen kaum inflammatorische Faktoren zu finden sind. Für die Veränderung sind nicht nur mechanische, sondern auch metabolische Faktoren verant-wortlich: So erkranken Übergewichtige und Dia-betiker häufiger an Tendinopathien, wobei den «reactive oxygen species» (ROS) eine zentrale Rolle zugesprochen wird. Der Begriff der Mus-kulären Dysbalancen – «Verkürzungen» (Tonus-

erhöhung) der tonischen Muskulatur und Abschwächung der phasischen – ist durch die Manuelle Medizin hinreichend verbreitet wor-den. Die Enthesopathien betreffen sowohl Mus-keln wie Sehnen. Das Thema Arthrose und Sport ist sehr komplex. Grundsätzlich besteht durch Sport, sofern die Gelenke gesund sind, keine erhöhte Arthrosegefahr. Allerdings begünstigt Sport viele Gelenksverletzungen, die danach als Türöffner einer (Prä-)Arthrose wir-ken können. Bursitiden findet man an anatomi-schen Stellen, wo überspannte Muskeln und deren Sehnen die schützenden Strukturen mechanisch reizen. Beispiele sind das iliotibiale Bandsyndrom und die Ulnarisneuropathie, die beim Radfahrer durch die Erschütterung des Lenkers verursacht wird. In Abbildung 1 sind einige der häufigsten Diagnosen bei Überlas-tung zusammengefasst. Es wurden bewusst nur die beim Erwachsenen vorkommenden Diagnosen erwähnt. Beim Heranwachsenden können sämtliche Wachstumsosteochondrosen (Os good Schlatter, Sinding Larsen, Sever usw.) als Überlastungspathologien betrachtet werden.

Klinischer AspektIn der Sprechstunde klagen die meisten Patien-ten über einen belastungsabhängigen Schmerz. Dieser lässt sich in Anlehnung an Blazina et al. [2] in vier verschiedene Stadien einteilen:1. Schmerz nur zu Beginn der Aktivität2. Schmerz zu Beginn und am Schluss der

Aktivität3. Zunehmender Schmerz während des Sport-

programms4. Dauerhafter Schmerz variierbarer Intensität

auch in RuheDiese Einteilung gibt lediglich Auskunft über den Schweregrad des Überlastungsschadens. Sie ändert kaum etwas an der Therapie, die für

eine günstige Prognose bereits in der ersten Stufe eingeleitet werden muss.

Während der Anamnese ist der Patient meist in der Lage, die oft punktförmige Schmerz-gegend präzise zu zeigen. Mit entsprechenden Provokationstests (Bewegungen gegen Wider-stand) wird versucht, den Schmerz zu reprodu-zieren. In einigen Fällen (Bursitiden, Ermü-dungsfrakturen, Tendinopathien) ist eine Schwellung über der schmerzhaften Stelle fest-stellbar, eher selten treten Rötungen auf. Im Blut sind grundsätzlich keine pathologischen Werte zu finden. Die Bildgebung ist bei Ver-dacht auf Stressfrakturen notwendig, wobei das MRI das Mittel der Wahl ist. Bei den meis-ten anderen sportbedingten Überlastungsschä-den sind solche technologischen Abklärungen nicht zwingend. Gewinnbringend wären zudem in der Sprechstunde nicht immer leicht erhältli-che Angaben über die Technik bei der Ausfüh-rung der sportspezifischen Geste (Rück- und Vorhand im Tennis, Haltegriff beim Speerwer-fen, Laufstil in den verschiedenen Laufsportar-ten) und über die Eigenschaften des Sportge-räts (z.B. Griffumfang und Bespannungsstärke des Tennisschlägers, Sitzposition auf dem Fahr-rad, Abnützungsmuster der Schuhsohlen). Nicht selten haben sich biomechanische Gang-analysen als nützlich erwiesen. Diese Abklärungs-verfahren sind heute relativ einfach verfügbar.

TherapieDie Therapie einer Überlastungserscheinung am muskuloskelettalen System eines Sportlers ist eine spannende, aufgrund komplexer Wirk-mechanismen aber auch sehr anspruchsvolle medizinische Handlung (Abb. 2). Insbesondere sollte der behandelnde Arzt seine allfällige Lust, eine Kortisonspritze «loco dolenti» zu applizieren, drosseln. Lokale Schmerzlinde-

Tab. 2: Überlastungsreaktionen des Körpers

Knochen – Stressreaktion – Ermüdungsfraktur

Sehnen – Tendinose – Tendinopathie – Enthesopathie – Tenosynovitis

Muskeln – Muskuläre Dysbalance: «Verkürzung» und/oder Abschwächung

– Kompartmentsyndrom – Enthesopathie

Gelenke – Präarthrose – Arthrose

Andere – Bursitis – Nervenreizung

Abb. 1: Häufigste Diagnosen von Überlastungserscheinungen

Schulter

– Subakromiales Impingement-Syndrom

– Bizepssehnentendinopathie

Ellbogen

– Epicondylitis humeri radialis (Tennis)– Epicondylitis humeri ulnaris (Golf)

Becken/Hüfte

– Alle Formen von Leistenschmerzen (Pubalgia) (Golf) Knie

– Ansatztendinopathie Patella-sehne (Jumper’s knee)

– iliotibiales Bandsyndrom (Runner’s knee)

– Bursitis pes anserinus

Varia

– Achillodynie– Ermüdungsfraktur– Kompartmentsyndrom– Ulnarisneuropathie (Radsport)

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Abb. 2: Wirkmechanismen und Einflussfaktoren bei Sportverletzungen

nach

[3]

Adäquate Behandlung

– Erste Hilfe– Diagnostik– Ätiologie– Therapie– Rehabilitation

Verletzung

Sportliche Aktivität

Vollständige Heilung

Gesundheit, Fitness

Posttraumatische Funktionsstörung

Irreversibler Sportschaden

Begünstigende Faktoren

– Unachtsamkeit/Fahrlässigkeit– Technische Mängel – Organisatorische Mängel– Unkontrollierter Körperkontakt– Andere

Disponierende Faktoren

– Trainingsaufbau– Sportterrain– Ausrüstung– Erholung– Andere

Individuelle Disposition

rung, die schnell und kurzfristig wirksam ist, wird überhaupt nichts an den Ursachen des Problems ändern, sondern den Teufelskreis nur beschleunigen: Durch die momentane Schmerzminderung wird der Sportler seine ersehnte Aktivität rasch und umfassend, jedoch in ähnlicher Weise, wieder aufnehmen, und es wird nicht lange dauern, bis sich die Störung – womöglich verschlimmert – erneut bemerkbar macht. Praktisch geht es vorerst darum, die

Reversibler Sportschaden

Prof. Dr. med. Manuel Battegay, BaselProf. Dr. med. Heike Bischoff-Ferrari, ZürichDr. med. Siegfried Borelli, ZürichDr. med. Adrian Forster, DiessenhofenDr. med. Ernst Groechenig, AarauDr. med. Gerda Hajnos-Baumgartner, ZürichDr. med. Marc Heizmann, AarauDr. med. Peter M. Herrmann, ZürichDr. med. Marc Jacob Herz, BaselDr. med. Peter Jenoure, GravesanoProf. Dr. med. Sönke Johannes, BellikonDr. med. Bruno Knöpfli, Zürich

Dr. med. Günter Krämer, ZürichDr. med. Jan Kuchynka, SchaffhausenProf. Dr. med. Jörg D. Leuppi, LiestalDr. med. Cristina Mitrache, BaselProf. Dr. med. Daniel Mojon, St. GallenPD Dr. med. Alexander Möller, ZürichProf. Dr. med. Franz Recker, AarauProf. Dr. med. Ronald Schoenenberger, SolothurnProf. Dr. med. Erich Seifritz, ZürichProf. Dr. med. Michael Tamm, BaselProf. Dr. med. Stephan Vavricka, ZürichProf. Dr. med. Bruno Vogt, Bern

HerausgeberDr. med. Josef Widler-Welti, Zürich

Editorial-BoardProf. Dr. med. Peter E. Ballmer, WinterthurDr. med. Fabio Baronti, Tschugg

schädliche Belastung zu stoppen; dies allein kann bei Trainingsfreudigen schon eine Heraus-forderung sein. Zugleich sollte ein Ersatzpro-gramm aufgebaut werden, am besten mit Hilfe des Physiotherapeuten, der unbedingt in die Behandlung mit einbezogen werden muss. Er kann den lokalen Schmerz mit überwiegend passiven Massnahmen lindern und gleichzeitig Muskeln und Sehnen durch spezifisches Trai-ning stärken. Überdies müssen intrinsische und

extrinsische Faktoren angegangen werden. Hier kann es auch von Vorteil sein, den Trainer in den Heilungsprozess einzubeziehen, da Trai-ningsfehler häufig eine Rolle spielen. Damit ist die Behandlung von Überlastungsschäden ein Unterfangen, das viele Faktoren mit zahlrei-chen Beteiligten einschliesst und eine hohe Sensibilität des Sportarztes erfordert.

Literatur:1. Jenoure P: Sprechstunde Statistik 2003.2. Blazina ME, Kerlan RK, Jobe FW: Jumper’s

Knee. Orthop Clin North Am 1973; 4: 665–678.

3. Jenoure P, Feinstein R, Segesser B: Prophy-laktische Massnahmen im Bereich von Sport-verletzungen und Sportschäden. Österrei-chisches Journal für Sportmedizin 1987; 3: 7–10.

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Bei Depression

+ = 300 mg

300 mg Trittico® retard / Tag.1

Ohne Gewichtszunahme.2 Erhalt der Libido.3

1 Munizza C. et al. A comparative, randomized double blind study of Trazodone prolonged-released and Sertraline in the treatment of major depressive disorder. CMRO 2006, 22 (9): 1703 – 1713. Dosierung 150 – 450 mg.2 Serretti A. et al., Antidepressants and Body Weight: A Comprehensive Review and Meta-Analysis. J Clin Psychiatry 2010;71(10):1259 – 1272.3 Khazaie H et al. Antidepressant induced sexual dysfunction during treatment with fluoxetine, sertraline and trazodone; a randomized controlled trial. General Hospital Psychiatry. 2015;(37):40 – 45.

Trittico® retard: Z: Trazodon HCl Tablette mit verzögerter Freisetzung zu 150 mg. I: Depressionen mit oder ohne Angst- und Schlafstörungen. D: Dosis progressiv erhöhen, Initialdosis: 50 – 100 mg tgl. Nach Bedarf bis 300 mg tgl. (bei hospitalisierten Patienten bis 600 mg tgl.). KI: Überempfindlichkeit gegenüber Trazodon oder Hilfsstoffe, Kinder und Jugendliche < 18 Jahre, Vergiftung durch Alkohol oder Hypnotika, akuter Myokardinfarkt, angeborene Fructose-Intoleranz, Glukose- und Galaktose-Malabsorptionssyndrom, Sucrase-Isomaltase-Mangel. VM: brüskes Erhöhen/Reduzieren bei epileptischen Patienten vermeiden, Leber- oder Nierendysfunktion, Herzbeschwerden, Hyperthyreose, Miktionsstörungen, Engwinkelglaukom. UW: Sehr häufig: Mundtrockenheit. Häufig: Schläfrigkeit (meist vorübergehend), Miktionsstörungen. Gelegentlich: Gliederschmerzen, Rücken-schmerzen, Myalgie, Arthralgie. endokrine Störungen, Gewichtsverlust, Hyponatriämie, Appetitstörungen, psychiatrische Störungen, serotonerges Syndrom, Sehstörungen, orthostatische Hypotonie, Hypertonie, Synkope, Dyspnoe, Gastrointestinale Störungen, grippale Symptome. Sehr selten: Priapismus (in solchen Fällen die Behandlung sofort abbrechen). IA: CYP3A4-Hemmer, Antihypertonika, Alkohol und ZNS-hemmende Substanzen, MAO-Hemmer. S / S: keine systematischen Untersuchungen vorhanden, Anwendung nur nach Abwägen des Nutzen/Risiko-Verhältnisses. P: 20* und 60* Tabl. 150 mg. *Kassenzulässig. Liste B. Detaillierte Informationen: www.swissmedicinfo.ch. Vifor AG, CH-1752 Villars-sur-Glâne 1. Stand: Juni 2013. C

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Credits auf

Einloggen, Fragen beantworten und direkt zum Zertifikat gelangen

― Eine Psychopharmakotherapie ist häufig indiziert und nicht nur bei psychischen Erkrankungen wirksam und sinnvoll.

― Ein relevanter Anteil aller Psychopharmaka wird in der allgemein-internistischen Praxis verschrieben. Auch unerwünschte Arzneimittel-wirkungen werden hier monitorisiert.

― Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen allgemeininternis-tischen und psychiatrischen Fachärzten gewährleistet grösstmögliche Sicherheit für den Patienten.

― Une psychopharmacothérapie est souvent indiquée et est efficace et pertinente au-delà des maladies psychiques.

― Une part significative des psychotropes est prescrite en pratique de médecine interne générale. Les effets secondaires médicamenteux indésirables sont surveillés.

― Une collaboration interdisciplinaire entre internistes généralistes et spécialistes en psychiatrie garantit la meilleur sécurité possible pour les patients.

Sinnvolle PsychopharmakotherapiePsychopharmacothérapie pertinente

Einsatzmöglichkeiten, Datenlage und Tipps für die Praxis Possibilité d’utilisation, données disponibles et conseils pratiquesAntje Heck, Windisch

■■ Nicht nur in der psychiatrischen, auch in der haus-ärztlichen Praxis gehört die Verschreibung von Psy-chopharmaka zum Alltag. Dabei können eindeutig psychische Leiden wie Depression, Angsterkrankun-gen oder Schizophrenie adressiert werden, aber auch Schmerzerkrankungen, Schlafstörungen oder andere Erkrankungen aus dem psychosomatischen Formen-kreis werden mit Substanzen dieser Gruppe behandelt. 2017 hatten Medikamente gegen Erkrankungen des Zentralnervensystems gemäss Interpharma mit 16,3% den grössten Marktanteil aller in der Schweiz vertrie-benen Medikamente [1].

Das Verordnungsvolumen von Psychopharmaka steigt in vielen Segmenten rasant: So haben die Ver-ordnungen für Antidepressiva in den letzten zehn Jah-ren um mehr als 40% zugenommen. Dabei boomt die Verschreibung von SSRI (zweifach) und SNRI (drei-fach), während die Verordnung älterer Antidepres-siva wie Trizyklika oder MAO-Hemmer rückläufig ist. Unter den Antipsychotika werden vor allem Atypika häufiger verordnet (>60%), während die hochpoten-ten Typika leicht rückläufig sind. Die Verordnung von Psychostimulanzien ist annähernd konstant und die-jenige der Tranquillanzien rückläufig. Ungefähr ein Drittel aller Psychopharmakaverordnungen stammt von Allgemeinmedizinern [2].

Dem Hausarzt fällt bei der Psychopharmakothe-rapie eine Schlüsselrolle zu, kennt er den Patienten doch am besten in der Gesamtheit seiner körperlichen und seelischen Leiden, kann Kontraindikationen für eine Medikation wie z.B. eine eingeschränkte Nieren-funktion identifizieren oder mögliche Interak tio nen bei Polymedikation überschauen. Auch ist er häu-fig der erste Ansprechpartner, wenn sein Patient an einem Burnout erkrankt, unter Konzentrationsstörun-gen leidet oder dement wird. Die Hemmschwelle für eine Konsultation des Hausarztes liegt für Patienten meist viel niedriger als diejenige für einen Besuch beim Psychiater. Auch die differenzialdiagnostische Abgrenzung zu körperlichen Leiden geschieht hier, da viele somatische Erkrankungen mit einer hohen Prävalenz komorbider depressiver Erkrankungen ein-hergehen. Beispielsweise zeigen bis 27% der Patien-ten mit Herz-/Kreislauferkrankungen und bis 75%

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der Parkinson-Patienten Anzeichen einer Depres-sion [3,4]. Schliesslich bewirken auch zahlreiche in der Somatik eingesetzte Medikamente wie Steroide oder Betablocker die häufige unerwünschte Wirkung einer Depression, was bei deren Einsatz berücksichtig wer-den sollte.

Zahlreiche Psychopharmaka erfordern Kont-rolluntersuchungen der metabolisierenden oder aus-scheidenden Organe: EKG-Kontrollen bei potenziell die QTc-Zeit verlängernden Substanzen, hämatolo-gische Untersuchungen z.B. unter der Einnahme von Clozapin, Gewichtskontrollen und Untersuchungen auf ein metabolisches Syndrom unter vielen Anti-psychotika oder ein Therapeutisches Drug Monito-ring (TDM) bei Substanzen mit enger therapeuti-scher Breite wie z.B. Lithium. In aller Regel werden diese Untersuchungen in der hausärztlichen Praxis vorgenommen. Zu sinnvollen Kontrolluntersuchun-gen unter Psychopharmakotherapie sind zahlreiche Behandlungsempfehlungen und klinikinterne Wei-sungen publiziert.

Antidepressiva Psychische Erkrankungen repräsentieren einen bedeu-tenden – und wachsenden – Anteil der weltweiten Krankheitsfälle. Die Punktprävalenz der arbeitstäti-gen Bevölkerung, zu einem Zeitpunkt an einer psychi-schen Erkrankung zu leiden, beträgt 20%. Allein für die Depression beträgt die 12-Monats-Prävalenz der Bevölkerung in Europa 7,9%. In den 33 OECD-Län-dern nimmt der Bedarf an Antidepressiva zu. Gleich-zeitig sinken hier die Suizidraten, was der Entstigma-tisierung psychischer Erkrankungen, einer besseren Versorgungsdichte und einer erhöhten Aufmerksam-keit auf affektive Erkrankungen zugeschrieben wird [5]. Gemäss WHO leiden weltweit ca. 350 Millionen Menschen an einer Depression, an Suizid sterben über 800 000 Menschen pro Jahr. Sozioökonomische Folge-kosten depressiver Erkrankungen sind immens: In den USA wurden diese für das Jahr 2015 auf 210 Milliar-den beziffert [6]. Die leitliniengerechte Behandlung einer Depression kann in Behandlungsempfehlun-gen nationaler Fachgesellschaften nachgelesen wer-den. Sie richtet sich nach dem jeweiligen Schweregrad der Erkrankung (leicht, mittelschwer, schwer), den Begleitsymptomen und der individuellen Krankheits-anamnese [7–10].

Zur Quantifizierung der Krankheitsschwere kön-nen Scores wie Hamilton oder Beck-Depression-Inventory herangezogen werden [11,12]. Schwere Depressionen, die einen völligen Funktionsverlust im Alltag bedingen oder von Suizidalität geprägt sind, sollten stationär behandelt werden.

Für Antidepressiva gilt: Je schwerer die Depres-sion, desto wahrscheinlicher ist der Nutzen einer Pharmakotherapie. Sehr vereinfacht könnte man sagen: Eine leichte Depression sollte nicht, eine mit-telschwere kann und eine schwere Depression sollte unbedingt pharmakologisch behandelt werden. Dabei ist die Pharmakotherapie immer Teil eines langfristig ausgelegten klinischen Gesamtkonzepts, das biografi-sche, soziale, somatische und psychische Hintergründe berücksichtigt. Eine erfolgreiche Depressionsbehand-

lung ruht auf drei Säulen: Psychotherapie, Pharmako-therapie sowie supportive Massnahmen (Abb. 1). Zu letzteren zählen unter anderem Bewegung, Lichtthe-rapie, ggf. Stimulations- oder Entspannungstechniken. Eine Elektrokrampftherapie (EKT) kann bei schwe-rer Krankheitsausprägung eingesetzt werden. Die-ses Konzept ist dem Patienten zu vermitteln. Für eine optimale Compliance bei der Pharmakotherapie sollte darauf hingewiesen werden, dass viele unerwünschte Wirkungen (UAW) wie z.B. Kopfweh, Übelkeit oder Schwindel unter Antidepressiva meist unmittelbar nach Behandlungsbeginn auftreten, in der Regel rasch remittieren, die erwünschten Wirkungen aber erst ca. 14 Tage nach Behandlungsbeginn auftreten.

Eingesetzte Antidepressiva umfassen als wich-tigste Vertreter die selektiven Serotonin-Wieder-aufnahmehemmer (SSRI), die potenteren selektiven Serotonin- /Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI), die trizyklischen Antidepressiva, Reboxetin als selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI), Moclobemid als reversibler MAO-A-Inhibi-tor (RIMA), Bupropion als selektiver Noradrenalin-/Dopamin-Wiederaufnahmehemmer (SNDRI) sowie Agomelatin, ein Melatonin-1/2-Rezeptor-Agonist sowie 5-HT-2C-Antagonist. Neu ist Vortioxetin hin-zugekommen, das vornehmlich über eine Hemmung des Serotonin(5 HT)-Transporters wirkt. Des Wei-teren stehen uns die Zweitgenerationsantidepressiva Mianserin und Trazodon zur Verfügung. Ketamin als NMDA-Antagonist wird «off label» zur Akutbehand-lung von schweren Depressionen eingesetzt.

Die Auswahl des Antidepressivums geschieht nach der individuellen Patientenanamnese, den jewei-ligen Begleitsymptomen der Depression und der ärzt-lichen Erfahrung. Hilfreich hierbei kann die genaue Kenntnis des Wirkmechanismus der jeweiligen Subs-tanz sein: Je nach adressiertem System kann das Wirk-spektrum des Medikaments abgeschätzt und mögli-che unerwünschte Wirkungen können vorhergesehen werden (Abb. 2). Beispielsweise wird einem depres-siven Patienten mit Schlafstörungen eher Trazodon, Amitriptylin oder Mirtazapin als gleichzeitig schlafan-stossende Medikation verordnet werden, adipösen Patienten wird man eher kein Mirtazapin geben, da

Abb. 1: Schematische Behandlung einer Depression oder Angsterkrankung

Depression/Angst erkrankung

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hierunter signifikante Gewichtszunahmen häufig vor-kommen und für einen älteren Patienten wird man eher kein anticholinerg wirkendes Trizyklikum aus-suchen.

Ist eine Antidepressivagabe sinnvoll? Trotz hoher Verschreibungshäufigkeit und langjähri-ger klinischer Erfahrung ihrer Wirksamkeit wird die Verwendung von Antidepressiva immer wieder hin-terfragt. Kritische Stimmen, welche die Wirksamkeit von Antidepressiva gänzlich infrage stellten und auf methodologische Fehler in der Studiendurchführung zurückführten, wurden vor ca. zehn Jahren laut [13].

Eine neue Metaanalyse zur Wirksamkeit von 21 Antidepressiva, die 116 477 depressive Patienten in 522 klinischen Studien überschaut, konnte zeigen, dass eine antidepressive Behandlung der Placebowirkung klar überlegen ist. Primäre Endpunkte waren hier die «efficacy» (Ansprechraten von Patienten mit >50% Reduktion auf einer Depressionsskala) und «accep-tability» (gemessen an dem Anteil der Patienten, die die Behandlung abbrachen). Sekundäre Endpunkte waren der Depressionsscore nach Behandlung, die Remissionsrate sowie das Dropout wegen UAW. Die Metaanalyse berücksichtigt auch zahlreiche Einzelver-gleiche aktiver Substanzen untereinander. Bezüglich «efficacy» zeigte sich vor allem Amitriptylin mit einer OR von 2,13 (95%-KI 1,89–2,41) vs. Placebo wirksam, gefolgt von Mirtazapin und SNRI. In Einzelverglei-chen waren Agomelatin, Amitriptylin, Escitalopram, Mirtazapin, Paroxetin, Venlafaxin und Vortioxetin effektiver als andere Antidepressiva (ORs 1,19–1,96).

Bezüglich Akzeptabilität waren nicht überraschend Agomelatin, Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Sertralin und Vortioxetin anderen Substanzen über-legen. Trizyklika zeigten die höchsten Behandlungs-Abbruchraten [14].

Antidepressiva in der Schmerztherapie Auch in der somatischen Medizin haben Psychophar-maka einen festen Platz. Neuropathischer Schmerz betrifft ca. 8% der Bevölkerung. Die Behandlung ist häufig anspruchsvoll, geschieht multimodal und inter-disziplinär. Dabei kommen therapeutische, pharma-kologische und interventionelle Techniken zum Ein-satz. Pharmakologische Firstline-Substanzen für die Behandlung des neuropathischen Schmerzes sind Antidepressiva und Antiepileptika. So sind in der Schweiz auch die trizyklischen Antidepressiva Amitri-ptylin, Clomipramin, Imipramin und Trimipramin für die Indikation «chronische Schmerzzustände» zuge-lassen. Pathophysiologisch macht dies Sinn, da diese Substanzen in der Top-Down-Modulation deszendie-render Efferenzen die spinale Aktivität und so die Schmerzverarbeitung beeinflussen können [15]. So ist Amitriptylin diejenige Substanz, welche die niedrigste Number Needed to Treat (NNT) beim peripheren neuropathischen Schmerz hat, dies noch vor Antie-pileptika, Opioiden und Gabapentin [16]. Des Weite-ren gibt es eine grosse Schnittmenge zwischen Depres-sion und Schmerz: So wird bei 25% aller Patienten mit chronischem Schmerz eine Depression diagnostiziert und Schmerzsyndrome kommen umgekehrt bei >50% der depressiven Patienten vor. Die Gabe von Anti-

Abb. 2: Wirkmechanismen und UAW von Antidepressiva

Gewichtszunahme,Sedation

H1-Antagonismus

Psychomotorische Aktivierung, Psychose, Abusus

Sexuelle Dysfunktion, ZNS-Stimulation

5-HT2-AgonismusNausea

5-HT3-Agonismus

5-HT-Reuptake-Inhibition

Gastrointestinale UAW,

ZNS-StimulationNoradrenalin-Reuptake-

Inhibition

Trockener Mund, Harnretention, ZNS-Stimulation, Tremor,

kardiovaskuläre UAW

Zentraler α2-Antagonismus

Hypotension, Schwindel,Tachykardie

α1-Antagonismus

Priapismus

Ach- Antagonismus

Sehstörung,Gedächtnisstörung,

trockener Mund,Sinustachykardie,

Harnretention,Obstipation

Dopamin-Reuptake-Inhibition

Antidepressivum

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Pier

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Raus aus der DepressionFinden Sie die Farben Ihrer Emotionen wieder

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VALDOXAN® 25 mg Z: Agomelatin 25 mg, Hilfsstoffe u. a. Laktose. I: Behandlung von depressiven Episoden Erwachsener gemäss ICD-10 (bzw. „Major Depression“ gemäss DSM IV) und anschliessende Erhaltungstherapie über 6-12 Monate bei den Patienten, deren depressive Symptomatik auf Agomelatin in der Akutbehandlung gut angesprochen hat. P: 25 mg 1x täglich am Abend. Möglichkeit, die Dosis auf 50 mg einmal täglich am Abend nach zweiwöchiger Behandlung zu erhöhen. Bei allen Patienten sollen Leberfunktionstests durchgeführt werden: eine Referenzblutentnahme vor der ersten Einnahme und Kontrollen in 14-tägigen bis monatlichen Intervallen in den ersten 6 Monaten nach Therapiebeginn sowie danach, wenn klinisch indiziert. Die Behandlung darf nicht begonnen werden, wenn die Transaminasenwerte das 3-Fache des oberen Normbereichs überschreiten und soll abgebrochen werden, wenn der Anstieg der Transaminasen das 3-Fache des oberen Normbereichs überschreitet. Nach einer Dosissteigerung sollten Leberfunktionstests erneut in derselben Häufigkeit wie zu Beginn der Behandlung durchgeführt werden. Eine Entscheidung für eine Dosissteigerung muss gegen das höhere Risiko eines Anstiegs der Transaminasenwerte abgewogen werden. Jede Dosissteigerung auf 50 mg sollte auf einer individuellen Nutzen/Risiko-Abwägung für den Patienten beruhen und die Vorgaben zur Kontrolle der Leberfunktion sollten strikt gefolgt werden. KI: Überempfindlichkeit gegen Agomelatin oder einen der sonstigen Bestandteile. Eingeschränkte Leberfunktion (d.h. Leberzirrhose oder aktive Lebererkrankung) oder Transaminasenerhöhung um mehr als das 3-fache der oberen Normgrenze, gleichzeitige Anwendung von starken CYP1A2-Inhibitoren (z.B. Fluvoxamin, Ciprofloxacin). VM: Fälle von Leberschädigung sind bei Patienten, die mit Valdoxan behandelt wurden, einschliesslich Leberinsuffizienz (bei Patienten mit Risikofaktoren für eine Leberschädigung in wenigen Ausnahmefällen mit tödlichem Ausgang oder Lebertransplantation), erhöhte Leberenzymwerte um mehr als das 10-fache des oberen Normbereichs, Hepatitis und Ikterus berichtet worden. Kontrolle der Leberfunktion: Vor Beginn der Behandlung: Valdoxan soll bei Patienten mit Risikofaktoren für eine Leberschädigung, wie z.B. Fettleibigkeit, Übergewicht, nicht-alkoholisch bedingte Fettleber, Diabetes, Alkoholmissbrauch und/oder Konsum beträchtlicher Mengen an Alkohol oder gleichzeitige Behandlung mit Arzneimitteln, die zu einer Leberschädigung führen können, nur nach sorgfältiger Abwägung von Nutzen und Risiko angewendet werden. Vor Behandlungsbeginn sollen bei allen Patienten Transaminasenkontrollen durchgeführt werden. Die Behandlung darf bei Ausgangswerten von ALT und/oder AST > 3-fach höher als der obere Normbereich nicht initiiert werden. Vorsicht ist geboten bei der Anwendung von Valdoxan bei Patienten, die bereits vor der Behandlung erhöhte Transaminasenwerte aufweisen (>als der obere Normbereich und ≤ 3-fach höher als der obere Normbereich). Häufigkeit der Leberfunktionstests: Leberfunktionstests sollen bei allen Patienten durchgeführt werden. Bei jedem Patienten, bei dem erhöhte Transaminasenwerte auftreten, sollten diese Leberwertkontrollen innerhalb von 48 Stunden wiederholt werden. Während der Behandlung: Valdoxan ist sofort abzusetzen, wenn Symptome oder Anzeichen einer möglichen Leberschädigung auftreten oder wenn Transaminasenwerte über das 3-Fache des oberen Normbereiches ansteigen. Nach dem Absetzen von Valdoxan sollten Leberfunktionstests so lange wiederholt werden, bis die Transaminasenwerte wieder den Normbereich erreicht haben. Patienten unter 18 Jahren: soll nicht eingesetzt werden. Ältere Patienten ≥ 75 Jahre: sollte nicht angewendet werden. Ältere Patienten mit Demenz: soll nicht eingesetzt werden. Bipolare Störung/Manie/Hypomanie: mit Vorsicht einsetzen und abbrechen beim Auftreten manischer Symptome. Suizid/Suizidgedanken: Patienten besonders engmaschig überwachen. Gleichzeitige Anwendung mit starken CYP1A2-Inhibitoren ist kontraindiziert. Hilfsstoffe: enthält Laktose. IA: Kontraindiziert: starker CYP1A2-Inhibitor. Nicht empfohlen: moderater CYP1A2-Inhibitor, Alkohol. Fertilität, Schwangerschaft und Stillzeit: Eine Anwendung in der Schwangerschaft wird nicht empfohlen. Wenn eine Behandlung mit Agomelatin als notwendig angesehen wird, sollte abgestillt werden. Fahrtüchtigkeit und Bedienen von Maschinen: Hinweis auf mögliches Auftreten von Schwindelgefühl und Schläfrigkeit. UAW: Sehr häufig: Kopfschmerzen. Häufig: Angst, ungewöhnliche Träume, Schwindel, Schläfrigkeit, Schlaflosigkeit, Übelkeit, Diarrhoe, Obstipation, Bauchschmerzen, Erbrechen, erhöhte AST und/oder ALT, Rückenschmerzen, Müdigkeit, Gewichtszunahme. Gelegentlich: Suizidgedanken oder suizidales Verhalten, Agitiertheit und damit verbundene Symptome (wie Gereiztheit und Unruhe), Aggression, Alpträume, Verwirrtheit, Manie/Hypomanie, Migräne, Parästhesie, Restless leg Syndrom, verschwommenes Sehen, Tinnitus, erhöhte γ-GT), vermehrtes Schwitzen, Ekzem, Pruritus, Urtikaria, Gewichtsabnahme. Selten: Halluzinationen, Akathisie, Hepatitis, erhöhte alkalische Phosphatase, Leberinsuffizienz, Ikterus, erythematöser Ausschlag, Gesichtsödem, Angioödem, Harnretention. Eigenschaften/Wirkungen: Agomelatin ist ein melatonerger (MT1- und MT2-Rezeptoren) Agonist und 5-HT2C-Antagonist. Agomelatin resynchronisiert circadiane Rhythmen in Tiermodellen. Agomelatin erhöht die Freisetzung von Noradrenalin und Dopamin speziell im frontalen Cortex und hat keinen Einfluss auf den extrazellulären Serotoninspiegel. P: Packung mit 28 und 98 Tab., kassenzulässig, [B]. Stand der Information: Juli 2017. Die vollständige Fachinformation ist auf www.swissmedicinfo.ch publiziert. Servier (Suisse) S.A., Rue de la Bergère 10, Case Postale 380, 1217 Meyrin 1.

1 Tablette abends

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depressiva in der multimodalen Schmerztherapie ist daher sinnvoll und bestens etabliert.

Anxiolytika und Sedativa Als Sedativa werden Substanzen verschiedener Grup-pen eingesetzt. Hierzu zählen klassischerweise Ben-zodiazepine, Narkotika und Barbiturate, aber auch Antipsychotika, sedierende Antidepressiva, Opioide, Antihistaminika, Clonidin und pflanzliche Wirkstoffe. Je nach klinischem Kontext können diese Substanzen sinnvoll eingesetzt werden, solange potenziell gefährli-che unerwünschte Arzneimittelwirkungen oder Inter-aktionen sowie eine mögliche Abhängigkeitsentwick-lung bedacht werden. Rational eingesetzt werden Benzodiazepine punktuell bei Angst- und Panikstörun-gen oder bei akutem Thoraxschmerz. Benzodiazepine wirken anxiolytisch, erhöhen GABA-Konzentratio-nen im ZNS, senken periphere Katecholaminplasma-spiegel, verursachen eine akute koronare Vasodilata-tion und wirken prophylaktisch gegen Arrhythmien. So sind sie auch pathophysiologisch sinnvoll in der Akutbehandlung eines Myokardinfarkts einzusetzen. Nicht sinnvoll erscheint eine Langzeitanwendung wie z.B. bei chronischen Schlafstörungen.

Psychostimulanzien und Neuroenhancer Die Anwendung von Psychostimulanzien, vor allem Methylphenidat, aber auch Lisdexamphetamin, ist verbreitet und steigend. An ADHS leiden 3–5% der Schweizer Kinder und Jugendlichen. Davon wird ein Viertel mit Methylphenidat behandelt. Doch der Arzt wird nicht nur wegen medizinischer Indikationen kon-sultiert, sondern auch, weil Patienten sich zunehmend den hohen Anforderungen ihres Arbeitsumfelds nicht mehr gewachsen sehen. Ungefähr 4% der Erwerbstäti-gen oder der sich in Ausbildung befindlichen Personen in der Schweiz haben schon einmal ohne medizinische Indikation verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Stimmungsaufhellung oder zur kognitiven Leistungs-steigerung (Neuroenhancement) eingenommen. Bei Studierenden haben schon 7,6% leistungssteigernde verschreibungspflichtige Medikamente eingenommen, davon Methylphenidat bei 4,1% der Befragten. Ob die Einnahme leistungssteigernder Substanzen nun sinn-voll ist oder nicht: Als Verschreibender wird man mit diesen Anfragen zunehmend konfrontiert [17,18].

Antipsychotika Die Wirkungen von Antipsychotika umfassen anti-psychotische, sedierende, extrapyramidal-motorische, endokrine, kardiale und metabolische Eigenschaften. Zwischen den einzelnen Substanzen bestehen ver-schiedene Rezeptoraffinitäten, welche das erwünschte und unerwünschte Wirkprofil bestimmen. Zu den Indi-kationen zählen die Schizophrenie und manische Psy-chosen, zudem werden die Substanzen bei psycho-motorischen Erregungszuständen, in der Anästhesie und als Antiemetika eingesetzt. Die Pharmakothe-rapie bildet den Eckpfeiler der Akut- und Langzeit-therapie schizophrener Erkrankungen. Sie führt bei 17–78% der ersterkrankten Patienten zu Remission. Bei Rezidiven sprechen je nach Studie noch zwischen 16% und 62% der Betroffenen an, jedoch werden zum

Erreichen einer Remission höhere Dosen benötigt und die Remission wird erst nach längerer Zeit erreicht. Die Komplexität der Behandlung von Patienten mit schizophrenen Erkrankungen hat stark zugenommen. Applikationsform, Dosis und auch Kombinations-thera pien richten sich nach dem Krankheitsstadium (Erstpsychose, Rückfall), der Krankheitsschwere und der Symptomausprägung (Positiv-/Negativsymptoma-tik) sowie den UAW. Im akuten Stadium ist oft eine Kombinationstherapie mit Benzodiazepinen indiziert. Eine leitliniengerechte Therapie liegt in der Regel in den Händen des Psychiaters und kann bei den Fachge-sellschaften nachgelesen werden (z.B. SGPP, DGPPN, WFSBP). Der Hausarzt ist zumeist eng in die Beglei-tung des Patienten unter antipsychotischer Therapie eingebunden, zeigt diese potente Substanzgruppe doch zahlreiche, oft schwere potenzielle UAW, nach denen engmaschig gefahndet werden sollte, da diese nicht immer offensichtlich sind (Abb. 3).

Sonderfall: Antipsychotische Therapie bei geriatrischen Patienten In der geriatrischen Pharmakotherapie werden Anti-psychotika häufig zur Sedation oder gar als Schlafme-dikation eingesetzt. Über 60% der Demenzpatienten erhalten in Pflegeheimen mindestens ein Psychophar-makon, vornehmlich Antipsychotika. Dabei entstan-den Hinweise auf eine erhöhte Morbidität und Morta-lität durch unter anderem kardiovaskuläre Ereignisse, Stürze, Pneumonien, ischämischen Insult. Das Mor-talitätsrisiko ist in dieser Patientenpopulation um den Faktor 1,5 bis 1,7 erhöht, was bei der FDA zu einer «Black Box Warning» führte. Die Indikation «Demenz» wurde für Antipsychotika gestrichen. Nut-zen und Risiken einer Antipsychotika-Verordnung sind im höheren Lebensalter besonders sorgfältig zu prüfen [19–21].

Abb. 3: UAW bei Neuroleptika gleichen einem Eisberg – manche sind leicht ersichtlich, nach vielen muss gezielt gefahndet werden

GewichtszunahmeSedationEPMSGynäkomastie

DiabetesQT-VerlängerungDepressionSpätdyskinesienMalignes neuroleptisches Syndrom

Sexuelle Störungen

Abbi

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g: F

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Dr. med. Antje HeckFachärztin für klinische Pharmakologie und ToxikologieFMH Fachärztin für Anästhesie FMH Leiterin Spezialsprechstunde Medikamente in Schwangerschaft und Stillzeit Qualitätszentrum für Medikamentensicherheit undDiagnostik mediQPsychiatrische Dienste Aargau Zürcherstrasse 2415210 [email protected]

Literatur:1. Interpharma: Pharma-Markt Schweiz. Verband der for-

schenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz. Basel 2018.

2. Schwabe U, et al. (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2017. Springer 2017.

3. Rudisch B, Nemeroff C: Epidemiology of comorbid coro-nary artery disease and depression. Biol Psychiatry 2003 Aug 1; 54(3): 227–240.

4. McDonald WM, et al.: Prevalence, etiology, and treat-ment of depression in Parkinson’s disease. Biol Psychiatry 2003 Aug 1; 54(3): 363–375.

5. OECD: Health at a Glance 2017: OECD Indicators. OECD Publishing 2017.

6. WHO: Preventing suicide: A global imperative. WHO 2014.7. Holsboer-Trachsler E, et al.: Die somatische Behandlung

der unipolaren depressiven Störungen: Update 2016. Swiss Medical Forum 2016; 16(35): 716–724.

8. NICE-Guidelines: Depression in adults: recognition and management. April 2018

9. Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN): S3-Leitlinie/Nationale Versor-gungsleitlinie: Unipolare Depression. 2017.

10. American Psychiatric Association: Practice Guideline for the Treatment of Patients With Major Depressive Disorder. 3. Aufl. 2010.

11. Hamilton M: A rating scale for depression. J Neurol Neuro-surg Psychiatry 1960; 23: 56–62.

12. Beck AT, Ward CH, Mendelson M: An inventory for measu-ring depression. Arch Gen Psychiatry 1961; 4: 561–571.

13. Ioannidis JP: Effectiveness of antidepressants: an evi-dence myth constructed from a thousand randomized trials? Philos Ethics Humanit Med 2008 May 27; 3: 14.

14. Cipriani A, et al.: Comparative efficacy and acceptability of 21 antidepressant drugs for the acute treatment of adults with major depressive disorder: a systematic review and network meta-analysis. Lancet 2018 Apr 7; 391(10128): 1357–1366.

15. Gilron I, et al.: Combination pharmacotherapy for manage-ment of chronic pain: from bench to bedside. Lancet Neu-rol 2013 Nov; 12(11): 1084–1095.

16. Finnerup NB, et al.: Algorithm for neuropathic pain treat-ment: an evidence based proposal. Pain 2005 Dec 5; 118(3): 289–305.

17. BAG: Leistungssteigernde Arzneimittel im Rahmen von Neuroenhancement sowie zur Thematik der therapeu-tischen Anwendung von methylphenidathaltigen Arznei-mitteln. 2014.

18. Eckhard A: Leistungssteigernde Medikamente, Bedeu-tung, Anwendung und Auswirkungen. Expertenbericht zuhanden des BAG. 20. Mai 2014.

19. Steinberg M, Lyketsos CG: Atypical Antipsychotic use in patients with dementia: Managing safety concerns. Am J Psychiatry 2012 Sep; 169(9): 900–906.

20. Danielsson B, et al.: Antidepressants and antipsychotics classified with torsades de pointes arrhythmia risk and mortality in older adults – a Swedish nationwide study. Br J Clin Pharmacol 2016 Apr; 81(4): 773–783.

21. Gerhard T, et al.: Comparative mortality risks of antipsy-chotic medications in community-dwelling older adults. Br J Psychiatry 2014 Jul; 205(1): 44–51.

Information, Abstracts & Registrierungwww.reha-schweiz.ch

CreditsChiroSuisse: 12 physioswiss: 11 SGPMR/SSMPR: 11SGR/SSR: 14

2018reha schweiz kongress

25. – 26. Oktober 2018Schulthess Klinik Zürich

SAVETHE DATE

REHA-Schweiz_Inserat_2018_210x74_quer.indd 1 18.04.18 11:12

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5. SEB SymposiumBurnout 4.0: Gesund bleiben und gesund werden in turbulenten ZeitenZentrum Paul Klee, BernDonnerstag, 8. November 2018, 9.00 bis 17.15 Uhr

Keynote Speakers:• Prof. Dr. med. Jaques Besson UniversitédeLausanne

• Dr. med. Dieter Kissling InstitutfürArbeitsmedizinBaden

Anmeldung und weitere Informationen:www.burnoutexperts.ch

• Dr. phil. Beate Schulze SchulzeResourceConsulting,Genf

• Prof. Dr. phil. François Gauthier UniversitédeFribourg

Workshop-Leiterinnen und Leiter:• Dr. sc. Ariane Orosz UniversitätBernund SanatoriumKilchberg

• Erich Scheibli SWICAGesundheitsorganisation

• MSc. OE Marianne von Dach PrivatklinikMeiringen

• Vincent Guex HRNestlé,ITDivision

• Ph. D. Frederic Meuwly ManagingDirector,actitudescoaching

• Dr. SocSci. Yves Givel VicePresidentHumanResources– EAME/SWA,HyattHotelsCorporation

• Ph. D. Kailla Apazouglo Dpt.desNeurosciencesFondamentales, UniversitédeGenève

• Béatrice Weber psychologuespécialisteenpsychothérapie reconnueauniveaufédéral(HUGEGèneve)

• Dr. med. Barbara Hochstrasser M.P.H. PrivatklinikMeiringen

Swiss Expert Network on BurnoutGruppo Svizzero di Esperti sul BurnoutRéseau Suisse d‘Experts sur le BurnoutSchweizer Expertennetzwerk für Burnout

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Credits auf

Einloggen, Fragen beantworten und direkt zum Zertifikat gelangen

― Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Störungen. ― Psychotherapeutisch bestehen verschiedene, empirisch gut belegte spezifische Behandlungsmöglichkeiten wie die kognitive Verhaltens­therapie und die psychodynamische Psychotherapie.

― Die Konfrontation mit gefürchteten und gemiedenen Situationen stellt das gemeinsame Kernelement der verschiedenen Therapieformen dar.

― Vermeidungsverhalten führt zu deutlicher Beeinträchtigung der Betrof-fenen sowie zur Aufrechterhaltung der Angststörung.

― Bei ungenügendem Ansprechen auf eine Psychotherapie kommen zusätzlich pharmakotherapeutische Optionen infrage.

― Les troubles anxieux font partie des troubles psychiques les plus fréquents.

― Il existe diverses possibilités de traitement psychothérapeutique spécifiques, empiriquement bien établies, telles que la thérapie cognitivo-comportementale et la psychothérapie psychodynamique.

― La confrontation à des situations redoutées ou évitées est l’élément central des diverses formes de thérapie.

― Les attitudes d’évitement conduisent à un handicap important des patients ainsi qu’à une persistance du trouble anxieux.

― Des options pharmacothérapeutiques peuvent être envisagées en cas de réponse insuffisante à une psychothérapie

Phobien – wie behandeln?Phobies – comment traiter?

Psychotherapeutische Ansätze bei Angststörungen Approches psychothérapeutiques dans les troubles anxieuxMarkus Ernst1,3, Josef Hättenschwiler1, Jutta Ernst2, Patricia Waldvogel1, Jiri Modestin1, Zürich

■■ Angststörungen gehören zu den häufigsten psychi-schen Erkrankungen. Etwa 15–20% der Menschen leiden irgendwann in ihrem Leben unter einer Angst-störung. In der Allgemeinpraxis sind mehr als 10% der Patienten davon betroffen. Weniger als 50% der Fälle werden diagnostiziert (Screening-Fragen im Kasten) und nur ein kleiner Teil wird behandelt. Demgegen-über steht die Tatsache, dass Angststörungen, v.a. wenn sie rechtzeitig diagnostiziert werden, tendenziell gut und effektiv behandelbar sind.

In der Behandlung von Angststörungen stellt die Psychotherapie ein zentrales Element dar. Resul-tate der Psychotherapieforschung deuten darauf hin, dass eine störungsspezifische Behandlung zu besseren Ergebnissen führt als eine unspezifische Therapie [1]. Die Kombination mit einer antidepressiven Pharma-kotherapie, welche angstlösend wirkt, dürfte in vielen Fällen sinnvoll sein. Mittlerweile ist eine Vielzahl von störungsspezifischen psychotherapeutischen Ansätzen entwickelt, manualisiert und empirisch überprüft wor-den. Auffallend ist, dass die spezifischen Ansätze der verschiedenen Therapieschulen ähnliche Vorgehens-weisen haben, wobei als gemeinsames Kernelement die Konfrontation mit der angstauslösenden Situation hervorzuheben ist [2]. Die Effektivität dieser Methode wurde nicht erst durch die Verhaltensforscher (Beha-vioristen), sondern bereits 1919 von Sigmund Freud erkannt [3]. Im vorliegenden Artikel werden die wich-tigsten drei Angststörungen nach ICD-10 (Tab. 1) und ihre psychotherapeutischen Behandlungsmöglichkei-ten dargelegt.

Panikstörung und Agoraphobie Bei der Panikstörung (ICD-10: F 41.0) leiden die Betroffenen unter plötzlich auftretenden, heftigen Angstanfällen mit körperlichen Symptomen der Angst (Herzrasen, Schwitzen, Zittern, Atemnot etc.) in Ver-bindung mit der Befürchtung, die Kontrolle zu verlie-ren, «wahnsinnig» oder ohnmächtig zu werden oder zu sterben. Bei der reinen Panikstörung ohne Ago-

1 Zentrum für Angst- und Depressionsbehandlung Zürich2 UniversitätsSpital Zürich3 Universität Zürich

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raphobie treten die Panikattacken plötzlich und ohne Anlass auf. Meist ist die Panikstörung jedoch mit einer Agoraphobie (ICD-10: F 40.0) verbunden. Die Ago-raphobie kann ihrerseits mit oder ohne Panikattacken auftreten. Bei der Agoraphobie mit Panikstörung tritt zu den beschriebenen Panik attacken die Angst vor Orten hinzu, an denen im Falle einer Panikattacke eine Flucht schwer möglich oder Hilfe schwer zugäng-lich wäre. Im Verlauf kommt es zu einem Circulus viti-osus, bestehend aus Vermeidungsverhalten und Angst vor der Angst.Kognitive Verhaltenstherapie: Es wird angenommen, dass Panikattacken durch eine Fehlinterpretation im Grunde harmloser körperlicher Symptome entstehen. Daher sollen die Patienten lernen, körperliche Signale angemessen zu interpretieren, einzuordnen und ent-sprechend darauf zu reagieren. Neben der Vermittlung von Informationen über das Störungsbild (Psycho-edukation) auf der Grundlage psychophysiologischer Modelle (z.B. «Teufelskreismodell der Angst» oder «Stressmodell» zur Erklärung der Rolle der veränder-ten Wahrnehmungsschwelle körperlicher Symptome bei ständiger Angst) kommen Entspannungsverfah-ren, Stressmanagement-Training und Exposition zum Einsatz. Daneben spielt die Umstrukturierung angst-auslösender Gedanken eine wichtige Rolle.

Bei der Exposition wird zwischen der interozepti-ven Exposition und der Exposition in vivo unterschie-den. Bei der interozeptiven Exposition wird z.B. durch körperliche Betätigung die Herzfrequenz erhöht oder mittels Hyperventilation Schwindel erzeugt. Entschei-dend dabei ist, dass der Patient die Erfahrung macht, dass die resultierenden Körpersymptome ungefähr-lich sind und selbständig beeinflusst und herunterre-guliert werden können. Dies soll zu einer Löschung der konditionierten Angstreaktion führen. Liegt eine Agoraphobie vor, werden Expositionen in vivo durchgeführt, wobei die Patienten nach einer kogni-tiven Vorbereitung direkt mit der angstauslösenden Situation konfrontiert werden. Dies kann einerseits in Form einer sog. Überflutung («Flooding») gesche-hen, bei der der Patient bereits zu Beginn mit hoch

angstbesetzten Situationen konfrontiert wird, oder andererseits als gestufte Exposition, wobei mit ver-gleichsweise milden Konfrontationen begonnen und die Intensität schrittweise gesteigert wird [4].Psychodynamische Psychotherapie: In den letzten Jah-ren wurden auch in der psychodynamischen Therapie manualisierte Behandlungsansätze entwickelt, wie etwa die Panikfokussierte Psychodynamische Psycho-therapie (PFPP) zur Behandlung von Panik störung und Agoraphobie [5]. Die dazugehörige psycho-dyna mische Theorie postuliert, dass Paniksymptome eine spezifische emotionale Bedeutung haben, die in Zusammenhang mit intrapsychischen und interperso-nellen Konflikten steht. Der Theorie zufolge dauern die Angstsymptome so lange an, bis der Patient die Bedeutung der Panik und die dazugehörigen Konflikte tolerieren kann.

Die PFPP gliedert sich in drei Phasen: Die erste Phase widmet sich der aktiven Exploration der Umstände, welche dem Beginn der Panikstörung vor-ausgegangen sind, der Gedanken und Gefühle des Patienten während der Panikattacken und der (unbe-wussten) Bedeutung der Symptome. In der zweiten Phase wird versucht, die emotional bedeutsamen The-men aufzugreifen, die in der Genese der Panikepi-soden eine Rolle spielen, und deren psychodynami-sche Zusammenhänge zu analysieren, etwa Konflikte des Patienten, die mit Trennung oder Ausdruck von Ärger in Verbindung stehen. Da sich konflikthafte Erwartungen des Patienten auch in der Beziehung zum Therapeuten manifestieren, kommt der Arbeit an dysfunktionalen Mustern in der Übertragung eine besondere Bedeutung zu. Dies hilft dem Patienten zu erkennen, dass die Furcht vor einer aufkommenden Katastrophe Ausdruck eines inneren Konfliktes ist, welcher seine Wurzeln in früheren, prägenden Bezie-hungen hat und nicht die aktuelle Realität widerspie-gelt. Ziel dieser Behandlungsphase ist die Reduktion der Vulnerabilität gegenüber Panik attacken durch das Bewusstmachen des unbewussten emotionalen und interaktionellen Stils, der für den Patienten charakte-ristisch ist. In der dritten Behandlungsphase kommt es darauf an, rechtzeitig auf das Ende der Behandlung zu fokussieren, da Patienten mit Panikstörungen häufig erhebliche Schwierigkeiten mit Trennung und Unab-hängigkeit haben. Die Wiederbelebung und Durch-arbeitung dieser Konflikte in der therapeutischen Beziehung ermöglicht es dem Patienten, die damit verbundenen Fantasien in Worte zu fassen und zu ver-stehen, wodurch Trennungen weniger angst besetzt werden.

Generalisierte Angststörung Patienten mit einer generalisierten Angststörung (ICD-10: F 41.1) leiden unter einer übersteigerten Ängstlichkeit und Besorgtheit, die sich auf allgemeine oder besondere Lebensumstände beziehen. Das Auf-treten dieser Angst ist im Gegensatz zur Panikstörung situativ nicht umschrieben oder anfallsartig, sondern sie ist in wechselnder Intensität fast ständig vorhan-den. Die Patienten werden z.B. durch die ständigen Sorgen gequält, dass ihnen etwas Schlimmes passie-ren könnte, z.B. dass ihnen Unfälle zustossen oder

Screening-Fragen bei Angst (SKID-I) – Hatten Sie jemals in Ihrem Leben einen Angstanfall,

bei dem Sie ganz plötzlich in panischen Schrecken gerieten oder starke Angst hatten?

– Hatten Sie jemals Angst, alleine das Haus zu verlas-sen, sich in einer Menschenmenge zu befinden, in einer Schlange anzustehen oder mit dem Zug oder Bus zu fahren?

– Hatten Sie schon einmal Angst davor oder war es Ihnen unangenehm, in Gegenwart anderer Menschen zu sprechen, zu essen oder zu schreiben?

– Gibt es noch andere Dinge, vor denen Sie besonders Angst haben, wie z.B. in einem Flugzeug zu sitzen, Blut zu sehen, sich in geschlossenen Räumen auf-zuhalten, vor bestimmten Tieren oder vor Höhen?

– Waren Sie in den letzten sechs Monaten besonders nervös oder ängstlich?

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sie erkranken könnten. Oft machen sich die Patienten auch Sorgen über ihre permanente Besorgtheit, wobei diese «Meta-Sorgen» sehr quälend sein können. Die permanente Anspannung führt zu Nervosität, Kon-zentrations- und Schlafstörungen sowie körperlichen Symptomen wie Zittern, Muskelspannung, Schwitzen, Benommenheit, Herzklopfen, Schwindelgefühlen, Verdauungsbeschwerden oder Durchfällen.Kognitive Verhaltenstherapie: Wie bei den ande-ren Angststörungen kommen in der kognitiv-verhal-tenstherapeutischen Behandlung der generalisier-ten Angststörung mehrere Elemente zum Einsatz [6]: Neben allgemeiner Informationsvermittlung werden In-sensu-Expositionen gegenüber befürchteten per-sönlichen Katastrophen und damit verbundenen Sor-gen durchgeführt («Sorgenkonfrontationen»). Bei Konfrontationen in vivo kommt es auf die Eliminie-rung unangemessenen Sicherheitsverhaltens an. Die-ses kann z.B. darin bestehen, die eigenen Kinder beim abendlichen Ausbleiben nicht übermässig oft anzuru-fen. Für die Patienten geht es darum, zu lernen, angst-besetzte Erfahrungen zu tolerieren anstatt zu ver-meiden. Der kognitive Therapieanteil umfasst eine Neubeurteilung unrealistischer Annahmen bezüg-lich des Nutzens und der Nachteile von Sorgen, fer-ner die Erarbeitung einer realistischen Einschätzung der Wahrscheinlichkeit, dass Probleme negative Fol-gen nach sich ziehen könnten. Dazu werden auch Ver-haltensexperimente durchgeführt, um Befürchtungen, denen mit Sicherheitsverhalten begegnet wird, syste-matisch in Bezug auf deren Realitätsgehalt zu über-prüfen. Daneben kommen Techniken zur Emoti-onsregulation wie etwa Entspannungsverfahren und Achtsamkeit zum Einsatz.Psychodynamische Psychotherapie: Die psychodyna-mischen Behandlungsmanuale für Patienten mit gene-ralisierter Angststörung bauen auf der von Luborsky [7] entwickelten supportiv-expressiven Therapie (SET) auf, welche sowohl stützende (supportive) als auch deutende (expressive) Interventionen umfasst. Dabei wird auf die zentralen Beziehungskonflikt-themen (ZBKT) des Patienten fokussiert. Gemeint sind damit konflikthafte Erlebens- und Verhaltens-muster, die sich in unterschiedlichen Beziehungen des Patienten wiederholen. Dabei wird angenommen, dass psychischen Symptomen ein sich in verschiede-nen Beziehungen wiederholender Konflikt zugrunde liegt. In der Behandlung wird wiederum besonderer Wert auf die Entwicklung der therapeutischen Bezie-hung gelegt. Es wird angenommen, dass sich das zent-rale Beziehungsmuster auch in dieser Beziehung mani-festiert, was ein gemeinsames Erkennen des Musters erleichtert [8]. Inhaltlich fokussiert die Behandlung also auf die sich wiederholenden interpersonellen Konflikte: in den aktuellen Beziehungen, in der Über-tragung auf den Therapeuten und in den früheren Beziehungen während Kindheit und Jugend.

Soziale Phobie Die soziale Phobie (ICD-10: F 40.1) oder soziale Angststörung nach DSM-5 ist eine der häufigsten Angststörungen. Dabei haben Betroffene Angst vor Situationen, in welchen sie im Mittelpunkt der Auf-

merksamkeit stehen (z.B. Sprechen in der Öffentlich-keit). Sie befürchten, sich peinlich oder ungeschickt zu verhalten und von anderen negativ bewertet zu wer-den. Es kommt i.d.R. zu einem Vermeidungsverhalten, das die Störung aufrechterhalten kann. Kognitive Verhaltenstherapie: Die Psychoeduka-tion im Rahmen der kognitiven Verhaltensthera-pie vermittelt Einsicht in den Zusammenhang zwi-schen unrealistischen Vorstellungen über soziale Standards, erhöhter Anspannung, dysfunktionalen Gedanken, Aufmerksamkeitsfokussierung nach innen und Vermeidungsverhalten. Im Rahmen der kogniti-ven Umstrukturierung werden übertriebene negative Selbsteinschätzungen mit der Realität abgeglichen. Auf der Basis der Annahme, dass die soziale Phobie durch Defizite in der Fähigkeit zu Kommunikation und Interaktion bedingt ist, kommt ein Training sozi-aler Kompetenzen zum Einsatz. Dabei soll der Patient bspw. in einem Rollenspiel vor anderen Gruppenteil-nehmern eine Rede halten, wobei ggf. ein Videofeed-back erfolgt. Zusätzlich werden Expositionsübungen oder Verhaltensexperimente eingesetzt. Der Patient soll sich z.B. bewusst in der Öffentlichkeit einer sub-jektiv besonders peinlichen Situation aussetzen und dabei die Reaktion der Umgebung beobachten [9]. Dadurch werden befürchtete Konsequenzen hinsicht-lich ihrer realen Bedrohlichkeit überprüft und dys-funktionales Sicherheitsverhalten abgebaut.Psychodynamische Psychotherapie: Zentral ist die Etablierung einer akzeptierenden, haltgebenden Beziehung zum Therapeuten, da sie die sichere Basis bietet, um Explorationsverhalten und Selbstexposition des Patienten zu ermöglichen. Auch hier wird der Pati-ent ermutigt, sich angstauslösenden sozialen Situatio-nen aktiv zu stellen und seine Erfahrungen mit dem Therapeuten zu besprechen. Dabei wird den sozialen Einschränkungen des Patienten aufgrund von man-gelnden Erfahrungen in sozialen Interaktionen Rech-nung getragen. Durch die unterstützende Haltung des Therapeuten können frühere Erfahrungen des Pati-enten, in Beziehungen zu wichtigen Bezugspersonen beschämt worden zu sein, korrigiert werden. Damit trägt die Beziehung zum Therapeuten zur Verbesse-rung von Selbstwertregulierung und Impulssteuerung bei. Die Behandlung konzentriert sich auf die Scham als Leitaffekt, konfrontiert den Patienten mit seinen überhöhten Selbstanforderungen und exploriert die impliziten Erwartungen, die von früheren Bezugsper-sonen an den Patienten gestellt wurden [10].

Tab. 1: Einteilung der Angststörungen (ICD-10)

Panikstörung F 41.0 Lebenszeitprävalenz 1,5–3,5%

Agoraphobie F 40.0 Lebenszeitprävalenz 3,5–7%

– ohne Panikstörung– mit Panikstörung

F 40.00F 40.01

Generalisierte Angststörung F 41.1 Lebenszeitprävalenz 11%

Soziale Phobie F 40.1 Lebenszeitprävalenz 13,3%

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ResümeeIn der Psychotherapie von Angststörungen stellt die Konfrontation mit der angstauslösenden Situation schulenübergreifend das gemeinsame Kernelement der Behandlung dar. Die kognitive Verhaltenstherapie ist in ihrer Wirksamkeit empirisch am besten belegt. Psychodynamische Psychotherapien sind insbesondere bei Unwirksamkeit der Verhaltenstherapie (bzw. bei einer entsprechenden Präferenz des Patienten) oder bei komorbiden Persönlichkeitsstörungen von Bedeu-tung.

Dr. med. Dipl.-Psych. Markus ErnstZentrum für Angst- und Depressionsbehandlung ZürichRiesbachstrasse 618008 Zü[email protected]

Literatur:1. Bandelow B, et al.: Deutsche S3-Leitlinie Behandlung von

Angststörungen. Stand 2014.2. Benecke C, Staats H: Psychoanalyse der Angststörungen.

Modelle und Therapien. Stuttgart: Kohlhammer 2017.3. Freud S: Wege der psychoanalytischen Therapie. In ebd.:

Werke aus den Jahren 1917–1920 (Serie: Gesammelte Werke, Band XII). Frankfurt a.M.: Fischer 1999: 181–194.

4. Schneider S, Margraf J: Agoraphobie und Panikstörung. Göttingen: Hogrefe 1989.

5. Milrod BL, et al.: Manual of panic-focused psychodyna-mic psychotherapy. Washington, DC: American Psychiatric Press 1997.

6. Becker E, Margraf J: Generalisierte Angststörung. Wein-heim: Beltz 2002.

7. Luborsky L: Einführung in die analytische Psychotherapie. Ein Lehrbuch. Göttingen: Vandenhoeck und Rupprecht 1995.

8. Crits-Christoph P, et al.: Brief supportive-expressive psycho dynamic therapy for generalized anxiety disorder. In Barber JP, Crits-Christoph P, Ed.: Dynamic Therapies für Psychiatric Disorders (Axis I). New York: BasicBooks 1995.

9. Stangier U, Heidenreich T, Peitz M: Soziale Phobien. Ein kongitiv-verhaltenstherapeutisches Behandlungsmanual. Weinheim: Beltz 2003.

10. Leichsenring F, Beutel M, Leibing E: Psychoanalytisch- orientierte Fokaltherapie der sozialen Phobie. Psycho-therapeut 2008; 53(3): 185–197.

Upd

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PÄDIATRIE29. – 31.10.2018, Zürich

24 Credits SGP

07. – 09.11.2018, Lausanne24 h

EKG BASISKURS29. – 30.10.2018, Zürich

14 Credits SGAIM / 14 h 1A Credits SGK

KARDIOLOGIE09. – 10.11.2018, Zürich

15 Credits SGAIM

DIABETES15. – 17.11.2018, Zürich

21 Credits SGAIM / 21 Credits SGED / 6 Credits SVDE

PSYCHIATRIE UNDPSYCHOTHERAPIE

15. – 17.11.2018, Lausanne21 Credits SGPP

GYNÄKOLOGIE13. – 14.11.2018, Lausanne

16 Credits SGGG

ONKOLOGIE / HÄMATOLOGIE16. – 17.11.2018, Zürich

16 Credits SGMO / 16 Credits SGH / 12 Credits SGAIM

PNEUMOLOGIE30.11. – 01.12.2018, Zürich

14 h

PSYCHOLOGIE04. – 07.12.2018, Zürich

28 h

PFLEGE13. – 15.12.2018, Zürich

21 h

CHIRURGIE17. – 18.01.2019, Zürich

16 h

INNERE MEDIZIN

04. – 08.12.2018, Zürich13. – 17.11.2018, Lausanne

40 h

ALLGEMEINE INNERE

MEDIZIN07. – 10.11.2018, Zürich

28.11. – 01.12.2018, Lausanne30.01. – 02.02.2019, Basel

06. – 09.03.2019, Genf32 h

VeranstaltungsorteTechnopark Zürich | Novotel Zürich City West | UniversitätsSpital Zürich | Congress Center Basel (Kurssprache: Deutsch)Centre de Congrès Beaulieu, Lausanne | Forum Genève (Kurssprache: Französisch)

Information / AnmeldungTel.: 041 567 29 80 | Fax: 041 567 29 81 | [email protected] | www.fomf.ch

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HAUSARZT PRAXIS 2018; Vol. 13, Nr. 9 CME-FORTBILDUNG

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Credits auf

Einloggen, Fragen beantworten und direkt zum Zertifikat gelangen

― Psychiatrisch-psychosomatische Störungsbilder sind in der Praxis sehr häufig und sollten immer in die Differenzialdiagnose einbezogen werden.

― Bei zahlreichen somatischen Abklärungen «ohne Befund» ist die Psycho-diagnostik anzustreben.

― Weiterbildungen im Bereich Kommunikation (z.B. motivierende Gesprächs führung, auch für Teams) können für alle medizinisch Tätigen im Alltag sehr nützlich sein.

― In Kliniken werden intensive und multidisziplinäre Behandlungen mit Schwerpunkt Psychotherapie angeboten; bei komplexen Fällen lohnt sich die direkte Kontaktaufnahme und Fallbesprechung (evtl. mit Vor-gespräch).

― Das gesundheits- und gesellschaftspolitische Vorgehen hinsichtlich psychischer Erkrankungen ist aktuell nicht einheitlich und erleichtert die Behandlung nicht gerade.

― Les manifestations psychiatriques-psychosomatiques sont très courantes dans la pratique et doivent toujours être associés au diagnostic différentiel.

― En cas de nombreuses évaluations «normales», il convient de passer au psychodiagnostic.

― Des formations continues dans le domaine de la communication (par exemple conduite d’entretien de motivation, également pour les équipes) peuvent être utiles pour toutes les activités médicales de routine.

― Les cliniques proposent des traitements intensifs et multidisciplinaires avec un accent mis sur la psychothérapie; dans les cas complexes, la prise de contact directe et la discussion de cas (éventuellement avec un pré-entretien) est utile.

― La politique sanitaire et sociale à l’égard des pathologies mentales, par son manque actuel d’uniformité, ne facilite pas le traitement, tant s’en faut.

PsychosomatikPsychosomatique

Die gesamte Medizin ist letztlich «psychosomatisch»Toute la médecine est finalement «psychosomatique»Iris Klausmann, Klaus Rink, Braunwald

■■ Psychosomatische Beschwerdebilder sind in der hausärztlichen Praxis ausgesprochen häufig und ver-ursachen oft hohen Behandlungsaufwand und chroni-sches Leiden.

Der Begriff «Psychosomatik» fokussiert auf den Umstand, dass bei fast allen psychischen Störungen (z.B. Angststörungen, Depressionen, somatoforme Störungen) zahlreiche psychovegetative Symptome vorhanden sind, die den Betroffenen zunächst ein pri-mär körperliches Leiden vermuten lassen. Auch resul-tieren aus psychischen Störungen Verhaltensmuster, die körperliche Folgekrankheiten begünstigen (z.B. bei Essstörungen, Suchtverhalten oder auch Malcom-pliance bei somatischen Komorbiditäten). Umgekehrt können im Verlauf primär körperliche Erkrankun-gen psychische Folgestörungen auslösen (z.B. Anpas-sungsstörungen bei Krebserkrankungen oder anderen chronischen, die Lebensqualität stark beeinträchtigen-den Leiden).

Verkomplizierend sind Persönlichkeitsmerkmale oder psychosoziale Umstände, welche die Bewälti-gungsfähigkeit einer Person in bestimmten Konstella-tionen so weit reduzieren, dass es zur Dekompensa-tion kommt.

Psychosomatik in Medizin und GesellschaftGrundsätzlich lässt sich feststellen, dass eigentlich die gesamte Medizin eine «psychosomatische» ist, nicht zu vergessen die sozialen, kulturellen und lebensge-schichtlichen Aspekte jeder Person. Wesentlich ist ebenfalls die Beobachtung, dass psychische Phäno-mene trotz aller Aufklärungskampagnen immer noch mit Stigmatisierung behaftet sind (sowohl gesellschaft-lich als auch intrapsychisch, d.h. subjektive Schuld- und Schamgefühle angesichts psychischer Proble-matiken) und deshalb in vielen Fällen nicht spontan berichtet werden. Auch fehlt primär das Wissen um psychovegetative Funktionskreise, so dass Patien-ten vielfach angstbesetzte körperliche Erkrankungen vermuten und psychologische Zusammenhänge für unwahrscheinlich halten.

Nicht immer einfach ist die klare ärztliche Ent-scheidung, wie viel somatisch-diagnostische Abklä-rung sinnvoll und zweckmässig ist.

Page 26: Ausgabe 9 · September 2018 ·

MP MEDICPCME-FORTBILDUNG

24

KommunikationEine sehr wesentliche Kompetenz im (haus-)ärztli-chen Handeln ist die Fähigkeit zur situationsgerechten Kommunikation. Ein hilfreiches, gut verständliches und erlernbares Konzept bietet beispielsweise die sog. «Motivierende Gesprächsführung» nach Miller und Rollnick. Diese basiert auf der Grundhaltung einer res-pektvollen, auf Augenhöhe angesiedelten, d.h. gleich-berechtigten Arzt-Patienten-Beziehung. Wesentlich dabei ist, als Arzt nicht zu schnell zu interpretieren und Lösungsansätze zu präsentieren, sondern sich (relativ gesehen) mehr Zeit für offenes Zuhören zu nehmen und die Motive, Ziele und eigenen Ressourcen des Patienten zu erfassen. Offene Fragen und wertfreies Kommentieren sind Elemente, die eine Gesprächsat-mosphäre entscheidend verändern können und im All-tag nachweisbar nicht mehr Zeit kosten. Ein Patient, der sich so vielleicht weniger gedrängt fühlt, fasst mehr Vertrauen, berichtet entscheidende Details und entwi-ckelt selbst Handlungsinitiative.

BehandlungsansätzePatienten, die sich schliesslich in «psychosomatische» Behandlung begeben, sind oft immer noch befangen, skeptisch und ängstlich-sorgenvoll angesichts des unge-wohnten psychotherapeutischen Ansatzes. Dieser bil-det im Kern den zentralen Behandlungsschwerpunkt: Wesentlich ist erneut das genaue Erfassen möglichst sämtlicher innerer und äusserer Bedingungsfaktoren, Belastungen und Ressourcen. Fachärztlich oder -psy-chologisch erfolgt zudem eine genaue diagnostische Einschätzung, da viele tief greifende psychische Stö-rungen (wie etwa auch Psychosen oder Demenzen) schleichend mit unspezifischen Symptomen beginnen und demzufolge genau evaluiert werden müssen. Zu Beginn einer Behandlung stehen der Vertrauensauf-bau und die Vermittlung eines verständlichen Stö-rungsmodells im Vordergrund. Der Patient wird ermu-tigt, Symptome, Verhalten und Bedingungsfaktoren zu beobachten, um sie dann schrittweise einordnen zu können. Ziel beispielsweise verhaltenstherapeuti-scher Ansätze ist, durch Situationsanalysen, in denen Gedanken, Gefühle, körperliche Symptome und Ver-haltensaspekte genau dargelegt werden, schliesslich eine schrittweise Modifikation von inneren Leitsät-zen, gedanklichen Bewertungen und nicht reflektier-ten Verhaltensweisen zu erreichen. Entstehen sollen dadurch ein grösserer Handlungsspielraum, ein dif-ferenzierteres Verhaltensrepertoire und mehr innere Freiheit – ein wesentlicher Pfeiler psychischer Stabi-lität.

Psychosomatische KlinikenPsychosomatische Kliniken bieten multimodale Behandlungskonzepte, die neben ärztlicher und psy-chologischer Psychotherapie viele bewegungs- und körperzentrierte Angebote enthalten. Als sehr wirk-sam empfunden werden von vielen Patienten gerade auch die kunsttherapeutischen Angebote, worun-ter u.a. Gestaltungs- und Maltherapie, Musikthera-pie sowie Bewegungs- und Tanztherapie verstanden werden. Künstlerischer, nicht primär sprachbasier-ter Ausdruck kann oft intensive emotionale Prozesse

an stossen und sehr wesentliche Impulse für die Psy-chotherapie geben. Kliniken bieten den entscheiden-den Vorteil einer abgestimmten Therapie im Team mit regelmässigem interdisziplinärem Austausch.

Ärztlich wird die Krankheitsgeschichte genau exploriert, notwendige weitere somatische Abklärun-gen werden organisiert. Psychiatrisch-psychologisch wird eine genaue Differenzialdiagnose der Psychopa-thologie ausgearbeitet, dann ein Behandlungsplan mit den geeigneten psychotherapeutischen Interventionen aufgestellt. Wie erwähnt ist oft eine ausreichend lange Zeitspanne für Motivationsbildung und Psychoeduka-tion (Information über die Zusammenhänge der psy-chischen Störung) erforderlich. Parallel dazu beginnen in der Physio-, Ergo- und Aktivierungstherapie Ein-heiten, die Bewegung, Handeln und Entspannen för-dern und individuell abgestimmt auf das Ausgangsni-veau der Patienten möglichst fortlaufend zu kleinen Erfolgserlebnissen beitragen. Die Kunsttherapie wird ebenfalls individuell angepasst. Unter anderem gibt es hier sehr gute Ansätze für die Behandlung von psychi-schen Traumatisierungen, die vielen Störungsbildern vorausgehen. Ergänzend werden je nach Situation Ernährungsberatung (kombiniert mit ausgewogener und spezialisierter Küche) sowie Sozialberatung ange-boten.

Wichtig ist zudem, das Prozedere nach Austritt des Patienten gut vorauszuplanen, damit die Erfolge der stationären Behandlung im Alltag nicht sofort wieder verschwinden. Das Einbeziehen von sozia-lem Umfeld, dem Arbeitgeber und weiteren wichti-gen Bezugspersonen ist immer anzustreben. Weiter-führende Therapien (z.B. auch Ergotherapie vor Ort zu Hause beim Patienten, psychiatrische Spitex, Job-coaching, ambulante Psychotherapie) sind optimaler-weise bei Austritt mit dem ersten Termin fixiert. Auch das Fortführen von Kunsttherapie ist teilweise sehr wertvoll und möglich bei zusatzversicherten Patienten oder auch auf entsprechenden Antrag an die Kran-kenkasse hin. Wesentlich ist, wenn immer möglich, das Vorbesprechen des gestuften beruflichen Wieder-einstiegs gemeinsam mit dem Arbeitgeber.

Das Angebot psychosomatischer Kliniken ist nicht an jedem Ort deckungsgleich. Oft lohnt sich, vor allem bei komplexen Fällen, die direkte (telefonische) Kon-taktaufnahme mit der Klinik. In vielen Fällen werden auch ambulante Vorgespräche zur Behandlungspla-nung angeboten.

Politische und ökonomische AspekteDas Fachgebiet «Psychosomatik» ist im Wandel: Die darunterfallenden Erkrankungen bzw. psychische Stö-rungen im Allgemeinen werden zunehmend als Leiden identifiziert, die enorme Krankheitskosten, Arbeits-ausfälle und Berentungen bei meist jungen Menschen verursachen. Naturgemäss existieren aber keine voll-ständig standardisierbaren und (kosten-)kalkulierba-ren Behandlungen.

In den letzten Jahren werden psychosomatische Behandlungsprogramme zunehmend auch von den grossen psychiatrischen Kliniken angeboten und das traditionelle Angebot der stationären psychosomati-schen Rehabilitation wird teilweise in Frage gestellt.

Page 27: Ausgabe 9 · September 2018 ·

Referenzen:1 EMA (HMPC) Monograph on Valerian officinalis L., radix. 13.07.20062 EMA (HMPC) Monograph on Melissa officinalis L., folium. 14.05.20133 Müller S. F., Klement S., A combination of valerian and lemon balm is effective in the treatment of restlessness and dyssomnia in children. Phytomedicine 2006 (13): 383-74 www.swissmedicinfo.ch

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MP MEDICPCME-FORTBILDUNG

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Es resultieren daraus u.a. auch unschöne Konkur-renzbestrebungen und Lobbyismus. Der Gesetzgeber hat die Idee der eindeutigen Zuordnung von Krank-heitsbildern zu Behandlungspfaden. Die exakte Dif-ferenzierung zwischen psychiatrischen und psycho-somatischen Störungen ist jedoch fachlich eigentlich gar nicht möglich, tatsächlich wird in vielen Ländern der Welt eine solche Unterscheidung gar nicht getrof-fen, sondern allgemein von psychischen Störungen (WHO, ICD-10) gesprochen. Hinweise von Kosten-trägern wie «der Patient leidet an einer psychischen Störung und muss demzufolge in einer psychiatrischen Klinik behandelt werden» sind Ausdruck des Strebens nach Standardisierung, gehen jedoch sehr oft an den Bedürfnissen der Betroffenen vorbei.

Auch die weiterführenden Sozialversicherungen (z.B. die IV) handeln in den letzten Jahren für Betrof-fene scheinbar oft wertend (in Gutachten, durch Ren-tenrevisionen und -streichungen) und lösen primär Unverständnis bis hin zu Verzweiflung aus, die auf-seiten der Behandelnden nicht selten zu vermehrtem Aufwand führen.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass psychiatrisch-psychosomatische Störungsbilder sehr häufig vorkom-men und sowohl gesundheits- als auch gesellschafts-politisch durch ihre hohen Kosten (Behandlung, Arbeitsausfall, Invalidität) von grosser Bedeutung sind. Oft sind die Patienten bereits bei Diagnose-stellung bzw. dann, wenn sie mit einer spezialisierten Behandlung einverstanden sind, deutlich chronifiziert und die Therapie verkompliziert sich. Es gibt klare, gut evaluierte Behandlungsrichtlinien, die sich jedoch in der zeitlichen Behandlungsdimension und den zu erwartenden Zielerreichungen nur schwer standardi-sieren lassen. Gesundheits- und gesellschaftspolitische Strömungen tragen nicht immer zur Vereinfachung des Zugangs zur Behandlung bei. Wünschenswert wäre gut konzipierte Versorgungsforschung in diesem Bereich. Gefragt sind nachhaltige und professionelle Therapieangebote mit ausreichender Variationsbreite, da gerade in der Psychotherapie nicht bei allen Patien-ten das gleiche Setting angewendet werden kann.

Dr. med. Iris KlausmannFachärztin für Psychiatrie und PsychotherapiePsychosomatische und Psychosoziale Medizin SAPPMChefärztinRehaClinic BraunwaldNiederschlachtstrasse 128784 [email protected]

Weiterführende Literatur: – Van Spiek P: Die Medizin: Auf der Suche nach einem neu-

en Menschenbild. Schweiz Ärztezeitung 2018; 99(19–20): 633–634.

– Symposium der Privatklinik Hohenegg: Psychotherapie als Heilungsritual – die gemeinsamen Wirkfaktoren. 2017.

– Miller WR, Rollnick S: Motivierende Gesprächsführung. Lambertus 2015.

– Stapel S: Wirksamkeit stationärer Verhaltenstherapie bei depressiven Erkrankungen in der stationären Psychosoma-tik. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation 2014; 27(Heft 2): 120–153.

– Kurt H, et al.: Spannungsfeld Psychosomatik und Psychiat-rie. Der Nervenarzt 2012; 83(11): 1391–1398.

– Gross LJ: Ressourcenaktivierung und Therapieerfolg in der (teil)stationären Psychosomatik. Psychotherapie, Psychoso-amtik, Medizinische Psychologie 2015; 65(3–4): 104–111.

– Rief W, Henningsen P: Psychosomatik und Verhaltensmedi-zin. Schattauer 2015.

– Schürch F: Psychosomatik in der Hausarztpraxis: Wegweiser für die Medizinische Praxisassistenz. Huber 2013.

Page 29: Ausgabe 9 · September 2018 ·

CME-FORTBILDUNG

27

1. Antidepressiva werden eingesetzt zur Behandlung von...

(alle gesuchten Antworten ankreuzen) A ... Trigeminusneuralgie.B ... zentralem neuropathischem Schmerz. C ... juveniler idiopathischer Arthritis. D ... Anpassungsstörungen.

2. Eine EKG-Kontrolle mit Bestimmung der QTc-Zeit...

(alle gesuchten Antworten ankreuzen)A ... ist nicht notwendig, wenn einer jungen

und kardiovaskulär gesunden Frau, die keine weiteren Medikamente einnimmt, neu ein SSRI verschrieben wird.

B ... ist sinnvoll bei der Einnahme von einem SSRI, z.B. Escitalopram morgens plus Quetiapin am Abend.

C ... ist unnötig, wenn einem Patienten unter Lithiumtherapie für fünf Tage Azithromycin verschrieben wird.

D ... sollte wiederholt werden, wenn eine Patientin unter Hyperemesis gravidarum leidet und gleichzeitig mit Methadon substituiert ist.

3. Welches Element ist zentral in der psychotherapeutischen Behandlung von Angststörungen und den unter-schiedlichen evidenzbasierten Therapieansätzen gemeinsam?

(gesuchte Antwort ankreuzen)A Bearbeitung unbewusster KonflikteB Konfrontation mit den angstauslösenden

SituationenC Überflutung D Zusätzliche Verordnung von

Antidepressiva

4. Welche Aussage über Angststörungen trifft zu?

(gesuchte Antwort ankreuzen)A Angststörungen werden in der Regel leicht

erkannt und diagnostiziert. B Die Erfolgsaussichten einer Psycho-

therapie von Angststörungen sind allgemein gering.

C Ungefähr 15–20% der Menschen leiden irgendwann in ihrem Leben unter einer Angststörung.

D Psychodynamische Therapieverfahren sind in der Behandlung von Angst-störungen unwirksam.

5. In welcher Phase der stationären psy-chosomatischen Behandlung spielt die «motivierende Gesprächsführung» eine besonders wichtige Rolle?

(gesuchte Antwort ankreuzen)A In der diagnostischen Phase B Nach der differenzialdiagnostischen

AbklärungC In der psychotherapeutischen Behand-

lungsphaseD Bei der Vorbereitung des Austritts

6. Was sind typische unerwünschte Arznei-mittelwirkungen von Antipsychotika?

(gesuchte Antwort ankreuzen)A GewichtsabnahmeB Libidosteigerung C DepressionenD Unruhe und Antriebssteigerung

7. Wodurch unterscheiden sich Panik-störung und generalisierte Angst-störung?

(gesuchte Antwort ankreuzen)A Vegetative Symptome wie Herzklopfen,

Schwitzen und Schwindel kommen bei der generalisierten Angststörung nicht vor.

B Bei Panikstörungen tritt die Angstsympto-matik im Gegensatz zur generalisierten Angststörung ausschliesslich in bestimm-ten, klar umschriebenen Situationen auf.

C Bei der generalisierten Angststörung lei-den die Betroffenen unter einer überstei-gerten Ängstlichkeit und Besorgtheit, die nicht wie bei der Panikstörung anfallsartig auftritt, sondern in wechselnder Intensität fast ständig vorhanden ist.

D Vegetative Symptome kommen bei der Panikstörung nicht vor.

8. Welche Aussage zu den typischerweise in stationären psychosomatischen und psychiatrischen Kliniken behandelten Krankheiten ist zutreffend?

(gesuchte Antwort ankreuzen)A In psychosomatischen Kliniken werden

somatoforme und nicht-organische Schlaf-störungen behandelt. In psychiatrischen Kliniken alle übrigen psychischen Störungen.

B In psychosomatischen Kliniken werden somatoforme Störungen und Konversions-störungen behandelt. In psychiatrischen Kliniken alle anderen psychischen Störungen.

C In psychosomatischen Kliniken werden Burnout-Patienten (Erschöpfungs-depressionen), somatoforme Störungen und Konversionsstörungen behandelt. In psychiatrischen Kliniken alle übrigen psychischen Störungen.

D Akut psychotische und akut suizidale Patienten werden nur in psychiatrischen Kliniken behandelt. Alle übrigen psychi-schen Störungen können sowohl in psychosomatischen als auch in psychiat-rischen Kliniken behandelt werden.

9. Was ist unter «motivierender Gesprächs-führung» zu verstehen?

(gesuchte Antwort ankreuzen)A In den Therapiegesprächen die Ressour-

cen des Patienten fokussieren, um das Selbstvertrauen zu stärken.

B Den Patienten für die Realisierung seiner Änderungsabsichten nach Beendigung der stationären Behandlung motivieren, um erreichte Therapieeffekte zu festigen.

C Sich Zeit nehmen, offene Fragen stellen, schnelle Interpretation meiden und wertungsfrei kommunizieren, um viel persönliche Information über die Motive, das Störungsverständnis und die Änderungswünsche des Patienten zu bekommen.

D Mit dem Patienten üben, sorgenvolles Grübeln durch positives Denken zu ersetzen.

HAUSARZT PRAXIS 2018; Vol. 13, Nr. 9

Fortbildungsfragen zu «Psychiatrie»

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Page 30: Ausgabe 9 · September 2018 ·

FORTBILDUNG

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HAUSARZT PRAXIS 2018; Vol. 13, Nr. 9 CME-FORTBILDUNG

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Credits auf

Einloggen, Fragen beantworten und direkt zum Zertifikat gelangen

― Das Adenokarzinom des Ösophagus nimmt zu. ― Der Hausarzt kann durch Früherkennung die schlechte Prognose entscheidend verbessern (Warnsymptome).

― Interdisziplinarität und Zentrumskompetenzen werden vorausgesetzt. ― Die Roboterchirurgie erlaubt radikaleres Operieren unter optimaler Sicht.

― L’adénocarcinome de l’œsophage est en augmentation. ― Le médecin de famille peut améliorer le mauvais pronostic par une détection précoce (symptômes d’alerte).

― L’interdisciplinarité et la compétence de centre sont incontournables. ― La chirurgie robotisée permet d’opérer radicalement avec une visibilité optimale.

ÖsophaguskarzinomCarcinome œsophagien

Frühe Diagnose und individuelle NachsorgeDiagnostic précoce et suivi post-thérapeutique individualiséFiorenzo Angehrn, Martin Bolli, Markus von Flüe, Basel

■■ Das Ösophaguskarzinom tritt durchschnittlich im Alter von 60 Jahren auf. Drei Viertel der Betroffenen sind Männer, ein Viertel Frauen. Es ist die sechsthäu-figste krebsbedingte Todesursache [1]. Das Plattenepi-thelkarzinom findet sich im oberen und mittleren Öso-phagusdrittel. Alkohol- und Nikotinkonsum stehen als Risikofaktoren im Vordergrund, die Inzidenz ist stabil. Das Adenokarzinom entsteht im unteren Drittel des Ösophagus und am Übergang zum Magen. Wichtige Risikofaktoren sind der gastroösophageale Reflux und die Adipositas. Die Inzidenz des Adenokarzinoms ist stark zunehmend und in westlichen Ländern häufiger als das Plattenepithelkarzinom. Andere histologische Formen spielen eine untergeordnete Rolle.

StagingDas Ösophaguskarzinom metastasiert früh lympha-tisch und vaskulär. Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt trotz multimodaler Therapie nur 15–25% [1]. Eine frühestmögliche Diagnosestellung ist daher essenziell. Als Primärversorger ist der Hausarzt bei Warnsymptomen für eine schnelle Abklärung mit-tels Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) verant-wortlich (Übersicht 1). Diagnostisch hat die ÖGD die höchste Sensibilität und Spezifität für Neoplasien des oberen Gastrointestinaltrakts.

Für das Staging von Patienten mit einem Ösopha-guskarzinom sind Tumorzentren mit entsprechender Expertise zuständig. Das Staging umfasst eine Endo-sonografie für die T- und N- Kategorie sowie eine CT

Übersicht 1: Warnsymptome

Warnsymptome (Indikationen zur Ösophagogastroduodenoskopie) – Neu aufgetretene Dysphagie:

� Schluckbeschwerden (zuerst feste, später weiche und flüssige Nahrung),

� Würgen beim Schlucken, � Ösophagusspasmen

– Rezidivierende Emesis – Rezidivierende Pneumonien (Aspiration) – Inappetenz – Ungewollter Gewichtsverlust – GI-Blutung

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MP MEDICPCME-FORTBILDUNG

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mit PET zum Erfassen von Fernmetastasen (M-Kate-gorie) und als Indexuntersuchung bei neoadjuvantem Konzept. Eine Bronchoskopie erfolgt bei Tumoren mit Invasionsverdacht auf Höhe Karina oder proximal. Beim Plattenepithelkarzinom muss ein synchroner HNO-Tumor zwingend ausgeschlossen werden. Eine Laparoskopie dient zum Ausschluss einer Perito neal-karzinose oder von Lebermetastasen (cT3–4) [2,3].

Klassifikation des ÖsophaguskarzinomsKlassifikation und Stadieneinteilung erfolgen beim Ösophaguskarzinom gemäss TNM-Klassifikation (Tab. 1 und 2) [4]. Karzinome des ösophagogastralen Übergangs werden, solange ihr Epizentrum maximal 2 cm distal der Z-Linie liegt, zu den Ösophaguskarzi-nomen gezählt (Nishi-Klassifikation [5]). Die Siewert-Klassifikation [6] kann weiterhin entscheidend für die chirurgische Therapie sein. Analog werden Siewert Typ I und II wie Ösophaguskarzinome behandelt und Typ III wie Magenkarzinome.

TherapieTherapeutisch spielt der Einsatz des Roboters eine zukunftsweisende Rolle. Das Behandlungskonzept wird nach erfolgtem Staging am Tumorboard festge-legt. Das multimodale Vorgehen ist in Abbildung 1 skizziert. Grundsätzlich wird zwischen einem kurati-ven und einem palliativen Ansatz unterschieden [2,3].

KurationWenn lokal höchstens ein Tumorstadium T4a ohne Fernmetastasen vorliegt, behandeln wir nach kura-tivem Konzept. Frühkarzinome (T1, sm1/sm2) ohne Risikofaktoren (L0, V0, maximal G2) können endos-kopisch behandelt werden. Für weiter fortgeschrittene Karzinome ist nach kardialer, pulmonaler, hepatischer und metabolischer Risikoabschätzung die Chirurgie die Therapie der Wahl. T2- bis T3-Karzinome oder ein positives nodales Stadium operieren wir nach neo-adjuvanter Behandlung. In mehreren grösseren Stu-dien konnte ein Überlebensvorteil unter Vorbehand-lung mit Radiochemotherapie nachgewiesen werden [7,8]. Nach neoadjuvanter Behandlung erfolgt zum Ausschluss von Fernmetastasen ein Restaging. Tre-ten Fernmetastasen während oder nach Therapie auf, wird diese abgebrochen und auf ein palliatives Kon-zept gewechselt. Das optimale Zeitfenster für den chi-rurgischen Eingriff ist sechs bis acht Wochen nach Abschluss der Radiochemotherapie.

Beim nicht-resezierbaren und beim zervikalen Öso phaguskarzinom stellt die Radiochemotherapie die Therapie der Wahl dar. Die Chirurgie weist hier eine hohe Komplikationsrate bei gleichbleibender Prognose auf.

Der Ernährungsstatus hat einen grossen Einfluss auf den postoperativen Verlauf. Präoperativ optimiert die Ernährungsberatung mit Trinknahrung («Immu-nonutrition») [9] und, falls nötig, mit Ernährungssonde die Voraussetzungen.

RoboterchirurgieMit der roboterassistierten Hybridtechnik wird bei Karzinomen des mittleren und distalen Drittels eine

Tab. 2: TNM-Stadien

Stadium T-Kategorie N-Kategorie M-Kategorie

Stadium 0 Tis N0 M0

Stadium IA T1 N0 M0

Stadium IB T2 N0 M0

Stadium IIA T3 N0 M0

Stadium IIB T1, T2 N1 M0

Stadium IIIA T4a N0 M0

T3 N1 M0

T1, T2 N2 M0

Stadium IIIB T3 N2 M0

Stadium IIIC T4a N1, N2 M0

T4b Jedes N M0

Jedes T N3 M0

Stadium IV Jedes T Jedes N M1

Tab. 1: TNM-Kategorien

T – Primärtumor

TX Primärtumor kann nicht beurteilt werden

T0 Kein Anhalt für Primärtumor

Tis Carcinoma in situ

T1

– T1a – T1b

Tumor infiltriert Lamina propria, Muscularis mucosaeTumor infiltriert Submukosa

T2 Tumor infiltriert Muscularis propria

T3 Tumor infiltriert Adventitia

T4 Tumor infiltriert Nachbarstrukturen

– T4a – T4b

Tumor infiltriert Pleura, Perikard, ZwerchfellTumor infiltriert andere Nachbarstrukturen wie Aorta, Wirbelkörper oder Trachea

N – Regionäre Lymphknoten

NX Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden

N0 Keine regionären Lymphknotenmetastasen

N1 Metastasen 1–2 Lymphknoten

N2 Metastasen 3–6 Lymphknoten

N3 Metastasen 7 oder mehr regionäre Lymphknoten

M – Fernmetastasen

M0 Keine Fernmetastasen

M1 Fernmetastasen

nach

[2]

nach

[2]

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Abb. 1: Multimodales Therapiekonzept: Entscheidungsgrundlage für das Tumorboard

Abb. 2: Angedockter Roboter bei Ösophagogastrektomie

Foto

: Ang

ehrn

Ernährungsberatung und psychosoziale Unterstützung

T1 sm1/2 TumorstadiumN– M1N+T2 T4aT3 T4b

Multimodales Therapiekonzept

Ösophaguskarzinom

Definitive Radiochemotherapie

ChirurgieKurativ Palliativ

Neoadjuvante Radiochemotherapie + Chirurgie

Palliativ:– Radiotherapie– Chemotherapie– Stenteinlage– Ernährungssonden

Endo

skop

isch

e Th

erap

ie

Loka

lisat

ion

Ernährungszustand

Komorbiditäten H

isto

logi

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Thor

akal

Zerv

ikal

Plat

tene

pith

elka

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AEG

Aden

okar

zino

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subtotale transthorakale Ösophagektomie mit Resek-tion des proximalen Magens und Rekonstruktion mit Magenhochzug und hoher intrathorakaler Anasto-mose (Lewis-Operation) durchgeführt [10]. Dieser Zweihöhleneingriff zeigt aufgrund der hohen intratho-rakalen Anastomose postoperativ weniger Reflux und erlaubt einen grösseren Sicherheitsabstand gegenüber transhiatalen Verfahren. Zudem kann eine saubere Zweifeld-Lymphadenektomie (thorakal und abdomi-nal) durchgeführt werden. Das Überleben steigt mit diesem Vorgehen [11].

Für die Ösophagusresektion mit dem Da Vinci Xi® Operationsroboter wird der abdominelle Teil zur proximalen Magenresektion mit Lymphadenektomie über eine Laparotomie operiert, der Magenschlauch wird aus dem Restmagen gebildet. Der thorakale Teil erfolgt vollständig mit dem Operationsroboter. Vier 8-mm-Trokare für den Roboter und eine Minithora-kotomie unter 5 cm werden zur Entfernung des Resek-tats angelegt (Abb. 2). Eine schmerzhafte und mit postoperativ erhöhter Morbidität verbundene Thora-kotomie wird damit vermieden. Der Roboter ermög-licht eine optimale dreidimensionale Sicht mit bis zu zehnfacher Vergrösserung und ausgezeichneter Bewe-gungsfreiheit. Dies erlaubt eine saubere Lymphaden-ektomie sowie eine roboterassistierte manuelle Naht der intrathorakalen Anastomose [12]. Eine prospektiv randomisierte Studie zeigte weniger pulmonale Kom-plikationen, eine kürzere Hospitalisationszeit und bes-sere Lebensqualität zugunsten der minimalinvasiven Ösophaguschirurgie gegenüber der offenen [13]. Wir

führten in Europa die erste roboterassistierte Ösopha-gektomie mit dem Da Vinci Xi® durch, überblicken inzwischen 30 roboterassistierte Ösophagektomien und sind von dieser Technik überzeugt. Wir mussten nie konvertieren, sämtliche Resektionen erfolgten im Gesunden (R0) und die Morbidität war tiefer als in der offenen Chirurgie. Kein Patient wurde innerhalb der ersten 30 Tage reoperiert oder ist in dieser Zeit verstorben.

PalliationChemotherapie wird mit Patienten in einer palliativen Situation besprochen. Diese verfolgt zwei Ziele: Erhalt der Lebensqualität und Verlängerung der Überlebens-zeit. Chemotherapie sollte frühestmöglich begonnen werden. Bei der Wahl des Therapieregimes orientiert sich die Onkologie am Allgemeinzustand, den Wün-schen, dem Alter und den Komorbiditäten des Pati-enten sowie der Toxizität. Eine additive Antikörper-therapie erfolgt bei positiver HER2-Bestimmung beim Adenokarzinom. Die Einlage eines Stents kann eine Verbesserung von Schluckbeschwerden ermöglichen.

NachsorgeZu Recht wird regelmässig nach einem Nachsor-geschema für das therapierte Ösophaguskarzinom gefragt, analog den Konsensus-Empfehlungen zur Nachsorge nach kurativ operiertem kolorektalem Karzinom [14]. Solche Empfehlungen existieren nicht. Eingeschränkte Therapieoptionen beim Rezidiv und eine oft vorliegende palliative Situation verunmögli-

ImpressumVerlag und Herausgeber PRIME PUBLIC MEDIA AG Neugasse 10, 8005 Zürich Tel. 044 250 28 70 Fax 044 250 28 77 [email protected] www.primemedic.ch

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Redaktion Karen Heidl (Chefredaktorin), [email protected] (kh)Andreas Grossmann, [email protected] (ag)Barbara Hug, [email protected] (hug)

Ständige Korrespondenten: Dr. Klaus Duffner (kd); Alfred Lienhard Fritsche (alf); Roland Fath (rf); Dr. med. Katrin Hegemann (heg); Dr. rer. nat. Marcus Mau (mm); Mirjam Peter, M.Sc. (mp); Regina Scharf (rs); Dr. med. Susanne Schelosky (ssl); Dr. Therese Schwender (ts); Dr. med. Anka Stegmeier-Petroianu (as)

Mediadaten/Marketing /VerkaufKathrin Jäggi, [email protected]

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Gerichtsstand und ErfüllungsortZürich

DruckVVA (Schweiz) GmbH, 9016 St. Gallen13. Jahrgang Versandauflage 16 000, davon Druck 7000

ISSN: 1661-6197

Offizielles Publikationsorgan

Die Publikation Prime Public Media AG HAUSARZT PRAXIS ist für den persönlichen Nutzen des Lesers konzipiert und beinhaltet Informationen aus den Bereichen Experten-meinung, wissenschaftliche Studien und Kongresse sowie News. Namentlich gekennzeichnete Artikel und sonstige Beiträge sind die persönliche und/oder die wissenschaftliche Meinung des Verfassers und müssen daher nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen. Diese Beiträge fallen somit in den persön lichen Verantwortungsbereich des Verfassers. Die wiedergegebene Meinung deckt sich nicht in jedem Fall mit der Meinung des Herausgebers, sondern dient der Information des Lesers. Mit der Übergabe von Manuskripten und Bildern gehen sämtliche Nutzungsrechte an Prime Public Media AG über. Für unverlangt eingereichte Manuskripte und Bilder übernimmt Prime Public Media AG keine Haftung. Mit der Einsendung eines Manuskripts erklärt sich der Urheber/Einsender damit einverstanden, dass der entsprechende Beitrag ganz oder teilweise in allen Publikations organen von Prime Public Media AG und deren Medienpartner publiziert werden kann.

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chen ein standardisiertes schematisiertes Vorgehen. In der klinischen Forschung wird vereinzelt versucht, eine strukturierte Nachsorge zu erarbeiten [15]. Umso wichtiger ist die konsequente Besprechung jedes Pati-enten am interdisziplinären Tumorboard. Damit erhält der Hausarzt eine individualisierte Empfehlung zur Nachsorge. Die Nachsorge ist symptomorientiert und konzentriert sich auf den Ernährungszustand und die psychosoziale Unterstützung. Funktionsstörungen können auf ein Rezidiv hinweisen. Die bereits peri-operativ eingeleitete Ernährungsberatung wird wei-tergeführt, damit eine genügende Kalorienzufuhr und Trinkmenge gesichert bleiben. Allenfalls wird am Tumorboard individuell eine endoskopische oder computertomografische Nachkontrolle nach sechs bis zwölf Monaten empfohlen. Primär endoskopisch rese-zierte Patienten werden endoskopisch nachkontrol-liert.

Pract. med. Fiorenzo AngehrnOberarzt [email protected]

PD Dr. med. Martin BolliLeitender Arzt [email protected]

Prof. Dr. med. Markus von FlüeLeiter Chirurgische [email protected]

St. ClaraspitalKleinriehenstrasse 304002 Basel

Literatur:1. Pennathur A, et al.: Oesophageal carcinoma. Lancet

2013; 381: 400–412.2. Porschen R, et al.: S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie

der Plattenepithelkarzinome und Adenokarzinome des Ösophagus. Z Gastroenterol 2015; 53: 1288–1347.

3. Lordick F, et al.: Oesophageal cancer: ESMO Clinical Prac-tice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 2016; 27(S5): v50–v57.

4. Brierley JD, et al.: TNM Classification of malignant Tu-mours. 8th ed. UICC – Global Cancer Control. Oxford, UK, Hoboken, NJ: John Wiley & Sons, Inc. 2016.

5. Japan Esophageal Society: Japanese Classification of Eso-phageal Cancer. 11th ed, part II and III. Esophagus 2017; 14: 37–65.

6. Siewert JR, et al.: Cardia Cancer: attempt at a therapeuti-cally relevant classification. Chirurg 1987; 58: 25–32.

7. Al-Batran SE, et al.: Histopathological regression after ne-oadjuvant docetaxel, oxaliplatin, fluorouracil, and leu-covorin versus epirubicin, cisplatin, and fluorouracil or capecitabine in patients with resectable gastric or gas-trooesophageal junction adenocarcinoma (FLOT4-AIO): results from the phase 2 part of a multicentre, open-la-bel, randomised phase 2/3 trial. Lancet Oncol 2016; 17: 1697–1708.

8. Shapiro J, et al.: Neoadjuvant chemoradiotherapy plus surgery versus surgery alone for oesophageal or junctional cancer (CROSS): long-term results of a randomised con-trolled trial. Lancet Oncol 2015; 16: 1090–1098.

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15. Baiocchi GL, et al.: Follow-up after gastrectomy for can-cer. The Charter Scaligero Consensus Conference. Gastric Cancer 2016; 19: 15–20.

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MP MEDICPCME-FORTBILDUNG

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Credits auf

Einloggen, Fragen beantworten und direkt zum Zertifikat gelangen

― Die Abnahme der H. pylori-Neuinfektionen in Mitteleuropa steht im direk ten Zusammenhang mit der Abnahme der Mortalität von Magen-karzinomen und peptischen Ulkusleiden.

― Der Phänotyp der Gastritis bestimmt die klinische Entität hinsichtlich Säureassoziation.

― Besteht keine obligate H. pylori-Eradikationsindikation, sollte von einer Testung Abstand genommen werden, wenn keine Therapiekonsequenz daraus resultiert. Unter laufender Therapie mit Protonenpumpeninhibi-toren ist von einer H. pylori-Diagnostik ausdrücklich abzuraten.

― In die Therapieregimeauswahl bzw. ­stratifizierung sollten klinische Risikofaktoren einbezogen werden, insofern diese leicht erhebbar sind (Alter, Rauchen, endoskopische Diagnose, Allergien, Compliance). Resistenzen gegen Makrolide und Gyrasehemmer haben den grössten klinischen Einfluss (über alle betroffenen Regime) auf den Eradikations-erfolg, dies favorisiert die genotypische Resistenztestung mittels PCR bereits in der Primärdiagnostik bei Risikogruppen (Antibiotikaallergien, häufige frühere Antibiotikatherapien, dokumentiertes H. pylori­Eradika­tionsversagen).

― La baisse des nouvelles infections à H. pylori dans la Mitteleuropa est en relation directe avec la baisse de la mortalité par carcinomes gastriques et des ulcères peptiques.

― Le phénotype de la gastrite détermine l’entité clinique par rapport à l’association d’acides.

― En l’absence d’indication impérative d’éradication d’H. pylori, la recherche d’H. pylori n’est pas indiquée s’il n’y a pas de conséquence thérapeutique qui en résulte. En cas de traitement en cours par inhibiteurs de la pompe à protons, il est absolument inutile de tenter un diagnostic d’H. pylori.

― Dans le choix du protocole thérapeutique ou la stratification, les facteurs de risque cliniques doivent être associés, dans la mesure où ils sont facilement décelables (âge, tabagie, diagnostic endoscopique, allergies, adhérence). Les résistances aux macrolides et aux inhibiteurs de la gyrase ont la plus grande influence clinique (sur tous les régimes concernés) sur la réussite de l’éradication, cela favorise le test de résistance génotypique par PCR dès le diagnostic initial dans les groupes à risque (allergies aux antibiotiques, antibiothérapies antérieures fréquentes, échec documenté de l’éradication de H. pylori).

H. pylori-InfektionInfection à H. pylori

Trend geht in Richtung der Quadrupeltherapie La tendance s’oriente vers la quadrithérapieGerhard Treiber, Aarau

■■ Weltweit sind ca. 50% aller Menschen mit H. pylori infiziert [1,2]. Die Übertragung geht meist im Klein-kindalter vonstatten. So bleibt die einmal erwor-bene Infektion ohne Therapie häufig bis ins hohe Lebens alter erhalten, was erklärt, warum die heute 70– 80-Jährigen zu über 50%, die heute 20 –30-Jäh-rigen deutlich unter 50% infiziert sind (sog. Kohor-teneffekt). Als Risikofaktor für die Übertragung von Mensch zu Mensch gilt in den westlichen Ländern der direkte («oro-orale») Kontakt, in Entwicklungslän-dern sind auch andere Wege dominant («fäkal-oral»). Die Prävalenz von H. pylori liegt in Mitteleuropa aktu-ell zwischen 5% (Kinder) und 25–40% (Erwachsene). Sie liegt höher bei Migranten (35–85%). Da sich die sozialen und hygienischen Lebensbedingungen (d.h. auch die Zahl der Neuinfektionen) in den westlichen Ländern kontinuierlich verbessert haben, nimmt die Durchseuchung der Gesamtbevölkerung ab. Als Folge nimmt die altersspezifische H. pylori-assoziierte Mor-talität sowohl des Magenkarzinoms als auch des pep-tischen Ulkus ab.

Symptome – KrankheitsmanifestationenKlinische Symptome wie Oberbauchdruck, Völle-gefühl, (Nüchtern-)Schmerz, Übelkeit, Schwindel sind unspezifisch (Reizmagen bzw. funktionelle Dys-pepsie, FD). Die Symptome der H. pylori-Infektion unterscheiden sich nicht von anderen Ursachen wie Stress, gastroduodenal-toxischen Medikamenten wie vor allem Aspirin (ASS) oder nicht-steroidalen Anti-rheumatika (NSAR). Das Ausmass der Beschwerden lässt gleichfalls nicht auf die Schwere des endoskopi-schen Befunds (Gastritis ohne/mit Erosionen, Ulkus-leiden) schliessen. Die Ulkusblutung durch H. pylori unterscheidet sich klinisch nicht von der durch ASS/NSAR oder durch andere Ursachen.

Ca. 20% der Infizierten entwickeln im Laufe ihres Lebens ein Ulkusleiden (Duodenalulkus, DU; Magen-ulkus, GU), je nach Region auch 1–2% ein Magen-karzinom (GC) oder MALT-Lymphom [1,2]. Anam-nestisch wegweisend kann die Patientenangabe sein, dass in der Familie ein Magenkarzinom oder gehäuft eine Ulkuskrankheit vorkommt. Die übrigen Infi-zierten haben häufig nur geringe Beschwerden ohne endoskopisch sichtbare Läsionen oder sind komplett asymptomatisch. Für die Beurteilung des Magenkar-zinom-Risikos ist der Gastritis-Verteilungstyp ent-scheidend (Abb. 1). Generell gilt, dass jedes gastro-

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duodenale Ulkus/Magenkarzinom bis zum Beweis des Gegenteils verdächtig auf eine H. pylori-Infektion bleibt, vor allem je jünger der Patient ist.

DiagnostikDie klinische Situation bestimmt die Auswahl der zur Abklärung erforderlichen Tests [1–5]. Infrage kom-men: – Urease-basierter Atemtest (UBT) – Stuhl-Antigentest (SAT) – Urease-Schnelltest (HUT) und Histologie (HISTO), ggf. mit mikrobiologischer Kultur und phänotypi-scher oder PCR mit genotypischer Resistenzbestim-mung im Rahmen der Endoskopie

– Serologie (inkl. Immunoblot).Primärer Nachweis: Bis auf die Serologie können alle genannten Tests zum Einsatz kommen, die Spe-zifität liegt bei >95%. Mit Ausnahme der mikrobio-logischen Kultur beträgt die Sensitivität (ohne verfäl-schende Faktoren) ca. 90%, ein positiver Test reicht zum Nachweis der Infektion. Wenn aus klinischer Indikation eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie erfolgen muss, wird man sich auf die bioptischen Tests (HUT und Histologie, ggf. PCR/Kultur) verlassen; soll wegen eher «blander» Beschwerden nur ein Screening auf H. pylori erfolgen, wird man den Stuhltest oder Atemtest (äquieffektiv) anwenden, die Patientenprä-ferenz liegt in der Regel beim Stuhltest.Therapieplanung inkl. Resistenzbestimmung: Dies war bis vor Kurzem die Domäne der mikrobiologi-schen Kultur. Aufgrund des umständlichen Transport-verfahrens, der langen Anzucht und phänotypischen Resistenztestung (zwei bis drei Wochen) und zahl-reicher Störfaktoren beträgt die Anzuchtrate je nach Labor nur um die 70%. Hier hat die PCR mit geno-mischem Test auf Makrolid-/und Fluorchinolonresis-tenz einen klaren Vorteil: Die Bestimmung kann auch aus z.T. bereits abgestorbenen Bakterien erfolgen und liegt theoretisch 24 –48 Stunden nach Entnahme der Biopsie vor. Die Genauigkeit der Resistenzbestim-mung entspricht der Kultur. Einziger Nachteil: Resis-tenzanalysen für andere Antibiotika (wie z.B. Metro-nidazol, Rifabutin) sind damit nicht möglich.Eradikationskontrolle: Dies ist die Domäne des Stuhlantigentests (oder Atemtests). Falls aus klini-scher Indikation z.B. eine Magenulkusabheilung endo-skopisch kontrolliert werden muss, können natürlich ebenso die bioptischen Tests zur Anwendung kom-men, es müssen dann aber alle Tests negativ ausfallen, damit von einer erfolgreichen Eradikation gesprochen werden kann.Sondersituationen, die zu falschen Testergebnissen führen [5]: – Bei Magen-Malignomen (Ca, MALT-Lymphom) mit negativem H. pylori-Nachweis mit den üblichen Methoden kann die Durchführung einer Serologie Sinn machen.

– Unbedingt zu beachtende Störfaktoren: Während es kaum falsch-positive Tests gibt, kann der H. pylori-Nachweis bei Nichtbeachtung folgender Störfak-toren falsch-negativ ausfallen: Die Einnahme von Protonenpumpenblockern (PPI) oder Antibiotika (bereits über mehr als drei bis fünf Tage) führt in

ca. 80% zu falsch-negativen Testergebnissen, des-halb unbedingt den PPI mindestens eine (besser zwei) bzw. ein Antibiotikum mindestens zwei (bes-ser vier) Wochen vor der Testdurchführung abset-zen. H2-Blocker oder Antazida stören in der Regel kaum und können alternativ als «Brückentherapie» gegeben werden.

– Unzureichende Anzahl an Biopsien bei HUT und Histologie Ò je eine aus dem Magenantrum und -corpus für HUT und je eine (besser zwei) für His-tologie

– Abnahme eines Tests bei akuter gastrointestinaler Blutung Ò nochmalige Kontrolle im Intervall

– Atemtest oder Stuhltest bei teilreseziertem Magen (auch z.T. bei Magenentleerungsstörung) -> hier ist der bioptische Test zu bevorzugen.

Behandlung der H. pylori-Infektion [1–5]Mit der H. pylori-Infektion assoziierte Krankheitsbil-der/Behandlungsindikationen: Eine Übersicht hierzu gibt Tabelle 1 [5]. Die Eradikation beschleunigt die Ulkusabheilung bei einem Sechstel der Patienten mit GU und einem Fünftel mit DU und verhindert das Ulkusrezidiv (Number Needed to Treat, NNT von 3 für GU und NNT von 2 für DU). Umstritten bleibt der Nutzen vor allem für den Grossteil der Patienten mit NUD-Therapie, hier liegt der Benefit der dauerhaften symptomatischen Verbesserung durch die Eradikation (gegenüber Placebo) bei ca. 5–10% (NNT 10 –20), was allerdings auch nicht schlechter als eine PPI-Dau-ertherapie ausfällt. Die Prophylaxe des Magenkarzi-noms durch eine H. pylori-Eradikation ist umso erfolg-reicher, je früher sie durchgeführt wird und wenn vor allem Hochrisikopatienten behandelt werden.

Ursächliche Faktoren für ein Therapieversagen sind [5]: – Antibiotikaresistenz (mit Abstand am wichtigsten: Risikodifferenz absolut ca. 20–50%, entsprechend NNT 2−5); meist aufgrund von früheren Antibio-tikatherapien wegen anderer Infekte, z.B. Lunge, Harnwege, gynäkologisch

Abb. 1: Pathophysiologie der H. pylori-Infektion

Bakterielle Virulenzfaktoren

Wirts-Immun-reaktion

Exogene Faktoren

Corpus-prädominanter Typ bzw. PangastritisÒ Säurereduktion

Ulkus ventrikuliMALT-LymphomMagenkarzinom

Antrum-prädominanter TypÒ Säurehypersekretion

Ulkus duodeni

Klinischer Outcome

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– Zu kurze Therapiedauer bei Tripleregimen – CYP2C19-Wildtyp-Status bei entsprechend metabo-lisierten PPIs wie Omeprazol, Lansoprazol, Pantop-razol (gilt nicht für Esomeprazol, Rabeprazol, Dex-lansoprazol)

– Rauchen – Junges Alter (unter 50–60 Jahren) – NUD (Nicht-Ulkuskrankheit) – Mangelnde Compliance wegen Nebenwirkungen (variiert stark je nach Regime, Probiotika können die Verträglichkeit verbessern).

Für alle diese klinischen bzw. pharmakologischen Ein-flussfaktoren gilt eine absolute Risikodifferenz von 8–12% (entsprechend einer NNT/NNH von ca. 10).Empfehlungen für eine Resistenztestung [2–5]: – Obligate H. pylori-Resistenztestung nach ein-/mehr-maligem Therapieversagen

– Fakultativ vor Ersttherapie, wenn positive Allergie-situation, Vorhandensein von genannten klinischen Risikofaktoren, häufige antibiotische Vortherapien.

Ansonsten ist keine Resistenztestung zwingend (Kos-ten-Nutzen-Abwägung). Um Kosten zu sparen, emp-fehle ich, den Schnelltest abzuwarten. Wird dieser positiv, kann die Biopsie dem HUT entnommen wer-den und für die PCR-Resistenztestung auch noch nach 48–72h ins Labor gesandt werden, was die posi-tive Ausbeute enorm erhöht und nur bei ca. 10% der Pa tien ten nicht funktioniert.Empfehlungen zur sog. «Erstlinien- bzw. Primär-thera pie»: Empfohlene Regime mit Dosierungen sind in Tabelle 2 gelistet. Mit Einführung der einwöchigen Tripletherapien zu Beginn der 1990er Jahre wurden diese in den meisten westlichen Ländern zum Stan-dard für die Primärtherapie erklärt. Grundlage für die

Tab. 1: Mit der H. pylori-Infektion assoziierte Krankheitsbilder

Starke kausale Assoziation (zwingende Therapieindikation)

Wahrscheinliche kausale Assoziation (fakultative Therapieindikation)

Fehlende kausale Assoziation (Einzelfallentscheidung, in der Regel keine Therapieindikation)

– Ulkuskrankheit – PUD (floride oder statt gehabte ebenso egal wie Lokalisation)

– Gastrales Marginalzonen-B-Zell (Typ MALT-) Lymphom – Status nach Magenteilresektion wegen Ulkus oder

Karzinom – Erstgradige Verwandte von Magenkarzinom-Patienten – Sog. Risikogastritis (atrophische Gastritis, Magen-

corpus-prädominante Gastritis), un abhängig von Beschwerden

– ASS/NSAR-Komedikation – Funktionelle Dyspepsie – NUD (Reiz-

magen), in der Regel Antrum-prädominant – Eisenmangelanämie nach Ausschluss

anderer Ursachen – Idiopathische thrombozytopenische

Purpura – Lymphozytäre Gastritis – Morbus Ménétrier

– Antrum-prädominante, asymptoma-tische («blande») Gastritis

– Alleiniger Patientenwunsch oder positive Serologie ohne Klinik

Gruppiert nach Therapieindikationen und mutmasslichem kausalem Zusammenhang

Tab. 2: Dosierung von etablierten Therapieregimen

Kom

bi

Prim

är in

dika

tion

Rez

idiv

- In

dika

tion

Dau

er (T

age)

PPI

Amox

icill

in (A

)

Clar

ithro

myc

in (C

)

Levo

floxa

cin

(L)

Met

roni

dazo

l (M

)

Tetr

acyl

in (T

)

Bis

mut

(B)

Rifa

butin

(R)

PPI-AC × (×) ≥7 2× 2× 1 g 2× 500 mg

PPI-CM × – ≥7 2× 2× 250–500 mg 2× 400 mg

PPI-ACM × × ≥7 2× 2× 1 g 2× 250–500 mg 2× 400 mg

PPI-AL (×) × ≥10 2× 2× 1 g 1× 500 mg

PPI-BMT (×) × ≥10 2× 4× 375 mg 4× 375 mg 4× 420 mg

PPI-A (×) 14 3× 3× 1 g

PPI-AR × ≥10 2× 2× 1 g 2× 150 mg

PPI-AM (×) ≥10 2–3× 3× 1 g 3× 400 mg

Standarddosen PPI: Omeprazol/Esomeprazol 20 mg, Lansoprazol 30 mg, Pantoprazol 40 mg, Rabeprazol 20 mg; X = Bevorzugtes Regime; (X) = Mögliches Regime; Dauer: Gemeint ist eine Mindestdauer, diese kann je nach Vorliegen von klinischen Risikofaktoren verlängert werden; Alle Medikamente: Je nach pharmazeutischem Hersteller können die Dosen variieren (z.B. Metronidazol 400 oder 500 mg Einzeldosis); PPI-ACM: Der Autor bezieht sich ausschliesslich auf die Variante «concomitant» (alle Medikamente werden zusammen gegeben), selten im Gebrauch sind die Varianten «sequential» (PPI-A in der 1. Hälfte, PPI-CM in der 2. Hälfte, also je 5–7 Tage), bzw. «hybrid» (PPI-A in der 1. Hälfte, PPI-ACM in der 2. Hälfte, also je 5–7 Tage); PPI-BMT: Nur noch erhältlich als Pylera® plus PPI

nach

[1]

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Empfehlung war die Auffassung in den sog. Maastricht I-, II-, III- (1997, 2002, 2007) Konsensuskonferenzen [1], dass die einwöchigen Tripletherapien aus PPI, Clarithromycin und entweder Amoxicillin oder Met-ronidazol Erfolgsraten von 85–90% aufweisen und die Makrolid- /Clarithromycin-Resistenzraten vor Thera-pie weniger als 15–20% betragen. Aktuell liegen die Eradikationsraten jedoch in zahlreichen Metaanalysen im Mittel nur noch bei 75% für ein Tripleregime, was inakzeptabel ist [5]. Die Makrolid-Resistenzen liegen häufig lokal über 15%, im Zeitraum 2014–2017 nach eigenen lokalen Daten aus Aarau (n=200) bei exakt 20%. Klinisch ist es fast unmöglich, alle früheren Anti-biotikatherapien (also nicht nur H. pylori-initiierte) eines Patienten zuverlässig zu erfassen, so dass häu-fig bereits eine Resistenzsituation zugrunde liegt [4,5]. Diesem Sachverhalt trägt leider keine der gängigen Leitlinien Rechnung, so dass viele Mikrobiologen im Gegensatz zu den übrigen Klinikern eine Resistenz-testung bereits vor der ersten (!) Eradikationsthera-pie fordern, da die Unterscheidung in «Primär- und Sekundärtherapie» der H. pylori-Infektion [1–3] der Realität nicht gerecht wird [5].

Der Trend geht daher eindeutig in Richtung von Quadrupel- statt Tripletherapien, auch wenn diese in der aktualisierten deutschen (DGVS-)Leitlinie 2016 [3] leider erneut verblieben sind. Vorrangig zur Anwendung kommen sollte meines Erachtens (Tab. 3) eine – nicht-bismuthaltige, sog. gleichzeitige («conco-mitant») sieben- bis zehntägige Therapie mit PPI, Amoxicillin, Clarithromycin und Metronidazol (PPI-ACM)

– bismuthaltige Kombinationstherapie mit PPI und Tetracyclin /Metronidazol /Bismut (Pylera®, PPI-BMT/Pylera®) über 10–14 Tage

– Reservetherapie nach Versagen eines der beiden genannten Regime oder bei Nicht-Verfügbarkeit von Pylera®: PPI plus Amoxicillin, Levofloxacin (PPI-AL).

Therapie des Eradikationsversagens (Tab. 3) [2–5]: Generell ist diese abhängig vom verwendeten Primär-regime, weshalb keine allgemeine Empfehlung abge-geben werden kann, spätestens hier sollte obligat eine Resistenztestung vorab erfolgen! Bei ein-/mehrmali-ger erfolgloser Eradikation steigen die Resistenzraten dramatisch an (Abb. 2). Mittlerweile wird bei fehlen-der Resistenzinformation empfohlen, eines der beiden verbliebenen genannten Regime zu verwenden. Sollte dies nicht ausreichen, so kann (selten) auf eine zehn-tägige Kombination mit PPI-Amoxicillin-Rifabutin oder die hochdosierte dreimal tägliche duale Thera-pie mit PPI-Amoxicillin für zwei Wochen zurückge-griffen werden.

Aus klinischer Erfahrung kann man schlussfol-gern, dass jugendliches Alter, aktives Rauchen und

Tab. 3: Auswahl der Therapieregime

Keine Einschränkungen

Penicillin-/Makrolid-Allergie

Geringe Compliance* NUD-Diagnose, Alter <50, aktives Rauchen**

Antibiotische Vortherapien/Eradikationsversagen

1. Wahl PPI-ACM (7 Tage) PPI-Pylera® (10 Tage) PPI-ACM (5–7 Tage) PPI-ACM (7–10 Tage) Entscheid in Abhängigkeit der Resistenztestung***

2. Wahl PPI-Pylera® (10 Tage) PPI-CM (10 Tage) bei Penicillin-Allergie

PPI-Pylera® (7–10 Tage)

PPI-Pylera® (10–14 Tage) PPI-Pylera® (10 Tage)

PPI-AL (10 Tage) bei Makrolid-Allergie

3. Wahl PPI-AL (10 Tage) PPI-AL (≥10 Tage) PPI-AR (10 Tage) oder HD-PPI-A (14 Tage)

* Kann durch zu geringe Motivation bedingt sein, aber auch durch Erfahrungen mit Verträglichkeit aus früheren Behandlungen, eine kurze Therapiedauer / ausführliche Erläuterung der Nebenwirkungen durch den Arzt/begleitende Probiotikaeinnahme (Diarrhoeprophylaxe) fördert die Compliance

** Sind zwei oder drei dieser Risikofaktoren vorhanden, steigt das Risiko für ein Eradikationsversagen, daher Empfehlung für längere Therapiedauer, wo möglich*** Essenziell ist die Prüfung auf Makrolid-/Fluorchinolonresistenz – Makrolidresistenz: Empfehlung für PPI-AL (10 Tage) oder PPI-Pylera® (10 Tage) – Fluorchinolonresistenz: Empfehlung für PPI-ACM (7 Tage) oder PPI-Pylera® (10 Tage) – Makrolid-/Fluorchinolonresistenz (Doppelresistenz): PPI-Pylera® (10 Tage) – Generell gilt: Auch wenn die Resistenzsituation es erlauben würde, sollte man nicht zweimal hintereinander dasselbe Regime verwenden!

mod

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[3]

Abb. 2: Resistenzinduktion nach einmaligem bzw. mehrmaligem Therapieversagen

Quadrupel-Resistenzen von MTZ /CLA /FLQ/Rifabutin bei 0,6% der Patienten

Unbehandelt(n=622)

Eine Behandlung(n=125)

Mehrere Behandlungen(n=134)

Resi

sten

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en (%

)

100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0

Fluorochinolon Metronidazol Clarithromycin Metronidazol plus Clarithromycin Metronidazol plus Clarithromycin plus Fluorochinolon

nach

[6]

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MP MEDICPCME-FORTBILDUNG

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eine nicht-Ulkus-assoziierte H. pylori-Infektion Anlass geben sollten, die Therapiedauer eher zu ver-längern (5–10% Zugewinn an Erfolgsrate). Umge-kehrt sollte man unbedingt bei schlechter Compliance darauf achten, ein möglichst kurzdauerndes/einfach einzunehmendes Regime zu wählen. Muss der Patient beim PPI-Pylera®-Regime 20 + 120 Tabletten in zehn Tagen einnehmen, bei der «concomitant» Vierfacht-herapie jedoch nur 56 Tabletten über sieben Tage, ist die Präferenz klar gesetzt. Aus zahlreichen Studien ist bekannt, dass das PPI-Pylera®-Regime bei weniger als sieben Tage Einnahme dramatisch schlecht abschnei-det und das «concomitant» Regime bei weniger als fünf Tagen Therapiedauer an Wirksamkeit verliert.

Prof. Dr. med. Gerhard TreiberGastropraxis am Bahnhof AarauBahnhofstasse 885000 [email protected] Lehrbeauftragter der Klinik für Innere Medizin II,Universitätsklinikum des Saarlandes Kirrberger Strasse 100D-66421 Homburg /Saar

Literatur:1. Fischbach W, et al.: S3-guideline «helicobacter pylori and

gastroduodenal ulcer disease» of the German society for digestive and metabolic diseases (DGVS) in cooperation with the German society for hygiene and microbiology, society for pediatric gastroenterology and nutrition e. V., German society for rheumatology, AWMF-registration-no. 021/001. Z Gastroenterol 2009; 47(12): 1230−1263.

2. Malfertheiner P, et al.: Management of Helicobacter pylo-ri infection – the Maastricht V/Florence Consensus Report. Gut 2017; 66: 6–30.

3. Fischbach W, et al.: S2k-guideline Helicobacter pylori and gastroduodenal ulcer disease. Z Gastroenterol 2016; 54: 327–363.

4. Graham DY, Lee YC, Wu MS: Rational Helicobacter pylo-ri Therapy: Evidence-Based Medicine Rather Than Medici-ne-Based Evidence. Clin Gastroenterol Hepatol 2014; 12: 177–186.

5. Treiber G: Helicobacter pylori und gastroduodenales Ulkus. Ein aktualisierter Kommentar der deutschen S3-Leitlinie. Med Welt 2010; 61: 204−212.

6. Wüppenhorst N, et al.: Prospective multicentre study on antimicrobial resistance of Helicobacter pylori in Germa-ny. Journal of Antimicrobial Chemotherapy 2014; 69(11): 3127–3133.

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CME-FORTBILDUNG

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HAUSARZT PRAXIS 2018; Vol. 13, Nr. 9

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Fortbildungsfragen zu «Magen/Speiseröhre»1. Welche der folgenden Aussagen zur

Inzidenz des Ösophaguskarzinoms treffen zu? (alle gesuchten Antworten ankreuzen)

A Die Inzidenz des Ösophaguskarzinoms bleibt stabil.

B Die Inzidenz des Adenokarzinoms des Ösophagus nimmt in westlichen Ländern zu.

C Die Inzidenz des Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus bleibt absolut in etwa stabil.

D Die Inzidenz des Adenokarzinoms des Ösophagus hat einen Zusammenhang mit Adipositas und dem gastroösophagealen Reflux.

2. Welche Erkrankung ist nicht potenziell mit Helicobacter pylori assoziiert? (gesuchte Antwort ankreuzen)

A MagenulkusB KolondivertikuloseC DuodenalulkusD Magenkarzinom

3. Was stimmt betreffend Diagnostik? (gesuchte Antwort ankreuzen)

A Der Stuhl-Antigentest ist zur Eradikations-kontrolle geeignet.

B Helicobacter pylori verursacht ein ein-deutiges charakteristisches Muster in der Magenschleimhaut, ein bioptischer Test ist nicht nötig.

C Antibiotika und Protonenpumpenhemmer stören die Helicobacter-pylori-Diagnostik nicht.

D Eine Resistenztestung gelingt auch heutzutage nur bei ca. 10% der infizierten Patienten.

4. Welche Aussage zur Therapie ist korrekt? (gesuchte Antwort ankreuzen)

A Eine duale Therapie mit Protonenpumpen-hemmer/Amoxicillin ist auch heute noch Standard in der Primärtherapie.

B Die Kombination mit Protonenpumpen-hemmer-Amoxicillin-Levofloxacin wird nur in der Primärtherapie eingesetzt.

C Eine Resistenztestung muss nur bei zwei-maligem Therapieversagen durchgeführt werden.

D Quadrupeltherapien weisen durchgängig höhere Erfolgsraten auf als aktuelle Tripletherapieergebnisse.

5. Zur Festlegung des Tumorstadiums des Ösophaguskarzinoms erfolgt ein Staging. Welche der folgenden Aus-sagen sind korrekt? (alle gesuchten Antworten ankreuzen)

A Das Staging umfasst mindestens eine ÖGD mit Biopsien, ein CT Thorax-Abdomen und eine Endosonografie.

B Die Einteilung erfolgt nach den TNM- Stadien.

C Das Staging mittels CT Thorax-Abdomen ist genügend.

D Die ÖGD hat die höchste Sensibilität und Spezifität für Neoplasien des oberen Gastrointestinaltrakts.

6. Eine Aussage zur Nachsorge des therapierten Ösophaguskarzinoms trifft am besten zu. Welche ist es? (gesuchte Antwort ankreuzen)

A Die Nachsorge des therapierten Ösophaguskarzinoms ist standardisiert.

B Generell macht eine Nachsorge beim therapierten Ösophaguskarzinom keinen Sinn.

C Die Nachsorge des therapierten Ösophaguskarzinoms ist individuell.

D Symptome haben in der Nachsorge des Ösophaguskarzinoms keinen Stellenwert.

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MP MEDICPAKTUELL

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Pfefferminz- und Kümmelöle sind seit jeher bewährte Natur-heilmittel bei Magen-Darm-Beschwerden, auch bei Übelkeit, Bauchkrämpfen und Schmerzsymptomen finden sie Anwen-dung. Jedoch fehlte häufig noch der wissenschaftliche Nach-weis für die Wirksamkeit der ätherischen Öle – der Wirk-mechanismus bleibt weiterhin unbekannt. Dennoch zeigen mehr und mehr klinische Studien sowie Metaanalysen, dass insbesondere das Pfefferminzöl einen symptomreduzierenden Einfluss beispielsweise auf das Reizdarm­Syndrom oder bei funktioneller Dyspepsie hat.

Les huiles de menthe poivrée et de carvi sont depuis toujours médicaments naturels éprouvés pour les troubles gastro- intestinaux, elles sont également utilisées pour les nausées, les crampes d’estomac et les symptômes douloureux. Il manque cependant des études scientifiques sur l’efficacité des huiles essentielles – le mécanisme d’action reste toujours inconnu. Toutefois de plus en plus d’études cliniques et de méta-analyses montrent en particulier que l’huile de menthe poivrée a un effet réducteur des symptômes, par exemple dans le syndrome de l’intestin irritable ou dans la dyspepsie fonctionnelle.

Therapeutische Wirkung ätherischer ÖleAction thérapeutique des huiles essentielles

Pfefferminz- und Kümmelöle bei Magen-Darm-Beschwerden Huiles de menthe poivrée et de carvi dans les troubles gastro-intestinaux

■■ (mm) Hauptwirkstoff im Pfefferminzöl ist das Men-thol. Dieses hat bekanntlich einen kühlenden Effekt auf der Haut und wirkt im Körperinneren, z. B. inner-halb des Darms, spasmolytisch, anti-inflammatorisch und antibakteriell. Allerdings muss das ätherische Öl dazu magensaftresistent verpackt werden, um den Ort des Geschehens, nämlich den Dünn- und Dickdarm, überhaupt in aktiver Form erreichen zu können [1]. Geschieht dies nicht, wird das Menthol im oberen Ver-dauungstrakt freigesetzt und wirkt dort beispielsweise beruhigend auf den unteren Ösophagussphinkter ein. In der Folge kommt es zum Reflux aus dem Magen, zu Sod- und «Herzbrennen» [1]. Dies sind schliesslich auch die häufigsten zu erwartenden Nebenwirkungen der Pfefferminzöl-Einnahme bei Magen-Darm-Prob-lemen [1].

Physiologie des PfefferminzölsPfefferminzöl interagiert im Darm mit Kalziumka-nälen und verhindert dort einen Kalziumeinstrom in die Muskelzellen der glatten Muskulatur. Der Darm relaxiert, wodurch ebenso die Bewegungen und damit verbundenen Schmerzsymptome nachlassen [1]. Dar-über hinaus ist Pfefferminzöl (Menthol) in der Lage, Cytokine und Entzündungssignalwege zu beeinflus-sen, was seine anti-inflammatorische und antibakte-riel le Wirkungsweise erklärt. Pfefferminzöl ist z.B. wirksam gegen Helicobacter pylori, Salmonella ente-ritidis sowie gegen Staphylococcus aureus, wie Studien belegen [1].

Abb. 1: Pfefferminze

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HAUSARZT PRAXIS 2018; Vol. 13, Nr. 9 AKTUELL

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Wirksamkeit beim ReizdarmsyndromEtwa 5–20 % der Weltbevölkerung leiden unter funk-tionellen Darmbeschwerden, wie beispielsweise dem Reizdarmsyndrom. Klinisch betrachtet, bezeichnet der Terminus «Reizdarm» wiederkehrende abdomi-nale Beschwerden, die sich in der Regel als Schmer-zen oder Unwohlsein manifestieren. Die Symptome müssen zudem an mindestens drei Tagen monatlich während eines Zeitraums von drei Monaten aufgetre-ten sein, um nach Ausschluss aller infrage kommenden Differenzialdiagnosen von einem Reizdarm sprechen zu können [1]. Sehr häufig treten zudem eines oder mehrere der folgenden Symptome auf: – ein Nachlassen der Schmerzen nach dem Stuhlgang, – Veränderungen der Stuhlfrequenz und/oder – eine Änderung der Stuhlbeschaffenheit [1].

Aufgrund seiner nicht selten zu findenden Verge-sellschaftung mit psychischen Symptomen, wie Angst oder Depression, gehört das Reizdarmsyndrom zu den komplexeren Krankheitsbildern, deren Therapie kei-nesfalls trivial ist [1].

Pfefferminzöl wird bereits seit Jahren als ein wirksames und gut verträgliches Naturheilmittel für Pa tien ten mit Reizdarmsyndrom diskutiert. Den bis-her überzeugendsten Nachweis der Wirksamkeit lie-ferte eine Metaanalyse von Khanna und Kollegen [2]. In fünf randomisierten plazebokontrollierten Studien zeigte sich demnach eine generelle Verbesserung der Reizdarmsymptome bei Einsatz von Pfefferminzöl (RR = 2,23; 95 %-KI: 1,78–2,81). Darüber hinaus bes-serten sich insbesondere die abdominalen Schmer-zen bei den Studienteilnehmern (RR = 2,14; 95 %-KI: 1,64–2,79) [2]. Aufgrund dieser guten Studienlage schloss auch die «American College of Gastroente-rology Task Force», dass Pfefferminzöl bei Reizdarm einer reinen Placebobehandlung überlegen sei [3].

Schlussfolgerung: Pfefferminzöl ist als Behand-lungsoption bei Reizdarm in Betracht zu ziehen. Begründet wird diese Aussage vor allem mit der gut belegten Kurzzeitwirksamkeit der Therapie und den damit verbundenen nur geringen Nebenwirkungen, wie beispielsweise Sodbrennen [1].

Wirksamkeit bei funktioneller DyspepsieDie Diagnose «funktionelle Dyspepsie» ist häufig für beide Seiten, Arzt und Patienten, recht frustrierend. Die Symptomlage kann sehr heterogen sein, reicht von Schmerzen, über Völlegefühl bis zur vermehrten Gasbildung, und oftmals dauert es Jahre, bis die Diag-nose überhaupt gestellt werden kann. Ebenso schwie-rig gestaltet sich die Therapie dieses Krankheitsbildes, denn einen wirklichen Therapiestandard gibt es bis heute nicht [1]. Studien zeigten jedoch, dass eine Kom-bination aus Pfefferminzöl und Kümmelöl die Symp-tome bei funktioneller Dyspepsie zu lindern vermag – insbesondere Schmerzen und Unwohlsein [1]. Mög-licherweise wird dieser Effekt durch die schaumhem-mende Wirkung der Kombination aus Pfefferminz- und Kümmelölen verursacht [4].

FazitPfefferminzöl hatte in bisherigen Studien einige viel-versprechende Wirkungen in der Gastroenterologie

gezeigt. Demnach scheint es eine sichere und gut ver-trägliche Therapieoption zu sein, insbesondere für Patienten mit Reizdarm-Syndrom oder funktioneller Dyspepsie [1]. Seinen Haupteffekt entfaltet das Pfef-ferminzöl, respektive Menthol, bei den durch Motili-tätsstörungen verursachten Symptomen wie Schmer-zen oder Unwohlsein. Pfefferminzöl fördert die Relaxation des Magen-Darm-Traktes und begünstigt dadurch dessen Entleerung.

Für Patienten mit funktioneller Dyspepsie bringt das Pfefferminzöl Studien zufolge zusätzliche Erleich-terung aufgrund seiner Anti-Emese-Wirkung. In Kombination mit Kümmelöl kann zudem die Schaum-bildung im Magen-Darm-Trakt merklich reduziert werden. Die ätherischen Öle aus der Pfefferminze und dem Kümmel sind nach derzeitiger Studienlage also durchaus gute Kandidaten zur Therapie funktio-neller Darmbeschwerden wie Reizdarm oder funktio-neller Dyspepsie.

Literatur:1. Shams R, Oldfield EC, et al.: Peppermint Oil: Clinical Uses

in the Treatment of Gastrointestinal Diseases. JSM Gastro-enterol Hepatol 2015; 3(1): 1036.

2. Khanna R, MacDonald JK, Levesque BG: Peppermint oil for the treatment of irritable bowel syndrome: a systema-tic review and metaanalysis. J Clin Gastroenterol 2014; 48: 505–512.

3. Ford AC, Moayyedi P, et al.: American College of Gastro-enterology monograph on the management of irritable bowel syndrome and chronic idiopathic constipation. Am J Gastroenterol 2014; 109 (1): 2–26.

4. Koch E, Brauch S, et al.: Z Phytother 2015; 36 (1): 34–35 (Poster P11) DOI: 10.1055/s-0035-1565972.

Abb. 2: Schwarzkümmel

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MP MEDICPKONGRESS

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Die Mehrheit der Inzidentalome der Hypophyse sind gutartige Adenome. Für die korrekte Diagnosestellung und Behandlung ist eine sorgfältige und interdisziplinäre Abklärung essenziell. Handelt es sich um Hypophysen-Adenome, ist die Unter-scheidung zwischen hormonsezernierenden und hormon-inaktiven Inzidentalomen behandlungsrelevant. Dr. med. Oliver Tschopp, Oberarzt an der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Klinische Ernährung des Universitätsspitals Zürich, informierte im Rahmen der Medidays über wichtige Aspekte und Fallstricke während der Abklärung.

La plupart des incidentalomes de l’hypophyse sont des adénomes. Une évaluation interdisciplinaire et soigneuse est essentielle pour pouvoir poser un diagnostic correct. S’agissant des adénomes hypophysaires, la différence entre les inciden talomes hormonosécréteurs et non sécréteurs est importante pour le traitement. Dans le cadre des Medidays, le Dr Oliver Tschopp, médecin-chef à la Clinique d’endocrinologie, diabétologie et nutrition clinique de l’Hôpital universitaire de Zurich, a présenté les aspects les plus importants dans ce contexte et les pièges diagnostiques.

Medidays Zürich Medidays Zurich

Aktuelles zur Abklärung von Inzidentalomen der Hypophyse L’actualité sur l’évaluation des incidentalomes de l’hypophyse

■■ (mp) Bei Inzidentalomen handelt es sich um Läsio-nen, die zufällig im Rahmen von bildgebenden Unter-suchungen bei anderen Erkrankungen oder unspezi-fischen Symptomen (z.B. Kopfschmerzen) gefunden werden. Die Prävalenz von Inzidentalomen der Hypo-physe variiere in Abhängigkeit der Studiendaten (CT, MRI, Autopsie) und liege im Bereich von 4-40%, wobei die Grösse mehrheitlich unter 10 mm liege, so Dr. med. Tschopp. Bei der überwiegenden Mehrheit der Hypophysen-Inzidentalome handelt es sich um Adenome, also um gutartige Tumoren der parenchy-matösen Zellen des Hypophysenvorderlappens [1]. Der Referent betont jedoch, dass die Differenzialdi-agnostik sehr breit ist und die Zusammenarbeit zwi-schen Endokrinologen und Neuroradiologen wichtig sei. Die Ätiologie umfasse weitere Neoplasien (z.B. Craniopharyngeome, Germinome, Metastasen oder Lymphome, sehr selten Karzinome), entzündliche/gra-nulomatöse Erkrankungen (Neurosarkiodose, Histio-zytose, Abszess, Hypophysitis) sowie zystische Verän-derungen (Rathke-Zysten, Kolloid-Zysten).

Klinische Leitlinien Gemäss klinischer Leitlinien sollte neben einer ziel-gerichteten, sellären Bildgebung bei allen Patienten mit einem Inzidentalom der Hypophyse (einschliess-lich jenen ohne Symptome) folgende Abklärung vor-genommen werden [2]: 1. Klinische Untersuchung und Laboruntersuchung

bezüglich hormoneller Unterfunktion (Hypophy-seninsuffizienz)

2. Klinische Untersuchung und Laboruntersuchung bezüglich hormoneller Überfunktion (Hormon-Hypersekretion)

Die Diagnosestellung sollte sich an folgenden drei Leitfragen orientieren: a) Gibt es einen Masseneffekt?

(Kopfschmerzen, Gesichtsfeldausfälle durch Kom-pression des Chiasma opticum oder Doppelbilder?)

b) Gibt es Evidenz für eine Hypophysen-Insuffizienz? (Vorderlappen-Insuffizienz und/oder Diabetes insi-pidus?)

c) Handelt es sich um ein hormonsezernierendes Adenom? (Cushing-Syndrom, Akromegalie oder Hyperpro-laktinämie?)

Abkürzungen

CT: ComputertomografieMRJ: MagnetresonanzimagingGH: Growth HormoneIGF-1: Insulin-like-growth-factor ITSH: ThyrotropinfT4: freies ThyroxinLM: Luteinisierendes HormonFSM: Follikelstimulierendes HormonACTM: Adenocorticorticotropes HormonADH: Antidiuretisches Hormon

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HAUSARZT PRAXIS 2018; Vol. 13, Nr. 9 KONGRESS

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Gibt es Evidenz für eine Hypophyseninsuffizienz? Die Symptome einer Hypophyseninsuffizienz sind oft unspezifisch (z.B. Erschöpfung, verringerte Leis-tungsfähigkeit u.a.) und treten teils schleichend über Monate oder Jahre auf (Tab. 1). Hypophysen-Ade-nome sind die häufigste Ursache einer Hypophysen-insuffizienz, wobei dies vor allem für Makroadenome gilt [5]. Besteht ein Verdacht auf eine Hypophysen-insuffizienz sollten zur erweiterten Diagnostik die peripheren Hormone (Cortisol, fT4, Testosteron/Est-radiol, IGF1) gemessen werden. Die ausschliessliche Bestimmung der hypophysären Hormone (ACTH, TSH, LH/FSH, GH) ist unzuverlässig, da diese oft im Normbereich liegen («inadäquat-normal») und eine intakte Hormonachse suggerieren, so Dr. med. Tschopp. Bei Verdacht auf eine hypophysäre Über- oder Unterfunktion aufgrund eines Hypophysen-Ade-noms können folgende Baseline-Parameter bestimmt werden: *Cortisol, GH, *IGF-1, TSH, *fT4, LH/FSH, *Testosteron/Östradiol und Prolaktin [1] (*gemäss Referent die wichtigsten Hormone für die Diagnose einer Insuffizienz).

Die Blutentnahme zur Diagnostik sollte unbedingt am frühen Morgen erfolgen, da speziell Cortisol und Tes-tosteron einer starken zirkadianen Rhythmik unter-liegen. Bei nicht eindeutigen Befunden können wei-tere Tests erforderlich sein, welche meist durch einen Facharzt Endokrinologie durchgeführt werden [5]. Es wurde speziell darauf hingewiesen, dass die Messung des Cortisol am Morgen ein geeigneter Parameter bei einer Nebenniereninsuffizienz ist, jedoch keine zuver-lässige Aussagekraft besitzt bezüglich einer Überfunk-tion (Morbus Cushing); es gibt starke überlappende Werte bei Gesunden und Patienten. Es ist zudem zu beachten, dass ein Diabetes insipidus mit Polyurie/-dipsie kein typischer Befund bei Hypophysenade-nomen darstellt, vielmehr sollte dies die differenzi-aldiagnostische Abklärung in eine andere Richtung lenken (Kraniopharyngeom, Germinom, granuloma-töse Erkrankungen).

Handelt es sich um ein hormonsezernierendes Adenom? Prolaktin und IGF-1 sind aussagekräftige Parameter in der Diagnostik einer Überfunktion. Sind die Prolak-tinwerte normal, kann ein Prolaktinom ausgeschlos-sen werden. Sind die IGF-Werte nicht erhöht, kann eine Akromegalie mit hoher Wahrscheinlichkeit aus-geschlossen werden. Morbus Cushing: Für die Diagnose eines Morbus Cushing sind weitere Untersuchungen erforder-lich: Neben der Bestimmung der Cortisolmenge im 24h-Sammelurin, kann die zirkadiane Rhythmik mit-tels Messung des Cortisols im Speichel um Mitter-nacht untersucht werden oder die Regulation der Cortisol-Eigenproduktion überprüft werden (Dexa-methason-Suppressionstest, 1 mg overnight). Es sollte berücksichtigt werden, dass erhöhte Cortisolspiegel und pathologische Testresultate im Rahmen weiterer Erkrankungen gefunden werden können (z.B. Pseudo-Cushing bei Alkoholabhängigkeit, Depression, Hyper-glykämie, Stress, Infekt). Wichtig zu beachten sei,

dass erhöhte basale Cortisolspiegel kein Beweis für das Vorliegen eines Cushing-Syndromes sei und im Falle eines normalen basalen Cortisolwertes ein Cus-hing-Syndrom nicht ausgeschlossen werden kann. Bei Patienten, bei denen zuerst der klinische Verdacht auf ein Cushing-Syndrom besteht, sollte primär die oben erwähnte Diagnostik durchgeführt werden und erst bei Bestätigung des Exzesses eine hyperphysäre Bild-gebung angestrebt werden. Akromegalie: Eine Akromegalie ist ebenfalls eine sel-tene Erkrankung. Klinische Merkmale einer Akrome-galie umfassen unter anderem (unvollständig): ver-änderte Gesichtszüge, Vergrösserung der Hände und Füsse, Schlafapnoe-Syndrom, Arthritis, Karpaltunnel-syndrom, Hyperhidrosis, hoher Blutdruck und -zucker. Die Diagnose einer Akromegalie wird aufgrund des langsamen Krankheitsverlaufes oft erst nach einem Zeitraum von etwa zehn Jahren diagnostiziert und könne laut Referent zu einer deutlichen Reduktion der Lebenserwartung führen. Bei Patienten mit typi-schen klinischen Merkmalen einer Akromegalie wird empfohlen, als Screening den IGF-1-Spiegel zu bestim-men. Bei Patienten mit einem Inzidentalom wird eben-falls eine Messung der IGF-1-Spiegel empfohlen, um eine Akromegalie bei oligosymptomatischen Patien-ten sicher auszuschliessen. Bei starken Hinweisen auf

Tab. 1: Basisdiagnostik beim Verdacht auf eine Hypophysen-vorderlappeninsuffizienz

Funktionsstörung Basisdiagnostik Anmerkung

ACTH-Mangel

Symptome: Erschöpfung, Müdig-keit, Anorexie, Gewichtsverlust, Schwindel, selten Hypoglykämie selten: Hypoglykämie

Cortisol im Serum (8.00 Uhr)

Bei komplettem Man-gel: deutlich erniedrigt, Normalwert schliesst partiellen ACTH-Mangel nicht aus

TSH-Mangel

Symptome: Erschöpfung, Kälte-empfindlichkeit. verringerter Appe-tit, Verstopfung

fT4 und TSH fT4 bei zentraler Hyo-thyreose erniedrigt, TSH häufig im Normbereich oder allenfalls leicht erhöht.

LH-/FSH-Mangel

Symptome bei Frauen: unregel mässige Menstruation, Amenorrhoe, Unfruchtbarkeit, Osteoporose

Bei der Frau: Estradiol LH, FSH

Estradiol erniedrigt, LH und FSH häufig tief normal. Kein Anstieg der Gonadotropine nach der Menopause.

Symptome bei Männern: Erschöpfung, Libidoverlust, erektile Dysfunktion, Unfruchtbar-keit, Osteoporose

Beim Mann: Testosteron LH, FSH

Testosteron erniedrigt, Gonadotropine, LH und FSH häufig tief normal.

GH-Mangel

Symptome bei Kindern: kleine Körpergrösse Symptome bei Erwachsenen: verringerte körperliche Leistung, reduzierte Muskelmasse, ver-mehrtes Bauchfett, Übergewicht Körpermitte

IGF-1 Altersentsprechend erniedrigtes IGF-I weist mit hoher Sicherheit auf GH-Mangel hin. Normales IGF-1 schliesst GH-Mangel nicht aus.

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MP MEDICPKONGRESS

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eine Akromegalie, kann die Verdachtsdiagnose durch einen GH-Suppressiontest (oraler Glukosetoleranz-test mit 75 g Glucose) bestätigt werden. Prolaktinämie: Prolaktinome sind relativ häufig und machen etwa 30-40% aller Hypophysen-Adenome aus. Prolaktinome stellen einen Sonderfall von Hypophy-sen-Adenomen dar, da Prolaktinome meist sehr gut medikamentös therapiert werden können (Dopamin-rezeptoragonisten, z.B. Cabergolin). Es wurde betont, dass ein erhöhter Prolaktinwert bei einem Inzidenta-lom nicht automatisch für ein Prolaktinom spricht, dif-ferenzialdiagnostisch ist an eine Enthemmungs-Hyper-prolaktinämie (Stiel-Kompression bei Mikroadenom) zu denken. Eine wichtige Ursache einer Hyperprolak-tinämie sind Medikamente und eine sorgfältige Ana-mnese ist diesbezüglich unerlässlich. Bei folgenden Medikamenten finden sich gelegentlich erhöhte Pro-laktin-Werte; antipsychotische Medikamente, selek-tive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), Medikamente zur Behandlung von Nausea und Moti-litätsstörungen des Magens. Eine unvollständige Medi-kamentenanamese resp. Nicht-Angabe durch den Pati-enten führt häufig zu Befunden einer unklaren und transienten Hyperprolaktinämie. Es wird empfohlen, vor dem Start einer Therapie mit antipsychotischen Medikamenten eine Baseline-Bestimmung des Prolak-tins durchzuführen, da dieser Wert im Verlauf dazu beitragen kann, die Ursache einzugrenzen und unnö-tige Abklärungen zu vermeiden.

Aufgrund der Komplexität der Erkrankung ist eine interdisziplinäre Betreuung der Patienten durch Neu-rochirurgen, Neuroradiologen, Endokrinologen, Oph-thalmologen und Radioonkologen in einem Zentrum mit hohen Fallzahlen empfohlen. Hierfür bietet das Universitätsspital Zürich niedergelassenen Kollegen die Möglichkeit an, eigene Fälle am Interdisziplinären Hypophysen-Board vorzustellen.

Quelle: Medidays, 3.–6. September 2018, Zürich

Literatur:1. Maldaner N, et al.: Modern Management of Pituita-

ry Adenomas – Current State of Diagnosis, Treatment and Follow-up. Praxis 2018; 107(15): 825-835. doi: 10.1024/1661-8157/a003035.

2. Freda PU, et al. : Pituitary incidentaloma : an endocrine society clinical practice guideline. J Clin Endocrinol Metab 2011 ; 96(4) : 894-904. doi: 10.1210/jc.2010-1048.

3. Molitch ME: Nonfunctioning pituitary tumors and pituita-ry incidentalomas. Endocrinol Metab Clin North Am 2008; 37: 151–171.

4. Molitch ME: Pituitary tumours: pituitary incidentalomas. Best Pract Res Clin Endocrinol Metab 2009; 23: 667–675.

5. Möller-Goede DL, Sze L, Schmid C: Hypophyseninsuffizi-enz. Swiss Med Forum 2014; 14(49): 927-931.

6. Lake MG, Krook LS, Cruz SV: Pituitary adenomas: an over-view. Am Fam Physician 2013; 88: 319–327.

Tab. 2: Klassifikation und diagnostische Tests von Hypophysen-Adenomen

Adenomtyp Hormonsekretion Klinisches Syndrom Diagnostische Tests

Kortikotropes Adenom ACTH Morbus Cushing Dexamethason-Hemmtest (1 mg overnight)

Cortisol im Speichel um Mitter-nacht

Cortisol-Menge im 24-h-Samme-lurin

Wachstumshormon- produzierendes Adenom

GH Akromegalie IGF-1 (Screening Test)

GH-Suppressionstest als Gold-Standrad

Gonadotropes Adenom FSH/LH Klinisch endokrin-inaktiv

Hormoninaktives Adenom Keine Klinisch endokrin-inaktiv

Prolaktinom Prolaktin Hyperprolaktinämie Prolaktin

Thyreotropes Adenom TSH Zentrale Hyperthyreose fT4/TSH Serum

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Page 47: Ausgabe 9 · September 2018 ·

HAUSARZT PRAXIS 2018; Vol. 13, Nr. 9 DIGITAL

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Medial tritt der Begriff Blockchain vor allem im Zusammen-hang mit Kryptowährung auf, deren Potenzial, Instant- Millionäre hervorzubringen und auch innerhalb weniger Tage enorme Werte zu vernichten, für Aufmerksamkeit sorgt. Block-chain-Technologie ist allerdings mehr als Kryptowährung, sondern ein grundlegendes technologisches Konzept mit einer prophezeiten Durchschlagkraft, die die Art und Weise, wie Geschäfte und Datentransfer abgewickelt werden, grundle-gend verändern wird.

Dans les médias, le concept de blockchain attire surtout l’attention par rapport à la cryptomonnaie, dont le potentiel est de créer des millionnaires en un instant mais également de détruire énormément de valeur en peu de jours. La technologie blockchain est en fait plus qu’une cryptomonnaie: c’est un concept technologique fondamental doté d’un impact configuré pour prévoir l’art et la manière dont les opérations et les transmissions de données réalisées peuvent être foncièrement modifiées.

Blockchain im GesundheitswesenLa blockchain dans le domaine de la santé

Disruption Block by Block Disruption Block by Block

■■ (kh) Vordenker eines elektronischen Bezahlsystems, das ohne autoritäre Instanzen wie Banken auskommt, war 2008 Sakoshi Nakamoto (Pseudonym) [1]. Meh-rere Technologiekonzepte wurden unter dem Begriff Blockchain zusammengefasst, deren erste Implemen-tation im Jahr 2009 startete und mit der Kryptowäh-rung Bitcoin von sich Reden machte. Seit dieser Initialzündung werden Blockchain-Konzepte weiter-entwickelt und unter neuen Sammelbegriffen bekannt, so beispielsweise Etherium. Mit Etherium wurde nicht nur die neue Kryptowährung Ether realisiert, sondern auch die Möglichkeit von so genannten Smart Con-tracts [2]. Dabei handelt es sich um automatisierte, an Transaktionen bzw. Ereignisse gekoppelte Vertragser-füllungen. In den Medien präsent war die Blockchain seitdem vorwiegend mit den Tauschwertturbulenzen um verschiedene Kryptowährungen.

Disruptives Potenzial Das Potenzial der Blockchain-Technologie offen-bart sich in einer Betrachtung der Probleme, die sie ursprünglich lösen sollte. Dabei handelte es sich damals, 2008, vor allem um Themen der Transaktions-sicherheit und des digitalen Identitätsmanagements. Es wurden verschiedene Funktionsprinzipien zu einer technischen Lösung kombiniert, die als Blockchain-Technologie bezeichnet wird (siehe Kasten «Grund-prinzipien der Blockchain-Technologie»). Im Detail unterscheiden sich allerdings verschiedene Block-chain-Technologien. Ihre Bedeutung für die digitale Sicherung von Eigentumsrechten und die kosteneffi-ziente Abwicklung von Transaktionen stellen wesent-liche Wirtschaftsfaktoren dar, von denen auch das Gesundheitswesen und die Pharmaindustrie profitie-ren (können).

Dabei sind Gegenstände von Transaktionen nicht nur Währungen, sondern können immaterielle Eigen-tums- bzw. Zugangsrechte jeder Art sein, beispiels-weise Nutzungsrechte, Verwertungsrechte, Zugangs-codes zu physischen Entitäten wie Gebäuden oder Fahrzeugen oder Daten (z.B. digitale Patientenakten bzw. der Zugang zu diesen). Weitere Beispiele sind Stimmrechte oder Zertifikate und sonstige Bescheini-gungen.

Akteure in Blockchain-Transaktionen können auch Maschinen oder Dinge sein, die Informationen in Netzwerke kommunizieren, das so genannte Inter-net of Things (IoT) – eine Kurzumschreibung für Maschine-zu-Maschine-Kommunikation, bei der über Sensoren an nicht-funktionalen Gegenständen oder in Maschinen und Geräten aufgenommene Zustands-

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oder Umweltdaten an andere Maschinen übermittelt werden.

Anwendungsfälle im GesundheitswesenBlockchain-Technologie ist noch jung und deshalb noch nicht so weit verbreitet. Es gibt jedoch bereits eine ganze Reihe international tätiger Start-ups, die verschiedene Anwendungsfälle adressieren (Tab. 1).

Nur ein Teil der Anwendungsfälle betrifft die Patientendaten bzw. die elektronische Patientenakte selbst: Ziel des vom MIT media Lab (USA) initiier-ten MedRec-Projekts ist, dass Patienten selbstbe-stimmt ohne Beteiligung Dritter den Zugang auf alle oder einen Teil der Daten ihrer Akte gewähren kön-nen. Michael Müller, Universitäre Psychiatrische Kli-nik Basel, führte in seinem Vortrag beim diesjährigen Swiss eHealth Forum in Bern weitere hypothetische Anwendungsfälle aus [4]: – Eine EPD-Registry, ein Inhaltsverzeichnis des Elek-tronischen Patienten-Dossiers (EPD), in dem die Archive der verschiedenen Patientendokumente verwaltet werden, ohne dass diese einen zentralen Speicherort haben müssten, und

– die Aufzeichnung/Dokumentation von Aktivitäten im EPD über die gesamte Lebensdauer der Akte.

Vorreiter Blockchain-gesicherter Patientenakten ist Estland, wo Technologie von Guardtime im Einsatz ist [5]. Dass die Services im Bereich der EPD vielfältig erweitert werden können, zeigt die Entwicklung von simplyVitalHealth, die neben verschiedenen Analyse- auch Kommunikationsfunktionen zur Interaktion der Leistungserbringer untereinander enthält. Interdiszip-linärer Datenaustausch, Kommunikation und Pflege-Audit sollen so eine zentrale Plattform finden.

ScalaMed hat sich das Ziel gesetzt, Medikamen-tenmissbrauch, Mehrfach- /Falschverschreibungen und Aufwand für verlorene Rezepte mit einem Tool einzudämmen, mit dem Patienten, Ärzte, Apotheken und Kostenträger interagieren können. Die Lösung: eine Rezept-Verschreibungsapplikation. TheLink-Lab befasst sich mit dem elektronischen Manage-ment verschreibungspflichtiger Medikamente von der Verschreibung und Bestellung via Grosshandel und Apotheke zum Patienten. Die Lieferkette für Phar-maprodukte nimmt auch das Zürcher Unternehmen Modum ins Visier, und zwar mit Hilfe des Internet of Things. Die Temperatur während des Transports sensibler Pharmaprodukte wird getrackt und in einer Blockchain dokumentiert und zertifiziert.

Die Auswahl von Anwendungsfällen in Tabelle 1 zeigt einen kleinen Querschnitt von Einsatzge-bieten von Blockchain-Technologie am Beispiel des Gesundheitswesens. Die meisten dieser Bei-spiele lassen sich in andere Wirtschaftssegmente mit technisch vergleichbaren Anwendungsfällen transfe-rieren.

Junge Technologie mit UnwägbarkeitenKennzeichnend für die Blockchain-Start-up-Szene ist ihre hohe Dynamik, die zurzeit noch von fortlaufen-den Geschäftsmodellwechseln bzw. -modifikationen, unausgereifter Technologie und zum Teil auch Leis-tungsversprechen ohne reale Fundierung geprägt ist.

Grundprinzipien der Blockchain-Technologie1. Public-Key-Verschlüsselungsverfahren, bei dem einzelne Nutzer ihre öffentli-

chen (digitalen) Schlüssel (Abfolge von Zeichen) den Transaktionspartnern übermitteln. Absender agieren mit privaten Schlüsseln (so genannte asymme-trische Verschlüsselung, die Anonymität gewährt).

2. Dokumentation von Transaktionen in miteinander verbundenen Datenblöcken (Blockchain) über Hashes (dabei handelt es sich um berechnete Ziffernfolgen, deren Werte Zeichenketten darstellen). Dabei werden die Hashes des vorange-gangenen Blocks jeweils im aktuellen Block aufgenommen, was dafür sorgt, dass jede einzelne Transaktion beginnend beim ersten Block, dem Genesis-Block, als Historie unveränderbar gespeichert und nachprüfbar ist (Abb. 1).

3. Dezentralität: Die Blockchain, in der alle Transaktionsvorgänge zwischen Nutzern gespeichert sind, wird nicht zentral gehostet, sondern von einem Peer-to-Peer-Netzwerk verwaltet und kontrolliert. Damit liegen alle Daten mehrfach vor und zentrale Angriffspunkte sind eliminiert. Also ist die Blockchain im Prin-zip öffentlich – wenn auch anonymisiert. Für die Peer-to-Peer-Netzwerke existie-ren unterschiedliche Grade der Öffentlichkeit (zugangsbeschränkte Konsortien, private, halbprivate und öffentliche Blockchains).

4. Distribution der Blockchain in einem Peer-to-Peer-Netzwerk stellt sicher, dass manipulierte Blocks als Fälschung entdeckt werden, da bei jedem Teilnehmer des Netzwerks Kopien existieren, welche transparent sind. Ein manipulierter Block würde die Blockchain unterbrechen. Eine Manipulation einer Blockchain ist theoretisch denkbar, aber praktisch kaum möglich [3].

5. Konsensbildungsalgorithmen (z.B. «Proof-of-work», «Proof of Stake» u.a.) ver-schlüsseln die Blocks und sorgen für dessen Validierung. Dies passiert in bestimmten Netzwerk-Knoten, den so genannten Minern (leistungsstarke Com-puter mit hohem Energiebedarf, die entsprechende Berechnungen durchfüh-ren). Diese Dienstleistung wird häufig über eine Kryptowährung finanziell kom-pensiert.

6. Smart Contracts erfüllen Verträge (oder Äquivalentes) automatisiert. Wenn eine bestimmte Transaktion zwischen zwei Parteien abgeschlossen ist, kann eine weitere Transaktion mit Hilfe dieses Smart Contracts automatisiert durchge-führt geführt werden. Damit kann Intelligenz in Form von ausführbaren Pro-grammen in die Blockchain eingebaut werden.

Abb. 1: Vereinfachte Darstellung des Hashings

Jeder Block wird mit einem einzigartigen Hash versehen. Jeder Block enthält zudem einen Header (Überschrift). Dieser Header enthält immer den Hash des vorherigen Blocks. Auf diese Weise werden die Blöcke zu einer Kette zusammengefügt.

nach

Wik

imed

ia

Block 1Header

Hash von vorhergehendem Block 0 Header

Hash-Baum von Transaktionen 1

Block 1Transkationen 1

Block 2Header

Hash von vorhergehendem Block 1 Header

Hash-Baum von Transaktionen 2

Block 2Transkationen 2

Block 3Header

Hash von vorhergehendem Block 2 Header

Hash-Baum von Transaktionen 3

Block 3Transkationen 3

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HAUSARZT PRAXIS 2018; Vol. 13, Nr. 9 DIGITAL

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Gemeinsam ist den Anwendungsfällen, dass sie sich zwar an der Blockchain-Basis-Architektur ori-entieren bzw. diese nutzen, im Detail aber mit einer wesentlich höheren technischen Systemkomplexität umgehen müssen. Blockchain ersetzt diese Komplexi-tät nicht. Die Blockchain-Architektur selbst ist zudem bereits in einem Prozess der Diversifizierung, was wei-tere Komplexitätsthemen aufwerfen kann. Gleich-zeitig ist die noch junge Technologie noch unreif, so dass in diesem frühen Stadium ihr Eingang in sensible Datennetzwerke häufig noch kritisch gesehen wird. Bekannte, noch nicht vollständig gelöste Probleme der Blockchain-Technologie betreffen beispielsweise

Infrastrukturen

Gem Entwickelt ein Blockchain-Framework für den Gesund-heitssektor, u.a. in Zusammenarbeit mit dem finni-schen Unternehmen Tieto ein System, das Patienten Kontrolle über ihre medizinischen und genetischen Daten gibt. https://enterprise.gem.co/health/

Curisium Smart Contracting für Dienstleistungen für Patienten basierend auf Gesundheitsdaten. https://www.curisium.com

Hyperledger Open-Source-Kooperation, im Bereich branchenüber-greifender Blockchain-Technologien für Finanz- und Bankwesen, Internet der Dinge, Lieferketten, Fertigung und Technologie. Es handelt sich um eine Zusammen-arbeit der Linux Foundation mit globalen Unternehmen wie IBM, Intel, Deutsche Bank, NEC, Cisco u.a. https://www.hyperledger.org

Elektronische Gesundheitsakten

Guardtime Applikationen und Kryptolösungen, die die Daten-integrität sensibler Patientendaten sicherstellen sollen. Grosse erfolgreiche Projekte in Estland und UK. https://guardtime.com

MedRec Über verschiedene Organisationen verstreute und zum Teil vergessene oder verlorene Patienten daten sollen als elektronische Patientenakten unter Kontrolle der Patienten gestellt werden. Im Gegenzug sollen Patienten anonymisiert Gesundheitsdaten zur Verfü-gung stellen. Diverse datenschutzrechtliche Fragen sind noch offen. https://medrec.media.mit.edu

Sicherheitsanwendungen im Internet of Things

Spiritus Blockchain-gesicherte Service-Daten-Dokumentation für Maschinen und Geräte. https://www.spirituspartners.com

Neuromesh Sicherheitslösungen und Künstliche Intelligenz für IoT-Geräte (Internet of Things). http://www.neuromesh.co

simplyVital-Health

Elektronische Patientenakte mit Funktionen wie Ana-lytics, Koordination und Kommunikation mit anderen Anbietern, Algorithmen, die Kosten fast in Echtzeit prognostizieren. Dokumentation der Pflege. https://www.simplyvitalhealth.com

Identitätsmanagement

Chronicled Betreibt ein dezentrales Protokoll und ein IoT-Netzwerk für die Lieferkette, um unternehmensüber greifende Vorschriften durchzusetzen, ohne dabei private Daten preiszugeben. Die Pharmaindustrie gehört zu den wichtigsten Kunden. https://chronicled.com

Lieferketten-Sicherheit

Modum Zürcher Start-up; misst die Temperatur trans portierter Medikamente. Eine Zusammenarbeit besteht u.a. mit Communications System Group (CSG) am Institut für Informatik der UZH, der Universität St. Gallen, der Schweizer Post sowie SAP. https://modum.io

TheLinkLab Elektronisches Management verschreibungspflichtiger Medikamente. Involviert in weitere Entwicklungen im Bereich Lieferketten- Management. http://www.thelinklab.com/the-linklab

Digitale Medizin & Pflege

Patientory Stiftung mit Sitz in der Schweiz, Zweck ist die Förderung und Entwicklung von dezentralisierten, offenen Techno-logien und Applikationen im Gesundheitsbereich. Das so genannte Patientory-Protokoll bezeichnet eine Mischung aus Elektronischer Patientenakte und sozia-lem Netzwerk mit eigener Kryptowährung PTOY. https://patientory.com

ScalaMed Mit Blockchain-Technologie abgesicherte Rezept- Verschreibungs-Applikation, die für die Patienten individuell personalisiert ist. Doppel verschreibungen, Verschreibungen aus verschiedenen einander unbe-kannten Quellen, Rezept fälschungen und verlorene Rezepte sollen mit dieser App der Vergangenheit angehören. https://www.scalamed.com/

simplyVital-Health

Elektronische Patientenakte mit Funktionen wie Analytics, Koordination und Kommunikation mit anderen Anbietern, Algorithmen, die Kosten fast in Echtzeit prognostizieren. Dokumentation der Pflege. https://www.simplyvitalhealth.com

Tab. 1: Beispiele von Blockchain-Anwendungsfällen im Gesundheitsbereich

die Skalierbarkeit (Mining-Prozesse benötigen mehr Zeit als simple Transaktionsprozesse beispielsweise bei Kreditkarten-Bezahlung), die Sicherheit (im Sinne von Attacken) [6] und die potenzielle, nicht immer gewünschte Transparenz der Blockchains.

Prof. Ursula Sury, Luzern, weist in ihrer Untersu-chung der datenschutzrechtlichen Aspekte der Block-chain-Architektur darauf hin, dass es hier noch Klä-rungsbedarf gibt, da nicht jede Form der Blockchain aktuellen datenschutzrechtlichen Regelungen genügt [7]. So führt sie Themen wie Verantwortung für das System, Zustimmungsrechte der Teilnehmer einer Blockchain bei Datenverarbeitungen oder Vertrags-

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abschlüssen und das Recht auf Vergessen auf. Auch sei unklar, nach welcher Rechtsprechung eine Durch-setzung von Datenschutzansprüchen erfolgen könne.

Als reputationsschädigend kann in der Geschichte von Blockchain ihr Erfolg im Transaktionsraum des so genannten «Darknet» betrachtet werden. Für ano-nymisierte, sichere Transaktionen in einer Umgebung, in der die Akteure keinerlei Vertrauensbasis haben, erwies sich die Blockchain-Technologie als höchst geeignet, was aber den psychologischen Makel einer «unsauberen» Technologie hinterliess. Die Bewer-tungskapriolen von Kryptowährungen trugen eben-falls nicht dazu bei, in der Öffentlichkeit mit dem Begriff Blockchain Seriosität zu assoziieren. Diese Erscheinungen kann man als die hinderlichen Begleit-umstände eines Hypes bewerten: Ein Thema kocht medial hoch, wird mit überzogenen Erwartungen ver-bunden und dann vorerst wieder verworfen, um in eine Reifephase überzugehen. Blockchain-Technolo-gie wird gerade zum Teenager.

Literatur:1. Nakamoto S: Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash

System, Bitcoin.org 2008; URL: https://bitcoin.org/bitcoin.pdf.

2. Buterin V: Ethereum: A Next-Generation Cryptocurrency and Decentralized Application Platform. In: Bitcoin Magazine 2014; https://bitcoinmagazine.com/articles/ethereum-next-generation-cryptocurrency-decentralized-application-platform-1390528211.

3. Yin W, Wen Q: An anti-quantum transaction authentica-tion approach in Blockchain 2018; IEEE Access. 6: 5393–5401, https://ieeexplore.ieee.org/stamp/stamp.jsp?arnumber=8242360.

4. Müller M, Christen B: Blockchain-Anwendungsfall im Schweizer Gesundheitswesen. Vortrag Swiss e-Health Forum 08.03.2019, Bern.

5. E-estonia: eHealth authority partners with Guardtime to accelerate transparency and auditability in health care, https://e-estonia.com/ehealth-authority-partners-with-guardtime-to-accelerate-transparency-and-auditability-in-health-care.

6. Kannenberg A: Bösartiger Miner: 51-Prozent-Attacke und Double-Spend gegen Bitcoin Gold, Heise.de 2018; www.heise.de/newsticker/meldung/Boesartiger-Miner-51-Prozent-Attacke-und-Double-Spend-gegen-Bitcoin-Gold-4058874.html.

7. Sury, U: Blockchain und Datenschutz In: Informatik Spek-trum 2018; 38(2), DOI: 10.10007/s00287-018-1099-9.

Kochen fürs Herz: Das Rezept des Monats

Dieses Rezept finden Sie im Kochbuch «Leichte Schweizer Küche», erhältlich für CHF 28.90 plus Versandspesen bei der Schweizerischen Herzstiftung www.swissheart.ch/shop, Telefon 031 388 80 80 sowie im Buchhandel.

Schweizer KlosterkuchenZutaten für 2 Personen2 EL Olivenöl1 kleine Zwiebel, klein gewürfelt1 Knoblauchzehe, klein gewürfelt1 EL gehackte Petersilie10 g getrocknete Steinpilze400 g Spinat60 g altbackenes Brot, vorzugsweise Vollkornbrot, gewürfelt1 Ei60 g Alpkäse, grob gerieben Pfeffer aus der Mühle frisch geriebene Muskatnuss

Aktiv gegen Herzkrankheiten und Hirnschlag

Schweizerische Herzstiftung

ZubereitungSteinpilze 10 Minuten in lauwarmem Wasser einweichen, ausdrücken und hacken. Brot im Pilzwasser einweichen, zerpflücken.

Den Spinat tropfnass in den Kochtopf geben und bei starker Hitze zusammenfallen lassen, in einem Sieb abtropfen und auskühlen lassen, ausdrücken und fein hacken.

Backofen auf 180°C vorheizen.

Zwiebeln, Knoblauch und Petersilie im Olivenöl andünsten, Steinpilze mitdünsten, Spinat, Brot, Ei und Käse unterrühren, würzen, in die eingefettete Form füllen.

Klosterkuchen in der Mitte in den Ofen schieben und bei 180°C 40–50 Minuten backen.

Leicht gemachtBrot im Pilzwasser statt in Milch einweichen. Das Rezept enthält mehr Spinat und weniger Käse als das Original.

Nährwerte pro Person

414 kcal

28 g Fett

3 g mehrfach ungesättigte Fettsäuren

14,9 g einfach ungesättigte Fettsäuren

9,1 g gesättigte Fettsäuren

17 g Kohlenhydrate

22 g Eiweiss

9 g Ballaststoffe gesamt

433 mg Natrium

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Die Alternative

Referenz: 1. García-Larrosa and Alexe – Efficacy and Safety of a Medical Device versus Placebo in the Early Treatment of Patients with Symptoms of Urinary Tract Infection: A Randomized Controlled Trial, Clin Microbiol 2016, 5:1.

Gekürzte Gebrauchsinformation Utipro® plus (Medizinprodukt): Z: Xyloglucan (Hemicellulose), Gelatine, Propolis, Extrakt aus Hibiscus sabdariffa, Siliciumdioxid, Magnesiumstearat, Maisstärke. Anw: Kontrolle und Prävention von Harnwegsinfektionen. D: Kontrolle 2x1 Kaps./Tag für 5 Tage, Prävention während 15 Tagen 1 Kapsel/Tag. KI: Überempfindlichkeit auf einen der Inhaltsstoffe. VM: Nicht während einer Schwangerschaft oder in der Stillzeit anwenden. P: 30 Kaps. Ausführliche Angaben siehe www.compendium.ch.

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