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Beitrage zur Chemie des Schwefels. 46l) Zur Kenntnis des fliissigen Schwefels (Temperaturabhangigkeit der spezifischen Warme) Von F. FEHER und E. HELL WIG^) &lit 3 Abbildungen Inhaltsubersicht Die spezifische Warme cp des fliissigen Schwefels wurde im Bereich von 120-440' C Die Temperaturfunktion der spezifischen Warme zeigt von 120-150" C einen nor- malen Verlauf, dann einen Anstieg, der in dem engen Bereich von 157' C bis zum Maximum bei 161' C auBerordentlich steii verlauft. Bis etwa 200' C erfolgt sodann ein Abfall, bei den1 jedoch nicht die niedrigen Wcrte des ersten Temperaturbereichs erreicht werden. AnschlieBend steigt die Kurve erneut bis zum Sicdepunkt. Die Ergebnisse werden vorlaufig qualitativ diskutiert und niit den derzeitigen An- in einem speziell zu diesem Zweck entwickelten Calorimeter gemessen. schauungen iiber die Vorgange im fliissigen Schwefel verglichen. Die molekularen Zustande und Vorgange in einer Schwefelschmelze sind trotz zahlreicher Untersuchungen his heute nicht restlos geklart. Alle beobachteten Phanomene, wie z. B. das Auftreten von Extrem- wert,en in den Temperaturfunktionen der Viskositat, der Dichte und der spezifischen Warme, lassen keinen Zweifel dariiber, daI3 im flussigen Schwefel temperaturabhangige Urnwandlungen vor sich gehen. Als geeignete Methode, diese Vorgange zu untersuchen, erscheint die genaue experimentelle Bestimmung der Funktion cr, zrn a(=) in den] interessieren den Tern peratuqbereich. S trukturelle Urnwandlungen oder chemische Reaktionen in dem untersuchten System machen sich in Unstetigkeitsstellen oder in Extremwerten dieser Funktion bemerkbar. LEWIS und RAND ALL^) haben als erste versucht, durch Messung der spezifischen Warme des flussigen Schwefels die Reaktionswarme bei der Umwandlung von ,,loslichem" 1 aH 1) 45. Mitteilung, F. F E H ~ R u. E. HELLWIG, Z. anorg. allg. Chem. 294, 63 (1958). 2) E. HELLWIG, Dissertation Koln 1956. 2) G. N. LEWIS u. M. RANDALL, J. Amer. cheni. SOC. 33, 476 (1911).

Beiträge zur Chemie des Schwefels. 46. Zur Kenntnis des flüssigen Schwefels. (Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärme)

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Page 1: Beiträge zur Chemie des Schwefels. 46. Zur Kenntnis des flüssigen Schwefels. (Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärme)

Beitrage zur Chemie des Schwefels. 46l)

Z u r Kenntnis des fliissigen Schwefels (Temperaturabhangigkeit der spezifischen Warme)

Von F. FEHER und E. HELL WIG^)

&lit 3 Abbildungen

Inhaltsubersicht Die spezifische Warme cp des fliissigen Schwefels wurde im Bereich von 120-440' C

Die Temperaturfunktion der spezifischen Warme zeigt von 120-150" C einen nor- malen Verlauf, dann einen Anstieg, der in dem engen Bereich von 157' C bis zum Maximum bei 161' C auBerordentlich steii verlauft. Bis etwa 200' C erfolgt sodann ein Abfall, bei den1 jedoch nicht die niedrigen Wcrte des ersten Temperaturbereichs erreicht werden. AnschlieBend steigt die Kurve erneut bis zum Sicdepunkt.

Die Ergebnisse werden vorlaufig qualitativ diskutiert und niit den derzeitigen An-

in einem speziell zu diesem Zweck entwickelten Calorimeter gemessen.

schauungen iiber die Vorgange im fliissigen Schwefel verglichen.

Die molekularen Zustande und Vorgange in einer Schwefelschmelze sind trotz zahlreicher Untersuchungen his heute nicht restlos geklart. Alle beobachteten Phanomene, wie z. B. das Auftreten von Extrem- wert,en in den Temperaturfunktionen der Viskositat, der Dichte und der spezifischen Warme, lassen keinen Zweifel dariiber, daI3 im flussigen Schwefel temperaturabhangige Urnwandlungen vor sich gehen.

Als geeignete Methode, diese Vorgange zu untersuchen, erscheint die genaue experimentelle Bestimmung der Funktion cr, zrn a(=) in den] in teressieren den Tern peratuqbereich. S trukturelle Urnwandlungen oder chemische Reaktionen in dem untersuchten System machen sich in Unstetigkeitsstellen oder in Extremwerten dieser Funktion bemerkbar.

LEWIS und RAND ALL^) haben als erste versucht, durch Messung der spezifischen Warme des flussigen Schwefels die Reaktionswarme bei der Umwandlung von ,,loslichem"

1 aH

1) 45. Mitteilung, F. F E H ~ R u. E. HELLWIG, Z. anorg. allg. Chem. 294, 63 (1958). 2 ) E. HELLWIG, Dissertation Koln 1956. 2) G. N. LEWIS u. M. RANDALL, J. Amer. cheni. SOC. 33, 476 (1911).

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72 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 294. 1958

in ,,unloslichen" Schwefel zu bestinmien*). Sie maBen bei v, enigen, relativ welt aus- einanderliegenden Temperaturen die Warmemengen, die in Glaspatronen eingeschmolzene Schwcfelproben an ein kaltes Calorimeter abgaben, und berechneten hieraus die Tem- peraturabhangigkeit von cp. Es zeigte sich jedoch, daB es unmoglich ist, beim Abschrethen der Proben einen definierten Endsustand zu erreichen. Hierdurch wurden die Differenzen der Warmekapazitaten, aus denen cp berechnet wurde, sehr unsicher. Die erzielten Er- gebnisse konnten deswegen nur vorlaufigen Charakter haben.

Es erschien uns deshalb angebracht, eine sorgfaltige Xeubestimmung von cy zu versuchen. Das bekannte eigenartige Verhalteii des fliisaigeii Schwefels veranlagte uns dabei zu einer speziellen MeBmethode. 8ie ergab sich durch folgende Anforderungen :

1. Die Methode soll fur den groBen Temperaturbereich von 120 his 440" C geeignet sein.

2. Es soll die einzelne Messung mit einer moglichst kleinen Tem- peraturanderung erfolgen konnen, damit in moglichst guter Annaherung die wahre und nicht die iiber einen Temperaturbereich gemittelte spezi- fische Warme gemessen wird. Allein dadurch koniien etwaige Umwand- lungsgebiete, in denen innerhalb weniger Grade die Funktion sich sprunghaft andert, hinreichend genau erfaBt werden.

3. Die Substanz soll im Verlaufe einer Mebreihe keinen schnellen in einer Richtung fortschreitenden Temperaturiinderungen ausgesetzt werden, damit die Messung stets bei chemischem Gleichgewicht erfolgt.

4. Die Substanz kann nicht geriihrt werden, da infolge des weiten Viskositatsbereichs des fliissigen Schwefels (0,07 bis 940 Poise) eine gleichmaBige Ruhrung und eine Berucksichtigung der Riihrwarme un- moglich erscheinen.

5. Die MeBanordnung muB auch bei hohen Temperaturen eine Ver- unreinigung (auch dureh die umgebende Lnft) der Substanz sicher ver- hindern.

4) Friihere Bestiinmungen der spezifischen Warme drs fliissigen Schwefelq durch PERSON^) 1846, CLASS EN^) 1891 und D u s s ~ ? ) 1896 tragen problematischeren Charaliter und konnen auBer Betracht bleiben. Auch die Ergebnisse von MONDAIN-MONVAL~), die mit Hilfe von AbkuNungskurven erhalten wurden, erscheinen zweifel haft und etimmen qualitativ und quantitativ nicht mit denen von LEWIS und RAWALL iiberein ; insbesondere fand er mehrere ,,UmwandIungspunkte".

6 ) C. C. PERSON, Ann. chim. Physique 27, 252 (1849). 6, J. CLASSEN, 2. Instrumentenkunde 11, 301 (1891). ') J. D u s s ~ , C. R. hebd. SBances Acad. Sci. 123, 305 (1896). s, M. P. MONDAIN-MONVAL, Bull. SOC. chim. France 89, 1349 (1926); M. P. Mos-

DAIN-MONVAL u. P. SCHNEIDER, Bull. SOC. chim. France 40, 1302 (1928).

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F. FEHER u. E. HELLWIG, Zur Kenntnis des fliissigcn Schwefels 53

Kurz vor AbschluR unserer Messungen veroffentlichten BRAUNE und M ~ L L E R ~ ) und anschlieRend W. OELSEN und 0. OELSEN~O) die Ergebnisse ihrer Neubestimmung der spezifischen Warme des flussigen Schwefels. Auf die damit aufgeworfenen Probleme kommen wir am Ende dieser Arbeit noch zuriick.

Experimentelles Zur Messung der spezifischen Warme haben wir eine Apparatur entwickelt, die den

oben angefiihrten Anforderungen genugt. Sie entspricht im wesentlichen der Anordnung, mit der wir schon die Dichte- und Ausdehnungsmessungen (siehe 45. Mitteilungl) a u s gefiihrt haben. Wahrend wir den Thermostaten der Dichtemessung vollstandig iibernahmen, wurden im inneren Teil folgende Bnde- rungen vorgenommen (s. Abb. 1): Das Thermoelement im Rohr A wurde entfernt und durch einen Heizdraht H aus Konstantan (54,36% Cu; 44,86% Ni; 0,38% Mn; 2,52Q/m) ersetzt. Zwischen Substanzrohr B und AuRenrohr C wurden, in der Mitte dieser Rohre, zwei hintereinandergeschaltete Thermoelemente G (Cu/Kon- stantan) so angebracht, daB die Lotstellen 1 und 3 auf die AuRen- flache des Substanzrohres, die Lotstellen 2 und 4 auf die Innenflache des AuBenrohres zu liegen kamen, wobei die von den Lotstellen wegfuhrenden Drahte zunaohst kreisformig an den entsprechenden Flachen entlang, dann zu den Enden des jeweiligen Rohres und erst dort zum anderen Rohr hinubergefuhrt wurden. Diese Draht- fuhrung bezweckt neben einer VergroBerung der Thermospannung durch die Hintereinanderschaltung von 2 Elementen die Mittelung der Temperatur langs des Rohrumfangs und die weitgehendc Ver- hinderung eines Warmeubergangs vom Substanzrohr zum AuRen- rohr infolge der guten Warmeleitfiihigkeit der Metalldrahte.

Ein spannungsempfindliches Spiegelgalvanorneter, das an die nach au Ben fiihrenden Drahte dieser Thermoelementanordnung an- geschlossen ist, zeigt somit die Temperaturdifferenz zwischen Sub- stanzrohr und AuRenrohr an. Solange sich die ganze Apparatur im Warmegleichgewicht befindet, ist diese Temperaturdifferenz Null. (In der Praxis verblieb meist eine Temperaturdifferenz von einigen Milligrad.) Wird nun dem System durch den Konstantan- draht im Rohr A eine gemessene Energiemenge zugefuhrt, so wird hierdureh das Substanzrohr mit dem eingefullten Schwefel S er- marnit, wahrend die Temperatur des Au Renrohres zunachst un- verandert bleibt. Das Spiegelgalvanometer zeigt dann also einen

,....

-A -B

-H -S

=IS =6

-c

Abb. 1. Calorimeter

(mittlerer Teil)

Ausschlag, deasen GroRe auBer vom Wasserwert des Calorimeters von der spezifischen Warme der ein- gefiillten Substanz abhangt.

Die dem Calorimeter iiber den Konstantanheizdraht durch einen Gleichstrom von 1-2 A in 40-80 Sekunden zugefuhrte Energie betrug pro Versuch etwa 0,5-1,0 cal/cm Calorimeterlange. Sie wurde gemessen mit einem AgBF,-Coulometer nach v. WARTEN-

9, H. BRAUNE u. 0. MOLLER, Z. Naturforsch. 9a, 210 (1954). 10) W. OELSEN u. 0. OELSEN, Z. Elektrochern., Ber. Bunsenges. physik. Chem. 60,

157 (1956).

Page 4: Beiträge zur Chemie des Schwefels. 46. Zur Kenntnis des flüssigen Schwefels. (Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärme)

74 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 294. 1958

U E R G ~ ~ ) und einer Stoppuhr nach der Beziehuiig

Ag2. R 0,239 cal. t 1,118 E =

(Ag = Silbermenge in mg, R = Widerstand des Heizdrahtes pro cm (in Ohm), t = Heiz. zeit in Sekunden.)

Das Coulometer erwies sich in einer groiberen Anzahl von Eichversuchen als sehr zu- verlassiges MeBinstrument und hatte hochstens einen Fehler von 0,080/,. Die Stoppuhr wurde nach den Zeitzeichen der Hamburger Sternwarte kontrolliert und zeigte fur 3 Stun- den nur eine Abweichung von einigen Zehntelsekunden. Die Temperaturabhangigkcit des Heizdrahtwiderstandes war sehr klein und wurde unter Versuchsbedingungen, d. h. unter Belastung init einem Gleichstrorn von 1 his 2 A im ganzen Temperaturbereich

I

2 1000

0 I 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Minuhn

Abb. 2. Teniperaturgang Versuch III/18. Temperatur: 184,2" C, Warmemenge: 0,4820 cal/cni, ATkorr,: 0,1101" C, Visko-

sitat: 920 Poise

durch Vorversuche ermittelt. Die einwand- freie Beschaffenheit des Drahtes (Verzunde- rung!) wurde wahrend jeder Versuchsreihe gelegentlich durch Widerstandsmessung nachgepruft.

Die beobachteten Temperaturdiffe- renzen zwischen Substanzrohr und AuBen- rohr betrugen 0,OS bis 0,25 Grad. Das Spiegelgalvanometer hatte eine Empfindlich- keit von etwa 1,5 Teilstrichen pro Milligrad, so da13 1 Milligrad noch sicher gemessen werden konnte. An der beobachteten Tempe- raturdifferenz wurde eine Korrektur fur die unvermeidlichen Warmeverluste angebracht. Die Korrektur ergab sich aus dem zeitliclien Gang der Temperaturdifferenz mit Hilfe des NEwToNschen Abkiihlungsgesetzes auf graphischern Wege.

Als Beispiel zeigt Abb. 2 die graphische Darstellung eines Versuchsverlaufs. Zu- nachst wird die Schwefelprobe mit Hilfe des Thermostaten durch die schon beschriebene Art und Weise auf die Versuchstemperatur gebracht und in einer Vorperiode (A bis B)

kontrolliert, ob die Apparatur im Wiirrnegleichgewicht ist, was sich durch nur gering- fugige Anderung des Teniperaturunterschiedes zwischen Substanzrohr und AuBenrohr innerhalb einiger Minuten zu erkennen gibt. 1st dieses der Fall, so wird der Heizstroin eingeschaltet. Nach einer Latenzzeit von etwa 10 Sekunden beginnt die Temperatur zu steigen. Die Temperaturerhohung setzt sich aueh nach Ausschalten des Heizstromes (bei C) noch einige Zeit hindurch fort und erreicht, langsam schwacher werdend, ein Maximum (D). Danach wird die Teniperaturdifferenz langsani wieder geringer. Nachdem der Temperaturgang wieder gleichmafiig geworden ist, beginnt die Nachperiode (E bis F). -4us dem idealisierten Temperaturverlauf (A-G-H-F), den man durch Extrapolation

11) H. v. WARTENBERG u. H. SCHUTZA, Z. Elektrochem. angew. physik. Chem. 36, 254 (1930).

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F. FEHER u. E. HELLWIG, Zur Kenntnis des fliissigen Schwefels 75

der Kurvenstucke A-B und E-F sowie die Bedingung: Flache I = Flache I1 erhalt, ergibt sich der korrigierte Temperatursprung G-H'2).

Der Wasserwert des Calorimeters wurde unter den gleichen Bedingungen durch Biessung mit Diphenyl bestimmt. Hierzu wurden die Werte der spezifischen Warme von Diphenyl den Arbeiten von NEWTON, KAURA und DE VRIES13) und FORREST, BRUQMANN und CUMXINGS~*) entnommenI6).

fur jede Messung, wie eine einfache uberlegung zeigt, nach: Die Berechnung der spezifischen Warme des Schwefels ails den MeDdaten erfolgt

E - K cl, = ~

ma AT' init

E = pro cm Calorimeterlange zugefuhrte elektrische Energie (cal) 16), K = Wasserwert des Calorimeters pro crn Lange (cal), in -- Rfasse des Schwefels pro cm Substanzrohr (g),

in ergibt sich aus m = D - Q. niit D = Dichte des Schwefels (8. 45. Mitteilungl))

Q = Rohrquerschnitt (cma). AT = liorr. Temperaturdifferenz (Grad).

Der verwendete Schwefel war nach der Vorschrift von BACON und FANELLIl ' ) ge- reiriigt und, wie in der vorhergehenden Mitteilung beschrieben, charakterisiert.

Ergebnisse Die Auswertung der MelSdaten liefert cp. Die Berechnung von cv

ist moglich, wenn die Differenz

a2 * T k . D-

cp-cv=-

12) Zur theoretischen Begrundung des Verfahrens siehe z. B. W. WESTPHAL, Physi-

l3) R. F. NEWTOA, B. D. KAURA u. T. DE VRIES, Ind. Engng. Chem. 23, 35 (1931). 14) H. 0. FORREST, E. W. BRUGMANN u. L. W. T. CUMMINOS, Ind. Engng. Chem. 23,

37 (1931). Die Werte dieser beiden Arbeitsgruppen differieren bei hoheren Temperaturen

(> 200° C) bis zu 10%. Wir haben Mittelwerte verwendet. Der Wasserwert fur Tem- peraturen >350° wurde aus diesen Mittelwerten extrapoliert, da wir keine Eichsubstanzen fur diese hohen Ternperaturen zur Verfiigung hatten. - Die auf diese Art moglicherweise hereingetragenen Fehler sind in der Fehlerdiskussion beriicksichtigt (s. w. u.). Zur Zeit \-on uns durchgefiihrte Untersuchungen haben die Aufgabe, diese Fehlerquellen auszu- schalten.

16) Durch die Art der Versuchsanordnung wird erreicht, daB die Messung praktisch an einer diinnen Scheibe Schwefel in der Mitte des Substanzrohres, die gegen storende Einfliisse \-on den Rohrenden weitgehend geschiitzt ist, durchgefiihrt wird. Deshalb konnen die Daten z. B., wie hier geschehen, auf einen Schwefelzylinder von 1 cm Lange bezogen werden.

kalisches Praktikum, 2. Aufl. S. 118.

17) R. F. BACON u. R. FANELLI, Ind. Engng. Chem. 34, 1043 (1942).

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76 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 294. 1958

:l:i:f 1 0,0237 0,0 160 0,0060 I 0,0003 1 0,0010 1 0,0018 0,0025 0,0033 1 0,0039

0,0063 0,0083 0,0102

T

[Grad C)

260

300 320 340 360 380 400 420

(440)

280

120 130 140 150

155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165

170 175 180 190 200

rJ

cal g - Grad

0,234 0,236 0,239 0,246

0,259 0,262 0,268 0,284 0,40 0,70 0,81 0,70 0,670 0,645 0,630

0,569 0,538 0,515 0,499 0,495

c,.

g-Grad

0,198 0,201 0,205 0,215

0,231 0,235 0,244 0,268 0,40 0,70 0,81 0,70 0,667 0,642 0,626

0,563 0,530 0,505 0,486 0,479

~-~

Tabdle 1

cp - c,. / / T CD

Cal ; - Grad

0,495 0,497 0,503 0,510

0,525 0,540 0,556 0,5i4 0,595 0,616 0,637 0,659 0,683

(0,708)

_ _ -

c, crtl

; - Giad - . .

0,47i 0,4ik 0,/P? 0,488

0,500 0,513 0,527 0,643 0,563

cp - cv

3 L - 0,0178 0,0195 0,0810 0,0223

0,0248 0.0 2 io 0.0289 0,0306 0.0321

- ~~

berechnet werden kann. AuBer der absoluten Temperatur T sind hierzu der kubische Warmeausdehnungskoeffizient a, die Dichte D, sowie die isotherme Kompressibilitat k erforderlich. Diese GroBen haben wir saint-

qo 3@ 4ql "C 'OD@ m/y-lGrad-! mlg-lGrafl-l " -wo -080 -OM

-450- QW -w

---

QOO

Ahb. 3. Spezifische Wariiie bei konstaiitein Druck

m 300 wa O c

SpeziOde Warne beiknskmtem D r u ~ SpeziOde Warne beiknskmtem D r u ~ Ahb. 3. Spezifische Wariiie bei konstaiitein Druck

lich bestimmt (siehe vor- hergehende Mitteilungj. li allerdings nur bis 340' C, so da13 die Berechnung von c, nur bis zu dieser Temperatur rnoglich ist. Die Ergebnisse sind in Tab. 1 zusammengestellt. Abb. 3 zeigt eine gra- phische Darstellung des Verlaufs von cp mit der Temperatur.

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F. FEHER u. E. HELLWIG, Zur Kenntnis des flussigen Schwefels 7 7

Die mitgeteilten Werte sind durch graphische Interpolation aus insqesamt 243 Einzelmessungen erhalten worden Is). Die Fehlerrechnung la)

ergibt fur den Bereich bis 250" C eine Unsicherheit von etwa 1 %, bis 350 O C von 2 %, uber 350 " C wegen der durchgefuhrten Extrapolation des Wasserwertes K bis zu etwa 7% (vgl. hierzu FuBnote16)).

Diskussion Die durch unsere Messung erhaltene c,(T)-Kurve hat einen fur

Fliissigkeiten ungewohnlichen Verlauf. Hieraus mu13 gefolgert werden, da13 im fliissigen Schwefel bei Steigerung der Temperatur wesentliche hderungen der Molekularstruktur erfolgen. Diese Erkenntnis ist nicht neu, sie wurde bereits aus den zahlreichen anderen Anomalien des fliis- sigen Schwefels gewonnen. Jedoch ergibt sich nunmehr die Moglichkeit zu untersuuhen, ob unsere c,-Werte mit den Anschauungen in Einklang stehen, die in der Literatur uber den Aufbau des fliissigen Schwefels vertreten werden.

Der Bereich unter 150°C bietet kaurn AnlaB zur Diskussion. Die c,,-Werte selbst sowie ihr Temperaturkoeffizient entsprechen denen anderer Flussigkeiten.

Im Einklang hiermit beginnt das anomale Verhalten des fliissigen Schwefels erst kurz unterhalb 160" C und zwar nach Ansicht von BACON und FANELLI~'), POWELL und E Y R I N G ~ ~ ) und auch von GEE und Mit- arheitern20) 21) 22) damit, daB die S,-Ringmalekeln aufbrechen und S,- Biradikalketten (S:) bilden, nach dem Schema:

s, --f s:. (4 Diese Reaktion ist mit Sicherheit stark endotherm, da bei dem Vorgang eine S-. S-Bind ung gelost wird 23) 24).

Danach ist der bei etwa 150" C beginnende, zwischen 157 und 161" C aukrordentlich steile Anstieg der Kurve qualitativ verstandlich. Noch

Naheres siehe Dissertation (FuBnote 3)).

R. E. POWELL u. H. EYRING, J. Amer. chem. SOC. 65, 648 (1943). G. GEE, Trans. Faraday SOC. 48, 515 (1952). F. FAIRBROTHER, G. GEE, G. T. MERRALL, J. Polymer Sci. 16, 459 (1955). G. GEE, Sci. Progr. 43, 193 (1955). Die Warmetonung der Reaktion (A) ist problernatisch. Hier sei nur darauf hin-

gewiesen, da B bei dem dabei aufzuwerfenden Fragekomplex auBer der absoluten GroBe der Energie der S-S-Bindung Resonanzenergien im &-Ring und in der Si-Biradikalkette beriicksichtigt werden mussen (vgl. dam POWELL und E Y R I N C ~ ~ ) , GEE u. Mitarb.20)*1)22) und andere).

z*) Der angenommene Vorgang ist stark schematisiert. Eine quantitative Diskussion hat daneben auch andere Vorgiinge, wie die Bildung anderer Molekelgroflen sowie even- tuelle Phasenneubildungen und Losungswarmen zu berucksichtigen.

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78 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 294. 1958

nicht geklart ist damit jedoch, warum die spezifische Warme bei 160" C sofort wieder stark abfallt, obwohl die Umwandlung weiter fortschreitet, wie aus anderen Beobachtungen hervorgeht. Hierbei wirkt sich, wie auch die friiheren Autoren schon annahmen, die positive Warmetonung der Folge-Reaktion

11 s,* -+ S&, (B)

also der Polymerisation der SE-Biradikale zu Iangeren Radikalltetten aus. Der gesamte Verlauf der c,-Kurve im Bereich von 150 bis 200°C laBt sich dann summarisch etwa folgendermafien deuten :

Im Anfang dieses Bereichs ist die Konzentration an Sz klein, die St-Ketten sind vollstandig von S,-Ringmolekeln umhiillt, ihre Weiter- reaktion miteinander zu langeren Ketten ist statistisch unwahrschein- lich und geschieht nur in geringem Umfange. Erst wenn mit steigender Temperatur die Konzentration an S i geniigend zugenommen hat, wirIit, sich die Polymerisationsreaktion (B) in zunehmendem MaBe starker auf den Gesamtwarmeinhalt aus. Sie liefert in zunehmendem Mal3e die Reaktionswarme, die fur das Weiterbestehen der Reaktion (A) erforder- lich ist, und als Folge davon sinkt die pro Grad Temperaturerhohung erforderliche Warmemenge ab. Das Maximum der spezifischen Warme (bei 161°C) bezeichnet also etwa den Punkt, an dein das AusmaB der exothermen Polymerisationsreaktion (B) mit dem der endothermen Ringspaltung (A) vergleichbar wird.

Diese Vorstellung ist unseres Erachtens in vollstandiger Uberein- st,immung mit dem Viskositatsverhalten des flussigen Schwefels. Bei 161"C, wo die spezifische Warme ihr Maximum hat, ist die Schmelze noch relativ diinnflussig (7 = 1 Poise), Kettenlange und Konzentration der Kettenmolekeln sind noch gering, aber gegenuber dem Wert am Vislsositatsininimum (157" C, 7 = 0,07 Poise) schon deutlich ange- stiegen, als Anzeichen dafur, daB die Reaktion (B) schon in Gang ge- kommen ist. Das Gebiet des starksten Viskositatsanstiegs, und damit das Gebiet in dem die Reaktion (B) immer mehr uberwiegt, liegt jedoch erst bei etwa 173°C.

Die hohen Werte von cp oberhalb 200°C sind zunachst ebenfalls schwer verstandlich. Sie liegen wesentlich hoher, als eine ,,normale" Extrapolation der c,-Temperaturfunktion des Bereiches unter 150 " C erwarten liefie. Auch hierfur la& sich eine summarische Erklarung finden, durch die auch das Viskositatsverhalten des Schwefels in diesem Bereich gedeutet w i d und die in qualitativer Ubereinstirnmung steht mit den Ansichten der erwahnten friiheren Autoren. Der exothermen

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F. F E H ~ R u. E. HELLWIG, Zur Kenntnis des flussigen Schwefels 79

Polymerisationsreaktion (B) iiberlagert sich mit zunehmender Tem- peratur eine endotherme Spaltungsreaktion :

s:* --f s; + s;. (C)

Legt man diese Vorstellung ~ u g r u n d e ~ ~ ) , so kann man versuchen, aus der zusatzlichen Energiemenge, die von dem System iiber eine ,,nor- male" spezifische Warme hinaus aufgenommen wird, die Anzah! der Bindungen abzuschatzen, die bis zum Siedepunkt gelost werden. Wir werden darauf in einer folgenden Veroffentlichung naher eingehen.

Ein weit,erer Faktor, der zu den hohen c,-Werten dieses Bereiches beitragen diirfte, ist die Tatsache, daB hier im Vergleich zu dem Ge- biet <150° C die Konzentration an Kettenmolekeln gegeniiber den Ringmolekeln stark erhoht ist und im allgemeinen kettenformige Ver- bindungen eine merklich hohere spezifische Warme aufweisen als ent- sprechende ringformige Verbindungen zs).

Wir mochten darauf hinweisen, dal3 obige Diskussion nur als quali- tative Deutung der experimentellen Ergebnisse und als Vergleich mit den Anschauungen anderer Autoren gedacht ist. Eine ausfiihrliche und quantitative Diskussion des Problems beabsichtigen wir in einer spat.eren Arbeit durch z ufiihren.

Kurz vor AbschluB unserer Messungen veroffentlichten, wie erwahnt, BRAUNE und M ~ L L E R ~ ) , sowie anschlieBend OELSEN und 0. OELSEN~") ebenfalls eine Neubestimmung der spezifischen Warme drs flussigen Schwefels. Oberhalb 150" C stehen die von BRAUNE und MOLLER mitgeteilten cp-Werte in starlteni Gegensatz zu den Ergebnissen unserer Messungen.

Die Abwcichungcn sind vornehmlich zweierlei Art: 1. Findeii wir ein wesentlich hoheres Maximum der spcaifischen Warme (0,5l s ta t t

O,35) am Beginn des Umwandlungsgebietes und 2. sinken unsere Werte bei hoheren Temperaturen nicht wieder so tief ab, wie dies

BRAUNE und M ~ L L E R gefunden haben (2. B. bei 200" C: 0,495 statt 0,29; bei 400" C: 0,659 stztt 0,29).

25) AuBer in dem Viskositatsverhalten des Schwefels kann man auch in dem durchaus ,,normalen" Wert (21,5 Cl/Gr.-Atom) der Verdampfungsentropie des Schwefels am Siede- punkt einen Hinweis auf das Vorliegen von Spaltreaktionen dcr Art (C) erblicken: Schwe- feldampf besteht in der Nahe des Siedepunktes aus Molekeln hochstens der GroBe S,zs)27). Wenn dieKrackreaktion nicht stattfando, miiBte der Abbau der Molelreln beimverdampien vor sich gehen und die Verdampfungswarrne enthielte, iiber ihren normalen Wert hinaus, einen Energiebetrag, der den Warmebedarf der Krackreaktion (C) deckt. Dies ist aber offenbar nicht der Fall.

26) G. PREUNER u. W. SCHUPP, Z. physik. Chem. 68, 129 (1910). 2') H. BRAUNE u. Mitarb., Z. Naturforsch. 6a, 32 (1951); 78 , 356 (1952). 28) So betragt bei Zimmertemperatur z. B. die spezifische Warme des Cyclohexans

0,42, die des n-Hexans 0,54 cal/g - Grad. Die Kettenlange scheint bei Kohlenwasserstoffen keinen erheblichen EinfluB auf die spezifische Warme zu haben.

Page 10: Beiträge zur Chemie des Schwefels. 46. Zur Kenntnis des flüssigen Schwefels. (Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärme)

80 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 294. 1958

Um diese Abweichungen aufzukldren, haben wir zahlreiche Versuche gemacht, unt unsere experimentelle Technik zu iiberprufen. Im Rahmen unserer Versuchsbedingungen lionnten wir dabei folgendes feststellen : Unsere cp-Werte waren unabhangig von den bei den Einzelmessungen zugefuhrten Warmemengen (also auch von der erzeugten Tem- peraturerhohung). Ferncr erwiesen sich die Werte als unabhangig yon der Zeit, innerhalh derer die Warme zugefuhrt wurde. Die Viskositat der Schmelze hat ebenfalls Iceinen EinfluB auf die MeBwerte; auch liegt das Gebiet, in dem wir am stBrksten voii BRAUNE abweichen, nicht im Bereich des Viskositatsmaximums, sondern bei niederen untl hiiheren Temperaturen. Wenn man ferner berucksichtigt, daB wir das Gebiet uni 161" Punkt fur Punkt abtasten konnten (zwischen 155 und 165" C liegen 46 MeBpunkte) uncl cler Substanz zwischen den Einzelmessungen stundenlang Zeit lieBen, um das der Tem- peratur entsprechende Gleichgewicht zu erreichen 9, und daB wir schlieBlich nur sorg- faltig nach BACON uiid F A N E L L I ~ ~ ) gereinigten Schwefel untersuchten30), so haben wir iiisgesaint zunaclist keine 1-eranlassung zu der Annahme, daB unsere MeBwerte durch systematische Fehler entstellt Bind.

Der Dcutschcn Forscliungsgemeinschaft und dem Verband der Chemischen Indu- strie (,,Fonds der Chcmie") sind wir fur die Unterstutzung dieser Arbeit sehr zu Dank vcrpflichtet.

2s) Wir machten irn allgcineincn nicht mehr als 2 Messungen pro Tag; in den Zwi- schenzeiten behielt die Substanz die jeweilige Mefitemperatur.

30) Wir fuhrten auch Messungen an ,,ungercinigtem" Schwefel durch und erhielten iwben einem kleineren Maxinium auch niedere cp-Werte im Bereich >200° C, jedoch in beiden Fallen noch wesentlich hohere Werte als BRAUNE und MOLLER. Naheres hierzu siehe Dissertation 2). Zusatzliche systematische Messungen iiber den EinfluB von Verun- reinigungen oder anderer Faktoren siud zur Zeit im Gange.

Koln. Abteilung f u r Anorgunische und Anulytische Chemie des Cheniischen Instituts der Unicersitiit.

Bei der Redalction eingegangen am 12. Dezeniber 1967.