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Rechtsprechung 142 bbl 2009, Heft 4 August © Springer-Verlag 2009 Warum die Ansicht der bel Beh im vorliegenden Fall in einem krassen Widerspruch zum Erk v 20.6.2002, 2000/06/0181, stehen soll, ist für den VwGH nicht er- sichtlich und wurde auch in der Beschwerde in keiner Weise dargelegt. Wie die bel Beh in der Gegenschriſt zutreffend betont, liegt diesem Erk des VwGH kein vergleichbarer Fall zu Grunde, da in dem diesem Erk zu Grunde liegenden Beschwerdefall eine traufenseitige und nicht eine giebelseitige Betrachtung von Bedeu- tung war. (Abweisung) Steiermark Bahnlärm; Wohngebäude; Lärmschutz; Flächenwid- mung „Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet“ DOI 10.1007/s00738-009-0666-5 § 31 Abs 2 Z 5 stmk BauG 1995 Die Bewohner von Wohnungen (hier: nach Sanie- rung und Umbau einer Meierei) sind vor dem Bahnlärm zu schützen. Die Prüf- und Gewährleistungspflichten beste- hen unabhängig von der im Flächenwidmungs- plan ausgewiesenen Nutzungskategorie (hier als „Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet“) und richten sich nach dem Maßstab des geplanten Benut- zungszweckes. Auch wenn der Zweck eines Gebäudes im Ein- klang mit der Flächenwidmung steht, bedeutet dies noch nicht, dass es nach seiner konkreten Ausgestaltung den dem Schutz seiner Bewohner dienenden Anforderungen entspricht. VwGH 31.3.2009, 2005/06/0081 <107> Einwendungen; Erkennbarkeit der behaupteten Rechtsverletzung; Abstandsbestimmungen DOI 10.1007/s00738-009-0667-4 § 26 Abs 1 Z 2 stmk BauG 1995 Einwendungen sind im Zweifel nicht so auszule- gen, dass ein von vorneherein aussichtsloses Rechtsschutzbegehren unterstellt wird. VwGH 31.3.2009, 2007/06/0235 <108> Aus der Begründung: Dem Begriff der Einwendung ist die Behauptung einer Verletzung mit Bezug auf ein bestimmtes Recht immanent, dh die Geltendmachung der Verletzung eines subjektiven Rechtes. Eine Einwen- dung im Rechtssinne liegt also nur vor, wenn das Vor- bringen eine Behauptung der Verletzung eines subjek- tiven Rechtes durch das den Gegenstand des Bewilli- gungsverfahrens bildende Vorhaben zum Inhalt hat. Es muss gefordert werden, dass wenigstens erkennbar ist, aus welchen Gründen sich der Nachbar gegen das Bau- vorhaben des Bauwerbers wendet, welche Rechtsverlet- daher an dieser Gebäudefront nicht als trauildendes Element wirksam bzw seien bei einer Breite von ca 20 cm als Traufe von bloß geringfügiger Länge iSd § 25 Abs 3 BGG bzw als untergeordnete Bauteile iSd § 33 ROG 1998 anzusehen. Die Auslegung der bel Beh wi- derspreche daher dem § 25 Abs 3 BGG. Dem kann nicht gefolgt werden. Der VwGH teilt die Ansicht der bel Beh, dass durch das Herausrücken des zurückgesetzten DG an die Ostfassade diese Ostfassade im Hinblick auf die Dachkonstruktion einer Giebel- wand gleichkommt. Insofern ist auch in Bezug auf frü- here Bewilligungen (der Bf beruſt sich insb auf die Bau- bewilligung betreffend die Brüstungsmauern nördlich und südlich des DG) eine maßgebliche Änderung an der Ostfassade eingetreten. Die im vorliegenden Fall gewählte Dachkonstruktion stellt aber jedenfalls keine Satteldachkonstruktion dar, sondern kann nur als ei- nem Satteldach ähnlich qualifiziert werden. Bei einem Satteldach sind nach der Auslegung des VwGH (vgl den angeführten B v 9.3.1993) die zwei Traufen an den Längsseiten des Gebäudes für die Abstandsberechnung an dieser Gebäudeseite maßgeblich. Ein traditionelles Satteldach liegt im vorliegenden Fall nicht vor, sondern lediglich eine einem Satteldach im Hinblick auf die Giebelwand ähnliche Dachkonstruktion. Die bis ins DG durchgehende Ostfassade stellt sich im Lichte des vorliegenden Bauvorhabens nunmehr als eine giebel- wandähnliche Front dar, an deren Längsseiten es so- wohl eine oberste Traufe als auch ein oberstes Gesims gibt. Wenn es an einer Gebäudefront eine oberste Trau- fe und ein oberstes Gesims gibt, dann muss es nach dem Wortlaut und dem Zweck des § 25 Abs 3 BGG bei der Klärung der Frage des gesetzlich geforderten Abstandes auf den jeweils höher gelegenen Punkt (im vorliegenden Fall das oberste Gesims) ankommen. Wenn der Bf meint, es gebe nach Durchführung des Bauvorhabens an der Ostfront nach wie vor eine nun- mehr 14,03 m lange Traufe, ist ihm entgegenzuhalten, dass es – wie dargelegt – an einer Giebelwand bzw an einer giebelwandähnlichen Front gerade keine Traufe an dieser Front gibt, sodass die Traufe oder das oberste Gesims der Längsseiten des Gebäudes herangezogen werden muss. Wenn also im § 25 Abs 3 BGG normiert ist, dass Traufen von bloß geringfügiger Länge nicht als oberste Dachtraufen gelten, dann spielt diese Anord- nung für die verfahrensgegenständliche Ostfassade keine Rolle. Es hat auch keinen Einfluss, wenn die bei- den Brüstungsmauern (nord- und südseitig) mit einem früheren Bescheid genehmigt wurden, da sich die ab- standsrechtliche Beurteilung an der Ostfassade durch das Herausrücken des DG bis an die Ostfassade maß- geblich geändert hat. Wenn die bel Beh ausgehend von dem Gutachten des bautechnischen Amtssachverstän- digen v 7.3.2007 zum Ergebnis gelangt ist, dass der er- forderliche Abstand der Ostfassade von der Grenze des Grundstückes der Mitbeteiligten ausgehend vom in diesem Fall maßgeblichen obersten Gesims an den Längsseiten des Gebäudes unterschritten wird, kann ihr nicht entgegengetreten werden.

Bahnlärm; Wohngebäude; Lärmschutz; Flächenwidmung "Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet"

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Page 1: Bahnlärm; Wohngebäude; Lärmschutz; Flächenwidmung "Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet"

Rechtsprechung142bbl2009, Heft 4

August

© Springer-Verlag 2009

Warum die Ansicht der bel Beh im vorliegenden Fall in einem krassen Widerspruch zum Erk v 20.6.2002, 2000/06/0181, stehen soll, ist für den VwGH nicht er-sichtlich und wurde auch in der Beschwerde in keiner Weise dargelegt. Wie die bel Beh in der Gegenschrift zutreffend betont, liegt diesem Erk des VwGH kein vergleichbarer Fall zu Grunde, da in dem diesem Erk zu Grunde liegenden Beschwerdefall eine traufenseitige und nicht eine giebelseitige Betrachtung von Bedeu-tung war. (Abweisung)

Steiermark

Bahnlärm; Wohngebäude; Lärmschutz; Flächenwid-mung „Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet“

DOI 10.1007/s00738-009-0666-5

§ 31 Abs 2 Z 5 stmk BauG 1995

Die Bewohner von Wohnungen (hier: nach Sanie-rung und Umbau einer Meierei) sind vor dem Bahnlärm zu schützen.

Die Prüf- und Gewährleistungspflichten beste-hen unabhängig von der im Flächenwidmungs-plan ausgewiesenen Nutzungskategorie (hier als „Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet“) und richten sich nach dem Maßstab des geplanten Benut-zungszweckes.

Auch wenn der Zweck eines Gebäudes im Ein-klang mit der Flächenwidmung steht, bedeutet dies noch nicht, dass es nach seiner konkreten Ausgestaltung den dem Schutz seiner Bewohner dienenden Anforderungen entspricht.

VwGH 31.3.2009, 2005/06/0081 <107>

Einwendungen; Erkennbarkeit der behaupteten Rechtsverletzung; Abstandsbestimmungen

DOI 10.1007/s00738-009-0667-4

§ 26 Abs 1 Z 2 stmk BauG 1995

Einwendungen sind im Zweifel nicht so auszule-gen, dass ein von vorneherein aussichtsloses Rechtsschutzbegehren unterstellt wird.

VwGH 31.3.2009, 2007/06/0235 <108>

Aus der Begründung: Dem Begriff der Einwendung ist die Behauptung einer Verletzung mit Bezug auf ein bestimmtes Recht immanent, dh die Geltendmachung der Verletzung eines subjektiven Rechtes. Eine Einwen-dung im Rechtssinne liegt also nur vor, wenn das Vor-bringen eine Behauptung der Verletzung eines subjek-tiven Rechtes durch das den Gegenstand des Bewilli-gungsverfahrens bildende Vorhaben zum Inhalt hat. Es muss gefordert werden, dass wenigstens erkennbar ist, aus welchen Gründen sich der Nachbar gegen das Bau-vorhaben des Bauwerbers wendet, welche Rechtsverlet-

daher an dieser Gebäudefront nicht als traufbildendes Element wirksam bzw seien bei einer Breite von ca 20 cm als Traufe von bloß geringfügiger Länge iSd § 25 Abs 3 BGG bzw als untergeordnete Bauteile iSd §  33 ROG 1998 anzusehen. Die Auslegung der bel Beh wi-derspreche daher dem § 25 Abs 3 BGG.

Dem kann nicht gefolgt werden. Der VwGH teilt die Ansicht der bel Beh, dass durch das Herausrücken des zurückgesetzten DG an die Ostfassade diese Ostfassade im Hinblick auf die Dachkonstruktion einer Giebel-wand gleichkommt. Insofern ist auch in Bezug auf frü-here Bewilligungen (der Bf beruft sich insb auf die Bau-bewilligung betreffend die Brüstungsmauern nördlich und südlich des DG) eine maßgebliche Änderung an der Ostfassade eingetreten. Die im vorliegenden Fall gewählte Dachkonstruktion stellt aber jedenfalls keine Satteldachkonstruktion dar, sondern kann nur als ei-nem Satteldach ähnlich qualifiziert werden. Bei einem Satteldach sind nach der Auslegung des VwGH (vgl den angeführten B v 9.3.1993) die zwei Traufen an den Längsseiten des Gebäudes für die Abstandsberechnung an dieser Gebäudeseite maßgeblich. Ein traditionelles Satteldach liegt im vorliegenden Fall nicht vor, sondern lediglich eine einem Satteldach im Hinblick auf die Giebelwand ähnliche Dachkonstruktion. Die bis ins DG durchgehende Ostfassade stellt sich im Lichte des vorliegenden Bauvorhabens nunmehr als eine giebel-wandähnliche Front dar, an deren Längsseiten es so-wohl eine oberste Traufe als auch ein oberstes Gesims gibt. Wenn es an einer Gebäudefront eine oberste Trau-fe und ein oberstes Gesims gibt, dann muss es nach dem Wortlaut und dem Zweck des § 25 Abs 3 BGG bei der Klärung der Frage des gesetzlich geforderten Abstandes auf den jeweils höher gelegenen Punkt (im vorliegenden Fall das oberste Gesims) ankommen.

Wenn der Bf meint, es gebe nach Durchführung des Bauvorhabens an der Ostfront nach wie vor eine nun-mehr 14,03 m lange Traufe, ist ihm entgegenzuhalten, dass es – wie dargelegt – an einer Giebelwand bzw an einer giebelwandähnlichen Front gerade keine Traufe an dieser Front gibt, sodass die Traufe oder das oberste Gesims der Längsseiten des Gebäudes herangezogen werden muss. Wenn also im § 25 Abs 3 BGG normiert ist, dass Traufen von bloß geringfügiger Länge nicht als oberste Dachtraufen gelten, dann spielt diese Anord-nung für die verfahrensgegenständliche Ostfassade keine Rolle. Es hat auch keinen Einfluss, wenn die bei-den Brüstungsmauern (nord- und südseitig) mit einem früheren Bescheid genehmigt wurden, da sich die ab-standsrechtliche Beurteilung an der Ostfassade durch das Herausrücken des DG bis an die Ostfassade maß-geblich geändert hat. Wenn die bel Beh ausgehend von dem Gutachten des bautechnischen Amtssachverstän-digen v 7.3.2007 zum Ergebnis gelangt ist, dass der er-forderliche Abstand der Ostfassade von der Grenze des Grundstückes der Mitbeteiligten ausgehend vom in diesem Fall maßgeblichen obersten Gesims an den Längsseiten des Gebäudes unterschritten wird, kann ihr nicht entgegengetreten werden.