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Das kosmische Ordnungsprinzip (t'ien li[ 1 ]) und die persönlichen Wünsche des Menschen (jen [ 2 ]) von Monika Übelhör (z. Z. Kyoto) Der Konfuzianismus beruht auf der Vorstellung, daß der Mensch zu ammen mit al- len Dingen Bestandteil eines hierarchisch geordneten Kosmos ist. Jeder Men eh be itzt generell die Fähigkeit, das diesem Kosmos zugrunde liegende Ordnungsprinzip und die daraus folgenden moralischen Gebote zu erkennen. Im Neo-Konfuzianismus galten als einzige Ursache für eine Trübung dieser Erkenntnisfähigkeit und das daraus resultie- rende Fehlverhalten die auf die eigene Person bezogenen Wünsche 1 Wünsche wurden mit Selbstsucht assozüert Selbstsucht aber war nach neo-konfuziani eher Auffassung nicht nur eine unlieb ame Eigenschaft· es galt auch, daß der durch Selb t ucht be- stimmte Mensch die Dinge nicht mehr so sieht, wie sie sind, sondern so wie sie ihm nützlich erscheinen. Er projiziert seine Vorstellungen und Wünsche in die hinein und ist daher nicht mehr fähig sich adäquat, also so wie es im Rahmen seiner Einge- bundenheit in die kosmische Ordnung angemessen wäre, zu verhalten. Dabei wurde ein antagonistischer Gegensatz zwischen den auf die eigene Person bezogenen Wünschen und dem kosmischen Ordnungsprinzip gesehen und die Korrelation hergestellt: je mehr ein Mensch sich von seinen Wünschen bestimmen läßt, je mehr wird für ihn das kosmische Ordnungsprinzip verdunkelt. Je mehr er seine Wünsche auszuschalten ver- mag, desto klarer erscheint ihm dieses Ordnungsprinzip 2 So bildete die Ausschaltung aller auf die eigene Person bezogenen Wünsche ein Hauptanliegen neo-konfuziani- cher Erziehung. "Frei von allen auf sich selbst bezogenen Wünschen (wu yü[ 5 ])" lau- tete im Neo-Konfuzianismus die Definition für densheng jen 3 , den idealen Menschen der aufgrundseiner Einsicht in das kosmische Ordnungsprinzip das gedeihliche Zu- sammenleben auf der Welt aktiv fördern konnte und daher zu gesellschaftlicher Füh- rung aufgerufen war. Diesen Zustand zu erreichen galt seit der Sung-Zeit als das er- klärte und verbindliche Bildungsziel für jeden Studenten 4 Diese Forderung erhielt eine besondere Brisanz dadurch, daß seit der Sung-Zeit kon- fuzianische Bildung als hauptsächlicher, später dann als alleiniger Inhalt der Staatsprü- fungen den Zugang zu dem privilegierten Beamten- und Gelehrten tand (shih-ta-fu) eröffnete. Konfuzianische Bildung machte sich also bezahlt. Das Gefühl, daß sieb diese lukrative Aussicht schlecht mit dem erklärten Bildungsziel also der der Selbstsucht, vertrug war jedoch weit verbreitet 5 An dieser Stelle offenbarte ich ein neuralgischer Punkt der Herrschaftslegitimation im konfuzianischen Staat, war nach ihr doch der zur Herrschaft aufgerufen, den seine- durch Ausschaltung persönlicher W ün- sehe gewonnene! - Erkenntnis des kosmischen Ordnungsprinzips zu moralischem Handeln befähigte. Im Konfuzianismus war überdies nicht immer von einem Antagonismus zwischen kosmischem Ordnungsprinzip und persönlichen Wünschen ausgegangen worden. Meng tzu hatte gefordert, die persönlichen Wünsche in engen Grenzen zu halten und sie nötigenfalls zugunsten übergeordneter Ziele zu unterdrücken 6 Selbst als die Antago- nismus-These zur Sung-Zeit von den Philosophen Chou Tun-i, Ch'eng I und Chu Hsi aufgestellt wurde, bestanden auch noch andere Meinungen 7 Doch setzt sich diese Auf- fassung durch, da Chu Hsis Schulrichtung schließlich zur orthodoxen wurde und es auch 25

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Das kosmische Ordnungsprinzip (t'ien li[1]) und die persönlichen Wünsche des Menschen (jen yü [2])

von Monika Übelhör (z. Z. Kyoto)

Der Konfuzianismus beruht auf der Vorstellung, daß der Mensch zu ammen mit al­len Dingen Bestandteil eines hierarchisch geordneten Kosmos ist. Jeder Men eh be itzt generell die Fähigkeit, das diesem Kosmos zugrunde liegende Ordnungsprinzip und die daraus folgenden moralischen Gebote zu erkennen. Im Neo-Konfuzianismus galten als einzige Ursache für eine Trübung dieser Erkenntnisfähigkeit und das daraus resultie­rende Fehlverhalten die auf die eigene Person bezogenen Wünsche 1• Wünsche wurden mit Selbstsucht assozüert Selbstsucht aber war nach neo-konfuziani eher Auffassung nicht nur eine unlieb ame Eigenschaft· es galt auch, daß der durch Selb t ucht be­stimmte Mensch die Dinge nicht mehr so sieht, wie sie sind, sondern so wie sie ihm nützlich erscheinen. Er projiziert seine Vorstellungen und Wünsche in die Ding~ hinein und ist daher nicht mehr fähig sich adäquat, also so wie es im Rahmen seiner Einge­bundenheit in die kosmische Ordnung angemessen wäre, zu verhalten. Dabei wurde ein antagonistischer Gegensatz zwischen den auf die eigene Person bezogenen Wünschen und dem kosmischen Ordnungsprinzip gesehen und die Korrelation hergestellt: je mehr ein Mensch sich von seinen Wünschen bestimmen läßt, je mehr wird für ihn das kosmische Ordnungsprinzip verdunkelt. Je mehr er seine Wünsche auszuschalten ver­mag, desto klarer erscheint ihm dieses Ordnungsprinzip2 • So bildete die Ausschaltung aller auf die eigene Person bezogenen Wünsche ein Hauptanliegen neo-konfuziani-cher Erziehung. "Frei von allen auf sich selbst bezogenen Wünschen (wu yü[5 ])" lau­

tete im Neo-Konfuzianismus die Definition für densheng jen 3 , den idealen Menschen der aufgrundseiner Einsicht in das kosmische Ordnungsprinzip das gedeihliche Zu­sammenleben auf der Welt aktiv fördern konnte und daher zu gesellschaftlicher Füh­rung aufgerufen war. Diesen Zustand zu erreichen galt seit der Sung-Zeit als das er­klärte und verbindliche Bildungsziel für jeden Studenten4 •

Diese Forderung erhielt eine besondere Brisanz dadurch, daß seit der Sung-Zeit kon­fuzianische Bildung als hauptsächlicher, später dann als alleiniger Inhalt der Staatsprü­fungen den Zugang zu dem privilegierten Beamten- und Gelehrten tand (shih-ta-fu) eröffnete. Konfuzianische Bildung machte sich also bezahlt. Das Gefühl, daß sieb diese lukrative Aussicht schlecht mit dem erklärten Bildungsziel also der Ausschalt~g der Selbstsucht, vertrug war jedoch weit verbreitet5• An dieser Stelle offenbarte ich ein neuralgischer Punkt der Herrschaftslegitimation im konfuzianischen Staat, war nach ihr doch der zur Herrschaft aufgerufen, den seine- durch Ausschaltung persönlicher W ün­sehe gewonnene! - Erkenntnis des kosmischen Ordnungsprinzips zu moralischem Handeln befähigte.

Im Konfuzianismus war überdies nicht immer von einem Antagonismus zwischen kosmischem Ordnungsprinzip und persönlichen Wünschen ausgegangen worden. Meng tzu hatte gefordert, die persönlichen Wünsche in engen Grenzen zu halten und sie nötigenfalls zugunsten übergeordneter Ziele zu unterdrücken6 • Selbst als die Antago­nismus-These zur Sung-Zeit von den Philosophen Chou Tun-i, Ch'eng I und Chu Hsi aufgestellt wurde, bestanden auch noch andere Meinungen 7 • Doch setzt sich diese Auf­fassung durch, da Chu Hsis Schulrichtung schließlich zur orthodoxen wurde und es auch

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dann noch blieb, als ihre philosophischen Grundlagen einschließlich der Antagonis­mus-These zur Ch'ing-Zeit von wichtigen konfuzianischen Denkern radikal kritisiert wurden8.

Wenn auch die Bedeutung der persönlichen Wünsche im Rahmen der konfuziani­chen Ethik verschieden eingeschätzt wurde, so war es doch gemeinsame Zielsetzung

der verschiedenen konfuzianischen Lehrer, Selbstsucht auszuschalten. Im vorliegenden Artikel sollen Wang Kens Überlegungen zu diesem Thema mit den

orthodox neo-konfuzianischen Vorstellungen konfrontiert werden. Wang Ken (h. H in-chai, 1483 -1541), Sohn eines Salzsieders, Autodidakt, selbsternannter und spä­ter auch in weiten Kreisen anerkannter Lehrer eines "echten" Konfuzianismus und Gründer der sog. T'ai-chou-Schule(6] 9, gehörte zwar zu Wang Yang-mings Schulrich­tung, vertrat aber in der Frage der Bewertung der persönlichen Wünsche ähnliche An­sichten wie die Kritiker des Neo-Konfuzianismus der Ch'ing-Zeit. Er verkündete dar­über binaus eine Lehre, in welcher die Ausschaltung der Selbstsucht als die Vorausset­zung für ein der kosmischen Ordnung entsprechendes Verhalten nicht einfach postu­liert, sondern mittels einer schlüssigen Argumentation als notwendig hergeleitet wurde.

Zuerst soll kurz die orthodoxe Position in dieser Frage skizziert und auf einige ihrer Schwächen .hingewiesen werden. Die persönlichen Wünsche galten auch den Verfech­tern eines Antagonismus zwischen persönlichen Wünschen und kosmischem Ord­nungsprinzip nicht als schlecht an sich. Der Wunsch zu essen, sich zu kleiden, ein festes Dach über dem Kopf zu haben wird selbstverständlich als legitim anerkannt. Doch gleichzeitig wird auch darauf hingewiesen, daß jeder Wunsch die Gefahr in sich berge, in Begierden umzuschlagen und zu schlechtem Handeln zu verführen. So heißt es im Chin ssu Lu 10:

"Prachtbauten haben ihre Anfänge in dem legitimen Wunsch nach einer Unterkunft und Prasserei hat ihren Ursprung in dem legitimen Bedürfnis nach täglicher Bmäh­rung. ' Es galt also, bei jedem Wunsch auf der Hut zu sein ob er nicht den Keim zu ei­gensüchtigem Verhalten in sich trug, denn:

"Sich von Wünschen bestimmen lassen bedeutet nicht, daß man schon ganz von ih­nen eingenommen ist; auch schon ein Impuls ist ein Wunsch11."

Hinter olchen Sätzen steht die Auffassung, daß die dem Menschen im· Rahmen der kosmischen Ordnung zustehende moralische Natur (hsing) dann zum Vorschein kom­me wenn der Mensch frei von jeder selbstsüchtigen Regung, in völliger Ruhe (ching) i t, und daß der Mensch seine eigentliche Natur bzw. die moralischen Gebote, die ihr entsprechen nur allzu leicht aus dem Blickfeld verliere, wenn er, durch einen Anreiz aus einer Umgebung angeregt, einen Wunsch entwickle. Jeder Wunsch berge die Ge­fahr daß der Mensch ihm nachgebe, ohne zu überlegen, ob er sich damit nicht aus der Bezogenheit auf das Ganze aussondere. So schrieb Ch eng I in seiner Erklärung des 1-ching- Kommentars zum Hexagramm Nr. 52 (Stillehalten):

Der Grund dafür daß ein Mensch nicht unangefochten an seiner Zielsetzung [dem kosmi eben Ordnungsprinzip zu entsprechen] festzuhalten vermag12, ist daß er sich von seinen Wün eben leiten läßt. Daher muß er diese ausschalten, noch bevor sie offen­bar geworden sind ... Gelingt ihm dies, dann können keine Wünsche mehr sein Be­wußtsein trüben o daß er unangefochten seiner Zielsetzung nachkommen · kann ... S ine eigene Per on (shen) nicht empfinden' heißt, sich selbst zu vergessen. Wenn die eigene Person (wo) nicht mehr im Spiel ist, dann hat man den [für moralisches Verbal-

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ten erforderlichen] Fixpunkt erreicht an dem man verweilen kann. Die n Punkt bat manersterreicht wennmanfreivonSelbstbezogenheiti t(wu o). D nHofzudurch-chreiten, ohne auf die Menschen darin zu achten ... heißt ich nicht von Dingen ablen­

ken zu lassen. Tangieren einen äußere Reize nicht dann keimen im Innem gar kein Wünsche auf. Auf diese Weise hat man den Punkt erreicht an d m man verw ilen kann13•

Die Forderung nach Au chaltung aller elb tsüchtigen Regung n wurde al o mit al­ler Radikalität erhoben. In der Praxis war es allerdings chwierig zu be timm n wo die Grenze zwi eben legitimem Wunsch und selb tsüchtiger Regung verli f. Die war ein empfindlicher Mangel in einem Bildungsprozeß der auf Au chaltung der Selb t ucht abzielte.

Allgemein galten im Neo-Konfuzianismus der Schulrichtung Chu H is , andauerode Achtsamkeit (chü ching[8 ]) und , das Erforschen der Dinge (ko wu[9]) als die beiden Stützen des Bildungsprozesses.-Mit , andauernder Achtsamkeit war die tändige Be­reitschaft gemeint, auf das kosmische Ordnungsprinzip zu achten und ihm zu ent pre­chen. "Das Erforschen der Dinge ' bezog sich auf die philosophische Prämi e daß das ko mi ehe Ordnungsprinzip sich in den Phänomenen der Natur wie auch der Ge­schichte auspräge und durch ein Studium dieser Phänomene zu erkennen ei14 • Prak­tisch richtete sich das Studium in erster Linie auf die kanoni eben Schriften da man da­von ausging daß in ihnen das kosmische Ordnungsprinzip bzw. die Prinzipien für ein ihm gemäße Verhalten niedergelegt seien. Für beide Vorgehen weisen wurden aus­führliche Anleitungen gegeben15• Im Gegensatz dazu fällt die Verschwommenheit der Au sagen auf, die speziell das ko mische Ordnungsprinzip und die auf die eigene Per­son bezogenen Wünsche betreffen. So heißt es etwa:

Nun ist der Grund dafür daß man in seinem Auftreten aufrecht und in einen Reden korrekt sein muß, nicht daß man für seine Person gut sein will, oder daß man ich da­nach richtet, was die anderen sagen. Vielmehr geht e darum, dem kosmischen Ord­nungsprinzip zu entsprechen. Prinzipiell darf es keine elb t üchtigen Impulse geben, sondern allein diese Übereinstimmung mit dem Ordnungsprinzip.

Oder: ,Läßt man sich durch das kosmische Ordnungsprinzip zum Handeln bewegen so irrt

man nicht, läßt man sich von auf die eigene Person bezogenen Wün eben bewegen dann irrt man .. . Selbst wenn man nicht absichtlich gegen die rechte Lehre ver tößt, irrt man immer noch, falls man sich nicht in Übereinstimmung mit dem Ordnung prinzip befindet und bat dann doch ein verderbtes Bewußtsein. Wer frei von Irrtum ~st, wird sich nicht vom Rechten entfernen. Sich vom Rechten entfernen, bedeutet, im Irrtum zu sein16.

Auch Wang Y ang-ming, der einen völlig anderen Bildungsansatz verfolgte al Cbu Hsi ging davon aus daß Selbstbezogenheit die Wurzel allen menschlichen Fehlverhal­tens sei und daß die auf die eigene Person bezogenen Wünsche radikal ausgerottet werden müßten. So entgegnete er auf die Klage eines Freundes daß er sich zwar selbst­süchtiger Wünsche bewußt werde, aber unfähig ei, sie auszuschalten:

,Der Moment, in dem ein selb tsüchtiger Wunsch aufkeimt, ist der Ansatzpunkt für Deine Lebensgestaltung [entsprechend Deiner moralischen Bestimmung (ming(10])].

An dieser Stelle mußt Du Deine Regung ausschalten. Dies ist die Anstrengung, die er­forderlich ist will man sein Leben im Rahmen der kosmischen Ordnung gestalten17. "

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Wang Yang-ming verfolgte jedoch einen vom orthodoxen Neo-Konfuzianismus völ­lig verschiedenen pädagogischen Ansatz. Das ergab sich aus der Prämisse seiner Lehre, daß dem Menschen, der ja auch eine Ausprägung des kosmischen Ordnungsprinzips darstelle, die für ihn gültigen Prinzipien als immer vorhandenes Wissen um das Gute (liang chih(H]) angeboren sein müssen18• Zwar heißt es auch bei Wang Yang-ming, man müsse aufmerksam, wie die Katze auf der Lauer nach einer Maus, auf jede aufkeimende elb tsüchtige Regung achten, um schon den Anfängen zu wehren 19• Doch andererseits

warnte er auch davor, lediglich auf die Bekämpfung selbstsüchtiger Regungen fixiert zu ein2o. Beim Bildungsprozeß kam es nach seiner Ansicht darauf an, daß der Mensch

lernt, auf das in ihm angelegte Wissen um das Gute zu achten. Dieses Wissen melde sich bei jeder Wahrnehmung und bei jedem Handlungsimpuls. Es sei an sich, ähnlich wie der Drang, ein ertrinkendes Kind zu retten, ein Impuls, der den Menschen spontan zu jeweils rechtem Handeln antreibe21.

Diese Vorstellung vom dem Menschen angeborenen Wissen um das Gute ist umso wichtiger, als Wang Yang-ming immer wieder betont, daß die Prinzipien rechten Han­deins nichts Statisches sein könnten. Was gut oder schlecht ist, müsse jeweils im Kon­text der jeweiligen Gegebenheiten beurteilt werden22. Diese Vorstellung erforderte also, daß der Mensch ein eigenes Urteilsvermögen entwickelte und enthielt somit eine beträchtliche Aufwertung des Individuums. Wang Yang-ming ging in seiner Betonung des Wissens um das Gute und des eigenen Urteilsvermögens ziemlich weit und vertrat sogar die Auffassung, Anleitung für das eigene Verhalten aus Büchern- und seien es die kanonischen Schriften- beziehen zu wollen, berge die Gefahr der Oberflächlichkeit in sich und stelle letztlich ein Ausweichen vor der eigentlichen Aufgabe dar23. Doch trotzdieses wesentlichen Unterschieds zum orthodoxen Konfuzianismus fällt auch bei Wang Y ang -ming auf, wie vage seine Aussagen zu den auf die eigene Person bezogenen Wünschen sind. So schreibt er, nach der Diskussion der Trüb11ngen, die das an sich vor­handene Wissen um das Gute erfahren kann:

Nun ist aber das Wissen um das Gute schon das tao und dieses Wissen befindet sich im Bewußtsein (hsin) eines jeden Menschen, nicht etwa nur im Bewußtsein der Weisen und der sheng jen. Läßt man sich nicht durch materielle Wünsche (wu yü[13]) verleiten oder sich durch sie den Blick trüben, sondern folgt man einfach seinem Wissen um das Gute und läßt es voll zur Wirkung kommen, so wird man sich in allem in Übereinstim­mung mit der kosmischen Ordnung befinden 24 . "

Auch für Wang Yang-ming galt, daß die auf die eigene Person bezogenen Wünsche unerbittlich und schon im Keim erstickt werden müssen, wollte man das kosmische Ordnungsprinzip zur Wirkung kommen lassen. Dabei ging er davon aus, daß jeder Mensch infolge des ihm angeborenen Wissens um das Gute dies im Grunde auch wolle. Die Unbestimmtheit von Wangs Aussagen in diesem Punkt mag mit seiner Überzeu­gung zusammenhängen daß es kein fertiges Rezept für die jeweilige Entsprechung zum kosmischen Ordnungsprinzip geben könne. Sie ist jedoch auch ein Ausdruck des irra­tionalen Sprungs in der neo-konfuzianischen Herleitung der Ethik. Und so bereitete ver tändlicherweise gerade dieser Punkt sogar innerhalb seiner eigenen Schule die größten Schwierigkeiten. Immer wieder klagten Schüler, sie fühlten sich mit dieser Aufgabe überfordert sie seien sich nicht einmal sicher, ob es ihnen eigentlich um ihr wahres Selbst oder nicht um ihr körperliches Wohl gehe, ob sie nicht doch von Selbst-ucht getrieben seien und ihnen somit die Erkenntnis des kosmischen Ordnungsprinzips

und echt moralisches Handeln unmöglich waren2s.

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Für Wang Ken, der auch zur Schulrichtung Wang Yang-ming gehörte und einige Zeit bei ihm Lehrassistent war gab es die e Unsicherheit nicht. Wünsche bargen zwar auch nach seiner Ansicht die Gefahr in sich den Men eben zu faL ehern Verhalt n zu verleiten. Andererseit empfand er die Wünsche aber auch als Mittel zum Verständni der anderen_ Menschen. So schrieb er:

"Durch die Wünsche, die man selbst hegt weiß man wa die anderen wünschen und durch die Aversionen, die man selbst verspürt weiß man was die anderen ablehnen 26•

Zwar steht auch im Lun-yü (5:11) die Forderung: ,Was ich nicht will das man mir tu' da füg ich keinemandem zu.' Wang Kens Aussage reichte aber weit über diesen Lun-yü-Satz hinau bezog ie ich

doch nicht nur darauf was man unterlassen sollte sondern forderte auch ein po . itives Eingehen auf den andern. Vor allem aber war sie Bestandteil einer Lehre von der Wichtigkeit des Individuums. Wie bereits erwähnt, hatte die Per on des Einzelnen schon durch Wang Yang-mings Vorstellung vom jedem Men eben angeborenen Wi -sen um das Gute eine beträchtliche Aufwertung erfahren. Wang Ken ging noch weiter und betonte daß die eigene Person die grundlegende Voraussetzung .für die Verwirkli­chung der kosmischen Ordnung im menschlichen Bereich sei. Moralforderungen, die eine Schädigung der eigenen Person mit sich brachten bezeichnete er als widersinnig27•

Um überhaupt moralisch handeln zu können müsse zuallererst die Existenz der eige­nen Person gesichert sein. Wang Ken wurde nicht müde, immer wieder auf diesen Punkt hinzuweisen; er versuchte, seiner These durch zahlreiche Zitate aus den kanonischen Schriften Gewicht zu verleihen28 • Und gerade aus dieser Zielsetzung heraus leitete er die Notwendigkeit einer Einschränkung der auf die eigene Person bezogenen Wünsche ab. Die Sorge um das Wohlergehen der eigenen Person zwinge den Menschen unaus­weichlich dazu die Interessen der anderen gelten zu lassen seine Selbstsucht abzulegen und dem kosmischen Ordnungsprinzip zu entsprechen. Er argumentierte:

, ... Wer versteht sich selbst zu erhalten muß sich selbst wie ein Kleinod lieben. Um dies zu vermögen, muß man aber auch die anderen Menschen lieben. Gelingt es mir, die anderen Menschen zu lieben so werden auch sie mich unweigerlich lieben ... Lieben die Menschen mich, dann ist meine Person gesichert. Vermag man die Menschen zu lieben, so kann man sie nicht hassen, und wenn dem so ist, dann werden auch die anderen Men­schen mich nicht hassen. Dies aber bedeutet daß meine eigene Existenz gewährlei tet ist.

Um sich selbst lieben zu können, muß man sich selbst so achtsam (ching) wie ein Kleinod behandeln. Um dies zu vermögen, muß man unweigerlich auch den anderen Menschen achtsam begegnen. Tut man dies dann werden auch die anderen Menschen einen achtsam behandeln, und dann ist auch die Erhaltung der eigenen Person gewähr­leistet. Achtet man sich selbst, dann mag man auch die anderen Menschen nicht grob behandeln, und wenn ich die andern nicht grob behandle, dann werden auch sie mich nicht grob behandeln. Will man seine eigene Person bewahren, bat aber noch nicht be­griffen, daß es gilt, die Menschen zu lieben, so kommt es unweigerlich dazu, daß man nur das für sich selbst Angenehme und Vorteilhafte verfolgt, den anderen Menschen aber schadet. Dies aber werden mir die andern vergelten, so daß meine eigene Erhal­tung nicht gewährleistet ist.. .. 29"

Um das Abgleiten von Wünschen in Selbstsucht zu verhindern, geht es nach Wang Kens Auffassung einzig und allein darum, daß der Einzelne diesen Zusammenhang ver­steht. Habe er dies einmal begriffen, dann sei gewährleistet, daß er die Bezogenheit al-

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ler aufeinander und seine eigene Eingebundenheit in die Gesamtheit nicht mehr aus den Augen verliere, daß er in angemessener Weise (ch'eng[ 18

]) auf die Dinge eingehe und damit die ko mische Ordnung nicht störe, sondern verwirkliche.

Auch nach Wang Kens Auffassung verhindert Selbstsucht die Verwirklichung des kosmi eben Ordnungsprinzips. Bedeutsam ist, daß er nicht mehr einfach im Namen der Verwirklichung des kosmischen Ordnungsprinzips forderte, die Selbstsucht sei auszu­schalten, ondem daß er die Notwendigkeit dazu allgemein einsichtig herleitete. Seine Herleitung enthielt gleichzeitig eine tragbare Grundlage für die Bewertungder ~igenen Wünsche und für ihre Abgrenzung gegenüber Selbstsucht. Indem seine Lehre den ele­mentaren Wunsch des Menschen nach Wohlergehen und Geachtetsein der eigenen Person voll anerkannte und auf die schädlichen Auswirkungen der Selbstsucht auf die Erfüllung dieses Wunsches hinwies, lieferte sie gleichzeitig eine starke Motivation, die Selb tsucht zu bekämpfen. ·

Wang Ken ging davon aus, daß das kosmische Ordnungsprinzip im menschlichen Be­reich im Rahmen der konfuzianischen Moralvorstellungen zu realisieren sei. Von seiner Lehre heißt es, sie drehe sich nur um die konfuzianischen Grundtugenden (hsiao und ti), al o um die Liebe und Fügsamkeit, die man seinen Eltern und älteren Brüdern schuldet30 • Gegen Mitglieder seiner Schu1e wurde später allerdings der Vorwurf erho­ben, sie kümmerten sich nicht mehr um die konfuzianischen Moralvorstellungen und lebten nur ihrer Selbstsucht31• Auf diese Vorwürfe kann in diesem Rahmennicht einge­gangen werden. Es sei nur noch abschließend darauf hingewiesen, daß Wang Ken, in­dem er die auf die eigene Person bezogenen Wünsche gelten ließ, sofern sie nicht gegen die Interessen der anderen verstießen, die Argumentation jener konfuzianischen Den­ker der Ch ing-Zeit vorwegnahm, die, wie eingangs erwähnt, zusammen mit der Philo­sophie des Neo-Konfuzianismus auch dessen Einstellung zu den Wünschen kritisier­ten32.

Anmerkungen 1 Siehe hierzu z. B. den Ausspruch eines der Brüder Ch'eng (Erh- Ch'eng ch'üan shu[3], Ssu­

pu-pei..:yao-Edition, 4 :27b): "Daß die Menschen in Bezug auf das kosmische Ordnungsprinzip im Dunkeln tappen, i t nur weil sie sich von ihren selbstsüchtigen Wünschen verwirren lassen." Bei dieser Vorstellung handelte sich, wie Cb'eng selbst anmerkt, um eine taoistische Auffassung, die er jedoch gutheißt. Dieser Ausspruch ist aufgenommen in die von Chu Hsi zusammengestellte Summa da Neo-Konfuzianismus, das Chin ssu lu[4], das übersetzt ist von Wing-tsit CHAN, Re­flections on Things at Hand , New York/London 1967, S. 274. Stellenangaben aus dem Chin ssu Lu (im folgenden CSL abgekürzt) werden in der von Chan befolgten Abschnittsaufteilung angege­ben.

2 Vgl. hierzu CSL 5:11. 3 Siebe hierzu z. B. CSL 4:1. 4 CSL 2:65.- Für die Vorstellung vom sheng jen, die im Lauf der Gescbichte des Konfuzia­

ni mus eine Bedeutung! verschiebung erfuhr, s. SIDMADA Kenji , Shushi-gaku to Yömei-gaku üb rsetzt von Monika UBELHÖR Die neo-konfuzianische Philosophie, Die Schulrichtungen Chu R is und Wang Yang-mings, Harnburg 1979, S. 19 f. , S. 41 f.

s Beredte Zeugnis hierfür i t z. B. die Wirkung eines Vortrages, den der Philosoph Lu H iang- han auf Einladung Chu Hsis 1181 vordessen Schülerkreis hielt. Lu legte diesem Vortrag den Lun-yü-Satz (4:16) zugrunde: ,Der Edle versteht sich auf rechtes Verhalten, der Gemeine auf einen Vorteil" und brachte den zweiten Teil des Zitats mit dem allgemeinen Streben nach Er­folg bei den Staatsprüfungen in Zusammenhang. Viele seiner Zuhörer sollen durch seine Ausfüh: rungen so erschüttert worden sein daß sie in Tränen ausbrachen. Der Vortrag ist übersetzt bet Siu-C.hi HUANG, Lu Hsiang-shan A Twelth Century Chinese Idealist Philosopher, New Haven 1944, S. 61 ff. -Zu den Privilegien der Beamtenschaft bzw. der Absolventen der Staatsprüfungen S. CHANG Cbung-li, The Chinese Gentry, Seattle!London 1955, S. 32-51.

6 Vgl. Meng tzu 7b:35 u. 6a:10.

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1 z. B. waren die Philo opben Ch eng Hao _und der hon genannte Lu H i ng- han and r r Auffassung· . SHIMAD UBELHÖR, op. ett. (Anm. 4 S. 54 f und . 11 f.

S. hierzu z. B. die Kritik Wang Fu-chih 1619-1192) zitiert in Wing-tsit C ource Book of Chinese Philosophy Princeton 1969 . 70 f und Tai hen (1723-77) ibid. . 712 ff.

9 Wang Ken fand bi her in den in westlichen Sprach n v rliegenden Philo ophi ge hiebt n nur kurze Erwähnung. Etwas au fiih!licher geht Wm. Tb dot d BAR auf ihn ein in in · m Artikel , Individualism and Humanitariani m in Late Ming Tb ugbt" in: d BAR ed. elf and So ietyinMingThought ewYork/London197 .157-175.S.auhWangK n Biograpbi in L. Carrington GOODRICWCbaoying FANG eds. Dictionary of Ming Bio raphy {13 1644)

ew Yord!Londen 1976, . 1382-1385.- Von der V rlasserin de vorliegend n Artikel i t eine eingebende Unter uchung von Wang Ken Denken in Arbeit.

1° CSL 5:6 n CSL 5:24 12 ,An ch'i chih(7]' , in An pieJung auf die letzte der im Ta hsüeh eingangs erhoben n Grund­

forderungen für konfuzianische Bildung. 13 CSL 4:6. Die 1-ching-Stelle (Shih- an-ching-chu- bu-Edition S. 2 ) i t bei Richard

WILHELM I Ging, Das Buch der Wandlungen, Dü eldorf/Köln 1956 S. 577 übersetzt.- Für die Bedeutung die im eo-Konfuzianismus dem Zustand der Ruhe ( hing) beigeme n urde . SHIMADA/UBELHÖR, op. cit. (Anm. 4) S. 39 ff.

t 4 Vgl. hierzu SHIMAD ÜBELHÖR op. cit. (Anm. 4) . 69 und . 107-111. 15 So z. B. in den Kapiteln 2- 5 des CSL. 16 CSL 4:16 und 2:8 17 Die er Brief ist aufgenommen in Wang Yang-ming Lebrge präehe (Chuan hsi lu, im fol­

genden abgekürzt CHL) Teil3 Abschnitt 334. Zitate au dem CH L werden in der von Wing-tsit CHAN Instructions for Practical Living, New York/London 1963 befolgten Ab hnittsaufteilung angegeben.

18 Mit dem Begriff liang chih greift Wang Yang-.ming auf die berühmte Meng-tzu-Stelle (7a:l5) zurück: ,Die Fähigkeit die der Mensch be itzt ohne ie erst lernen zu mü en, das ist seine Fähigkeit, gut zu handeln (liang neng(12]), und das Wi en, über das der Mensch verfügt, ohne nachdenken zu mü sen i t das ihm angeborene Wi en um das Gute."- Für eine au führli­ehe Besprechung der Bedeutung diese Begriffes in Wang Yang-ming Philo ophie . Julia CIDNG To Acquire Wisdom, the Way of Wang Yang-ming, ew York!London 1976 be . die Kapitel 4 u. 5.

19 CHL, Abschnitt 31 2o S. hierzu z. B. CHL, Abschnitt 161. 21 Mit diesem Vergleich knüpft Wang an die berühmte Pa sage beiMeng tzu (6a:2) an, in wel­

cher die er eine Auffas ung verficht, daß der Men eh von Natur gut ei. -Zu die er Auffassung vom Wis en um das Gute als einem Impuls s. CHING, op. cit. (Anrn. 18) S. 137 und SHIMA­DA/ÜBELHÖR op. cit., S. 145, vgl. auch S. 162 f.

22 S. hierzu z. B. CHL Abschnitt 52 und 101. 23 Vgl. hierzu Monika ÜBELHÖR , Die Auflö ung des konfuziani eben Bildung begriffe

bei Wang Yang-ming" in: Asiatische Studien XXXIV, 1 (1980). 24 CHL, Abschnitt 165 25 S. z. B. CHL, Abschnitt 122. 26 In einer Abhandlung "Ming ehe pao sben lun(14]", Wang Hsin-chai ch'üan chi1 (im folgen­

den WHC) Nachdruck einer japanischen Ausgabe aus dem Jahr 1846, Taipei 1975 4:5a.- Die e Abhandlung ist bei de BARY, op. cit. (Anm. 9) S. 164 teilweise übersetzt. Der zitierte Satz fehlt jedoch. Oe Bary hebt in seiner Besprechung dieser Abhandlung zwar Wang Kens Betonung der eigenen Person hervor, beachtet aber nicht, daß - wie im vorliegenden Artikel herausgearbeitet wird- Wang Ken Lehre auch eine vernunftgemäße Herleitung der Moralforderungen enthält.

27 So spricht er sieb (WHC 4:5a) dagegen aus daß ich ein IGnd aus Für orge für seine Eltern ein Stück Fleisch aus den Schenkeln cbneidet um daraus den kranken Eltern eine- wie man an­nahm- heilkräftige Suppe zu bereiten,- ein Vorgeben, das gemeinhin al Gipfel kindlieber Pietät gepriesen wurde. Vgl. hierzu CHAN, op. cit. (Anm. 17), S. 107 Anm. 44. -An der gleichen Stelle wendet ich Wang Ken auch gegen die Forderung des Lun-yü (15:8): "Wer sich dem jen ver­schrieben bat, wird wenn er dadurch den Geboten des jen schadete, nicht ein Leben zu bewahren treben. Er wird vielmehr den Tod in Kauf nehmen, um jen zu verwirklichen.'

28 So verweist Wang Ken z. B. in der in Anm. 26 genannten Abhandlung darauf daß Ts'eng tzu in seiner Sterbestunde seinen Schülern als Beweis, wie er als guter Sohn auf seinen von den EI­tern empfangenen Körper geachtet habe, die völlige Unversehrtbeit seines Leibes zeigte (Lun-yü 8:3). Schon der Titel seiner Abhandlung ist eine Anspielung auf ein Shih-ching-Ged.icbt (Ta ya 3:6 Strophe 4; Leggesche Übersetzung, S. 543) diesich auch im Chung yung (Abschnitt 27) fin­det. Wang Ken verweist auch darauf, daß Konfuzius wie Meng tzu gesagt hätten, sich zu achten (ching) bzw. zu bewahren (shou(1 5]) sei das Wichtigste (vgl. Meng tzu 4a:19). Mit dengleichen Zi-

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taten und Anspielungen untermauert er auch entsprechende Ausführungen in seiner ,,Hsiao chen(16]'' (Ermahnung zu pflichtgemäßem Verhalten gegenüber den Eltern), WHC 4:1b, sowie in seinem "Ta wen pu i(11)" (Zur Klärung offen gelassener Fragen des Ta hsüeh ). Dieses Werk ist in dem oben genannten Nachdruck nicht enthalten, es findet sich jedoch in einer im Naikaku bunko vorhandenen Ausgabe aus der Wan-li-Zeit, 3:38b-57a.- In diesen Erläuterungen, Abschnitt 13 (3:48a), stellt Wang auch heraus, daß die eigene Person und dastaogleichermaßen geachtet wer­den müßten.

29 WHC 4:4-b 30 S. Mingju hsüeh-an (MJHA), Shih-chieh-shu-chü-Edition, Taipei 1965,32:318. Bei dieser

Charakterisierung handelt es sich wohl um eine Anspielung auf Meng tzu (6b:2): "Das taovon Yao und Shun bestand in weiternichts als der Liebe und Fügsamkeit, die manseinen Eltern und äl­teren Brüdern schuldet."- Wang Ken hat allerdings, wie in der in Anm. 9 angekündigten Arbeit aufgezeigt werden wird, eine sehr eigenwillige Auffassung von diesen beiden konfuzianischen Tu­genden.

3 1 S. MJHA 32:311, vgl. auch de Bary, op. cit. (Anm. 9), S. 178 ff. 32 Besonders Tai Chens Argumentation weist eine erstaunliche Ähnlichkeit zu Wang Kens

Kriterien für die Einschränkung der auf die eigene Person bezogenen Wünsche auf. S. hierzu z. B. Abschn. 2 u. 10 seiner Meng tzu tzu-i shu cheng (Kommentare zu den Begriffsbedeutungen bei Meng tzu), erschienen in der Reihe Kuo-ts'ui ts'ung shu, Shanghai 1905, a:lb u. 5b; vgl. CHAN, op. cit. (Anm. 8), S. 712 f.- Es sei darauf hingewiesen, daß Joseph NEEDHAM, Science and Civi­lisation in China, Band 2, S. 509 bemerkt, daß mit dem Begriff des angeborenen Wissens um das Gute (liang chih) bei Wang Yang-ming Kants kategorischer Imperativ antizipiert worden sei.

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