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China- vom Südwesten in den Süden bis Macao im Juli 2019 Wir stehen in Kunming auf dem internationalen Flughafen und verstehen nur noch Bahnhof. Das überrascht uns nicht sonderlich. Mit etwas Glück finden wir eine Dame am Informationsschalter, die ein wenig englisch spricht, und uns erklären kann, wie wir ins 25 km entfernte Stadtzentrum gelangen. An der Endstation des Flughafen-Shuttlebusses Nummer 1 fehlt aber immer noch über ein Kilometer zum Hostel. Wie kriegen wir jetzt ein Taxi? Internet haben wir natürlich auch noch nicht. Die ausgedruckte Buchungsbestätigung unserer Unterkunft zeigt Name und Adresse glücklicherweise auch in chinesischer Schrift. Damit kommt der von einer nahegelegenen Hotelrezeption bestellte Taxifahrer klar und lädt uns auch zuverlässig vor unserem Hostel ab. Die erste Hürde haben wir genommen. Doch es bleibt nicht die Letzte! Im Hostel wird leidlich gut englisch gesprochen und wir treen auch auf einige englischsprachige Touristen und sogar auf Schweizer. Die meisten ausländischen Reisenden studieren in China die Sprache. Nach einem Jahr intensivsten Lernens können sie an einer einfachen Unterhaltung teilnehmen, essen bestellen etc. Lesen oder schreiben ist dann nochmals eine ganz andere Geschichte. Im heutigen Alltag werden zwischen 3000 bis 5000 Schriftzeichen verwendet, die für Silben stehen. Und die muss man zuerst mal beherrschen! Das bedeutet aber auch, nicht alle Chinesen kennen die gesamten Kurzzeichen. Für Viele ist Lesen und Schreiben nicht so einfach, sobald es vom Üblichen abweicht. Doch die chinesische Schrift ist über 3000 Jahre alt und hat dadurch einen wichtigen kulturellen und traditionellen Anteil in China. Auf der anderen Seite tun sich die unter 30 jährigen Chinesen aber auch unheimlich schwer mit der englischen Sprache. Obwohl sie sie sechs Jahre lang studieren, sprechen sie eigentlich kein englisch. Sie können marginal lesen und schreiben, trauen sich aber nicht zum Sprechen. Dieser Umstand trit uns massiv. Wir wollen, wie in jedem Land, auch hier eine SIM-Karte besorgen, damit wir über Internet verfügen. In der Filiale von China Mobile werden wir mit einem chinesischen Wortschwall konfrontiert. Doch die Dame zückt auch ihr Handy und aktiviert die „Mister-Translator App“. Die haben glücklicherweise doch recht viele Chinesen auf ihren Handys installiert und sie ist viel besser als unsere recht teure Übersetzungs-App (iTranslator). Wir sind in der falschen Filiale für die SIM-Karte. Zurück im Hostel, meint Lili an der Rezeption, sie komme doch morgen früh in ihrer Freizeit gleich mit uns, um diese SIM-Karte zu erwerben. Welch ein Glück. Denn auch in der anderen Filiale scheint dies nicht so einfach zu sein und es werden viele Photos vom Pass und von Erwin gemacht. Doch schlussendlich erhalten wir die SIM-Karte mit ausreichend Daten für zwei Monate, für Internet und auch Telefon. Lili hilft uns auch gleich noch beim Besorgen einiger der online bestellten Bahnbillette am riesigen Bahnhof. Auch das geht, Lili sei gedankt, mit ihr bedeutend einfacher. Und es hilft uns beim Organisieren der weiteren Tickets enorm. Jetzt, mit der übers Internet funktionierenden Google Map (nur mit der zusätzlich installierten VPN App möglich, die den Standort des angewendeten Gerätes wählbar macht) oder Citymaps2go finden wir uns in der 3 Millionen Stadt bestens zurecht, egal ob zu Fuss, mit Bus oder Metro. Ohne VPN funktionieren in China diverse Internetseiten wie Google Anwendungen, verschiedene Homepages und auch Wikipedia nicht. Der Staat blockiert diese Seiten. Aber die Chinesen haben ihre eigenen Apps. Anstelle der nicht funktionierenden Whats-App nutzen praktisch alle Leute Wechat, das in China wohnhafte Personen mit einem Bankkonto verknüpfen können und das

China- vom Südwesten in den Süden bis Macao im Juli 2019red-harlekin.ch/wp-content/uploads/China_Teil1_2019.pdf · deshalb sogar im hinterletzten Kaff als Zahlungsmittel genutzt

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China- vom Südwesten in den Süden bis Macao im Juli 2019

Wir stehen in Kunming auf dem internationalen Flughafen und verstehen nur noch Bahnhof. Das überrascht uns nicht sonderlich. Mit etwas Glück finden wir eine Dame am Informationsschalter, die ein wenig englisch spricht, und uns erklären kann, wie wir ins 25 km entfernte Stadtzentrum gelangen. An der Endstation des Flughafen-Shuttlebusses Nummer 1 fehlt aber immer noch über ein Kilometer zum Hostel. Wie kriegen wir jetzt ein Taxi? Internet haben wir natürlich auch noch nicht. Die ausgedruckte Buchungsbestätigung unserer Unterkunft zeigt Name und Adresse glücklicherweise auch in chinesischer Schrift. Damit kommt der von einer nahegelegenen Hotelrezeption bestellte Taxifahrer klar und lädt uns auch zuverlässig vor unserem Hostel ab. Die erste Hürde haben wir genommen. Doch es bleibt nicht die Letzte! Im Hostel wird leidlich gut englisch gesprochen und wir treffen auch auf einige englischsprachige Touristen und sogar auf Schweizer. Die meisten ausländischen Reisenden studieren in China die Sprache. Nach einem Jahr intensivsten Lernens können sie an einer einfachen Unterhaltung teilnehmen, essen bestellen etc. Lesen oder schreiben ist dann nochmals eine ganz andere Geschichte. Im heutigen Alltag werden zwischen 3000 bis 5000 Schriftzeichen verwendet, die für Silben stehen. Und die muss man zuerst mal beherrschen! Das bedeutet aber auch, nicht alle Chinesen kennen die gesamten Kurzzeichen. Für Viele ist Lesen und Schreiben nicht so einfach, sobald es vom Üblichen abweicht. Doch die chinesische Schrift ist über 3000 Jahre alt und hat dadurch einen wichtigen kulturellen und traditionellen Anteil in China.Auf der anderen Seite tun sich die unter 30 jährigen Chinesen aber auch unheimlich schwer mit der englischen Sprache. Obwohl sie sie sechs Jahre lang studieren, sprechen sie eigentlich kein englisch. Sie können marginal lesen und schreiben, trauen sich aber nicht zum Sprechen.Dieser Umstand trifft uns massiv. Wir wollen, wie in jedem Land, auch hier eine SIM-Karte besorgen, damit wir über Internet verfügen. In der Filiale von China Mobile werden wir mit einem chinesischen Wortschwall konfrontiert. Doch die Dame zückt auch ihr Handy und aktiviert die „Mister-Translator App“. Die haben glücklicherweise doch recht viele Chinesen auf ihren Handys installiert und sie ist viel besser als unsere recht teure Übersetzungs-App (iTranslator). Wir sind in der falschen Filiale für die SIM-Karte.Zurück im Hostel, meint Lili an der Rezeption, sie komme doch morgen früh in ihrer Freizeit gleich mit uns, um diese SIM-Karte zu erwerben. Welch ein Glück. Denn auch in der anderen Filiale scheint dies nicht so einfach zu sein und es werden viele Photos vom Pass und von Erwin gemacht. Doch schlussendlich erhalten wir die SIM-Karte mit ausreichend Daten für zwei Monate, für Internet und auch Telefon. Lili hilft uns auch gleich noch beim Besorgen einiger der online bestellten Bahnbillette am riesigen Bahnhof. Auch das geht, Lili sei gedankt, mit ihr bedeutend einfacher. Und es hilft uns beim Organisieren der weiteren Tickets enorm.

Jetzt, mit der übers Internet funktionierenden Google Map (nur mit der zusätzlich installierten VPN App möglich, die den Standort des angewendeten Gerätes wählbar macht) oder Citymaps2go finden wir uns in der 3 Millionen Stadt bestens zurecht, egal ob zu Fuss, mit Bus oder Metro. Ohne VPN funktionieren in China diverse Internetseiten wie Google Anwendungen, verschiedene Homepages und auch Wikipedia nicht. Der Staat blockiert diese Seiten. Aber die Chinesen haben ihre eigenen Apps. Anstelle der nicht funktionierenden Whats-App nutzen praktisch alle Leute Wechat, das in China wohnhafte Personen mit einem Bankkonto verknüpfen können und das

deshalb sogar im hinterletzten Kaff als Zahlungsmittel genutzt wird (dazu muss nur ein Code mittels Handy gescannt werden).Kunming ist im Allgemeinen eine sehr angenehme, gutorganisierte Stadt auf 1900 MüM.Die Temperaturen sind, bedingt durch die Höhenlage, das ganze Jahr durch moderat. Deswegen wird sie auch Stadt des ewigen Frühlings genannt. Obwohl die Stadt nur eine „Kleinstadt“ ist für chinesische Verhältnisse, ist schon hier alles ungewohnt gross. Die Baustellen sind riesig, gebaut wird nicht nur ein Hochhaus, sondern gleich eine ganze Siedlung. Die Strassen sind breit, doch der Verkehr ist auch enorm. Für Scooter, in den Städten sind nur noch Scooter mit Elektromotoren erlaubt, existieren separate Fahrspuren, getrennt von den Autos. Nur an den Kreuzungen herrscht immer noch ein wildes Durcheinander.Zu Fuss spazieren wir zum Green Lake Park. Viele Brücken und Stege führen über das Wasser, das man teilweise vor lauter Lotus Blumen gar nicht mehr sieht. Bäume spenden Schatten, der Park ist ein wunderbares Erholungsgebiet und gleichzeitig bietet er auch viel Raum für Aktivitäten. Wir treffen auf singende Chinesen, mit Mikrofon und Lautsprecher ausgestattet, die entweder alleine singen oder in einer Art Sprechgesang mit anderen zusammen Storys erzählen. Auf einem anderen Platz wird sogar getanzt. Die Chinesen lieben es zu singen, auch wenn es in unseren Ohren manchmal ziemlich schräg tönt. Vielleicht wurde Karaoke ja hier erfunden?

Doch Ruhe sucht man in den Parks vergeblich, denn Chinesen unterhalten sich auch gerne ziemlich laut. In der recht neuen Metro wird wohl darum auf chinesisch und englisch, nebst vielen anderen Aufforderungen, auch darauf aufmerksam gemacht, dass man sich nur leise unterhalten soll.Nicht weit entfernt vom Green Lake Park befindet sich der Yuantong Zen Buddhist Tempel. Er existiert seit über 1200 Jahren. Im 14. Jahrhundert wurde er noch erweitert und wird nun von einer schönen Parkanlage umrahmt.

Er ist einer der wichtigsten Tempel in China und spielt auch eine wichtige Rolle grundsätzlich in der buddhistischen Gemeinschaft. Viele Chinesen besuchen die Tempel, folgen den Ritualen,

spenden auch unterschiedlich hohe Beträge an Geld, aber sie glauben tief im Innern nicht. Der Besuch dient eigentlich nur dazu, um Glück im Leben zu haben und möglichst viel Geld zu verdienen. Auch diverse Zahlen sollen Glücksbringer sein.Das Essen im Hostel schmeckt ausgezeichnet. Gleich gegenüber gibt es aber ein chinesisches Restaurant, wieso also nicht mal dort essen? Wir bestellen anhand von Bildern, doch die Gerichte entsprechen trotzdem nicht dem Vorgestellten. Dazu sind die Speisen extrem ölig. Wir vernehmen von China Kennern, je mehr Öl zum Kochen gebraucht wird, desto besser soll die Küche sein. So lassen wir einen Teil stehen, unüblich für uns. Doch für Chinesen die Regel, aus einem anderen Grund. Aufessen ist unanständig. So werden viel zu viele verschiedene Gerichte bestellt. Übrig bleibt ein immenser Lebensmittelabfall, auf und teilweise auch unter dem Tisch. Nebst der Tischoberfläche muss so auch der Fussboden regelmässig gesäubert werden.Wir versuchen, auf eigene Faust Höhlen in der näheren Umgebung von Kunming zu besuchen.Das Metro-Ticket zum ausserhalb gelegenen Fernbus-Terminal können wir mit etwas Unterstützung am Automaten lösen. Chinesen sind sehr freundlich und wenn man sie darum bittet, auch sehr hilfsbereit. Anscheinend entspricht es nicht ihren ethischen Grundsätzen, nein zu sagen. Die Wörter ja und nein kennen sie gar nicht in ihrem Wortschatz. Aber Reklamieren geht auch nicht, da man sonst selber oder die andere Person das Gesicht verlieren könnte. Also wird geduldet und ausgestanden, wenn etwas nicht passt.Selber haben wir aber auch erlebt, wie Obrigkeitsgläubig viele Chinesen sind; sie folgen Befehlen und hinterfragen in der Regel nicht. Kritisch geäusserte Gedanken versucht der Staat gleich, im Keim zu ersticken. Gelingt das nicht, werden die Leute und ihre Familien massiv bestraft.Die Schulung von Sicherheitsleuten oder Kellnern besteht aus einem eher militärischen Drill. Kameras überwachen überall und kontrollieren alles. Bewegt man sich in einem bestimmten Rahmen, spürt man all dies nicht negativ. Im Gegenteil, viele Chinesen und Ausländer fühlen sich durch die überall präsenten Kameras sehr sicher. Und China ist ein sicheres Reiseland, Kriminalität und bettelnde Leute sehen wir kaum.Vielleicht lässt sich dieses Riesenland ja auch nur so regieren?Jetzt bin ich völlig abgeschweift, denn eigentlich wollen wir ja zu diesen Höhlen. Doch die Fahrt dahin wird jäh gestoppt am Fernbus-Terminal. Ich habe meinen Pass im Hostel vergessen und ohne Pass kein Busticket! Dasselbe gilt auch für Zugtickets. Also heisst es ab jetzt, aus dem Hotel raus nur noch mit Pass!Nur mit einer geführten Tour können wir die „Redlands“ besuchen. Es ist zu kompliziert, auf eigene Faust dahin zu kommen. Doch die Gruppe besteht nur aus vier Personen. Zwei Französinnen begleiten uns. Eine der jungen Frauen ist seit einem Jahr hier am chinesisch studieren. So kann sie sich leidlich mit dem Fahrer und gleichzeitigen Guide verständigen und übersetzen, denn der spricht kein Wort englisch. Die Landschaft besticht, selbst beim heutigen trüben Wetter. Wenigstens regnet es nicht.

Zeit für einen Ortswechsel. Mit einem D-Zug, der zweitschnellsten Zugklasse, fahren wir nach Dali, etwa 380 km westlicher gelegen. Gute zwei Stunden benötigt der Zug für diese Strecke, es ist einer der in China auf vielen Strecken fahrenden Hochgeschwindigkeitszüge. Die Maximalgeschwindigkeit des Zuges erreicht auf dieser relativ neuen und mit vielen Tunnels durchsetzten Strecke 197 km/h! Zwischen den Tunnels sehen wir auf schroffe Täler, tiefe Schluchten und grüne Hügelketten.

Dali old Town ist sehr touristisch. Viele Chinesen sind unterwegs. In den Monaten Juli und August geniessen die meisten Sommerferien und bereisen die Sehenswürdigkeiten im eigenen Lande. Doch die Altstadt strahlt Charme aus, auch wenn nicht alles alt ist, was alt scheint.Mit einem Elektro-Scooter fahren wir dem See entlang. Die Strasse ist miserabel, das Seeufer und der See allgemein nichts Spezielles. Doch die Dörfer, speziell der Baustil der Häuser, ist sehr schön.

Ausserhalb von Dali liegen die „Three Pagodas“, erbaut im Jahr 850 und der dahinter liegende neuere „Chongsheng Tempel“.Es ist eine sehr weitläufig angelegte Anlage am Hang, schon von weitem sichtbar. Wir klimmen Treppe um Treppe hoch, durchwandern einen Tempel nach dem Anderen und immer noch folgt ein nächster Tempel. Und mit jedem weiteren Tempel wird auch die Sicht auf die Gegend fantastischer. Treppensteigen wird zu unserem neuen Hobby!

In der Altstadt entdecken wir ein Restaurant mit Gerichten aus Yakfleisch (eine Art Rinder, die auf dieser Höhe gut gedeihen). So etwas wollen wir ausprobieren. Unser Essen schmeckt supergut. Und wir brauchen nicht mal unsere Übersetzungs-App (Pleko) für die Speisekarte, denn wir erhalten eine englische und die Besitzerin spricht zu unserer Überraschung sogar ein paar Brocken. Am Nebentisch nimmt ein junges Schweizer Paar Platz. Sofort spitzen sich unsere Ohren, wie schön, eine vertraute Sprache zu hören. Beide haben für ein Jahr in China studiert und sind dadurch mit Sprache und Gewohnheiten vertraut. Mit einem Bus fahren wir weiter nach Lijiang. Das erscheint uns noch touristischer als Dali und ist ebenfalls voll von chinesischen Reisenden. Die Altstadt ist zwar schön, aber in einem halben Tag haben wir sie gesehen. Was nun? Wir wollten doch einige Nächte hier verbringen. Unser chinesischer Gastgeber zeigt sich aber sehr nett und flexibel. So fahren wir schon am nächsten Tag mit einem klapprigen Kleinbus in die „Tiger Leaping Gorge“. Die Schlucht ist bekannt als Wanderparadies, doch momentan ist das Wetter nicht sonderlich gut, Nieselregen und Gewitter dominieren die Tage. Es herrscht Regenzeit im südlichen China während den Sommermonaten.

Doch wir lassen uns nicht abhalten. Der Bus ist nur schlecht besetzt und an der von uns gewünschten Haltestelle steigen wir alleine aus.Über eine asphaltierte Strasse geht es hinauf zum Höhenwanderweg. Trotz Nieselregen bietet er immer wieder faszinierende Ausblicke auf den tief unter uns liegenden Fluss und die majestätisch darüber ragenden Berge.

Die „Tiger Leaping Gorge“ soll weltweit die tiefste Schlucht sein, mit über 3000 Metern Höhenunterschied zwischen Fluss und Bergspitzen. Der Flusslauf liegt auf ungefähr 2000 Metern Höhe, die Bergspitzen ragen über 5000 Meter hoch in den Himmel. Es ist ein grandioses Panorama.Und es ist der völlige Kontrast zum überfüllten Lijiang, wir treffen keinen einzigen Wanderer an. Auch in den Gasthäusern entlang der Route hat es kaum Wanderer.Nach fünf Stunden marschieren, wir machen noch einige Höhenmeter zu viel, weil Wegweiser an einer Baustelle falsch gestellt wurden und wir das nicht sofort realisiert haben, erreichen wir patschnass Tina`s Gasthaus. Eine heisse Dusche, trockene Kleider und Schuhe und eine schmackhafte heisse Mahlzeit beenden einen tollen Tag.Nach einem weniger tollen Frühstück bringt uns die nette Besitzerin des Gasthauses mit ihrem Auto zum zwei Kilometer entfernten Beginn des Rundwanderwegs. Wir wollen runter zum Flusslauf. Das kann man nur an wenigen Orten, aber hier im mittleren Schlucht-Abschnitt ist es möglich. Das Tosen des nach den heftigen Regenfällen der vergangenen Tage viel Wasser führenden Flusses wird immer lauter. Und die Szenerie wird immer eindrücklicher. Die Büsche weichen und geben den Blick frei auf eine gewaltige Wassermasse, die mit viel Energie durch die Engstellen durchzwängt und Strudel und Stromschnellen bildet. Es gleicht eher einem kochenden Topf als einem Flusslauf. Über eine Hängebrücke gelangen wir auf einen im Flusslauf liegenden Fels. Die Gewalt der Wassermassen wird dadurch noch eindrücklicher.

Zurück zu Tina`s Gasthaus geht es über einen steilen Weg, der direkt in den Fels gehauen wurde und teilweise auch via Metallleitern, die an den Felswänden kleben. Da das Hotel momentan nicht

ausgebucht ist, dürfen wir das Zimmer ohne Kostenzuschlag bis in den Nachmittag behalten und nach der doch schweisstreibenden Wanderung uns nochmals erfrischen.Immer nachmittags um 15.30 Uhr fährt ein Shuttlebus von hier zurück nach Lijiang, aber auch einer nach Shangri-La. Wir entscheiden uns für Shangri-La, einer tibetischen Stadt auf 3300 Metern Höhe, immer noch in der Provinz Yunnan. Unerwartet steigt am Schlucht-Eingang auch das junge Schweizer Paar zu, das wir in Dali kennengelernt haben; China ist ja soo klein! Drei Stunden später steigen wir aus dem Bus aus, die Lufttemperatur ist deutlich kühler. Um zu unserer Unterkunft zu gelangen, müssen wir erst mal auf die andere Seite der verkehrsbefreiten Altstadt. Und erleben gleich ein sehr lebhaftes Shangri-La. Auf dem Hauptplatz wird getanzt, es herrscht eine tolle Stimmung.Im Innenhof unserer Unterkunft duftet es wunderbar. Der herrliche Rosengarten steht in voller Blüte. Doch unser Zimmer ist eher ernüchternd. Keine Heizung im Raum und schlecht isolierte Wände und Fenster . Auf der Matratze liegt eine Heizdecke fest installiert. Das ist in diesem Ort allgemein üblich, Heizungen kennt man nicht, obwohl die Temperaturen im Winter unter Null sinken und öfters ein Hauch Schnee im Ort liegt. Für uns zum Schlafen reicht es, aber tagsüber entspricht es nicht unserer Wohlfühltemperatur und unsere immer noch feuchten Kleider haben so keine Chance zum Trocknen.Mary, unsere Gastgeberin, spricht recht gut englisch und informiert uns über Ausflüge, Sehenswertes, Restaurants und mit welchem Bus wir wohin kommen. Zahlen immerhin bereiten uns keine Mühe, die sind ganz „normal“ geschrieben.So finden wir auch problemlos den richtigen Bus, der uns zum ausserhalb liegenden tibetischen Ganden Sumtseling Monastery bringt. Schon wieder eine grosse Anlage und mit den Wohnhäusern der Mönche gleicht sie einem kleinen Dorf. Die Tempel sind im Innern eher dunkel, doch die vielen farbenfrohen Tücher machen das Düstere wieder wett. Im Gegensatz zu den früher besuchten Tempeln darf man hier im Innern nicht mehr Photographieren.

Und auch den zu Fuss erreichbaren, auf einem Hügel thronenden „Chicken Tempel“ besuchen wir und begegnen vielen, an Ritualen teilnehmenden, dem monotonen Singsang der Mönche lauschenden und Opfer spendenden Chinesen. Auch unsere Gastgeberin geht öfters dahin, damit sie Glück, gleich bedeutend mit Reichtum, im Leben hat.

Als sehr ungewohnt und darum umso interessanter empfinden wir den Bauernmarkt im neueren Stadtteil von Shangri-La.Viele ungewohnte regionale Produkte, Yak-Käse und Yoghurt und halbe Yaktiere werden hier vor den Augen der Kunden ausgebreitet und zum Verkauf angepriesen.In einem holländischen Restaurant, mit zur Abwechslung mal wieder selbst hergestelltem wunderbarem Vollkorn-Brot und Yoghurt, kommen wir ins Gespräch mit einem Tibeter. Nach einer von uns gestellten, in diesem Land aber anscheinend heiklen Frage, bei uns würde sich deswegen niemand umdrehen, will er vor dem Beantworten sicherstellen, dass wir seine Aussage nicht aufs Handy aufnehmen. Die Leute haben sehr grosse Angst vor Repressionen und vor allem die Tibeter scheint der Staat gut im Auge zu behalten.Nach einem ungefähr zweistündigen Flug erreichen wir Chengdu. Auch hier ist der Flughafen ans Metro-Netz angeschlossen. Also Ticket lösen, das geht mittlerweile schon prima und bald darauf, nach einem kurzen Fussmarsch, erreichen wir das Hostel. Das liegt verkehrstechnisch gut, doch die Gegend scheint etwas heruntergekommen zu sein und im Hostel wird ein Teil umgebaut. Der eigentlich schöne Garten liegt unter einer Staubschicht. Wir denken kurz daran, uns eine andere Unterkunft zu suchen, doch unser Zimmer ist in Ordnung und die Leute an der Rezeption sind sehr nett.Ganz allgemein wird sehr viel und in grossem Stil gebaut. Ganze Quartiere werden niedergerissen und Hochhäuser wie Einfamilienhaussiedlungen aus dem Boden gestampft. Der Staat kann machen, was er will, niemand reklamiert in diesem Land! Gefragt wird nicht, die Regierung entscheidet und die Bevölkerung akzeptiert.Mit Metro und Bus entdecken wir die lebhafte und angenehme Stadt. Gewisse touristische Bereiche, die die vielen chinesischen Touristen attraktiv finden, meiden wir nach Möglichkeit. Doch die Pandas sind in dieser Region beheimatet und deswegen ist der Besuch des Panda-Zentrums fast ein „must“. Auch da hat es viele Leute, doch die Tiere, die Giant Pandas, aber auch die Red Pandas, sind richtig drollig und absolut sehenswert.

Weniger Leute, respektive vor allem lokale Leute, finden wir in den schönen Parks mit ihren Teehäusern, einer Spezialität in Chengdu und entlang den Grünzonen der Flussufer.

Leute spielen uns unbekannte Kartenspiele oder Brettspiele, sowie ein chinesisches Schach, dessen Regeln uns nur durchs Zuschauen nicht ganz klar werden.Unser nächstes Ziel Guilin liegt über 1000 km im Südosten. Kein Problem mit dem Hochgeschwindigkeitszug. Dieses Mal, sogar mit Spitzen von 245 km/h, fahren wir, aber wiederum sehr ruhig und angenehm, unserem Ziel entgegen.Der Bahnhof liegt 12km ausserhalb der Stadt. Kaum aus dem Gebäude raus, wollen uns Einheimische zu einem Transport zu unserem Hotel überreden, zu einem völlig überrissenen Preis. Doch wir sind nicht mehr ganz neu im Lande und lassen uns nicht abzocken. Mit einem regulären Taxi mit Taxameter fahren wir trotzdem bequem zur Unterkunft. Die liegt ideal in der Nähe der Altstadt. Doch schon wieder scheint das Gebiet nicht authentisch zu sein, neu auf alt getrimmt und Kitsch überall. Sogar Erwachsene tragen Haarreifen mit farbig blinkenden Hasenohren. Je bunter, desto mehr lieben es die chinesischen Touristen.Das stellen wir auch erstaunt fest beim Besuch einer eigentlich wunderschönen Höhle mit toll formierten Stalaktiten und Stalagmiten. Kurz nach dem Eingang überholen wir eine chinesische Tourgruppe, um uns die schönen Formationen in Ruhe anschauen zu können. Doch schon bald darauf werden wir eines Besseren belehrt. Die nächste Sequenz ist stockdunkel, wir müssen uns der Gruppe anschliessen, selbst wenn wir von den nur in chinesisch gehaltenen Erklärungen gar nichts verstehen. Die Höhle wird immer nur Abschnitt für Abschnitt beleuchtet, doch dann umso kitschiger.

Zu allem Übel findet zwischen den einzelnen Abschnitten auch noch ein Verkaufsprogramm statt. Bemalte Fächer und Vieles mehr will an die Kunden verkauft werden. Uns ödet dies an, aber die Chinesen kaufen tatsächlich!Weitaus mehr Gefallen finden wir an den vielen Karsthügeln, die die Landschaft rund um Guilin prägen. Um viele wurden Vergnügungsparks gestaltet, mit teilweise recht hohen Eintrittsgeldern. Doch auf einige kann man auch bloss nur hinauf wandern. Auf dem von uns ausgewählten soll nebst einem Sessellift auch ein Wanderweg hinauf führen. Doch der Wanderweg ist dermassen schlecht unterhalten, dass wir enttäuscht umkehren. So macht wandern keinen Spass.Aber die Chinesen stört dies nicht, die fahren lieber mit dem Sessellift hoch! Wir vernehmen dann später auch von einer Chinesin, dass viele ihrer Landsleute eher bewegungsfaul sind.

Doch wir kommen doch noch zum Bewegen. Die Aussicht auf dem Pagoda Hill und dem ebenfalls in der Nähe liegenden Tunnel Hill geniessen wir ganz für uns alleine.Zwischen Guilin und Yangshuo, unserem nächsten Ziel, schlängelt sich der Li-River durch eine tolle Landschaft. Überall werden deshalb Kreuzfahrttouren angeboten. Die Gegend möchten wir gerne sehen, aber ob eine Schifffahrt mit so vielen Chinesen für uns angenehm ist? Wir entscheiden uns deshalb für eine kürzere Variante, dafür aber mit einem der „Bambus-Boote“, die heutzutage auch aus Plastik gefertigt werden, auf denen aber jeweils nur vier Personen Platz finden. Von denen gibt es dann natürlich auch hunderte auf dem Fluss, aber das stört uns deutlich weniger. Und die Gegend ist auch wirklich absolut sehenswert.

In Yangshuo logieren wir zum Glück etwas ausserhalb der Stadt. Mit ihren 310`000 Einwohnern wird sie von den jährlich 15 Millionen Besuchern völlig überschwemmt. Das ist auch offensichtlich, wenn man durch die Altstadt spazieren möchte. Doch langsam wissen wir, wie eine Grosszahl der chinesischen Touristen ticken und können der Menge einfach aus dem Weg gehen. Denn sobald körperliche Aktivität erforderlich ist, trifft man nur noch wenige Chinesen an.Mit einem vom Hostel gemieteten Fahrrad, das leider in einem miserablen Zustand ist, fahren wir zu dem nur wenige Kilometer entfernten Moon Hill. Den finden wir noch einfach und die Wanderung auf den Karstfelsen hoch ist sehr schön.Doch danach wollen wir einem Flusslauf entlang zur Stadt zurückfahren und verlieren unseren Weg. Sowieso schon mit einer in diesem Gebiet schlechten Google Map Karte konfrontiert, gibt es unsere Strasse plötzlich nicht mehr. Dafür stehen massenhaft Kräne und Baumaschinen umher und wir stehen auf einer riesigen noch unfertigen Strasse mitten in der Pampa. Alles vorhandene wurde einfach niedergewalzt. Nur nach Bauchgefühl und Himmelsrichtungen uns orientierend, finden wir endlich eine wieder belebte Strasse und können nach dem Weg zurück fragen.Die Gegend rund um Yangshuo mit den vielen Karstfelsen bietet unterschiedlichste Landschafts-Szenerien, sodass wir täglich etwas Neues entdecken, entweder mit dem Fahrrad oder für die weiter entfernten Aussichtspunkte auch mal mit einem normalen Scooter. Und immer wieder begeistern uns die völlig verschiedenen Aussichten auf den so eindrücklichen Karstfelsen, sei es auf den träge dahinfliessenden milchkaffeebraunen Li-River oder den in sattem blaugrünsich dahin windenden Yulong River.

Die Tage vergehen wie im Flug, unser erster Monat in China ist demnächst vorbei und wir müssen ausreisen. Wir wollen nach Macao für einige Tage, bevor wir den zweiten Monat in China in Angriff nehmen.Wieder mit einem Hochgeschwindigkeitszug. Der fährt bis nach Zhuhai, der chinesischen Grenzstadt. Nur noch zu Fuss geht es aus China raus und nach Macao rein. Die ehemalige portugiesische Kolonie ist nur eine kleine Halbinsel im Süden des chinesischen Festlandes und ganz in der Nähe von Hongkong. Und obwohl hier kaum einer noch portugiesisch spricht, ist das koloniale Flair immer noch spürbar. Natürlich durch die alten Gebäude, aber auch, weil vieles immer noch, nebst dem chinesischen, auf portugiesisch angeschrieben ist. Portugiesisch gilt sogar als zweite Amtssprache.

Die Stadt überrascht uns mit ihren vielen Gesichtern und gefällt uns gut. Die meisten Sehenswürdigkeiten sind einfach zu Fuss erreichbar und auch nur so entdecken wir die vielen verwinkelten Gassen mit den aus der kolonialen Zeit typisch portugiesischen kleinen Balkonen. Die Gegensätze zwischen alten Quartieren, kolonialen Gebäuden, inklusive der vielen schönen Kirchen und den topmodernen, teilweise protzigen Gebäuden der neuen Stadtviertel ist gewaltig. Und der Unterschied zu China ist offensichtlich. Nicht nur wegen der vielen Casinos und der eigenen Währung, dem Macao Pacata, sondern weil das Leben hier spürbar westlich dominiert ist. Wir hätten nicht erwartet, dass ein so kleines Anhängsel so völlig anders sein kann. Aber es ist definitiv so.Am nächsten Tag, unterwegs mit dem Bus auf die durch drei Brücken angebundene Insel Taipa, haben wir aber plötzlich doch das Gefühl, im „falschen Film“ zu sein.

Wir blicken auf den „Eifelturm“ und den „Campanile“ am Markusplatz in Venedig! Auf dem Rundgang über die „Rialtobrücke“ und entlang den venezianischen Gebäuden und Wasserwegen

werden wir von italienischer klassischer Musik begleitet. Fast könnte man den Eindruck bekommen, hier gibt es Kultur, aber die Casinos in all diesen klassisch nachgemachten Gebäuden sagen etwas anderes aus.Aussen Charme und Stil versprühend, sind es im Innern protzige, überladene und Geldrausch versprühende Hallen, mit exklusiven Shoppingmalls. Alles, was Rang und Namen hat, findet man hier und auch alle Schweizer Prestige Uhrenlabels. Das Geld fliesst spürbar. Doch wir sparen viel, denn wer hier gewinnt, ist ja klar. Und China profitiert indirekt von dieser Geldschwemme auch.