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Bebenalarm

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Nr. 1903

Bebenalarm

Das Inferno droht - tödliche Gefahrfür Quarantimo

von Susan Schwartz

Perry Rhodan wurde zum Sechsten Boten von Thoregon ernannt. Er ist nun imAuftrag jener Koalition unterwegs, die für die Freiheit des einzelnen und den Friedenim Kosmos eintritt. Somit sind gegen Ende des Jahres 1289 Neuer Galaktischer Zeit-rechnung - entspricht dem Jahr 4876 christlicher Zeit - Perry Rhodan und dieMenschheit erneut in gefährliche Aktivitäten kosmischer Mächte verwickelt. Denn dieKoalition Thoregon wird von einem bislang unbekannten Gegner bedroht.

Dieser Gegner bedient sich eines Handlangers, der sich Shabazza nennt. Ihm ha-ben die Terraner die verheerenden Ereignisse der letzten Zelt zu verdanken. Sha-bazza regte die Invasion der Tolkander an, die in der Milchstraße Milliarden von intel-ligenten Wesen töteten. Und er sorgte dafür, daß die Heliotischen Bollwerke explo-dierten, Menschen von der Erde in andere Galaxien geschleudert wurden und im Ge-genzug die barbarischen Dscherro die Hauptstadt Terrania angriffen.

Auch in anderen Galaxien, die zu Thoregon gehören, wurde Shabazza aktiv. PerryRhodan, der Zugang zur mysteriösen Brücke in die Unendlichkeit erhalten hatte, wur-de fast zufällig in diesen Konflikt hineingezogen. Jetzt aber, da er mehr weiß, mußder Terraner »richtig« aktiv werden. Doch sein erster Flug endet in einem Desaster.Sein Raumschiff, die KAURRANG, erleidet Schiffbruch - und der Terraner landet ineinem Sonnensystem während dem BEBENALARM...

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Die Hautpersonen des Romans:Perry Rhodan - Mit seiner Mannschaft ist der Terraner im Bebengebiet gelandet.Eismer Störmengorel - Aufgrund der Aussage des Bebenforschers kommt es zur Flucht derSetchenen.Tebb Celestain - Nach schweren Niederlagen kämpft die setchenische Unternehmerin umsÜberleben.Poulton Kreyn - In der Not wird der Ertruser zum Ekel.Reginald Bull - Der Terraner versucht eine Truppe zusammenzuhalten.

1.Tag 1

Chaos?

»Kobb, verstehst du denn nicht?« redeteTebb Celestain auf ihre Konkurrentin ein.»Es hat sich alles geändert!«

Die setchenische Unternehmerin starrtedie andere am Visifon ein. Ihre großenSchuppen um die Hörmulde hatte sie steilaufgerichtet, und ihre breiten Nasenlöcherwaren feucht vor Aufregung.

Kobb Taphirtel zeigte sich scheinbar völ-lig ungerührt. In ihrem breiten, flachen Ech-sengesicht regte sich keine Schuppe.

»Ich verstehe ja deine Verzweiflung sehrgut, Tebb, aber rechtlich hat sich nichts ge-ändert. Selbstverständlich werde ich meineRaketen zum Wohle der Setchenen einset-zen, aber sie sind nun in meinem Besitz!«

Zum ersten Mal schien Tebb nahe daran,die Fassung zu verlieren. Perry Rhodan undReginald Bull, die anwesend waren, hattensie so noch nie gesehen. Sie standen nebenTebbs Tochter Barr und verfolgten aufmerk-sam das Gespräch.

Tebb schaltete auf Stumm. »Es ist nichtzu fassen!« stieß sie hervor.

»Kobb ist im Recht, und das weißt du«,sagte Barr ruhig. »Es ist großartig, daß dufür unsere Sicherheit kämpfst. Aber trotz-dem gilt der Beschluß. Die Eigentümer derExravic haben ihre Forderungen nur deswe-gen gekürzt, weil sie so schnell keine eige-nen Mannschaften zusammenstellen könnenund weiterhin auf dich angewiesen sind.Aber sobald die Evakuierung abgeschlossenund die Neuansiedlung in unseren Kolonienbeendet ist, werden sie den Rest von dir ein-

fordern - spätestens dann, wenn die Beben-haft vorüber ist.«

Tebb Celestain blies den Atem heftigdurch die geblähten Nasenlöcher.

»Ich weiß«, sagte sie dann ruhiger. »Ja,ich weiß es, Barr. Für einen Moment habeich mich von der Hoffnung hinreißen lassen... Nun gut.«

Sie richtete ihre Aufmerksamkeit erneutauf Kobb Taphirtel, die geduldig gewartethatte. Geduld schien bei diesem Volk einausgeprägter Charakterzug zu sein.

»Als Vorsitzende des Handelstisches er-warte ich aber von dir die Garantie, daß dudie beiden Raketen ausschließlich zur Eva-kuierung und Personenbeförderung einset-zen wirst!«

»Diese Garantie gebe ich dir schriftlich,wenn du es verlangst, doch wundert michdein Mißtrauen«, empörte sich Kobb.»Denkst du, mir liegt nichts an der Rettungmeines Volkes?«

»Bei dir stand stets der Profit an ersterStelle«, erwiderte Tebb. »Die Versuchung,gerade jetzt einen Vorteil herauszuschlagen,ist entsprechend groß.«

»Es tut mir leid, daß du deine Vorbehaltemir gegenüber immer noch pflegst«, zeigtesich Kobb enttäuscht. »Ich dachte, mit unse-rer Zusammenarbeit hätte ich meinen gutenWillen gezeigt. Ich bin inzwischen älter underfahrener geworden. Außerdem bin ich da-bei, mein eigenes Haus zu gründen, das istmir sehr wichtig. Ich habe nicht mehr dasGefühl, irgend etwas zu versäumen ...«

»Ich will dir gern glauben, Kobb. Miß-brauche mein Vertrauen also nicht und be-weise deinen guten Willen! Die formelleÜberschreibung ist bereits unterwegs.«

»Besten Dank. Um dich nicht vorweg zu

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schockieren: Die beiden Raketen werdennoch heute starten, aber im Quar-Systembleiben. Ich muß einen Testflug anordnen,zu dem du ja nicht mehr gekommen bist.Wir dürfen nicht das Risiko eingehen, amEnde noch an einem technischen Fehler zuscheitern!«

»Ja, das ist wichtig. Bitte denk daran,auch deine Fähren entsprechend umrüstenzu lassen, damit die Evakuierung so schnellwie möglich vonstatten geht.«

Tebb Celestain trennte die Verbindungmit einer Brusthand und richtete gleichzeitigmit den kräftigen Schulterarmen ihr Tuch.Langsam richtete sie sich zu ihrer vollen im-posanten Größe von zweieinhalb Metern aufund ging zum Fenster. Bei jeder Bewegungzeichneten sich die mächtigen Beinmuskelndurch die schlichte, enge Kleidung ab.

»Die Situation ist völlig verfahren«, sagtesie in Vokabulon zu ihren Gästen. »Ich kanneuch nicht einmal versprechen, daß ihr jetztnoch Platz auf einer Fähre finden werdet.«

Sie deutete mit einem Schulterarm durchdie Fenster nach draußen. »Ihr müßt verste-hen, daß mein Volk an erster Stelle kommt.Noch dazu, da wir nur so wenige retten kön-nen...«

*

»Hier spricht Eismer Störmengord vonder GLIMMER. Der gesamte galaktischeSektor wird hiermit zur Katastrophenzoneerklärt! Sämtliche Raumschiffe, die in die-sen Sektor einfliegen wollen, werden aus-drücklich zur Umkehr aufgefordert. Dies istdie offizielle Bebenwarnung! In vier Tagenwird das Gebiet des Quar-Systems im Um-kreis von acht Lichtjahren zentral einemKesselbeben ausgesetzt sein.«

Die Warnung wurde immer noch gesen-det, auch wenn inzwischen zweifellos jederEinwohner der besiedelten Planeten dieNachricht erhalten hatte. Anreisende Raum-schiffe waren sicherlich längst umgekehrt.

Die Betroffenen setzten jetzt alles daran,sich so schnell und so weit wie möglich ent-

fernt in Sicherheit zu bringen.Funkrufe zur GLIMMER blieben weiter-

hin unbeantwortet, während das Schiff desBebenforschers nach wie vor - scheinbarziellos - im Quar-System kreuzte.

Das gab wenigstens Anlaß zu der gerin-gen Hoffnung, daß der geheimnisvolleZwerg nicht von einer vollständigen Zerstö-rung des Systems, sondern von einer Beben-haft ausging. Im schlimmsten Fall bedeutetedas 20 Jahre ohne Technik, aber damit wür-den die Setchenen zurechtkommen.

Die Setchenen wußten genau, welcheKonsequenzen die Bebenwarnung für dasgesamte Volk hatte.

Denn mit den rund 3500 Touristikfährenund den 22 DRYTORN-B-Raketen, die sichzur Zeit im System befanden, konnten nichteinmal sechs Prozent der gesamten Bevölke-rung gerettet werden - also höchstens vierMillionen Setchenen, dazu alle ungeschlüpf-ten Gelege, die in speziellen Transportmo-dulen in Schürfraumern untergebracht wer-den konnten. Doch diese »Ungeborenen«waren nicht mehr als fünfhunderttausend,und es war fraglich, wie viele von ihnen le-bend am Zielort ankommen würden.

Sollte der schlimmste Fall der völligenVernichtung eintreten, war damit der Unter-gang des ohnehin kleinen Volkes eingeleitet.Bisher ging davon niemand aus. Immerhinhatte es in all den Jahrtausenden keine Pro-bleme gegeben. Und da Eismer Störmengorddurch das System flog, hielten die Setchenenan der Hoffnung fest.

In erster Linie würden die Eigner ihreSchiffe dazu benutzen, ihre Familien in Si-cherheit bringen zu können. Danach kamenmännliche Setchenen, die noch nicht zu altoder zu stark reviergebunden waren, an dieReihe, als nächstes junge Familien und Kin-der. Zuletzt blieb vielleicht noch der eineoder andere Platz für die jüngeren, ungebun-denen Angestellten. Die Nomaden im Landwurden für eine Auswahl gar nicht erst inBetracht gezogen. Ihnen wurde die heranna-hende Katastrophe nicht einmal mitgeteilt.

Auf den meisten von Terranern oder Ga-

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laktikern besiedelten Planeten wäre dies derMoment der Massenhysterie gewesen, mitMassenfluchten, bei denen Hunderte nieder-getrampelt wurden, mit Morden und Über-fällen, um noch soviel wie möglich Beuteheranzuschaffen, die das Überleben sichernmochte. Jeder gegen jeden und für sich al-lein.

Perry Rhodan und Reginald Bull warenauf alles gefaßt, als sie sich wieder auf denRückweg zu Celestains Haus machten, ummit den Gefährten die Lage zu besprechen.

Vorsorglich hatten beide Männer ihreKombistrahler griffbereit, nicht um sich zuverteidigen, sondern um Kämpfe mit Paraly-sestrahlern zu beenden oder von vornhereindurch diese Autorität zu vermeiden. Siekannten solche Momente hinreichend aus ih-rer langen Vergangenheit.

»Und trotzdem habe ich jedesmal wiederein mulmiges Gefühl«, sagte Bully zu sei-nem alten Freund, als sie Tebbs Büro verlas-sen hatten. »Man steht so hilflos daneben.Hier ist es noch besonders schlimm, da dieSetchenen ja wissen, daß nur wenige von ih-nen in Sicherheit gebracht werden können.Es ist nur zu verständlich, wenn sie wie dieVerrückten um die Plätze kämpfen und da-für sogar töten.«

»Deswegen habe ich Tebb angeboten, amRaumhafen Stellung zu beziehen, immerhinsind wir mit unserer Ausrüstung ausreichendfür die Setchenen ausgestattet«, stimmteRhodan zu. »Es ist ohnehin besser, wenn un-sere Freunde ein wenig gefordert werden,bevor auch sie durchdrehen.«

»Es wird ihnen nicht gefallen, wenn wirihnen mitteilen, daß wir keine Passage mehrhaben.«

»Das können sie sich doch selbst ausma-len. Nur gut, daß sie ein paar Tage Ruhe hat-ten, um den Schock mit der KAURRANGzu überwinden. Sie müssen jetzt unter allenUmständen vernünftig bleiben, um die Set-chenen nicht noch mehr aufzuwiegeln.«

Um sie herum herrschte dichtes Gedrän-ge; Setchenen eilten durch die breiten,schmucklosen Gänge und stauten sich bei

den Antigravschächten. Die meisten Bürotü-ren waren geöffnet. Die beiden Terraner be-kamen nebenbei mit, daß sämtliche Aufträgestorniert und alle Schiffe zurückbeordertwurden.

Obwohl eine gewisse Hektik zu spürenwar, gab es keine deutlichen Anzeichen vonFurcht oder Panik. Niemand hatte seinenPlatz verlassen - vielleicht war es zu früh,der Schock mußte erst verdaut werden.

Ähnlich sah es außerhalb des Gebäudesaus. Gleiter und Bodenfahrzeuge verstopftenStraßen und Luftwege zwischen den Häuser-schluchten, die Gleitbänder waren mit Fuß-gängern überlastet. Das Verkehrsleitsystemwar lahmgelegt, und so mußte jeder selbstsehen, wie er am besten ohne Unfall durch-kam. Viele Setchenen behalfen sich einfachdamit, daß sie sich auf ihren eigenen starkenBeinen auf den Weg machten, was wieder-um dichtes Gedränge in allen Richtungenauslöste.

Dennoch gab es auch hier keine Panik.Keine Setchene griff die andere an, niemandrannte, schrie oder betete, es gab nicht dasgeringste Anzeichen von Gewalt oder Hy-sterie.

»Das ... das kann ich kaum fassen, Perry«,stotterte Bull. »So etwas hätte ich nie erwar-tet!«

Eine Setchene, die gerade an ihm vor-übereilte, hörte seine Bemerkung, die durchden ständig aktivierten Translator für sieverständlich war, und verharrte.

»Ich auch nicht«, behauptete sie. »Nichteinmal auf Quarmac, zur großen Gosaran-Prozession, gibt es ein derartiges Durchein-ander. Es wird einige Stunden dauern, bissich das wieder eingespielt hat.«

Dann schien ihr erst aufzufallen, daß siemit einem völlig Fremden gesprochen hatte,der kein Angehöriger ihres Volkes war. Sieglotzte mit ihren fast handtellergroßen,dunklen Augen auf Bull hinunter und zün-gelte heftig in seine Richtung.

»Ihr habt euch aber einen ziemlichschlechten Zeitpunkt für einen Besuch aus-gesucht«, fügte sie hinzu. »Habt ihr Eismer

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Störmengords Warnung noch nicht gehört?Ihr solltet lieber in euer Schiff zurückkehrenund abfliegen, solange noch Zeit ist. Wennunsere Fähren alle starten, wird es ziemlicheng.« Dann setzte sie ihren Weg fort.

»Danke für den freundlichen Hinweis,und ich täte nichts lieber als das«, murmelteBull.

Da auf der Straße ein Vorankommen fürsie als »Winzlinge« im Vergleich zu denSetchenen ziemlich umständlich war, akti-vierten sie die Antigravs ihrer Anzüge undstiegen steil nach oben, so dicht wie möglichan der Hauswand entlang, um in geringerHöhe über den Dächern ungestört den Wegfortsetzen zu können.

Im Luftraum herrschte nicht ganz so regerBetrieb wie auf den Straßen. Kein Wunder,die Setchenen besaßen nicht zu viele Gleiter- trotzdem mußten die Terraner aufpassen,da sich der gesamte Verkehr derzeit aufQuarantimo-Stadt konzentrierte. Bereits hin-ter der Stadtgrenze ließ das Gewimmel deut-lich nach, und die Wüste dämmerte so unbe-rührt und still wie immer in der mittäglichenGluthitze dahin.

»Jetzt sieh dir das an, Bully!« rief Rhodanund deutete zum Raumhafen. »Das siehtdoch nicht anders aus als an einem ganz nor-malen Tag auf Terra!«

Es waren bereits viele Fähren im Anflug,jede freie Stelle wurde zugeparkt.

Doch es gab keinen Massenansturm Ver-zweifelter, die dort alles versperrten odermit allen Mitteln versuchten, die bereits ge-parkten Schiffe zu entern. Niemand, der dortnicht hingehörte, hielt sich am Raumhafenauf - noch nicht.

Roboter und Setchenen arbeiteten uner-müdlich und transportierten alles, was nichtunbedingt benötigt wurde, aus den Touri-stenschiffen, um soviel Platz wie möglich zuschaffen. Alle Waren wurden gekennzeich-net, in die umliegenden Lagerhallen ge-schafft und anschließend versiegelt. Schür-fraumer wurden für den Nottransport umge-rüstet und in den Containermodulen die rich-tige Umgebung für die kostbaren Gelege ge-

schaffen. In die übrigen Container wurdenhaltbare Nahrungsmittel, Saatgut und Was-ser verladen; alle Versorgungsfabriken ar-beiteten im Akkord.

»Die brauchen unsere Hilfe nicht«, stelltePerry Rhodan fest. »Fliegen wir zu den an-deren.«

2.Vorbereitungen

In Tebb Celestains Haus herrschte Hoch-betrieb. Lurr Su-Celestain organisierte nachTebbs Anordnung eine komplette Umstruk-turierung. Rhodan und Bull trafen ein, alsdas Durcheinander offenbar am größten war.

»Die engste Familie soll ganz nach untenziehen, hier müssen wir also die entspre-chenden Wohnbereiche einrichten und SurtsViyarium anlegen«, berichtete Lurr.»Lebensbereiche, Vorratskammern, Zuberei-tungen, alles nach unten. Damit wird sozusa-gen das ganze Haus auf den Kopf gestellt -das Oberste kommt nach unten, und das Un-terste ganz nach oben. Alles nach der Be-deutung geregelt.«

»Ich dachte, Tebb wollte so schnell wiemöglich aufbrechen«, äußerte sich Rhodanerstaunt.

»Das ist richtig, dennoch muß bis dahinalles entsprechend eingerichtet sein.«

»Das verstehe ich nicht ganz ...«»Wir können schneller aufbrechen, wenn

wir unten sind. Wir ordnen bei all diesen Ar-beiten unser ganzes Material neu, damit wirbei einer Aussiedlung schnell einen neuenAnfang wählen können. Zudem sind Surtund die Kinder durch diese Aktivitäten ab-gelenkt und kommen nicht auf dumme Ge-danken ... « Lurr streckte den Kopf vor undstieß ein bellendes Lachen aus.

Bull schmunzelte. »Können wir euch hel-fen?«

»Jede Hand wird gebraucht.« Lurrschnappte den Mund zu, als hätte sie vor-schnell zugesagt, und betrachtete die beiden»kleinwüchsigen« Fremdlinge von ihren na-hezu zweieinhalb Metern Höhe herab ab-

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schätzend. »Allerdings, ihr besitzt ja nurzwei und seid ansonsten auch etwasschwächlich ...«

»Mit den Antigravs unserer Anzüge kön-nen wir eine Menge schaffen«, lächelte Rho-dan.

»Dann seid ihr willkommen.« Lurr zogdie hornige Unterlippe zu einem Lächelnherunter, ohne die Zähne zu zeigen.

»Wo sind unsere Gefährten?«»Noch oben.«»Wir sehen nach ihnen, dann kommen

wir.«Reginald Bull entdeckte als erstes Nor-

mans langen dünnen Rüssel, der aufgeregtumherschnorchelte. Die so plötzlich ausge-brochene Hektik um ihn herum war demkleinen Elefanten zuviel geworden, und erhatte sich zu seiner Herrin geflüchtet.

»Endlich kommt ihr!« röhrte PoultonKreyn ihnen entgegen. Er rannte wie ein ge-fangener Tiger vor den Panoramafensternauf und ab. »Es wird Zeit! Machen wir, daßwir hier wegkommen!«

»Und womit, bitte schön?« fragte Bull be-tont höflich.

»Na, mit einer der Raketen ...«»... die nicht mehr in Tebbs Besitz sind,

wohlgemerkt!«Der Ertruser hob die mächtigen, muskel-

bepackten Schultern.»Wen kümmert's?« meinte er gleichgül-

tig. »Uns ist die Passage schließlich verspro-chen worden, oder nicht?«

Er machte ein erstauntes Gesicht, als SkaKijathe ihm plötzlich entgegentrat. Ihr vor-nehmer Bronzeteint war kalkweiß gebleicht.Zum ersten Mal seit dem Aufbruch derKAURRANG von Kalkutta-Nord verlor dienormalerweise in Tibet lebende Terranerinihre Fassung.

»Ich kann einfach nicht glauben, was duda sagst!« fuhr sie den Piloten an. Ihrewohlmodulierte Stimme war nicht lauter ge-worden, aber sie hatte einen erschreckenden,harten Klang angenommen. »Über neunzigProzent dieses freundlichen Volkes sindwahrscheinlich zum Tode verurteilt, weil es

zu wenige Beförderungsmittel gibt, und duwillst ein Fernraumschiff für dich allem?«

»Exakt«, bestätigte der Ertruser, aber eineSpur verunsichert.

So kannte er Ska nicht, bisher war sie ihmals einzige niemals in die Quere gekommenoder hatte ihn scharf kritisiert. Nach seinerAuffassung hatte er sogar eine Art Achtungfür sie empfunden, beinahe so wie für PerryRhodan.

Treul und Goriph schwirrten neben Skahoch bis auf seine Augenhöhe, hielten aberwohlweislich ausreichend Abstand - trotzder Anzüge. Auch die beiden sanften Swo-ons überraschten in ihrem plötzlichen Zorn.

»Ska hat ganz recht!«, drückte Treul überden Stimmverstärker seine Empörung aus.»Nur du bist dir wichtig, alles andere inter-essiert dich nicht!«

»Und ist das so falsch?« versuchte Poul-ton sich zu verteidigen. »Wenn ich nicht aufmeine Haut achte, wer denn sonst? Tebb Ce-lestain etwa? Denkst du, ich wäre so alt ge-worden, wenn ich mich immer nur auf ande-re verlassen hätte?«

»Tot wärst du, wenn alle so denken wür-den wie du!« rief Goriph. »Keiner von unshätte dir dann etwas von seinem Sauerstoff-vorrat abgegeben!«

»Und alles hat seine Grenzen!« setzteTreul heftig fort. »Natürlich ist der Überle-benswille wichtig, aber deswegen rechtfer-tigt das nicht alles! Du kannst nicht immerden einfachen Weg der Gewalt geben, dumußt auch an Alternativen denken, die allennützlich sind!«

»Aber was für Alternativen haben wirdenn?« schnauzte Kreyn. »Zuwenig Schiffeund mit hundertprozentiger Sicherheit keinePassage! Darf ich dich daran erinnern, daßwir einen bedeutenden Auftrag für Thoregonhaben? Daß wir derzeit die wichtigste Per-son der Milchstraße bei uns haben, denSechsten Boten von Thoregon, den es unterallen Umständen zu schützen und zu unter-stützen gilt?«

Er hatte gemerkt, daß er zu weit gegangenwar, und flüchtete sich in Argumente über

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Pflicht und Verantwortung, die die anderenzwangsläufig in die Defensive treiben muß-ten. Vielleicht war es auch seine Überzeu-gung, Bull wußte es nicht.

»Schön, daß du so an mich denkst«, mel-dete sieh Perry Rhodan ruhig aus dem Hin-tergrund. »Und damit ist mir das Wort er-teilt.«

Die Streitenden wandten sich ihm zu; derTerraner stand mit verschränkten Armen amEingang. Nachdem er die allgemeine Auf-merksamkeit für sich gewonnen hatte, lösteer sich aus der lässigen Haltung und ginglangsam auf den Ertruser zu.

Der Unsterbliche war um mehr als zweiKöpfe kleiner und sehr viel schlanker als derUmweltangepaßte, aber es bestand keinZweifel, wer von beiden die Situation be-herrschte - und letztlich das Sagen hatte.Perry Rhodans Ausstrahlung wurde durchdie vielen Jahrhunderte der Erfahrung umein Vielfaches verstärkt, auch sein blauerGalornenanzug gehörte dazu. Und er wußtegenau, welche Haltung er einnehmen mußte,welcher Tonfall in jeder Situation ange-bracht war.

»Poulton, deine Motive mögen in irgend-einer abstrusen Weise als ehrbar anerkanntwerden, aber dein Weg, sie durchzusetzen,ist grundfalsch«, fuhr er fort. »Als Entschul-digung möchte ich zudem dein typischmenschliches Denken anerkennen, das insolchen Situationen zu einem Panikverhaltenführt. Jeder versucht nur noch, seine eigeneHaut zu retten, auf Kosten aller anderen.«

»Damit haben wir hier ebenfalls gerech-net«, fiel Bull ein. »Wir haben unsere eigeneDenkweise auf die Setchenen projiziert undeine Überraschung erlebt - im Gegensatz zuuns sind sie nämlich keineswegs panischoder versuchen, so schnell wie möglich anBord eines Schiffes zu kommen. Sie wissengenau, daß nur sehr wenige Auserwählterechtzeitig abfliegen können, und sie tun al-les dafür, daß es diesen ermöglicht wird -um wenigstens einen kleinen Teil ihrer Zivi-lisation, ihres Volkes zu retten und anders-wo neu anzufangen.«

Perry Rhodan nickte.»Ich werde daher auf keinen Fall irgend-

eine unmoralische Handlung zulassen, nurum unser Leben zu retten«, betonte er. »Dasbedeutet, wir werden weder ein Schiff ka-pern noch uns heimlich mit unseren Deflek-torschirmen an Bord schleichen. Wir müssenund werden einen anderen Weg finden, unsrechtzeitig von hier abzusetzen. Zeit dafürhaben wir noch genug - mehr als drei Tage.Bis dahin werden wir darüber nachdenkenund die Setchenen bei ihrer Evakuierung un-terstützen. Ich weiß, daß ihr euch nicht andem Gedanken über einen Opfertod erfreuenkönnt. Ich übrigens auch nicht. Aber nehmteuch dennoch ein Beispiel an den gesittetenSetchenen. Haben wir uns verstanden?«

*

Die menschlichen Besatzungsmitgliederder KAURRANG machten ein betretenesGesicht, die beiden Swoons hatten sich einwenig gelblich verfärbt. So deutlich war ih-nen die Lage gar nicht bewußt gewesen.

Sie alle hatte es abrupt aus ihrem gewohn-ten Leben gerissen, als Kalkutta-Nord plötz-lich auf das Kenteullen-Rad der Nonggoversetzt worden war. Als Perry Rhodan sei-nen Aufruf gestartet hatte, hatten sich diekünftigen Besatzungsmitglieder in ein erstesAbenteuer dieser Dimension gestürzt, ohnerichtig über die Konsequenzen nachzuden-ken. Selbst Mondra Diamond war trotz man-cher gefährlicher Aufträge nicht in eine Ge-schichte solchen Umfangs verwickelt gewe-sen - noch dazu weit von der Milchstraßeentfernt.

Als sie nach der Explosion der KAUR-RANG hilflos im Raum dahingetrieben wa-ren, hatte die Furcht vor dem ewigen Nichtssie am Nachdenken gehindert; die reine To-desangst war immer noch etwas .nicht Greif-bares gewesen.

Nachdem sie von den Setchenen freund-lich empfangen worden waren, kurz bevorder Sauerstoff zur Neige gegangen war,schien alles gut zu werden.

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»Ganz normal wie immer« - so wolltesich so mancher einreden. Ein berechenbaresAbenteuer, aus dem man jederzeit ausstei-gen konnte, wenn man nur wollte. Hinterdiesem Wunschdenken hatte man sich gutverstecken können, solange die KAUR-RANG Schutz und Fluchtmöglichkeit gebo-ten hatte.

Und jetzt? Weit gefehlt. Perry Rhodanhatte mit wenigen, nicht einmal deutlichenWorten klargemacht, daß nicht nur die Set-chenen vom Untergang bedroht waren, son-dern auch sie. Das Hintertürchen war zu, siesaßen wie die Ratten in der Falle - im wahr-sten Sinne des Wortes auf einem sinkendenSchiff.

Und Poulton Kreyns Worte wurden aufeinmal sehr verständlich für sie. Der Ertru-ser bebte leicht, aber er schwieg.

Reginald Bull fragte sich, wie lange ersich noch zurückhalten würde. In den letztenTagen hatte er sich wundersamerweise mu-stergültig gezeigt, er war nicht einmal mitMondra aneinandergeraten. Irgendeine Formschlechten Gewissens besaß also auch er,nachdem er seine Rettung allen Mitgliedernder Expedition zu verdanken hatte. Dochdiese Beherrschung konnte nicht mehr langevorhalten, dann würde er sich wieder in dengewalttätigen, frustrierten Ertruser verwan-deln, der seine Aggressionen ähnlich wie einHaluter mit seiner Drangwäsche auslebenmußte.

»Ich schlage vor, wir helfen jetzt erst malLurr, obwohl diese Umgestaltung für unsnicht ganz sinnvoll erscheinen mag«, sagteer laut, um seine Gefährten aus ihren düste-ren Gedanken zu reißen. »Vielleicht habendie Setchenen ja recht mit ihrer Hoffnungauf eine Bebenhaft. Dann ist es auf alle Fällewichtig, sich darauf einzurichten. Und wirsind abgelenkt und können besser nachden-ken. Außerdem sind wir das unseren Gastge-bern schuldig.«

Bull verließ zusammen mit Rhodan denRaum, und die anderen folgten ihm.

Mondra ging als vorletzte, erst nach ihrkam der Ertruser.

*

Reginald Bull konnte die Angst seinerGefährten förmlich riechen. Keiner wolltesich vor den anderen eine Blöße geben, des-halb gaben sich alle weitestgehend gelassen.Dennoch fiel es ihm nicht schwer, dieseMasken zu durchschauen. Selbst Ska warnicht mehr so undurchdringlich wie sonst; esmachte ihnen allen zu schaffen: zuerst derun-gewisse Ausstieg aus der KAURRANG,dann das Treiben im Raum.

Tautmo Aagenfelt fiel es am schwersten,die Fassade aufrechtzuerhalten. Das grobeGesicht des Physikers war mit hektischenroten Flecken überzogen, und er schwitzte.

»Vielleicht sollten wir mit jemand ande-rem verhandeln«, schlug er mit tonloserStimme vor.

»Das wäre noch aussichtsloser, als aufTebbs Hilfe zu hoffen«, lehnte Rhodan ab.»Die anderen kennen uns nicht. Weshalb al-so sollte es sie interessieren, was mit uns ge-schieht?«

»Die Situation ist völlig verfahren, ichweiß«, meinte er. »Ich möchte mich nur anetwas klammern können, an irgendeineHoffnung ...« Er entfernte sich abrupt undhalf einer Setchene beim Transport einesSandkuhlenbehälters.

Den ganzen Nachmittag über waren siemit der Umgestaltung des Hauses beschäf-tigt. Reginald Bull hatte immer stärker denEindruck, daß dies für die Setchenen eher ei-ne Art Ablenkungstherapie darstellte, umsich nicht zu viele Gedanken zu machen undwenigstens etwas tun zu können. Er ertapptedie großen Echsenwesen nämlich hin undwieder dabei, wie sie plötzlich in ihrem Hin-und Herschleppen verharrten, wenn sie indie Nähe der Fensterfronten kamen, undeinen prüfenden Blick zum Himmel warfen.

Dort tat sich allerdings nichts. Der Him-mel war blau und wolkenlos, die Sonnebrannte in unverminderter Stärke herab. Inder Wüste regte sich nichts.

Der erste Tag, dachte Reginald Bull. Es

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ist alles so ruhig und friedlich ... so trüge-risch wie die Ruhe vor dem Sturm.

Der Aktivatorträger merkte, wie ihn einungutes Gefühl beschlich, das er sich in sei-nem Alter und mit seinem Status eigentlichnicht mehr gestatten wollte. Als er aufblick-te, bemerkte er Lurrs Blick. Sie hatte ihn be-obachtet... Wie lange schon? Was dachte sieüber ihn?

Er nickte der Setchene nur kurz zu undmachte ohne weitere Verzögerung dasselbewie sie: Er beschäftigte sich mit sinnlosenMöbeltransporten und schaltete dabei alleGedanken aus.

Am späteren Nachmittag war alles fertig.Tebbs Gäste hatten sogar einen ungenutztenBereich im Erdgeschoß zur Verfügung ge-stellt bekommen. Nach und nach trafen - mitAusnahme von Tebb - der Rest der Familieund die Angestellten ein. Die Gefährten zo-gen sich für eine Weile zurück, um auf Tebbzu warten.

Reginald Bull bemerkte, daß Mondrafehlte. Er machte sich auf die Suche nachder ehemaligen TLD-Agentin. Als er sie nir-gends im Haus fand und auch über Funknicht erreichen konnte, ging er durch dieTerrassentür nach draußen.

Tebb Celestain hätte sich keinen besserenPlatz für ihr Haus aussuchen können - naheam Raumhafen und ihrem Büro. Das Zen-trum der Stadt war zudem über eine Schnell-passage rasch erreichbar; und doch lag esam Rand. Bereits zwei Häuser weiter breite-te sich die Wüste aus. Die Häuser waren allerelativ schmal, dafür um so höher, mit einerovalen Grundfläche.

Pah, was mache ich mir noch Gedankendarüber und erfreue mich daran? dachte derZellaktivatorträger ironisch.

Es ist doch völlig bedeutungslos gewor-den.

Der Sonnenuntergang auf Quarantimowar dennoch farbenprächtig; der ganze Him-mel leuchtete in einer Orgie aus Rot, Gold,Orange und Blau. Wenige Wolken triebenüber den Himmel, sie gaben die Farben wie-der, schienen zu tanzen und sich miteinander

zu verbinden, trieben auseinander und wo-ben feine Netze bis zum Horizont.

Die Temperaturen waren inzwischen er-träglich, ein leiser Windhauch fächelte überBullys Gesicht. Tief sog er die Luft in dieLungen, sie roch würzig und trocken.

Es ging leicht bergab, denn Quarantimowar auf einem Hochplateau errichtet wor-den. Bis zum Horizont zogen sich einzelne,bis zu 300 Meter hohe Dünenhügel über dasSteppenland, unterbrochen von kleinen Oa-sen mit winzigen Quelltümpeln, Silbernuß-bäumen, Kakteen- und Feigengewächsenund Zwergbeerensträuchern.

Er wollte ihn genießen, diesen Sonnenun-tergang, einen der letzten auf Quarantimo.Vielleicht sogar seines Lebens.

In der Nähe des Hauses war eine kleineOase angelegt worden, die den Familienmit-gliedern, ihren Freunden und den unmittel-baren Nachbarn dienen sollte. Bull hörte vondort ein vertrautes dünnes Trompeten undwußte, wo sein Ziel lag.

Norman nahm gerade ein ausgiebigesStaubbad. Der kleine Elefant wedelte vorVergnügen mit den Ohren, er prustete undversuchte, mit dem Rüssel Staub über seinenRücken zu werfen, was sofort kleinere Nies-anfälle hervorrief. Danach lief er in den klei-nen See, spritzte Wasser um sich und tauch-te ganz unter, bis er blitzsauber war - nur umsich anschließend sofort wieder in den Sandzu werfen.

Er wußte noch nichts von der Katastro-phe, die stündlich näher rückte.

Und Reginald Bull wünschte sich füreinen Moment, er wäre ebenfalls noch einKind, unbedarft und voller Vertrauen, ohnedie vielen Gedanken und das Wissen.

Mondra saß am Rand des Sees, versunkenin den Sonnenuntergang. Sie sah erst auf, alsBulls Schatten auf sie fiel.

»Du verdeckst mir die Sicht«, sagte siekühl.

»Ich wollte nur sichergehen, daß du michwirklich bemerkst und nicht auf einmal er-schrickst.«

Die Terranerin nickte und wies mit einer

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Handbewegung neben sich. Er faßte das alsEinladung auf, sich neben sie zu setzen.Langsam ließ er sich nieder.

Eine Weile schwieg Mondra. Vielleichtwartete sie darauf, daß er das Gespräch be-gann.

»Soll ich in den Kindergarten zurückkeh-ren?« fragte sie schließlich.

»Bist du der Auffassung, daß ihr ein Kin-dermädchen braucht?« konterte Reginald; erwußte sofort, daß sie die KAURRANGmeinte.

»Zumindest benimmst du dich häufig so.«»Kann sein. Da ich euch ausgewählt habe,

fühle ich mich gewissermaßen für euch ver-antwortlich. Und ich möchte Perry gegen-über meine Schlappe nicht zugeben, indemich in aller Gemütsruhe zusehe, wie ihr euchgegenseitig umbringt.«

Mondra zuckte mit den Achseln und warfmit der Hand ein wenig Sand nach Norman.Der kleine Elefant prustete nur und lief aufseinen Beinen einige Meter zur Seite. Dortblieb er stehen, wedelte mit dem Rüssel undschien darauf zu warten, daß jemand mitihm spielte.

»Es ist schwierig, einen so bunt gewürfel-ten Haufen zusammenzubringen«, sagteMondra. »Außer mir hat niemand die ent-sprechende Ausbildung für solche Einsät-ze.«

»Bist du denn der Ansicht, daß dein Ver-halten korrekt ist?« fragte Reginald mild.

»Nein«, gab sie zu. »Schätze, das ist auchder Grund, weswegen ich beim Liga-Dienstnie weitergekommen bin.«

Sie zog die Beine an, schlang die Armedarum und stützte das Kinn darauf. Nach ei-ner Weile vergrub sie das Gesicht in derArmbeuge.

Er merkte, daß sie zitterte, legte den Armum sie und drückte sie behutsam an sich. Eswar nicht tröstlich, daß sie dieselben Gedan-ken hatte wie er. Im Gegenteil. Er hätte lie-ber jemanden neben sich gehabt, der ihmMut gemacht hätte. Perry war immer ein un-verbesserlicher Optimist gewesen, aberselbst der alte Freund hockte in düsterem

Schweigen versunken im Haus.»Bully, ich hab' so eine Scheißangst«,

stieß Mondra mit einem unterdrücktenSchluchzen hervor. »In so einer Situationbin ich noch nie gewesen ... ich meine, soganz ohne Ausweg ...«

»Als wir die KAURRANG verloren, wares auch nicht anders«, erinnerte er sie.

»Nein, das war überhaupt nicht so. Dashabe ich irgendwie nicht so richtig kapiert,es ging alles so schnell, und seltsamerweisehatte ich trotz aller Probleme das sichereGefühl, daß alles gut ausgehen würde. Ichsorgte mich mehr um Norman und dachtevor allem daran, so schnell wie möglich ir-gendwohin zu gelangen. Ich hatte keine Zeitfür Angst.«

»Jetzt ist es aber ähnlich: Wir haben nureine bestimmte Frist, dann ist es aus.«

Sie hob den Kopf und strich ihre schwar-ze Haarmähne zurück. Sie ist wirklichschön, dachte er einen Moment lang.

»Du verstehst nicht«, flüsterte sie. »Weißtdu, wenn der Sauerstoff zur Neige geht,dann schläfst du langsam ein... du spürst garnichts, gehst einfach dahin ins Nirwana, wieSka immer sagt. Aber hier ... Ich meine, siehdir doch diese wundervolle Welt an! Wir ha-ben fast ein Paradies gefunden, und das sollnun zerstört werden! Es hat so gutgetan, hierzu sein. Ich wollte mich zusammenreißenund sogar mit Poulton Waffenstillstandschließen. Und jetzt - ich male mir ständigaus, was in vier Tagen passiert! Werden wirverbrennen? Werden wir erschlagen? Wer-den wir langsam verrecken, alle Grausam-keiten vor Augen und alle Schmerzen derWelt in uns?«

»Ich weiß es doch selbst nicht, Mondra.«»Hast du keine Angst davor?«Er lächelte. »O doch! Jedesmal aufs neue.

Das hört nie auf. Aber man kann lernen, da-mit umzugehen.« Oder zumindest so tun,fügte er in Gedanken hinzu. »Du kannst dirantrainieren, erst dann die Fassung zu verlie-ren, wenn dein Ende gekommen ist. Bis da-hin mußt du die Gedanken an Schmerzeneinfach verdrängen und versuchen, einen

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Ausweg zu finden.«Sie versuchte ein schwaches Lächeln.

»Du meinst, wenn ich so viele Jahre auf demBuckel habe wie du, klappt das?«

»Garantiert«, behauptete er und gab dasLächeln zurück.

Mondra seufzte. »Dann werde ich viel-leicht doch einmal befördert.« Ein weitererSchauer durchlief sie, die junge Frau ku-schelte sich enger an ihn. »Danke, daß dujetzt hier bist, Bully. Es tut gut, so gehaltenzu werden ... Mein Vater hat das auch im-mer gemacht, wenn ich traurig war oderAngst hatte.«

Bull mußte in sich hineingrinsen, die Si-tuation wurde immer abstruser. Da saß er al-so, mitten im schönsten Sonnenuntergangam Vorabend der Apokalypse, in friedlicherIdylle mit einer schönen jungen Frau imArm - und erweckte bei ihr nichts anderesals das Gefühl der väterlichen Geborgenheit.

So weit ist es also schon mit mir gekom-men, dachte er in einem Anfall vonSelbstironie.

»Die Angst kann auch unser Verbündetersein, Mondra«, fuhr er mit seinem Trost fort.»Sie beflügelt unseren Verstand und läßt unsdie unglaublichsten Dinge vollbringen.«

»Das ändert nichts daran, daß ich am lieb-sten vor Panik laut schreien und in die Wü-ste davonrennen möchte. Ich schäme michdeshalb, aber ich kann es nicht ändern. Bul-ly, wenn ich dir verspreche, daß ich michkorrekt verhalten werde, wirst du Perry dannhiervon nichts erzählen?«

»Ich sehe keinen Grund dafür, Mondra.Aber wir sollten lieber zurückgehen, sie ver-missen uns bestimmt.«

Er zog seinen Arm zurück und stand auf.Mondra beseitigte rasch die letzten verräte-rischen Tränenspuren und rief dann ener-gisch nach Norman. Der kleine Elefant warschlammverkrustet und sah aus, als müsse ereine Stunde lang gründlich gewaschen wer-den.

Als Bull sich umdrehte, hörte er in derFerne ein tiefes Grollen. Für einen Momenthatte er den Eindruck, als ob der Boden

leicht zitterte. Norman trompetete vorSchreck.

Mondra wurde blaß. »Beginnt so das Kes-selbeben?«

»Das kann jede Menge Ursachen haben«,sagte er leichthin. »Auf Terra würdest du dirgar keine Gedanken darüber machen.«

»Aber Norman tut es«, erwiderte sie. Mitbeschleunigtem Schritt eilte sie zum Hauszurück.

*

Tebb Celestain war nur ein paar Minutenvor Reginald Bull eingetroffen und bat ingroßer Eile ihre Gäste zu sich. In dem provi-sorisch eingerichteten Wohnbereich fandensich fast gleichzeitig auch die wichtigstenMitglieder ihres Haushaltes ein.

»Es tut mir leid, daß alles so schnell ge-hen muß, aber die Dunkelheit ist nicht mehrfern«, entschuldigte sich die Setchene zuBeginn und fuhr ohne weitere Überleitungfort: »Der Handelstisch ist heute nachmittagzusammengekommen. Wir haben unser ge-samtes Notprogramm aufgestellt - und sofortin die Wege geleitet. Während ich mit euchspreche, wird unser Programm auf allenKanälen im gesamten Quar-System gesen-det. Es ist kein gutes Zeichen, daß wir nichtlange für die Planung brauchten, denn viel -können wir leider nicht tun.«

»Das wissen wir alle, Tebb«, sagte Barr.»Gibt es eine Neuigkeit über die GLIM-MER?«

»Nein, und das könnte ein gutes Zeichensein«, antwortete Tebb. »Wir gehen weiter-hin davon aus, daß die Anwesenheit derGLIMMER für uns Bebenhaft bedeutet,denn sonst hätte sich Eismer Störmengordlängst in Sicherheit gebracht.«

»Aber das kann er am letzten Tag nochtun«, wandte Lurr ein.

»Nein, das nehme ich eben nicht an«, wi-dersprach Tebb. »Er will hier noch irgendetwas tun, wenn das Kesselbeben begonnenhat. Welchen Grund hätte seine Anwesen-heit sonst?«

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»Schön, nehmen wir also die Bebenhaftan«, sprach Lokk dazwischen. »Können wiruns darauf einstellen?«

»Ja, Schwester. Unser Haus ist bereitsentsprechend umgestaltet worden, und alleanderen Häuser sind ebenfalls dabei. Beiden Mietshäusern für die Alleinstehendenkönnen wir nichts ändern, da es keine Priori-täten gibt. Wer oben wohnt und nicht in eineNotunterkunft zieht, hat eben Pech gehabt.Das Haus Celestain jedenfalls kann der Be-benhaft weitgehend getrost entgegensehen.«

Tebb stellte sich aufrecht hin, damit siebesser gesehen und gehört werden konnte.Es war ihr wichtig, daß die anderen auch ih-re Zuversicht mitbekamen.

Selbst für die Besucher aus der Milchstra-ße wurde deutlich, weshalb sie das Hausführte und so erfolgreich geworden war: Siestrahlte eine große Energie und Würde aus;auch ihre aufrechte Haltung, die Art, wie sieden Kopf bewegte und die Brustarme fürGesten einsetzte, trugen dazu bei. Man spür-te deutlich, daß sie genau wußte, was siewollte, und dabei weder Fürsorge noch Ver-antwortung außer acht ließ.

»Ihr wißt, daß ich euch trotz meiner vie-len Schiffe nicht alle fliegen lassen kann«,fuhr Tebb fort. »Wir haben einige Prioritä-ten gesetzt - wir haben sie setzen müssen.Doch die anderen, die bleiben müssen, kön-nen sich hier unten einigermaßen zurechtfin-den. Folgendes wird in den nächsten beidenTagen geschehen: Alle technischen Anlagenwerden der Reihe nach abgeschaltet, inklusi-ve der Kraftwerke und der automatischenFabriken. Nur so können wir verheerendeExplosionen verhindern. Während einer Be-benhaft gibt es unserem Kenntnisstand nachohnehin nur sehr geringe Möglichkeiten zurStromerzeugung - wenn überhaupt. Alle An-tigravlifte werden desaktiviert. Alle automa-tischen und nichtautomatischen Türen wer-den geöffnet und arretiert. Die Schächte fürdie Notunterkünfte werden bereits ausge-baut, wir können dazu das unterirdische Ka-nalsystem von Quarantimo nutzen. Solltendie Zugänge verschüttet werden, gibt es im-

mer noch die Ausgänge in der Wüste.«»Was geschieht mit der Temperierung der

Sandkuhlen?« warf eine besorgte Angestell-te ein.

»Das schaffen wir mit den Solarzellen«,antwortete Tebb. »Die Sonne wird uns hof-fentlich genug Wärme und damit Energieliefern - ansonsten können wir ja ohnehinnicht überleben. Die Nahrungsmittelfabrikenwerden natürlich als letzte Einrichtung abge-schaltet. Alle für Quarantimo bestimmtenVorräte. werden im Zentrum der Stadt unter-irdisch gelagert und von dort aus verteilt.Ebenso werden wir den unterirdischen Was-serspeicher soweit wie möglich auffüllen,denn wir wissen nicht, was mit den Quellenim Land draußen geschieht.«

»Das Wasser ist unsere geringste Sorge«,meinte Lokk. »Aber ich bin überzeugt, daßfür diejenigen, die zurückbleiben, bis zumBebentag alles getan ist. Und was ist mit denSchiffen?«

»Wir haben alle im System erfaßt, siewerden bis spätestens morgen mittag fertigausgerüstet und disponiert sein. Übermorgenfrüh beginnt die Evakuierung, bis dahin istauch die Auswahl beendet, wer reisen darf.«

Tebb richtete ihr Schultertuch. Für einenkurzen Moment schloß sich die Nickhautwie ein milchiger Schleier über ihre großen,violett glänzenden Augen.

Reginald Bull bemerkte daraufhin ein un-ruhiges Scharren der übrigen Anwesenden.Es bedeutete also eine tiefe innere Regung -und keine optimistische. Wie denn auch?

Sein Herz pochte plötzlich heftig, bis derAktivator in seiner Schulter regulierend ein-griff. Was für eine lächerliche Gemütsre-gung! dachte er. Es war ihm doch bewußt,daß es für ihn und seine Gefährten keinePlätze geben würde. Er sah zu seinem älte-sten Freund, und ihre Blicke begegnetensich. Seit ihrer Rückkehr aus Tebbs Bürohatten Rhodan und Bull nicht mehr mitein-ander gesprochen.

Bull richtete seine Aufmerksamkeit erneutauf Tebb Celestain. Die Nickhaut über ihrenAugen zog sich wieder zurück.

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»Ich habe jetzt die traurige Aufgabe, euchzu sagen, wer hierbleiben muß«, sagte sielangsam.

3.Opfer

Die lastende Anspannung in dem Raumbereitete Reginald Bull fast körperlicheSchmerzen. Er konnte sehen, wie seine Ge-fährten ein wenig die Beherrschung verlo-ren. Langsam musterte er sie.

Tautmo Aagenfelt richtete seinen Blickstur auf den Boden, konnte aber nicht dasZittern seiner Hände unterdrücken; sie hin-gen an seiner Seite herunter, als gehörten sienicht zu seinem Körper. Der terranischePhysiker zählte ohnehin nicht zu den stabil-sten Naturen. Bull wunderte sich ohnehin,daß Tautmo die Lage bisher erstaunlich ru-hig meisterte.

Bei Mondra Diamond, in die der Physikerrettungslos verliebt war, zeigte sich die Un-ruhe daran, wie ihre Hände durch das Ge-sicht wanderten. Mal zupfte die 33jährigeam rechten Ohr, mal strich sie mit dem Zei-gefinger über die Nase, dann wieder fuhr siegedankenverloren mit dem Daumennagelüber die schön geschwungenen Lippen, be-vor sie mit den Händen ihre dunklen Haarezurechtmachte.

Norman, der kleine Elefant, schrumpftesichtlich in sich zusammen und sah mitgroßen Kinderaugen zu seiner Herrin auf,die auf diese Weise völlig mit sich selbst be-schäftigt war. Der Kleine gab keinen Lautvon sich, strich aber immer wieder mit sei-nem grauen Rücken an ihren Beinen ent-lang.

Zu Bulls Erstaunen hatte sich PoultonKreyn ebenfalls gut in der Gewalt:

Der riesige Ertruser wollte offenbar nicht,daß man sah, wie er mit seinen Händen un-ruhige Gesten ausführte; er hatte sie zwi-schen den muskulösen Oberschenkeln ver-schränkt.

Die Swoons blieben nach außen hin zu-rückhaltend, Ska Kijathe strahlte die übliche

Ruhe aus, und Perry Rhodan strich einmalüber die kleine Narbe am Nasenflügel. Daswar das einzige Zeichen von Unruhe, daßBulls ältester Freund von sich gab.

Und ich, wie sehe ich aus? fragte er sichselbst. Die beiden Aktivatorträger mußtenihrer zusammengewürfelten Mannschaft eingutes Vorbild sein.

Es bestand überhaupt kein Grund für dieGalaktiker, nervös zu werden - sie wurden jain keinem Fall auserwählt, nachdem Tebbnicht einmal ihrem gesamten Haus den Fluggestattete. Trotzdem verursachte das WartenHerzklopfen; ein kleines Fünkchen Hoff-nung hielt sich energisch, solange das To-desurteil nicht verkündet war...

»Alle meine Brutschwestern im Quar-System werden sich mit ihren Kindern er-sten Ranges auf den Schiffen einfinden«, be-gann Tebb. »Das gleiche gilt für alle meineNachkommen ersten Ranges, wo immer siesich aufhalten. Ein entsprechender Aufruf andiejenigen, die nicht auf Quarantimo leben,ist schon abgeschickt. Meine Flotte ist nahe-zu fertig umgerüstet, und der Großteil derSchiffe verteilt sich auf die entsprechendenPlaneten. Die Kinder zweiten Ranges vonmir und meinen Schwestern können eben-falls an Bord gehen. Dazu kommen alle Ge-lege und alle männlichen Nachkommen mei-ner Eltern und meiner Brutschwestern, dienoch keine feste Bindung haben.«

»Das sind ungefähr fünfzehn«, warf Jennein.

»Was sind Kinder zweiten Ranges?«.flüsterte Bull Lurr zu, die neben ihm kauer-te.

»Kindeskinder«, wisperte sie zurück.»Das ist alles«, schloß Tebb ihre Liste.

»Die übrigen Plätze werden von anderen Fa-milien, die wir bereits ermittelt haben, inderselben Reihenfolge belegt. Sollte noch ei-ne Reserve bleiben, könnt ihr untereinanderdurch Los entscheiden, wer die Plätze ein-nehmen darf.«

Ihre Nickhaut schloß sich wieder für dieDauer mehrerer Lidschläge - und nicht nurihre. Für einen kurzen Moment herrschte

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kummervolle Stille. Diejenigen, die gehendurften, konnten sich nicht freuen, weil dieanderen geopfert werden mußten.

»Barr«, wandte Tebb sich an ihre Tochter,»du bist mein ältestes Kind. Du warst die er-ste, die geschlüpft ist, und bist daher immeretwas ganz Besonderes für mich gewesen -so wie ich für meine Mutter. Du bist stark,gewitzt und klug. Ich übertrage dir die Auf-gabe, einen neuen Platz für unsere Familiezu suchen und ein Haus zu gründen. Wenndu keinen geeigneten Mann findest, nimmeinen meiner Brüder. Ich vertraue dir auchmeine jüngsten Kinder an, die kurz vor derHäutung stehen. Ich hoffe inständig, daß siediese Flucht überstehen werden, denn ... esist mindestens^ ein männlicher Nachkommedabei. Surt ist sich ganz sicher. Auf die Artund Weise wird auch mein Haus weiterexi-stieren ...«

»Aber was redest du denn da, Tebb?« riefBarr erschrocken. »Es ist doch deine Aufga-be!«

»Ach, ich vergaß ...«, fuhr Tebb fort, alshätte sie den Einwand nicht gehört.»Selbstverständlich übernimmst du auch denVorsitz am Handelstisch. Dort, wo ihr hin-geht, wird er weiterexistieren, um den Set-chenen ein geordnetes Leben zu garantie-ren.«

»Mutter!«Tebb sah ihr in die Augen. »Es tut mir

leid«, sagte sie leise, »aber ich komme nichtmit.«

Alle Setchenen fuhren hoch. Auch Regi-nald Bull machte ein verblüfftes Gesicht.

»Das... das ist nicht dein Ernst!« stotterteBarr. Sie zwinkerte heftig, und ihre Zungeschoß mehrmals zwischen den Hornlippenhervor. »Aber gerade dein Platz...«

»Du bist es doch, die ...!« rief eine andere.»Du kannst nicht ...«, schloß sich eine weite-re an.

»Es tut mir leid«, wiederholte Tebb lauterund sorgte damit für Ruhe. »Ich habe denganzen Tag darüber nachgedacht, und ichwar vorhin bei Surt. Er kann unmöglich flie-gen, versteht ihr? Genau wie mein Vater. Sie

sind nicht mehr in der Lage, ihr Revier aneinen völlig fremden Ort zu verlegen, daswürde sie umbringen. Er wollte tapfer seinund mir vortäuschen, daß er mit mir gehenkönne. Aber ich kenne ihn zu gut, ich weißgenau, daß er es nicht schaffen wird. Undich kann und will ihn nicht verlassen. EinLeben ohne ihn ist für mich undenkbar.«

Ihre Stimme wurde ruhiger und sicherer,je länger sie sprach.

»Wir - nein, ich habe mich daher ent-schlossen, zu bleiben. Bitte versteh das,Barr. Du bist jung, du hast dein Leben vordir. Manche deiner Brutschwestern habensich bereits einer Familie angeschlossen undeigene Kinder, doch du sollst das Haus Cele-stain fortführen. Mit meinem männlichenNachkommen, den wir erwarten, und denanderen hast du alles für einen guten An-fang. Ich habe doch schon alles verloren, ichwill nicht auch noch Surt verlieren.«

Barr ließ den Kopf leicht sinken. »Damithätte ich nie gerechnet«, sagte sie erschüt-tert. »Und nichts kann dich umstimmen?«

»Nein. Mir ist es wichtig, daß meine Klei-nen ihre Häutung lebend überstehen und daßdu gut für sie sorgst. Schlimmstenfalls ha-ben wir zwanzig Jahre Bebenhaft vor uns,Surt und ich werden das überstehen. Unddann - finden wir vielleicht alle wieder zu-sammen. Allerdings ...« Tebbs Unterlippezog sich plötzlich zu einem Lächeln nachunten. »Ich fürchte, ihr müßt dann den Be-such bei uns machen, da wir keine Fährenmehr besitzen ...«

Die Unternehmerin warf einen Blick zuden Fenstern. »Es ist spät, ihr müßt gehen.Morgen hat jeder seine Aufgabe oder fürseine künftige Unterkunft zu sorgen.«

Die Setchenen entfernten sich eilig, umrechtzeitig ihre Schlafkuhlen zu erreichen.

Perry Rhodan, Reginald Bull und die an-deren blieben noch; sie hatten ihr Erstaunenüber Tebbs Entscheidung noch nicht über-wunden.

»Und wir können dich auch nicht umstim-men?« fragte Rhodan.

»Ihr am allerwenigsten«, entgegnete

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Tebb. »Glaubt mir, diese letzte Entschei-dung ist mir ziemlich leicht gefallen. Wäh-rend des Fluges hätte ich viel zuviel Angstum Surt und die Jungbrut ausgestanden, undes hätte mir sehr schwer zugesetzt, wenn ichauch nur einen verloren hätte. So aber bleibtSurt sicher am Leben, und Barr wird sichum die Kleinen kümmern - ohne daß ich vorSorge vergehen muß. Nach dem furchtbarenUnfall war sowieso eine große Leere in mir.Vielleicht wäre es mir schwerer gefallen,wenn ich mein Unternehmen nicht geradeeben verloren hätte.«

»Kobb wird deiner Tochter den Vorsitzam Handelstisch sicher streitig machen«,vermutete Bull.

»Sie wird sich nicht durchsetzen können.Es gehört mehr dazu als beruflicher Erfolg,und Kobb denkt viel zu sehr an sich. Die an-deren werden es nicht zulassen, daß sie überdie Geschicke der Setchenen bestimmt. Sieist schließlich nicht die einzige, die Raketenbesitzt.« Tebb rieb sich die Schulterarme.»Ich muß mich jetzt leider entschuldigen,Freunde, die Starre kriecht mir schon in alleGelenke, und ich friere. Ich kann nicht län-ger aufbleiben. Ich hoffe, daß ihr einen eini-germaßen bequemen Platz gefunden habt.Bis morgen.«

*

Tebb eilte zu Surts Vivarium. Sie hattenicht vor, ihre eigene Sandkuhle zu benut-zen - die schien ihr an diesem Tag zu kaltund leer. Sie wollte die Nähe eines anderenum sich spüren und Trost finden.

Als Familienoberhaupt mußte sie sichnach außen hin stark und selbstsicher geben- selbst vor Surt. Die Setchenen besaßen vielSelbstdisziplin, doch wenn ihre Vorbilderversagten, konnte es zur Katastrophe kom-men - schon vor dem Kesselbeben. Nach-dem Tebb aber den anderen Selbstsicherheitvorgespielt hatte, brauchte sie selbst Hilfe.

Das Vivarium war als erstes eingerichtetworden und daher so ziemlich der einzigeanheimelnde Platz im ganzen Haus. Der ei-

gentliche Umzug lag noch vor Surt. Sobalddie Angehörigen abgeflogen waren und dasHaus verlassen war, wollte Tebb mit Surtund denjenigen, die gar nicht wußten, wohinsie sollten, den Bunker an der Oase aufsu-chen. Er war direkt mit dem Kanalsystemverbunden und diente als Wasserspeicher,war aber groß genug ausgebaut, um wenig-stens einer Handvoll Setchenen Obdach zugewähren. Es gab sogar einen halbwegs aus-gebauten Weg in die Wüste hinaus. Gleicham nächsten Tag wollte Tebb Generatoren,Vorräte und was man so brauchte, hinbrin-gen.

Surt hatte sich bereits bequem zusammen-gerollt, aber er war noch wach. Der Mannhob den Kopf und blinzelte erstaunt. »Dubist hier? Es ist doch fast Nacht!«

»Eben deswegen«, antwortete sie.Sie legte sich dicht zu ihm, die Temperie-

rung des Sandes war angenehm, und es tatunglaublich gut, Surts männlichen Duft undseine Wärme einatmen zu können.

»Tebb, denkst du wirklich, daß wir blei-ben sollen?« fragte er, schon halb eingedäm-mert.

»Ich habe es dir doch gesagt, Surt. Dukannst dein Revier in die Wüste hinaus aus-weiten und für mich jagen, wenn es keineNahrungsvorräte mehr gibt.« Tebb lobteSurt nicht damit, sie wußte, daß er stark undschnell war. An seiner Seite konnte sie nichtverhungern.

Möglicherweise mußten sie sogar für ihreGäste aus der fremden Galaxis sorgen, die janun keine Passage mehr bekamen. Sie hattesie nicht darauf angesprochen, doch bittekeinen Versuch zu unternehmen, heimlichirgendwo an Bord zu gelangen. Es war nurein Gefühl, aber dieser Mann namens PerryRhodan wirkte vertrauenswürdig und diszi-pliniert. Sie glaubte nicht, daß er ein unrech-tes Handeln seiner Gefährten zulassen - odersie selbst dazu anstiften würde.

Damit waren ihre Gedanken über dieFremden abgeschlossen; es ging jetzt umsehr viel Wichtigeres. Innerlich fühlte Tebbsich kalt und wie gelähmt; ähnlich der kör-

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perlichen Starre. Sie konnte es einfach nichtglauben, daß in drei Tagen schon alles vor-bei sein sollte.

In all den Jährhunderten hatte niemandbewußt an ein Beben gedacht. Die Setche-nen hatten untereinander nie darüber gespro-chen, sie erfuhren nur einmal während derAusbildung vor der ersten Häutung davon.

Tebb Celestain war aufgewachsen wie al-le ihre Artgenossen, und sie hatte ihr Lebengut geplant. Ihr plötzlicher finanzieller Ruinhatte sie zwar sehr tief getroffen, doch bevorsie sich richtig damit auseinandersetzenkonnte, war es noch schlimmer geworden.

Auf einmal schien alles so bedeutungslosgeworden zu sein, alle Pläne und Wünsche,ebenso ihr eiserner Wille, wieder auf dieBeine zu kommen.

Hatte sie ihr Leben verschleudert? Hattesie überhaupt Zeit dazu gehabt, alle die Din-ge zu tun, die sie sich erträumt hatte? Hattesie sich von der Arbeit und dem Strebennach Profit auffressen lassen?

Es war alles vorbei... aber wie konnte siedas glauben? Es gab noch keine Anzeichen,und Eismer Störmengord hatte überhauptkeine Zeit zur Besinnung gegeben. Vier Ta-ge!

Sicher, sie hatten sofort das Notprogrammeingeleitet und begannen demnächst mit derEvakuierung - doch so recht konnte nochkeiner daran glauben. Warum sollte dasKesselbeben ausgerechnet sie treffen undausgerechnet jetzt?

Hafte sie etwa Angst? Tebb wußte esnicht. Im einen Moment glaubte sie es, ja.Alles in ihr vibrierte, und sie hatte das unwi-derstehliche Bedürfnis, sich wie ein Mannauf alle viere niederzulassen, in Höchstge-schwindigkeit in die Wüste zu rennen undsich in den Sand einzugraben.

Sie stellte die Frage aller Fragen:Warum ich? Sie wollte noch nicht ster-

ben, sondern leben, von Surt Söhne bekom-men, den größten aller Clans aufbauen ...und einmal Zeit nur für sich haben, ohne diequälende Verantwortung. Sie wollte ...

... und im nächsten Moment war schon

wieder alles vorbei, und die Kälte kehrte zu-rück, der Zustand der Betäubung, des Un-glaubens, des Nichtbegreifens.

Sie wollte aufstehen und arbeiten, WeitereBunker anlegen, Vorratskammern auffüllen,alles nur Mögliche tun, aber ihr Körper ver-sagte. So weit waren die Setchenen in ihrerEvolution noch nicht gekommen, daß siemitten in der Nacht umhergehen konnten,solange sie sich auf einem Planeten befan-den. Erstaunlicherweise konnten sie sich inder künstlichen Umgebung eines Raum-schiffs allmählich assimilieren, denn im Allherrschte nun einmal immer Nacht. Wie dasmöglich sein konnte, hatte noch niemandherausgefunden, aber sie konnten denSchlafrhythmus ändern, sobald sie ihre Weltverlassen hatten. Anscheinend konnten dieauf einem Planeten herrschenden Lebensbe-dingungen in einem Raumschiff nicht sotäuschend nachgeahmt werden, daß der Hor-monspiegel sich dort änderte und die Kör-perfunktionen den herrschenden Bedingun-gen anpaßte. Eine bestimmte stimulierendeKräuterzusammensetzung, die der Luft bei-gemischt wurde, half diese Assimilation zuerleichtern.

Darüber dachten die Setchenen schon lan-ge nicht mehr nach oder wunderten sich.Tebb dachte auch erst jetzt darüber nach;wohl, um sich davon abzulenken, daß siesich selbst die Chance auf Rettung verwehrthatte.

War diese Entscheidung richtig gewesen?»Die Jungbrut wird mir sehr fehlen«,

meinte Surt mit leisem Kummer. »Aber esist sicher besser, sie fortzuschicken. Hof-fentlich wird mein Sohn so stark wie ich...«

»Ganz bestimmt«, murmelte Tebb. »Ganzbestimmt wird er das.«

4.Tag 2

Vergebliche Bitten

Am Morgen, sofort nach dem Aufwachen,waren umgehend all ihre Gedanken und Be-fürchtungen wieder da. Setchenen träumten

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kaum, deshalb wurde der Schlaf nicht durchSorgen belastet. So war Tebb trotz der neuenGedanken gut ausgeruht.

Doch die Ruhe war nur körperlich; see-lisch fühlte sie sich weiterhin kalt und leer.Fast mechanisch nahm sie die morgendlicheReinigungsprozedur vor, ihre Gedanken wa-ren ständig bei der Evakuierung und der Fra-ge nach der Richtigkeit ihrer Entscheidung.

»Kann ich dich einen Moment sprechen?«Tautmo Aagenfelt erwartete Tebb allein.

»Selbstverständlich«, antwortete sie.»Kann ich etwas für dich tun?«

»Ich weiß, daß du nun sehr viel zu tunhast, und ich möchte deine Gastfreundschaftnicht überbeanspruchen«, setzte der Hyper-physiker umständlich zu einem Bittgesuchan. »Dennoch wollte ich dich fragen, ob eswirklich keine Möglichkeit einer Passage füruns gibt...«

»Aber ich habe doch bereits mit PerryRhodan darüber gesprochen. Hat er dasnicht weitergegeben?«

»Doch, und deshalb bin ich hier. Ich mei-ne, wir nehmen doch nicht viel Platz weg,und du bist die Vorsitzende eures Handelsti-sches. Dein Wort hat mehr Gewicht als dasaller anderen zusammen! Wenn du die Ent-scheidung treffen würdest, könnten sienichts dagegen haben, nicht wahr?«

Tebb dachte einen Moment nach; das wareine interessante Frage. So hatte sie sich die-se Frage bislang nicht gestellt.

»Nein«, meinte sie dann. »Wohl nicht.Aber weshalb sollte ich das tun?«

»Nun, weil... weil soviel mehr dahinter-steckt, als ich dir anscheinend begreiflichmachen kann!« rief Aagenfelt verzweifelt.»Wenn wir alle umkommen oder auch nurzwanzig Jahre hier aufgehalten werden, pas-siert eine Katastrophe! Es hängt alles mit derKoalition Thoregon zusammen und demStatus Perry Rhodans als Sechster Bote! DasGeschick vieler Galaxien hängt von unseremErfolg ab!«

Tebb hatte aufmerksam zugehört. »Ichverstehe«, sagte sie langsam. »Doch ichfürchte, ich kann es nicht ändern. Jeder ein-

zelne noch so kleine Platz ist entscheidendfür das Überleben meines Volkes. Es mußsonst aussterben, fürchte ich.«

»Aber wenn wir scheitern, geht dein Volkerst recht unter!«

»Woher willst du das wissen? Ich kannnicht glauben, daß das Schicksal ganzer Ga-laxien von euch wenigen abhängt«, schmet-terte sie seinen Versuch ab. »Du sprichstvon einer Koalition. Ich habe mir das Wortvon Perry erklären lassen. Es bedeutet, daßihr nicht allein an diesem Unternehmen na-mens Thoregon beteiligt seid, sondern auchnoch weitere, gleichfalls mächtige Völker.«

»Du verstehst einfach nicht...«, setzteTautmo an.

»Was gibt es da nicht zu verstehen? Wennihr scheitert, werden sie sich einen anderenWeg überlegen! So ist es doch bei einer In-teressengemeinschaft, nicht wahr? Es ist un-möglich, daß nur dieser eine Weg, dieser ei-ne Auftrag für euren Erfolg maßgebend seinkann.« Tebbs Tonfall klang nachsichtig wiebei einem störrischen Kind. »Ich kenne Tho-regon und dessen Ziele nicht, doch solltet ihrlieber Vertrauen zu euren Handelspartnernhaben und nicht das Schicksal des gesamtenUniversums auf eure Schultern laden.«

»Du magst es verspotten aber es ist bitter-ernst«, versuchte Tautmo einen neuen An-lauf.

»Ja? Vielleicht ist dieser Auftrag nicht sobedeutend, wie man euch glauben ließ - undselbst wenn, dann wird es bestimmt eine Ab-sicherung für den Fall geben, daß ihr schei-tert. Jeder vernünftige Unternehmer muß dasRisiko in seine Kalkulation mit einbeziehen.Es gibt immer Hindernisse, die vorher nichterkennbar waren und die einen an den Randdes Ruins bringen können. In so einem Fallmuß man auf Alternativen zurückgreifen,die man sich vorher überlegt hat!«

»Das ... das :..« Taumo Aagenfeltschnappte nach Luft.

»Das ist meiner Ansicht nach absolut lo-gisch, Tautmo. Ein fortschrittliches Volkwie ihr muß diese einfache Regel kennen,sonst wäre es niemals so weit gekommen.«

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Sie neigte sich leicht und legte ihrem Gastfreundschaftlich eine Brusthand auf dieSchulter. »Ich erkenne euer Problem undhätte euch sehr gern geholfen, das habe ichbereits Perry gegenüber deutlich gemacht.Doch jetzt geht es um die Existenz meinesVolkes, das ist eine akute Gefahr, der wirsofort begegnen müssen. Deshalb muß icheure Bevorzugung ablehnen.« Der Terranergab sich noch nicht ganz geschlagen. »Aberdu darfst die Zukunft dabei nicht vergessen,Tebb.«

»Das wird sich erweisen, meinst dunicht?« erwiderte sie. »Vielleicht solltest dueinfach etwas mehr Vertrauen zu deinen ei-genen Leuten zeigen. Perry hat mir gesagt,daß er unsterblich sei und schon Jahrtausen-de lebe. Denkst du nicht, daß seine Erfah-rung euch helfen wird?«

Dieser Tadel wirkte in der Tat. TautmoAagenfelt blieb nichts anderes übrig, als sichzurückzuziehen.

Tebb Celestain dachte bei sich, daß diesein neuer Beweis für die Fremdheit ihrer Be-sucher war. Wahrhaftig, ich werde sie nieverstehen. Wenn sie Zeit hatte, wollte sieüber dieses interessante psychologische Pro-blem nachdenken. Doch das war momentankaum ihr Problem.

*

Tebb wollte gerade das Haus verlassen,als Barr zu ihr kam. »Ich muß mit dir spre-chen«, sagte ihre Tochter. Der Wunsch kamin einem so ernsten Tonfall, daß Tebb sofortaufhorchte.

»Gehen wir in mein Büro, dort sind wirungestört;« Tebb hatte sich in einem kleine-ren Zimmer ein Büro eingerichtet, um vonjetzt an stets erreichbar zu sein. Neben demVisifon hatte sie sich auch eine kleine Funk-und Ortungsstation eingerichtet, derenReichweite aber nicht weiter als bis zumnächsten Planeten betrug.

»Es geht um Kobb Taphirtel«, begannBarr. »Ich habe Nachforschungen über sieangestellt.«

»Nachforschungen?« fragte Tebb er-staunt. »Ist das noch von irgendeinem Be-lang? Weshalb denn?«

»Ich habe dir bisher nichts davon erzählt,aber vor zwei Tagen bin ich zufällig in einGespräch der Fremden geplatzt«, berichteteihre Tochter. »Ich habe ein paar Bemerkun-gen über den Unfall gehört, die mich nach-denklich gemacht haben.«

»Inwiefern?«»Sie vermuten, daß nicht alles mit rechten

Dingen zugegangen sei.«Tebb setzte sich kerzengerade auf. »Bist

du verrückt? Wer sollte so etwas tun?«Als Barr schwieg, dämmerte es ihr. »Du

sprichst von Kobb? Warum sollte sie dastun? Keine Setchene hat je ...«

»Aber mit Kobb scheint wirklich etwasnicht zu stimmen«, verteidigte sich Barr.

»Barr, sie hat doch selbst zwei ihrer neue-sten und teuersten Fähren verloren! Sie wür-de sich selbst in die Schuppen reißen!« riefTebb.

Barr griff mit dem Brustarm an ihren Gür-tel und holte aus einem Behältnis einige Pa-piere hervor, die sie Tebb schweigend reich-te.

Während Tebb die Unterlagen studierte,wurden ihre Augen immer schmaler, und ih-re Halsschuppen stellten sich steil auf.

»Wenn das stimmt«, sagte sie schließlichlangsam, »wird Kobb mir einige Erklärun-gen schuldig sein.«

Sie stellte .über das Visifon eine Verbin-dung zum Raumhafen-Turm her und ließsich eine Liste der gegenwärtig parkendenFähren und Raketen geben.

Die Arbeiten gingen sehr gut voran, wiesie dabei erfuhr. Der Zeitplan zur Evakuie-rung konnte in jedem Fall eingehalten wer-den. Das war auf gewisse Weise eine tröstli-che Meldung, doch deswegen hatte Tebbnicht angerufen.

»Zu den geparkten Raketen gehören auchKobb Taphirtels neue DRYTORN-B, nichtwahr?« erkundigte sie sich.

»Nur eine«, lautete die Antwort. »DieTestflüge sind erfolgreich verlaufen, doch

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Kobb hat mitgeteilt, daß die zweite Raketebereits auf einem anderen Planeten verplantsei und sie für Quarantimo nur eine zur Ver-fügung stellen könne.«

»Das heißt, die zweite Rakete ist nicht zu-rückgekehrt? Wo hält sie sich auf?«

»Einen Moment.«Tebb sah Barr an. »Meine ehemaligen Ra-

keten waren beide für Quarantimo dispo-niert! Das verstößt gegen den Plan! Kobbhat davon Kenntnis, sie kann sich nicht her-ausreden!«

»Wahrscheinlich hat jemand sehr viel da-für bezahlt, eine Passage auf einer Rakete zubekommen«, vermutete Barr.

»Das werden wir jetzt sofort herausfindenund rückgängig machen, darauf kannst dudich verlassen«, schnaubte Tebb.

Kurz darauf kam der Rückruf aus demTurm. »Wir können die Rakete nicht ausfin-dig machen.«

Tebbs Augen wurden noch schmaler undnahmen einen schwärzlichen, matten Tonan. »Wie bitte?«

»Ja, es ist merkwürdig«, bestätigte dieSetchene im Turm. »Sie befindet sich aufkeinem Raumhafen und auch nicht unter-wegs. Wir haben alle Türme und Funkermobilisiert und jede Meldung bestätigt be-kommen - bis auf die GLIMMER natür-lich.«

»Denkst du, Kobb ist bereits mit einer Ra-kete geflüchtet?« flüsterte Barr entsetzt.

»Auch das werden wir gleich wissen.«Tebb stellte als nächstes eine Verbindung zuKobbs Büro her. Ihre Assistentin meldetesich und erklärte, daß Kobb gerade nicht zusprechen sei.

»Für mich wird sie zu sprechen sein«,sagte Tebb hart. »Ich mache mich auf denWeg zu ihr, und es wäre ratsam, sie übermeinen Besuch zu informieren.«

Ohne eine Antwort abzuwarten, schaltetesie ab.

»Barr, vertritt mich und sieh zu, daß allesseinen geregelten Gang geht!« ordnete sie anund verließ das Büro.

5.Finten und Wahrheiten

Tebb Celestain hatte sich einen Plan, zu-rechtgelegt für den Fall, daß Kobb tatsäch-lich schon geflohen sein sollte. Doch eszeigte sich, daß ihre Erzkonkurrentin anwe-send und über ihren Besuch informiert wor-den war.

Tebb mußte sich eingestehen, daß sie da-von überrascht war. Doch natürlich durftesie genau diese Überraschung nicht zeigen.Nach dem, was Barr ihr überreicht hatte,war es nun an der Zeit für die Wahrheit.Selbst wenn der drittletzte Tag vor dem En-de angebrochen war...

J Es ging nicht nur ums Prinzip, nicht nurum die vielen Toten bei dem vorgeblichenUnfall, sondern auch um die Zukunft vonTebbs Clan, den Barr fortführen sollte - inder Fremde. Gerade für den Neuanfang wares wichtig, eine gute Position zu haben.Sonst konnte Tebb ohnehin nichts mehr fürihre Familie tun.

Außerdem wollte sie nicht als Närrin en-den. Zugegeben, das war eitel, doch in die-sen Momenten war ihr das wichtig.

»Tebb, was für eine unerwartete Freude!«rief Kobb und eilte ihr mit ausgestrecktenBrustarmen entgegen.

»Das wird sich zeigen!« gab Tebb scharfzurück. Sie hielt die Schulterarme abweh-rend nach vorn, während die Brustarme ver-schränkt blieben. »Ich will ungestört mit dirreden.«

Kobb stutzte, offensichtlich über den har-schen Ton erstaunt, und führte Tebb wortlosin ihr Büro. Dort nahmen die beiden Unter-nehmerinnen Platz.

»Zunächst«, begann Tebb ohne Um-schweife, »wo ist deine zweite Rakete?«

»Wo sollte sie schon sein?«»Das frage ich dich!«Kobb gab sich den Anschein ehrlicher

Verwunderung. Tebb konnte keine Verunsi-cherung bei ihr feststellen. Hatte sie sich ge-irrt? Und Barr ebenso?

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»Liebe Tebb, ich habe euren Dispositions-plan erhalten, aber leider etwas zu spät - ichhabe meine zweite Rakete bereits zur Ret-tung anderswo eingesetzt. Es tut mir leid,wenn ich damit deinen Ärger heraufbe-schworen habe, doch wir können vielleichtnoch eine rettende Lösung finden«, erklärteKobb. »Du hast im übrigen ausgezeichneteWare gekauft, mein Kompliment.«

»Besten Dank, doch das nutzt mir nichts«,entfuhr es Tebb. Dann wurde sie wiedersachlich: »Wo hast du die Rakete einge-setzt?«

»Ist das ein Verhör, Tebb? Was soll das?«»Weswegen beantwortest du nicht einfach

meine Frage, Kobb?«Kobb Taphirtel ließ sich hinter ihrem Ar-

beitstisch nieder. »Na schön«, sagte sie är-gerlich. »Wenn ich auch nicht ganz verste-hen kann, was das zur Sache tut... Immerhinbin ich eine freie Unternehmerin - aber gut,schließlich bin ich nicht ganz unschuldig andiesem Durcheinander. Die Rakete wird aufdem sechzehnten Planeten, Querundo, ein-gesetzt.«

Tebb setzte absichtlich ein erstauntes Ge-sicht auf. »Bist du sicher?«

»Aber natürlich!« Kobb fiel auf sie her-ein, denn sie wirkte auf einmal besorgt:»Wieso, ist etwas geschehen?«

»Ja. Anscheinend ist unser Volk tatsäch-lich dem Untergang geweiht, Kesselbebenhin oder her, denn unsere Gene verändernsich. Sie sind mutiert und haben aus einerSetchene eine Lügnerin gemacht!«

»Ich verstehe nicht ...«, stammelte Kobb.»... daß du völlig aus der Art geschlagen

bist, Kobb!« Tebb hätte das Spiel noch eini-ge Zeit weiterführen und Kobb in die Engetreiben können.

Doch das war nicht ihre Art. Setchenenwaren aufgeschlossen und offen, Bis auf ei-ne.

»Tebb, du weißt nicht, was du redest!«gab Kobb sich erschüttert. »Sieh mich an,sehe ich so fremd aus für dich?«

Tebb neigte den Kopf leicht zur rechtenSeite. »Äußerlich nicht, Kobb, aber inner-

lich.«»Das glaubst du doch selbst nicht!«»Wir werden sehen. Wo ist deine Rakete?

Sag mir die Wahrheit.«»Allmählich reicht es mir! Ich habe dir

die Antwort bereits gegeben!«»Und gelogen. Die Rakete steht weder auf

Querundo noch auf einem anderen Raumha-fen im Quar-System.«

Allmählich wurde Kobb verunsichert.»Dann ist sie eben gerade unterwegs, viel-leicht noch ein Testflug ...«

Tebb zischte scharf. »Kobb, halte michnicht für dumm!«

Kobb drehte sich in ihrem Sessel einmalum die eigene Achse. Ihre Wangen blähtensich auf, ihre steil aufgestellten Schuppenwirkten dadurch größer und bedrohlicher.

»Na gut!« stieß sie dann wütend hervor.»Ich habe einen kleinen Handel gemacht,aber er wird rechtzeitig zur Evakuierung ab-geschlossen sein! Ist es so verwerflich,rechtzeitig für die Zukunft vorzusorgen? Duweißt, daß der Profit bei mir an erster Stellekommt, und meine zweite Rakete habe icheuch ja bereits zur Verfügung gestellt!«

»Du lügst«, wiederholte Tebb ihren Vor-wurf. »Du hast deine Rakete versteckt, fürwelchen Zweck auch immer.«

»Pah!« machte Kobb verächtlich. »Kannstdu das beweisen?«

»Nein, und ich kann die Rakete vermut-lich auch nicht rechtzeitig finden. Aber ichweiß, daß es so ist - nach allem, was ich in-zwischen über dich erfahren habe!«

Tebb stand auf und warf ihrer Konkurren-tin die Papiere auf den Tisch. »Erklär mirdas alles!« rief sie.

*

Kobb Taphirtel nahm die Papiere mit denBrusthänden und studierte sie ausgiebig.

Ihre Wangen fielen ein, die Halsschuppenlegten sich flach an, und ihre Nasenlöcherwurden feucht.

»Wie bist du ...«, begann sie, doch Tebbunterbrach sie:

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»Und die ganze Zeit glaubte ich deinenschönen Worten, bei Gosaran, wie einTschurk habe ich mich hereinlegen lassen!Hast du gedacht, daß niemand je dahinter-kommen würde?«

»Weshalb denn auch?« gab Kobb zurück.»Setchenen schnüffeln einander nicht hinter-her!«

»Außer, wenn sie Kobb Taphirtel heißen!Du gestehst also?«

»Ich gestehe gar nichts! Wie bist du andiesen Schmutz gekommen?«

»So wie du an meine Raketen!« zischteTebb.

Bedrohlich ragte sie über der Jüngerenauf. Kobb schielte nach dem Rufknopf ihresVisifons, aber Tebb kam ihr zuvor. Siepackte den Apparat mit dem linken Schulter-arm und schmetterte ihn zu Boden.

»Laß das einfach sein!« schnappte sie.»Ziehe niemanden in deine Schande mit hin-ein!«

Sie griff mit beiden Schulterhänden nachden Papieren und riß sie der Konkurrentinaus der Hand.

»Hier steht, daß du die Papiere deiner.beiden Fähren vertauscht hast - in Wirklich-keit wurden nicht deine hochmodernenSchiffe, sondern absolute Schrottkähne zer-stört, die du lediglich äußerlich hingetrimmthast, um den Schein zu wahren!« schrieTebb. Sie war fast auf den doppelten Körpe-rumfang aufgebläht. »Du hast zwei wertvol-le DRYTORN-B für zwei Fähren erhalten,die ohnehin aus dem Verkehr gezogen wor-den wären!«

Kobb blieb sitzen, sie ließ den Wut-schwall über sich ergehen. Sie hatte ihreFassung wiedergewonnen und auch dieAngst vor Tebb verloren.

»Was erwartest du jetzt von mir?« fragtesie mit ruhiger Stimme.

»Das kannst du dir doch denken!« Tebbschraubte ihre Lautstärke gleichfalls herun-ter. »Du gibst sofort die beiden Raketen wie-der heraus, die du dir zu Unrecht angeeignethast!«

Kobb stand auf. Die beiden Frauen um-

rundeten einander in lauernder Haltung, auf-gebläht, prüfend und abschätzend. Ihre lan-gen Zungen stießen wie kleine Dornen her-vor.

»Mach dich doch nicht lächerlich, Tebb!Wie willst du deinen Anspruch. durchsetzen,bevor alles untergeht? Du hast mir die bei-den DRYTORN-B per Dokument übereig-net. Wenn du jemandem Vorwürfe machenwillst, dann dir selbst, weil du so vorschnellgehandelt hast! Ich habe mit deiner Ehrlich-keit und Anständigkeit spekuliert und ge-wonnen! Laß dir das eine Lehre sein - undjetzt verschwinde aus meinem Büro!«

»Ich gehe erst, wenn ich fertig bin. Wasauch immer geschehen mag, dieses Unrechtwird wieder geradegebogen, das kann ich dirversprechen! Die Hinterbliebenen werdenerfahren, daß du ihre Angehörigen aus reinerProfitgier in den Tod getrieben hast!«

»Mit diesen paar Papieren da?« Kobbwies auf die Unterlagen in Tebbs Hand.»Damit kannst du gar nichts beweisen! Obich manipuliert habe oder nicht, können dieanderen nie herausfinden, solange ich leug-ne! Und das werde ich, verlaß dich drauf.Du bist aus dem Rennen, das solltest du end-lich begreifen!«

In Tebb keimte auf einmal ein furchtbarerVerdacht auf. Ihr wurde fast schwindlig beidem Gedanken, und sie wollte ihn verdrän-gen, so unglaublich erschien er ihr.

Und wenn es stimmte? Sie war hierherge-kommen, um die Wahrheit zu erfahren. Alsomußte sie es jetzt auch zu Ende führen.

»Warum hast du das getan?« fragte sieleise. »Denn du warst es doch, nicht? Duhast irgend etwas manipuliert, damit einemeiner Fähren explodiert und die anderenmitreißt...«

Kobb preßte die Fingerspitzen der Brust-hände aneinander; die Schulterhände warenleicht angewinkelt, die Finger krallenförmiggebogen, jeden Moment zum Zustoßen be-reit.

»Du willst es also wirklich wissen?« frag-te sie mit höhnischem Unterton.

Tebb wiegte den Kopf.

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»Na schön.« Kobb streckte sich. »Ich sägees dir, weil es angesichts des Kesselbebenskeine Rolle mehr spielt und weil ich gesiegthabe. Diese Offenbarung soll mein letzterTriumph über dich sein, Tebb Celestain!«

Die Gedanken überschlugen sich m TebbsKopf, als sie in das unerbittliche Gesicht ih-rer Konkurrentin blickte und den flammen-den Haß erkannte, der bis jetzt verborgen inihren Augen gelodert hatte. Heiser stieß siehervor:

»Der Anschlag auf mich, das warst alsoauch du ...«

»Ja!« bestätigte Kobb. Sie bewegte sichjetzt fast tanzend um Tebb herum, mitschlängelnden Bewegungen. »Du mußt zu-geben, daß es eine gute Idee war, den Dre-zyps einzusetzen. Leider habe ich dich, wieso oft, unterschätzt - du besitzt erstaunlicheReflexe und einen hervorragenden Instinkt.Keine andere wäre diesem Mordinsekt ent-kommen. Ich gebe offen zu, daß ich dich da-für bewundere, wie auch für deinen scharfenVerstand, der dich so rasch zur Wahrheit ge-führt hat. Aber gerade deswegen bist du mirja im Weg. Ich will an die Spitze, und dorthat nun einmal nur einer Platz.«

»Der oberste Platz als Massenmörderin inder Geschichte ist dir allerdings sicher! Gibmir sofort die zwei Raketen zurück!« forder-te Tebb. »Du und deine Familie, ihr werdetauf Quarantimo bleiben, die ganze Beben-haft hindurch! Dann ist dein Verbrechen we-nigstens einigermaßen gesühnt, und dukannst neu anfangen. Ich werde dir dabeihelfen können.«

Kobb zog die Unterlippe herunter, bis ihreZähne zu sehen waren, und drückte damitihre höchste Verachtung aus. Sie lachte laut.

»Mein letzter Triumph, ich koste ihn biszum letzten Moment aus! Da steht sie, diegroße Tebb Celestain, und weiß nicht mehrweiter! Sie winselt und jammert und glaubt,mich mit dem Vorwand der Schwesternliebezur Vernunft bringen zu können!«

Tebb schwieg. Alles schien plötzlich weitentfernt zu sein. Sie stand am Rande einesAbgrunds, auf einem Weg, der kein Vor

oder Zurück bot, nur ein Hinab. Alles drehtesich in ihrem Kopf.

*

Tebb machte einen drohenden Satz aufKobb zu, den Kopf weit vorgereckt, alleSchuppen fast senkrecht abgespreizt.

»Du wirst dafür bezahlen!« zischte sie.»Jeder muß bezahlen, Kobb Taphirtel!«

Bevor ihre Konkurrentin etwas sagenkonnte, drehte sie sieh um und verließ denRaum.

Draußen wartete Kobbs Assistentin. Tebbzweifelte keine Sekunde daran, daß sie allesbelauscht hatte.

»Hast du auch zu diesem Massenmordbeigetragen?« fragte sie direkt.

»Ich habe Kobb persönlich dabei gehol-fen, die Bombe an Bord zu bringen«, ant-wortete die Assistentin höhnisch. »Kobb hatmir die Augen geöffnet und noch einigenanderen.«

»Besitzt du denn überhaupt kein Gewis-sen? Was geht in dir vor? Noch nie hat eineSetchene einen Mord begangen - und ihrhabt nun so viele Leben auf dem Gewis-sen!«

»Wie Kobb gesagt hat: Das spielt über-haupt keine Rolle mehr, denn übermorgenwerden ohnehin alle sterben oder auf dieStufe eines Wüstenwurms zurücksinken.Weshalb also sollte ich mir Gedanken umdiese armen Tölpel machen? Im Gegenteil,sie haben schon alles hinter sich und müssennicht mehr leiden. Denke mal darübernach!«

Tebb ging, sie konnte nichts mehr aus-richten. Ihr wurde fast übel, als sie darandachte, was aus den Setchenen in der Frem-de werden mochte, mit jemandem wie Kobbin der Führungsspitze.

Die Straßen waren voll wie seit dem Vor-tag. Viele Setchenen brachten ihre wichtig-ste Habe zu den unterirdischen Unterkünf-ten. Viele Alleinstehende versuchten, sicheiner Familie anzuschließen und so noch ei-ne Passage zu bekommen - sie liefen ver-

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zweifelt auf den Straßen umher und spra-chen jede Setchene an, die eine typischeClan-Kleidung trug.

Diejenigen, die schon zu viele Absagenerhalten hatten, schlossen sich zu kleinenGruppen zusammen, holten sich Werkzeugeund zogen in die Wüste hinaus, um dort ei-gene Höhlen einzurichten, in der Nähe desKanalsystems. Sie hatten Angst, keinenPlatz in den städtischen Unterkünften mehrzu bekommen, und wollten für ihre eigeneSicherheit sorgen - in letzter Verzweiflungund weil sie nichts Besseres zu tun hatten.

Wieder andere taten genau das Gegenteil -sie boten ihre Passage feil im Austausch ge-gen wertvolle Güter. Sie hatten zuviel Angstvor dem Flug in die Fremde - auch so etwaskam bei diesem reiselustigen Völkchen vor -und wollten lieber alles unternehmen, umsich die Bebenhaft so angenehm wie mög-lich zu gestalten.

Am meisten fiel Tebb aber auf, daß sichan vielen Ecken kleine Gruppen mit ver-schiedenen Musikinstrumenten gebildet hat-ten, die unaufhörlich Gosaran-Psalmen san-gen.

Die meisten Setchenen eilten achtlos anihnen vorüber, aber Tebb wußte, daß sichdas bald ändern würde. Je näher die StundeX rückte, desto mehr Setchenen würdenTrost in der Religion suchen, als letzte Hoff-nung, von der reisenden Göttin auf wunder-same Weise gerettet zu werden.

Es gab keine Prophezeiung, die diesenTag angekündigt hätte. Es gab überhauptnichts Mystisches oder Orakelhaftes in derGeschichte der Religion um Gosaran, dasman annähernd als Warnung hätte auslegenkönnen. Keine Verkünderin oder Prophetindes großen Tempels hatte die Katastrophevorausgeahnt.

Tebb empfand Bitterkeit bei dem Gedan-ken, von der Göttin im Stich gelassen wor-den zu sein. Sie war zwar Realistin und derAnsicht, daß jeder sein Schicksal selbst indie Hand nehmen, mußte - doch hier war siean die Grenze , gestoßen.

Weshalb hatte es keine Vorzeichen gege-

ben? War Gosaran doch nur der Einbildungder frühen Setchenen in der Wüste entsprun-gen, als sie zum ersten Mal den Wunschempfunden hatten, zu - den Sternen zu rei-sen?

Tebb hatte oft gezweifelt und dahermanchmal die Antworten im Gosaran-Tem-pel gesucht. Doch jetzt, beim Anblick diesermusizierenden Grüppchen, verlor sie alleZweifel.

Sie waren allein. Kein mächtiges Wesenbot ihnen Schutz oder wenigstens einenWeg, wie sie sich retten konnten. Sie wuß-ten nicht einmal, ob es wirklich zu einer Be-benhaft kommen würde. Was für einen Sinnhätte die Göttlichkeit, wenn sie nicht einmalangesichts der Ausrottung ihres Volkes we-nigstens ein Zeichen gab? Wenn es Gosaranjemals gegeben haben sollte, so war sielängst fortgegangen, als Reisende unter-wegs, und hatte ihr Volk vergessen.

»Komm, sing mit uns zu Gosaran!« for-derte eine Setchene sie auf, als sie an einerMusikgruppe vorüberkam.

»Wozu?« fragte Tebb nüchtern.»Es ist besser, als sich der Furcht zu erge-

ben. Was auch geschieht, wir sollten unsereWürde bewahren, denn wir sind Setchenen«,antwortete die Frau. »Wir besitzen Intelli-genz, also dürfen wir uns nicht einfach ge-henlassen.«

»Singen kann unser Volk nicht retten.«»Aber vielleicht den eigenen Tod erleich-

tern.«Tebb zwinkerte. »Es gibt noch sehr viel

zu tun. Vielleicht werden eure Hände ge-braucht.«

»Es gibt Millionen Hände, doch sie brau-chen einen Ansporn und einen Trost,Schwester. Ich sehe dir an, daß du sehr trau-rig und verstört bist, doch du trägst dasSchultertuch. Du mußt deinen AngehörigenMut spenden, und zwar allen! Nur, wiekannst du das, wenn du so mutlos und hoff-nungslos bist?«

»Gosaran bewahrt uns vor dem Chaos«,intonierte die Frau daneben und blinzelteTebb auffordernd zu.

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Zu ihrer Verwunderung hörte Tebb aufeinmal ihre eigene Stimme.

In Kürze würde aus Quarantimo-Stadt ei-ne Totengruft werden, in der sich die Set-chenen nur noch wie Geister bewegten. DerVerkehr würde vollständig zum Erliegenkommen, nirgendwo würde man das leiseSummen sich öffnender Automatiktüren hö-ren. Die oberen Etagen hoher Häuser wärennur noch mit guter Konstitution zu errei-chen.

Diese Stille würde schlimmer sein als dasbange Warten jetzt. Tebb sang dagegen an,machte auf diese Weise ihrer ganzen FurchtLuft, ließ sie aus sich heraus, ohne verrücktzu werden oder zu verzagen. Die Nähe ihrerArtgenossinnen tröstete sie, der zarte Klangder Instrumente, der Chor.

Jetzt wußte sie auch, daß ihre Entschei-dung richtig war. Jemand mußte auf Quaran-timo bleiben und den Setchenen durch dieBebenhaft helfen. Wenn es zur Bebenhaftkam und nicht der ganze Planet vernichtetwurde ... Jemand mit ihrer Erfahrung unddem Verantwortungsbewußtsein - und denFührungsqualitäten. Es wäre so einfach, da-vonzulaufen und alles hinter sich zu lassen.

Doch da war Surt, ebenso viele Millionenweitere Setchenen. Mochte Kobb handeln,wie sie wollte. Ihr bedeuteten Leben nichts,doch das würde sich eines Tages rächen,dessen war sich Tebb sicher.

Während sie sang, betrachtete sie denHimmel. Es kam ihr so vor, als sei er einwenig dunkler als sonst, aber das konnte täu-schen. Viele Dinge würden jetzt überbewer-tet werden, also sollte sie einfach nicht hin-sehen. Was machte es schon, wenn der Him-mel tatsächlich etwas dunkler war? Siekonnte es nicht ändern.

Aber sie konnte dafür sorgen, daß vielegerettet wurden und für die anderen eineExistenz erhalten blieb.

Die Gruppe um sie herum war inzwischenziemlich groß geworden, viele hatten sichihrem Gesang angeschlossen. Das Gebet wartröstend; Tebb fühlte die Kraft zurückkeh-ren. Das dichte Gedränge um sie herum be-

drückte sie nicht mehr, an die drohende Stil-le dachte sie nicht.

6.Hoffnungslosigkeit

Reginald Bull hatte für alle Fälle seinenKombistrahler griffbereit. Und das für dieeigenen Leute, dachte er frustriert.

In den vergangenen Stunden hatte sich dieStimmung zusehends aufgeheizt. Es bestandkein Zweifel, daß Poulton Kreyn als ersterdurchdrehen und zum gefährlichen Amok-läufer werden würde.

Als nächster würde ihm sicher TautmoAagenfelt folgen, und dann würde das Un-heil endgültig seinen Lauf nehmen.

Mondra Diamond setzte sich aufrecht hinund rief Norman zu sich.

»Na, mein Kleiner«, sagte sie leise zuihm, »sieht so aus, als wäre deine Zeit alsMaskottchen auch bald vorüber.«

»Maskottchen, so etwas Idiotisches!«motzte der Ertruser sofort.

»Und warum nicht?« schnauzte sie zu-rück. »So etwas ist nicht ungewöhnlich, Bul-ly hat mir da eine Menge aus der Vergan-genheit erzählt!«

»Uns interessiert doch nicht die Vergan-genheit, sondern die Gegenwart, oder hastdu's noch nicht mitgekriegt? In zwei Tagensind wir Schutt und Asche!«

Poulton Kreyn schlug mit der flachenHand auf den Boden. Immerhin hatte er sichso weit in der Gewalt, daß er nichts zertrüm-merte - noch nicht.

»Ich hab's satt!« tobte er los. »Wir sitzenhier wie die Jammerlappen herum und war-ten freiwillig auf den Tod! Das ist doch ab-soluter Bockmist, oder? Da draußen stehenHunderte von Schiffen, die uns hier raus-bringen können! Also, worauf warten wir?«

»Auf ein Wunder«, meinte Ska Kijathe la-konisch.

»Reiß dich doch zusammen, Kreyn!«mahnte Bull.

»Nein, ich werde mich nicht zusammen-reißen, warum hört hier eigentlich keiner auf

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mich?« begehrte der Ertruser weiter auf.»Wir können doch nicht so dumm sein, daßwir die Chance nutzlos verstreichen lassen!Oder seid ihr alle so wild auf den Tod?« Erstarrte Mondra aus wild rollenden Augen an.»Du hast doch genauso Angst, das sehe ichdir doch schon seit gestern an! Und du ...«,er wandte sich an Ska, »... du mit deinemdämlichen asketischen Gehabe, das ist dochnur Fassade! Hältst du alle anderen für soblöd, daß sie dieses Getue nicht durchschau-en können? Faß dir doch mal an die Stirn,der Angstschweiß klebt ja schon drauf!«

Er drehte sich weiter, um die nächstenOpfer zu finden: die Swoons. »Ihr beidenZwergameisen, ihr haltet andauernd Händ-chen und verbreitet eine derart aufgesetzteGelassenheit, daß mir davon schlecht wird!Wollt ihr mir weismachen, so, wie ihr hieralle sitzt, daß ihr nicht am Leben hängt undam liebsten auf und davon wärt?«

»Perry hat gesagt ...«, begann Treul, kamjedoch nicht weiter.

»Perry hat gesagt, Perry hat gesagt, immernur Perry hat gesagt!« äffte der Ertruser dierelativ hohe, zarte Stimme nach. »Und wennPerry sagt: Spring vom Dach, aber schaltebitte vorher den Antigrav aus, dann machtihr das auch, oder?«

»Wenn Perry jetzt hier wäre, würdest dues nicht wagen, so zu reden!« rief Mondra.»Spiel dich nicht so auf, Poulton, sonst läßter dich hier noch zurück!«

»Blödes Geschwätz von einer abgetakel-ten Artistin! Du versteckst dich doch nurhinter ihm, weil du genauso versagst wie al-le anderen!« beschimpfte er sie. »Amschlimmsten von allen ist dieser Oberfeig-ling Tautmo. Es wundert mich, daß er nichtlängst durchgebrannt ist - wo ist er über-haupt?«

»Ich bin hier«, kam eine schüchterne Ant-wort vom Eingang.

»Wo warst du?« wollte Mondra wissen.»Ich habe versucht, mit Tebb zu reden.«»Und wo ist Perry?«»Keine Ahnung. Ich habe ihn nur kurz ge-

sehen, als ich auf dem Rückweg war.«

Mondra stieß ein kaltes, unfrohes Lachenaus. »Er hat dich zur Sau gemacht,stimmt's?«

»Nein, ahm...«, stotterte der Physiker ver-legen.

»Mach mir doch nichts vor! Weil du aufeigene Faust versucht hast, dein schäbigeskleines Leben zu retten.«

»Das ist nicht wahr!« verteidigte sich derHyperphysiker. »Ich habe für uns alle ge-handelt! Die Setchenen brauchen uns viel-leicht noch als Fachkräfte in ihrer neuenWelt.«

Mondra stand auf und ging sehr langsamum ihn herum, wie um ihn zu taxieren.

»Na klar, du machst ja auch sehr vielmehr her als Perry, schon allein was dasAussehen betrifft, und deine Eloquenz erst...Laß mich raten: Tebb hat dir sofort die neue-ste und superschnellste Rakete zur Verfü-gung gestellt, richtig?«

Tautmo schrumpfte in sich zusammen; erhatte seine Gefühle für Mondra nicht verlo-ren. Er liebte sie, egal mit welcher Verach-tung sie ihn strafte, aber er litt sehr darunter.Er konnte sich nicht gegen sie wehren, nahmalle Demütigungen hin.

»Laß ihn in Ruhe! Tautmo ist der einzige,der hier noch den Überblick hat und etwasunternimmt!« erhielt er unerwartet Unter-stützung von selten seines Intimfeindes.»Das hätte ich dir gar nicht zugetraut, sonstfällst du doch bei jedem Windhauch um!«lobte Poulton. »Dann wollen wir doch maldeine Meinung hören!«

»Um was geht es?« fragte Tautmo ver-stört.

»Ich sage, wir kapern auf der Stelle eineRakete, stopfen sie noch mit so vielen Set-chenen voll, wie wir hineinkriegen, und hau-en ab!« röhrte der Ertruser. »Im Propter-Sy-stem schmeißen wir sie raus und fliegenselbst weiter, bis wir jemanden finden, deruns ein geeignetes Schiff zur Verfügungstellen kann!«

»Du meinst, von dem du es ebensostiehlst wie von den Setchenen«, warf Skanüchtern ein.

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»Du bist nicht gefragt!« schnauzte er siean. »Also, Tautmo, was sagst du? Wir war-ten bis zur Dunkelheit und schlagen dannlos, wenn alle schlafen! So stellt sich unsniemand in den Weg, und es gibt keineSchwierigkeiten!«

»Ich halte das für keine schlechte Idee«,meinte Tautmo zögernd.

»Aber ich«, sagte Reginald Bull ruhig.

*

Der untersetzte Terraner stand auf. SeinKombistrahler lag in seiner erhobenen rech-ten Hand.

»Ich habe mir das jetzt lange genug ange-hört, und es reicht«, fuhr Bully fort.»Poulton, du setzt dich jetzt sofort wiederauf deinen Platz und gibst Ruhe.«

Der zweieinhalb Meter große, muskelbe-packte Ertruser stellte sich mit verschränk-ten Armen breitbeinig vor ihn hin. »Sonst...?« fragte er provozierend.

Als Antwort richtete Reginald Bull seineWaffe direkt auf ihn.

Der Pilot stieß ein abfälliges Lachen her-vor. »Perry hat nicht auf mich geschossen,also wirst du als sein Lakai das noch vielweniger wagen!«

Reginald Bulls wasserblaue Augen nah-men die Farbe von gefrorenem Eis an - vonEiszapfen, die im Sonnenlicht ganz beson-ders funkeln, bevor sie abbrechen und denje-nigen erschlagen, der sich in diesem Mo-ment unter ihnen befindet.

»Willst du es wirklich darauf ankommenlassen?« fragte er leise. Der Klang in seinerStimme hätte vermutlich einen Diamantenzum Splittern gebracht. »Sieh dir die Ein-stellung genau an ... sie steht jetzt nicht aufParalyse. Und wenn du schon so viel übermich weißt, sollte dir auch bekannt sein, daßich weniger Skrupel besitze als Perry.«

Die anderen starrten erschrocken auf diebeiden Kontrahenten. Schlagartig war dieSituation bitterernst geworden, sie hatte sichzu einem Höhepunkt hochgeschaukelt undgeriet allmählich außer Kontrolle.

»Poulton, mach keinen Mist!« stieß Mon-dra heiser hervor, sie war leichenblaß ge-worden. »Setz dich doch hin! Was soll dasdenn? Wir warten einfach auf Perry, viel-leicht bringt er Neuigkeiten ...«

Ein jämmerliches Trompeten erklang, undsie sah hinunter. Norman stand wie einHäufchen Elend neben ihr, in seiner Angsthatte er einen Fladen fallen lassen.

Reginald Bull rührte sich nicht, er wirktenicht einmal mehr angespannt. Er warteteeinfach nur ab. Diese Auseinandersetzungmußte jetzt beendet werden, so ging es nichtmehr weiter. Poulton Kreyn mußte im Zaumgehalten werden; niemand konnte wissen,wie er losging, wenn die Todesgefahr erstakut wurde.

Tautmo Aagenfelt schlich an Kreyn vor-bei und setzte sich hin, er war so klein ge-worden, daß er wahrscheinlich auf NormansRücken hätte reiten können.

»So weit ist es also mit uns gekommen«,sagte Ska leise. »Schon bei der ersten richti-gen Bewährungsprobe fällt unsere Gruppeauseinander, anstatt fester zusammenzuhal-ten. Wir waren alle nicht geeignet, als wiruns für dieses Unternehmen gemeldet haben- das ist jetzt deutlich geworden. Dabei sindwir doch erwachsen und sollten es besserwissen: Wir können uns hier, weit weg vonder Milchstraße, nur auf uns verlassen, aufniemanden sonst - doch wie soll das gehen,wenn keiner dem anderen vertraut?«

Sie deutete auf Bulls Waffe. Ihr Gesichtzeigte deutlich, was sie von solchen Aktio-nen hielt - und daß sie von ihm etwas ande-res erwartet hatte.

»Ach, geht doch zum Teufel!« schnaubteKreyn. Dann setzte er sich tatsächlich. »Ichwerde euch dabei zusehen, wie ihr verreckt,nur damit ich euch vorhalten kann: Ich hab'seuch ja gesagt.«

Reginald Bull steckte die Waffe wiederein. »Ska hat recht«, sagte er. »Tut mir leid,ich habe ebenfalls überreagiert. Das wirdnicht wieder vorkommen, ich verspreche eseuch.«

Als Perry Rhodan bald darauf zurückkam,

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saßen alle auf ihren Plätzen und grübeltenstumm vor sich hin. Lediglich NormansHäufchen war beseitigt worden, und derKleine kauerte dicht an Mondras Seite, mithängenden Ohren und Rüssel. Er verlangtenicht einmal nach seinen Streicheleinheiten.

»Wie geht es euch?« fragte Rhodan. DerUnsterbliche hatte die Situation sofort er-faßt.

»Alles in Ordnung soweit«, antworteteBull für alle. »Gibt es etwas Neues?«

»Nein, leider nicht.« Perry ließ sich nebenseinen Freund fallen und seufzte. »Ich habeüberall versucht, eine Passage für uns zu be-kommen, aber natürlich ohne Erfolg. Unswird nichts anderes übrigbleiben, als es heu-te nacht den Setchenen gleichzutun - zuschlafen und Kräfte zu sammeln, um es mor-gen erneut zu versuchen.«

Er musterte Poulton Kreyn, dann TautmoAagenfelt.

»Ich hoffe, daß es nicht notwendig seinwird, irgend jemanden in ein Fesselfeld zuhüllen, um ihn vor einer Dummheit zu be-wahren«, sprach er allgemein in den Raum.

»Keine Sorge«, brummte der Ertruser.»Jede Krise geht einmal vorüber.« Er sahBull an und versuchte sogar einen schwa-chen Scherz: »Ich denke, daß mindestens ei-ner heute nacht ohnehin nur mit einem Augeschlafen wird.«

Reginald Bull nickte. »Darauf kannst dudich verlassen, Poulton.«

7.Tag 3

Überraschung

In der Nacht wurden sie durch einen hefti-gen Donner hochgeschreckt. Haus und Stadtlagen im tiefsten Dunkel, aber über der Wü-ste wetterleuchtete es. Es blitzte und krachte,allerdings ohne Regen.

Einmal donnerte es so laut, daß sogar dieSetchenen wach wurden. Tebb Celestainstolperte steif und ungelenk aus dem Vivari-um, stürzte und kroch auf allen vieren wei-ter. Sie öffnete ein Fenster und riß den brei-

ten Mund auf, als ihr ein heftiger Windstoßden Atem raubte. Die Luft knisterte undroch metallisch.

Tebb schloß hastig das Fenster. Hinter ihrdrängten sich drei ihrer Töchter und zweiSchwestern zitternd aneinander.

»Geht es los? Geht es los?« schallte SurtsStimme aus dem Vivarium nebenan herüber;es war das erste Mal, daß die Galaktiker dieStimme eines Mannes hörten.

Und dann wieselten plötzlich dunkleSchatten über die Treppe herab; schlanke,ungefähr einen Meter lange Wesen mit ei-nem gut eineinhalb Meter langen Schwanz,die sich mit trillernden Lauten um Tebb rin-gelten, übereinander, umeinander, in einemwimmelnden Chaos.

Überall in der Stadt gingen jetzt die Lich-ter an.

»Es ist nur ein Gewitter!« rief Tebb.Die Setchene hatte versucht, sich aufzu-

richten, war jedoch unter der Last der Kin-der zusammengebrochen, außerdem stecktenoch die Nachtstarre in ihr.

»Aber ich bin wach!« schrie Surt vollerPanik. »Noch nie war ich nachts wach! Wosind die Kinder? Kinder! Kinder!«

Er stieß hohe pfeifende und schnarrendeLockrufe aus. Die Brut löste sich ängstlichtrillernd von Tebb und lief dicht gedrängtzum Vater.

Ein tagheller Blitz blendete die Augen;Tebbs Stöhnen ging in dem nachfolgendenDonnerschlag unter.

»Es ist nur ein Gewitter«, wiederholte sieschwach in der Pause. »Geht zu Bett, mor-gen beginnt die Evakuierung. Geht, gehtdoch!«

Perry Rhodan versuchte, ihr beim Aufste-hen zu helfen, doch sie wehrte ihn ab.

»Alles geht zu Ende«, flüsterte sie undtaumelte ins Vivarium.

Bald darauf war das Gewitter vorüber.Die Lichter erloschen rasch, die Setchenenfielen wieder in ihre Nacht-starre. Die ge-wohnte Stille breitete sich aus, doch diesmallag in ihr nichts Friedliches, Heimeliges. Eswar schon beinahe wie der Tod.

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Die Stimmung am Morgen war entspre-chend trübselig. Die Galaktiker hatten kaumein Auge zugetan, in Erwartung des näch-sten Gewitters oder des Beginns des Unter-gangs, doch nichts hatte sich mehr ereignet.

»Wir sind den Setchenen gegenüber im-mer noch im Vorteil, da wir unsere SE-RUNS besitzen«, versuchte Rhodan die an-deren aufzumuntern.

»Ja, nur können wir mit ihnen nicht 8,9Lichtjahre weit fliegen«, warf der ewigePessimist Tautmo ein.

»Das ist richtig, aber vielleicht könnenwir uns damit doch eine Passage auf einemder Schürfraumer erkaufen, der die Gelegetransportiert. In diesen speziellen Containernmuß ja eine Atmosphäre geschaffen werden,so daß wir auch in einem Notfall nicht er-sticken können.«

»Die Frage ist natürlich, ob die Setchenenuns eines ihrer kostbaren Gelege anvertrau-en wollen. Und ob tatsächlich genug Platzfür uns bleibt, denn bestimmt befinden sichnicht nur Eier in diesen Containern«, gabSka zu bedenken. »Aber den Versuch wärees sicherlich wert.«

»Jeder Versuch ist es wert«, machte Rho-dan deutlich. »Ich habe keine Lust, hier aufden Untergang zu warten. Heute beginnt dieEvakuierung, und wir müssen zusehen, daßwir dabei sind.« Mitten in diese verzweifel-ten Überlegungen hinein erklang Tebb Cele-stains Stimme. »Ich habe eine Nachricht füreuch.« Sie erschien im Eingang.»Gleichzeitig ist es auch unser Abschied.«

Alle fuhren auf. Gab es vielleicht doch soetwas wie einen rettenden Strohhalm?

»Unser Abschied?« fragte Rhodan.»Ja, denn ich werde mich mit Surt bald

zurückziehen. Wir werden gemeinsam dieAuswanderung beobachten. Der Rest, derhierbleiben muß, wird sich bald einen siche-ren Platz suchen und den morgigen Tag ab-warten. Wir können euch also leider nichtmehr die Gastfreundschaft bieten, die ange-bracht ist.«

Die Setchene wirkte ausgeglichen undenergiegeladen, keineswegs mehr so verletz-

lich und verzweifelt wie in der vergangenenNacht. Niemand sprach über das seltsameGewitter, jeder scheute sich davor.

»Wir haben sie ohnehin lange genug be-ansprucht, Tebb Celestain, und dafür könnenwir dir nur unseren Dank aussprechen.«

»Nun, vielleicht habe ich noch etwas, daseuren Weggang erleichtern wird.« Tebbsetzte sich in einen freien Sessel. »Ich habeherausgefunden, daß meine Rivalin KobbTaphirtel an dem Unglück der vier Fährendie Verantwortung trägt.«

»Also doch!« entfuhr es Tautmo Aagen-felt.

»Ja, wir haben dir zu danken«, wandteTebb sich ihm zu, und er errötete übers gan-ze Gesicht. »Meine Tochter Barr hat deineBemerkung gehört, und das hat ihr Mißtrau-en geweckt. Sie hat sich kundig gemacht,und die Beweise sind eindeutig. Nicht nur,daß Kobb auf einer meiner Fähren die Bom-be gelegt hat, sie hat auch noch die Papiereihrer Fähren vertauscht und sich so meineRaketen erschwindelt.«

»Das kann doch nicht wahr sein!« sagteBull.

»Leider ist es so. Kobb ist völlig aus derArt geschlagen, geradezu geisteskrank, an-ders kann ich mir das nicht erklären. Setche-nen begehen keine Morde. Doch sie scheintes zu genießen, denn sie hat bereits vorherversucht, mich zu ermorden.«

Perry Rhodan schüttelte den Kopf. »Dastut mir leid für dich.«

»Das ist Geschichte. Aber das kann nochzu eurer Chance werden.« Tebb Celestainmachte eine Kunstpause. »Ich selbst kannleider nichts mehr unternehmen, was vor al-lem Barr sehr wütend gemacht hat. Aber ihrkönnt etwas tun.«

Sie deutete auf Rhodans Brust. »Mit eu-ren Anzügen habt ihr uns Setchenen gegen-über einen großen Vorteil: Ihr werdet hand-lungsfähig bleiben, wenn das Beben einsetzt- zumindest für eine Weile. Kobb Taphirtelhat neben ihrer Flotte nur eine meiner bei-den Raketen für die Flüchtlinge zur Verfü-gung gestellt und die andere versteckt. Nach

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allem, was sie bisher getan hat, fällt es nichtschwer, den Schluß daraus zu ziehen. Ichnehme an, daß sie hier auf Quarantimo einenRaubzug vorhat, bevor sie sich mit dieserRakete absetzt.«

, Sie machte eine kurze, bedeutungsvollePause, bevor sie weitersprach:

»Seht zu, daß ihr diese Rakete kapert!«

*

Eine Weile herrschte sprachlose Verblüf-fung. Zuerst stundenlange Verzweiflung undTodesangst - und nun zeigte sich plötzlichnicht nur ein Hoffnungsschimmer am Hori-zont, sondern gleich ein ganzes Schiff?

Tebb fuhr fort: »Meine einzige Bedin-gung wäre, daß ihr so schnell wie möglichalle geraubten Güter wieder ausladet und da-für so viele Setchenen mitnehmt, wie Platzvorhanden ist. Kobb und ihre Angehörigenmüßt ihr natürlich aussetzen.«

»Das ist ja wohl selbstverständlich«, stießPerry Rhodan hervor, er schien es immernoch nicht ganz glauben zu können.

Die anderen sahen sich mit aufgerissenenAugen an. Gestern waren sie sich gegensei-tig fast an die Gurgel gegangen - für nichtsund wieder nichts! Perry Rhodan hatte rechtgehabt: Es gab immer einen Weg, man muß-te nur Geduld haben.

»Hoffentlich behältst du recht mit deinerVermutung, daß Kobb hier auf Quarantimoplündern wird«, äußerte Bull vorsichtig.

»Oh, da bin ich ganz sicher, Reginald«,versicherte Tebb. »Denn erstens befindensich hier ihre Familie und ihre treu ergebe-nen Angestellten, die ihr wohl größtenteilsblind folgen, und zweitens besitze ich in ei-niger Entfernung der Stadt große Lagerhäu-ser, die prall gefüllt sind. Sie würde sich die-sen weiteren Triumph über mich niemalsentgehen lassen, um mich endgültig in dieArmut zu treiben.« Tebb verschränkte dieBrusthände ineinander. »Sie wird natürlichverschiedene andere Hallen plündern, dochich halte es für das beste, wenn ihr euch beimeinen Lagern auf die Lauer legt. Da könnt

ihr sicher sein, daß sie kommt - und zuschla-gen.«

Die Setchene erhob sich. »Ich gebe euchnoch einen genauen Übersichtsplan überQuarantimo, damit ihr euch ohne Schwierig-keiten zurechtfindet. Ich denke, daß selbsteure fabelhaften Anzüge nach Beginn desKesselbebens bei der Ortung versagen wer-den.«

Perry Rhodan stand gleichfalls auf, win-zig und zerbrechlich gegen das beein-druckende echsenartige Wesen - es wirktedurch seinen Körperbau sogar noch mächti-ger als der Ertruser.

»Dann ist also die Zeit des Abschieds ge-kommen, Tebb Celestain«, sagte er.

»Es tat mir sehr leid, daß unsere erste Be-gegnung so traurig enden muß. Wir habendie Setchenen als interessantes Volk ken-nengelernt und hoffen, daß ihr noch langenFortbestand haben werdet. Vielleicht sehenwir uns einmal wieder.«

Tebb studierte seine ausgestreckte Hand,die er ihr hinhielt, bevor sie sie vorsichtigmit einer Brusthand ergriff, aber nicht zu-drückte. »Das würde mich freuen, PerryRhodan, denn wir haben bei weitem nochnicht genug über dich und dein Volk erfah-ren. Ich wünsche euch, daß ihr Erfolg mitder Übernahme der DRYTORN-B habenwerdet, denn damit bedeutet das auch wie-der die Rettung vieler hundert Setchenen.Ich vertraue dir, daß du dein Versprechenhalten wirst.«

Sie wandte sich zum Gehen, dann stopptesie noch einmal. »Ach ja, Tautmo, wenn ihreinmal zurückkehren solltet, dann würde esmich wirklich interessieren, was es mit die-ser besonderen Koalition Thoregon auf sichhat, für die du von so großer Bedeutungbist.«

Tautmo wurde zum zweiten Mal knallrot.Die anderen Galaktiker grinsten schaden-froh.

»Laßt euch ruhig Zeit mit dem Verlassendes Hauses! Eure Vorräte sind ja bereits auf-gefüllt; nehmt euch aber noch Proviant für.unterwegs mit. Langes Warten macht hung-

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rig und vor allem durstig, und die Wüste istgefährlich für so zarte Wesen wie euch«,schloß Tebb Celestain und verließ sie.

8.Countdown

Der Tag war unerträglich heiß. SelbstLurr hatte beim Abschied eingestanden, daßdiese selbst für die Setchenen unangenehmeHitze am Morgen ungewöhnlich sei.

Sie trug bereits ihren Raumanzug wie alleSetchenen, denen die Galaktiker begegneten,selbst diejenigen, die nicht reisen durften.Lurr hatte von sich aus erzählt, daß selbstSurt einen passenden Anzug trug, den er seitseinem ersten und einzigen Flug von seinerGeburtswelt nach Quarantimo getragen hat-te. Diese Anzüge boten natürlich nicht den-selben Schutz wie die SERUNS. Das Wich-tigste aber waren die Wärmesysteme, umden Setchenen die uneingeschränkte Bewe-gungsfreiheit zu erhalten.

Falls es auf Quarantimo infolge des Kes-selbebens überhaupt kalt werden würde - andiesem Tag sah es jedenfalls nicht danachaus, und zum ersten Mal mußten die Kühlsy-steme eingeschaltet werden.

Der Himmel war wieder ein wenig dunk-ler geworden, und die Luft flimmerte undwallte vor Hitze. Bevor er seinen Anzug ge-schlossen hatte, war es Reginald Bull aufge-fallen, daß die Luft weiterhin metallischroch und sich merkwürdig auf der Haut an-fühlte.

Tebb Celestains Haus leerte sich in Minu-tenschnelle, der Zustrom zum Raumhafenschien kein Ende zu nehmen. Rasch führtedas zu quälendem Platzmangel. Der Logistikblieb nichts anderes übrig, als Abfertigungs-nummern zu vergeben, damit alle Setchenenden richtigen Platz auf der richtigen Fähreoder Rakete erhielten.

Das Durcheinander schien unübersicht-lich. Den halben Vormittag lang sah es soaus, als würde alles komplett zusammenbre-chen.

Aber irgendwie schafften die Setchenen

es trotzdem, den Überblick zu behalten. Die-jenigen, die an der Reihe waren, kämpftensich durch - und die anderen warteten. Eswar eine schreckliche Tortur, in dieserdrückenden Hitze und in dieser furchtbarenEnge warten zu müssen; die Echsenwesenkonnten kaum die Arme bewegen.

Um eine Panik zu vermeiden, wurden ausallen Lautsprechern und Übertragungsein-richtungen Gosaran-Gesänge gebracht, mitBildern von einer großen, feierlichen Messeim Tempel auf Quarmac. Viele Setchenenbeteten laut und steckten damit die anderenan.

Ein leichtes Zittern durchlief den Boden,entsprechend ging eine Welle der Unsicher-heit durch die Reihen: Begann , es vorzeitig?Die ganz hinten waren, begannen ein wenigzu drängeln, doch die anderen blieben stand-fest. Sie sangen und beteten und ignorierten,was um sie herum geschah.

Das sanfte Beben hörte - schnell wiederauf, ohne einen Schaden angerichtet zuha-ben.

»So etwas wäre auf Terra nie möglich«,murmelte Reginald Bull. Die Galaktiker hat-ten sich einen erhobenen Platz ausgesucht,von dem aus sie die beste Übersicht hatten,und ihre Ortung ausgerichtet. »So ruhig undgesittet geht es bei uns doch nicht einmal aneinem normalen Tag zu.«

»Ich finde es ebenfalls faszinierend, wiediszipliniert die Setchenen im Turm arbei-ten, schließlich dürfen sie nicht mitfliegen«,sagte Mondra neben ihm. »Es muß dochwirklich furchtbar für sie sein.«

»Jedenfalls könnten wir von diesen We-sen in dieser Hinsicht eine Menge lernen«,stimmte Perry Rhodan zu. »Ich hätte nichtgeglaubt, daß es so reibungslos ablaufenwürde.«

Natürlich hatten die Setchenen keine Ge-päckstücke; sie durften nur mit dem reisen,was sie an ihren Körpern tragen konnten.Das vereinfachte eine Menge bei der Dispo-sition.

Die Frachträume waren bis zum Berstenmit Vorräten und den notwendigsten Mitteln

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zum Überleben gefüllt. Die Fabriken produ-zierten überall weiter bis zur letzten Stunde,um auch die Kammern auf den Planeten desSystems restlos zu füllen. Dort waren nahe-zu alle Arbeitsplätze besetzt. Die Angestell-ten fügten sich, weil sie keine andere Wahlhatten. Zudem hofften alle weiterhin darauf,daß es nur zur Bebenhaft kommen würde.

In der Wüste draußen arbeiteten kleineGrüppchen immer noch wie besessen an ih-ren Unterschlüpfen. So mancher mochte sichin diesen Momenten wünschen, unwissendwie ein Nomade zu sein.

Die Gelege waren als erstes in den Fracht-fähren verstaut worden. Diese waren voll-ständig mit jeweils einer kleinen Besatzungund Fürsorgern besetzt und startbereit.

Das größere Problem stellte die Verla-dung der Kinder und der Männer dar. Siemußten von dem Trubel isoliert werden, umnicht verstört zu werden. Der Flug würdeanstrengend genug sein, dazu brauchten siealle ihre Kräfte und Ausgeglichenheit. Siewaren noch sensibler zu behandeln als dieGelege. Nur erwachsene Frauen waren äu-ßerst robust und widerstandsfähig. Dafürhatten diese aber auch mehr mit der Furchtzu kämpfen; die Männer und die Kinderkonnten das Ausmaß der drohenden Kata-strophe nicht ganz begreifen.

Erst als alle Kinder und Männer auf ihrenPlätzen untergebracht waren, kamen die Fa-milienoberhäupter und ihre Angehörigen andie Reihe. Als das schließlich soweit war,ging es erstaunlich schnell, wie am Fließ-band. Jede Setchene wartete am richtigenAusgang und in der richtigen Reihenfolge.

In wenigen Stunden wurden allein aufQuarantimo etwas über 400.000 Setchenenauf rund 320 Schiffen verteilt; hinzu kamennoch die wenigen Frachter mit den Gelegen.

Parallel dazu liefen die Startvorbereitun-gen an.

Die Wachtürme hielten untereinanderüber eine Standleitung ständigen Kontaktund informierten sich gegenseitig über denFortgang der Evakuierung. Alle Fäden liefenauf Quarantimo zusammen. Tebb Celestain

hielt sich persönlich im Turm auf, um dengeregelten Ablauf zu überwachen und ihreAnweisungen zu geben.

*

Da gehen sie hin, allesamt bis spätestensheute nachmittag, und wir sitzen hier herum,dachte Reginald Bull bitter.

Er hatte Verständnis für Poulton KreynsEinstellung, aber das durfte er niemals zei-gen. Es gab einfach Grenzen, die nicht über-schritten werden durften - auch wenn dasdumm sein mochte.

Kobb Taphirtels »verschollene« DRY-TORN-B-Rakete war noch nicht aufge-taucht. Die verbrecherische Setchene würdesicherlich erst den Start der Flotte abwarten,bevor sie zuschlug.

Trotzdem blieben die Schiffbrüchigenwachsam. Perry Rhodan hatte Moo ausge-schickt, seinen kleinen Roboter, den ihm dieGalornen geschenkt hatten.

Eine unauffällige Beobachtung hatte da-bei ergeben, daß Kobb ihr Büro am Nach-mittag des vorherigen Tages verlassen hatteund nicht mehr zurückgekehrt war. Ebensohatten sich mehrere Angestellte aus demStaub gemacht, und ihre neu gegründete Fa-milie sowie alle bei ihr lebenden Brutschwe-stern hielten sich auch nicht mehr im Anwe-sen auf.

Die zurückgebliebenen Angestellten ver-teilten sich nach und nach in alle Richtun-gen. Jede Setchene suchte einen Platz auf,der ihr rein subjektiv am sichersten erschien,um dort das Kesselbeben abzuwarten.

Einige von ihnen, vor allem die Arbeite-rinnen und ausgemusterte Fährbesatzungen,schienen nicht unglücklich darüber zu sein,daß man sie im Stich gelassen hatte. Siehofften auf einen Neubeginn nach der Be-benhaft, vielleicht sogar unter Tebb Cele-stains Schutz. Die einstmals erfolgreichsteUnternehmerin mochte zwar in diesem Mo-ment an Geldmitteln ebenso arm sein wiesie, aber sie hatte eine große Familie undeinen Mann. Sie galt als erfahren und aus-

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dauernd, sie konnte sich wieder hocharbei-ten.

Diese Frauen wünschten Kobb Taphirteljedenfalls nichts Gutes.

Der mochte das völlig egal sein, im Mo-ment war sie eindeutig die Triumphierende.Endlich hatte sie ihre verhaßte Gegnerinausgeschaltet, sie konnte sogar noch einenletzten Sieg für sich verbuchen: Während al-le anderen ins Ungewisse flogen und mitnichts dastanden, würde sie im Reichtumschwelgen. In der richtigen Kolonie gelan-det, die sie sich längst ausgesucht hatte,konnte sie von dort aus in kürzester Zeit zu-mindest einen Teil ihrer Flotte zurückgewin-nen und sich zur absoluten Macht auf-schwingen.

Die Wesen im Propter-System mochtenfremdenfeindlich sein, aber das übertrugsich nicht auf ihren Geschäftssinn: Dummwaren sie nicht. Kobb Taphirtel würde alsdie erfolgreichste aller Setchenen in die Ge-schichte eingehen und zur Legende werden,die es als einzige geschafft hatte, sogar nochaus einem Kesselbeben Kapital zu schlagen.

Wen würde es kümmern, auf welche Wei-se sie das geschafft hatte, wen würde inter-essieren, daß sie nebenbei die skrupellosesteMassenmörderin in der Geschichte war? Al-lein der Erfolg zählte, das wußte sie.

Wenn erst einmal zwanzig Jahre vergan-gen waren, würde sich niemand mehr dafürinteressieren, wie sie es zu dieser hohen Po-sition geschafft hatte. Selbstverständlichwürde sie auch den Vorsitz des Handelsti-sches führen - umgeben von ihren eigenenVertrauten als weiteren Mitgliedern. So hat-te sie wohl alles geplant. Sie würde die Ge-schichte der Setchenen ganz neu schreiben,von jetzt an: nach ihrem Willen, was sie dik-tierte.

»Kannst du denn gar nichts empfangen,Perry?« wiederholte Reginald Bull seineFrage, die er in der letzten halben Stunde be-stimmt dreimal gestellt hatte.

»Eine ganze Menge sogar.«»Das ist mir klar. Aber verliert Kobb

nicht langsam die Geduld aus Gier und

kriecht aus ihrem Versteck? Gibt es nirgend-wo außerhalb der Stadt und des Baumhafensetwas zu orten?«

»Du hast doch deine eigene Ortung imSERUN!«

»Ach, der traue ich nicht mehr ...«Poulton Kreyn projizierte den Plan von

Quarantimo, den sie in einem Würfel ge-speichert hatten, auf seiner breiten Handflä-che.

»Ich habe mir mal angeschaut, wo es fürKobb lohnend ist«, brummte er.

Seit die Hoffnung auf ein Schiff bestand,hatte er sich zu einem hervorragenden Part-ner gewandelt. Er ging nicht ständig in Op-position oder versuchte herumzustänkern.Eine wundersame Wandlung, die hoffentlichlange anhielt.

»Seht her, ich habe die meiner Ansichtnach interessantesten Zielobjekte markiert.«Er deutete mit der linken Hand auf das ku-gelförmige Holo.

Es zeigte Quarantimo, aufgeteilt in Ra-ster, mit der gesamten Infrastruktur. Es gabauf dem Planeten noch zahlreiche kleineSiedlungen; dort lebten meist nur einige we-nige Familien, die Handel mit den von Ortzu Ort ziehenden Nomaden trieben. Am»Nordpol« befand sich das älteste Gebirgeder Welt, uralte, größtenteils längst erlo-schene Vulkane.

»Ich denke, daß Kobb ihre Rakete hier inder Nordpolregion versteckt hält, denn dort-hin kommt keine Setchene durch Zufall oderwas auch immer. Die harmlosen Trottel hierkämen auch nicht auf die Idee, dort einmalnachzuforschen.«

»Ihnen fehlt schließlich auch die Zeit,denkst du nicht?«

»Wie auch immer. Orten kann ich im Mo-ment nichts, da die Berge nahezu perfekteDeckung bieten. Solange Kobb die Trieb-werke nicht anwirft, ist sie praktisch un-sichtbar.«

»Wir könnten hinfliegen und nachsehen«,schlug Goriph vor. »Vor Ort haben wir bes-sere Chancen mit der Ortung.«

»Vorausgesetzt, daß sie überhaupt hier

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hockt«, meinte Bull zögernd. »Sie kann ge-nausogut auf einem unbewohnten Planetenin der Nähe lauern. Ich halte das für keine sogute Idee, dadurch verlieren wir zuvielZeit.«

»Wir sollten uns einen oder zwei Gleiterzulegen«, überlegte Mondra. »Damit kom-men wir schnell überall hin. Wenn du er-laubst, Perry, werden Ska und ich uns aufden Weg machen und versuchen, sie denSetchenen abzuschwatzen.«

Rhodan nickte. »In Ordnung.« Die beidenFrauen verschwanden, und die anderenwandten sich wieder der Holokugel aufKreyns Handfläche zu.

»Du hast insgesamt nur sechs Stellen mar-kiert, und alle befinden sich im Umkreis vonQuarantimo-Stadt«, stellte Rhodan fest.

»Ja«, bestätigte Kreyn. »Tebbs Lager ha-be ich doppelt markiert, sie liegen im Süd-osten, ungefähr achtzig Kilometer von unse-rem Ausgangspunkt entfernt in der Nähe ei-nes ausgetrockneten Salzsees. Dazwischenliegen viele Fabriken, der Raumhafen liegtetwa zwanzig Kilometer entfernt. Sie hatsich einen günstigen Platz ausgesucht. Dieanderen Lager verteilen sich entsprechend.Und dann bleiben die Hallen direkt amRaumhafen, die auch vollgefüllt sind.«

»So viele Möglichkeiten hat sie also garnicht«, sagte Bull erfreut.

»Exakt! Trotzdem können wir es unsnicht leisten, am falschen Ort zu warten,weil die einzelnen Lager zu weit auseinan-derliegen«, gab Rhodan zu bedenken. »Wirmüssen herausfinden, in welcher Reihenfol-ge sie ihre Überfälle begehen wird - viel-leicht interessiert sie sich ja nur für die La-ger am Raumhafen! Immerhin besitzt Tebbauch dort eine ansehnliche Anzahl Güter.«

Sie studierten eine Weile schweigend denPlan, bis Ska sagte: »Das Problem ist natür-lich, daß Kobb ganz anders denkt als wir.«

Bull nickte. »Trotzdem haben wir einegute Chance, sie zu erwischen - falls sie sichkeinen anderen Planeten aussucht.«

»Wird sie eben nicht.« Rhodan schüttelteden Kopf. »Quarantimo ist der bedeutendste

Planet in diesem System. Wir sollten unsdarauf verlassen, was Tebb gesagt hat. Auchwenn Kobb sie lange getäuscht hat, kennt sieihre Konkurrentin immer noch viel besserals wir.«

Mondra und Ska blieben eine knappeStunde weg. Danach kamen sie tatsächlichmit zwei Gleitern zurückgeflogen, in denensie alle leicht Platz finden konnten, da keinervon ihnen - höchstens Kreyn - die Statur derSetchenen besaß.

»Auf den Straßen sind mehrere dieserDinger einfach abgestellt worden«, berichte-te die ehemalige TLD-Agentin. »Eine Set-chene stellte uns tatsächlich zwei zur Verfü-gung, als wir danach fragten, und gab unsnoch Hinweise, wie die Dinger geflogenwerden. Es gibt nicht einmal einen Sperr-kode, so etwas wie Diebstahl scheint bei denSetchenen völlig unbekannt zu sein!«

»Es ist gespenstisch, in welcher Ge-schwindigkeit sich die Straßen jetzt leeren«,fügte Ska hinzu. »Die Setchenen zeigen esnicht, aber sie sind fast verrückt vor Angst,doch immer noch nicht kopflos. Sie eilen indie Notunterkünfte oder in die selbstgebau-ten Schlupflöcher ...«

»Ihr seid gerade im richtigen Moment ge-kommen«, unterbrach Rhodan, der jetzt kei-ne gedrückte Stimmung aufkommen lassenwollte. »Es kann nicht mehr lange dauern,und danach wollen wir handeln.«

Am späten Nachmittag war es soweit. Al-le Raumhäfen des Quar-Systems meldetenStartbereitschaft.

Auf dem Raumhafen von Quarantimokehrte abrupte Ruhe ein. Die bevorzugtenSetchenen waren alle eingestiegen, es gabkeine Wartenden mehr. Diejenigen, die zumAbschied mitgekommen waren, kehrten umund machten sich einzeln oder in Gruppenauf den Weg, einen geschützten Platz zu su-chen. Das Gelände leerte sich rasch. Auchkeine Arbeiterin zeigte Aktivität, die sonsti-ge Geschäftigkeit war völlig zum Erliegengekommen.

Die 320 Schiffe reckten sich wie bizarre,schimmernde Säulen dem Himmel entgegen,

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manche bis zu 224 Meter hoch, mit vierSpitzen gekrönt.

Man hätte in diesem Moment, kurz vordem Start, tatsächlich glauben können, daßQuarantimo längst ausgestorben war und derRaumhafen nur noch ein Schiffsfriedhof.

Die Übertragung von Quarmac war inzwi-schen abgeschaltet, die überdimensionalenSchirme, die sonst als Werbeflächendienten, waren blind, die Lautsprecherschwiegen.

Man konnte fast von einer gespenstischenStille reden. Nichts in der Stadt regte sichmehr, so daß man selbst das hustende Belleneines Granils, mit dem Wind aus der Wüsteherübergetragen, hören konnte. Auch dieSetchenen draußen im Land schienen ver-schwunden.

Erneut zitterte der Boden, nur ganz leicht,als ob der gesamte Planet in Erwartung vi-brierte. Der Himmel war fast schwarz, unddie Temperaturen waren auf über 70 GradCelsius geklettert, obwohl die Sonne bereitsals riesiger Feuerball allmählich unterging.

Dann kam das Signal.Gleichzeitig auf allen elf bewohnten Pla-

neten des Quar-Systems starteten die Schiffein rascher Folge, unter einem Höllenlärmund einer starken Windent-

Wicklung; ein guter Vorgeschmack aufdas, was die Zurückgebliebenen demnächstwohl erwarten würde. Sie stiegen steil em-por, wurden schnell zu winzigen Punktenund waren bald völlig aus der Sicht ent-schwunden. Im Raum, am Rand des Sy-stems, würde sich nun eine Flotte von mehrals 3500 Schiffen versammeln und dannKurs auf das Propter-System nehmen.

Niemand wußte, ob sie das Ziel jemals er-reichen würden. Niemand wußte, ob sie dorteine neue Heimat finden konnten. Propterlag zwar außerhalb des Zentrums des Kes-selbebens und hatte kaum richtig gefährlicheAuswirkungen zu befürchten - aber wie wür-den sich die dort lebenden Intelligenzen ver-halten?

Der Himmel war leer, ebenso das Land.Nirgendwo war mehr eine Setchene zu er-

blicken, sie hatten sich alle zurückgezogen.Es gab oberirdisch nichts mehr zu tun. In ra-scher Folge wurde selbst die Technik zumSchweigen gebracht und zum Nichtstun ver-dammt. Die letzten Arbeiterinnen verließendie Fabriken, deren Tore weit geöffnet blie-ben.

Der Boden bebte. Wieder nur ganz zart,doch ein wenig länger als die letzten Male.

Glas klirrte leise, die elektrisierte Luftschien zu singen.

Das Ende ist nah, dachte Reginald Bull.Und er konnte nichts, aber auch gar nichtsdagegen tun.

9.Tag X

Es beginnt

Es war der blanke Hohn! Gerade nochhatten sie den Anschlägen der Tessma ent-kommen können, unter dem unersetzlichenVerlust der KAURRANG; dann waren siehilflos im Raum getrieben, trotzdem nahegenug an einem Ödplaneten - um dort wiebestellt rechtzeitig von einem automatischenSchürfraumer gerettet zu werden.

Und nun, endlich allem Unheil scheinbarentronnen, mit der Zusicherung eines über-aus gastfreundlichen Fremdvolkes, auf denrichtigen Weg weitergebracht zu werden,brach die endgültige Katastrophe über sieherein.

Wie Tebb es empfohlen hatte, hatten sichdie Galaktiker noch vor Tagesanbruch in derWüste auf die Lauer gelegt, ganz in der Nä-he der Lagerhallen der Familie Celestain.

Sie waren mit den Gleitern hierhergeflo-gen. Zwar hätten sie auch ihre Anzüge nut-zen können, aber die Gleiter konnten zusätz-lich als Transportmittel dienen, Perry Rho-dan erschien eine Suche in der Nordpolregi-on wenig erfolgversprechend. Der Zeitpunktdes Bebens war ihm zu nahe, und er wolltenicht erneut stranden und womöglich vondort aus den Abflug der letzten DRYTORNbeobachten müssen. Der genaue Zeitpunktdes Kesselbebens war nicht genannt worden,

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ebensowenig die Intensität.Also blieb nur der Rückzug in die Wüste.

Von hier aus konnten sie zur Not noch ir-gendwie den Raumhafen erreichen, fallsTebb sich geirrt haben sollte.

In der Nacht war es wiederum zu mehre-ren leichten Beben gekommen, und ein selt-sames Leuchten hatte den Nachthimmel er-hellt. Wenigstens hatte es kein Gewitter ge-geben.

Am Morgen spürte Mondra Diamond, wieder Boden unter ihr erneut schwankte. Siewollte sich bereits fester in den Sand eingra-ben, um den Halt nicht zu verlieren, als siemerkte, daß es gar nicht der Boden gewesenwar, sondern sie.

Sie hatte sich ohne Aktivierung der Anti-gravs einen oder zwei Millimeter vom Bo-den gehoben, obwohl sie nur eine leichteArmbewegung ausgeführt hatte, um sich ander Nase zu kratzen.

Gleich darauf hatte sie das Gefühl, zwan-zig Kilo schwerer geworden zu sein. DerWechsel ging so schnell und abrupt, daßnicht einmal der Pikosyn ihres SERUNS so-fort darauf reagieren konnte.

»Was ist denn ...?« begann sie verblüfft.»Die Schwerkraft spinnt!« polterte Regi-

nald Bull.»Seht doch, der Himmel!« rief Goriph.Am Vortag war der Himmel fast schwarz

gewesen, nun jedoch zeigte er sich blaß,überzogen von pastellfarbenen Streifen wiebei einem Regenbogen. Die Systeme zeigteneine Außentemperatur von lediglich 25 GradCelsius an, Tendenz fallend.

»Die Sonne ...«, hauchte Treul.Die Sonne selbst flackerte, schien sich im

einen Moment zu einem grellweißen Sternaufzublähen und fiel im .nächsten fast insich zusammen; rötliche Schlieren verdun-kelten sie stellenweise, hinter denen Eruptio-nen hervorloderten.

Obwohl keine Wolke am Himmel war,fielen Schatten über die Wüste, zogen weiteroder breiteten sich aus - und verschwandenwieder.

»Da ist etwas!« rief Rhodan plötzlich.

Die Ortungsgeräte seines blauen Rauman-zuges waren empfindlicher als die der SE-RUNS, er hatte als erster eine ungewöhnli-che Emission bemerkt - trotz des bereits ein-setzenden Einflusses durch die Phänomene.Die anderen konzentrierten sich eifrig aufihre eigenen Ortungen.

»Ohne Zweifel ein Schiff«, sagte Treul.»Das kann nur Kobbs DRYTORN sein! ImMoment scheint sie bei Quarantimo-Stadt zulanden ...«

»Sicherlich, um die Familie und die An-hänger aufzunehmen«, vermutete Bull.»Was für ein Glück, daß wir nicht zumNordpol geflogen sind - ich habe recht ge-habt!«

»Sie hat die Rakete tatsächlich auf einemanderen Planeten versteckt und mit der auto-matischen Steuerung hergeholt«, meinteMondra. »Ein ganz schönes Risiko.«

»Vielleicht hat sie auch engen Verwand-ten vertraut«, entgegnete Tautmo.

»Das macht das Risiko nicht geringer.«»Hoffentlich macht sie sich dann noch die

Mühe, hierherzufliegen, immerhin ist sieschon fast am Raumhafen ...«, murmelteTautmo.

Bald darauf meldeten die Ortungssyste-me, daß die DRYTORN bereits wieder star-tete. In der kurzen Zeit konnte sie unmöglichdie Hallen am Raumhafen geplündert haben.

Einige Schrecksekunden lang wurden allevon Zweifeln erfüllt - ob Kobb nur amRaumhafen landete oder Quarantimo ver-ließ.

Sie konnten das Schiff nicht sehen, da siesich in einer Senke befanden. Nicht einmaldie Wolkenkratzer der Stadt waren erkenn-bar, denn die Sandberge dazwischen türmtensich zu hoch auf.

»Objekt steigt weiter«, stieß Kreyn her-vor. »Verdammt, wir haben am falschenPlatz gewartet! Wir verlieren sie!«

»Wir können sie nicht mehr einholen,auch mit der Hilfe unserer Anzüge nicht.Wir können nichts tun«, sagte Bull.

Ließ das Glück sie endlich einmal imStich? Waren sie zu leichtsinnig geworden,

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zu arrogant in ihrer Gewißheit, immer dieSieger zu sein?

»Kurs errechnet!« schrie Treul plötzlichmit dünner Stimme.

*

Obwohl Surt sich tapfer und gelassen gab,konnte Tebb spüren, wie sehr ihn die Um-stellung mitnahm. Der Hormonhaushalt ih-res Mannes war bereits ziemlich durcheinan-dergekommen, und Tebb hoffte, genügendKräuter bevorratet zu haben, die einen ra-schen Ausgleich herbeiführen sollten.

Für diese Nacht hatte sie, um Surt denWechsel zu erleichtern, zwei Sandkuhlennach draußen gebracht, um die Wirkung derSolarzellen zu testen - und es funktionierte.Sie aktivierten sich zum angegebenen Zeit-punkt und erwärmten den Sand, so daß Tebbpünktlich nach Sonnenaufgang erwachte,kurz vor Surt.

Einige Angehörige, die bei ihr gebliebenwaren, kamen wohl gerade in dem Bunkerzu sich und wunderten sich wahrscheinlichfür einen Moment über die ungewohnte Um-gebung - bis ihnen wieder alles einfiel.

Tebb sah sofort, daß die Welt sich verän-dert hatte, obwohl es noch nicht deutlich zusehen war - doch irgendwie war der Himmelanders. Sie spürte, daß die Bewegungen ihranfangs leichter fielen, nur um ihr dannmühsamer, schwerer vorzukommen.

Es war keine Frage, daß sie sofort wiederdie Raumanzüge anlegen mußten; zudemwar es ziemlich kühl, im Gegensatz zu demglühenden Vortag. Surt würde sich schondaran gewöhnen, von nun an mit diesemSchutz herumlaufen zu müssen.

Es konnte nicht mehr lange dauern, bisdas erste stärkere Beben einsetzte und dieStürme kamen. Der Himmel veränderte sichjetzt deutlich, ebenso die Sonne.

Tebb schloß die Nickhaut, um die Sonnebesser beobachten zu können, und sie spürteunter dem Anzug einen kalten Schauer überihre Lederhaut streichen.

Surt hatte sich inzwischen ebenfalls hoch-

gerappelt und schaute staunend um sich; ermußte die Phänomene viel intensiver emp-finden als sie. Vielleicht ahnte er rechtzeitigein schweres Beben voraus.

»Es ist soweit«, sagte sie leise. »Hast duAngst?«

»Natürlich nicht, ich bin ein Mann«, ant-wortete er.

Aber Tebb verspürte ebenfalls keineFurcht. Einen Moment lang wunderte siesich darüber, dann erschien es ihr ganz nor-mal. Ein tiefer Friede erfüllte sie.

»Ein großer Sturm wird kommen«, fügteSurt hinzu und deutete nach Norden. Dortwar der Himmel sehr viel dunkler als an-derswo.

»Ich weiß«, sagte sie.Sie half ihm, seinen Anzug zu schließen.

»Wir sollten jetzt lieber hineingehen«, mein-te sie. »Es kann nicht mehr lange dauern.«

Sie war sicher, daß in Quarantimo-Stadtniemand mehr oberirdisch unterwegs war.Sie empfand Bedauern für die Nomaden, diedort draußen in der Wüste vermutlich elendumkamen. Aber hier hatte es keinen Platzmehr für sie gegeben. Tebb hoffte, daß sienicht leiden mußten.

»Denkst du, der Sturm wird lange anhal-ten?« fragte sie Surt.

»O ja«, antwortete er. Er stützte sich aufsie, um aufrecht gehen zu können. »Die Luftsingt davon, und ich kann überhaupt keineTiere mehr spüren. Sie haben sich alle ganztief vergraben und schlafen schon. Das soll-ten wir auch tun, liebe Tebb.«

10.Beutezüge

Alle atmeten auf, als die DRYTORN ineinigen Kilometern Höhe über sie hinweg-zog, fort vom Raumhafen, auf die entferntenLager zu.

»Sie läßt wirklich nichts aus«, meinteTautmo Aagenfelt. »Hoffentlich ist sie nichtvorzeitig vollgeladen ...«

»Sie wird sich bis zum Stehkragen bela-den und nichts auslassen«, sagte Bull.

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»Vielleicht sollten wir doch versuchen,sie vorher abzufangen«, schlug PoultonKreyn vor, dem die Warterei nicht gefiel.»Mit den Gleitern sind wir doch schnell vorOrt!«

»Wir wissen nicht, wie schnell sich dieSituation ändert«, lehnte Rhodan ab. »Nachalldem, was uns bereits passiert ist, will ichwirklich kein unnötiges Risiko mehr einge-hen!«

Tatsächlich nahmen die Phänomene raschan Heftigkeit zu, die nächsten, weitgehendharmlosen Erdbeben setzten ein, ebenso kamein heftiger Wind auf. Die SERUNS zeigtenzeitweise schon Ausfallerscheinungen, undselbst der Ertruser gab jetzt zu, daß es viel-leicht doch besser war zu warten.

Soweit sie den Ortungssystemen nochtrauen konnten, blieb die DRYTORN ohne-hin nie lange an einem Ort. Es wäre unmög-lich gewesen, sie rechtzeitig einzuholen. An-scheinend schleuste Kobb Taphirtel zuerstihre Angehörigen aus, um sie dann zusam-men mit den Waren wieder einzusammeln.

»Sie wird vor allem an technischer Ausrü-stung interessiert sein, um sich selbst einenmöglichst hohen Lebensstandard zu ermög-lichen, dazu jede Menge wertvoller Erzezum Handeln«, überlegte Rhodan laut. »IhreArtgenossen müssen schnell selektieren, be-vor die Beute an Bord gebracht wird. Dasbedeutet, sie - benötigt nicht viel Zeit zumVerweilen. Wenn sie alle Lager hier draußenplündert und sich dann noch in der Stadtholt, was sie kriegen kann, kann sie in weni-gen Stunden eine Menge zusammenraffen.«

»Und da sie offensichtlich für dieseSchandtat kein Risiko scheut, wird sie biszum letzten Moment mit dem Start warten«,fügte Bull hinzu. »Das werden wir ihr aberschön verderben.«

»Um so mehr Vergnügen macht es doch,sie aus ihrer Rakete zu werfen und hier aus-zusetzen«, sagte Mondra. »Dieses Miststücksoll bekommen, was es verdient!«

Obwohl die Anzüge den wohl einzigenSchutz garantieren konnten, wurde das War-ten zur Hölle. Man konnte fast nach der Uhr

gehen, daß sich die Situation viertelstunden-weise verschlechterte.

Gewaltige schwarze Wolkentürme balltensich am Himmel zusammen, und ein mörde-risches Trockengewitter brach aus. Die Or-tungssysteme meldeten, daß von NordenWirbelstürme mit einer Geschwindigkeitvon mehr als sechzig Metern in der Sekundein Bodennähe heranrasten.

Längst erloschene Vulkane waren plötz-lich wieder zum Leben erwacht und schleu-derten riesige Mengen an Gestein undAschewolken bis zur obersten Stratosphäre.Die Gesteinsbrocken wurden in der Tropo-sphäre von den Strahlwinden größtenteilsabgefangen und Richtung Süden fortgeris-sen.

Der Himmel über Quarantimo-Stadt öff-nete bald seine Schleusen, und unter unge-heuren Entladungen, von heißen Stürmenteilweise fast waagrecht vorangetrieben, ha-gelte es Sand und Gestein herab. Der Schau-er dauerte fast eine halbe Stunde, bis dieWinde weitergezogen waren und den näch-sten Schauer über einem anderen Teil derWüste niedergehen ließen.

Binnen weniger Minuten hatte sich diegesamte Umgebung verändert. Die höchstenSanddünen waren dem Erdboden gleichge-macht worden, während anderswo neue Ge-birge aus gebackener Lava, Sand, Asche undSteinen aufgetürmt worden waren.

Urplötzlich rissen die Wolken auf undverwehten, und durch den vulkanischenAscheschleier hindurch schien wieder dieSonne - aber sie war inzwischen orangefar-ben geworden. Die Umgebungstemperatursank innerhalb weniger Minuten von vierzigauf acht Grad Celsius.

Eine Stille trat ein, die einerseits wohltat,andererseits aber nur trügerisch war, denn eskonnte nicht mehr lange dauern, bis die Wir-belstürme heranbrausten.

Die Schutzschirme der SERUNS hattenden gerade vorübergezogenen Orkan nochabgefangen, dennoch war es mit den zeit-weisen Ausfällen der Antigravs fast unmög-lich geworden, sich an einem Platz zu hal-

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ten, außer die Schwerkraft veränderte sichgerade wieder zu höheren Werten.

»Die sind doch verrückt, jetzt noch Beutemachen zu wollen!« schrie der Hyperphysi-ker in den Funk. »Womit schützen sich dieSetchenen? Das muß doch Tote ohne Endegegeben haben!«

»Was kümmert das Kobb Taphirtel?« gabBull zurück. »Je weniger Leute sie an Bordhat, desto weniger muß sie teilen!«

Wieder war es Treul, der plötzlich dazwi-schenfunkte: »Sie kommt!« meldete derSwoon.

*

Während des Sturms hatte Kobb Taphirteles wohl vorgezogen, in ausreichender Höheabzuwarten. Jetzt erst landete sie in umge-kehrter Folge bei den Plätzen, an denen siezuvor ihre Gefährten ausgeschleust hatte.Sie mußte ihre Vorgehensweise gut geplanthaben, denn sie wechselte in fast unheimli-cher Geschwindigkeit die Standorte. Dochkeiner der Wartenden zweifelte daran, daßsie dabei nichts zurückließ, was für sie vonWert war.

Schließlich waren, wenn man dem Orts-plan trauen konnte, alle Lager abgegrast -bis auf die von Tebb.

»Sie müssen als nächstes drankommen!«betete Tautmo. Wenn er dazu die Möglich-keit gehabt hätte, hätte der Physiker vor lau-ter Nervosität an den Nägeln gekaut.

Dabei bestand eine hohe Chance für dieRichtigkeit ihrer Annahme: Kobb konnteden Kragen nicht voll genug bekommen,sonst hätte sie die kleineren Lager nicht alserstes geplündert - vor allem angesichts derZeitnot.

Trotzdem war es ein Vabanquespiel; nachdem ersten furchtbaren Sturm konnte sichjeder ausmalen, daß der nächste nicht leich-ter würde. Noch dazu, da die Wirbelstürmeimmer näher heranrückten und mit ihnen einVielfaches an Tod und Vernichtung. WennKobb nun doch die Nerven verlor ...

Doch da kam die Setchene auch schon;

nach einem kurzen Start setzte sie bereitswieder zur Landung an.

In diesem Moment stieß Norman einschrilles Trompeten aus und strampelte ver-zweifelt mit seinen Beinchen in der Luft.Mondra hatte ihn in ein Prallfeld gehüllt, da-mit er einerseits geschützt war und anderer-seits keine Dummheiten machen konnte.

»Da kommt ein gewaltiges Erdbeben aufuns zu«, sagte Goriph, die unablässig ihreKontrollen beobachtete. »Wenn ihr nachOsten schaut, könnt ihr es schon sehen...«

Der Boden zitterte wieder einmal leicht;von Osten her wurden die Sandberge leichtaufgewirbelt, als bewegte sich unter ihnenein gigantisches, wurmförmiges Wesen ingroßer Geschwindigkeit auf sie zu. Das Zit-tern wurde stärker, ein dumpfes Grollen warzu hören, und in etwa 200 Kilometern Ent-fernung begannen die Dünen Wellen aufzu-werfen und rasch westwärts auf die Stadt zu-zuwandern. Diese Wellen türmten sich im-mer weiter auf, ähnelten altterranischen Ts-unamis, zogen sich viele Kilometer in Breiteund Länge und wuchsen steil in die Höhe.

»Wir werden alle drunter begraben«,ächzte Tautmo.

Sie aktivierten hastig die Antigravs undstiegen steil auf; zum Glück gab es geradekeinen Ausfall. In diesem Moment war esihnen völlig egal, ob sie entdeckt wurden,doch Kobb Taphirtel hatte vermutlich ande-re Sorgen, als auf eventuelle Widersacher inihrer Nähe zu achten. Die DRYTORN gabSchub und gewann wieder an Höhe.

Ausgerechnet jetzt muß das passieren,dachte Reginald Bull in ohnmächtiger Wut.Haben wir denn nur noch Pech?

Die höchste Welle war inzwischen aufeinen halben Kilometer Höhe angewachsenund nur noch fünf Kilometer entfernt. Eskonnte kein Zweifel daran bestehen, daß siemit verheerender Wirkung über die Stadthereinbrechen und sie dem Erdboden gleich-machen würde.

Doch dann, nur noch zwei Kilometer ent-fernt, brach diese Riesenwelle auf dem Hö-hepunkt plötzlich in sich zusammen und

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wurde von den nachfolgenden, kleinerenWellen praktisch überrollt. Ein zweites ge-waltiges Beben erschütterte das gesamte Ge-biet, und genau dort, wo die Tsunamis zu-sammenbrachen, war eine Spalte von fastzwanzig Metern Breite aufgerissen worden -Glück im Unglück. Das Beben war damitnoch lange nicht vorbei. Die Spalte setztesich mit rasender Geschwindigkeit RichtungSüden fort, verästelte sich schließlich undverendete in etwa, zehn Kilometern Entfer-nung.

Nach mehreren leichten Nachbeben ließdas Zittern des Bodens endlich nach, dieSandwirbel und Wellen kamen zur Ruhe.

Wieder trat absolute Windstille ein, keinSandkörnchen wurde mehr hochgehoben.Die orangefarbenen Sonnenstrahlen suchtentrotz des Ascheschleiers ihren Weg zum Bo-den; wo sie ungehindert auftrafen, erhitztesich der Sand und zerschmolz zu Glas, wäh-rend die Lufttemperatur nur um ein Grad -anstieg.

Und immer noch rasten die Wirbelstürmein unverminderter Geschwindigkeit undStärke von Norden auf Quarantimo-Stadt zu.

»Sie setzt wieder zur Landung an!« jubel-te Tautmo Aagenfelt.

Die Schiffbrüchigen waren zurück inDeckung gegangen, kaum daß das Bebennachgelassen hatte. Die Schutzschirme muß-ten jetzt notgedrungen desaktiviert werden,damit die Gefährten nicht vorzeitig geortetwurden. Mondra verabreichte Norman einBeruhigungsmittel.

Um nicht durch den Funk auf sich auf-merksam zu machen, hatten sie kurzzeitigdie Helme geöffnet. Die kühle Luft war nurschwer atembar und stank nach Schwefel.Hin und wieder brachten kurze, heiße Wind-stöße die Haut fast zum Brennen.

»Sobald sie gelandet ist und mit der Aus-schleusung ihrer Leute beginnt, machen wiruns auf den Weg«, erklärte Rhodan den an-deren seinen schlichten Plan. »Dank TebbsPlänen werden wir uns ohne Schwierigkei-ten zurechtfinden und das Schiff auch steu-ern können. Poulton und ich werden die

Zentrale besetzen. Bully und Mondra sowieTreul und Goriph übernehmen den Trieb-werkssektor. Ska, du und Tautmo, ihr bleibtals Eingreifreserve im Hintergrund. NehmtNorman mit, wir wollen ihn nicht ausge-rechnet jetzt verlieren.«

Die DRYTORN war inzwischen gelandet.Der Boden bei den Hallen war heil geblie-ben, ebenso die Gebäude, nur deren Dächerwaren eingestürzt.

Als ein Kommando von Setchenen dasSchiff verließ, gab Rhodan das Signal zumAngriff. Die Galaktiker schlössen wieder dieHelme und aktivierten die Deflektoren, diefunktionierten - zumindest in diesem Augen-blick. Das konnte genausogut im nächstenMoment vorbei sein.

Die Vorgehensweise war genau festge-legt; Perry Rhodan flog in vorderster Front,gefolgt von Poulton Kreyn, dann ReginaldBull mit Mondra Diamond und den beidenSwoons, als Schlußlichter Ska Kijathe undTautmo Aagenfelt mit Norman in ihrer Mit-te.

Die Setchenen waren bereits eifrig damitbeschäftigt, die Waren aus den Hallen zutransportieren. Kobb Taphirtel rechnete mitkeinem überraschenden Angriff - wie auch?Die DRYTORN stand völlig ungeschütztund mit einladend geöffneten Schotten da.

Zum ersten Mal seit dem Schock vor vierTagen war die Hoffnung greifbar nahe,wenngleich natürlich leise Zweifel bestan-den. Schließlich war es auch kaum mehr zuglauben, daß die Rettung vielleicht in letzterSekunde erfolgte. Aufatmen würden sie alleerst, wenn sie an Bord waren. Bis dahin hat-ten sie noch mehrere nervenzermürbendeMinuten vor sich.

*

Irgendwas stimmt nicht, dachte TautmoAagenfelt. Der Physiker fummelte hektischan seinen Kontrollen herum.

Mehrmals hatte er bereits das Gefühl ge-habt, daß der Deflektorschild jeden Momentversagte. Was würde dann geschehen? Das

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durfte auf keinen Fall sein, der Anzug durftenicht gerade jetzt kaputtgehen.

Er hatte diesen Gedanken kaum zu Endegebracht, als die Systeme ihm plötzlicheinen rapide fallenden Luftdruck meldeten.Das sichere Zeichen für das Herannahen derWirbelstürme und ...

Tautmo starrte nach Norden. Er sah, wiesich dort der Horizont erneut verdunkelte.Zum Boden hin war der Himmel bereitspechschwarz geworden, und die Dunkelheitwuchs allmählich nach oben - so weit dieSicht reichte. Die Umgebungstemperaturenstiegen jetzt in rasender Geschwindigkeitauf fast fünfzig Grad an, doch der Atmo-sphärendruck sank immer noch. DieSchwerkraftverhältnisse spielten sowiesoverrückt.

Großer Gott, dachte Tautmo Aagenfelt,das ist unser Ende.

Die Systeme wechselten auf einmal, zeig-ten Werte an, die unmöglich stimmen konn-ten. Das bedeutete wiederum, daß der Piko-syn jeden Moment seinen künstlichen Geistaufgab; wahrscheinlich schon eine ersteAuswirkung der herannahenden Zerstörung.

Dann wäre der Hyperphysiker entwederdem Sturm schutzlos preisgegeben oder denplündernden Setchenen. Fragte sich nur, wasoder wer schneller war.

Wenn der SERUN versagte, war er verlo-ren. Aber was sollte er tun? Perry Rhodanhatte ihm seine Aufgabe zugeteilt, er konntejetzt nicht einfach aus der Reihe scheren.

Es herrschte absolutes Funkverbot, erkonnte mit niemandem über seine Befürch-tungen sprechen.

Die Dunkelheit wurde immer größer. Sa-hen sie es denn nicht? Dachten sie nur nochan das Schiff, vergaßen sie alles andere da-bei? Hatten sie daran gedacht, was die Set-chenen mit ihnen machen würden, wenn diePikosyns direkt bei ihnen verrückt spielten?Diese zweieinhalb Meter großen Echsenwe-sen brauchten mit ihren mächtigen Schulter-armen nur einmal auszuholen, um ohnegroßen Kraftaufwand Tautmos Schädel zuzerschmettern. Kreyn als Ertruser war der

einzige, der sich gegen diese mächtigen Ge-schöpfe wehren konnte, und trotzdem würdeer zweifellos unterliegen.

Nein, das hielt er nicht durch. Niemandkonnte ihm einen Vorwurf machen. Seitzwei Wochen war jeder von ihnen ständigeiner nervlichen Zerreißprobe ausgesetzt ge-wesen, inzwischen war nach ihren SERUNSbereits der 19. Januar 1290 NGZ angebro-chen.

Ein »junges« Jahr, aber Tautmo fühltesich alt, uralt. Irgendwann einmal war dieKraft selbst des Stärksten erschöpft, undTautmo besaß keinen Unsterblichkeitschipwie ein Perry Rhodan oder ein ReginaldBull, der in solchen Fällen regulierend ein-griff. Er war nur ein einfacher Mensch, nichteinmal ein Soldat; gebildet zwar, aber ebendoch Theoretiker.

Wenn nur sein Wissen gefordert wäre,könnte er länger als zwei Wochen pausenlosauf Hochtouren laufen, aber so? Das wareinfach zuviel, diese ständige Angst...

Tautmo Aagenfelt merkte, wie die Panikaus ihren streng gesetzten Grenzen über-schwappte und seinen Verstand überspülte.Seine Selbstbeherrschung war restlos aufge-braucht. Vielleicht hätte Mondra ihn beruhi-gen können, wenn er sich ihr anvertraut hät-te; sie hatte doch immer einen klugenSpruch darauf und zeigte niemals- Angst.Sie war so stark und selbstsicher, das pureGegenteil zu ihm. Deshalb liebte er sie - undstieß deswegen bei ihr nur auf Ablehnung.Doch wie gut hätte es ihm getan, mit ihr zureden, selbst wenn sie ihn getadelt oder ge-demütigt hätte!

Da war sie schon wieder: eine völlig blöd-sinnige Meldung! Er hatte für einen Momentnicht aufgepaßt, funktionierte der Deflektornoch?

Er merkte, wie ihm der Schweiß ausbrach.Die Gedanken verwirrten sich, alles ging aufeinmal durcheinander in seinem Kopf, derihm noch dazu fast unerträglich weh tat. Ermerkte, daß er stoßweise und kurz zu atmenbegann, das erste Anzeichen einer Hyper-ventilation.

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Tautmo handelte plötzlich nicht mehr be-wußt, sein Selbsterhaltungstrieb gewann dieOberhand. Beinahe schlafwandlerisch betä-tigte er erneut die Kontrollen.

, Und aktivierte seinen Paratronschutz-schirm.

*

»Was ist denn ...?« schrie Reginald Bullplötzlich außer sich.

Es war nicht mehr notwendig, Funkstillezu halten. Seine Ortung spielte auf einmalverrückt, und er begriff, daß irgend jemandden Paratronschutzschirm aktiviert hatte.

»Sofort den Paratron desaktivieren!« be-fahl Bull harsch.

Dem Befehl wurde auf der Stelle Folgegeleistet, aber es war natürlich zu spät.

Die Reaktion aus der DRYTORN-B er-folgte sofort. Solch eine energetische Emis-sion war nicht mehr zu übersehen, selbst fürdie unterlegenen Ortungssysteme der Set-chenen nicht.

Kobb Taphirtel ließ den Schutzschirm ak-tivieren, so daß die Rakete jetzt, so kurz vordem Ziel, nicht mehr unbemerkt geentertwerden konnte.

»Weiter!« verlangte Rhodan kurz ange-bunden, dann herrschte wieder Stille.

Das Schiff mußte schließlich weiterhingeöffnet bleiben, um die restliche Beute unddas Plünderkommando an Bord zu nehmen.Zu diesem Zweck mußte der Schutzschirmeinen Durchlaß ermöglichen - und das wardie einzige Chance, die sie noch hatten.

Wenn Kobb Taphirtel keine weitereEmission mehr erkennen konnte, schob siediese vielleicht auf das Kesselbeben undfuhr mit der Arbeit fort. Die skrupellose Set-chene reagierte schnell und verließ sichnicht auf einen Zufall. Zuerst sichern, dannnachforschen, was die Ursache gewesenwar.

Reginald Bull konnte sich denken, daßsein Freund sich in der Nähe der Schottenaufhalten würde, um zusammen mit demEnterkommando an Bord zu kommen. Da-

nach würden sie vorgehen wie geplant.Doch dazu kam es nicht mehr.Kurz bevor der Schutzschirm aktiviert

worden war, waren bereits mehrere großeContainer verladen worden. Das fünfzehn-köpfige Kommando kam gerade mit weite-ren Containern aus den Hallen, als sichplötzlich ohne Vorwarnung die Schotten derRakete schlossen.

Die Setchenen verharrten verdutzt. Sieschienen nicht zu begreifen, was da vor sichging.

Dann wurden die Triebwerke gestartet,und die DRYTORN erhob sich in die Luft -ohne die restliche Beute und ohne die treuergebenen Setchenen.

Die verratenen Echsenwesen standen wiegelähmt, fassungslos vor Entsetzen.

Perry Rhodan desaktivierte seinen Deflek-tor als erster. Poulton Kreyn machte einenRiesensatz .auf Tautmo Aagenfelt zu, dersofort wieder seinen Schutzschirm aktivier-te. Der Ertruser kam nicht mehr an ihn her-an, aber das hinderte ihn nicht, den Mannmit einem derartigen Wortschwall wüsterBeschimpfungen zu überhäufen, daß einekörperliche Züchtigung kaum schlimmer ge-wesen wäre.

»Wenn Gucky nur hier wäre!« stieß Regi-nald Bull ohnmächtig hervor. »Er könnteeinfach an Bord teleportieren und diesesMiststück zur Landung zwingen! Aber er istja nie da, wenn man ihn wirklich malbraucht!«

»Bleibt stehen!« rief Perry Rhodan, dermehr auf die Setchenen achtete. Sie hatteninzwischen die herannahende Dunkelheit be-merkt und wollten in hellster Panik davon-stürmen. »Wartet!«

Sie verharrten zögernd. »Was willst dunoch?« rief eine Frau.

»Nicht ich habe euch verraten, sondernKobb Taphirtel!« gab Rhodan zurück.»Denn sie war es doch, die euch im Stichgelassen hat, nicht wahr?«

»Ja, das stimmt«, bestätigte die Setchene.»Was hast du damit zu tun?«

»Ich wollte euer Leben retten.« Rhodan

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deutete zu dem etwa einen Kilometer ent-fernten Versteck. »Wir haben zwei Gleiter,sicher funktionieren sie noch. Versucht,euch damit zu retten, wir brauchen sie nichtmehr. Flieht zu Tebb Celestain, sie wirdeuch Schutz geben!«

»Aber Tebb ....«, stammelte die Frau.»Das spielt doch jetzt überhaupt keine

Rolle mehr!« unterbrach der Terraner unwir-sch. »Sagt ihr, daß es nicht geklappt hat unddaß wir einen anderen Weg versuchen! Be-eilt euch jetzt, bevor die Stürme da sind!«

Die Setchenen hielten sich nicht mehr auf.Die einen rannten auf ihren starken Beinendirekt zur Stadt, denn sie hatten nicht allePlatz auf den Gleitern. Sie zogen die Schuheaus, da sie mit ihren kräftigen, langen Zehenbesseren Halt im Sand finden konnten, undentfernten sich mit erstaunlicher Geschwin-digkeit. Die anderen hatten in einer knappenMinute die Gleiter erreicht und flogen ab, et-was unsicher und mit kleinen Aussetzern.Bull zweifelte dennoch nicht daran, daß siedie Stadt erreichen würden.

Und sicherlich würden sie Tebb um Hilfebitten. Sie wußten nicht, wohin sie sichsonst wenden konnten. Dann erfuhr Tebbauch vom Versagen der Galaktiker, und daswürde die Setchene schmerzen.

Doch im Grunde war das alles egal. DieSache war gelaufen.

11.Ein letzter Versuch

»Perry, bitte befiehl diesem feigen Würst-chen endlich, den Schutzschirm zu desakti-vieren, damit ich es abknallen kann!« for-derte Poulton Kreyn vehement.

»Wir haben keine Zeit für Schuldzuwei-sungen und Racheaktionen«, fuhr Rhodanihn ärgerlich an. »Sehen wir zu, daß wir indie Stadt kommen! Kobb ist auf dem Raum-hafen gelandet, um weiter zu plündern, siewill sich nicht so leicht von uns vertreibenlassen! Wir haben noch eine Chance, die wirnutzen müssen!«

»Und zwar pronto«, murmelte Bull.

»Jeden Moment geht nämlich gleich dieWelt unter.«

Das war nicht übertrieben, das konnten al-le sehen. Sie aktivierten die Antigravs undflogen mit Höchstgeschwindigkeit nachQuarantimo-Stadt zurück, zum Raumhafen.

Tautmo Aagenfelt mußte als letzter flie-gen, die anderen hatten sich brüsk von ihmabgewandt. Sie überhäuften ihn nicht wieder Ertruser mit Vorwürfen, noch wolltensie die Gründe für seine Tat wissen. Die wa-ren ja auch deutlich genug: Er war und bliebein Feigling.

Nur Mondra schien es sich plötzlich an-ders zu überlegen, denn sie flog an seineSeite, damit er ihr haßerfülltes Gesicht sehenkonnte. »Ich bedaure nur eines«, sagte sie,»daß du leider nicht mehr lange genug lebenwirst, um für das hier zu büßen und zu wis-sen, daß du uns alle umgebracht hast.«

»Ich...«, begann er, doch sie war schonwieder fort.

Und dann waren die Stürme da. Obwohlkeine Wolken aufzogen, wurde der Himmelschwarz, und die Sonne zeigte sich als blut-roter, von hellgelben Schlieren durchzoge-ner kreisrunder Fleck. Von einer Minute zuranderen versagte der Funkverkehr, auch beiden SERUNS. Die Antigravs funktioniertennoch, unterlagen aber merklichen Schwan-kungen.

Erneut setzten Beben ein, in wellenförmi-gen Linien breiteten sie sich in verschiede-nen Richtungen über den gesamten Planetenaus und verursachten wahre Katastrophen,wo die Linien zusammentrafen. Abgründetaten sich auf, die beinahe bis zum Kern zureichen schienen; Steinmassen wurden zu-sammengeschoben und zu gewaltigen Gebir-gen aufgetürmt. Wie auf einem Schiff, dasvon einem Sturm auf dem Meer umherge-schleudert wird, gab es auch auf dem Landkeinen sicheren Halt mehr. Die gewaltigenErschütterungen brachten den Boden zumBrüllen.

Und über alles hinweg fegten die Wirbel-stürme und rissen alles mit sich - Sand, Ge-stein, Pflanzen und Tiere, selbst das Wasser.

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Page 44: Bebenalarm

Einen Teil davon ließen sie herabregnen, umalles andere, was nicht fest verankert war,aufzunehmen und irgendwohin zu schleu-dern.

Selbst für die Galaktiker war es kaummehr möglich, sich zu halten. Die Pikosynswaren nur noch zu fünfzig Prozent funkti-onstüchtig; einzig Rhodans blauer Anzug er-wies sich wieder einmal als besser.

Hilflos mußten sie zusehen, wie Quaranti-mo-Stadt in wenigen Minuten dem Erdbo-den gleichgemacht wurde. Wie Dominostei-ne krachten die Häuser aneinander, stürztender Reihe nach um. Die Trümmer wurdenteilweise fortgerissen und wie Geschossewieder herabgeschmettert.

Die Setchenen, die sich nicht tief genugverborgen hatten, starben zu Tausenden, be-graben unter dem Schutt, von tobenden Stür-men mitgeschleudert, von herumfliegendenTeilen erschlagen. Die Galaktiker mußtenhilflos zusehen und froh sein, daß sie bishernoch nicht an die Reihe gekommen waren.Trotz der Schutzschirme wurden auch sieumhergewirbelt. Irgendwie schafften sie esimmer wieder, einen zweifelhaften Halt zufinden und zu hoffen, daß es bald endete.

Brände entstanden an mindestens hundertStellen, als Blitze wie ein Platzregen hernie-derprasselten und wie Sperrfeuer einschlu-gen; an anderen Stellen ertranken Setchenen,weil sich das Wasser eines ganzen Sees wieeine Sintflut über sie ergoß.

Mit verzweifelter Verbissenheit versuch-ten die Schiffbrüchigen, sich durch diesenWeltuntergang zum Raumhafen durchzu-schlagen. Kobb Taphirtel war tatsächlichnoch einmal gelandet, aber nun ebenfallsvon den Stürmen überrascht worden. DieOrter in Rhodans Anzug zeigten - durch dasenergetische Chaos noch fast unbeeinflußt ,daß die DRYTORN bisher nicht gestartetwar.

Wahrscheinlich kommt Kobb mit diesemAusnahmezustand nicht zurecht, . dachteBull. Sie wird jetzt nicht alles durch einenFehlstart verlieren wollen. Jetzt kriegen wirsie!

Irgendwie schafften es die Galaktiker, indieser brüllenden und tobenden Verwüstungzusammenzubleiben und den Raumhafen zuerreichen. Dort stand die DRYTORN, wiedurch ein Wunder noch intakt, von starkenFesselfeldern gehalten. Kobb hatte sicheinen Standort ausgesucht, an dem sie etwasgeschützter war als anderswo; bevor dieStadt nicht endgültig gefallen war, war derRaumhafen tatsächlich momentan der si-cherste Platz.

Bull merkte es gleich, als er in diese Zonekam, und atmete fast auf. Instinktiv hatte ereinige Male den Atem angehalten, obwohldas natürlich mit dem geschlossenen Systemseines SERUNS widersinnig war.

»W... km... hin!« frohlockte der Ertruser,begleitet von unzähligen Störgeräuschen imFunk.

Sie mußten sich darauf beschränken, sichmit Handzeichen zu verständigen, doch dasfunktionierte reibungslos - schließlich hattensie alle dasselbe Ziel.

In zwei Minuten hatten sie die DRY-TORN erreicht.

Doch genau diese zwei Minuten früherstartete Kobb Taphirtel - zum zweiten Malvor ihren Augen - und ließ sie zurück.

*

Tebb Celestain achtete darauf, daß nie-mand durchdrehte und plötzlich hinausrann-te. Ihr Bunker hatte bisher gehalten, derPlatz war einigermaßen sicher, und die Häu-ser standen noch zum Teil. Bisher warenkeine Teile auf sie herabgestürzt.

Ich bin vom Glück begünstigt, trotz allem,dachte sie.

Um sie herum drängten sich noch mehrSetchenen, die gerade vor Beginn desSturms bei ihr untergeschlüpft waren. Tebbhatte sie rufen hören und sich zu erkennengegeben; sie hatte es nicht fertiggebracht,die verzweifelten Artgenossinnen ihremSchicksal zu überlassen. Allerdings konntesie nicht alle aufnehmen, es war schon enggenug. Die anderen mußten weiterziehen.

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Zu erfahren, daß die Neuen ausgerechnetAngehörige von Kobbs Clan waren, war al-lerdings eine gewaltige Überraschung. DieErzählung der Verratenen übertrumpfte al-lerdings die erste Überraschung.

Surt hielt sich prächtig. Seine Sinne wa-ren feiner, er mußte wissen, in welcher Ge-fahr sie schwebten, und er wartete trotzdemruhig ab. Seitdem sie heute morgen im Bun-ker eingetroffen waren, hatte er kein Wortmehr gesprochen. Er lag in seiner Sandkuhleund döste, flüchtete sich in Schlaf.

»Wo ist Kobb wohl jetzt?« fragte sichTebb laut.

»Sie wollte zum Raumhafen, und sie istbestimmt noch dort«, antwortete eine derFrauen. »Ihre Gier übersteigt ihr Gefühl fürSicherheit.«

»Ich muß es sehen.«»Bist du verrückt? Du kannst jetzt nicht

hinaus!«»Doch. Ich muß es sehen.« Natürlich war

es verrückt, und sie hatte ihre Artgenossin-nen ständig ermahnt, vernünftig zu sein.Aber es ging nicht anders, und wenn es dasletzte war, was sie erblickte.

Tebb spürte eine leichte Berührung an ih-rem Fuß. Surt richtete sich auf. »Ich gehemit.«

»Nein!«»Dann gehst du auch nicht.«Für einen Moment war Tebb hin- und her-

gerissen. Trotzdem. Sie mußte es jetzt erfah-ren.

Sie verließ den Bunker zusammen mitSurt. Ein Teil der Wirbelstürme war bereitsvorübergezogen, der andere Teil noch nichteingetroffen, so daß der Moment gerade»günstig« war. Auf allen vieren kriechend,bewegten sie sich Zentimeter für Zentimeterauf die andere Seite der Oase, von wo ausder Blick frei zum Raumhafen war.

Surt hatte sich auf ihren Rücken geklam-mert, sein zusätzliches Gewicht half ihnenbeiden, sich am zitternden Boden zu halten.Er stemmte sich mit seinen Hinterbeinen aufden Boden und drückte sich ab, wenn siewieder einen Schritt nach vorne kroch.

Tebb hätte gern gewußt, weshalb Surt dastat, aber durch den Höllenlärm hindurchkonnte er sie nicht verstehen. Außerdem wardas Atmen bei zusammengepreßten Hornlip-pen mühsam genug. Die Hörklappen warenfest geschlossen, die Nickhaut lag über denAugen, und die feinen Härchen in denschmalen Nasenlöchern hatten sich wie einNetz über die Atemöffnungen gelegt.

Tebb wollte keinen wertvollen Sauerstoffdurch das Schließen der Helme verbrauchen;diese Dummheit mußte sie mit allen Konse-quenzen durchstehen.

Die Häuser knirschten und bebten, abersie standen noch. Tebb konnte es nicht se-hen, aber sie war sicher, daß inzwischen derGroßteil der Stadt zerstört war - und auchdies hier nur noch ein verzweifeltes Aufbäu-men vor dem Niedergang war.

Schließlich hatte sie den Aussichtspunkterreicht, die kleinen Bäume standen in die-sem Bereich und boten einigermaßenSchutz. Surt kroch neben sie und beobachte-te mit ihr den Raumhafen. Sie hatten dieKöpfe eng aneinandergepreßt.

Tatsächlich, dort stand die DRYTORN.Sie war nur ein Schemen, denn es war fastdunkel und die tobenden Stürme verschleier-ten die Sicht. Aber sie war eindeutig zuidentifizieren.

Und Tebb war gerade noch im rechtenMoment gekommen. Denn jetzt startete dieRakete und stieg langsam empor, stolz underhaben.

Tebb öffnete plötzlich die Nickhäute.»Aber ... aber was tut sie denn da?« flüstertesie.

Anstatt weiter zu steigen, begann die Ra-kete plötzlich zu trudeln, die Kronenspitzeneigte sich. So schien es jedenfalls, allzudeutlich konnte man es nicht erkennen.

»Vielleicht hat sie zuviel geladen«, ver-mutete Surt.

»Das glaube ich nicht. Ich denke, daß dieSysteme versagen, weil sie in einen starkenenergetischen Sturm geraten ist, der geradedort oben sein Zentrum hat«, erwiderteTebb. »Vielleicht kann sie auch einfach

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nicht mehr mit den Kontrollen umgehen,oder die Ortung hat sie über die Bedingun-gen getäuscht und ...« Die Setchene stießeinen erschrockenen Ruf aus. »Große Gosa-ran, sie stürzt ab!«

Fassungslos sah Tebb Celestain zu, wiesich die DRYTORN-B weiter drehte und au-ßer Kurs kam. Sie geriet immer mehr außerKontrolle, während sie noch drei oder vierKilometer an Höhe gewann - dann neigtesich die Spitze steil nach unten, und siestürzte senkrecht ab. In einer gewaltigen Ex-plosion, die allerdings die tosenden Gewal-ten kaum übertönte, zerschmetterte sie aufdem Boden des Raumhafens.

Kobb Taphirtel hatte ihre verdiente Strafeerhalten.

»Es ist vorbei«, sagte die Setchene leise.Sie konnte keine Genugtuung empfinden,

in ihr war nur Trauer. Sie spürte Surts ge-spaltene Zunge zart auf ihrer Wange.

»Ja, das ist es«, flüsterte er in ihre Gehör-mulde. »Gehen wir zurück, Tebb, bald hatder nächste Sturm uns erreicht.«

Sie züngelte heftig und entschied sichjetzt doch, die Helme zu schließen, um denRückweg ohne Verzögerung hinter sich zubringen. Die Luft knisterte, der Wechsel vonHitze zu Kälte kam immer schneller.»Gehen wir, rasch.«

*

»Sie kommt runter!« brüllte ReginaldBull.

Es war ihm gleichgültig, ob seine Gefähr-ten ihn verstanden. Er aktivierte die Anti-gravs und machte, daß er wegkam.

Sein Flug ähnelte allerdings dem Trudelnder DRYTORN, und er näherte sich er-schrocken dem Boden. Wahrscheinlich wa-ren die Systeme der Rakete in einer fünfdi-mensionalen Schockwelle ausgefallen, seinSERUN machte jetzt auch immer mehr Spe-renzchen.

Nun war also auch die letzte Hoffnungdahin; es gab kein Schiff mehr.

Sie mußten sich mit dem Gedanken ver-

traut machen, daß sie ihr Ende auf Quaranti-mo erlebten, einem unbedeutenden Planetenam Rand des kleineren Teils einer Doppel-galaxis namens Salmenghest. Hatte er sichdarauf vorbereitet?

Schon oft, könnte er sich jetzt einreden.Doch hatte er das je wirklich getan?

In diesem Moment war er sich dessennicht mehr sicher. Er wußte nicht einmalmehr, was er fühlen sollte. Er fühlte sich nurnoch leer.

Perry Rhodan erschien heftig gestikulie-rend vor ihm, er schien irgendwas zu schrei-en, doch der Funk war endgültig dahin, undauch eine schriftliche Übermittlung warnicht mehr möglich. Er konnte froh sein, daßdie Notversorgungssysteme noch einwand-frei funktionierten - doch wie lange noch?Sein Aktivator half ihm, harte Torturen zuüberstehen, aber wenn er keine Luft mehrbekam oder von einem herabfallendenBrocken erschlagen wurde, war es genausomit ihm aus wie mit jedem anderen.

Bull machte die Mundbewegungen nach.»Seh... Seh... Schiff ...!« Er riß die Augenauf und erkannte Rhodans Erleichterung,daß er endlich zu verstehen schien.

»Perry, spinnst du? Wo soll denn jetzt einSchiff herkommen?« rief er.

Sein Freund antwortete, aber natürlichverstand er nichts. Ein Spruchband an seinenFormenergiehelm zu zaubern schien auchbei ihm nicht mehr zu funktionieren. Immer-hin hatte seine Ortung etwas angezeigt -aber das konnte nicht sein. Oder?

Perry Rhodan lief halb, halb flog er, zu-rück zum Landefeld, wo die rauchenden undbrennenden Trümmer der abgestürztenDRYTORN lagen. Die anderen folgten ihm.

Und tatsächlich, da war ein Schatten, dernicht zu den herumwirbelnden Teilen derStürme gehörte, der sich zudem langsamnach unten senkte.

Bull konnte an den Gesichtern seiner Ge-fährten erkennen, daß sie kaum glaubenkonnten, was da geschah. Der Schatten sahkeilförmig aus. Und er landete jetzt auf demFeld, kurzzeitig deutlich erkennbar im auf-

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flackernden Sonnenlicht, bevor es sich wie-der verfinsterte: die GLIMMER!

12.Start

Die Yacht des Bebenforschers stand, um-geben von einem Schutzschirm und seltsamunbeeinflußt von dem Chaos um sie herum,auf dem Landefeld. Die Schiffbrüchigen nä-herten sich ihr und versuchten dabei unent-wegt, sich Eismer Störmengord bemerkbarzu machen. Es gelang ihnen nicht.

Welche Motive den Bebenforscher hier-her, ins Zentrum des Kesselbebens, geführthaben mochten, blieb Reginald Bull ein Rät-sel. Es interessierte ihn allerdings momentankaum.

Aber es machte ihn fast verrückt, daß wie-der einmal die Chance greifbar nahe vor ih-nen lag, und sie konnten sie dennoch nichtpacken! Es war offenbar unmöglich, denSchutzschirm zu überwinden, und sie konn-ten sich ebensowenig dem Piloten im Inne-ren bemerkbar machen.

Der Sturm nahm weiter an Intensität zu,und sie würden sich nicht mehr lange hierhalten können. Es gab nur noch zwei Mög-lichkeiten: Entweder regte sich in den näch-sten Minuten bei dem Schiff etwas, oder siemußten sich irgendwo auf diesem Höllen-planeten einen Schutz suchen.

Perry Rhodan gab seine Bemühungennicht auf.

Seine Gefährten beobachteten ihn resi-gniert. Nicht einmal der Feigling TautmoAagenfelt versuchte, etwas Idiotisches anzu-stellen - zu fliehen oder ähnliches.

Der Sturm zerrte an ihnen, das flackerndeSonnenlicht verursachte Kopfschmerzen.Und dann fiel der Schutzschirm zusammen.

Perry Rhodan nahm sich nicht die Zeitzum Staunen, sondern flog sofort zurSchleuse und machte sich mit den Einrich-tungen seines Anzugs daran zu schaffen.

Es gelang ihm, das Schott zu öffnen, undkurz darauf fanden sich alle im Inneren derGLIMMER wieder.

In einem Raumschiff!Es dauerte nicht lange, bis sie den Weg

zur Zentrale gefunden hatten, und dort warauch Eismer Störmengord. Bewußtlos.

Perry Rhodan prüfte die Umgebung undschaltete schließlich den Formenergiehelmab. Nach einem kurzen Zögern taten es ihmseine Gefährten gleich.

»Was ... was für eine Stille«, flüsterteMondra. »Ich kann es kaum glauben ...«

Rhodan hatte Moo aktiviert, der sich alseinigermaßen fit erwies, und studierte mitihm zusammen die Kontrollen.

Die anderen warteten geduldig. Die bei-den Swoons versuchten, den Bebenforscherzu sich zu bringen, jedoch ohne Erfolg.

»Tja, sieht ganz so aus, als hätte Eismerdas alles absichtlich arrangiert«, sagte Rho-dan schließlich.

»Wie bitte?« entfuhr es Bull.Rhodan nickte. »Die Anlagen sind in Ord-

nung, der Schutzschirm ist nicht einfach zu-sammengebrochen, sondern desaktiviertworden - wie übrigens alles andere in die-sem Schiff, abgesehen von der Lebenserhal-tung natürlich.«

»Das würde ja bedeuten, daß Eismer garnicht mehr starten wollte«, vermutete Ska.»Er hat einfach wie die Setchenen alles ab-geschaltet in der Hoffnung, daß das Kessel-beben spätestens nach zwanzig Jahren vor-bei ist.«

»Und eine fünfdimensionale Schockfronthat ihm wohl das Bewußtsein geraubt, wäh-rend er mit den Anlagen noch beschäftigtwar, vielleicht durch einen Überschlag«,spekulierte Goriph.

»Aber warum?« fragte Mondra verständ-nislos.

»Was spielt das für eine Rolle?« dröhnteKreyn. »Jetzt haben wir doch endlich, waswir die ganze Zeit wollten: ein Schiff! Also,machen wir, daß wir wegkommen!«

Perry Rhodan zögerte. »Das bringt unswieder in eine Zwickmühle. Das Schiff ge-hört uns nicht, und wenn wir starten - kön-nen wir keine Setchenen mehr mitnehmen.Was wir tun, ist schien schlimm genug.«

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»Aha«, sagte Kreyn grimmig. »Dann war-ten wir bis zum Ende der Bebenhaft? Oderbis der Winzling erwacht und uns raus-wirft?«

»Er hat recht, Perry«, mischte sich Bullein. »Eismer wird uns hinauswerfen, und daswerde ich nicht zulassen. Wir werden diesesSchiff nehmen, und zwar auf der Stelle, undvon hier abhauen. Eismer kann uns dann im-mer noch vor ein Gericht zerren. Sicher istes unrecht, was wir da tun, aber das ist mirjetzt vollkommen egal.«

»Auch ich bin dieser Ansicht«, stimmteihm Ska zu. »Wir schaden Eismer damitnicht, denn er kann hierher zurückkehren,nachdem er uns in Sicherheit abgesetzt hat.Das wäre vielleicht sogar besser, wenn dieschlimmsten Stürme vorbei sind.«

»Wir tun's«, bestimmte Perry Rhodankurz und bündig. »Moo wird uns dabei hel-fen. Wir werden unsere Pikosyns zur Kom-munikation brauchen. Das ist jetzt unsere al-lerletzte Chance, und ich will nicht über einVersagen nachdenken, das sage ich euch.«

*

Das Rechnersystem der GLIMMER wehr-te sich eine Zeitlang gegen die Aktivierungihrer Anlagen, doch schließlich gelang es.Dann ließ Perry Rhodan seinen Galornen-Ro-boter losfliegen, dieser setzte sich auf einerKonsole ab und kommunizierte direkt mitdem System, das anscheinend auf demGrundprinzip einer Positronik aufbaute.

Dann war die Reihe an Ska Kijathe, diewieder einmal ihr fast unheimliches Talentim Umgang mit Computern unter Beweisstellte. Sie verstärkte die Verbindung, erar-beitete sich die Grundzüge der Positronikund fand sich nach kurzer Einarbeitung mitfast traumwandlerischer Sicherheit durch dieSysteme.

Die beiden Swoons standen ihr mit me-chanischen Hilfen zur Seite und gaben ihrwertvolle Hinweise - so daß es tatsächlich soaussah, als könnten sie starten. Die GLIM-MER durchlief ein heftiger Schauer, und un-

ter starkem Rütteln, mit permanenten ener-getischen Aussetzern, gelang ein Katastro-phenstart.

Jeden Moment konnten sie wieder abstür-zen.

Doch die GLIMMER war ein ausgezeich-netes Schiff, sie versagte nicht. Sie stöhnteund ächzte wie unter heftigen Schmerzen,und das Schütteln schlug allmählich auf denMagen, doch sie behielt Kurs und stiegdurch immer höhere Atmosphäreschichtenauf.

Diese Minuten waren die schlimmstenseit der Vernichtung der KAURRANG; zu-mindest kam es den Galaktikern so vor. Siehatten tödliche Furcht . und gleichzeitig wil-de Hoffnung, es zu schaffen.

Die GLIMMER jammerte und jaulte,doch sie wurde gezwungen, die Geschwin-digkeit noch zu erhöhen. Um sie herum tob-te weiterhin ein energetisches Chaos; es wartatsächlich ein Wunder, daß die Systemeüberhaupt noch arbeiteten. Der Absturz derRakete war nunmehr erklärlich, mit ihrerrückständigen Technik hatte nicht die ge-ringste Chance bestanden.

Unter Ausnutzung der letzten Reservenerreichte die GLIMMER schließlich Ein-tauchgeschwindigkeit und wechselte in denLinearraum. Auf den Schirmen zeichnetensich die üblichen Farbenspiele ab, der Bord-computer meldete verwirrende Werte, aberdas Schiff blieb im Zwischenraum.

Aber hier hörten die Phänomene nichtauf, sondern es ging eine ganze Weile wei-ter, bis das Schiff endlich eine ruhigere Zoneerreichte.

Perry Rhodan gab sofort Anweisung, dieÜberlichtetappe zu beenden. Sie fanden sichkurz darauf im Normalraum wieder, knappvier Lichtjahre vom Quar-System entfernt.Auch hier herrschte das Kesselbeben, dochseine Auswirkungen waren bedeutend gerin-ger und konnten fast vernachlässigt werden.

Jetzt erst, außerhalb des Zentrums der Ge-fahrenzone, erlangte Eismer Störmengorddas Bewußtsein wieder.

Übergangslos kam er zu sich, und er

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brauchte nur zehn Sekunden, um sich zu ori-entieren. Dann fing er an zu toben.

»Seid ihr verrückt geworden?« schrie ermit sich überschlagender Stimme im Voka-bulon. »Was habt ihr nur getan! Jetzt habtihr verdammten Fremdlinge alles verdor-ben!«

13.Finale

Eismer Störmengord aktivierte ein großes,prächtiges Holo, auf dem die 34 Planetenund die Sonne des Quar-Systems gut zu er-kennen waren. Die Ortergeräte lieferten anden Seiten dazu jede Menge Werte, die fürRhodan nicht entzifferbar waren.

Parallel dazu hatte der Bebenforscher sei-ne Systeme überprüft, die Ortung auf dasQuar-System gerichtet und das Holoramaaktiviert. Wenn es nicht so dramatische Ur-sachen gegeben hätte, wäre der Anblick desQuar-Systems farbenprächtig und faszinie-rend gewesen.

So aber zog es Reginald Bull den Magenzusammen, als er sah, welcher Hölle sie ge-rade noch entkommen waren. Er dachte anTebb Celestain, die beeindruckende Setche-ne, an Kobb Taphirtel, die durch ihre Gierden Tod gefunden hatte. An die vielen Mil-lionen, die dort das furchtbare Kesselbebenertragen mußten.

»Jetzt ist es zu spät, ich habe keine Mög-lichkeit mehr, die GLIMMER noch einmalunversehrt zu landen, das ist nunmehr allesgenau berechnet«, beklagte sich EismerStörmengord lautstark. »Wie soll ich denn

jetzt noch ...«Reginald Bull schloß auf einmal die Au-

gen, und er hörte Mondra und Ska aufstöh-nen.

Die Quar-Sonne blähte sich plötzlich zueinem blauen Riesen auf, und gleichzeitigvergingen alle bewohnten und einige unbe-wohnte Planeten des Systems in einem grel-len weißen Blitz.

Lautlos, sekundenschnell.Vom Volk der Setchenen existierten jetzt

nur noch maximal vier Millionen - und die-ser Rest befand sich auf der Reise ins Unge-wisse.

Perry Rhodan war so erschüttert, daß erkein Wort hervorbrachte. Sein Gesicht waraschgrau geworden, die Wangen wirkteneingefallen.

Seine Gefährten waren ebenfalls leichen-blaß, selbst der hartgesottene Ertruser Poul-ton Kreyn. Dann erklang wieder die Stimmedes Bebenforschers.

»Das ... das hatte ich wirklich nicht erwar-tet«, stotterte er. »Alles hatte auf eine Be-benhaft hingewiesen ... Ihr habt mir tatsäch-lich das Leben gerettet...«

Nach dem Untergang des Quar-Systemsmuß sich Perry Rhodan erst einmal neu ori-entieren. Mit seinen Begleitern ist er in einerfremden Galaxis gestrandet, ohne technischeMittel und ohne jegliche Möglichkeit, in ab-sehbarer Zeit die heimatliche Milchstraße zuerreichen oder die SOL zu erobern.

E N D E

Im PERRY RHODAN-Roman der nächsten Woche blendet die Handlung erst einmal um.Icho Tolot, der riesenhafte Haluter, und Gucky, der kleine Mausbiber, finden sich ebenfalls mfremder Umgebung wieder; auch sie sind in einer fremden Galaxis.

Arndt Ellmer schildert die Abenteuer des ungewöhnlichen Duos. Sein Roman trägt den Ti-tel:

DIE CHRONAUTEN

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