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1.80 Euro April 2012 | 90 Cent für den Verkäufer 08 | Klischees vor Kulissen? | Dortmund wird zum »Tatort« 04 | Paul Wallfisch | Meister, Margarita und Botanica 32 | Athens neue Obdachlose | Griechenlands erste Straßenzeitung 21 | 20 Verlosungen | z.B. Rock in den Ruinen, Phoenix West Areal Dortmund Das Straßenmagazin bodo

bodo April 2012

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Die April-Ausgabe des Straßenmagazins bodo.

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Page 1: bodo April 2012

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1.80 EuroApril 2012 | 90 Cent für den Verkäufer

08 | Klischees vor Kulissen? | Dortmund wird zum »Tatort«

04 | Paul Wallfisch | Meister, Margarita und Botanica

32 | Athens neue Obdachlose | Griechenlands erste Straßenzeitung

21 | 20 Verlosungen | z.B. Rock in den Ruinen, Phoenix West Areal Dortmund

Das Straßenmagazin

bodo

Page 2: bodo April 2012

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EDITORIAL

BODO E.V. – SO ERREICHEN SIE UNS

Herausgeber | Verleger | Redaktion

bodo e.V.

Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

0231 – 950 978 0 | Fax 950 978 20

Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.:

Bastian Pütter | [email protected]

0231 – 950 978 12 | Fax 950 978 20

Layout und Produktion:

Andre Noll | Büro für Kommunikationsdesign

0231 – 106 38 31 | [email protected]

Veranstaltungskalender:

Benedikt von Randow | [email protected]

Anzeigenleitung:

Bastian Pütter | [email protected]

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Vertriebsleitung:

Oliver Philipp | [email protected]

0231 – 950 978 0 | Fax 950 978 20

Autoren dieser Ausgabe:

Bianka Boyke (bb), René Boyke (rb), Alexan-

der Greif (ag), Rainer Holl, Wolfgang Kienast

(wk), Volker Macke, Maike, Bastian Pütter

(bp), Benedikt von Randow (bvr), Rosi, Dr.

Birgit Rumpel (biru), Sebastian Sellhorst (sese)

Fotos: Claudia Siekarski (S.2,3,4,5,6,7,8,9,

10,12,14,15,16,17,38), Stefan Scheer (S.30),

Sebastian Sellhorst (S.11), Ruhrverband (S.28,

29,30,31), Reuters/Yannis Behrakis (S.33),

Archiv Chris Alefantis (S.32), Bianka Boyke (S.12),

Euromayday Ruhr (S.35), pixelio.de (S.18)

Titelbild: Claudia Siekarski

Zeichnungen + Cartoons: Volker Dornemann

Druck: Gebr. Lensing GmbH & Co. KG.

Auflage | Erscheinungsweise:

12.000 Exemplare

Bochum, Dortmund und Umgebung

Redaktions- und Anzeigenschluss:

für die Mai-Ausgabe 10.04.2012

Anzeigen:

Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 7

gültig ab 01.03.2009

Vertriebe:

Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

Stühmeyerstraße 33 | 44787 Bochum

Der Abdruck von Veranstaltungshinweisen ist kos-

tenfrei, aber ohne Gewähr. Für unaufgefordert ein-

gesandte Fotos oder Manuskripte wird keine Haftung

übernommen. Das Recht auf Kürzung bleibt vorbehal-

ten. Abdruck und Vervielfältigung von redaktionellen

Beiträgen und Anzeigen bedürfen der ausdrückli-

chen Genehmigung der Redaktion. Leserbriefe und

namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht

unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Verein:

bodo e.V. | als gemeinnützig eingetragen

im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514

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bodoev.de | facebook.com/bodoev

Vorstand:

Nicole Hölter | Brunhilde Dörscheln |

Andre Noll | [email protected]

Geschäftsleitung | Verwaltung:

Tanja Walter | [email protected]

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Öffentlichkeitsarbeit:

Bastian Pütter | [email protected]

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Transporte | Haushaltsauflösungen:

Michael Tipp | [email protected]

0231 – 950 978 0 | Fax 950 978 20

bodos Bücher | Modernes Antiquariat:

Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

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Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr

Anlaufstelle Dortmund:

Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr

Anlaufstelle Bochum:

Stühmeyerstraße 33 | 44787 Bochum

Mo., Mi. und Fr. von 14 – 17 Uhr

Di. und Do. von 10 – 13 Uhr

Spendenkonten:

Stadtsparkasse Dortmund

BLZ: 440 501 99, Kto. 104 83 76

Sparkasse Bochum

BLZ: 430 500 01, Kto. 10 406 254

IMPRESSUM

02

Liebe Leserinnen und Leser,

wir haben es geschafft. Beziehungsweise: Wir

werden es geschafft haben. Denn einige Texte in

diesem Heft sind im wahrsten Sinne auf gepackten

Umzugskartons entstanden. In den letzten Wochen

stießen wir auf einiges Kopfschütteln, wenn wir

unseren Umzugs-Zeitplan erklärten (von dessen

Finanzierung ganz zu schweigen).

Aus Kostengründen haben wir wirklich den fliegen-

den Wechsel gewagt und sind in voller Fahrt mit

Verwaltung, Redaktion, Buchladen, Online-Shops

usw. umgezogen.

Während am Schwanenwall fieberhaft Arbeitsplätze

eingerichtet wurden, sorgt unser Transport-Team

gleichzeitig dafür, dass am Tag der Eröffnung am

Schwanenwall Büros und Laden am Hafen besenrein

übergeben werden. Wir hoffen, die Punktlandung

ist einigermaßen gelungen.

Naja, so ganz ohne Reibungsverluste geht es natür-

lich nicht, und so ist sicher das eine oder andere an

Arbeit liegengeblieben und vielleicht auch der eine

oder andere Anruf ins Leere gelaufen – schließlich

haben wir sogar unsere Telefonnummer gewechselt.

Dafür bitten wir um Nachsicht.

Wir erwarten viel von unserem neuen Standort, vor

allem eine größere Nähe – zu Ihnen, unseren Le-

serinnen und Lesern und den Buch- und Transport-

KundInnen, aber auch zu unseren aktuellen und

zukünftigen Verkäuferinnen und Verkäufern.

Herzlich bedanken möchten wir uns bei allen, ohne

die dieser Schritt niemals möglich geworden wäre. Wir

haben so viel Unterstützung erfahren, allen voran von

Spenderinnen und Spendern, die uns in der Weih-

nachtszeit den finanziellen Anschub gegeben haben,

endlich Räume in passender Größe zu beziehen.

Aber auch das Engagement der Firmen, Einrich-

tungen und Handwerksbetriebe, die uns mit

Sachspenden und besonders günstigen Angeboten

weitergeholfen haben, war eine riesige Hilfe. Von

der Unterstützung unserer Partner, Familien und

Freunde ganz abgesehen, die tatkräftig angefasst

und unsere zusätzliche Abwesenheit mit Fassung

getragen haben.

Wir glauben, einen nachhaltigen Schritt nach vorn

gemacht zu haben, und freuen uns riesig auf die

neuen Arbeitsbedingungen, auf neue Leser, Verkäu-

fer, Kunden, Besucher, Nachbarn.

Und wie nebenbei ist uns noch ein unserer Meinung

nach schönes Heft gelungen, mit Geschichten,

denen eine etwas andere Perspektive gemeinsam

ist, Geschichten, die wir so anderswo nicht lesen.

Sei es der Blick auf die routinierte Medienmaschine

hinter dem Dortmund-Tatort, ein intimes Porträt

des großartigen Paul Wallfisch oder ein Interview

mit Chris, der versucht, Athens neuen Obdachlosen

eine Perspektive zu geben – mit einer Straßenzei-

tungs-Neugründung.

Wir bedanken uns bei Ihnen für den Kauf der

Aprilausgabe des Straßenmagazins – denn Lesen

ist Helfen – und wünschen Ihnen eine angenehme

Lektüre. Besuchen Sie uns, wenn Sie einmal in der

Dortmunder Innenstadt sind, am Schwanenwall.

Viele Grüße von bodo,

Bastian Pütter – [email protected]

Page 3: bodo April 2012

3

INHALT 03

02 Editorial | Impressum

04 Menschen Paul Wallfisch von Dr. Birgit Rumpel

Paul Wallfisch ist musikalischer Leiter am Schauspiel Dortmund und Band-

leader der Rockband Botanica. Vor der Premiere von „Der Meister und Marga-

rita“ sprachen wir mit ihm über Glaube, Religion und ein bewegtes Leben.

06 Neues von bodo

07 Maikes Verkäufertagebuch

08 Mit Kamera, Spraydosen und Gangster-Rap von Sebastian Sellhorst

Aufgeteilt in die drei Workshops Fotografie, Geschichten und Streetart ermu-

tigt das Projekt „Ich sehe was, was du nicht siehst“ Jugendliche aus der Dort-

munder Nordstadt, sich künstlerisch mit ihrem Viertel auseinanderzusetzen.

10 Neues von Rosi | von bodo-Verkäuferin Rosi

11 Verkäuferporträt Michael von Sebastian Sellhorst

Die eigene Lebensgeschichte in einer Zeitung zu erzählen, erfordert eine

Menge Mut, besonders wenn diese Biographie nicht nur schöne Seiten

hat. Im April macht das Michael, der seit vier Monaten das Straßenma-

gazin verkauft.

12 Recht Inkassokosten von René Boyke

Rechtsanwalt René Boyke erklärt, wann und in welcher Höhe

Inkassokosten gerechtfertigt sind.

12 Kultur Kultur konstant mit ohne Kohle von Wolfgang Kienast

Ende der 90er Jahre wurde die Künstlergruppe [no-budget-arts] von jun-

gen, kreativen Menschen gegründet, parallel zu Schule, Zivildienst oder

Universität. Vieles hat sich seit dem verändert.

13 Wilde Kräuter Brennnessel von Wolfgang Kienast

Vom Vogel des Jahres 2012, wie man mit Weidenkätzen Haus und Garten

vor Unwettern schützt und mit einem Rezept für leckere Brennnessel-

klößchen im Wurzelgemüsebett.

14 Die Reportage Dortmund wird zum »Tatort« von Bianka Boyke Bereits vor Monaten wurde öffentlich, dass es einen neuen Tatort aus dem

Ruhrgebiet geben wird. Erst wurde Dortmund als Stadt bekannt gegeben,

dann ein Teil der Darsteller und Anfang März wurde schließlich das gesamte

Team – zunächst unter strengster Geheimhaltung des „vierten Mannes“ –

einer großen Pressemeute aus ganz NRW in Dortmund vorgestellt. Journalis-

ten und vor allem Darsteller erwartete ein langer, langer Arbeitstag…

18 Kommentar Alarm! Kriminalität steigt dramatisch! von Bastian Pütter

18 News | Skotts Seitenhieb

20 Kinotipp Martha Marcy May Marlene im endstation.kino

20 Lesebühne Bordsteinrebellen von Rainer Holl

Autor, Automatopoet, Medienkünstler, Poetry-Slammer, Preisträger des

LesArt-Preises für junge Literatur 2010 und Mitglied der Dortmunder Lese-

bühne Schreibgut: Rainer Holl schreibt auch für bodo.

21 Veranstaltungskalender | Verlosungen | CD-Tipps von Benedikt von Randow

28 Geschichte Die Ruhrstauseen von Wolfgang Kienast

Fluss kommt von fließen. Die Ruhr ist 219 Kilometer lang, doch Fließge-

wässer ist sie eigentlich nur im ersten Drittel. Bei Kilometer 133 beginnt

der Rückstau eines Wehres vor Echthausen und von da an bis zur Mündung

in den Rhein steht der Fluss, der dem Revier den Namen gab, meist sehr

ruhig in seinem Tal herum; gebremst oder aufgehalten durch rund dreißig

weitere Wehre, Staustufen und -mauern.

32 Das Interview Athens neue Obdachlose von Volker Macke

Griechenland in der Krise: Arbeitslosengeld gekürzt, Mindestlohn gekappt,

Steuern angehoben. Tausendfach machen kleine Geschäfte dicht, die Ein-

kaufsstraßen der Viertel werden zu Geisterstraßen. In den Hauseingängen

liegen immer mehr ohne Obdach. Eine neue Straßenzeitung will helfen.

Volker Macke hat für bodo mit dem Redakteur Chris Alefantis gesprochen.

35 Soziales Euromayday tanzt in den Mai von Bastian Pütter

„Die Welt ist voller Reichtum und sie gehört uns allen!“ Zum dritten Mal

findet im Ruhrgebiet die etwas andre Maidemonstration statt. Diesmal als

Bochumer Tanz in den Mai.

36 Literatur Hause gelesen von Wolfgang Kienast

Ein Dortmunder Mietshaus ist Hauptfigur im blutigen Roman von DERHANK.

37 Rätsel | von Volker Dornemann

38 bodo geht aus Bullerbüdchen von Alexander Greif

Ein Ort, an dem man gemeinsam kreativ ist: Im Namen „Bullerbüdchen“

klingt die heile Welt aus Astrid Lindgrens Kinderbuchreihe über den fikti-

ven schwedischen Ort nicht zufällig mit.

39 Leserseite | Cartoon

Unser Titelbild der April-Ausgabe:

Die frischgebackene Dortmunder Tatort-Mannschaft

stellt sich auf Kokerei Hansa vor (s.S.14).

Foto: Claudia Siekarski

14080432 38

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Paul Wallfisch ist musikalischer Leiter am Schauspiel Dortmund und Bandleader der Rock-band Botanica. Vor der Premiere von „Der Meis-ter und Margarita“ sprachen wir mit ihm über Glaube, Religion und ein bewegtes Leben.

Es ist Montag Nachmittag, die Probe für „Der Meis-

ter und Margarita“ ist gerade zu Ende, Paul Wallfisch

nimmt sich Zeit für uns, hat Spaß daran, sich für

Paul WallfischEin Amerikaner in Dortmund

MENSCHEN | von Dr. Birgit Rumpel | Fotos: Claudia Siekarski04

unser Fotoshooting zu inszenieren. Darüber, dass er

sich ohne zu zögern auf der Probebühne in Jesus-

Manier ans Kreuz hängt, sprechen wir später noch.

Seit 2010 lebt der 47jährige mit seiner Frau, der

Künstlerin Pat Arnao, in Dortmund. Schauspieldi-

rektor Kay Voges lockte ihn aus New York hierher.

„Wir kannten uns aus der Musikszene in Krefeld,

Kay kam oft zu den Auftritten von Botanica, spä-

ter besuchte er uns in New York und wir lernten

uns näher kennen.“ Danach kam die überraschen-

de Email „Habe jetzt mein eigenes Theater, willst

Du hier auftreten – oder für zwei Jahre nach Dort-

mund kommen?“ Er kam.

„Dortmund ist nicht gerade schön, aber für mich

ist es wichtiger, dass ich eine Wohnung und einige

Plätze habe, wo ich mich wohlfühlen kann“, sagt

er, der das Herumziehen seit Kindertagen kennt.

Seine Eltern, das Musikerdou Lory und Ernst Wall-

fisch tourten in den 1950er und 60er Jahren durch

die ganze Welt, als Kind begleitete Paul sie oft auf

diesen Reisen. Sie hatten sich durch und durch der

klassischen Musik des alten Europa verschrieben.

„Meine Eltern gehörten zu den letzten Vertretern

einer Generation von Hofmusikern aus dem 19.

Jahrhundert, sie haben ein ganzes Jahrhundert to-

tal verpasst“, stellt er fest. „Sie hatten keine Ver-

bindung zu moderner Musik und Medienkunst.“ Mit

vier Jahren erhielt Paul die ersten Klavierstunden,

mit zwölf beendete er den Unterricht, spielte aber

weiter Klavier. Erst sechs Jahre später nahm er ei-

nen neuen Anlauf, um sich intensiv auf die Aufnah-

meprüfung für die Musikhochschule in Paris vor-

zubereiten. Sein Vater war inzwischen verstorben,

seiner Mutter, die schon glaubte, alles falsch ge-

macht zu haben, bereitete sein Plan große Freude.

Auch die damalige Liebe zu einer finnischen Harfi-

nistin, die in Paris studierte, hatte Pauls Ehrgeiz

beflügelt. Doch schon nach einem Jahr an der École

Normale de Musique de Paris gab er das Klavier-

Studium auf. „Das war nichts für mich. Der falsche

Druck in diesem System funktioniert bei Leuten,

die zehn Stunden am Tag nur Klavier spielen wol-

len.“ Für eine klassische Pianisten-Karriere war es

sowieso schon zu spät.

Diesem einen Jahr in Paris folgten später fünf

weitere, die er dort verbrachte. „Ich liebe Paris“,

schwärmt er, der in Basel geboren und in North-

ampton, Massachusetts, aufgewachsen ist. Die

Eltern waren nach Pauls Geburt dort sesshaft

geworden, auch die Großeltern waren aus Rumä-

nien übergesiedelt und lebten mit im Haus. „Ich

bin praktisch von den Großeltern erzogen worden,

aber sie hatten oft Streit miteinander, das wäre

eine Vorlage für eine TV-Serie“, erinnert er sich

und kann heute darüber schmunzeln. In der Familie

wird überliefert, dass Vorfahren im 15. Jahrhun-

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dert tatsächlich Walfänger waren, die von der Ost-

see nach Breslau und später weiter nach Rumänien

zogen. Dort lernte der Vater Pauls Mutter kennen,

„Rumänin mit jüdischen Wurzeln und ein bisschen

Zigeuner“. Anfang der 1950er Jahre konnte das

Paar mit Unterstützung von Yehudi Menuhin in die

USA ausreisen – eine filmreife Familiengeschichte.

„Man hat wohl die Tendenz, zu reproduzieren, was

man selber kennt“, sagt Paul Wallfisch, dessen Sohn

das Schweizer Internat besucht, in dem auch Paul

ein Jahr seiner Kindheit verbrachte und Deutsch

gelernt hat. Auf seine Arbeit trifft das allerdings

überhaupt nicht zu. Der klassischen Musik kehrte

er schon früh den Rücken, ohne sie zu verteufeln.

1999 gründete er in Los Angeles die Independent-

Rockband Botanica, 2009 rief er in einem New Yor-

ker Club den musikalischen Salon „Small Beast“ ins

Leben. Den brachte er 2010 auch mit nach Dort-

mund, Hamburg und Berlin, wo er dieses Format mit

Musikern der freien Szene regelmäßig auflegt.

In der aktuellen Spielzeit am Theater Dortmund ist

„Der Meister und Margarita“ nach dem Roman von

Michail Bulgakow das größte Projekt für Paul Wall-

fisch und Botanica. „Es ist eine Liebesgeschichte,

eine Komödie und eine satirische Geschichte über

die Sowjetunion“, beschreibt Wallfisch den Roman.

„Und es geht um die Frage, ob man sich zu hundert

05

Prozent hingeben kann – dem, was man als krea-

tiver Mensch tut oder dem Glauben an Gott oder

der Liebe zwischen Mann und Frau. Kann man alles

drei schaffen, oder nur eins oder zwei davon?“ Da-

rum drehten sich viele Diskussionen zwischen ihm

und Regisseur Kay Voges. „Kay und ich sind bei-

de extreme und romantische Figuren, es war eine

gute Wahl, das zusammen zu machen.“ Und gern

erwähnt er noch, dass Andrew Lloyd Webber trotz

Millionenetats den Versuch aufgab, Bulgakows Ro-

man als Musical auf die Bühne zu bringen.

Gerade ist das Album „What do you believe in“ mit

dem Soundtrack zum Stück erschienen. Woran er

selbst glaubt, ist deshalb die naheliegende Fra-

ge. Er zieht einen seiner Silberringe vom Finger

und liest die Inschrift vor: „A victory a day keeps

suicide away.“ „Ein Triumph täglich schützt vor

Selbstmord“ könnte die freie Übersetzung lau-

ten, wobei er auch einen gefundenen Parkplatz

oder einen leckeren Kaffee durchaus als Triumph

ansieht. „Ich bin Atheist. Ich glaube an Schön-

heit. An Schönheit, Liebe und Hass. Und Lei-

denschaft“, zählt er auf. „Und an die Unendlich-

keit des Universums, daran glaube ich wirklich.

Das ist sehr schwer, denn je mehr man darüber

nachdenkt, umso kleiner wird der Mensch. Jeder

Moment ist unglaublich wichtig, aber das eige-

ne Leben ist für das Universum insgesamt total

unwichtig“, beschreibt er seine Philosophie und

sucht dabei immer wieder nach den passenden

deutschen Wörtern. „Mein Glaube ist eher das

Gegenteil von Religion,“ führt er weiter aus, will

aber nicht als Nihilist verstanden werden. „Der

Zweifel führt zur Diskussion und eher zu Frieden

als eine so genannte Wahrheit, für die Menschen

sich gegenseitig umbringen.“ Diese Überzeugung

hat er in dem Song „Kingdom of Doubt“ auf der

aktuellen CD zum Theaterstück musikalisch und

textlich umgesetzt.

Das Album hat er seiner Familie und speziell seiner

Mutter gewidmet. „Sie war eine schwierige Person

mit großem Lebenswillen. Aber sie hat Freundschaft

und Liebe nicht verstanden, und sie hat nie verstan-

den, was ich gemacht habe“, sagt Paul Wallfisch. Da-

bei klingt er nicht verbittert, denn gleichzeitig ist

er seinen Eltern dankbar für alles, was er von ihnen

bekommen hat. Erst in den Monaten vor ihrem Tod,

im September 2011, hatte Paul wieder intensiven

Kontakt zur schwerkranken Mutter. „Sie hat ihren

Tod wohl absichtlich auf meinen Geburtstag gelegt,

das gibt eine schöne Symmetrie.“ (biru)

INFO

„Der Meister und Margarita“ am Schauspiel Dortmund

bodo verlost Karten für den 28. April (s.S.21)

Page 6: bodo April 2012

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06 NEUES VON BODO | www.bodoev.de | www.facebook.com/bodoev

schafft Chancenbodo

Haushaltsauflösungen

Transporte und Umzugshilfen

[email protected] | 0231 – 950 978 0

ANZEIGE

Während die MitarbeiterInnen im Buchbereich und unsere Auszubildenden ihre Arbeitsplätze im Erdgeschoss haben, teilen sich die anderen Hauptamtlichen bei bodo die Büroetage im ers-ten Obergeschoss.

Über dem Buchladen befinden sich Verwaltung und

Geschäftsführung, die Redaktion des Straßenmaga-

zins sowie Platz für Beratung und Vertrieb. In un-

serem „Konferenzraum“ trifft sich morgens unser

Transport-Team. Dreimal in der Woche gibt es dort

unser Verkäufercafé, es werden Fragen und Probleme

der VerkäuferInnen des Straßenmagazins geklärt,

Beratungstermine vergeben, Verkaufsplätze verteilt

und neue Verkaufsausweise ausgestellt.

Wenn Sie Fragen zu unserer Arbeit, Sachspenden

oder Aufträge für unser Transport-Team haben, ru-

fen Sie uns an. Sie erreichen uns hier mindestens zu

den Büro(kern)zeiten von Mo – Fr zwischen 9 und

16 Uhr. Unsere neue zentrale Rufnummer (auch für

Bochumer AnruferInnen) lautet: 0231 – 950 978 0.

Unsere Email-Adressen haben sich nicht geändert.

Weitere Informationen finden Sie auf unserer In-

ternetseite und täglich frisch bei Facebook: www.

facebook.com/bodoev

Alles neu bei bodo 2:Rufnummern und Beratung

Alles neu bei bodo 1:Adresse und Öffnungszeiten

Ab sofort hat bodo eine neue Adresse und neue Öffnungszeiten. Am Schwanenwall 36 – 38 (zwi-schen Drobs und Reinoldinum) finden Sie unser neues Ladenlokal, das an sechs Tagen in der Woche geöffnet ist: Mo bis Fr 10 – 18 Uhr, Sa 10 – 14 Uhr.

Hier warten 10.000 gute, gebrauchte Bücher – Ro-

mane, Krimis, Fach- und Kinderbücher – und ein

Regal mit Krimi-Neuware aus dem grafit-Verlag auf

Leserinnen und Leser. Ebenfalls im Erdgeschoss: Un-

sere Sortier- und Onlinearbeitsplätze. Wir nehmen

Ihre Buchspenden entgegen und schaffen Stellen

mit dem Sortieren, Bewerten und dem Online- und

Ladenverkauf von Büchern.

Im Buchladen findet auch die Zeitungsausgabe an

die Verkäuferinnen und Verkäufer des Straßenmaga-

zins statt. Gerne nehmen wir auch ihre Sachspenden

(Kleidung, Hausrat) entgegen. Vorerst werden wir

keinen neuen Second-Hand-Laden eröffnen, sondern

Sachspenden in erster Linie dazu nutzen, den Bedarf

unserer VerkäuferInnen und der KlientInnen unserer

Kooperationspartner zu decken. Außerdem wird bodo

weiterhin auf Antik- und Trödelmärkten aktiv sein.

Unser Buch-Team freut sich auf Ihren Besuch. Mehr

auf www.bodoev.de.

bodo ist für Sie da

Geschäftsleitung

Tanja Walter

[email protected]

Verwaltung

Brigitte Cordes

[email protected]

Redaktion und

Öffentlichkeitsarbeit

Bastian Pütter

[email protected]

Vertrieb

Oliver Philipp

[email protected]

bodos Bücher

Suzanne Präkelt

[email protected]

bodos Bücher Online

Gordon Smith

[email protected]

Transporte und

Haushaltsauflösungen

Michael Tipp

[email protected]

Sachspenden und

Second-Hand-Märkte

Brunhilde Dörscheln

[email protected]

montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr

unter dieser zentralen Rufnummer:

0231 – 950 978 0

Mail: [email protected] | Fax: 0231 – 950 978 20

Oder Sie besuchen uns:

Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

Mo. bis Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr

Stühmeyerstraße 33 | 44787 Bochum

Mo., Mi. u. Fr. 14 – 17 Uhr

Di. u. Do. 10 – 13 Uhr

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07

Maikes Rückblick auf den Februar

Liebes Tagebuch, wenn diese sibirische

Kälte nicht wäre… Ach, was soll’s. Lest

selbst, was alles passiert ist.

3. Februar

Diese Kälte hat schon viele Tote gebracht.

Denn die Menschen, die bei dieser Kälte zu

Tode gekommen sind, waren nur auf leichte

Kälte eingestellt gewesen. Wenn die Kälte

nicht wäre, wäre die A45 schon fertig. Man

hat echt keine Kraft, bodos zu verkaufen.

Die Kälte jagt einen wieder rein.

6. Februar

Na endlich, die A45 ist wieder offen für den

Straßenverkehr. Zwar mit Tempobeschrän-

kung, aber Hauptsache, der Verkehr rollt.

Und das Wetter ist nicht so gemütlich,

wie man’s haben möchte. Ich bin heute zu

Hause geblieben – nach dem Motto: „Dann

wird eben weniger verkauft.“

10. Februar

Heute war ich wieder in Huckarde, bodo

verkaufen. Dadurch, dass es noch so kalt

ist, habe ich nur die halbe Schicht gefah-

ren. Anschließend habe ich mit einer Be-

kannten einen schönen Tag verlebt.

13. Februar

Hätte nicht Weihnachten Schnee liegen

können? Stattdessen liegt er heute. Und

was passierte: Zeitungsverkauf konnte ich

genauso vergessen wie meine Einkäufe.

Auf eines freue ich mich aber schon: Wenn

unsere neue Geschäftsstelle fertig und der

Eröffnungstag da ist.

20. Februar

Rosenmontag! Helau, Alaaf usw. Habe heu-

te Morgen beim Bekannten den Rosenmon-

tagszug im Fernsehen geschaut.

29. Februar

Alle Geburtstagskinder, die am 29.02. Ge-

burtstag haben: Herzlichen Glückwunsch.

Lasst euch am 31.03. im neuen Bücherba-

sar überraschen.

Eure Bodoline, Maike

MAIKES VERKÄUFERTAGEBUCH

Das Café-Team der Ev. Georgs-Kirchengemeinde Dortmund, Bezirk Sölde, hat für bodo gesammelt.

Auf einer Vielzahl von Gemeindeveranstaltungen

von Kirchenmusik über Kabarett bis zu Kinderthe-

ater erzielten die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen

und Mitarbeiter aus Sölde Erlöse für bodo.

Insgesamt kamen 2.000 Euro zusammen, mit denen

die Gemeinde Umbau- und Renovierungsarbeiten am

neuen Vereinssitz unterstützt. „Wir bewundern vor al-

lem den großen persönlichen Einsatz des Café-Teams“,

bedankte sich bodo-Chefin Tanja Walter. „Die große

Summe von 2.000 Euro ist in vielen, vielen Stunden

ehrenamtlicher Arbeit zusammengekommen. Dieses

Engagement wissen wir besonders zu schätzen.“

Tanja Walter nahm gemeinsam mit Suzanne Präkelt,

die das Buchprojekt des Vereins leitet, die Spende

entgegen. Die Gemeindemitglieder Ulrich Böttcher,

Silvia Nehring, Bernd Ruhnau und Dirk Schmiedes-

kamp führten die beiden im Anschluss durch die

neuen Räume.

Wir bedanken uns an dieser Stelle herzlich bei allen

Unterstützern und Spendern, die den Umzug, aber

auch unsere Arbeit insgesamt erst möglich machen!

Ev. Georgs-Gemeinde: 2.000 Euro Spende für bodo

Crashtest Nordstadt:bodo-Verkäufer als „Checker“?

Mit dem Ziel, bestehende Regeln des klassischen Theaters aufzuheben und den Zuschauer selbst zum Akteur zu machen, startet das Schauspiel Dortmund das Projekt „Crashtest Nordstadt“.

Regisseur Jörg Lukas Matthaei und Dramaturg Mi-

chael Eickhoff machen die Besucher ihres „Games“

zu Ware, die verschoben und bewertet wird, um so

die Logik und Gesetze dieses spannenden Viertels

erfahrbar zu machen.

Teil dieses Stadtteil-Parcours sind Nordstadtbewoh-

ner, die als „Checker“ und in anderen Rollen mit den

Theaterbesuchern interagieren und so das Bild „ih-

rer“ Nordstadt transportieren. Und wer wäre besser

geeignet, als Verkäufer auf der Straße aufzutreten,

als Verkäufer des Straßenmagazins?

So waren Theaterpädagoge Till Staufer und Regis-

seur Jörg Lukas Matthaei bei uns zu Gast, um unse-

ren Verkäufern das Projekt vorzustellen. Wie viele

davon letztendlich zur Premiere dabei sind, ist noch

unklar, aber beim ersten gemeinsamen Workshop

hatten wir schon eine Menge Spaß. Nach der Reihe

„Stadt ohne Geld“ in der letzten Spielzeit ist „Crash-

test Nordstadt“ bereits die zweite Kooperation mit

dem Schauspiel Dortmund.

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www.bodoev.de

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9

Mit Kamera, Spraydosen und Gangster-RapJugendliche aus der DortmunderNordstadt stellen ihren Stadtteil vor

„Hier passiert so viel, ich muss einfach nur aus dem Fenster schau-en und schon kann ich anfangen zu rappen“, sagt Gregg. Zusammen mit seinen Mitmusikern Ahmet und Alvin nimmt der Rapper am Ausstellungsprojekt „Ich sehe was, was du nicht siehst“ in der Dortmunder Nordstadt teil. Doch da wird nicht nur gerappt, sondern auch geschrieben, fotografiert und gesprayt.

Aufgeteilt in die drei Workshops Fotografie, Geschichten und Streetart

will das Projekt die Sicht der Jugendlichen auf ihren Stadtteil in den

Mittelpunkt stellen, sie ermutigen, sich künstlerisch mit ihrem Viertel

auseinanderzusetzen und so ihr Bild von der Dortmunder Nordstadt an

andere weiterzugeben. „Wir wollen die Jugendlichen dazu bringen, ihre

eigenen Geschichten zu erzählen“, sagt Barbara Underberg. Die Jour-

nalistin lebt selbst in der Nordstadt und hat das Projekt zusammen mit

der Fotografin und Künstlerin Iris Wolf ins Leben gerufen.

„Geschichten gibt es hier genug. Die liegen quasi auf der Straße“, weiß

Gregg, mit bürgerlichem Namen Gregorius Korhanidis (Foto 2. v. links).

Zusammen mit zwei Freunden macht der 19jährige Musik in der und

über die Dortmunder Nordstadt. Seine Leidenschaft gilt dem „Freesty-

len“, dem improvisierten Sprechgesang ohne vorbereitete Texte. Für die

Bässe und Rhythmen des Trios ist Ahmet (Foto links) zuständig. Unter

dem Künstlernamen Cognac, zu dem ihn seine türkische Heimatstadt

Konya inspirierte, ist er nun schon seit über sieben Jahren als DJ tätig.

Der Dritte im Bunde ist Alvin (Foto rechts), der seine Texte und seine

Musik unter dem Synonym „Slyte“ veröffentlicht.

Fast täglich treffen sich die drei im Treffpunkt Stollenpark, einem

Jugendzentrum mitten in Dortmunds Nordstadt. Dort haben sie ihr Stu-

dio, in dem sie regelmäßig an neuen Songs arbeiten, die sie dann unter

ihrem gemeinsamen Label „Bulls Records“ veröffentlichen. Während

Ahmet berufstätig ist und Alvin noch zur Schule geht, konzentriert sich

Gregorius mittlerweile ausschließlich auf seine Musikkarriere. Zurzeit

arbeiten die Drei an Aufnahmen, mit denen sie sich in Zukunft auch an

größere Plattenfirmen wenden wollen.

„Ursprünglich wollten wir erst gar nicht bei dem Projekt mitmachen,

aber dann hat mich Barbara angesprochen, als ich gerade vor der Tür

vor mich hin rappte“, erzählt Gregg. So wurde der Bereich der Geschich-

ten und Texte kurzerhand um Hiphop und Rap erweitert. „Gerade diese

Spontanität und eine gewisse Unplanbarkeit macht für mich den Reiz

eines solchen Projektes aus“, sagt Barbara Underberg.

STRASSENLEBEN | von Sebastian Sellhorst | Fotos: Claudia Siekarski 09

Page 10: bodo April 2012

10

NEUES VON ROSI | von bodo-Verkäuferin Rosi

Liebe Leserinnen und Leser,

heute ist der 4. März. Es ist ein wun-

derschöner Tag, nur regnet es etwas.

Wie Sie sicher auch bemerkt haben,

konnten wir schon etwas Frühlings-

luft einatmen. An die Wärme habe ich

mich schon wieder richtig gewöhnt.

Am Samstag, den 3. März war es aber

doch nochmal ganz schön kühl. Ich

hatte sogar kalte Hände.

Neulich habe ich einen sehr guten

Bericht über Bettler in Tierkostümen

gelesen. Überall in der Region sind

Menschen als Tiere verkleidet in den

Fußgängerzonen unterwegs. Viele von

ihnen sollen Frauen sein. Sie sind als

Affen, Pandabären und andere Tiere

verkleidet. Abends werden sie dann

wieder eingesammelt und nach Hause

gefahren. Diese Leute tun mir sehr leid

wie sie da so den ganzen Tag in der Käl-

te durchhalten müssen.

Jetzt zu einem anderen Thema. Mein

zweites Auge wurde nun auch ope-

riert. Ich hatte große Angst, weil die

Operation auf einen 13. fiel. Aber es

verlief alles wunderbar. Die Operation

dauerte nur zehn Minuten. Die Vorbe-

reitung dauert nur länger wegen der

Tropfen. So, nun ist das auch über-

standen. Ich kann wieder richtig se-

hen und das ist wichtig.

Wie gefällt Ihnen die neue bodo? Viele

Kundinnen und Kunden sind begeis-

tert. Sie sagen, dass sie jetzt sehr ger-

ne die bodo lesen. Sie habe sich sehr

verbessert und das freut uns. Jeder von

uns versucht, sein Bestes zu geben, da-

mit die Zeitung noch besser wird. Für

dieses Lob sagen wir Danke an alle Le-

serinnen und Leser. Außerdem möchte

ich mich für die Geschenke, die man

mir zukommen ließ, bedanken.

Jetzt wünsche ich mir, dass der Früh-

ling nun richtig einzieht und es end-

lich wärmer wird. Dann macht der Ver-

kauf auch mehr Spaß.

Ich verabschiede mich wie immer und

wünsche Ihnen allen ein schönes Os-

terfest und vor allem schönes Wetter.

Ihre Rosi.

10

Als dann während des Einstiegsworkshops der „Nordstadt Song“ des Dortmunder Musikers Boris

Gott gespielt und den Jugendlichen vorgeschlagen wurde, den Künstler zu seinem Umgang mit der

Nordstadt zu interviewen, meldeten sich die drei Rapper zu Wort: „Den wollen wir nicht intervie-

wen, mit dem wollen wir Musik machen“. Schnell entstanden die ersten Beats. Noch schneller die

ersten Textzeilen, aus dem Stegreif reimte Gregg drauflos. Trotz unterschiedlicher musikalischer

Herkunft gelang die Zusammenarbeit sofort.

„Es hat von Anfang an eine Menge Spaß gemacht, und ich konnte mich auch selbst noch mal ein

gutes Stück erweitern“, so Boris Gott, dessen Song „Nordstadt“ als Grundlage für die musikalische

Zusammenarbeit diente und im Rahmen des Projektes völlig neu interpretiert wurde.

Doch nicht nur die drei Rapper versuchen sich an der Darstellung – auch der Außendarstellung – ihres

Viertels. Neben dem Musikprojekt waren 20 Jugendliche zu Gast im Dortmunder Rathaus und inter-

viewten Oberbürgermeister Ulrich Sierau. Während einige Jugendliche sich darauf konzentrierten,

dem Oberbürgermeister Fragen

zur Nordstadt zu stellen, waren

andere unter der Anleitung von

Iris Wolf damit beschäftigt,

Fotos der Veranstaltung zu

machen. Ein weiterer Ausflug

führte die Jugendlichen in die

Wache Nord, wo ihnen Jürgen

Jäger von der Dortmunder

Polizei im Interview Rede und

Antwort stand.

Als wir auf der Suche nach einer

passenden Foto-Kulisse durch

die Nordstadt spazieren, erzäh-

len Ahmet und Gregg von ihrer

Jugend in der Nordstadt. „Damals war alles noch viel dreckiger, dafür gab es aber noch nicht die

ganzen ,Fußballspielen verboten‘-Schilder“, schwelgt Ahmet in Erinnerungen. So einiges habe sich

in den letzten Jahren verändert, die Drogenszene am Nordmarkt sei verschwunden, viel „Action“

gäbe es trotzdem noch auf den Straßen. „Wohl fühlen wir uns hier trotzdem. Wir sind halt Kinder

der Nordstadt, bereits in anderen Stadtteilen fühle ich mich irgendwie fremd“, erzählt Gregg.

„Trotzdem ist das mein Zuhause, mein Leben, ich würde für diese Gegend alles geben“, heißt es in

einer Textpassage ihres neuen Songs. Das Leben in der Nordstadt mit all seinen guten und schlech-

ten Seiten ist immer wieder Thema in den Texten der jungen Musiker. Sowohl schwierige Themen

wie Prostitution als auch die schönen Seiten der Nordstadt wie das multikulturelle Zusammenleben

in Dortmunds Norden werden von den jungen Musikern thematisiert. Meist sprechen sie dabei eine

sehr deutliche Sprache, doch immer haben sie in ihren Songs Raum für alle Aspekte, die das Leben

in der Nordstadt mitbringt.

Der dritte große Themenbereich des Projektes ist Streetart. Auch in Form von selbst gestalteten

Graffiti und Bildern sollen die unterschiedlichen Seiten der Nordstadt transportiert werden. Unter

Anleitung eines professionellen Grafikers arbeiteten die Jugendlichen an großen Würfeln, auf denen

sie mit viel bunter Farbe ihre Beobachtungen und Erlebnisse zur Nordstadt künstlerisch umsetzten.

Präsentiert werden die Exponate und Ergebnisse der unterschiedlichen Workshops ab dem 27. April

für vier Wochen ausgerechnet im noblen RWE-Tower in Dortmunds Innenstadt. „Dass wir es mit

unserer Ausstellung über die Bahnlinie geschafft haben, freut mich besonders. Nur so können wir

Leuten, die vielleicht nicht jeden Tag in der Nordstadt sind, zeigen, was es hier alles Spannendes

gibt“, freut sich Barbara Underberg auf die Vernissage. Dort werden auch Gregg, Cognac und Slyte

erstmals ihren neuen Song einer breiten Öffentlichkeit präsentieren.

INFOAktuelle Neuigkeiten und weitere Bilder zu dem Projekt gibt es unter www.wasdunichtsiehst.de

bodo wird die Vernissage im April besuchen und auf www.bodoev.de berichten

Page 11: bodo April 2012

11

VERKÄUFERPORTRÄT | protokolliert von Sebastian Sellhorst | Foto: Sebastian Sellhorst

»Besonders wichtig sind mir meine Kunden«

Die eigene Lebensgeschichte in einer Zeitung zu erzählen erfordert eine Menge Mut, beson-ders, wenn die eigene Biographie nicht nur schöne Seiten hat. Umso mehr freuen wir uns, wenn neue bodo-Verkäufer uns das Vertrauen entgegenbringen und uns erzählen, wie sie zu uns gefunden haben. Diesen Monat macht das Michael, der seit vier Monaten das Straßenma-gazin verkauft.

Geboren bin ich 1977 in Duisburg. Meinen Vater

habe ich nie kennengelernt, meine Mutter war al-

koholkrank. So bin ich fast nur in Heimen aufge-

wachsen. Zuerst war ich in der Rehabilitationsein-

richtung „Maria in der Drucht“, einer Einrichtung

für psychisch kranke Jugendliche, danach noch in

vielen anderen Einrichtungen und Kinderheimen.

Damals war ich noch ein ganz anderer Mensch. Ich

bin mit meinen Mitmenschen oft aneinander gera-

ten und war sehr leicht reizbar. Das ist aber mitt-

lerweile ganz anders.

Nach meiner Zeit in den Heimen habe ich in einer

Werkstatt für Menschen mit Behinderungen gear-

beitet. Dort habe ich Pokale zusammengebaut. In

der Zeit habe ich in unterschiedlichen Einrichtun-

gen des betreuten Wohnens gewohnt. Hatte auch

zeitweise eine eigene Wohnung, aber das hat

nicht wirklich gut funktioniert. Es gab zu viele

alltägliche Dinge, die mich damals überforderten

und die mir einfach nicht gelingen wollten. Schon

das Führen eines Haushaltes oder der Weg zu den

unterschiedlichen Ämtern überforderte mich zu

der Zeit.

Rückblickend war das eine ganz schön schlimme

Zeit. Aber mittlerweile bin ich in psychiatrischer

Behandlung und es geht mir sehr viel besser. Jetzt

versuche ich langsam mein Leben wieder in den

Griff zu bekommen. Eine eigene Wohnung habe

ich zwar noch nicht wieder, aber gesundheitlich

geht es mir schon sehr viel besser. Ich habe zwar

noch immer mit Diabetes und Bluthochdruck zu

kämpfen, aber rein psychisch bin ich im Moment

auf einem guten Weg der Besserung. Nicht zuletzt

auch dank bodo.

Zum bodo-Verkauf kam ich über einen anderen Ver-

käufer. Nachdem ich mir meinen Kollegen angese-

hen hatte, wie der Verkauf so läuft, habe ich mir

gedacht, ich könnte es doch auch mal versuchen.

Der erste Tag war noch etwas ungewohnt, aber nach

relativ kurzer Zeit lief es schon richtig gut mit dem

Verkauf, und mir wurde klar, dass ich bei bodo erst

mal richtig bin. Und so bin ich jetzt seit vier Mona-

ten bodo-Verkäufer.

Besonders wichtig ist mir der Kontakt zu meinen

Kunden. Viele Leute bleiben kurz stehen und quat-

schen ein bisschen. Manche wollen wissen, was in

der aktuellen Ausgabe steht, andere fragen mich

einfach nur, wie es mir geht. Diese kleinen Gesprä-

che finde ich super. Die helfen mir immer über den

Tag. Seit ich das mache, sind auch meine Psychosen

sehr viel besser geworden.

Zurzeit wohne ich noch zusammen mit meiner

Freundin bei meinem Bruder. Das ist streckenweise

ganz schön eng. Aber besser als auf der Straße zu

sitzen. Als Nächstes möchte ich aber auch wieder

in mein eigenes Reich. Im Moment funktioniert das

finanziell noch nicht. Aber ich bin optimistisch,

dass ich das im Laufe der nächsten Monate gere-

gelt bekomme. Die eigenen vier Wände sind schon

etwas Besonderes.

Seit 16 Jahren gehören das Straßenmagazin und seine Ver-

käufer zum Straßenbild in Bochum, Dortmund und Umgebung.

Viele haben feste Verkaufsplätze und einen eigenen Kunden-

stamm. Manche sind schon seit Jahren bei uns, andere nur

auf der Durchreise. Für alle jedoch ist der Verkauf des Stra-

ßenmagazins eine Arbeit, die Halt gibt und Selbstbewusstsein

schafft. bodo stellt regelmäßig einen Verkäufer vor.

Michael, Dortmund-Hörde

11

Kerstin Schraft – Ergotherapie am Bethanien

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Wenn es dann so weit ist, klappt es vielleicht auch

wieder mit einem richtigen Job. Zur Not wieder in

einer Werkstatt oder irgendwo als Ein-Euro-Jobber.

Aber bei bodo bleibe ich auf jeden Fall erstmal, auch

wenn ich wieder eine Wohnung habe. Meine Stamm-

kunden wollen schließlich ihre Zeitung. (sese)

Page 12: bodo April 2012

12

KULTUR | von Wolfgang Kienast | Foto: Claudia Siekarski

Karl-Lange-Straße, Hausnummer 53. Moana Köh-ring und Daniel Nipshagen sitzen entspannt in ihrem Büro auf dem Gelände des Kleingewerbe-gebiets in unmittelbarer Nähe zum Bochumer Stadion. Künstler haben sich hier niedergelas-sen, Handwerker und eine Kampfsportschule. Vis-à-vis befinden sich ein Friedhof und die Justizvollzugsanstalt. Die vielgestaltige Nach-barschaft gefällt den beiden führenden Köpfe der Kulturinitiative no-budget-arts. Sie fühlen sich wohl. Man sieht es auf den ersten Blick.

Vor etwas mehr als einem Jahr haben sie das neue

Domizil bezogen und damit ein nächstes Kapi-

tel ihrer Biografie als Künstler und Kulturanbieter

begonnen. Nipshagen erinnert sich an die Anfän-

ge. Ende der 90er Jahre wurde die Künstlergruppe

[no-budget-arts] von jungen, kreativen Menschen

gegründet, parallel zu Schule, Zivildienst oder Uni-

versität. „Gemeinsam sind wir stärker” lautete das

unverändert gültige Motto nahezu aller Newcomer.

Wie immer, wenn mehr Ideen vorhanden sind als

Geld. Jeder half jedem. Autoren schrieben Dreh-

bücher für Filmer, Musiker Songs für Regisseure.

Alle machten Party. Die ersten öffentlichen Auf-

tritte waren sensationell erfolgreich, sind Legen-

de in der Geschichte des Bochumer Undergrounds.

Kultur konstant mit ohne KohlePhase drei bei [no-budget-arts] in Bochum

12 RECHT | von Rechtsanwalt René Boyke

Inkassokosten: Wann darf was verlangt werden?

Wer schon einmal eine

Rechnung und die darauf

folgende Mahnung etwas zu lang hat liegen

lassen, der kennt das Phänomen: Ein Inkas-

sounternehmen treibt die Forderung ein und

verlangt zusätzlich Gebühren für die Eintrei-

bung – gerne mit Verweis auf noch höhere Kos-

ten, die bei weiteren Zahlungsverweigerungen

entstünden. Das ist der richtige Zeitpunkt, um

sich die Kostenaufstellung des Inkassounter-

nehmens ganz genau anzuschauen.

Dürfen die Inkassokosten überhaupt verlangt

werden? Dies ist grundsätzlich nur dann der

Fall, wenn Sie im Verzug sind. Verzug liegt bei

Verbrauchern aber nicht gleich bei jeder Zah-

lungsverspätung vor, sondern grundsätzlich

nur, wenn erstens die Zahlungsfrist abgelaufen

und zweitens erfolglos gemahnt worden ist.

Das heißt: Wer unmittelbar nach der Rechnung

bereits eine Mahnung mit Inkassogebühren

erhält, muss diese Gebühren nicht zahlen, da

noch kein Verzug vorliegt. Lediglich Mahnge-

bühren in Höhe von ca. fünf Euro wären ge-

rechtfertigt. Weiterhin müssen Inkassokosten

nicht ersetzt werden, wenn Sie vor Beauftra-

gung des Inkassounternehmens berechtigte

Einwände gegen die Forderung vortragen und

ganz eindeutig zu erkennen geben, dass Sie da-

her auf keinen Fall zahlen werden. Denn damit

wäre die Inkassoeintreibung sinnlos.

Aber in welcher Höhe dürfen Inkassokosten

verlangt werden? Oft werden solche Kosten,

die alternativ für einen Rechtsanwalt ange-

fallen wären, von Gerichten als angemessen

erachtet. Ein Beispiel: Schuldet man noch ei-

nen Betrag bis 300 Euro, dann dürfen Inkas-

sogebühren in Höhe von 53,55 Euro verlangt

werden. Bis 600 Euro sind es dann 96,39 Euro.

Alles, was darüber liegt, sollte kritisch hinter-

fragt werden.

Wer Forderungen geltend macht, der hat au-

ßerdem eine „Schadensminderungspflicht“.

Erscheinen Ihnen die Kosten künstlich aufge-

blasen, so liegt möglicherweise ein Verstoß

gegen diese Schadensminderungspflicht vor.

Dann haben Sie die Möglichkeit, gerichtlich

feststellen zu lassen, dass die Inkassogebüh-

ren um den Betrag X überhöht sind. Auf so eine

Klage will sich kein Gläubiger einlassen. Mit

dieser Verhandlungsposition haben Sie daher

gute Chancen, nun die gesamte Forderung wie-

der erheblich nach unten zu verhandeln. (rb)

www.kanzlei-boyke.de

Page 13: bodo April 2012

13

Jeweils vierstellige Besucherzahlen konnten das

„Kaufhaus des Westens” im damals leerstehenden

Union-Kino und der „Bundespresseball” in der kurz

zuvor geräumten Brinkmann-Filiale verzeichnen.

Interne Grabenkämpfe allerdings blieben nicht aus.

Um langfristig gemeinsame Ziele zu formulieren,

war die Gruppe zu inkohärent, die Fluktuation ent-

sprechend hoch. Durchsetzen sollte sich eine Frakti-

on, die unter anderem einen Verein gründen und ein

festes Quartier beziehen wollte, um organisatorisch

optimiert arbeiten zu können. No-budget-arts bezog

den Bunker am Springerplatz (und war damit über

Jahre direkter Nachbar von bodo in Bochum).

Ein Name für den Ort war schnell gefunden: bastion.

„Dort begann die zweite Phase von no-budget-arts.

Wir waren in erster Linie als Veranstalter aktiv”, sagt

Nipshagen rückblickend. „Unsere Philosophie war,

Kultur so oft es geht zu einem sehr günstigen Preis

anzubieten, und das bei möglichst professionellen Be-

dingungen für die auftretenden Künstler.” „Und irgend-

wann ist man dann ausgebrannt”, ergänzt Köhring.

„Wir betrieben Selbstausbeutung weit jenseits der

Grenzen des Vernünftigen.” Der Veranstaltungsbetrieb

wurde 2007 eingestellt.

2010/11 erfolgte der Umzug an die Karl-Lange-Stra-

ße. Damit wurde Phase drei eingeläutet. Auch die

neuen Räume, in denen sich viele Elemente aus der

Bunker-Zeit finden lassen, können privat angemietet

werden. Öffentliche Veranstaltungen finden wieder

statt – aber nur sehr selten. Zeit, Geld und Lust

müssen vorhanden sein. Wenn alles stimmt, soll der

Eintritt frei sein. „Das wollen wir ganz bewusst aus

allen wirtschaftlichen Zusammenhängen losgelöst

halten”, erklärt Nipshagen.

In erster Linie aber soll die zu oft vernachlässigte

eigene künstlerische Arbeit wieder Raum bekom-

men. Im Jahr 2007 hatten Köhring und Nipshagen als

„Teenage Angst Ensemble“ ihre multimediale Perfor-

mance „Die Lichtung“ auf die Bühne gebracht. Die

Inszenierung, die eher assoziativ als narrativ unter-

hält, wurde gut angenommen. „Auf ganzer Linie über-

zeugend”, urteilte Deutschlandradio Kultur. Mit „Das

Haus” kann das Ensemble endlich den lang geplanten

Nachfolger präsentieren. Erneut wird der „geheim-

nisvolle Ermittler” mit einem mysteriösen Fall kon-

frontiert. „Es stimmt, wir haben eine gewisse Lust an

dunklen Themen. Das mag nicht immer leicht zu kon-

sumieren sein. Wir wünschen uns, dass die Leute mit

dem Gefühl nach Hause gehen ,das war jetzt heftig,

hat aber auch Spaß gemacht‘. Wobei ,Spaß‘ in diesem

Zusammenhang doch ein komischer Begriff ist.”

„Das Haus” wurde bereits für das offizielle Rahmen-

programm der diesjährigen Dokumenta nach Kassel

eingeladen. (wk)

INFO„Das Haus“, Dienstag, 3. April, 20 Uhr

Sissikingkong, Landwehrstr. 17, Dortmund

13WILDE KRÄUTER | von Wolfgang Kienast

hatte, die zumindest an übernatürliche

Kräfte grenzte, wie wir fanden.

Die Kombi von Kind und Spinat ist ein

heikles Unterfangen. Auch wir schoben

lieber Hunger, als grünen Matsch zu löf-

feln. Etwas anderes war es, wenn sie Spi-

nat aus Nesselblättern kochte. In freier

Natur mieden wir jeden Kontakt mit dem

fiesen Kraut, sie aber erntete es, Res-

pekt, und bereitete ein Essen, das keine

Pusteln an Lippe und Gaumen brachte.

Zunächst skeptisch, aßen wir fasziniert,

vergaßen für einen Tag unsere Aversion

gegenüber jeglicher Art von Spinat.

Inzwischen weiß ich, dass die Brenn-

nessel, von der es im Handwörterbuch

des deutschen Aberglaubens heißt, ein

Gericht aus am Gründonnerstag gesam-

melten Blättern beuge Geldmangel vor,

beinahe zu schade ist, „nur” verkocht zu

werden. Mein Vorschlag, versuchen Sie

Brennnesselklößchen im Wurzelgemüse-

bett: 75 g junge Brennnesselblätter und

-triebe waschen, 5 Minuten köcheln, aus-

drücken und fein hacken. Mit 75 g Mehl,

1 EL geriebenem Parmesan, etwas Salz,

weißem Pfeffer, geriebener Muskatnuss

und ggf. etwas Wasser zu einem Teig

kneten. Kirschgroße Klößchen formen

und in heißem Wasser ziehen lassen. Sie

sind gar, wenn sie an die Oberfläche stei-

gen. Dann 2 Möhren und 2 Pastinaken in

Scheiben schneiden und 10 Minuten im

Dämpfer garen. 1 Zwiebel würfeln, in Öl

und Butter anschwitzen. Das Gemüse zu-

geben, salzen, pfeffern (schwarz), noch

3 Minuten sautieren und mit dem Saft ei-

ner Zitrone ablöschen. In einer gebutter-

ten Auflaufform Klößchen und Gemüse

mischen, reichlich geriebenen Parmesan

über das Gericht streuen und bei etwa

200 Grad 15 Minuten überbacken.

Guten Appetit. (wk)

wildkraeuter.bodo/16_brennnessel/

Jedes Jahr im Frühling kroch unsere

Großmutter mit geschnittenen Weide-

kätzchenzweigen in die vier Ecken un-

seres Gartens, steckte sie über Kreuz in

den Boden, murmelte ein paar Sprüche

und Haus und Garten waren für das Jahr

gegen Blitz, Hagel und weitere Unwetter

geschützt. Die Reiser hatte sie zuvor, an

Palmsonntag, in der Kirche segnen lassen.

Für uns Kinder war dieses Ritual um eini-

ges spannender als alles, was sich sonst

und überhaupt um die Kirche abspielte.

Zauberei zieht immer. Legierungen aus

Christlichem und Heidnischem, wie sie

gerade zur Osterzeit offen zu Tage treten,

finde ich heute noch bemerkenswert.

Wir bedauerten, dass die Großmutter mit

Ausnahme der Palmzweige hinsichtlich

magischer Praktiken sehr prosaisch ein-

gestellt war. Knoblauch half bei ihr nicht

gegen Vampire, weil es Vampire nicht

gab, Schafe waren ihr keine Glücksbrin-

ger, schwarze Katzen, Windröschen oder

Dohlen kündeten kein Unheil an.

Die Dohle, ein sauschlaues Vogelvieh,

dem auch Konrad Lorenz etliche Ergebnis-

se seiner Verhaltensforschung verdankt,

machte der NABU zum Vogel des Jahres

2012. Die Kür des Kormorans (2010) hatte

einen erbittert geführten Glaubenskrieg

mit den Fischereiverbänden nach sich

gezogen. Nach dem unproblematischen

Gartenrotschwanz im vergangenen Jahr

also erneut ein Vogel, über den diverse

Vorurteile im Umlauf sind. Der Kulturfol-

ger, dessen Lebensraum in Städten und

Dörfern durch Sanierungsmaßnahmen an

Gebäuden immer enger wird, steht noch

heute bei abergläubischen Menschen

im Ruf, die Pest und andere schlimme

Krankheiten zu übertragen. Mumpitz, das

wusste auch Großmut-

ter, die dann doch

noch eine Sa-

che drauf

Page 14: bodo April 2012

14

„Willkommen in Dortmund“. Das

erste Shooting startet direkt am

Dortmunder Hauptbahnhof.

»So ein Elend habe ich noch nirgendwo gesehen!«

DIE REPORTAGE | von Bianka Boyke | Fotos: Claudia Siekarski14

Der Countdown läuft weiter. Bereits vor Monaten wurde öfentlich, dass es einen neuen Tatort aus dem Ruhrgebiet geben wird. Erst wurde Dortmund als Stadt bekannt gegeben, dann ein Teil der Darsteller, und Anfang März wurde schließlich das gesamte Team – zunächst unter strengster Geheimhaltung des „vierten Mannes“ – einer großen Pres-semeute aus ganz NRW in Dortmund vorgestellt. Journalisten und vor allem Darsteller erwartete ein langer, langer Arbeitstag…

09:15 h Ich nähere mich vom Nordausgang dem Hauptbahnhof. Jetzt muss

ich mich beeilen. Claudia, unsere Fotografin, wartet schon auf mich. Um

9.30 Uhr soll die Pressekonferenz auf dem Bahnhofsvorplatz beginnen.

Als ich ankomme, ist sie schon in vollem Gange: Dunkle Menschentrauben

bewegen sich langsam immer wieder hin und her, verfolgen eifrig den künf-

tigen Tatort-Hautkommissar Jörg Hartmann alias Peter Faber.

Zwischen all den Kamerateams, Reportern und Fotografen kann ich Claudia

zunächst gar nicht entdecken. Wie ihre rund 30 (!) Fotografen-Kollegen

wird sie gerade von WDR-Fernsehspielchef Professor Gebhard Henke instru-

iert: „Zuerst können Sie gleich Fotos von Herrn Hartmann und Frau Schudt

hier am Hauptbahnhof machen (Fotomotiv 1: Willkommen in Dortmund).

Ich werde vor den Fotografen, der dran ist, ein weißes Blatt halten.“

Es dauert lange, bis der Tatort-Koordinator den Tagesablauf mit all seinen

Regeln erklärt hat. Alles ist durchorganisiert. Die ersten Kollegen sind

genervt. Dabei macht zum Beispiel der weiße Zettel durchaus Sinn. Denn

auch die Schauspieler sind informiert und schauen immer ganz brav Rich-

tung weißer Zettel – nach links, nach rechts, nach oben, nach unten. Bitte

lächeln, jetzt mal ernst oder auch ganz eng aneinander gekuschelt („Herr

Hartmann, jetzt mal richtig ran an die Frauen!“).

Gemischte Reaktionen bei den vorbeiziehenden Dortmundern: Während

sich vor allem die älteren Damen freuen, dass Jörg Hartmann noch bes-

Page 15: bodo April 2012

15

Einweisung am Set „Das neue

Dortmund“. WDR-Fernsehspielchef

Professor Gebhard Henke ist Medi-

enprofi und sagt an, wo‘s lang geht.

Klischees vor Kulissen?Dortmund wird zum »Tatort«

15

ser aussieht als in den Zeitschriften, und ihre Männer bemerken, dass

Frau Schudt aber auch „ne ganz Hübsche“ sei, ärgern sich die jüngeren

Passanten über die vielen Menschen, die „unbedingt vor der Ampel

rumstehen müssen.“

10:00 h Ein Doppeldecker hält vor dem Hbf. Wir sollen einsteigen. Noch

sind wir im Zeitplan. „Fotografen nach oben!“, fordert ein WDR-Mitarbeiter

barsch. Unten sitzen die Darsteller und während der Busfahrt werden wei-

tere Interviews geführt. „Blitzlicht würde stören!“

10:05 h Auf zum ersten Halt: Phoenixsee. Vom Bahnhof geht es zunächst

über den Wall, dann über die B1 Richtung Schüren. Schüren? Schuld

ist „das ominöse Internet“. Es hat dem Kölner Busfahrer eine falsche

Straße ausgespuckt. Als einige Kollegen auf dem Umweg über Aplerbeck

am Schloss Rodenberg glauben, am Ziel zu sein, haben die Dortmunder

natürlich ihren Spaß.

10:35 h Ankunft. Wir hinken 15 Minuten hinterher. 15 Minuten, die

Aylin Tezel, die dritte Darstellerin, gemeinsam mit zwei Dortmunder

Polizisten beim „Fotomotiv 2: Das neue Dortmund“ gewartet hat. Lo-

cker begrüßt sie die Meute, die aus dem Bus hinunter zum See strömt.

Die Fotografen sind begeistert: „Habt ihr diese Grübchen gesehen?“,

schwärmen die männlichen Kollegen. Keine Zeit für derartige Gefühls-

ausbrüche. Professor Henke mahnt etwas zur Eile, stellt Schauspieler

und Fotografen an ihre Plätze: „Burg im Hintergrund, Darsteller davor,

Polizisten in die Wagentüren, bitte. Und: Mützen auf. Erst die Kollegen

mit Teleskop, dann die übrigen.“

Der WDR hat Erfahrung mit solchen Terminen, weiß die Pressemeute zu

bändigen und verlorene Schafe immer wieder schnell einzufangen. Die

Darsteller werden nicht aus den Augen gelassen. Der Zeitplan ist eng,

Interviews kommen später.

Page 16: bodo April 2012

16

11:00 h Auf dem kurzen Weg zum Bus versuchen Kamerateams, Fotografen

und Reporter die Darsteller dennoch abzufangen, um ein paar exklusive

Bilder und O-Töne zu erhaschen. Verständlich, aber „keine Zeit“. An der

Kokerei Hansa (Fotomotiv 3: Dortmund – Stadt mit Industriegeschichte“)

wartet er schon: „Der vierte Mann“.

Den ganzen Morgen haben wir alle gerätselt. Was ist, wenn „Der vierte

Mann“ ganz feierlich enthüllt wird und keiner ihn erkennt? Während

der Busfahrt erfahren wir ein paar Details: „Er ist jung, Jahrgang 80,

hat in ,Knallhart' mitgespielt, … und heißt Stefan Konarske.“ „Gonas-

ke?“ „Nein. K-O-N-A-R-S-K-E.“ „Danke.“ Schnell holen die Kollegen ihre

Handys aus den Taschen, suchen im Internet eifrig nach Bildern und

rufen die Redaktionen an. Kaum jemand scheint den Nachwuchsschau-

spieler zu kennen. Schade. Mit dem großen Geheimnis, das der WDR

um den Berliner machte, hat man dem vierten Tatort-Kommissar leider

keinen Gefallen getan. Die im Vorhinein von vielen Kollegen angemel-

deten Interviews werden teilweise abgesagt. Die Erwartungen wurden

wohl zu hoch geschraubt. Als Stefan Konarske sich an der Kokerei Hansa

schließlich einfach unter die Meute mischt, statt offiziell vorgestellt zu

werden, ist die Spannung gänzlich verflogen.

Da stehen sie nun vor ihrem ersten Tatort: die vier neuen Gesetzeshüter

Dortmunds. Der prominente Jörg Hartmann, Bühnen-Profi Anna Schudt,

Nachwuchstalent Aylin Tezel und der fröhliche Weltenbummler Stefan Ko-

narske. Sie passen gut zusammen.

Weiter geht es – zum Hardenberg-City-Center. Dort warten nicht nur Ge-

tränke und ein kleines Buffet – natürlich mit Currywurst – auf die hungri-

gen Darsteller und Journalisten, sondern auch ein weiteres Fotoshooting

mit anschließendem Pressegespräch und Einzelinterviews. Weitere fünf (!)

Stunden Marathon – vor allem für die Darsteller.

»Keine Zeit!«Wir hinken 15 Minuten hinterher.

16

Rund dreißig Fotografen kommen

bei der mehrstündigen Tatort-Reise

voll auf ihre Kosten. Motive satt!

Page 17: bodo April 2012

17

17

12:30 h Nach einem weiteren Fotoshooting (Fotomotiv 4: Über den Dä-

chern von Dortmund) beginnt das Pressegespräch. WDR-Intendantin Monika

Piel, Ullrich Sierau, Polizei-Chef Norbert Wesseler, Professor Gebhard

Henke, Produzentin Sonja Goslicki, Redakteur Frank Tönsmann sowie Dreh-

buchautor Jürgen Werner und Regisseur Thomas Jauch kommen zu Wort. Sie

freuen sich alle gemeinsam und hoffen – zumindest die Dortmunder – auf

Authentizität und wenig Klischees.

Ohnehin scheint das Wort „Klischee“ das meistgesagte des Tages. In jedem

Interview müssen Darsteller und Macher Rede und Antwort stehen. Doch

liest man die Rollenbeschreibung des Polizeioberkommissars Daniel Kossik

(Stefan Konarske), ist das auch nicht weiter verwunderlich. Dort heißt es

u.a.: „Anfang Dreißig. Stehplatz-Dauerkarte beim BVB, Hütte in der Lauben-

kolonie, Vater war unter Tage, der Bruder arbeitsloser Grubenarbeiter...“. Und

über Polizeioberkommissarin und Deutsch-Türkin Nora Dalay (Aylin Tezel)

steht in der Pressemappe: „Wohnt seit Jahren in der Dortmunder Nordstadt

und kämpft dort für bessere Lebensbedingungen.“

„Also: Wird im Dortmunder Tatort nur mit Klischees gespielt, oder wollen

Sie ein authentisches Dortmund präsentieren“, fragen wir den Münchner

Regisseur Thomas Jauch, der inzwischen in Hamburg lebt: „Ich habe mich

bereits am Borsigplatz umgeschaut, und da muss ich die Geschichten gar

nicht erfinden. Sie liegen auf der Straße. So ein Elend habe ich noch nir-

gendwo gesehen. Aber es gibt ja auch schöne Orte wie den Phönix-See oder

den Signal-Iduna-Park.“ (bb)

INFODie Arbeit am Tatort Dortmund beginnt gleich mit zwei Fällen: Ab Mitte März

stehen die Schauspieler für „Alter Ego“ vor der Kamera. Direkt im Anschluss

starten die Dreharbeiten für „Mein Revier“. Zwei Tatort-Folgen pro Jahr wer-

den künftig gedreht. Die TV-Premiere ist für Herbst 2012 geplant.

»Herr Hartmann, jetzt mal richtig ran an die Frauen!«

Wird hier das erste Mordopfer

gefunden? Die Kokerei Hansa als

Kulisse für das Fotomotiv „Stadt

mit Industriegeschichte“.

Page 18: bodo April 2012

18

Alarm! Kriminalität steigt dramatisch!

Die Welt ist schlecht und es wird immer

schlimmer – so wird seit ihrer Erfindung auf

Verbrechensstatistiken reagiert, zuletzt auf

Dortmunds Polizeiliche Kriminalstatistik

(PKS) für das Jahr 2011.

2011 war das Jahr, in dem Dortmund die „Ekel-

häuser“ erfand, in dem „Bulgarenbanden“ ein-

fielen und in dem der Untergang des Abend-

landes nur durch Straßenprostitutionsverbot

und „Taskforce Nordstadt“ abgewendet wer-

den konnte. Eigentlich Grund genug, um nach

den Verbindungen von polizeilicher, gefühlter

und berichteter Wirklichkeit zu fragen.

Unstrittig ist: es gibt eine deutliche Zunah-

me von „reisender Eigentumskriminalität“

durch Gruppen, die gezielt Einbruchsdelikte

begehen. Und es gibt bei Diebstahldelikten

vor allem aus PKW einen deutlichen Anstieg.

Alles andere in der PKS bedarf der Deutung.

Der Anstieg von über 63 Prozent (!) bei „Be-

förderungserschleichungen“ heißt nicht,

dass es einen einzigen Schwarzfahrer mehr

gibt, sondern dass die Verkehrsbetriebe

groß in Überwachung investieren. Ähnli-

ches gilt für Rauschgiftdelikte, die um ver-

blüffende 20 Prozent stiegen. Würden nur

morgen früh flächendeckend Durchsuchun-

gen aller Schülerinnen und Schüler durchge-

führt, könnte die nächste PKS einen Anstieg

um mehrere Hundert Prozent melden: Bei

den Kontrolldelikten erscheint Kriminalität

vollends gemacht. Ihre Verfolgung erzeugt

statistisch Kriminalität.

In der Nordstadt konnte jeder sehen, wie die

„Taskforce“ erst die Drogenszene ignorierte

und stattdessen mit aggressivem Kontroll-

druck die Bulgaren von der Straße vertrieb

(und dabei Delikte sammelte). Als das er-

ledigt war, gerieten Dealer und Umschlag-

plätze wie Cafés und Kioske in den Fokus.

Nicht deren Zahl hatte sich geändert, son-

dern die der Ordnungshüter mit Zeit.

Apropos: Das Verbot der Straßenprostitu-

tion führte zu einem Anstieg der Sexual-

delikte um 57 Prozent. Auch das Erfinden

neuer Delikte macht Kriminalität.

Dies und viel mehr steht in der PKS. In der

Zeitung steht: „Fast 10 Prozent mehr Straf-

taten“. (bp)

NEWS | von Alexander Greif18 DER KOMMENTAR | von Bastian Pütter

Zwangsarbeit: Ausstellung in Dortmund

Bis zum 30. März gastierte die Wan-

derausstellung „Zwangsarbeit. Die

Deutschen, die Zwangsarbeiter und

der Krieg“ im Industriemuseum Ze-

che Zollern in Dortmund. Gezeigt

wurden zeitgenössische Dokumen-

te, Fotografien und insbesondere

Interviews mit Zeitzeugen. Mit

der Zeche Zollern wurde die Aus-

stellung zudem an einem Ort ge-

zeigt, der selbst Schauplatz dieses

Verbrechens gewesen ist. Initiiert

von der Stiftung EVZ, die sich mit

der Aufarbeitung von Zwangsarbeit

unter dem NS-Regime beschäftigt,

und erarbeitet von der Stiftung

Gedenkstätten Buchenwald und

Mittelbau-Dora, sollen mit der

Ausstellung das ganze Ausmaß

dieses Verbrechens dargestellt und

die Opfer und ihre Hinterbliebenen

gewürdigt werden. Dabei machte

die Ausstellung bereits im Jüdi-

schen Museum Berlin und, zum

70. Jahrestag des Überfalls auf

die Sowjetunion, in Moskau Stati-

on. Interessierte können auf www.

ausstellung-zwangsarbeit.org sowie

im Begleitband einen Teil der Ex-

ponate ansehen.

SKOTTS SEITENHIEB

Kulturloge Ruhr:Tickets für Bedürftige

Kultur auch für sozial Benachtei-

ligte. Mit diesem Ziel nahm die

Kulturloge Ruhr mit Sitz in Essen

im Jahr 2010 ihre Arbeit auf. Das

Prinzip hinter dieser Einrichtung

ist ähnlich dem der Tafel-Organi-

sationen: Einrichtungen aus dem

Bereich Kultur, beispielsweise

Kinos, Konzerthaus oder Theater,

spenden nicht verkaufte Tickets

an die Kulturloge. Diese werden

dann an bedürftige Interessen-

ten, deren Vorlieben und Wün-

sche zuvor erfasst wurden, ver-

mittelt. Die Idee dafür stammt

aus Marburg und verbreitete sich

rapide über die ganze Republik.

Auch in Bochum und Dortmund

wächst die Zahl an Kulturpart-

nern stetig: So haben unlängst

der Bahnhof Langendreer und

das Bergbaumuseum in Bochum

sowie in Dortmund das domicil,

das Konzerthaus und das Haren-

berg City Center ihre Unterstüt-

zung zugesagt. bodo ist gerne

Kooperationspartner und gibt

dieses Angebot an seine Verkäu-

fer weiter.

Armut weltweit:„Explore Poverty“ in der DASA

Armut weltweit – In Kooperation

mit renommierten Museen in Hel-

sinki, Minnesota und Luxemburg

hat die Deutsche Arbeitsschutz-

ausstellung DASA eine interak-

tive Online-Ausstellung namens

„Explore Poverty“ initiiert. Dem

Internet-User wird hier anhand

von 150 Bildern, Videos und Ob-

jekten aus den letzten drei Jahr-

hunderten der Begriff der Armut

erläutert, dies kostenlos und mit

besonderem Augenmerk auf die

verschiedenen Ausprägungen von

Armut in verschiedenen gesell-

schaftlichen Kontexten weltweit.

Aufgebaut ist die Seite wie eine

digitale Fotowand, über die man

mit der Maus navigieren kann.

Zehn Leitfragen ordnen die viel-

fältigen Dokumente inhaltlich

und geben Anstöße, sich wei-

tergehend mit dem Thema Armut

zu beschäftigen. Die Inhalte der

Seite können von allen Nutzern

über Facebook und Twitter geteilt

werden, zudem können Institu-

tionen mit Interesse kostenlos

selbst Inhalte zu der Ausstellung

hinzufügen.

Page 19: bodo April 2012

19

ANZEIGE

Page 20: bodo April 2012

20 LESE

BUEHNE

Martha ist ihr Taufname, Marcy May wird sie in

der Landkommune genannt, die einen alter-

nativen Lebensentwurf zum bürgerlichen Le-

ben pflegt, der allerdings streng hierarchisch

geregelt ist und dessen Idylle trügt. Anfüh-

rer Patrick, so charismatisch wie bedrohlich

wirkend, hat überdurchschnittlich viele junge

Frauen unter seinen Anhänger-Innen.

Als Martha nach zwei Jahren der plötzlichen

Abwesenheit wieder bei ihrer Familie auf-

taucht und von ihrer älteren Schwester Lucy

und ihrem Mann Ted aufgenommen wird,

kommen diese erst Stück für Stück dahinter,

wo und wie Martha gelebt hat, bis sie ge-

flohen ist. Fest steht, dass sie Verstörendes

erlebt haben muss und sich in dem abgele-

genen Haus der beiden immer noch bedroht

fühlt. Dazu kommt, dass sie mit Teds bürger-

licher Sichtweise nicht klarkommt. Die Span-

nungen steigen, Marthas Traumatisierung

zeigt sich mehr und mehr, ihre Erinnerungen

brechen in die Gegenwart ein.

Für seinen Regie- und Autoren-Erstling wur-

de Sean Durkin nicht nur mit dem Preis für

die beste Regie beim Sundance Filmfestival,

sondern auch mit einer begeisterten US-Kri-

tik und vielen Best-of-2011-Platzierungen

belohnt. In Cannes erhielt der Film den Prix

de la Jeunesse für sein scharfsinnig konstru-

iertes und elegant inszeniertes Psychothril-

ler-Kunstwerk. Der Filmtitel ist durch die

Songs Jackson C. Franks inspiriert, dessen

bewegende Musik den Film begleitet.

Do 12.04. bis Mi 18.04. um 19.15 Uhr

Do 19.04. bis Mi 25.04. um 21 Uhr

(außer So 22.04. und Mo 23.04.)

Endstation Kino im Bahnhof Langendreer

Wallbaumweg 108, 44894 Bochum

Telefon 0234 – 68 71 620

www.endstation-kino.de

endstation.kino & bodo präsentieren:Martha Marcy May Marlene

20 KINOTIPP | von endstation.kino

Aus den tiefen Wirren der Straßenschluchten | verworrene Wege verknotet und

eng umschlungen um Häuser gebunden, | da klettert es langsam zu mir herauf |

ist erst ganz leise – und dann ganz laut. | Dumpf wummernde, stumpf häm-

mernde, stumm stampfende... | Erinnerungen an weit entfernte Tage.

Es wird wieder Zeit – rufst du | Zeit auszuufern, zu zweit ein bisschen Streit

zu suchen | In den tiefen Wirren der Straßenschluchten | Wo auf verworrenem

Wege ein Freund nach dir ruft: „Komm raus, mein Freund, und spiel mit mir, |

Komm raus und spiel mit mir ein Spiel. | Es heißt Bordsteinrebellen.“

Wir verlassen die begrenzte Welt der Dielenböden, | Unsere Häuser sind nur

Winterhöhlen in denen wir uns verstecken. | Doch ab jetzt da balancieren wir

behäbig über Bordsteinkanten | wanken wacker, leicht betrunken, torkelnd durch

die Straßen | tanzen Limbo unter Schranken, weils verboten ist und Spaß macht.

Doch zunächst mal müssen wir trinken | Denn wer nicht trinkt mein Freund der

stirbt | Drum lass uns eine Bude finden | Bevors die Laune uns verdirbt |

Und wir ziehen von Bude zu Bude zu Bude | Sind Bruder und Schwester im Geis-

te | Es ist wie ein – buddhistischer Kreuzzug.

Und so schweben wir dem Kiosk entgegen | Rufen – Gib uns all dein Bier! | Denn

wir sind Bordsteinrebellen, und retten die Welt. | – Zumindest so ein bisschen – |

Also sei uns behilflich, sei man netten | und gib uns so ein zwei Kistchen.

Bewaffnet mit ein bisschen zu viel Übermut | aber definitiv zu viel Bier ziehen

wir los in die Schlacht | Trotten Träge über den Trottoir und sind einfach nur

da | Wir sind da – und ja man soll uns sehn | wie wir stolz durch die Straßen

ziehen | über den lauwarmen, tauarmen Teer.

Wir verzehren uns, zerren uns gegenseitig durch die Welt | die scheinbar nichts

mehr zusammen hält außer dieses Licht welches wir so vermisst haben | Wir

tapezieren die Wände der Stadt mit der Sonne | Und beginnen den Kampf um

ein schattiges Plätzchen im Park.

Es ist Frühling und wir sind auf der Straße | Wir spielen Bordsteinrebellen –

Weil Rebellen die beißen nicht. | Schauen blinzelnd zur Sonne und im gleißen-

den Frühlingslicht | klettert es langsam zu uns herab.

In die tiefen Wirren der Straßenschluchten | wo wir durch verworrene Wege

verknotet | und eng umschlungen um Häuser gebunden, | ein Gedicht über

unsere Liebe summen | erst ganz leise – und dann ganz laut.

„Frühling bläst einen lauen Beat | Wieder flattern durch die Lüfte; | Süße,

wohlbekannte Düfte | Streifen ahnungsvoll das Land. | Ein Liedchen, träum ich

| Werde bald schon kommen. | Horch, von fern ein leiser Ton! | Frühling, ja Du

bist ‘s! | Dich hab’ ich vernommen!“

LESEBÜHNE | von Rainer Holl

Vom Papier vor‘s Mikrofon auf´s Papier. In unserer Kolumne präsentieren

wir Texte der lebendigen Poetry-Slam- und Lesebühnenszene der Region.

Diesmal: Rainer Holl.

INFO

Rainer Holl ist Autor, Automatopoet, Medienkünstler, Poetry-

Slammer, Preisträger des LesArt-Preises für junge Literatur

2010 und Mitglied der Dortmunder Lesebühne Schreibgut.

www.automatopoesie.de

Bordsteinrebellen

Page 21: bodo April 2012

21

VERANSTALTUNGEN APRIL 2012 | VERLOSUNGEN | CD-TIPPS | zusammengestellt von Benedikt von Randow 21

Auch diesmal gibt es wieder Karten für tolle Veranstaltungen und Bücher zu gewinnen.Senden Sie uns eine Email mit dem Betreff „bodo-Verlosung“ und der Angabe Ihres Wunschgewinns an:

[email protected] schicken Sie uns eine frankierte Postkarte mit Ihrem Wunsch, Absender und Telefonnummer an:

bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund

Unter allen Emails und eingesandten Postkarten entscheidet das Losverfahren.

Alle Gewinner werden rechtzeitig telefonisch oder per Email benachrichtigt.

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Einsendeschluss für Veranstaltungen ist jeweils zwei Werktage vor dem Termin.Einsendeschluss für terminunabhängige Verlosungen ist der 25.4.2012

23.04. | Tucson Songs on Tour | FZW, Dortmund | 3 x 2 Karten

24.04. | Movits! | Bahnhof Langendreer, Bochum | 3 x 2 Karten

27.04. | Drei Worte nur... | Theater im Depot, Dortmund | 3 x 2 Karten

28.04. | Rock in den Ruinen | Phoenix West, Dortmund, 3 x 2 Karten

28.04. | Der Meister und Margarita | Schauspielhaus, Dortmund | 3 x 2 Karten

12. – 25.04. | Martha Marcy May Marlene | endstation.kino, Bochum | 1 x 2 Karten

Hause | DERHANK | 3 Exemplare

Bullerbüdchen | Hattinger Straße 80, 44789 Bochum |

Ein großes Frühstück für zwei mit Kaffee und einer Piccolo-Flasche Sekt

Viel Glück, wünscht Ihr bodo-Team!

Rock in den Ruinenmit Saxon, Phillip Boa, Killing Joke u.a.

Samstag, 28. April ab 12 UhrPhoenix West Areal Dortmund

bodo verlost 3 x 2 Karten

Page 22: bodo April 2012

22

DO 05 | 04 | 12

Lesung | Oliver Uschmann

Outdooraktivisten und Überlebenskünstler wissen es na-

türlich schon längst: Wer da draußen, in freier Wildbahn

nicht untergehen will, der muss die Wildnis verstehen.

Dass diese Einsicht auch dort gilt, wo die Wildnis nur ein

Reservat ist, ein kontrollierter Ausnahmezustand, be-

weist Oliver Uschmann mit seinem neuen Buch „Überle-

ben auf Festivals“. Uschmann weiß, worüber er schreibt.

Lange Jahre hat er als Musikjournalist (u.a. für VISIONS)

gearbeitet. In der Parallelwelt Musik-Festival kennt er

sich aus wie in der eigenen Westentasche. Er weiß um

die eigenen Gesetze, die dort herrschen, kennt die Ri-

tuale und ist in der Lage, nachvollziehbar zu erklären,

wie Besucher und Musiker zu Gattungen werden, die ein

neugieriger Erforscher des Urwalds auf Zeit beobachten

und kategorisieren kann.

Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr

Musik | Hannes Weyland

„Blutjunges Landei mit Gitarre strandet an seinem ers-

ten Großstadt-Abend in der Hafenkneipe.“ So fangen

eigentlich eher tragische Geschichten an. Für Hannes

Weyland aber war jener erste Abend im subrosa der Be-

ginn einer wunderbaren Freundschaft zur Nordstadt-Mu-

sikszene. Nach vielen Auftritten dort und einer eigenen

Konzertreihe, dem Bonsai-Festival „3-klang“, kommt

Hannes Weyland nun sozusagen wieder nach Hause: Mit

dem Release-Konzert zu seinem Debüt-Album samt neuer

Band und Claudia Rudek, Murat Kayi & Guntmar Feuer-

stein. Mit einer vollkommenen Unbefangenheit lässt der

eigentlich in der Rapmusik verwurzelte Songwriter Asso-

ziationen zum Folkpop der 70er Jahre zu.

Subrosa, Dortmund, 19.30 Uhr

Theater | Carole King. Queen Of The Beach

Ihre Songs kennen wir alle, doch kaum jemand kennt ih-

ren Namen. Zusammen mit ihrem Mann, dem Texter Ger-

ry Goffin, schrieb Carole King Musikgeschichte: Lieder

wie „Natural Woman“, „Will you love me tomorrow“ und

„You’ve got a friend“ stammen aus ihrer Feder und blei-

ben wie Kings spätere LP „Tapestry“ unvergesslich. Erst

17 Jahre war sie alt, als sie auf dem College in Brooklyn

begann, Songs zu komponieren. Dort traf sie Gerry Goffin

und das junge Paar wurde zu einem der erfolgreichsten

Songwriter-Duos der 1960er Jahre. Das Paar Katharina

Linder und Michael Sideris wird die Lieder der beiden neu

interpretieren und als bitter-süße Geschichte über die

Liebe und das Leben erzählen.

Kammerspiele, Bochum, 19.30 Uhr (auch 20.04.)

MO 09 | 04 | 12

Kleinkunst | Die Tagebücher von Adam und Eva

„Was Gott gebunden, das soll der Mensch nicht tren-

nen“, lautet ein altes Sprichwort. Allerdings hat sich

die Spezies Mensch noch nie sonderlich an Gottes Ge-

bote gehalten. Sorgfältig getrennt in die Gattungen

„Mann“ und „Frau“ banden sich diese trotz des Gebotes.

So nahm das Elend seinen Lauf. Und wir als die Nach-

fahren Adam und Evas stehen erschrocken in unseren

Leben herum und fragen ratlos: Was ist damals wohl

passiert? Endlich gibt es auf diese Frage eine Antwort:

Die Tagebücher von Adam und Eva. Das Original, er-

funden und entdeckt von Mark Twain höchstpersönlich.

Vorgetragen wird dieses Zeugnis von ebenfalls lebens-

erfahrenen Interpretinnen: Tirzah Haase, Schauspiele-

rin und Sängerin, sowie Uta Rotermund, Kabarettistin,

Schauspielerin und Autorin.

Fletch Bizzel, Dortmund, 15 Uhr

01 | 04 | 12 Nina Hagen

22 VERANSTALTUNGEN APRIL 2012

05 | 04 | 12 Carole King. Queen Of The Beach

SO 01 | 04 | 12

Musik | Nina Hagen

Ihr erstes deutschsprachiges Album seit 1995,

ergänzt um die großen Erfolge von einst („Auf’m

Bahnhof Zoo“, „TV-Glotzer“, „Unbeschreiblich

weiblich„), bringt Nina Hagen nun wieder auf die

Bühne. Und wer jemals das Glück hatte, die schräg-

geniale Musikerin live zu erleben, weiß, dass das im-

mer ein extravagantes Erlebnis ist. „Volksbeat“ heißt

ihre aktuelle Platte mit Songs und Texten von Wolf

Biermann, Bertolt Brecht, Bob Dylan und Martin Lu-

ther King. „Die Scheibe ist 70s-lastig, beeinflusst von

der Musik, die mich schon damals inspiriert hat zum

Zusammenhalt, zur Solidarität mit allen anderen Men-

schen, die auch in Frieden und Freiheit leben wollen“,

betont Nina Hagen (56), die vor 25 Jahren übrigens

auch ein Ufo über Malibu gesehen haben soll.

Zeche, Bochum, 20 Uhr

DI 03 | 04 | 12

Lesung | Und ich dachte, es sei Liebe

Was tun, wenn es aus ist? Zu den zeitlosen Ritualen, sich

vom Geliebten zu lösen, gehört der Abschiedsbrief – ein

Klassiker seines Genres, so alt wie die Liebe selbst. Sibylle

Berg hat quer durch die Zeiten solche Briefe von Frauen

gesammelt. Die vielseitige Schauspielerin Hannelore Ho-

ger ist zu Gast in den Kammerspielen und liest gefühlvoll

und verzweifelt, sarkastisch und sanft die Worte aus Wut

und Trauer, bangender tiefer Liebe und Hoffnung. Die Le-

sung begleitet musikalisch der Pianist Siegfried Gerlich.

Kammerspiele, Bochum, 20 Uhr

MI 04 | 04 | 12

Musik | Morgan Finlay

Singer-Songwriter Morgan Finlay ist ein weltoffener Mu-

siker mit kanadischen Wurzeln. Mit poetisch starken Tex-

ten und seinem vielschichtigen Indie-Rock begeistert er

Fans europaweit. Seine Stimme, oft verglichen mit Bruce

Cockburn oder Jeff Buckley, wird ergänzt durch die mu-

sikalischen Talente von Gitarrist Dean Drouillard, Cellist

Mike Olsen und Bassist Marlow Holder.

Zauberkasten, Bochum, 20.30 Uhr

VIOLETTA PARISINI | Open Secrets (Emarcy / Universal)

Die österreichische Musikerin Violetta Parisini gehört zu den starken Frauen, die ihre Stimme nicht einem

dicken Housebeat unterwerfen und von einem Rapper anpeitschen lassen. Hier wird leicht artifiziell, aber

trotzdem poppig, wenig ausgeschmückt einer Art Singer-Songwriter-Musik gefrönt, die man vielleicht als

NuPop bezeichnen könnte. Künstlerinnen wie Soko, Lisa Mitchell, Boy und Eliza Doolittle kann man da

durchaus vergleichend erwähnen. Violetta Parisini unterwirft sich nicht dem Perfektions-Diktat, sondern

macht einfach ihre Musik und erzählt darüber, was ihr am Herzen liegt: „Wir müssen alle toll ausschauen,

funktionieren, gesellschaftsfähig und im Idealfall auch glücklich sein. Ich weiß, mich macht Musik glücklich.

Trauer, Depression und Wut muss ich ausdrücken, bevor es wieder gut wird. Mit Musik geht das am besten.“

Dabei setzt sie nicht auf überbordende musikalische Arrangements, sondern auf Klarheit und Einfachheit.

Im Zentrum stehen auf ihrem zweiten Album das Klavier und ihre Stimme irgendwo zwischen Gesang und

Poetry-Slam, die ebenso sanft wie rau klingen kann. Und textlich geht es der 31jährigen Autodidaktin um

das Streben und die Sehnsucht nach dem ganz individuellen Glück. Wer sucht das nicht? (BvR)

CD-TIPP

Page 23: bodo April 2012

23

DI 10 | 04 | 12

Musik | Rocky Votolato

Rocky Votolato - er trägt einen Namen, der fast zu künst-

lich klingt, um wahr zu sein. Besonders für eine Person,

die aus einem texanischen Nest mit 650 Einwohnern

stammt. Doch er ist wahr - was uns zwei Dinge über Ro-

cky Votolato verrät: Seine italienischen Wurzeln und die

Originalität seines Vaters, der bei seiner Geburt 1978 auf

einer Ranch arbeitet und ein begeisterter Motorradfah-

rer ist. Seine Musik bewegt sich im entspannten Ame-

ricana-Songwriter, das schwer an Bonnie Prince Billys

countryeske Ausflüge erinnert, fast positive Vibes ver-

breitet und insgesamt die Stimmung einer beschwingten

Veranda-Grillparty mit viel Wein und alten Geschichten

rüberbringt. Perfektes Songwriting mit viel Gefühl und

Qualität. Support: Victor Villarreal und mOck.

FZW, Dortmund, 20 Uhr

FR 13 | 04 | 12

Musik | Stephan-Max Wirth

Der süddeutsche Saxofonist Stephan-Max Wirth wid-

met sich der Musik von Alice Coltrane. Nonkonformis-

tisch durchkreuzte sie in den 70er Jahren die klare

männliche Linie der Improvisationskunst und ent-

wickelte die Musik ihres verstorbenen Mannes John

Coltrane auf ihre eigene Art weiter. Wirths Album

„Multiple Pulse“ geht über ein reines „Tribute-to“ hin-

aus: Es ist eine sehr persönliche Hommage an Musik,

Geist und Freiheitsbegriff der Künstlerin.

domicil, Dortmund, 21 Uhr

SA 14 | 04 | 12

Kabarett | Jürgen Bangert

Jürgen Bangert wusste bis vor einem Jahr nicht mal, was

er so alles über den Tag gegessen hat. Okay, vielleicht

wusste er es noch, aber es hätte viel zu lange gedauert,

das alles aufzuzählen. Wenn er davon sprach, „dick im

Geschäft zu sein“, war damit eher gemeint, er war der

Dicke im Geschäft. Doch das ist jetzt vorbei. „Nimm‘s

light... Ich weiß, was Du letzten Sommer gegessen hast!“

So heiß das aktuelle Programm des Fitness-Zampanos.

Zauberkasten, Bochum, 20.30 Uhr

Kindertheater | Die Abenteuer des Rüdiger Sommerwind

Rüdiger Sommerwind plant gerade eine neue Reise: Nach

Afrika will er. Es könnte natürlich geschehen, dass das

Fahrgeld nicht ausreicht und Rüdiger nur bis Bad Tölz

kommt. Egal, dort leben ja auch so gefährliche Tiere wie

Wildkaninchen, Raubmäuse und Murmeltiger. Schnell

noch die Raubtierfangkleidung angezogen, und schon

beginnt die Jagd. Der Abenteurer Rüdiger Sommerwind

steht in direktem Dialog mit seinen Zuschauern und

nicht nur die daraus entstehende Situationskomik über-

zeugt. Darüber hinaus überrascht auch das wandelbare

Bühnenbild. Blitzschnell wird aus der schlichten Kiste

der Bahnhof, die Eisenbahn, der Urwald oder das Flug-

zeug. Ein Theaterstück für Kinder ab 4 Jahren.

HalloDu-Theater, Bochum, 16 Uhr

DO 19 | 04 | 12

Lesung | Frank Goosen

Frank Goosen liest aus seinem neuen Roman „Som-

merfest“. Just an dem Wochenende, als die Sperrung

der A40 zum kulturellen Ereignis wird, muss Stefan

zurück nach Bochum, um das Haus seiner Eltern zu

verkaufen. Zwischen Schrebergarten und Selterbude

trifft er all die kuriosen Gestalten wieder, mit denen

05 | 04 | 12 Oliver Uschmann 19 | 04 | 12 La Kinky Beat10 | 04 | 12 Rocky Votolato

er aufgewachsen ist. Und Charlie, Sandkastenfreundin

und Jugendliebe. Keine Frau kennt Stefan so gut –

und wegen keiner Frau ist er so viele Jahre einem Ort

ferngeblieben.

Werkstadt, Witten, 20 Uhr

Musik | La Kinky Beat

La Kinky Beat sind wohl die zurzeit innovativste

Band Barcelonas. Mit ihrem besonderen Stil und ihrer

druckvollen Liveshow haben sie die Schublade „Mesti-

zo“ gesprengt. Ihre erste Platte „Made in Barna“ zeig-

te die eher wilde Seite des Mestizo, mit Einflüssen aus

Rocksteady, Reggae und Punk, gepaart mit groovigen

Elementen und catchy Popstrukturen. Diese Band ist

immer wieder für eine Überraschung gut. Ihr aktuelles

Album „Massive Underground“ überrascht mit fettem

Dubsound und rockt wieder verstärkt mit Drum‘n‘Bass

und elektronischen World-Beats.

Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

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Page 24: bodo April 2012

24

Mischmasch | Mordwärts – Faszination Schwedenkrimi

Von Sjöwall/Wahlöö bis Stieg Larsson haben schwe-

dische Krimis Deutschland erobert. Die Autoren

sind so erfolgreich, dass sie sogar ein neues Genre

geschaffen haben: den Schwedenkrimi. Warum aber

sind die Schwedenkrimis in Deutschland so beliebt?

Was für ein Bild von Schweden vermitteln sie? Prä-

gen nun vor allem düstere Wälder, soziale Probleme und

Psychopathen das Schwedenbild der Deutschen? Ist Pip-

pi Langstrumpf durch Lisbeth Salander ersetzt worden?

Zusammen mit Alexandra Hagenguth, Schwedenkrimi-

Kennerin und Redakteurin der Homepage „schweden-

krimi.de“, werden diese Themen in Augenschein genom-

men. Es wird Zeit, „mordwärts“ zu blicken.

Auslandsgesellschaft NRW e.V., Dortmund, 19.30 Uhr

Film | Frauenfilmfestival: Forbidden

Vom 17. bis 22. April findet das Internationale Frauen-

filmfestival in Köln statt, nach wie vor eines der wich-

tigsten Foren für weibliches Filmschaffen weltweit. Wer

den Weg nach Köln nicht auf sich nehmen will, muss auf

das Festival trotzdem nicht verzichten. „Forbidden“ ist

ein Akt des Ungehorsams. Am 25.01. 2011, dem ersten

Tag der Massenproteste in Ägypten, fertiggestellt, be-

fasst sich der Film mit Verboten, die im Zusammenhang

mit den Notstandsgesetzen erlassen wurden. Das Überle-

ben schien nicht möglich, folgte man den Regeln, daher

haben die Menschen jeden Tag Verbotenes getan. Ramsis

und Gleichgesinnte gingen noch einen Schritt weiter, sie

haben ihren Ungehorsam laut und deutlich in die Kamera

gesprochen. www.frauenfilmfestival.eu.

RWE Forum / Kino im U, Dortmund, 19.30 Uhr

FR 20 | 04 | 12

Comedy | Mia Pittroff

Mia Pittroff wurde in Bayreuth geboren und verlebte

dort eine glückliche und co2-haltige Kindheit an der

Autobahnausfahrt. Mit ihrem fränkischen Zungen-

schlag redet und singt sie sich in ihrem Programm

„Mein Laminat, die Sabine und ich“ zwei Stunden um

Kopf und Kragen. Humor, trocken wie Heizungsluft,

gute Beobachtungen und wunderbar groteske Bilder,

das sind die Markenzeichen von Mia Pittroff, der frü-

heren Poetry-Slamerin, die 2011 gleich vier Kabarett-

Preise einheimste. „Wie der frühe Polt. Nur weiblich

halt und hübscher!“ (Ein begeisterter Fan)

Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

SA 21 | 04 | 12

Kunst | Offene Ateliers Dortmund

Erstmalig öffnen in ganz Dortmund an 106 Standorten

Künstler unterschiedlichster Kunstsparten sowie acht

Galerien ihre Türen. Für den Start rechnen die Initi-

atoren Axel Schöber, Rita-Maria Schwalgin und Tanja

Melina Moszyk mit 180 professionellen Kreativen, die

ein Wochenende lang ihre Produktionsstätten öffnen

werden: „Kunst braucht Freiräume.“ Zudem erscheint

ein Katalog, prall gefüllt mit Informationen, Kontakt-

daten, Portrait und Werkbeispiel je Teilnehmer und

ein Flyer zur individuellen Routenplanung. Mehr Infos

und Planungshilfe gibt‘s unter www.offene-ateliers-

dortmund.de. Der Eintritt ist frei.

106 Orte, Dortmund, 15 – 22 Uhr (auch 22.4. 11 – 18 Uhr)

SO 22 | 04 | 12

Film | Der goldene Zweig

Noch nie wurde ein Text des indisch-britischen Autors

Salman Rushdie verfilmt. Schon diese Tatsache macht

den 25minütigen Kurzfilm von Drehbuchautor und Re-

gisseur Matthias Zucker bemerkenswert. „Der goldene

Zweig“ erzählt nach der gleichnamigen Shortstory Rush-

dies die Geschichte von David Gularski, der verzweifelt

einen neuen Job sucht. Nach monatelanger erfolgloser

Suche wird ihm klar, dass alle Bewerbungsgespräche

stets von der gleichen Person geführt werden, die offen-

sichtlich nur dazu da ist, ihn abzulehnen. Gularski ent-

scheidet, dass nur noch drastische Maßnahmen helfen

können. Die Darsteller sind überwiegend als Schauspie-

24 VERANSTALTUNGEN APRIL 2012

20 | 04 | 12 Mia Pittroff 22 | 04 | 12 Der goldene Zweig

THE BLACK SEEDS | Dust and Dirt ( Proville / Indigo)

So abwechslungsreich kann also Reggae sein. Tituliert als „eine der besten Reggae-Bands auf dem Planeten“

(Clash-Mag, UK) präsentieren sich die Neuseeländer nun noch vielseitiger also sonst schon. Elemente aus Funk,

Rock, Afro-Beat, Elektro, Pop, Disco und Soul werden produktiv genutzt zur Bereicherung des Basissounds:

Reggae, Dub und Ska. Man hört den Jungs an, dass sie sich mit Gründung ihres ganz eigenen Labels wohl

endgültig freigespielt haben. Das Ganze erinnert schon unweigerlich an Fat Freddy‘s Drop, die ebenfalls in

Wellington „ihr Unwesen treiben“ und sich von Nichts und Niemanden in ihrem musikalischen Schaffen reinre-

den lassen. Fat Freddy‘s Drop ist vielleicht noch ein bisschen abgefahrener, abgehobener, origineller. Aber The

Black Seeds spielen schon in einer sehr ähnlichen Liga. Mal hören sie sich trippig an wie Massive Attack zu ihren

besten Zeiten, mal fröhlich, locker und funky, um dann wieder mit einer rockigen Gitarre einen ganz frischen

Akzent zu setzen. Das hier ist definitiv kein einschläfernder, tausendmal gehörter Roots-Reggae. Hier wird der

Reggae nicht zum Verstauben in einen Schrein gestellt, um ihm andachtsvoll zu huldigen. Hier wird modern

und zeitlos, voller verschiedenster Stilelemente der Spaß am Reggae zelebriert. (BvR)

CD-TIPP

ler der Bochumer Theaterszene bekannt und spielen oder

spielten sowohl am Schauspielhaus Bochum wie auch am

Rottstr5-Theater und am Prinz Regent Theater.

Metropolis Kino, Bochum, 12 Uhr

MO 23 | 04 | 12

BODO VERLOSUNG | Tucson Songs on Tour

Für Musik-Experten ist Tucson als Heimat von Calexico

und Giant Sand längst ein Begriff. Eins der bestgehüteten

Geheimnisse der US-amerikanischen Indie-Szene aber ist

die Vielfalt und Qualität, die sich im Süden von Arizona

entwickelt hat. „Wenn man

die ,Tucson Songs‘ hört, weiß

man gleich nach dem ers-

ten Ton, dass man sich ganz

bestimmt nicht an der Cote

d‘Azur oder am Eifelturm

aufhält. Man hat eher das Gefühl, im Soundtrack eines

Westerns von Quentin Tarantino zu sein: Gitarren, die in

der Wüste über den Sand surfen, prägen das Klangbild.

Im weiteren Verlauf der Platte begegnen einem Country-

billy, Morricone-inspirierte Soundlandschaften, Desert-

Chansons, Songwriter-Pop, Ami-Folk und Indie-Gitarren-

sounds.“ (Aus der bodo-CD-Besprechung). Mit dabei an

diesem Konzertabend: Sergio Mendoza Y La Orkesta, Brian

Lopez, Marianne Dissard und Andrew Collberg Tucson.

FZW, Dortmund, 20.30 Uhr

bodo verlost 3 x 2 Karten.

Teilnahmebedingungen auf Seite 21.

DI 24 | 04 | 12

Theater | Waisen

Ein Stück „über das, was hier und jetzt passiert“ und

über das, „woran man glaubt“, wollte der britische Dra-

Page 25: bodo April 2012

25

ANZEIGE

Page 26: bodo April 2012

26

matiker Dennis Kelly schreiben – und hat mit „Wai-

sen“ direkt ins Herz geschossen. Unter dem Motto

„Schauspiel gegen Rechts“ präsentieren das Theater

Dortmund und ver.di dieses intensive Theaterstück.

„Hingehen, auch wenn‘s wehtut. Die neue Inszenie-

rung im ehemaligen Dortmunder Museum am Ostwall

ist ein so schmerzhaft intensiver Theaterabend, dass

man ihn gesehen haben muss. ,Waisen‘ erzählt letztlich

von Gewalt, die gleich bei uns nebenan aus Hoffnungs-

losigkeit und Fremdenhass entsteht. Daran hat man zu

schlucken. Ebenso wie an der Tatsache, dass Kay Voges

die Originaltexte geändert hat, die Brückstraße als Tat-

ort und die Nordstadt als Wohngegend nennen lässt. Ak-

tueller kann Theater kaum sein. Das Stück ist ein Genie-

streich, die Dortmunder Inszenierung aber auch.“ (RN)

Harenberg City Center, Dortmund, 19.30 Uhr

BODO VERLOSUNG | Movits!

Es ist noch gar nicht so lange her, da mischte ein wil-

der Bastard aus klassischem Swing, Jazz und elektro-

nischer Musik die Pariser Szene auf;

Horden junger Produzenten und Bands

versuchten sich an dem, was jetzt als

Electro-Swing durch die Clubs der Welt

gereicht wird. So auch ein Brüderpaar

aus Schweden, das – begeistert von

den heißen Klängen der Zwanziger Jah-

re und sozialisiert durch moderne Mu-

sik aus den Clubs – mit einem Freund die Movits! grün-

dete. Bekannt wurden die Movits! durch ihr Debüt-Album

„Äppelknyckarjazz“ („Äpfel-Klauer-Jazz“) mit seinem

aberwitzigen Mix aus Swing, Bebop, Electro und Pop.

Hochmusikalisch und unwiderstehlich griffig entfesseln

die Movits! ein Tanzfest, welches von Jazz-Liebhabern

genauso begeistert gefeiert wird wie von den Jüngern

moderner elektronischer Musik.

Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

bodo verlost 3 x 2 Karten.

Teilnahmebedingungen auf Seite 21.

MI 25 | 04 | 12

Kleinkunst | Gunzi Heil

Er ist blond – dafür kann er nichts, aber er ist auch Musi-

ker, Liedermacher, Kabarettist, Parodist, Puppenspieler

und am allerliebsten alles gleichzeitig, „kabarettisti-

sche Allzweckwaffe“, „rotzfrech und blitzgescheit“, „ein

kultureller Belebungsfaktor schönster Güte“ urteilte die

Presse über Gunzi Heil. Denn wenn der semmelblonde

Schlacks auspackt, dann gibt er nicht nur in den Puppen

„voll Stoff“ und schont dabei keinen, am wenigsten sich

selbst. Gunzi wildert sprunghaft längseits querwärts

durch Musik, Literatur, Film, Fernsehen und schüttet

den Setzkasten des daily zapping über die Tasten. In

seinen Liedern und Texten hört man höchstes Kulturgut

klangstark, hochachtungsvoll und kopfüber in den Gulli

rauschen, völlig ohne Klärwerke. Das aktuelle Programm

des Tegtmeier-Finalisten 2011 heißt denn auch – Nomen

est Omen – „Der Musengau“.

Flottmann-Hallen, Herne, 20 Uhr

DO 26 | 04 | 12

Musik | Tomasz Stanko

Der polnische Trompeter Tomasz Stanko zählt seit Jahr-

zehnten zu den Größen des europäischen Jazz. Mit „Dark

Eyes“ und in junger polnisch-skandinavischer Besetzung

bringt er seine melancholische slawische Seele abermals

in faszinierenden neuen Kompositionen zum Ausdruck.

Der Bandname bezieht sich auf ein Gemälde von Oskar

Kokoschka (The Dark Eyes of Martha Hirsch), neu in-

terpretiert werden auch Kompositionen der Legende

Krzysztof Komeda („Rosemaries Baby„), mit dem Stanko

bereits in den 60er Jahren zusammenspielte.

domicil, Dortmund, 20 Uhr

FR 27 | 04 | 12

Musik | Frittenbude

Frittenbude macht Musik für die Gehirne und Tanzappara-

turen der Hörer, mit einer ordentlichen Portion Aggressi-

on, Anarchie und Selbstzerstörung rappt und punkt man

sich über Techno und Elektro-Bounce. Während weite

Teile der deutschen Gesellschaft und insbesondere der

Musiklandschaft sich selbst in den Schlaf wiegen, drehen

drei vom Freistaat zur Unterdrückung ausgeschriebene

Jungs und ihr Plüschteddy komplett durch und zeigen,

wo der Bartel seinen Most holt, während ihm in unerklär-

licher und schier unerträglicher Art und Weise die Sonne

aus dem Arsch scheint. Einschlafen mit Musik war ges-

tern. Hier ist Popmusik für Heute mit Wachbleibgarantie.

FZW, Dortmund, 20 Uhr

BODO VERLOSUNG | Drei Worte nur...

Trotz beginnender Weltwirtschafskrise laufen die Vorbe-

reitungen für die Silvestergala im Ritz auf Hochtouren.

Für das Künstlerpaar Lilly

und Willy wird es der krö-

nende Abschluss ihrer Tour-

nee, bevor sich ihre Wege

trennen. Während sie in der

Garderobe sitzen, mit Lam-

penfieber und Kostümen kämpfen, lassen sie ihre gemein-

same Geschichte von Liebe, Glück, Eifersucht, Zank und

Musik Revue passieren. Mit Schlagern von Marika Rökk,

Marlene Dietrich, Zarah Leander und Heinz Rühmann bis

zu Lilian Harvey und Willy Fritsch, einem der Traumpaare

der deutschen Musikkomödien der 30er Jahre.

Theater im Depot, Dortmund, 20 Uhr (auch 28.04.)

bodo verlost 3 x 2 Karten.

Teilnahmebedingungen auf Seite 21.

Musik | Small Beast: Barbez

Small Beast ist der Name des Musik-Salons, den der mu-

sikalische Leiter Paul Wallfisch von Manhattan/New York

nach Dortmund mitbrachte. Small Beast ist einmal im

Monat Treffpunkt – für Zuhörer und für Musiker von nah

und fern: ein Ort für musikalische Programmatik und

26 VERANSTALTUNGEN APRIL 2012

25 | 04 | 12 Gunzi Heil 26 | 04 | 12 Tomasz Stanko

YUKO ICHIMURA | 3/11 – Tagebuch nach Fukushima (Carlsen Verlag)

Letzten Monat jährte sich die Umwelt- und Nuklearkatastrophe rund um Fukushima, der 11. März 2011 hat sich in mein

Hirn und Seelenleben genauso beständig eingebrannt wie der 11. September 2001. Und immer wieder habe ich mich

gefragt, wie Menschen in Japan alles wohl erlebt haben. „Seit bei uns die Erde wackelte, gibt es keinen Tag, an dem ich

nicht etwas Neues über mich und mein Land erfahre“, schreibt die Werberegisseurin Yuko Ichimura aus Tokyo in ihrem

Blog am 19. April. Nahezu täglich ab dem 12. März und bis zum 11. September schreibt sie ein paar Zeilen an den deut-

schen Journalisten Tim Rittmann, der diese dann wieder für die Süddeutsche online stellt. Ganz private Gedanken und

Sorgen, Berichte über den Alltag in Tokyo, Gespräche mit Freunden und Arbeitskollegen, die subjektive Wahrnehmung

der japanischen Medien, Getwitter mit Bekannten in Übersee, das Hinterfragen, Suchen und Wiederfinden des eigenen

(Alltags)lebens, Erlebnisse auf der Straße – das ganz normale Leben nach der unfassbaren Katastrophe, aufgeschrieben in

einfachen Worten und bebildert mit collagenhaften, schlichten Comic-Zeichnungen. Ein spannendes, zum Teil verstören-

des Zeitzeugnis. Ein bisschen ist es wie „Mäuschen spielen“. Ungefilterte, subjektive Worte, wertvoller als vieles andere,

womit wir hier von den Medien zugeballert wurden. (BvR)

COMIC-TIPP

Page 27: bodo April 2012

27

28 | 04 | 12 Funny van Dannen27 | 04 | 12 Frittenbude

spontane Experimente, mit Paul Wallfisch und Gastmu-

sikern, die immer auch dazu eingeladen sind, Ausflüge

in deutsche Musiktraditionen zu unternehmen. Zu Gast

im April: Das Post-Cabaret-Punk-Kammerorchester Bar-

bez mit seinen einzigartigen Soundscapes, inspiriert

von argentinischem Tango, slawischen Folk-Songs und

Prä-MTV-Punk. Support: Der Pianist & Songwriter Thilo

Schölpen aus Düsseldorf.

Institut im Schauspielhaus, Dortmund, 22 Uhr

SA 28 | 04 | 12

BODO VERLOSUNG | Rock in den Ruinen

2011 debütierte „Rock in den Ruinen“ am neuen Standort

unweit des Phoenix-Sees. Die Geschichte des Dortmun-

der Rockfestivals startet 16

Jahre zuvor. Zum Tanz in den

Mai organisieren die Hörder

Jusos ein Stadtteilfest mit

lokalen Bands. Da zu dieser

Zeit in diesem Bezirk noch

ordentlich die Schlote rauchen, werden Bierstände und

Bühne auf die grünen Hänge Hohensyburgs gepflanzt,

direkt unterhalb der Burgruine aus dem Mittelalter. Die

„Ruinenrocker“ in diesem Jahr sind u.a.: Saxon, die

Helden der NWOBHM und Wacken-Veteranen, Killing

Joke, die Post-Punk-Legende, Phillip Boa and the Voo-

dooclub, der Indie-Pionier zusammen mit Pia Lund, The

Idiots, die Dortmunder Punk-Urgesteine um Sir Hannes

von Honigdieb, Sister Sin, die schwedischen Punk- und

Metal-Abräumer, und Peter Pan Speedrock, die derben

Hochgeschwindigkeits-Rocker aus Holland.

Phoenix West Areal, Dortmund, ab 12 Uhr

bodo verlost 3 x 2 Karten.

Teilnahmebedingungen auf Seite 21.

Musik | Funny van Dannen

Schlicht „Fischsuppe“ lautet der Titel des neuesten Al-

bums von Funny van Dannen. Auf diesem beleuchtet der

Humanist mit Humor und Akustikgitarre gekonnt die Di-

alektik der menschlichen Existenz zwischen Glück und

Verzweiflung. Als einem der letzten echten Romantiker

unter den deutschsprachigen Liedermachern gelingt

ihm auch mit seinen neuen Kompositionen ein scharfer,

musikalisch und philosophisch leidenschaftlicher Blick

auf die Absurditäten unseres Alltages. Dabei pendelt er

gekonnt zwischen dadaistisch anmutenden Wortspielen,

anarchischem Witz, Protest und Poesie.

Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

BODO VERLOSUNG | Der Meister und Margarita

„Der Meister und Margarita“ – die große Reise durch Zeit

und Raum beginnt am Moskauer Patriarchenteich. Zwei

überzeugte Atheisten im Ge-

spräch: Chefredakteur Berlioz

übt Kritik am jungen Lyriker

Besdomny: Aus dessen neu-

estem Poem gehe nicht klar

genug hervor, dass die Jesus-

Geschichte – wie auch Gott – reine Fiktion sei. Doch dann

mischt sich ein Passant ins Gespräch, der behauptet, Gott

existiere absolut. Kurze Zeit später – Berlioz ist inzwi-

schen der Kopf von einer Straßenbahn abgetrennt worden

– wird Besdomny klar, dass der Fremde der Teufel persön-

lich war. Und kann es einen überzeugenderen Fürsprecher

für die Existenz Gottes geben als den Teufel selber? Doch

zuhören will Besdomny keiner, er wird in die Psychiatrie

verfrachtet. Sein Mitpatient dort: Der Meister, Autor ei-

nes unvollendeten Romans über Pontius Pilatus und Je-

schua. Der russische Literaturstar Michail Bulgakow (1891

– 1940) arbeitete von 1928 bis zu seinem Tod am Roman

„Der Meister und Margarita“; dieser wurde aufgrund sei-

ner Kritik an politischen Realitäten in der Sowjetunion

erst 1973 in unzensierter Form veröffentlicht und kann als

Bulgakows Lebenswerk betrachtet werden.

Schauspielhaus, Dortmund, 19.30 Uhr

bodo verlost 3 x 2 Karten.

Teilnahmebedingungen auf Seite 21.

Design | Design Gipfel

Nach den erfolgreichen Märkten in Münster, Bochum und

Osnabrück findet die Veranstaltung für guten Design-

Geschmack Ende April zum ersten Mal in Dortmund statt.

Am 28. und 29. April ist der Design Gipfel im Depot ge-

öffnet. An vielen Ständen können Interessenten Mode,

Schmuck, Grafiken, Accessoires und limitierte Designstü-

cke bekommen, die es in keinem Geschäft zu kaufen gibt.

Depot, Dortmund, ab 12 Uhr (auch 29.04., ab 11 Uhr)

SO 29 | 04 | 12

Musik | Julian & Roman Wasserfuhr

Das jazzende Brüderpaar Julian & Roman Wasserfuhr,

beide Mitte 20, sind aufgewachsen in einem wenig urba-

nen Kaff namens Hückeswagen. Und dann: Projekte mit

Nils Landgren, mit Lars Danielsson, Alben beim famosen

ACT-Label – allererste Jazz-Liga. Aber sie bewahren die

„Gravity“, so der Titel ihres letzten Albums. Jazzmusik

wie ein Film, „das Gegenteil von Angeber-Jazz“.

Christuskirche, Bochum, 19 Uhr

29 | 04 | 12 Julian & Roman Wasserfuhr

Adressen | Bochum (0234)Bahnhof Langendreer, Wallbaumweg 108, 687 16 10

Christuskirche, An der Christuskirche 1, 338 74 62

Endstation Kino, Wallbaumweg 108, 687 16 20

Eve Bar, Königsallee 15, 333 354 45

Freilichtbühne Wattenscheid, Parkstraße, 61 03-0

HalloDu-Theater, Lothringer Str. 36c, 87 65 6

Jahrhunderthalle, Gahlensche Str. 15, 369 31 00

Kulturhaus Oskar, Oskar-Hoffmann-Straße 25

Kulturrat Bochum, Lothringer Straße 36, 862 012

Museum, Kortumstraße 147, 51 60 00

Mus. Zentrum der RUB, Universitätsstr. 150, 322 28 36

Prinz-Regent-Theater, Prinz-Regent-Str. 50 – 60, 77 11 17

Riff, Konrad-Adenauer-Platz 3, 150 01

RuhrCongress, Stadionring 20, 610 30

Schauspielhaus, Königsallee 15, 333 30

Stadthalle Wattenscheid, Saarlandstraße 40, 610 30

Thealozzi, Pestalozzistraße 21, 175 90

Varieté et Cetera, Herner Straße 299, 130 03

Zauberkasten, Lothringer Straße 36c, 86 62 35

Zeche, Prinz-Regent-Straße 50-60, 977 23 17

Zeche Lothringen, Lothringer Straße 36c, 876 56

Zwischenfall, Alte Bahnhofstraße 214, 28 76 50

Adressen | Dortmund (0231)Auslandsgesellschaft, Steinstraße 48, 838 00 00

Cabaret Queue, Hermannstraße 74, 41 31 46

DASA, Friedrich-Henkel-Weg 1 – 25, 90 71 24 79

Dietrich-Keuning-Haus, Leopoldstr. 50 – 58, 502 51 45

domicil, Hansastraße 7 – 11, 862 90 30

Fletch Bizzel, Humboldtstraße 45, 14 25 25

F.-Henßler-Haus, Geschw.-Scholl-Str. 33 – 37, 502 34 72

FZW, Ritterstraße 20, 17 78 20

Galerie Torhaus, Haupteingang Rombergpark, 50 23 194

Konzerthaus, Brückstraße 21, 22 69 62 00

Museum f. Kunst u. Kulturgesch., Hansastr. 3, 502 55 22

Piano Musiktheater, Lütgendortmunder Str. 43, 604 206

Rasthaus Fink, Nordmarkt 8, 999 876 25

Reinoldikirche, Ostenhellweg 1, 52 37 33

Schauspielhaus, Hiltropwall, 502 55 47

Sissikingkong, Landwehrstraße 17, 728 25 78

Strobels, Strobelallee 50, 999 50 60

Subrosa, Gneisenaustraße 56, 82 08 07

SweetSixteen Kino im Depot, Immermannstr. 29, 910 66 23

Theater im Depot, Immermannstraße 29, 98 21 20

U, Leonie–Reygers-Terrasse, 50 247 23

Westfallenhallen, Rheinlanddamm 200, 120 40

Westfalenpark, An der Buschmühle 3, 35 02 61 00

Zeche Zollern, Grubenweg 5, 696 12 11

Adressen | Herne (02323)Flottmann-Hallen, Flottmannstr. 94, 16 29 52

Mondpalast, Wilhelmstraße 26, 58 89 99

Adressen | Witten (02302)Saalbau, Bergerstraße 25, 581 24 24

Werkstadt, Mannesmannstraße 2, 94 89 40

Der Druck dieser Seite wurde ermöglicht durch Spenden der Besucher des Geierabend 2011.

Page 28: bodo April 2012

28

28 GESCHICHTE | von Wolfgang Kienast | Fotos: Ruhrverband (5) · Stefan Scheer (1)

Hengstey, Harkort, KemnadeDie Ruhrstauseen vor bodos Haustür

Fluss kommt von fließen. Die Ruhr ist 219 Kilo-meter lang, doch Fließgewässer ist sie eigent-lich nur im ersten Drittel. Bei Kilometer 133 beginnt der Rückstau eines Wehres vor Echthau-sen, und von da an bis zur Mündung in den Rhein steht der Fluss, der dem Revier den Namen gab, meist sehr ruhig in seinem Tal herum; gebremst oder aufgehalten durch rund dreißig weitere Wehre, Staustufen und -mauern. Das Industrie-gewässer mit ausgeprägtem Naherholungscha-rakter, als das die Ruhr heute angesehen wird, ist über die Jahre gravierenden Umformungen

ausgesetzt. Als bisherige Höhepunkte einer rasanten Entwicklung können die beliebten Stauseen betrachtet werden. Doch auch deren Funktionen werden in einem komplexen System mehrfach neu definiert.

Eine trostlose Einöde. So lautet im 17. und 18.

Jahrhundert das übereinstimmende Urteil in des-

halb auch nur wenigen Reiseberichten, die sich mit

dem Rechts und Links der Ruhr beschäftigen. Un-

bedeutende Dörfer, Kotten, ab und an eine Mühle,

viel zu viel unbewirtschaftetes Land. Zeittypische

Betriebe früher Eisenverarbeitung finden sich im

Sauerland und im Bergischen. Dass es Kohle gibt,

ist bekannt, ihre Bedeutung noch nicht erkannt.

Und wenn, es wären keine Transportwege vorhan-

den. Der spätere Kohlenpott ist von der industriel-

len Entwicklung anfangs abgehängt.

Reiseführer des ausgehenden 19. Jahrhunderts

sprechen bereits eine andere Sprache. „Silber-

band der anmutigen Ruhr” wird das Tal inzwi-

schen genannt, doch nicht nur die reizvolle Land-

schaft wird gelobt, auch das industrielle Witten

Badespaß zu Omas Zeiten – Freibad Hengstey auf der Hagener Seite des Sees.

Page 29: bodo April 2012

29

oder ein Wehr bei Stiepel, welches diverse Häm-

mer antreibt, werden gewürdigt. „Großartige Ma-

schinenbetriebe” gilt es zu bestaunen. „Lohnend

ist der Besuch eines Hüttenwerkes. Man findet da

Eisenhochöfen von den größten Dimensionen mit

bedeutenden Walzwerken. Besonders interessant

ist der Aufenthalt auf einem Eisenwerk bis zum

Abend, um das grossartige Schauspiel des den

Hochöfen entströmenden Eisens und der feuer-

sprühenden Hämmer und Walzwerke besser zu

sehen.” (aus: Woerl, „Führer durch Dortmund”,

1884, Stadtarchiv Dortmund, Bestand Ed92.)

Eine kaum bewirtschaftete Agrarregion wird auf

den Kopf gestellt, mutiert innerhalb weniger

Jahrzehnte zu einem prosperierenden Schwerin-

dustriestandort. Aber der Boom hat Schatten-

seiten, wie die Reviergewässer verraten. Deren

29

zunehmende Verschmutzung birgt unter anderem

ein erhebliches gesundheitliches Risiko für die

ebenfalls stark wachsende Bevölkerung. So wird

unter hygienischen Gesichtspunkten im Jahr 1899

die Emschergenossenschaft gegründet. Ihre Auf-

gabe besteht darin, die Brühe möglichst schnell

und einfach loszuwerden. Aber auch an der Ruhr

steigt die Seuchengefahr. Vor allem, weil der

Fluss einerseits Abwässer abtransportieren soll,

parallel jedoch als Quelle für Trink- und Brauch-

wasser dient.

Die Grenze der Belastbarkeit ist schnell über-

schritten. 1893 werden dem Fluss 90 Millionen

Kubikmeter Wasser entzogen, 1911 sind es bereits

315 Millionen. Das entspricht einer durchschnitt-

lichen Wassermenge von zehn Kubikmetern pro

Sekunde. Im heißen Sommer des Jahres 1911

fließen nicht einmal vier Kubikmeter talabwärts.

Die Ruhr trocknet aus. Bei Essen kann man sie zu

Fuß queren, bei Duisburg führt sie gar kein Wasser

mehr. Wobei Wasser sowieso geschmeichelt ist. In

jener Zeit sind keine zehn Prozent der Haushal-

te längs Ruhr und Nebenflüssen an Kläranlagen

angeschlossen, die industriellen Abwässer ein

furchteinflößender Chemikaliencocktail. Kohlen-

staub, Teer und Öl, Phenol- und Zyanlösungen,

Zellstoff, verwesende Abfälle aus Schlachthöfen

und Lederfabriken, kurz, eine schwarzbraune,

stinkende, schaumgekrönte Brühe.

Die Notwendigkeit eines Wassermanagements

ist offensichtlich. Um Wasser dosiert ins Ruhrtal

abgeben zu können, sind mit dem Bau von Tal-

sperren an den Zuflüssen erste wirksame Maßnah-

men eingeleitet. Es fehlen allerdings geeignete

Altes Kraftwerk Harkortsee

Heute noch in Betrieb: Kraft- und Wehranlage Hengsteysee

Page 30: bodo April 2012

30

Schritte, die Qualität des Wassers generell zu

verbessern. 1910 erstellt zu diesem Zweck der Es-

sener Ingenieur Karl Imhoff im Auftrag des Arns-

berger Regierungspräsidenten ein „Gutachten

zur Reinhaltung der Ruhr“. Es sieht, neben einer

mechanischen Reinigung von groben Verschmut-

zungen, eine Kette von addiert acht multifunkti-

onalen Ruhrstauseen vor, in welchen biologische

Abbauprozesse stattfinden sollen. Drei Jahre spä-

ter wird der Ruhrverband (RV) gegründet und mit

der Angelegenheit betraut.

Der erste See, den der RV aufstaut, ist der Hengs-

teysee. Die Endung auf -ey, im Ruhrtal begegnet

sie einem des öfteren, lässt sich von einem al-

tertümlichen Begriff für verlandete Flussbuchten

herleiten. Eingeweiht wird der See im Jahr 1928.

Nicht zufällig liegt er unterhalb des Zusammen-

30

flusses von Lenne und Ruhr. Infolge der eisenver-

arbeitenden Industrie hat das Wasser der Lenne

einen niedrigen pH-Wert. Die im Oberlauf der Ruhr

eingeleiteten Abwässer der Papierindustrie dage-

gen sind alkalisch. Säure und Lauge reagieren mit-

einander, heben sich auf, die Verschmutzung flockt

aus. Das funktioniert sogar. Auch zur Energiege-

winnung wird der See genutzt. Das Koepchenwerk,

ein auffälliges Pumpspeicherkraftwerk, ist bei

seiner Inbetriebnahme einer der größten Erzeuger

von Spitzenenergie in Deutschland.

Wenige hundert Meter unterhalb der Staumauer des

Hengsteysees beginnt der Harkortsee. Der Zufluss

aus der Hagener Kläranlage und die Mündung der

Volme lässt den Bau hier sinnvoll erscheinen. Mit

seinem zweiten See setzt der RV einem Pionier des

Reviers ein Denkmal: Friedrich Wilhelm Harkort,

geboren am 22. Februar 1793 in Westerbauer bei

Haspe, gestorben am 6. März 1880 in Hombruch.

Er ist jemand, der über Tellerränder blicken kann,

führt im Ruhrgebiet unbekannte, rationelle Me-

thoden der Eisenverarbeitung ein, gilt als Freund

und Förderer des Bahnverkehrs und engagiert sich

in sozialen Fragen. Seine 1844 veröffentlichte

Schrift „Bemerkungen über die Hindernisse der

Zivilisation und Emanzipation der unteren Klas-

sen” enthält Sätze wie „100.000 Fibeln, die 3.000

Taler kosten, haben einen größeren Wert für die

Erziehung der Menschheit als 100.000 Bewaffne-

te, die jährlich 9 Millionen verschlingen.” Das hat

weder an Gültigkeit noch an Aktualität verloren.

Harkort gründet einen Vorläufer der heutigen

Volkshochschulen, fordert ein generelles Verbot

von Kinderarbeit und schlägt eine Gewinnbeteili-

gung für Arbeiter vor. In den anfangs erwähnten

Bootsvergnügen auf dem Harkortsee

Fischtreppe vor einer Staustufe

Page 31: bodo April 2012

31

Reiseführern wird Harkort „Vater des Ruhrgebiets”

bzw. „Alter Fritz von Westfalen” genannt. Das

Harkort-Denkmal, einen nach ihm benannten Aus-

sichtsturm oder sein Grabmal zu besichtigen, wird

der geneigten Leserschaft nahegelegt.

Nach dem Harkortsee werden im Ruhrtal noch

der Baldeneysee (1933), der Kettwiger Stausee

(1950) und der Kemnader See (1979) realisiert.

Dass es nicht, wie ursprünglich gedacht, acht

Stauwerke werden, liegt an mittlerweile stark ver-

änderten Anforderungsprofilen. Der Plan, die Ruhr

über weite Strecken schiffbar zu machen, wird

nicht umgesetzt, da die Schwerindustrie abwan-

dert. Die Technik in Kläranlagen wird um biologi-

sche Verfahren erweitert. Auf ein zwischenzeit-

lich diskutiertes Rückpumpen von Ruhrwasser zur

Trinkwassergewinnung, ohne die Seenkette nicht

möglich, kann aus diesen Gründen gut verzichtet

werden. Insgesamt hat sich die Wasserqualität

deutlich verbessert. Im Ansatz könnte selbst die

seit Jahren grassierende Algenpest, trotz diver-

ser ökologischer Bedenken, im Ansatz positiv

gesehen werden. Phosphatfreie Waschmittel ver-

schlechtern die Lebensbedingungen von Plank-

tonalgen, das Wasser wird in der Folge klarer,

Sonnenlicht dringt bis auf den Grund und lässt

größere Wasserpflanzen überproportional wach-

sen. Aus Naherholungs- und Touristikperspektive

eine allerdings ärgerliche Entwicklung. Wer will

schon mit seinem Tret-, Paddel- oder Segelboot

im schwimmenden Rasen hängenbleiben.

An eine Freizeitindustrie wird Karl Imhoff kaum

denken, als er an seinem Gutachten feilt. Doch

wird der Kemnader See, benannt nach dem Blan-

31

kensteiner Wasserschloss, dessen Name sich wie-

derum von „Kemenate”, also Kaminzimmer, also

einem im Gegensatz zu üblichen Bauernhäusern

beheizbaren Wohnsitz herleitet, einzig unter die-

sem Gesichtspunkt noch aufgestaut. Rein wasser-

wirtschaftlich nämlich besteht keine Notwendig-

keit mehr, für eine eventuelle Energiegewinnung

ist die Stauhöhe nicht ausreichend, statt einer

Schleuse für Frachtschiffe gibt es eine Bootsgas-

se für Kanuten und an den Ufern demnächst die

neue Ruhr-In-Line Skaterbahn, ein solarbeleuch-

teter Rundkurs von zwölf Kilometern Länge, par-

allel geführt zu bereits intensiv genutzten Rad-

und Fußwanderwegen. (wk)

Beliebtes Ausflugsziel Kemnader See: 1,25 qKm Wasserfläche bieten viel Platz für Wassersport und Bootspartien.

Page 32: bodo April 2012

32

32 DAS INTERVIEW | von Volker Macke | Fotos: Reuters, Yannis Behrakis · Archiv Chris Alefantis

Griechenland in der Krise: Arbeitslosengeld ge-kürzt, Mindestlohn gekappt, Steuern angehoben. Tausendfach machen kleine Geschäfte dicht, die Einkaufsstraßen der Viertel werden zu Geister-straßen. In den Hauseingängen liegen immer mehr ohne Obdach. Eine neue Straßenzeitung will helfen. Volker Macke hat für bodo mit dem Redakteur Chris Alefantis (45) gesprochen.

bodo Herr Alefantis, was bedeutet die Finanzkri-

se für die Ärmsten?

CA Dass sie immer zahlreicher werden. Man

schätzt aktuell rund 20.000 Obdachlose in Athen.

Und die Zahlen steigen schnell. Wöchentlich

kommen Hunderte Griechen hinzu. Diese so ge-

nannten Neu-Obdachlosen sind direkte Opfer der

Finanzkrise. Das sind Menschen, die vor wenigen

Monaten noch einen Job, ein Haus, eine Familie,

ein Leben hatten. Die stehen nun komplett ohne

irgendwas da. Überall ist Verzweiflung und Wut.

bodo Wo finden diese Menschen Hilfe?

CA Einige staatliche und private Organisationen

bieten Suppenküchen an, es gibt auch Obdachlosen-

unterkünfte. Wenngleich etwas zu essen zu finden

noch relativ einfach ist, sind es insgesamt deutlich

zu wenige Einrichtungen für die steigende Zahl von

Bedürftigen hier. Im Übrigen ist es doch sehr be-

zeichnend, dass erst jetzt die griechische Regierung

den Begriff ‚Obdachlosigkeit’ definieren lässt. Bis

vor wenigen Wochen noch existierten Obdachlose

offiziell gar nicht, allenfalls Arbeitslose.

bodo Wie viele Menschen bekommen denn im Mo-

ment Arbeitslosengeld?

CA Exakte Zahlen gibt es nicht, zumal nicht jeder

Arbeitslose Zugang zu dieser Unterstützung hat.

Die, die Arbeitslosengeld erhalten, bekommen es

für ein Jahr. Erst vor drei Wochen hat die Regierung

dies auf monatlich 359 Euro gekürzt. Davon kann

natürlich niemand leben. Die Zahl der Arbeitslosen

hat dieser Tage indes die Millionengrenze über-

schritten. 20 Prozent ist die aktuelle Quote. Die

Chancen, in diesem verkrüppelten System einen

neuen Job zu finden, sind im Moment gleich Null.

bodo Betrifft das vor allem die Metropole Athen?

Was ist mit anderen Städten?

CA Armut und Arbeitslosigkeit sind überall ein

Problem. In Patras beispielsweise sind 22 Prozent

Athens neue Obdachlose Griechenlands erste Straßenzeitung Shedia versucht, die Not zu lindern

Ω

„Shedia“-Redakteur Chris Alefantis.

¬

Obdachlos am Abluftschacht: Die

Armutsquote ist in Griechenland auf

verheerende 28 Prozent gestiegen.

aller Arbeitsfähigen ohne Arbeit, in Naousa im

Norden des Landes gar 50 Prozent. Jeder zweite

Jugendliche ist landesweit ohne Job. Ihr könnt

euch vorstellen, was es bedeutet, jung zu sein und

ohne irgendeine Chance dazustehen. Menschen

zwischen 20 und 30 werden komplett allein gelas-

sen. Die Gesellschaft hat sie wahrlich betrogen.

Viele denken jetzt ans Auswandern. Griechenland

ist damit wieder da angelangt, wo es in den Fünf-

ziger Jahren war, als Hunderttausende nach Aust-

ralien, Kanada und Amerika emigrierten.

bodo Gibt es in Griechenland über das Arbeitslo-

sengeld hinaus noch weitere Unterstützung?

CA Das Sozialsystem ist kollabiert. Maximal gibt

es – unter bestimmten Voraussetzungen – zwölf

Monate lang die besagten 359 Euro. Danach sind

die Menschen auf sich selbst gestellt, auch die

Krankenversicherung ist dann weg. Bislang kam

traditionell der Familie eine Schlüsselrolle zu,

damit besonders bedürftige Familienangehöri-

ge nicht verhungerten. Aber dieser Tage können

viele Familien das nicht mehr leisten, weil gleich

mehrere Angehörige betroffen sind.

bodo Und in dieser Situation soll bald die erste

griechische Straßenzeitung erscheinen. Wie wird

sie heißen?

CA Shedia ist ihr Name, auf deutsch „Floß”, eine

Metapher. Wir wollen die Menschen mit dieser

Straßenzeitung vom Schiffswrack der griechi-

schen Ökonomie retten und – so unsere Hoffnung

– ihnen ein wenig Sicherheit bieten. Zu Anfang

wird Shedia nur in Athen verkauft werden. Aber

eher früher als später wird das Projekt auf die

anderen größeren Städte ausgedehnt.

bodo Wann kommt die erste Nummer raus?

CA Am Mittwoch, 25. April, mit einer Startauflage

von 12.000 Exemplaren. Es kann allerdings sein,

dass wir den Erstverkaufstag doch noch auf einen

Termin nach den nun geplanten Parlamentswah-

len verschieben.

bodo Wer ist wir?

CA „Goal sti Ftohia“, das bedeutet frei übersetzt

„Kick off poverty“. Unser Kernprojekt besteht aus

einer guten Handvoll extrem hingebungsvoller

Menschen. Darüber hinaus gibt es viele Freiwil-

lige. Ich selbst bin Journalist. Bei uns machen

Page 33: bodo April 2012

33

33

Architekten und Politikwissenschaftler mit, eine

Sekretärin ist dabei, ein Arzt, ein Topograf, auch

ein Autoteilehändler hilft.

bodo Gibt es Kooperationspartner? Die orthodoxe

Kirche vielleicht oder die halbstaatliche Klimaka?

CA Ja, von Anfang an bewegen wir uns in einem

Netzwerk von Organisationen, die alle im The-

menfeld Obdachlosigkeit und soziale Ausgrenzung

arbeiten. Wir werden unterstützt vom Institut für

die Obdachlosen der Stadt Athen, kooperieren mit

der Caritas, mit Klimaka und der Jugendhilfeorga-

nisation Arsis.

bodo Habt ihr schon Kontakt zu Verkäufern?

CA Seit Anfang des Jahres informieren wir in ent-

sprechenden Einrichtungen, beispielsweise bei den

Leuten von der Straßenfußballmannschaft oder ges-

tern erst in einer Unterkunft des Roten Kreuz. Die

Reaktionen sind bisher durchweg positiv. Bei einer

statischen Armutsquote von 28 Prozent ist Grie-

chenland auch einfach reif für eine Straßenzeitung.

bodo Vor rund zwei Monaten hattet ihr beim In-

ternationalen Netzwerk der Straßenzeitungen INSP

um Unterstützung angefragt. Wie war die Reaktion?

CA Wir sind absolut begeistert. Der INSP unterstützt

uns in allen Bereichen. Wir hatten die Straßenzei-

tungen beispielsweise gebeten, uns Informations-

materialien zu schicken. Mit dem Anschauungsmate-

rial wollen wir bei unseren offiziellen Stellen für die

Straßenzeitungsidee werben. 14 Straßenzeitungen

aus Europa und einige aus den USA haben uns bisher

unterstützt – auch bodo. Wenn jetzt noch ein paar

aus Afrika oder Lateinamerika mitmachen würden...

es würde ganz wunderbar zeigen, dass wir mit einer

kleinen Zeitung eine globale Front gegen Armut und

Ausgrenzung sein können.

bodo Seriöse deutsche Debattenbeiträge zur Grie-

chenlandkrise unterscheiden drei gesellschaftliche

Ebenen: die normalen Griechen, die Ebene der Po-

litik und Administration und die nicht eben kleine

Kaste der Superreichen. Wer trägt die Hauptschuld

an der Misere?

CA Zuoberst unser korruptes politisches System.

Die Menschen hätten längst schon reagieren müs-

sen, keine Frage. Und zugleich: Wenn man Europa

ehrlich als Familie ansieht, dann ist Brüssel mit in

die Pflicht zu nehmen. Die haben viel zu lange zu-

gesehen und gewusst, dass bei uns was schiefläuft.

Sie haben dem System der Korruption, der Gefällig-

keiten, der Filzokratie tatenlos zugesehen. Und im

griechischen Volk selbst wollten allzu lange viel zu

viele in dieses System eingebettet sein. Dabei muss

man es bekämpfen. Das ist die eine Wahrheit.

bodo Und die andere?

CA Es ist super frustrierend, immer wieder euro-

paweit in der Populärpresse lesen zu müssen, wir

Griechen seien faul und missbrauchten Europas

Geld. Laut den jüngsten Eurostat-Zahlen haben

wir eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von

42,2 Stunden. Das ist mehr als in jedem anderen

europäischen Land. All meine Freunde und auch

ich haben übrigens immer unsere Steuern bezahlt.

bodo Ende April soll voraussichtlich gewählt wer-

den. Welches Ergebnis ist wahrscheinlich und wel-

ches wäre wünschenswert?

CA Nea Dimokratia, die rechte Volkspartei, wird

die Mehrheit bekommen. Aber ohne Koalition wird

es nicht gehen. Die Sozialdemokraten der PASOK

sind als Partner schon ausgemacht, auch wenn

diese viele bisherige Wähler verlieren werden. Da-

mit werden die Hauptakteure des bisherigen kor-

rupten Systems gemeinsam die Regierung stellen.

Seit dem Fall der Junta im Jahr 1974 teilen sich

diese beiden Parteien die Macht im Land, weil die

griechische Linke so fragmentiert ist. Dabei kann

es doch nicht sein, dass diejenigen, die das Land

in die Knie gezwungen haben, nun die Lösung für

das Land präsentieren sollen. Man sollte sie im

Interesse der Armen und Obdachlosen lieber end-

lich zur Rechenschaft ziehen. (Volker Macke)

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Page 34: bodo April 2012

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Page 35: bodo April 2012

35

„Made in Common“ ist das vielschichtige Mot-to des diesjährigen Euromayday Ruhr, der offe-nen und lustbetonten Maidemonstration gegen die Prekarisierung unserer Lebensverhältnisse. „Die Welt ist voller Reichtum und sie gehört uns allen!“

Der Euromayday ist ein offener Zusammenschluss

einer Vielzahl von Initiativen. Das Mitgestalten

ist ausdrücklich erwünscht, kreative Kostüme und

Parolen ersetzen Parteifahnen. Statt dröger Reden

und Appelle unterbrechen Interviews mit Vertre-

tern politischer oder sozialer Akteure den Demons-

trationszug, der eher im Tanzschritt als im Prozes-

sionstrott vorwärts kommt.

Im letzten Jahr liefen und tanzten 1.000 Teil-

nehmerinnen und Teilnehmer durch Dortmund,

mit Zwischenstopps am Nordmarkt, an der Knei-

pe Hirsch-Q, die immer wieder Ziel von Angriffen

Dortmunder Neonazis ist, am leerstehenden Ost-

wall-Museum und am Dortmunder U. Das Motto

damals: „Her mit dem schönen Leben!“

Diesmal geht es am Vorabend des 1. Mai durch

die Bochumer Innenstadt, um 19 Uhr startet der

Zug am Südausgang des Hauptbahnhofs. Das dies-

jährige Motto „Made in Common“ bedeutet erst

einmal „gemeinsam produziert“. Der Gedanke

dahinter: „In unseren Gesellschaften entsteht

Reichtum zunehmend durch immaterielle Arbeit,

Wissen und Kommunikation sind zu den wich-

tigsten produktiven Kräften geworden, und die

entstehen eben in der gesamten Gesellschaft. Wir

alle produzieren den gesellschaftlichen Reichtum,

doch wenige eignen ihn sich an und verknappen

ihn künstlich.“

Ergebnis sind europäische und lokale Sparprogram-

me von Griechenland bis Bochum. Allein die Stadt

Bochum will in den nächsten zehn Jahren 150 Mil-

lionen Euro durch den Abbau öffentlicher Leistun-

gen und die Erhöhung von Gebühren und Steuern

sparen. Die BürgerInnen sind aufgefordert, sich an

den Kürzungsvorschlägen zu beteiligen.

Im Aufruf zum Euromayday heißt es: „Unter der

scheinbaren Alternativlosigkeit von Sparmaßnah-

men wird jede Diskussion darüber, was ein sinn-

volles Gemeinwesen wäre, erstickt.“

Der Euromayday will auch eine Plattform sein

für Konzepte jenseits einer Bürgerbeteiligung à

la Bürgerforum. In „Made in Common“ schwingt

schließlich auch die Idee des Gemeinsamen als

Gegenmacht mit.

Und die stellt sich anders da als bei der klas-

sischen Maidemonstration in der Tradition der

Arbeiterbewegung: „Vielen wird die Teilhabe

verwehrt, ihre Ansprüche werden bekämpft mit

niedrigen Löhnen, mit Erwerbslosigkeit, mit

Ausschluss und Un-

sicherheit, mit ih-

rer Auslieferung an

den Markt. Wenn

das gesamte Leben zur Arbeit geworden ist,

dann ist dieses Leben heute prekär.“

Der Euromayday will alle zusammenbringen. Die-

jenigen mit und die ohne Arbeit, die mit zu viel

und die mit zu wenig, die in der Mitte und die

am Rand. Für eine kämpferische Party und einen

politischen Tanz in den Mai.

INFO www.euromayday.noblogs.org

35SOZIALES | von Bastian Pütter | Foto: Euromayday Ruhr

Alles. Von allen. Für alle.Euromayday Ruhr tanzt in Bochum in den Mai

Page 36: bodo April 2012

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LITERATUR | gelesen von Wolfgang Kienast36

Ein Mietshaus in der Dortmunder Innenstadt. Tiefgarage, acht Etagen, oben ein Penthouse. Treppe und Lift. Das alles muss instand ge-halten werden. Zuständig ist Josef Panke, der Hausmeister, Mitte vierzig, die mittlerweile ergrauten Haare zu einem Zopf gebunden. Jo-sef hat einen festen Job und echte Probleme, die ausnahmslos darauf zurückzuführen sind, dass er es nie geschafft hat, sich von seiner Mutter zu lösen. Aber einen kleinen Hau zu haben ist hier, zwischen muffigem Keller und luftiger Dachterrasse, kein Alleinstellungs-merkmal. Ganz im Gegenteil.

Alles im Roman läuft innerhalb des besagten

Hauses ab. Zwar gibt es eine Außenwelt, und was

draußen geschieht, nimmt durchaus Einfluss auf

das Leben der Bewohner, auf den 175 Seiten aber

herrscht die Binnenperspektive. Dem liegt eine

Spielregel zugrunde. Die erste Skizze zum Buch

entwarf DERHANK im Rahmen einer Schreibwerk-

statt an der VHS Dortmund. Die Aufgabe, die den

Teilnehmern von ihrer Kursleitung gestellt wur-

de, lautete, eine Geschichte aus der Perspektive

eines Gegenstands zu erzählen. DERHANK wählte

ein Haus. Das ist Fundament und Clou an „Hause”.

Und natürlich, dass das Gebäude nicht nur die Be-

gebenheiten schildert, an denen es selbst emo-

tional beteiligt ist, sondern auch, dass es in der

Lage ist, einzugreifen, wenn es eng wird. Davon

jedenfalls darf ausgegangen werden.

Wie irre die Bewohner sind, was die nymphomane

Krankenschwester oder der schwerst adipöse Haus-

besitzer treiben, ist ihm relativ egal, das Haus

hegt Sympathien für Josef, von Anfang an, seit der

Ein splatteraffiner Teilzeitkrimials zweijähriger Knirps mit seinen Eltern eingezo-

gen ist. Es will ihn aber nicht nur in sich haben und

beschützen, es möchte ihn besitzen. Nicht ohne

Missgunst beobachtet es folglich das Privatleben

des späteren Hausmeisters, vor allem, wenn der

sich anschickt, eine Frau zu erobern. Oder umge-

kehrt. Hört sich überspannt an, macht beim Lesen

aber richtig Spaß und kommt

längst nicht so spooky rüber,

wie es vielleicht klingt.

Für den überforderten Josef be-

deutet es, neben seiner Mutter

eine weitere Instanz zu haben,

die in strenger Liebe über ihn

wacht. Im Krimi ein gängiges

Motiv, wo Eifersucht herrscht,

sind Leichen nicht fern, lassen

die auch bei „Hause” nicht lang

auf sich warten. Wie mit diesen

verfahren wird, ist nicht immer

appetitlich. Wer auf detaillierte

Darstellungen vom Zerlegen und

Entbeinen gut und gern verzichten kann, sollte an

den entsprechenden Stellen einfach ein paar Seiten

überspringen. Wer sich, mit derart derber Kost ver-

traut, nicht aus der Ruhe bringen lässt, wird auch

hier den lakonischen Humor des Autors finden.

Gnadenlos treibt DERHANK derweil den Plot vor-

an, welcher auf ein furioses Spektakel zusteuert,

in dem nicht nur Josef, seine Mutter und weitere

Hausbewohner, sondern auch Polizisten diverser

Abteilungen inklusive SEK, Feuerwehrmänner

und Sanitäter, eine mutmaßliche Terrorzelle, ein

Pizzabote und eine Yuccapalme tornadogleich

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umeinanderwirbeln. Die Arschkarte muss selbst-

verständlich jemand ziehen, der es am wenigsten

verdient. So ist die Welt: ungerecht.

Will man allein den Radau betrachten, ist „Hau-

se” eine bemerkenswerte Übung in Sachen „immer

feste druff“. Doch ist nicht alles nur Effekt, was

glänzt. Vielen seiner Figuren

gönnt DERHANK eine gebotene

Mehrdimensionalität und somit

Motive für Handlungen, Gründe

für Scheitern, Raum für Erklä-

rungen. Und in gewisser Hin-

sicht gibt es sogar ein Happy

End für Josef und das Haus.

Ein letztes Wort noch zum

Werden von „Hause” nach der

Schreibwerkstatt. Um an einem

Krimiwettbewerb teilnehmen

zu können, arbeitete DERHANK

den Entwurf weiter aus. Die

Ausschreibung konnte er nicht

gewinnen und auch der Grafit-Verlag, dem er das

Manuskript anschließend schickte, lehnte ab.

Dort fand man Idee und Buch zwar gut, ein Krimi

im eigentlichen Sinn aber sei es nicht und passe

von daher leider nicht ins Programm. Statt dessen

ist „Hause” jetzt im Hamburger Acabus-Verlag er-

schienen. (wk)

DERHANK | Hause

Acabus Verlag | 175 Seiten, 12,90 Euro

ISBN: 978-3-86282-047-4

bodo verlost 3 Exemplare (s.S. 21)

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Page 37: bodo April 2012

37

Finde die 10 Unterschiede im rechten Bild. Viel Erfolg!

RÄTSEL | von Volker Dornemann

Fehlersuchbild – Lösung:

1) Chaplin fehlt das Bärtchen 2)

und ein Fuß, 3) der Clown mit der

Latzhose hat volles Haar, 4) eine

Zahnlücke und 5) einer seiner

Schuhe ist vorn kürzer, 6) auf der

am Boden liegenden Torte fehlt

eine Beere 7) und dem am Boden

liegenden Clown fehlt das Ohr, 8)

die Blume an der roten Weste ist

hellgelb, 9) die Kappe des Harlekin

hat eine Hutkrempe und 10) an sei-

ner Faust fehlt ein Finger.

37

Rätsel-Lösung: EILBRIEF

Page 38: bodo April 2012

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Ein Ort, an dem Jung und Alt gemeinsam Erlebnisse machen, an dem man gemein-sam kreativ ist: Im Namen „Bullerbüdchen“ klingt die heile Welt aus Astrid Lindgrens Kinderbuchreihe über den fiktiven schwedi-schen Ort nicht zufällig mit.

an den Wänden und weiß gestrichenen Holzmö-

beln aussieht wie die Postkartenvorstellung des

schwedischen Hauses am See. Von der Einrich-

tung bis zum Anstrich haben die langjährigen

Freundinnen alles selbst restauriert und reno-

viert. Kinderfreundlich, wie Bullerbü nun mal zu

sein hat, gibt es eine Spielecke mit Bällchenbad,

Spielzeug und viel Raum für Kinderwagen. Das

Geschirr ist ebenfalls nach eigenen Vorstellun-

gen gefertigt, in Auftrag gegeben bei einer so-

zialtherapeutischen Werkstatt. Darauf serviert

werden sowohl kleine Speisen wie Frühstücke,

aber auch verschiedene, zum Teil nach schwe-

dischen Rezepten gekochte Mittagsgerichte.

Getränke aller Art – ob Cappuccino und Chai im

Winter oder ein Pils im Sommer auf der geräu-

migen und ruhigen Terrasse – machen die Karte

sehr rund und komplett.

Ganz besonders am Bullerbüdchen ist die Zwei-

teilung des Ladens: An das Café angeschlos-

sen findet sich noch eine Bastelwerkstatt, in

der Christine Lessmann ihre Kreativität als

Schmuck-, Mode- und Möbeldesignerin aus-

lebt. Sie stellt individuelle Geschenkideen wie

Schmuck, Deko, Accessoires und Taschen her,

restauriert alte Möbel. 20 weitere Künstler und

Designer stellen ebenfalls aus. „Wir würden uns

aber selbstverständlich über noch mehr Leute

freuen, die ihre Sachen bei uns ausstellen“, so

Christine Lessmann.

Für alle diejenigen, die gerne selbst tätig wer-

den möchten, richten die beiden Heimwerke-

rinnen in regelmäßigen Abständen sogenannte

„Slöijdnatts“, gesellige Werkelabende aus, bei

denen vom völligen Dilettanten bis zum Profi je-

der mitmachen kann – Ziel ist, sich gegenseitig

zu helfen und miteinander etwas zu schaffen.

Mal wird gestrickt, mal wird genäht, gehäkelt

oder geschreinert – mitzubringen sind nur die

eigenen Ideen.

Wem das zuviel Arbeit ist, der kann sich beim

„Tanztee“ von 19 bis 22 Uhr ein Nach-Feierabend-

vor-Disko-Bier genehmigen und bei gedimmtem

Licht und Musik den Tag abrunden oder die Nacht

einleiten. „Man könnte den Eindruck bekommen,

dass wir hier einen reinen Familienladen führen“,

sagt Annette Schmitz, „aber in unserem Ange-

bot findet sich für jeden etwas.“ Das nämlich war

die Grundidee der beiden Lindgren-Fans: Ein La-

den, in dem Jung und Alt gemeinsam Erlebnisse

machen können, in dem man gemeinsam kreativ

sein kann. Die beiden Lindgren-Fans haben diese

Idee in ihrem kleinen Bullerbü auf wirklich char-

mante Art und Weise umgesetzt. (ag)

BullerbüdchenHattinger Str. 80 | 44789 Bochum

Tel. 0234 – 623 471 15

Di – Fr. von 9 – 18 Uhr | Sa. 9 – 17 Uhr

Jeden 1. Sonntag im Monat langes

Sonntagsfrühstück von 10 bis 16 Uhr

bodo verlost ein großes Frühstück für zwei mit Kaffee und einer Piccolo-Flasche Sekt (siehe Seite 21).

An der Hattinger liegt Bullerbü

Bullerbüdchen | Bochum

38 BODO GEHT AUS | von Alexander Greif | Fotos: Claudia Siekarski

„Den Namen zu finden hat vielleicht fünf Minuten

gedauert“, erklären Annette Schmitz und Christine

Lessmann, die sich im Oktober 2011 den gemeinsa-

men Traum eines eigenen Cafés erfüllt haben. Der

Namensgebung folgte ein halbes Jahr, in dem sie

ihr Konzept ausarbeiteten, danach drei Monate Re-

novierung, und nun findet sich das Bullerbüdchen

an der Hattinger Straße Nr. 80, dort, wo lange Jah-

re zuvor in der Altherrenkneipe „Panzergrotte“ vom

rustikalen Eichentresen aus Herrengedecke ausge-

schenkt wurden. Daran erinnern nur noch einzelne

Möbelstücke und vereinzelte alte Stammgäste, die

sich ab und an dorthin verirren.

Was sie dort vorfinden, ist ein liebevoll eingerich-

tetes Café, das mit seiner roten Holzverschalung

Page 39: bodo April 2012

39

CARTOON | Idee und Zeichnung: Volker Dornemann

39LESERSEITE

bodo dankt: Sparkasse Bochum Gisela und Bernd Ammermann, Edeltraud Kraski-Kuehne, Oliver Stiller, Carsten Piel, Hannelore Lohmann, Christian Chammings, Hildegard Jänsch, Paul Busse, Dr. Rinnert Siemssen, Peter Schmitt-Wittrock, Volker Schaika, Erika Maltz, Helga Ru-sche, Helga Ruehl, Monica Meyer, Elsemarie Bork, Peter Lasslop, Christina Kolivopoulos, Jutta und Wido Wagner, Kathrin Bohr, Marianne Linnenbank, Klara Lehmann, Sabine Raddatz, Petra Danielsen-Hardt, Silke Harborth, Timo Zimmermann, Hilde-gard Reinitz, Dolf Mehring, Harald Gering, Ute Doth-Dykgers, Annette Düe, Herbert Schwittay, Dr. Josef Balzer, Alexander Barbian-Steinfort, Michael Buddenberg, Helmut Buscha, Christian Chammings, Angelika Engelberg, Paul Engelen, Fabian Fluhme, Rolf Geers, Matthias Grigo, Grün-bau GmbH, Britta Richter, Manfred Kater, Almuth Keller, Jutta Kemper, Helga Koester-Wais, Birgit Kuehn, Otfried Ladwig, Nicola Steinstrass, Wulf-hild Tank, Felix Zulechner, Ingeborg Schumacher, Brigitte Sonntag, Gabriele Steinbrecher, Gabriela Schaefer, Hermann Schroeder, Christoph Roeper, Susanne Mildner, Barbara Meyer, Ute Michler, Ludwig Seitz, Bärbel Bals, Kerstin Bals, Karl Bon-bardt, Das Grafikhaus/O. Schäfer, Ralf Finke, Mi-chael Stange, Nicole Goralski, Jörg Gruda, Erika Janssen, Marlis Lange, Arne Malmsheimer, Wolf-gang Neuhaus, Ursula Remer, Daniela Schmitz, Nadja Schramm, Rainer Stücker, Thomas Terbeck, Linda Wotzlaw, Heinz Schildheuer, Thomas Schrö-der, Snezka Barle, Ute Börner, Bernd Ewers, Regi-na Höbel, Sandra und Friedrich Laker, Heike Pan-nitz, Frank Siewert, Ilona Zarnowski, Rainer Biel, Udo Bormann, R. Dammer, Anita Diehn-Driessler, Christine Ferreau, Udo Greif, Rüdiger Haag, Els-beth Heiart, Astrid Kaspar, Annette Krtizler, Ur-sula Machatschek, Lieselotte Markgraf, Thorsten Matern, Jutta Meklenborg, Marlies und Eberhard Piclum, Sandra Rettemeyer, Inge Schaub, Doro-thea Bomnüter, Petra Bloch, Ina und Arno Georg, Edith Link, Annemarie Meiling, Christain Scheer, Roswitha Wolf, Ulrike Bornemann, Hans-Georg Schwinn, Isabell Bikowski-Gauchel, Peter Buning, A. und M. Dietz, Klaus-M. Kinzel, Annegret Males-sa, Else Stockert, Christine Weber, Monika Bender, Petra Bender, Eberhard Garburg, Jutta Haring, Lie-selotte Koch, Katrin Lichtenstein, Ulrike Märkel, Gerd Pelzer, Renate Krökel, Klaus Kwetkat, Stefan Meyer, Carsten klink, Thomas Olschowny, Daniela Gerull, Dieter Schibilski, Martin Scholz, Karl-Heinz Schwieger, Barbara Bokel, Sandra Wortmann, An-nabell Preusler, Birgitt Kuhlmann, Dieter Zawodni-ak, Elisabeth Heymann-Roeder, Friederike Jansen, Dirk Schmiedeskamp, Sebastian Poschadel

Im Rahmen eines Schulprojektes sammelten Schülerinnen und Schüler der siebten Klasse der Matthias-Claudius-Schule in Bo-

chum Geld für gemeinnützige Organisationen, unter anderem für bodo. Zur Spendenübergabe kamen sie in unsere Bochumer

Anlaufstelle und erhielten Einblicke in unsere Arbeit. Vielen Dank für die Unterstützung und den unterhaltsamen Vormittag!

By the way: danke für die wirklich interessanten Bei-

träge des Magazins. Ich freue mich jedesmal auf das

neue Heft!!!

:-)) Rita Gerstenkorn

Ich fand euren Artikel „Aus der Tonne auf den Tisch“

hervorragend! Endlich mal eine Zeitung, die sich an

dieses Thema heranwagt! Ich wünschte, mehr Leute

würden das lesen und das Wegschmeißen von brauch-

baren Lebensmitteln wird verboten! Diese Lebens-

mittel sollten lieber Leuten gegeben werden, die sie

gebrauchen können.

Mit freundlichen Grüßen, Kathrin Wiedemann

Hallo zusammen,

ich finde die Arbeit von bodo e.V. großartig und wün-

sche allen einen guten Start am neuen Standort. Werde

sicherlich demnächst öfters mal reinschauen.

Viele Grüße, A. Schmidt

LESERBRIEFE

Sehr geehrte Damen und Herren der bodo-Redaktion,

ich wolllte mich noch einmal für die Konzertkarten für

das Hannes-Wader-Konzert gestern bedanken. Es war

ganz toll, ein wunderschöner, angenehmer, entspann-

ter Abend. Ist wirklich ein toller Sänger, schön, dass es

so jemanden noch gibt, der so authentisch rüberkommt

und auch ernste, tiefgründige Texte schreibt.

War wirklich toll! Danke vielmals!

Mit freundlichen Grüßen, Sonja Rudolph

Sehr geehrte Damen und Herren,

für bodo scheint es in Dortmund nur den Westenhellweg

zu geben. Bei der Stellungnahme von Herrn Yetkin freut

er sich vor allem darüber, dass der Westenhellweg „um

die Ecke“ liegt. Dieser ist aber erst hinter der Reinoldi-

kirche und der Ostenhellweg liegt viel näher.

Bei dem Bericht „Schals und Jacken gegen die Kälte“

standen Sie angeblich auf Dortmunds klirrend kaltem

Westenhellweg. Diese Kirche liegt aber am Ostenhell-

weg! Das liegt daran, dass früher die entscheidende

Kreuzung an der Südwestseite der Reinoldikirche lag und

sich später dann zur Nordostseite hin verlagerte.

Mit freundlichen Grüßen, Eberhard Garburg

Schreiben Sie uns Ihre Meinung!

bodo e.V. | Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

oder eMail an: [email protected]

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