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Bakterielle Resistenzmechanismen – multiresistente Erreger (MRE) Autoren: Prof. Dr. med. Holger Rohde UKE Hamburg Institut für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene Vortragstätigkeit: Accelerate Diagnostics, Correvio, MSD, Pfizer, Infectopharm Beratertätigkeit: Pfizer, MSD, Shionogi Dr. rer. nat. Kora Huber Mikrobiologin Consultant Infektiologie, Medizinjournalistin Berater/Vortragshonorare /Medical Writing: Correvio, Infectopharm, Pfizer, MSD, Shionogi, Astra Zeneca, Basilea Diese Fortbildung wird Ihnen auf cme.medlearning.de mit freundlicher Unterstützung von Pfizer Pharma PFE GmbH (7.550 €) angeboten.

Bakterielle Resistenzmechanismen – multiresistente Erreger (MRE) · 2020. 10. 7. · Bakterielle Resistenzmechanismen – multiresistente Erreger (MRE) Autoren: Prof. Dr. med. Holger

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  • Bakterielle Resistenzmechanismen – multiresistente Erreger (MRE)

    Autoren:Prof. Dr. med. Holger RohdeUKE HamburgInstitut für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene

    Vortragstätigkeit: Accelerate Diagnostics, Correvio, MSD, Pfizer, InfectopharmBeratertätigkeit: Pfizer, MSD, Shionogi

    Dr. rer. nat. Kora HuberMikrobiologinConsultant Infektiologie, Medizinjournalistin

    Berater/Vortragshonorare /Medical Writing:Correvio, Infectopharm, Pfizer, MSD, Shionogi, Astra Zeneca, Basilea

    Diese Fortbildung wird Ihnen auf cme.medlearning.de mit freundlicher Unterstützung von Pfizer Pharma PFE GmbH (7.550 €) angeboten.

  • Seite 2 | Bakterielle Resistenzmechanismen – multiresistente Erreger (MRE)

    Hintergrund Die Zunahme bakterieller Krankheitserreger, die gegenüber Antibiotika weniger empfindlich oder sogar völlig resistent geworden sind, stellt weltweit eine der größten medizini-schen Herausforderung dar. Für die betroffenen Patienten bedeutet dies oft längere Behandlungszeiten und zusätz-liche Belastungen durch eine verzögerte oder nicht eintre-tende Heilung der Infektion, schlimmstenfalls mit tödlichen Folgen. In Deutschland infizieren sich jährlich zwischen 400.000 und 600.000 Menschen im Zusammenhang mit einer stationären medizinischen Behandlung mit Krank-heitserregern, 10.000 bis 15.000 versterben (DART 2020). Schätzungsweise werden etwa 54.500 dieser Krankenhaus- infektionen durch multiresistente Erreger (MRE) verur- sacht (Cassini et al. 2019; https://www.rki.de/SharedDocs/ FAQ/Krankenhausinfektionen-und-Antibiotikaresistenz/FAQ_ Liste.html?nn=2868974).

    Um die weitere Entwicklung und Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen zu reduzieren, hat die Bundesregierung im Jahr 2008 mit der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie (DART) ein Konzept vorgelegt und nachfolgend umgesetzt. Konkret gelten eine generelle Verringerung des Antibiotikaverbrauchs im tier- und humanmedizinischen Bereich, eine Verbesserung von Hygienestandards, sowie die Erforschung und Entwicklung neuer Antibiotika als wichtige Kernstrategien im Kampf gegen Resistenzen (DART http://www.bmbf.de). Die DART enthält daher ein Bündel von Maßnahmen, das dazu beitragen soll, Antibiotika-Resistenzen in Deutschland zu erkennen, zu ver-hüten und besser bekämpfen zu können. Neben der indivi-duellen Belastung der von Infektionen durch resistente Erre-ger betroffenen Patienten, hat die Ausbildung immer neuer bakterieller Resistenzmechanismen auch langfristig Folgen für unterschiedlichste Bereiche der medizinischen Behandlung. Versagt eine antibiotische Therapie, kann dies für Patienten schwerwiegende, im schlimmsten Fall letale Folgen haben. Neben dem persönlichen Leid der Betroffenen, deren Lebens-qualität oft über einen langen Zeitraum beeinträchtigt sein kann, entstehen erhebliche zusätzliche finanzielle Belastungen für das Gesundheitswesen und die Volkswirtschaft. Die Kosten pro Infektion durch resistente Erreger können mehr als doppelt so hoch sein wie für Infektionen, die durch empfind-liche Erreger verursacht werden (DART 2020). Das Welt- wirtschaftsforum zählt die Antibiotika-Resistenz mittlerweile zu den größten Risiken für die Weltwirtschaft. Prognosti- ziert werden steigende Kosten durch die Behandlung von Krankheiten durch resistente Infektionserreger und erhöhte Morbiditäts- und Mortalitätsraten in den nächsten Jahren (DART 2020, WHO). Darüber hinaus sind zahlreiche neue, innovative Therapieansätze und Behandlungsoptionen in der Medizin nur bei Verfügbarkeit potenter antibakterieller Thera-pieoptionen ethisch vertretbar und möglich. Hierzu gehören

    die Durchführung großer chirurgischer Eingriffe, invasive Eingriffe bei älteren und multimorbiden Patienten,

    die in ihrer Infektionsabwehr geschwächt sind,

    die Versorgung polytraumatisierter Patienten nach schweren Unfällen,

    Maßnahmen und Behandlungen bei Krebspatienten, die die körpereigene Immunabwehr dramatisch reduzieren,

    Organtransplantationen.

    https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Krankenhausinfektionen-und-Antibiotikaresistenz/https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Krankenhausinfektionen-und-Antibiotikaresistenz/http://www.bmbf.de

  • Seite 3 | Bakterielle Resistenzmechanismen – multiresistente Erreger (MRE)

    Bakterielle Zielstrukturen für AntibiotikaAntibiotikaklassen unterscheiden sich in ihrem Wirkmechanis-mus hinsichtlich ihrer Angriffspunkte an bakteriellen Strukturen. Die häufigsten sind

    Inhibition der bakteriellen Zellwandsynthese

    Inhibition der bakteriellen Proteinsynthese

    Inhibition der DNA-Replikation, Beeinträchtigung der DNA-Funktion

    Eingriff / Inhibition der Synthese wichtiger bakterieller Metabolite (Abb. 1).

    Abbildung 1: Die vier häufigsten Angriffsorte antibiotischer Substanzen an bakteriellen Strukturen.

    Bakterielle Angriffsorte von Antibiotika

    Proteinsynthese Aminoglykoside Tetrazykline Makrolide Clindamycin Oxazolidinone Tigecyclin

    Zellwandsynthese Penicilline Cephalosporine Carbapeneme, Monobactam Glycopeptide Colistin

    DNS-Funktionen Gyrasehemmer Nitroimidazole

    Synthese essentieller Metabolite Su lfonamide Trimetoprim

    Ribosomen

    Kernäquivalent

  • Seite 4 | Bakterielle Resistenzmechanismen – multiresistente Erreger (MRE)

    Antibiotikaresistenzen als biologisches Phänomen Seit Jahrmillionen gelingt es Bakterien, durch fortlaufende evo-lutionäre Ereignisse, Anpassungen und Optimierung ihre Eigen-schaften an sich ändernde Umweltbedingungen zu erreichen. Antibiotikaresistenz-kodierendes genetisches Material kann selbst bei Bakterien gefunden werden die seit vier Millionen Jahren isoliert und völlig frei von menschlicher Antibiotikaexpo-sition lebten. Forscher nehmen daher an, dass es sich bei bakte-rieller Antibiotikaresistenz nicht um eine mikrobielle Anpassung an eine künstliche, menschenerzeugte Antibiotikaexposition handelt. Vielmehr liegt hier offenbar ein zentrales, archaisches Merkmal von Mikroorganismen vor, welches einem Erreger Schutz vor natürlichen Antibiotika bietet (Bhullar K 2012). Viele Mikroorganismen produzieren antibiotisch wirksame, den heu-te klinisch eingesetzten Substanzen verwandte Moleküle, die dazu dienen, sich innerhalb einer ökologischen Nische gegen-über anderen Spezies zu behaupten. Resistenzmechanismen können also zunächst einmal als ein biologisches Phänomen betrachtet werden, welches sich durch inter-Spezies Kompe-tition in vielen natürlichen Lebensräumen von Mikroorganis-men entwickelt hat. In der Tat erklärt dies, warum viele heute klinisch relevante Resistenzmechanismen, zum Beispiel gegen-über Beta-Laktam Antibiotika, Aminoglykosiden und vielen andere n Antibiotika, auch in Umweltbakterien nachgewiesen werden können. Diese natürlichen Resistenzmarker können sich

    Der hohe Antibiotika-Einsatz in Kliniken fördert die Selektion bakterieller Erreger, die gegen viele und schlimmstenfalls sogar gegen alle Antibiotika unempfindlich sind. Im Kontext kranken-haushygienischer Mängel können sich diese Infektionserreger innerhalb einer Klinik zum Teil rasant ausbreiten (DART 2020). Der höchste Antibiotika-Verbrauch wird auf Intensiv- und auf hä-

    durch horizontalen Gentransfer rasch auch über Speziesgren-zen hinweg ausbreiten. Sie stellen damit einen Pool an Resis-tenzmarkern dar, die schließlich durch entsprechenden Anti-biotikaeinsatz im Menschen klinisch relevant werden können.

    Bakterien, die in der Lage sind, sich durch besondere Resistenz-mechanismen der Antibiotikawirkung zu entziehen, haben einen Selektionsvorteil.

    Die Selektion resistenter Stämme ist eine effiziente bakte- rielle Überlebensstrategie.

    Bakterielle Infektionserreger können primär resistent sein, oder sich durch Ausbildung vielfältiger, ganz spezieller Resis- tenzmechanismen dem Wirkmechanismus der Antibiotika entziehen.

    Auf die Verfügbarkeit neuer Antibiotika erfolgt – mit gewis-ser Verzögerung – die Selektion resistenter Stämme, wobei sich die verschiedenen Antibiotika in ihrem Resistenzselekti-onspotenzial deutlich unterscheiden können.

    Es gibt die primäre, natürliche Resistenz und die erworbene (sekundäre) Resistenz.

    matologisch-onkologischen Stationen beobachtet. Das Projekt SARI („Surveillance der Antibiotika-Anwendung und bakteriel-len Resistenzen auf Intensivstationen“) hat hierzu umfassende Daten geliefert (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Gesundheit/Berichte/Kurzbericht_SARI_IQ.pdf; Meyer et al. 2004).

    Bakterien verfügen über die natürliche Fähigkeit, sich gegen Antibiotika zu schützen. Ursache sind definierte, Resistenz- vermittelnde genetische Merkmale. Hierbei können sich diese durch Mutation und fortlaufende evolutionäre Selektion innerhalb eines bakteriellen Isolats neu entwickeln. Darüber hinaus können Bakterien ihre Gene effektiv untereinander austauschen und dabei Resistenz-Gene weitergeben, z. B. über Plasmide. Die Übertragung kann mittels Konjugation (Ausbildung bakterieller Pili), Transduktion (mittels Bakteriophagen) und Transformation (Aufnahme genetischen Materials aus der Umgebung) erfolgen. Bakterien können mehrere Resistenz-Gene aufnehmen, die sie gegen verschiedene Antibiotika schützen. So entstehen multiresistente (MDR) Erreger, bei denen eine Vielzahl an Antibiotika unwirksam sein können (DART 2020).

  • Seite 5 | Bakterielle Resistenzmechanismen – multiresistente Erreger (MRE)

    Definition des Begriffes MultiresistenzNach Gastmeier 2016 ist der Begriff der Multiresistenz nicht genau definiert. Hierunter werden zusammengefasst:

    MRSA (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus = grampositive Erreger),

    VRE (Vancomycin-resistente Enterokokken = grampositive Erreger)

    MRGN (multiresistente gramnegative Erreger wie Erreger aus der Ordnung der Enterobacterales, Pseudomonas aeru-ginosa, Acinetobacter baumannii

    Die Daten der ARS-Datenbank (Antibiotika-Resistenz-Surveil-lance) des Robert Koch-Institutes (RKI) für den stationären Be-reich erfassen Multiresistenz bei den gramnegativen Erregern (MRGN) nur, wenn gegenüber mindestens 3 Antibiotikaklassen eine Resistenz vorliegt (Gastmeier P et al. 2016).

    MRE = Multiresistente Erreger: Beinhaltet multiresistente grampositive Erreger

    wie MRSA und VRE sowie multiresistente gramnegative Erreger (MRGN)

    MRGN = Multiresistente gramnegative Erreger wie Enterobacterales, Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter baumannii

    MDR = Multi-Drug-Resistant, multiresistent

    Während bei den grampositiven Erregern Besiedlung und In-fektionen mit Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) in den letzten Jahren auf deutschen Intensivstatio-nen auf einem konstanten Niveau geblieben oder rückläufig ist, stellen Kolonisation und Infektionen mit multiresistenten gramnegativen Bakterien (MRGN) weiterhin ein besonderes Problem dar (Fussen R, Lemmen S 2016; DART 2020).

    Nach Auswertungen der Krankenhaus-Infektions-Surveillan-ce-Studie (KISS = Surveillance of Multi-Drug-Resistant Organis-ms [MDRO]) liegt der Anteil nosokomialer Infektionen durch multiresistente gramnegative Erreger (MRGN) in Deutschland mittlerweile dreifach höher als der Anteil nosokomialer MRSA- Infektionen. Ein kontinuierlicher MRGN-Anstieg wird seit Jah-ren weltweit beobachtet. MRGN-Infektionen stellen aktuell die größte Herausforderung bei der Antibiotikatherapie dar (DART 2020; Bush 2020; Bush 2019; Doi 2019; WHO www.who.int/drugresistance/en; Maechler, Gastmeier 2015).

    Abkürzungen und Definitionen im Zusammenhang mit Multiresistenz

  • Seite 6 | Bakterielle Resistenzmechanismen – multiresistente Erreger (MRE)

    Von großer Bedeutung für die klinische Interpretation ist, dass Patienten, bei denen man einen multiresistenten Erreger nach-weisen kann, nicht zwingend eine Infektion haben, sondern lediglich besiedelt sein können (Darm, Vaginalbereich, Nase, Nebenhöhle, Mundhöhle, Haut). Erst wenn eine erfolgreiche In-vasion des Körpers durch schädliche Mikroorganismen und ein Wachstum dieser Mikroorganismen auf oder in Körpergeweben erfolgt, wodurch sie dem Wirt schaden, kommt es zur Infektion. Ob sich aus einer Infektion eine Infektionskrankheit mit klini-schen Symptomen und Funktionseinschränkung entwickelt, ist abhängig von der Anzahl der Erreger, deren Pathogenität und Virulenz, dem Infektionsort und dem Allgemeinzustand der be-troffenen Person (Konstitution und Disposition) (Gastmeier P et al. 2016).

    Kolonisation und Infektion mit multiresistenten Erregern (MRE)

    Der Mensch ist mit einer enormen Zahl von Mikroorganismen besiedelt. Vermutlich können allein im Darm des erwachsenen Menschen rund 10.000 Bakterienarten vorkommen. Das Pan- Genom der Bakterien aus allen menschlichen Mikrobiomen (Darm, Haut, Nase, Mund, Rachen, Vagina) enthält fünf bis acht Millionen unterschiedliche Gene. Es repräsentiert demnach einen außerordentlich großen Genpool (Zum Vergleich: Alle menschlichen Körperzellen enthalten nur 20.000 Gene), welcher durch Selektionsprozesse modifiziert werden kann. (Feldmeier 2012). Zu den natürlich vorkommenden Mikroorganismen ge-hören auch solche, die Antibiotika-Resistenz vermittelnde gene-tische Determinanten tragen. Zunehmend muss dabei die Tat-sache akzeptiert werden, dass hierunter auch multi-resistente Erreger sind.

    Hierzu gehören:

    Antibiotikabehandlung innerhalb der vergangenen sechs Monate,

    Aufenthalt in einem Pflegeheim,

    gastroösophageale Reflux- oder entzündliche Darmerkrankungen,

    eine vorangegangene Besiedlung mit multiresistenten Bakterien (MDR),

    internationale Reisen, insbesondere nach Asien.

    Die Besiedlung mit MDR Bakterien kann bis zu über einem Jahr andauern (Medianwert in der COMBAT-Studie: 30 Tage) (Hamprecht, Rhode 2016; Arcilla et al. 2017; Ruppé et al. 2015).

    Von besonderer Bedeutung ist die Besiedlung mit multiresistenten (MDR) Bakterien, wofür es eine Reihe an Risikofaktoren gibt.

  • Seite 7 | Bakterielle Resistenzmechanismen – multiresistente Erreger (MRE)

    Wirkmechanismen der Antibiotika und daraus resultierende Hauptformen der Resistenz

    Mittlerweile steht eine Vielzahl an unterschiedlichen Antibioti-ka zur Verfügung, die anhand ihres Wirkmechanismus in diverse Gruppen eingeteilt werden (Abb. 2).

    Bakterien können über diese Resistenzmechanismen primär ver-fügen oder diese durch Mutationen in chromosomalen Genen oder durch den horizontalen Gentransfer (HGT) zwischen Bakte-rien erhalten. Man unterscheidet 4 Hauptformen der bakteriel-len Resistenz (Abb. 3a u. b) (Blair et al. 2015).

    Eingriff in die bakterielle Zellwandsynthese durch Störung der Peptidoglykan-Biosynthese (z. B. Beta-Laktam-Antibiotika [Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme, Monobaktame], Glykopeptide wie Vancomycin)

    Inhibition der bakteriellen Proteinsynthese (z. B. Makrolide, Oxazolidinone, Lincosamide: Bindung an ribosomale 50S Untereinheit; Aminoglykoside, Tetracycline, Glycylcycline: Bindung an ribosomale 30S Untereinheit)

    Eingriff in die Nukleinsäuresynthese (z. B. Fluorchinolone [Angriffspunkt = DNA-Topoisomerasen], Rifampicin)

    Inhibition bakterieller Stoffwechselwege (z. B. Folsäureantagonisten)

    Inaktivierung des Antibiotikums durch bakterielle Enzyme, z. B. Beta-Laktamasen, Aminoglykosid-modifizierende Enzyme.

    Penetrationsresistenz durch Veränderung der Strukturen in der äußeren Bakterienmembran, die für den Transport des Antibiotikums an den Wirkungsort notwendig sind (z. B. Modifizierung von Porinen und Transportsystemen); bei gramnegativen Bakterien, insbesondere Enterobacterales und Nonfermenter (Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter baumannii).

    Bakterielle Efflux-Pumpen, die das Antibiotikum aktiv aus der Bakterienzelle herauspumpen (bei Pseudomonas aeruginosa u.a. Nonfermentern, Enterobacterales, Staphylococcus aureus, Streptococcus mutans) (Blair et al. 2015).

    Veränderung der bakteriellen Zielstruktur (bei Gram+ und Gram-)

    Modifikation der Penicillin-Binde-Proteine (PBP) bei Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA): Neues PBP2a führt die notwendigen Peptidoglycan-Synthese-Schritte durch.

    Modifikation der Peptidseitenketten im Peptidoglykan bei Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE) erschwert die Bindung der Glykopetid-Antibiotika (Vancomycin-Affinität wird um den Faktor 1.000 verringert).

    Veränderung der ribosomalen Bindestelle erschwert oder verhindert das Anbinden der Antibiotika, deren Wirkung über eine Interferenz mit der Translation am Ribosomen vermittelt wird.

    Abbildung 2: Bakterielle Angriffspunkte (Zielstrukturen) verschiedener Antibiotika (Tenover FC 2006).

    Abbildung 3a: Hauptformen der bakteriellen Resistenz (Tenover 2006; Wright 2011)

  • Seite 8 | Bakterielle Resistenzmechanismen – multiresistente Erreger (MRE)

    CAVE: Antibakterielle Resistenz ist komplex und dynamisch. Obwohl die in Abbildung 3 dargestellten Hauptresistenzmechanis-

    men genetisch und biochemisch lange bekannt sind, werden kontinuierlich immer neue Mechanismen der Entstehung, zugrun-

    deliegende Faktoren und Übertragungsmodalitäten entdeckt, einschließlich Integrons, Multidrug-Efflux, Hypermutabilität und

    Plasmid-Addiktion. Innerhalb der vielen individuellen bakteriellen Isolate steigt die Komplexität der Resistenz an, bedingt durch

    multiple Determinanten und Gene, die erworben und amplifiziert werden und wieder verloren gehen. Neue Resistenzmechanis-

    men werden kontinuierlich beschrieben und neue Gene und Vektoren für deren Übertragung identifiziert (Doi 2019; Bush 2019;

    Bush 2020; Blair et al. 2015; Livermore 2003).

    Abbildung 3b: Die 4 wichtigsten bakteriellen Resistenzmechanismen.

    Resistenzmechanismen

    4. Effluxpumpen

    1. Inaktivierende Bakterien-Enzyme z. B. β-Laktamasen

    z. B. Methicillin-Resistenz bei Staphylokokken (MRSA)

  • Seite 9 | Bakterielle Resistenzmechanismen – multiresistente Erreger (MRE)

    Induktion auftreten. Die Selektion oder vorübergehende Induk-tion von Hypermutabilität erklärt, weshalb Varianten mit mul-tipler Mutation in vivo schneller aufgetreten sind, als dies von in vitro Laborversuchen zu erwarten war.

    Tetrazyklinen, mittlerweile gegen viele unterschiedliche An-tibiotika) oder von Kontrollsystemen der Expression von Be-ta-Laktamasen (z. B. AmpC)

    Veränderung der bakteriellen Aufnahmewege (Porine und aktive Transportsysteme, die verloren gehen oder aber ak-tiviert werden können) verminderte Aufnahme von Be-ta-Laktamen, Aminoglykosiden, Fluorchinolonen u.a.

    Aktivierung oder Inaktivierung von Resistenzgenen oder de-ren Repressoren durch Migration (Verlagerung, Wanderung) von Insertionssequenzen

    (Livermore 2003; Blair et al. 2015; Olaitan 2016).

    Bakterielle Resistenzentstehung durch Mutation und SelektionIm Rahmen der fortlaufenden Proliferation und DNA Repli- kation treten zufallsmäßig inkorrekte Basen-Substitutionen in einer Häufigkeit von etwa 10–9 bis 10–10 pro Gen auf (Livermore D 2003). Im Kontext der Entstehung bakterieller Antibiotika- resistenz können diese folgende Auswirkungen haben:

    Veränderung der bakteriellen Zielstruktur durch Herabsetzen der Bindungsfähigkeit für Antibiotika: Vermindert die Wirk-samkeit von Beta-Laktam-Antibiotika, Vancomycin, Fluorchi-nolonen, Aminoglykosiden, Colistin, Makroliden, Rifampicin

    Antibiotika-Inaktivierung (Beta-Laktamasen mit veränderten Hydrolysespektren, Aminoglykosid-modifizierende Enzyme, Chloramphenicol-Acetyltransferase)

    Veränderte Expression von Resistenz-vermittelnden Genen, zum Beispiel Hochregulieren („Upregulation“) oder Herun-terregulieren („Downregulation“) der Efflux-Pumpsysteme (ursprünglich vor allem Resistenzmechanismus gegenüber

    Hypermutabilität und MultiresistenzBakterien können „hypermutabel“ werden und haben dann eine bis zu 200-fach höhere Mutationsrate als normale Zellen. Es be-steht somit eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass diese gegen-über einem Antibiotikum resistent werden (Livermore 2003). Hypermutabilität kann transient sein, also vorübergehend durch

    Mutation in Gen mexR bewirkt Impermeabilität der äußeren Membran mit Resistenzen gegenüber vielen Antibio-tika (z. B. Beta-Laktamen, Fluorchinolonen)

    Mehrere Multi-Drug-Efflux-Systeme (Breitspektrum-Efflux-Pumpen), von denen 2 (MexCD-OprJ und MexEF-OprN) normalerweise reprimiert sind und erst durch Mutationen aktiviert werden, pumpen das Antibiotikum aktiv aus der Zelle

    Efflux-Systeme können mit Porin-Veränderungen korreliert sein, so dass bei verstärkter Aktivierung der Efflux-Sys-teme gleichzeitig die Permeabilität der äußeren Membran durch Veränderung der Porine (OprD) reduziert wird und nicht mehr genug Antibiotikum in die Zelle gelangt. Es folgt eine Erhöhung der minimalen Hemmkonzentrationen (MHK), die erforderlich sind, um das Wachstum der Bakterien zu hemmen

    Veränderung bakterieller Zielstrukturen, z. B. Topoisomerase und DNA-Gyrase

    Bildung diverser Beta-Laktamasen.

    (Blair et al. 2015; Livermore D 2003)

    De-reprimierte Mutanten mit Hyperproduktion von AmpC-Beta-Laktamasen führen zur Hydrolyse der o. g. Antibio-tika (Blair 2015; Livermore 2003).

    Beispiel Multiresistenz bei Pseudomonas aeruginosa

    Beispiel Cephalosporin (Gr. 3) – Resistenz bei Enterobacter, Citrobacter u.a.:

  • Seite 10 | Bakterielle Resistenzmechanismen – multiresistente Erreger (MRE)

    Bakterielle Resistenzentstehung durch HZG (Horizontaler Gentransfer)

    Bakterielle Resistenzgene sind häufig auf mobilen genetischen Elementen lokalisiert (zum Beispiel Plasmide, Phagen). Hierdurch ist ein rascher Austausch des entsprechenden genetischen Mate-rials innerhalb einer Spezies oder sogar über Speziesgrenzen hin-weg möglich. Neben der Transduktion von Resistenzdeterminan-ten durch Bakteriophagen sind vor allem Konjugationsprozesse am sogenannten horizontalen Gentransfer beteiligt.

    Plasmide

    Die Übertragung von bakteriellen Resistenzgenen erfolgt am häu-figsten über Plasmide (extrachromosomale, ringförmige DNA), die sich als ideale Vektoren für die Rekrutierung und Verteilung erwie-sen haben (Abb. 4) (Shepard et al. 2016).

    Bakteriophagen

    Als Bakteriophagen (Kurzform: Phagen) bezeichnet man verschie-dene Gruppen von Viren, die spezifisch Bakterien infizieren können. Hierbei sind Phagen hoch-spezifisch, es werden regelhaft nur Mit-glieder einer Spezies, zum Teil sogar nur definierter Sub-Populatio-nen dieser Spezies, infiziert.

    Resistenzübertragung durch Konjugation

    In der Mikrobiologie versteht man unter Konjugation die Übertra-gung der DNA von zwei Bakterienzellen, von denen eine als Spen-der (Donor) und die andere als Empfänger (Rezipient) fungiert. Neben der Übertragung innerhalb einer Bakterienspezies kann Plasmid-DNA auch über Speziesgrenzen hinaus übertragen wer-den. Die Konjugation trägt entscheidend zur Verbreitung von Anti-biotikaresistenzen innerhalb verschiedener Bakterien(-spezies) bei.

    Transduktion

    Als Transduktion bezeichnet man die Übertragung von DNA-Frag-menten zwischen zwei Bakterien, die durch Bakteriophagen ver-mittelt wird.

    Transformation

    Als Transformation wird in der Molekularbiologie die Aufnahme von freier DNA durch Bakterien bezeichnet. Die Transformation ist ein weiterer Weg des bakteriellen DNA-Austauschs bei Bakterien, die auch zur Weitergabe von Antibiotikaresistenzen dient.

    Transposons

    Auch Transposons, mobile genetische Elemente, können zur Ver-breitung von Resistenz-vermittelnden Determinanten beitragen. Bakterielle Transposons sind bewegliche DNA-Elemente, die ihre Position innerhalb eines bakteriellen Genoms verändern können. Komplex strukturierte Transposons tragen auch Gene, die eine Antibiotikaresistenz vermitteln können. Transposons können auch in Plasmiden integriert werden und auf diese Weise die Ent-stehung neuer Resistenz-Plasmide ermöglichen. Sie können auch umgekehrt von Plasmiden auf das Chromosom wechseln oder innerhalb des Chromosoms ihre Position verändern (Abb. 4) (She-pard et al. 2016; Blair et al. 2015; Livermore D 2003).

    Integrons

    Integrons sind weit verbreitet bei gramnegativen Bakterien und sind Bestanteil von Plasmiden oder Transposons (Livermore 2003). Es sind kleinere bis mittelgroße DNA-Abschnitte, die in der Lage sind, DNA-Bereiche aus einem Chromosom oder einem Plas-mid einzufangen und sich danach zu verselbstständigen. Damit können diese Genbereiche in andere Bakterien eingebracht wer-den. Hauptsächlich werden Resistenzgene zwischen verschiede-nen Bakterienspezies ausgetauscht. Die „eingefangenen“ Gene werden als Genkassetten bezeichnet. Integrons beinhalten Gene für einen Promotor, zur Expression der Genkassette, eine Integ-rase für den Einbau ins Wirtsgenom und attI- bzw. attC-Bereiche, die als Erkennungsstellen für den Einbau dienen (Abb. 4) (She-pard et al. 2016).

  • Seite 11 | Bakterielle Resistenzmechanismen – multiresistente Erreger (MRE)

    Insertionssequenz

    MobileGenkassette

    Integron

    Transposon

    Konjugatives Plasmid

    Abbildung 4: „Nested Russian-Doll-Like“ genetische Mobilität führt zur raschen Resistenzverbreitung („Verborgene Puppe in der Puppe“) (Sheppard et al. 2016).

    Beispiele:

    In Integrons lokalisiert sind z. B. Gene, die die Produktion diverser Carbapenemasen (OXA, PSE, VIM und IMP) sowie viele Aminoglykosid-modifizierende Enzyme kodieren. Integrons, die bei gramnegativen Bakterien weit verbreitet sind, haben beängstigende Fähigkeiten hinsichtlich Rekrutierung, Verbreitung und Expression von Resistenzgenen (Shepard 2016; Livermore 2003).

  • Seite 12 | Bakterielle Resistenzmechanismen – multiresistente Erreger (MRE)

    Spezifische Resistenzmechanismen

    Resistenzmechanismen, welche die Empfindlichkeit gegenüber Beta-Laktam- Antibiotika reduzieren

    Seit mehreren Jahrzehnten werden zur Behandlung bakterieller Infektionen in der Klinik überwiegend Beta-Laktam-Antibiotika (Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme und Monobaktame) verwendet. Das zunehmende Auftreten von Beta-Laktam-Re- sistenz erschwert jedoch deren klinischen Einsatz. Beta-Laktam- Antibiotika können durch eine Vielzahl unterschiedlicher bakteriel-ler Resistenzmechanismen unwirksam werden (Abb. 5).

    Penicillin-Binde-Proteine (PBPs) sind in der bakteriellen Zytoplasmamembran lokalisierte Enzyme, die für den Aufbau des bakteriellen Peptidoglycans (Murein) verantwortlich sind. Hierbei handelt es sich um das Stützskelett der Bakterienzelle, welches in der bakteriellen Zellwand lokalisiert ist. PBPs sind die Zielstrukturen, an welche Beta-Laktam-Antibiotika bin-den, hierdurch die Peptidoglykan-Synthese inhibieren und so die Proliferation des Erregers unterbinden. Veränderte Peni-cillin-Binde-Proteine (PBPs) sorgen vor allem auch bei gram-positiven Bakterien für Resistenzen (z. B. bei Staphylococcus aureus mit Methicillin-Resistenz, MRSA).

    Veränderte Membranproteine / Membranproteinzusammen- setzung in der äußeren Membran als Resistenzursache bei gramnegativen Bakterien (nur diese besitzen eine äußere Membran). Beta-Laktam-Antibiotika gelangen nur mittels spezifischer Membranproteine (Porine) an den Wirkungsort. Fehlende Porine können die Wirkung des Antibiotikums da-her reduzieren.

    Efflux-Pumpen, die das Antibiotikum aktiv aus der Zelle her-auspumpen.

    Beta-Laktamase-Produktion bei grampositiven Bakterien (Staphylokokken), vor allem aber bei gramnegativen Erre-gern (wichtigster Resistenzmechanismus).

    Abbildung 5: Resistenzmechanismen, die Beta-Laktam-Antibiotika inaktivieren.

    veränderte Membranporen

    Beta-Laktamasen

    veränderte Penicillin-Blindeproteine

    Effluxpumpen

    Resistenzmechanismen gegen Beta-Laktam-Antibiotika

  • Seite 13 | Bakterielle Resistenzmechanismen – multiresistente Erreger (MRE)

    Beta-Laktamasen als häufigste Resistenzursache

    Beta-Laktamasen sind bakterielle Enzyme, die in der Lage sind, den Beta-Laktam-Ring von Beta-Laktam-Antibiotika zu hydroly-sieren und das Antibiotikum dadurch irreversibel zu zerstören (Abb. 6). Mittlerweile sind um die 2800 unterschiedliche Beta- Laktamasen bekannt (Bush 2018).

    Substrate einer Beta-Laktamase können grundsätzlich alle Be-ta-Laktam-Antibiotika sein: Penicilline, Cephalosporine, Carba- peneme, Monobaktame.

    Die Hydrolyse des Beta-Laktam-Ringes durch bakterielle Beta- Laktamasen ist die häufigste Ursache für eine Resistenz ge-genüber Beta-Laktam-Antibiotika. Es entsteht ein saures De- rivat des Antibiotikums, das keinerlei antibakterielle Eigen-schaften mehr besitzt (Abb. 6).

    Beta-Laktamasen sind die bekanntesten und am besten un-tersuchten Mechanismen der Antibiotikaresistenz.

    Beta-Laktamasen werden nach strukturellen und biochemi-schen Eigenschaften in unterschiedliche Klassen eingeordnet (Tab. 1).

    Sowohl grampositive Erreger als auch gramnegative Erreger können Beta-Laktamasen bilden, allerdings ist diese Fähig-keit die Domäne der gramnegativen Bakterien (Enterobacte-rales = Enterobacteriaceae = Enterobakterien und Nonfer-menter wie Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter baumannii).

    Grampositive Bakterien scheiden ihre Beta-Laktamasen meist extrazellulär aus.

    Bei gramnegativen Bakterien befinden sich die Beta-Lakta-masen im periplasmatischen Raum der Bakterienzelle.

    Die Beta-Laktamase-kodierenden Gene sind entweder chro-mosomal- oder Plasmid-kodiert.

    Antibiotika anderer Klassen (z. B. Aminoglykoside, Fluorchi-nolone, Glykopeptide) bleiben von Beta-Laktamasen unbe-rührt. Gegen sie existieren jedoch Resistenzmechanismen anderer Art, die oftmals auf demselben Plasmid liegen, das auch die Beta-Laktamase-Bildung überträgt. Dies kann eine Ursache für Multiresistenz sein.

    Von den etwa 2800 bisher bekannten Beta-Laktamasen wer-den die meisten von gramnegativen Erregern, insbesondere von Enterobacterales und Nonfermentern gebildet. Beta- Laktamasen vom ESBL-, AmpC- oder Carbapenemase-Typ bereiten in der Klinik besondere Therapieprobleme (Abb. 7) (Bush 2020; Pfennigwerth, RKI, 2019; Doi 2019).

    Eine klinisch relevante Einteilung ist die Klassifizierung nach Ambler (Tab. 2).

    Abbildung 6: Wirkungsweise der Beta-Laktamasen am Beispiel Penicillin, das durch die Hydrolyse zu Amino-Penicillansäure wird.

    β-lactamase

    β-lactam ring

    Penicillin Penicilloic acid

  • Seite 14 | Bakterielle Resistenzmechanismen – multiresistente Erreger (MRE)

    Enzyme / Klassen Produzierende Erreger

    PenicillinasenSchmalspektrum-Beta-LaktamasePlasmid-codiert

    Staphylokokken die meisten gramnegativen Erreger

    Plasmid-codierte Breitspektrum-Beta-Laktamasen(TEM, SHV-1, OXA; bei gramnegativen Bakterien weit verbreitet)

    Gramnegative Erreger, insbesondere Enterobacterales

    ESBLTEM-3 und weitereSHV-2 und weitereCTX-M und weitere, OXA

    Klebsiella pneumoniae E. coli Enterobacter u. a. Enterobacterales u. a. gramnegative Erreger

    AmpC, z. B. CMY, ADC Enterobacter spp. Citrobacter Serratia u.a. gramnegative Erreger

    CabapenemaseKPC(Klebsiella pneumoniae-Carbapenemase)

    Enterobacterales: Klebsiella pneumoniae Escherichia coli Pseudomonas aeruginosa Acinetobacter baumannii

    Carbapenemase MetalloVIM, NDM, IMP

    Pseudomonas aeruginosa Acinetobacter baumannii Stenotrophomonas maltophilia Enterobacterales

    CarbapenemaseOXACarbapenemase-Typ OXA-23, -40, -48, -58

    Enterobacterales Pseudomonas aeruginosa Acinetobacter baumannii

    Tabelle 1: Unterschiedliche Beta-Laktamasen und sie exprimierende Erregerspezies (Bush 2018; Bush 2016; Bush 2015; Bush 2013; Witte 2003; Livermore 2015).

    • ESBL = „extended-spectrum β-lactamase“ – Resistenz gegen Penicilline und Cephalosporine – ESBL-Gene sind zwischen gramnegativen Bakterien übertragbar – Häufige Enzymvarianten sind CTX-M-ESBL sowie TEM- und SHV-ESBL

    • AmpC-β-Laktamasen – Resistenz gegen Penicilline und Cephalosporine – AmpC-Gene sind z. T. zwischen gramnegativen Bakterien übertragbar – Häufige Plasmid-kodierte Enzymvarianten: CMY, DHA, ACC

    • Carbapenemasen – Resistenz gegen Penicilline, Cephalosporine und Carbapeneme – Carbapenemase-Gene sind zwischen gramnegativen Bakterien übertragbar – Häufige Enzymvarianten: KPC, OXA-48, VIM, NDM

    MRE: Sowohl ESBL- als auch Carbapenemase-Bildner sind neben der β-Laktamresistenzhäufig auch resistent gegenüber Substanzen anderen Antibiotikaklassen (Fluorchinolone, Aminoglykoside, Sulfonamide etc.)

    Multiresistente Erreger (MRE) und β-Laktamase-Bildung

    Abbildung 7: Beta-Laktamasen vom ESBL-, AmpC- oder Carbapenemase-Typ bereiten in der Klinik besondere Therapieprobleme (Bush 2020; Pfennigwerth, RKI, 2019; Doi 2019).

  • Seite 15 | Bakterielle Resistenzmechanismen – multiresistente Erreger (MRE)

    Ambler-Klasse Aktives Zentrum Enzym-Typ Erreger

    A Serin Breitspektrum Beta-Laktamasen (TEM, SHV)Beta-Laktamasen mit erweitertem Spektrum (ESBL; z. B. TEM, SHV, CTX-M)Carbapenemasen (z. B. KPC, GES, SME)

    Enterobacterales und Nonfermenter (Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter baumannii)

    B Zink Metallo-Carbapenemasen (z. B. VIM, IMP, NDM)

    Enterobacterales und Nonfermenter

    C Serin AmpC Cephalosporinasen (AmpC) u. a. Enterobacter SpeziesCitrobacter Spezies

    D Serin OXA-Carbapenemasen (OXA) u. a. Enterobacterales und Nonfermenter

    Tabelle 2: Beta-Laktamase-Klassifikation nach Ambler (Nordmann P 2015).

    Extended-Spectrum Beta-Laktamasen (ESBL)

    Erreger, die Extended-Spectrum Beta-Laktamasen (ESBL) pro-duzieren – am häufigsten bei E. coli und Klebsiella pneumoni-ae – sind eine der Hauptursachen für eine Resistenz gegen-über Cephalosporinen der dritten Generation (Doi 2019).

    Genetisch lassen sich ESBL in unterschiedliche Typen einteilen. Am häufigsten sind Enzyme vom CTX-M Typ. Diese werden wiederum in Subtypen klassifiziert – es gibt hunderte von CTX-M-Genvarianten. ESBLs vom SHV- und TEM-Typ kommen klinisch seltener vor (Rossolini et al. 2008).

    Die ESBL-kodierenden Gene können über Plasmide mittels Konjugation auf verschiedenen Bakterienspezies übertragen werden.

    Carbapenemasen

    Auch der weltweite Anstieg ESBL-bildender Enterobacterales hat in den letzten Jahren zu einem verstärkten Einsatz von Carbape-nem-Antibiotika geführt, die in der Vergangenheit als Reser-veantibiotika eher restriktiv eingesetzt worden waren. Als Folge ist seitdem ein weltweiter Anstieg Carbapenem-resistenter gram- negativer Erreger/Organismen (CRO) zu beobachten (Doi, 2019; Pfeifer 2015).

    Der Begriff „CRO“ (= Carbapenem-Resistent-Organisms) beinhaltet sowohl Carbapenem-resistente Enterobactera-les als auch Carbapenem-resistente Nonfermenter (Acine-tobacter baumannii, Pseudomonas aeruginosa).

    Die ebenfalls oft verwendete Bezeichnung „CRE“ umfasst nur Carbapenem-resistente Enterobacterales.

    CTX-M-14 und CTX-M-15 Enzyme sind die weltweit am häu-figsten (Poirel et al. 2012; Zhao et al. 2013). Dies gilt auch für Deutschland (Kresken et al. 2016).

    Nach wie vor besteht gute Empfindlichkeit bei ESBL-bilden-den Enterobacterales gegenüber Carbapenem-Antibiotika.

    CDC (Centers of Disease Control and Prevention) bewertet ESBL-bildende Enterobacterales als eine ernsthafte Bedro-hung (“Serious Threat”) (CDC).

    Auf ihrer Prioritätenliste ordnet die WHO ESBL-bildenden Ente- robacterales die Bewertungsstufe „kritisch“ zu (https://www.who.int/news-room/detail/27-02-2017-who-publishes-list-of-bacteria-for-which-new-antibiotics-are-urgently-needed)

    Die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) be-werten Carbapenem-resistente Enterobacterales (CRE) als bakterielle „Nightmare“-Erreger mit höchster Bedrohungs-stufe („urgent threat“), deren Häufigkeit in Kliniken und Pflegeeinrichtungen weltweit ansteigt. CRE-Infektionen sind assoziiert mit verlängerten Klinikaufenthalten, einer Expansion der Kosten sowie erhöhter Morbidität und Letali-tät (http//www.cdc.gov/drugresistancethreatreport).

    Infektionen mit Carbapenemase-bildenden Enterobactera-les (CRE) stellen eine besondere Bedrohung dar, da nur noch sehr wenige Antibiotika über eine gute In-vitro-Wirk-samkeit verfügen (Doi 2019; Tumbarello et al. 2015).

    Auf ihrer Prioritätenliste ordnet die WHO Carbapenem resis-tenten Enterobacterales die Bewertungsstufe „kritisch“ zu.

  • Seite 16 | Bakterielle Resistenzmechanismen – multiresistente Erreger (MRE)

    Hier ist der Bedarf für die Entwicklung neuer Antibiotika am größten (https://www.who.int/news-room/detail/27-02-2017-who-publishes-list-of-bacteria-for-which-new-antibiotics-are-urgently-needed)

    Häufigste Carbapenemasen in Deutschland sind OXA-48, KPC-2 und VIM-1 Carbapenemasen (Pfennigwerth 2020).

    Als „Worst Nightmare“ wird die Übertragung von Metallo-Be-ta-Laktamasen (MBL: IMP, VIM, SPM, SIM, FIM) auf Pseudo-monas aeruginosa-Stämme bewertet. P. aeruginosa kann auch Serin-Carbapenemasen (KPC und GES) akquirieren (Frieden T 2016).

    Hochresistente P. aeruginosa-Stämme können neben unter-schiedlichen Beta-Laktamasen einschließlich Metallo-Beta- Laktamasen (z. B. NDM, VIM) auch Resistenzgene für Pene- trationsresistenz (z. B. OprD2-Verlust) und Multi-Drug-Efflux- pumpen besitzen sowie Veränderungen der Zielstrukturen vornehmen (Frieden T 2016).

    Übersicht zu bekannten Carbapenemasen s. Abb. 8a und b.

    Enzyme

    Ambler-Klasse

    A Klebsiella pneumoniae Carbapenemase (KPC), IMI GES KPC: Hotspots in Europa, US, Südamerika, China

    B Metallo-Enzyme: VIM, IMP, NDM-1 VIM: hauptsächlich in Europa (vermehrt bei Enterobacter gefunden VIM, IMP: bei Pseudomonas aeruginosa NDM: Osteuropa, Indien

    D Oxacillinasen = OXA-48, OXA-163, OXA-181 OXA-48: Europa, Südamerika

    Abbildung 8b: Einteilung der verschiedenen Carbapenemasen nach Ambler-Klasse A, B und D sowie deren hauptsächliches geographisches Vorkommen (Nordmann 2016). Carbapenem-Resistenz: CRE / CRO und CP-CRE / CP-CRO

    KPC „Klebsiella pneumoniae Carbapenemase“ überwiegend in K. pneumoniae; Import aus „Endemiegebieten“ (z. B. Griechenland, Israel, Italien)

    OXA-48 in Enterobacteriaceae; Import überwiegend aus Türkei, Nordafrika, Indien VIM „Verona Integron-borne Metallo-Beta-Laktamase“ in Enterobacteriaceae und P. aeruginosa

    Import aus Mittelmeerregion (Italien, Griechenland) NDM „Neu-Delhi Metallo-Beta-Lactamase“ in Enterobacteriaceae und A. baumannii aus Indien, Nordafrika, Balkan, Arab. Raum IMP selten in E. cloacae, K. pneumoniae; häufiger in P. aeruginosa GIM „German Imipenemase“ vereinzelt in NRW vorkommend in E. cloacae, S. marcescens, P. aeruginosa, A. pittii AIM „Adelaide Imipenemase“ Einzelnachweis in P. aeruginosa FIM „Florence Imipenemase“ Einzelnachweise in P. aeruginosa DIM „Dutch Imipenemase“ Einzelnachweise in Pseudomonas spp. SIM „Seoul Imipenemase“ Einzelnachweis in A. baumannii SPM „São Paulo metallo-β-lactamase“ Einzelnachweis in P. aeruginosa OXA-23/72/58 ausschließlich und weit verbreitet in Acinetobacter spp.

    Abbildung 8a: Carbapenemasen, Erreger, Verbreitung. OXA = Oxacillinase; IMP = Imipenemase

    Carbapenemasen

    Metallo- Beta- Lactamasen (MBL)

  • Seite 17 | Bakterielle Resistenzmechanismen – multiresistente Erreger (MRE)

    Die bakterielle Resistenz gegenüber Carbapenem-Antibiotika kann verschiedene Ursachen haben (Abb. 9). Je nachdem, ob nur Enterobacterales oder auch andere gramnegative Erreger einbezogen werden (Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter baumannii), spricht man von „CRE“ (Carbapenem-resistente

    Enterobacterales) oder „CRO“ (Carbapenem-resistente Organis-men). Sofern die Resistenz durch eine Carbapenemase verur-sacht wird, stellt man ein „CP“ („Carbapenemase-produzieren-de“) voran (Abb. 9) (Frieden 2016).

    Carbapenem-Resistenzmechanismen Abkürzungen

    • Efflux-Pumpen Aktiver Transport von antibiotischen Substanzen nach außen; z. B. häufig bei P. aeruginosa (>80 %)

    • Porinverlust Mutationen in Poringenen führen zum Porinverlust (Permeabilitätsverlust) Porine = Außenmembranproteine (OMP, outer menbrane proteins)

    Kommt ESBL/AmpC-Bildung hinzu  Carbapenemresistenz (ETP, MPM)

    Häufig bei Enterobacter aerogenes (>90 %), Klebsiella pneumoniae

    • Carbapenemase-Bildung Enzymatische Spaltung der Carbapeneme durch spezielle Beta-Laktamasen = Carbapenemasen

    CRE: Carbapenem-resistente Enterobacterales

    CP-CRE: Carbapenemase-bildende Carbapenem-resistente Enterobacterales

    CRO: Carbapenem-resistente Organismen (Enterobacterales, Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter Baumannii

    CP-CRO: Carbapenemase-bildende Carbapenem-resistente Organismen (Enterobacterales, Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter Baumannii

    Abbildung 9: Bakterielle Resistenzmechanismen, die Carbapeneme inaktivieren (Bush 2020; Busch 2019; Pfeifer 2015; Frieden 2016; Poulou 2013).

    Resistenz durch Permeabilitätsänderungen der Zellwand

    Aufgrund des Vorhandenseins einer äußeren Membran bei gramnegativen Bakterien ist es für viele Antibiotika nicht mög-lich, ins Innere der Bakterienzelle zu gelangen und dort inhibie-rend auf bakterielle Zielstrukturen zu wirken. Dies ist Ursache dafür, dass einige Antibiotika nur bei grampositiven Bakterien wirksam sind, welche über keine äußere Membran verfügen. Eine Permeabilitätsresistenz bei gramnegativen Bakterien (Enterobacterales, Nonfermenter) kann primär sein oder durch

    Mutation erworben werden (Blair et al. 2015). Es gibt Haupt-porine (Tunnelproteine) wie die Outer-Membrane-Proteine OmpF und OmpC, die als nicht-spezifische Kanäle fungieren. Durch Reduzierung oder Veränderung dieser Porine kann weni-ger Antibiotikum in die Bakterienzelle gelangen (Blair et al. 2015).

    Beispiele:

    • Bei Enterobacterales, Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter baumannii trägt eine Verminderung der Porin-Expression zur Resistenz gegenüber Carbapenem- und Cephalosporin-Antibiotika bei (Blair et al. 2015).

    • Klinisch relevante Carbapenem-Resistenz bei Enterobacterales (E. coli, Klebsiella pneumoniae, Enterobacter spp.) kann auch in Abwesenheit von Carbapenemasen auftreten, sofern Mutationen die Porin-Produktion reduzieren.

    • Carbapeneme erhöhen den Selektionsdruck für Mutationen in Porin-Genen sowie in Genen, die für die Porin- Produktion verantwortlich sind (Lavigne et al. 2013; Novais et al. 2012; Tangden et al. 2013; Blair et al. 2015).

  • Seite 18 | Bakterielle Resistenzmechanismen – multiresistente Erreger (MRE)

    Beta-Laktam-Antibiotika Resistenz durch verstärkte Ausschleusung (Efflux)

    Bakterielle Effluxpumpen transportieren aktiv viele Antibio- tika aus der Bakterienzelle heraus und verursachen so eine Resistenz.

    Eine durch Mutation bedingte Überproduktion bestimmter Effluxpumpen kann auch Resistenzen gegenüber Antibiotika verursachen, die zuvor noch gut wirksam waren.

    Einige Effluxpumpen haben eine hohe Substratspezifität (z. B. Tet-Effluxpumpen).

    Viele Efflux-Pumpen können zahlreiche, strukturell unter-schiedliche Substrate verwenden und werden als MDR-Efflux-Pumpen bezeichnet (Blair et al. 2015).

    Es gibt gut untersuchte Beispiele für MDR-Effluxpumpen und ständig werden neue Systeme entdeckt und beschrieben.

    Bakterien können auf ihrem Chromosom mehrere Gene zur Produktion von MDR-Effluxpumpen besitzen, einige davon können durch den Transfer auf Plasmide mobilisiert werden und diese Resistenz übertragen.

    Innerhalb der MDR-Effluxpumpen ist die RND-Familie (Re-sistance Nodulation Division Pump) bei gramnegativen Bak-terien am besten untersucht.

    Bei Überproduktion verursachen RND-Effluxpumpen klinisch relevante Multiresistenz, da sie eine extrem breite Palette an unterschiedlichen Antibiotika aus der Bakterienzelle heraus-pumpen können (Blair et al. 2015).

    Effluxpumpen-Überproduktion ist ein häufiger Resistenz-Me-chanismus bei klinischen Infektionserregern. Informationen hierzu können für die Entwicklung neuer Therapeutika ge-nutzt werden, die die Produktion von Effluxpumpen-Protei-nen verhindern.

    Die „High-Level-Expression“ von Effluxpumpen-Genen kann durch Mutationen entstehen, weiterhin kann ein Anstieg der Effluxpumpen-Produktion durch entsprechende Indikatoren ausgelöst werden (Blair et al. 2015).

    Resistenz-Plasmide können z. B. Gene zur Ausbildung von RND-Effluxpumpen enthalten und gleichzeitig Gene, die Metallo-Beta-Laktamasen kodieren, so dass es durch Wei- tergabe zur Verbreitung hochresistenter Bakterienstämme kommen kann (Blair et al. 2015).

    Beispiele für Effluxpumpen (Blair et al. 2015) • MdeA in Streptococcus mutans• FuaABC in Stenotrophomonas maltophilia• KexD in Klebsiella pneumoniae• LmrS bei Staphylococcus aureus

    Beispiele für RND*-Multiresistenz- Effluxpumpen (Blair et al. 2015) • AcrB in E. coli• MexB in Pseudomonas aeruginosa• KexD in Klebsiella pneumoniae

    *Resistance Nodulation Division Pump

    Beispiele für die Entstehung hochresistenter Erreger: Ein aus einem Citrobacter freundii-Stamm isoliertes Plasmid (IncH1) enthielt neben einer RND-Multiresistenz-Effluxpumpe auch ein Gen zur Ausbildung der New Delhi-Metallo-Beta- Laktamase 1 (NDM1) (Dolejska, Nordmann et al. 2013).

  • Seite 19 | Bakterielle Resistenzmechanismen – multiresistente Erreger (MRE)

    Resistenz durch Veränderung der bakteriellen Zielstruktur

    Die meisten Antibiotika binden mit hoher Spezifität und Affini-tät an ihre bakteriellen Zielstrukturen und verhindern damit die normale Zellaktivität und die Durchführung (über)lebenswichti-ger Prozesse für die Bakterienzelle. Veränderungen dieser An-griffspunkte und Zielstrukturen können eine effiziente Antibio- tika-Bindung verhindern, so dass die Funktionen der Bakterien-zelle weiterhin ablaufen können.

    Colistin-Resistenz

    Die Polymyxin-Antibiotika Polymyxin B und Polymyxin E (=Colis-tin) sind zyklische Polypeptid-Antibiotika, deren Wirkung auf der Bindung an Lipopolysaccharid (LPS) in der äußeren Membran gramnegativer Bakterien besteht. Da eine Resistenz gegenüber Beta-Laktam-Antibiotika (einschließlich der Carbapeneme) häufig mit Parallelresistenzen gegenüber anderen Antibiotika-klassen einhergeht, kommen Altpräparate wie Colistin, das in den fünfziger Jahren zugelassen wurde, bei gramnegativen Carbapenem-resistenten Erregern wieder zum Einsatz. Aufgrund des vermehrten Auftretens Carbapenem-resistenter Enterobac-terales (Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae, u. a.), Pseudo-monaden und Acinetobacter baumannii wird Colistin heute wieder vermehrt eingesetzt. Als Folge der vermehrten Anwen-dung treten jedoch resistente Stämme auf, deren Resistenzme-chanismen bzw. die sie kodierenden Gene chromosomal oder über Plasmide übertragen werden können (Doi 2019; Frieden 2016). Resistenz wird z. B. durch Veränderung der Regulatoren für die bakterielle Lipopolysacharid (LPS)-Produktion hervorge-rufen, wodurch es zu einer Veränderung der Zielstruktur mit ver-minderter Polymyxin-Bindung kommt. Mutationen können eine Überproduktion an pmrC aufweisen, die eine Lipid A-Modi- fikation (z. B. Addition von Phosphoäthanolamin an Lipid A bei K. pneumoniae und A. baumannii, Addition von 4-Amino-4- Deoxy-L-Arabinose bei P. aeruginosa) zur Folge hat. Aufgrund der vermehrten Anwendung wird zunehmend über resistente Stämme berichtet. Die Übertragung der Colistin-Resistenz er-folgt über mcr-Gene. Colistin-Resistenzen können chromosomal (hauptsächlich mcrB-Veränderungen) oder plasmid-codiert sein (mcr-Gen Acquisition, mcr-1 bis mcr-9) (Mendelson M 2016; Bonnin et al. 2020; Lin et al. 2020).

    Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA)

    Die Methicillin-Resistenz ist bedingt durch ein zusätzliches Penicillin-Binde-Protein 2a (PBP2a). Wird PBP2 durch Be-ta-Laktam-Antibiotika inaktiviert, katalysiert PBP2a die für die Peptidoglycan-Synthese notwendigen Schritte, die ansonsten das ursprüngliche PBP2 durchführt. Der Aufbau der lebensnot-wendigen Zellwandkomponenten kann somit ungehindert er-folgen. (Katayama Y et al. 2000).

    Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE)

    Die Glykopeptide Vancomycin und Teicoplanin verhindern eine effiziente Peptidoglycan-Synthese und wirken bakterizid, in-dem sie sich die enzymatische Quervernetzung des Peptido- glycans verhindern. Dadurch vermindert sich die durch das Peptidoglycan-Stützskelett hervorgerufene Festigkeit der Bak-terienzelle und es kommt zur Zelllyse. VRE können eine alterna-tive Peptidseitenkette synthetisieren. Diese Modifikation ver-ringert die Affinität der Zielstruktur gegenüber Vancomycin um den Faktor 1000 (Blair LMA 2015).

    Fluorchinolon-Resistenz

    Fluorchinolon-Resistenz-Gene aus der qnr-Familie können über Plasmide auf verschiedene Erreger übertragen werden. Die qnr-Gene codieren „Pentapeptid-Repeat-Proteine“ (PRPs), die die Topoisomerase IV und die Gyrase vor den bakteriziden An-griffen der Fluorchinolone schützen. Hierdurch werden die durch Fluorchinolon-Aktion verursachten DNA-Doppelstrang- Brüche verhindert, da die Topoisomerase normal arbeiten kann (Blair et al. 2015).

    Aminoglykosid-Resistenz

    Aminoglykoside sind Proteinsynthese-Inhibitoren, die ihre Wir-kung durch Bindung an das bakterielle Ribosom entfalten. Ein Mechanismus der Aminoglykosid-Resistenz beruht auf der Veränderung des Target-Ribosoms durch Methylierung. ArmA-Gene, die die Methyltransferase codieren, wurden welt-weit in Aminoglykosid-resistenten Enterobacterales gefunden. Es gibt drei Klassen Aminoglykosid-modifizierender Enzyme: Acetyltransferasen, Phosphotransferasen und Nucleotydiltrans-ferasen (Norris et al. 2013; Blair et al. 2015).

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