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Das Rezidiv und seine Verhütung bei der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener

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366 Fortschritte der Kieferorthop~idie Bd. 23 H. 3 u. 4 (1962)

Das Rezidiv und seine Verhiitung bei der kieferorthopiidischen Behandlung Erwachsener

Von E. Schiinherr, Radebeul

Mit 37 Abbildungen

l~Tber (tie kieferorthop/idisehe Sp/itbehandlung ist in den letzten Jahren yon versehiedenen Autoren ( B e r t z b a e h , B r f i e k l , B v l o f f - K l a r , H a u s s e r . H i iup l , K o r k h a u s , K f l e , P e t r i k , A.M. S e h w a r z , T h i e l e m a n n , T r a u n e r . W u n - d e t e r ) im Faehsehrift tum beriehtet undes sind die MSgliehkeiten ihrer Durehffih- rung er6rtert worden. In diesen Arbeiten wurde keine seharfe Trennung der Sp/it- f/ille naeh Altersklassen durehgeffih~t; teilweise wird fiber 12 14j/ihrige, teilweise

' aber aueh von Erwaehsenen beriehtet. Aus dem Sehrifttum ist mir keine Stelhmg- nahme bekannt, in der vom Bliekpunkt des Rezidivs fiber eine grfBere Zahl yon Sp/itf/tllen beriehtet wird. bei denen die Retentionszeit sehon jahrelang zuriiek- liegt.

�9 Heute will ieh den Versueh unternehmen, aus einer fiber 30j/ihrigen kiefer- orthop~tdisehen Erfahrung fiber Sp/itfiille zu referieren, die sieh vom 18. bis zum 50. Lebensjahr erstreeken. Ieh hoffe, daB sieh dabei doeh gewisse Sehlfisse ziehen lassen, die yon den kieferorthop/~diseh t/ttigen Kollegen bei der Behandlung Erwaehsener berfieksiehtigt werden mfissen, wenn sie bei der Durehffihrung ihrer Behandlung m6gliehst wenig Rezidive erleben wollen.

Insgesamt-wurden im Zeitraum yon 1926 bis 1960 230 Erwaehsene kiefer- orthop/tdiseh behandelt, das sind 5,3% des kieferorthop/idisehen Krankengutes. Eine statistisehe Auswertung des gesamten Zahlenmaterials bezfiglieh der auf- getretenen Rezidive war nieht mfglieh, weil ein groBer Teil der Patienten nieht mehr erfaBt werden konnte. I m Verlaufe meiner Ausffihrungen werde ieh auf das zur Auswertung gelangte Material im einzelnen noeh eingehen.

Zun/iehst einige allgemeine Bemerkungen. Die Gefahr des Rezidivs ist bei der kieferorthop/idisehen Behandlung Erwaeh-

sener zweifellos grfBer als bei Kieferanomalien, (tie im WechselgebiB oder im frfihen bleibenden GebiB vor AbsehluB des Knoehenwaehstums begonnen werden. Abgesehen von wenigen Ausnahmen, sind alle diese Sp/ttbehandlungsf/ille progno- stiseh ungiinstiger zu beurteilen. Wenn A. M. S c h w a r z auch sagt, dab eine kiefer- orthopgdische Behandlung bis ins Greisenalter hinein mfglich ist und der Umbau des Knochens sich nach denselben biologischen Gesetzen vollzieht wie beim Jugendlichen, so dfirfte doch feststehen, worauf H / t u p l und W u n d e r e r mit Recht tiinweisen, dab ausgereifte Gewebe kieferorthop~tdisch schwerer zu beein- flussen sind als nicht ausgereifte. Ausgenommen sind hiervon jedoch (tie F/~lle, bei denen das parodontale Gewebe durch Entziindungen oder Abbau sehon stark geseh/idigt ist und Loekerungen einzelner Z/thne oder Zahngruppen in verschie- denen Graden bereits vorliegen.

Genauso wie der Knochenumbau im ausgereifte~l Knochengewebe im all- gemeinen langsamer vonstat ten geht, dfirfte aueh die funktionelle Anpassung entsprechend l~nger dauern als beim Jugendlichen, u n d e s werden besondere MaBnahmen erforderlieh sein. um das funktionelle Gleiehgewieht herzustellen.

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Seh6nherr, Rezidiv u. seine Verhiitung bei der kieferorthop. Behandlung Erwaehsei:er 867

Wir mtissen, wenn wir rein kieferorthop'gdiseh ohne ehirurgisehe ~[agnahmen die Behandlung durehgefiihrt haben, damit reehnen, dab wir ein Rezidiv nur vermeiden k6nnen, wenn die Retent.ionsapparate fiber Jahre hinaus getragen werden. Die von H g u p l und anderen angegebenen Retentionszeiten yon ~_ Jahr bei durehgeftihrter Behandlung mit funktionskieferorthop/idisehen Ger/iten und yon 1 Jahr bei Verwendung yon aktiven Behelfen reiehen meines Eraehtens flir beide Methoden bei der Behandtung Erwaehsener nicht aus.

Beim Vorliegen einer parodontalen Insuffizienz, die vor allem (lie Patienten fiber 35--50 Jahre betrifft, mfissen herausnehmbare Schienen dauernd getragen werden, wenn keine festen Sehienen eingesetzt wurden.

Se ipe l hat wohl Reeht, wenn er sagt, dab ffir die Zeit der orthodontisehen Retention keirte exakten Regeln aufgestellt werden k6nnen. Seine Angaben, dMt bei der Durehffihrung gr6gerer kieferorthop/~diseher Veranderungen - - einsehlieg-" lieh Veriinderungen der Biglage - - 1--2 Jahre genfigen, dfirfte bei der Behand- lung Erwaehsener zu kurz bemessen sein.

Die Vertreter der H/tuplsehen Sehule werden mir natfirlieh vorhalten, dab die Rezidi~-gefahr geringer ist, wenn mit funktionskieferorthop~flisehen Geraten ge- arbeitet wird; aber Pe t r ik" und W u n d e r e r geben selbst an, dab nieht in allen Fgllen. gerade bei ausgedehnten Stellungs- einsehlieglieh BiBanomalien bei Er- waehsenen, mit funktionskieferorthop/idisehen Geraten ein Erfolg zu erzielen ist. W u n d e r e r beriehtet fiber eine 32jahrige Patientin, wo es nieht gelungen ist, die Protrusion der oberen Frontz/~hne mit dem Ger/it yon A n d r e s e n - H ~ u p l zu be- seitigen und daft die Einstellung des Unterkiefers in den gegelbiB nur dutch K/irzen der uuteren Frontz~hne mit dem Schleifstein m6glieh war.

Ieh habe unter meinem Krankengut keinen mit aktiven Ger~tten behandelten Fall, bei dem es nieht gelungen ware, die Protrusion der oberen Frontzahne zu beseitigen. Den Hoehstand der unteren Frontzahne behandle ieh - - wie W u n - de re r - - y o n vornherein mit dem Sehleifstein; die Einstellung in den gegelbiB gelingt beim Erwaehsenen allerdings nieht immer 100% ig. Sie ist aber aus kos- metisehen Grfinden mitunter nieht angezeigt, z. B. wenn das Kinn mit entspre- ehendem Weiehteilpolster so ausgepragt ist, dab der Unterkiefer zweeks Einstel- lung in den Neutralbig aus asthetisehen Grfinden nieht naeh mesial versehoben werden kann.

5Ieiner Statistik ist zu entnehmen, dab yon den 230 Patienten der gr6Bte Teil =- 81yo weibliehe Patienten waren, die in den wenigsten Fallen wegen funk- tionellen St6rungen, sondern aus rein kosmetisehen Griinden eine B e h a n d l u n g wfinsehten. Aus dem amerfl~anisehen Sehrifttum geht ebenfalls hervor, dab bei der Durehffihruag orthopadiseher MaBnahmen asthetisehe und kosmetisehe Momente viel starker bewertet werden, als es bei uns der Fall ist.

Bei der Behandlung Erwaehsener stehen meines Erachtens die kosmetisehen Momente im Vordergrund und sie sind gerade bei unseren weibliehen Patienten, die fast alle im Berufsleben stehen, yon augerordentlieher Bedeutung.

Die versehiedenen BehandlungsmSgliehkeiten stehen im P~shmen meines heu- tigen geferates nieht zur Debatt.e. Ieh habe aber bereits versehiedentlieh darauf hingewiesen, daft ieh es gerade beim Erwaehsenen ffir augerordentlieh wiehtig hMte, die Behelfe beim Vorliegen einer Klasse II /1 oder Klasse I I /2 so zu kon- struieren, dab sie vom Patienten aueh tagsfiber getragen werden k6nnen. Das bedeutet, dab fiber die yon mir frfiher empfohlenen aktiven Behelfe hinaus (Bim- let , Federgelenk naeh F r / t n k e l , Seharnier naeh H e r b s t ) gegebenenfalls auch festsitzende Apparaturen verwendet werden mfissen. Bei der Altersgruppe yon

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18 bis 25 Jahren und DistalbiB geringen AusmaBes kann man auch den Aktivator yon A n d r e s e n- H A u p 1 mit Erfolg verwenden. In ganz extremen FAllen wird man mit tmter aueh mit festsitzenden Apparaturen keinen Dauererfo|g erzielen, sortdern auf chirurgisehe Maftnahmetl artgewiesen sein, wenn ein gezidiv vermiedert wet- den soll.

Die untersehiedliehe Auffassung yon H/Lupl und S e h w a r z fiber das tAgliehe Rezidiv soll nieht noeh er6rtert werden; es besteht aber die Tatsaehe, daft selbst naeh 1Angerer Zeit durehgeffihrter funktionskieferorthopAdiseher Behandlung oder Behandlung mit Platten, die nur naehts getragen werden, einzelne ZAhne, die be- sonders sehief gestanden haben, tagstiber ihre Stellung im Sinne der alten Rich- tung verAndern und beim Tragen der Apparate innerhalb kurzer Zeit die Stellung wieder einnehmen.

Man kann A. M. S e h w a r z wohl aueh zustimmen, wenn er bei der Er6rterung der biologisehen Ursaehen ftir das gezidiv eine Art ausgleichender Gereehtigkeit darin sieht, dab mit der gr6fteren Sieherheit der Umformung mit aktiven GerAten zwar ein betrAehtlieher Prozentsatz yon mehr oder weniger wesentliehen Rtiek- fAllen in K a u f genommen werden mug, wAhrend die FunktionskieferorthopAdie bei einer gewissen Anzahl yon Patienten vorn vornherein versagt, um freilieh da- mit zu entsehAdigen, daft die wirklieh erzielten Erfolge im grogen und ganzen rfickfallfrei bleiben.

Da bei der BehaIldiung der Erwaehsenen dureh unsere kieferorthopAdisehen GerAte einer normalen Erbanlage (Kryktotypus nach Sa l l e r ) nieht mehr zum Durehbrueh verholfert werden kann und wir aueh nicht damit reehnen k6nnen, daft eine UmprAgung der Konstit.ution beim Erwachsenen noch stattfindet, ergibt das bezfiglieh Prognose und l~ezidiv nur ungtinstige Aspekte. Ein grol~er Teil aller Rezidive wird darauf zurfiekzuf/ihren sein, dab der grol3e Untersehied zwisehen der normalen kieferorthopAdisehen Behandlung und der bei Erwaehsenen in dieser Beziehung zu wenig bertieksiehtigt wird.

Ieh bin deshalb aueh der Meinung, daft z. B. die Behandlung des Deekbisses beim Erwaehsenen prognostiseh durehaus anders zu bewerten ist als beim Jugend- lichen. In hoehgradigen FAllen yon Deekbig wird yon vornherein nieht damit zu reehnen sein, wenn rein kieferorthopAdiseh behandelt wird, dab ein roller Dauer- erfolg erzielt wird. Wit mtissen uns mit einem Teileifolg zufrieden geben, worauf aueh H a u s s e r hingewiesen hat, wenn wir nieht kieferehirurgiseh vorgehen, wie yon T r a u n e r , H e i s s , B y l o f f - K l a r , K61e u. a. besehrieben worden ist.

So beriehten B y l o f f - K l a r und K61e in ihrer Arbeit fiber ,,Die Anwendung der sog. Kort ikotomie bei sehwierigen FAllen im SpAtregulierungsalter", dab dureh eine Reihe kleiner und mittlerer operativer Eingriffe die orthopAdisehe Behandlung sehr unterst/i tzt werden kann und dureh die kombinierte Behandlung ausgedehnte LageverAnderungen einzelner ZAhne sowie yon ganzen Zahnreihen durehgeffihrt werden k6nnen.

Wenn Ahnliehe Verfahren sehon seit langem bekannt und yon S k o g s b o r g und B i c h l m a y r sehon vor Jahrzehnten besehrieben worden sind, so haben sie aber wenig Eingang in die bisher tibliehe kieferorthopAdisehe Behandlung ge- funden. Auch A. M. S e h w a r z sehreibt in seinem Lehrgang, dab es fiir das Opera- tionsmesser in der KieferorthopAdie wenig l~aum gibt.

Ieh glaube, bei der kieferorthopS~disehen Behandlung Erwaehsener wird sieh die Kortikotomie, wie es jetzt genannt wird, fiir best immte FAlle wohl dureh- setzen, da aus den laufend erwAhnten und bekannten Grfinden eine normale kie-

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ferorthop/idisehe Behandlung nieht in allen, aber doeh in vielen Fgllen mit einer aullerordentlich langen Retentionszeit verbunden ist.

Genauso wie im Spgtalter die echte Progenie, best immte Formen des offenen Bisses und auch extreme Formen des Distalbisses rein chirurgisch zu behandeln sind und deshalb in den g a h m e n meiner heutigen Betraehtungen nicht mit ein- bezogen wurden, wird es eine ganze Reihe yon F/illen geben, bei denen es zweck- miillig sein wird, kieferchirurgisehe MaBnahmen kombiniert mi t orthopgdischen ~faftnahmen durehzuftihren, um die sonst zu l~nge getent ionszei t abzukfirzen und die Neigung zum Rezidiv herabzusetzen.

Zu diesen kleinen chirurgischen MaBnahmen gehSrt natfirlich auch die Ex- traktion yon bleibenden Z/ihnen, die wesentlich dazu beitrggt,, die Behandlungs- zeit abzuktirzen und das Rezidiv zu vermeiden. Wenn die amerikanischen Kiefer- orthopgden aueh heute teilweise zu viel extrahieren, worauf vor allem A. M. S e h w a r z hinweist, so dfirfte aber wohl in Fgllen der Klasse I und Klasse I I /1 die Extraktion yon Prgmolaren, vor allem bei frontalem Engstand, angezeigt sein. Einer starken Dehnung sind beim Erwaehsenen grSftere Grenzen gesetzt Ms beim Jugendliehen. Meines Eraehtens ist die Extraktionstherapie, so wie wir sie an- wenden, gerade bei der Behandlung Erwaehsener weitgehend zu bertieksiehtigen. Die Statistik ergibt bei meinen Spgtfgllen, dab in fiber 25% der Fglle, die vor- nehmlieh die Klassen I und II /1 betreffen, die Behandlung in Verbindung mit Extraktion durehgeffihrt worden ist. Am wenigsten wurde bei Patienten yon 35 bis fiber 50 Jahren extrahiert, weil da vorwiegend Protrusionen zur Behand- lung kamen, die - - mit parodontaler Insuffizienz kombiniert - - keine Extrak- tion erforderten.

Neben diesen ehirurgisehen Maftnahmen haben wir aber aueh beim Erwaeh- senen des 6fteren die M6gliehkeit, den Behandlungserfolg dutch zusgtzliehe not- wendige prothetisehe Versorgung zu stabilisieren. Dabei muB natfirlieh Wert darauf gelegt werden, dab evtl. erforderlieher Brfiekenersatz teehniseh so her- gestellt wird, dab ein BiBausgleieh erfolgt und der Tendenz zum gezid iv beim frtiheren Vorliegen eines Distalbisses dureh entspreehende Gestaltung der Kau- flgehen der Brfiekenk6rper entgegengewirkt wird.

Ein besonderes Kapitel bilden die Spgtfglle, bei denen es infolge parodontaler Insuffizienz zu ausgedehnten Stellungsvergnderungen im Bereieh der Frontzghne gekommen ist. Die kieferorthopgdisehe Beeinflussung st6ftt bei diesen Fgllen, wie bereits erwghnt, auf keine Sehwierigkeiten, well die Widerstandskraft des Paro- dontismus im allgemeinen herabgesetzt wird. Die Krgfte unserer Apparate m/issen sehr sorgfgltig dosiert werden, denn die protrudierten Zghne geben dem Druek leieht naeh und bei Uberdosierungen kana es zu hoehgradigen Entzfindungen des Parodontiums verbnnden mit starker Loekerung der Zghne kommen.

Es ist selbstverstgndlieh, dab die Rezidivgefahr besonders groft ist, wenn a priori eine StellungsanomMie vortag und zusgtzlieh dureh Parafunkt, ionen (Pressen, Knirsehen, Lippenbeiften, Zungenlutsehen) das Ausmaft tier Anomalie noeh vergr6Bert wurde.

Ieh bin abet naeh wie vor der Meinung, dab der Behaudlungserfolg mit einer Impulsatorsehiene oder Sehienenverbgnden, wie sie yon T h i e l e m a n n und R e i e h b o r n - K j e n n e r u d angegeben worden sind, auf Jahre hinaus erhalten werden kann. Den besonderen Vorteil sehe ieh darin, daft die Zghne - - je naeh Erfordernis - -kont inuier l ieh eingesehliffen und somit im Laufe der Jahre eugnathe Biftverhgltnisse erzielt werden k6nnen, wie es sonst nieht m6glieh ist. Auf die

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erforderliehe gewissenhafte Behandlung der Zahnfleisehtasehen soil nur hin- gewiesen werden.

Da mir der T eg t m eiersehe Impulsatorkautsehuk nicht zur Verfiigung steht, m6ehte ieh, um einem Einwand yon B e r t z b a e h zu entgegnen, darauf hinweisen. daft der von mir benutzte weiehbleibende Kautsehuk keine unkontrollierbaren Verzerrurtgen zul/tgt. Meine in der Zwisehenzeit durehgef/ihrten Versuehe mit Sehienen aus Kunststoff kombiniert mit weiehbleibendem Aufbift aus Neo- plastupalat sowie mit ganzen Sehienen aus Neoplastupalat und aus Polyamid ffihrten zu dem Ergebnis, daft die Patienter~ die elastisehe Sehiene gegeniiber der starren Sehiene bevorzugen. Neoplastupalat hat sieh als Aufbiftrelief im all- gemeinen bewghrt; als Impulsatorsehiene eignet sieh Neoplastupalat nieht, weil es zu weieh ist und den Kaudruek nieht abh/ilt.

Ffir den heutigen Berieht wurden, um zu einer Kl~trung des' Rezidivfrage bei- zutragen, 104 Patienten aus den Jahren 1948--1957 zur Kontrolle bestellt, bei denen die aktive Behandlungszeit mindestens sehon 2 Jahre beendet war. Zur Kontrolle ersehienen insgesamt 58 Patienten, die sieh auf die einzelnen Klassen wie folgt aufteilten:

Klasse Gesamtzahl Ersehienen Erfolg Teilerfolg Rezidiv

I . . . . . 47 27 26 1 - - II/1 . . . . 29 21 14 5 2 II/2 . . . . 19 7 4 2 1 I I I 1) . . . . 9 3 3

104 58 47 S 3

Wenn die Statistik infolge der relativ geringen Anzahl yon F~illen, die zur Auswertung gelangten, keine absolute Beweiskraft haben kann, so best/ttigt sie doeh die Erfahrungen, die in der Sp/itbehandlung Erwaehsener bisher gemacht worden sind. Dabei mug beriieksiehtigt werden, dag gerade uuter den nieht zur Kontrolle ersehienenen Patienten noeh ein grofter Prozentsatz enthalten ist (besonders F/tile der Klasse I u n d Klasse III) , die nieht nur mit Erfolg abge- sehlossen wurden, sondern bei denen aueh naeh j ahrelanger Kontrolle kein Rezidiv festgestellt werden konnte, aber zur Auswertung ni'eht mehr ersehienen sin&

Wie nieht anders zu erwarten, sind Teilerfolge und Rezidive besonders bei der Behandlung der Klassen I I ' l und I I ' 2 zu verzeiehnen. \Venn man bei des' Klasse II /1 die Teilerfolge zu den Rezidiven z/~hlt, so betr/tgt die Erfolgsziffer nur 66%. Ganz abgesehen davon, daft in einigen F/illen dieser Klasse die Reten- tionsapparate vom Patienten eigenm/~ehtig abgesetzt worden sind und deshalb der Behandlungserfolg nieht voll erhalten werden konnte, sind in dieser Klasse aber aueh Parafunktionen sowohl fiir das Entstehen der Anomalie als aueh des Rezidivs verantwortlieh, da sie nieht ausgesehaltet werden konnten.

Wenn nieht der geringe Prozentsatz yon 20% Rezidiven selbst /iberraseht (ieh hatte mit einer hSheren Zahl gereehnet), so ist der Erfolg wahrseheinlieh darauf zuriiekzuf/ihren, dab die I~etentionsapparate noeh jahrelang naeh Ab- sehluft der aktiven Behandlungsphase getragen wurden. Ieh habe mieh aueh selbst immer wieder dutch halbj/thrliehe Kontrollen davon /iberzeugt, daft die Gergte paftten und also naehts, wenn aueh nieht regelm/tgig, getragen wurden.

1) Progenie, progener Zwangsbig (Klasse I). Nieht inbegriffen 2 F~lle, die rein ehir- urgiseh behandelt, worden sind.

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Rezidive sind dort e ingetreten, wo die P a t i e n t e n n ich t mehr zur Kont ro l le er- schienen sind u n d die Re ten t ionsappara te yon sich aus abgesetzt haben. E i n weiterer Grund ffir das Ausble iben yon Rezid iven ist, wie schon erw~hnt, dar in zu suehen, dab ich in fiber 25% der Fs ex t rahier t habe.

I n Erg~nzung meiner Ausff ihrungen mSehte ieh noch einige F~lle zeigen, bei denen der Behand lungsbeg inn zum Teil bis zu 10 J a h r e n zurfickliegt u n d yon denen ieh annehme, dab sie n ich t nu r die Erfolge kieferorthop~discher Behand- lung, sondern auch die MSglichkeit der Verhii tuug eines Rezidivs un te r Beweis stellen.

Aus den Fi~llen der Klasse I k a n n ich kein Rezidiv zeigen, aber e inen Fall , bei dem die Behand lung wegen Zungenlu tsehens u n d zu groBer Zunge zu ke inem vollen Er- folg ffihrte.

Pa t i e r t t Gr. (Abb. 1 bis 3). Zu Beginn der Behandlung 19 Jahre lutsehoffermr BiB~ Klasse I 1 (bis zum 12. Lebensjahr wird Lutschen zugege- ben, sp~iter wurde die Zunge in die Lficke ge- preBt).

Beginn der Behandlung: Juli 1956 (Abb. 1). LfickensehluB naeh aktiver Behandlungszeit

yon 10 Monaten erreieht: Mai 1957 (Abb. 2). Letzte Kontrolle: Mai i961 (Abb. 3). Behelfe: Aktive Platten mit Zungengitter. Der Patient kormte in den letzten 2 Jahren

nieht zur Behartdlung kommen. DaB der erzielte Behandlungserfolg gehalten werden kormte, ist o nur darauf zuriiekzuffihren, dal~ das Ger~t - - wenn aueh nicht regelmgl~ig - - getragen wurde und keine Parafunktion der Zunge mehr vor- liegt.

Besonders in teressant s ind die F~lle der Klasse I I /1 , da sie die n ~ c h s t st~rkste Gruppe shad u n d aus kosmet isehen Grfinden besonders yon weibliehen Pat ienter t eine Behand lung gewiinscht wird. s

P a t i e n t i n B. (Abb. 4 b is 6). Zu Beg inn der Abb. 1 bis 3. Patient Gr., zu Beginn der Be- B e h a n d h m g 32 J a h r e Klasse I I / 1 , Schneidezahn- handlung 19 Jahre Klasse I. Lutschoffener Bil~

stufe 9 mm. Begirm der Spiitbehandlung: Mai 1957 (Abb. 4). Aktive Behandlung abgeschlossen: Mai 1958 (Abb. 5). Letzte Kontrollaufnahme: Mai 1961 (Abb. 6), Der Fall ist deshalb besonders interessant, weil bereits im Alter von 11--14 Jahren eine

kieferorthop~disehe Behandlung mit Extraktion von 4[4 durchgefiihrt wurde. Bei 616 besteht Distalokklusion fiber 7 ram; Eckz~ihne stehen in neutraler Okklusion.

Auf Grurtd der Profilanalyse seheint die Extraktion von 414 und das Bestehenlassen des Distalbisses bereehtigt gewesen zu sein; das Kieferdrittel ist stark iiberhSht und aus is Griinden eirte Vorverlagerung des Un~erkiefers aueh heute nicht angezeigt.

Der Behandlungserfolg soll seinerzeit gut gewesen sein. Es kam trotzdem wieder zu einer Protrusion der oberen Sehneidez~ihrte mit frontalem Engstand im Oberkiefer und

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noeh st/~rker im Unterkiefer. Die unteren Sehneidez~hne waren stark verl~ngert und be- riihrten das Zahnfleisch im Oberkiefer.

Es war schwer, die Patientin zu bewegen, nochmals Zi~hne extrahieren zu lassen. Da 6_J devital mid beherdet war, erkl~irte sich die Patientin jed0ch zur Extraktion bereit. Zur Beseitigung des hochgradigen Engstandes im Unterkiefer wurde 2-] entfernt.

Die Behandlung wurde in der ersten Phase nur mit festsitzenden Behelfen durchgeffihrt mad konnte bereits nach 1 Jahr abgeseblossen werden. Seit dieser Zeit werden Platten- behelfe getragen. Die iiberhShten unteren Frontzghne wurden abgeschliffen und auch sonst

wurde zur HersteUung eugnather Billverh~ilt- nisse yore Schleifstein Gebraueh g emacht. Der tiefe Bill konnte zwar wesentlich gebessert, aber nicht ganz behoben werden. Mit einem emeuten l~ezidiv ist nicht zu rechnen, weil die Patientin auf Grund des frfiheren Millerfolges weill, dall sie es in der Hand hat, durch jahrelanges gewissen- haftes Tragen der Retentionsapparate ein neues Rezidiv zu vermeiden.

W e n n in dem soeben beschriebenen Falle n ich t mehr festgestellt werden kann , worauf das nach der ers tmaligen kieferorthop~di- schen Behand lung e ingetre tene Rezidiv zu- r i ickzufi ihren ist, so s ind die Grfinde dafiir bei dem n i c h s t e n Fal l vers t indl ich , denn parodonta le Insuffizienz ve rbunden mi t Lip- penpressen f i ihr ten zu einer hochgradigen liickigen Pro t rus ion u n d Lockerung der obe- ren Frontz~hne .

Abb. 4 bis 6. Patientin B., zu Beginn der Be- handlung 32 Jahre Klasse II/1. Rezidiv nach kieferorthop~idischer Behandlung im Alter yon

11--14 Jahren (trotz Extraktion yon 4;.~4)

P a t i e n t i n Br. (Abb. 7 bis 9). Zu Beginn der Behandlung 31 Jahre. Tiefer BiB mit Be-

5 rfihren des Zahnfleisehes, Schneidezahnstufe 11 mm, Klasse II/1. (Vor 1945 kieferorthop~di- sche Behandlung ohne Dauererfolg.) Parodon- tale Insuffizienz (n~chtliches Pressen und Knir- schen).

Beginn de~ Behandlung: 1951 (Abb. 7). 1. Kongrollaufnahme: Oktober 1951 (Abb. 8). Letzte Kontrollaufnahme: April 1961

(Abb. 9). Der Behandlungserfolg konnte trotz ungiin-

stiger Prognose durch konstantes Tragen eines 6 Impulsators w~hrend der Nacht jetzt bereits fiber

10 Jahre gehalten werden. Wle ieh bereits frfiher betonte, ist eine sorg-

filtige Zahnfleischbehandlung in regelm~lligen Abst~nden und das kontinuierliche Ab- und Ein- sehleifen erforderlich (die unteren SchneidezKhne

wurden im Laufe der Jahre um etwa 3-,-4 mm abgeschliffen).

Genauso wie die Zunge, k a n n aber auch n/~chtliches Pressen u n d Knirschen, worauf ich in l~be re ins t immung mi t D r u m immer schon hingewiesen habe, so- wohl fiir die E n t s t e h u n g einer Anomal ie als auch ffir ein spi teres Rezidiv nach erfolgter kieferorthop/~discher B e h a a d l u n g verantwor t l ich sein. Gerade beim Er- wachsenen s ind diese F a k t o r e n besonders zu beriicksichtigen.

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P a t i e a t i n Zsch. (Abb. 10 bis 12), Bei dieser Pat ient in ist es zu Beginn der Behandlung, 41 Jahre, Klasse II /1 , durch Pressen und Knirsehen zu einer Diastemabildung bei ~ und besonders starker Loekerung yon 11 gekommen.

Die Pat ient in gab selbst an, daft sie aueh tagsiiber clerartig mi t den Z~hnen geknirseht und dabei besonders 1j belastet hat, daft der Zahn hoehgradig geloekert war (entspreehender RSntgenbefund l iegt vor).

Beginn tier Behandlung: 1950 (Abb. 10). Aktive Behandlung mi t Pla t ten naeh

A.M. S e h w a r z naeh vorher igem BiBaus- gleieh durch Besehleifen.

1. Kontrol laufnahme: 1954 (Abb. 11).

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Abb. 7_bis 9. Patientin Br., zu Beginn der Behandlung 31 Jtthre Klasse II/1

Abb. 10 bis 12. Patientin Zsch., zu Beginn der Behandlung 41 ffahre Klasse II/1

Letzte Kontrol lauinahme nach 11 Jahren - - 1961 (Abb. 12). Die Pat ient in tr~gt naehts regelm~llig eine Schiene aus weiehbleibendem Kautsehuk

(geteilte Impulsatorsehiene nur im Oberkiefer). E in Rezid iv ist nicht e ingetreten; 11 steht fester als vor 11 Jahren.

B e s o n d e r s s ehwie r ig g e s t a l t e t s ich d ie V e r m e i d u n g e ines R e z i d i v s , w e n n P re s - sen o d e r K n i r s c h e n m i t zu g r o g e r Z u n g e z u s a m m e n t r e f f e n , w ie es de r n/~chste F a l l z e i g t :

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P a t i e n t U. (Abb. 13 bis 15). Zu Begiml der Behandlung 23 Jahre. Klasse II/1. Liiekige Protrusion mit tiefem Big, Schneidezahnstufe 7 mm - - einseitig rechts.

Beginn der Behandlung: 1953 (Abb. 13). Wenn der vorhandene Sprachfehler des Patienten U. yon ihm auch auf eine frfihele

Diphtherie mit Folgeerscheinungen zurfickgefiihrt wurde, so diirfte der Sigmatismus inter- dentalis wohl zweifellos eine Folge der vorliegenden Stellungsanomalie trod einer zu grol3en Zunge sein. Aus beruflichen Grfinden (Dozentenlaufbahn) war kieferorthop~dische Be-

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15

Abb. 13 bis 15. Pa t i en t U., zu Beg inn der Be- hand lung 23 J a h r e KIasse I t /1

Abb. 16 bis 18. Pa t i en t in l l . , zu Beginn der Be- hand lung 25 J a h r e Klasse I I /1

handlung unbedingt erforderlich, zumal der Patient angab, dab die Protrusion der oberen Schneidez~hne in den letzten Jahren immer starker geworden w/ire.

Nach Abschlul3 der aktiven Behandlung im Jahre 1954 (s. 1. Kontrollaufnahme Abb. 14) erschien der Patient nicht mehr zur Kontrollbehandlung; selbstverst/~ndlich kam es zu einem Rezidiv geringen AusmaBes.

Da eine chirurgische Verkleinerung der Zunge vom Patienten nicht gewiinscht wurde, ist mit einem Dauereffolg nur zu rechnen, wenn eine Retentionsplatte regeIm/iBig nachts getragen wird (Patient tr/igt seit 1961 wieder Retentionsplatte).

Als erfo]gversprechende Mal3nahme zur Verh inderung eines Rezidivs, ins- besondere beim Vorliegen eines Distalbisses, haben wit be im Erwachsenen des

18

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SchSnherr, Rezidiv u. seine Verhiitung bei der kieferorth0p. Behandlung Erwaehsener 375

5fteren infolge Feh lens yon Z/ihnen i m Se i t enzahngeb ie t d ie MSglichkei t , du rch en tsprechende Ges ta l tung und E ing l i ede rung yon BrfickerLersatz e inem Rez id iv entgegenzuwirken. Die Abb. 16 bis 18 zeigen einen Fa l l aus d ieser Gruppe .

P a t i e n t i n R. (Abb. 16 bis 18). Zu Begirm der Behandlung 25 Jahre Klasse II , Schmal- kiefer mit liickiger Protrusion, Diastema im Oberkiefer und im Unterkiefer, Schneidezahn- stufe 10 ram, 6 5~ 5 6 wurden vor Jahren extrahiert, starke Atrophie des Alveolarforf- ,~atzes bei 111.

Begirm der Behandlung: 1955 (Abb. 16). Aktive Behandlung und prothetisehe Versorgung beendet: 1956 (Abb, 17). Letzte KontrolLaufnahme: I961 (Abb. 18). Nach Abschlufl tier aktiven kieferorthopRdischen Behandlung wurde durch zweck-

entsprechender~ Briieker~ersatz im Seiteazahngebiet die kieferorthopi~disehe Ma6nahme untersttitzt. Die Patientin tr~gt seit AbsehluB der Behandlung (1958) zur Vermeidung eines Rezidivs ein Federgelenk rmeh F r / i n k e l , allerdings sehr unregelm~Big. Die kieferorthopi~di- sehe Beseitigung des Diastemas im Unterkiefer bei ~ ist auf Grund des RSntgenbefundes und der Diskrepanz der Schneidezahnbreiten yon Ober- und Unterkiefer nieht arxgezeigt gewesen.

Es i s t e ine b e k a n n t e Tatsache , dab d ie Drehung yon Z/~hnen kieferor thopi i - disch n i ch t i m m e r g la i r von~ta t ten geh t u n d d ie Ne igung zu e inem l~6zidiv be- sonders gro$ ist .

P a t i e n t i n J. It. (Abb. 19 his 25). Die Abb. 19 bis 25 zeigen einen derartigen Fall, bei dem die Kor~trollaufnahmen naeh 5 Jahren best~tigen, dall kein Rezidiv eingetreten ist, nut weil die Patientin aneh jetzt noch, wenn aueh nieht regelm~Big, naehts eine Retentions- platte tr~gt.

19 20 21

22 23

24

Abb. 19, 20, 22 und 23. l~Iodelle vor und nach Abschlufl der ak t iven Behandlung

Abb. 21, 24 und 25. Mundaufnahmen zu Beginn, nach 2 Jahren und nach 5 Jahren

Abb. 19 bis 25. Pa t ient in J . H., zu Beginn der Behandlung 23 Jahre Klasse I I ] l

25

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376 Fortschr i t te der Kieferor thop~l ie Bd. 23 H. 3 u. 4 (1962)

P a t i e n t i n J . H. (Abb. 19 bis 25). Zu Beginn der Behandlung 23 Jahre Klasse II /1, engstehende Protrusion mi t Torsion yon [1 iiber 450 (4[ 4 yon anderer Seite vor Jahren extrahier t und ohne Effolg kieferorthop~id~sch behandelt).

Beginn der Behandlung: 1956 (Abb. 19 bis 21). Akt ive Behandlung mi t festsitzenden Behelfen (Apparate frei nach S i m o n ) durch-

gefiihrt und 1958 abgeschlossen (Abb. 22 bis 24). Kontrol laufnahme: 1961 (Abb. 25).

26 29

27 30

28 31

Abb. 26 bis 28. Patientin L., zu Beginn der Behandlung 42 Jahre Klasse I, Kipp- und

Drehstand yon 1-~

Abb. 29 bis 31. Patient S. H., zu Beginn der Behandlung 18 Jahre Klasse II/1 mit tiefem

BiB und frontalem Engstand

D i e V e r m e i d u n g e ines R e z i d i v s g e s t a l t e t s ich wesen t l i ch schwier iger , w e n n d ie D r e h u n g y o n Z/~hnen b e i ~ l t e r en P a t i e n t e n e ine F o l g e y o n P a r a f u n k t i o n e n a u f d e r G r u n d l a g e e ine r p a r o d o n t a l e n Insu f f i z i enz ist . I n d e r a r t i g e n F / i l l en k a n n e in R e z i d i v n u r v e r h i n d e r t we rden , w e n n n a c h d u r c h g e f i i h r t e r k i e fe ro r thop /k l i - s che r B e h a n d l u n g f e s t s i t z e n d e o d e r h e r a u s n e h m b a r e S e h i e n e n w/ ih rend de r N a e h t g e t r a g e n we rden , w ie ich das be re i t s f r f ihe r erw/~hnt habe .

P a t i e n t i n L. (Abb. 26 bis 28). Zu t~egirm der Behandlung 42 Jahre Klasse I, Schmal- kiefer mi t frontalem Engstand im Oberkiefer und Unterkiefer (Kipp- und Drehstand yon 1 [ 1), Schneidezahnstufe 6 mm, t iefer BiB ohne Berfihren des Zahnfleisches; 6 ~ extrahiert .

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SehSnherr, Rezidiv u. seine Verhiitung bei der kieferorthop. Behandlung Eiwaehsener 377

Patientin kllirseht naehts mit den Zghnen; sie gibt an. dab die oberen Schneidez~ihne in den letztett 1--2 Jahrer~ ihre Stellmlg merklich vergildert haben.

Beginn der Behandlung: Febluar 1952 (Abb. 26). Aktive Behandlung: 12 Monate - - P l a t t e naeh Sehwarz. Ansehliel3end wghrend der Xaeht Sehiene aus weiehbleibendem Kautsehuk fiir den

Oberkiefer, die vor 2 Jahren dureh eine Sehiene aus Polyamid ersetzt wurde (Abb. 27). Letzter Kontrollbefund: Xaeh 9 Jahren - - Mai 1961 (Abb. 28). Es ist kein Rezidiv eingetreten; der frontale Engstand im Unterkicfer hat sieh sogar

ohne Behandlung gebessert. Sehiene wird immer noeh regelm//13ig getragen.

g e r m keine allzu grogen Einzelabweiehungen yon Zahngruppen ocler e inzelnen Zghnen vorliegen, k a n n nati ir l ieh aueh erfolgreich mi t dem funkt ionskieferor tho- pgdisehert Gerfit gearbei tet werden. Man hat dabei den Vorteil, dab naeh Ab- sehlug der akt iven Behand lung das funktionskieferorthop/idisehe Ger/it als Reten- t ionsappara t getragen werden kann .

Bei dem P a t i e n t e n S. H. (Abb. 29 his 31), der mit 18 Jahren im Jahre 1950 vor allem wegen starken Zahnfleisehblutens zur Behandlung kam, lag eine Klasse II/1 mit tiefem Big und frontalem Engstand, besonders im Unterkiefer, vor.

Die Behandlung wurde mit.eittem funktionskieferorthopgdisehen Gergt durehgefiihrt. Der Patient triigt seit 1955 kein Gergt mehr. Der BiB hat sieh etwas gesenkt, Biglage ist neutral, frontaler Engstand im Unterkiefer behoben, Zahnfleischbefund o. B.

Beginn der Behandlung: 1950 (Abb. 29). Zwisehenaufnahme: 1954 (Abb. 30). Letzte Kontrollaufnahme: 1961 (Abb. 31).

Die Behandlung des Deckbisses s teht beim Erwachsenen nicht so im Vorder- gruml wie die F~lle der Klasse II. 1, und zwar aus dem einfachen Grunde, well der reine Deckbift (Steilbig aller Frontz/ihne)/~sthetisch nicht so ents te l lend wirkt wie die Protrusion der Frontz/~hne. Eine Ausnahme bi lden die Deckbigf/ille, (tie atypisch und mit einer Protrus ion einzelner Schneidez/~hne ve rbunden sind.

Meines Erachtens ist die Tendenz zum Rezidiv beim Deckbift des Erwach- senen, wie das auch aus meiner Stat is t ik hervorgeht, besonders groft, well die dominante Erbanlage sich durchgesetzt hat und wir beim Erwachsenen n ich t da- mit rechnen k6nnen, daft andere Erban lagen durch unsere Behand lung zum Durchbruch kommen.

Zur Vermeidung eines Rezidivs m/issen die Re ten t ionsappara te auf Jahre hinaus getragen werden, und an einem atypischen Fall soll gezeigt werden, daft es dann auch nicht zu einem Rezidiv kommen muft, wenn die Behelfe entsprechend lange getragen werden.

P a t i e n t i n D. (Abb. 32 bis 34). Zu Beginn der Behandlung 35 Jahre, Klasse II/2. Atypischer DeckbiB, St~ilbig von 1 I, Protrusion yon 2-~, Heterotopie yon 31, extrahiert

16, [~ retiniert ; untere FrontzS~hne verlS~ngert, tiefer Bil3 mit Beriihren des 7~ahnfleisehes.

Beginn der Behandlung: 1952 (Abb. 32). Zwisehenbefund (3Iodelle): 1954 (Abb. 33). Letzte Kontrollaufnahme: 1961 (Abb. 34). Aktive Behandlung naeh 12 3Ionaten beendet. Naeh Absehluf~ der aktiven Behandlung wurde 3[ yon anderer Seite wegen akuter Be-

sehwerden (Pulpitis) entfernt; es e~ffolgte deshalb Eingliederung yon Briiekenersatz. Seit 3 Jahren ist die Patientin nieht mehr zur Kontrolle ersehienen; Retentionsapparate

werden angeblieh noeh gelegentlieh getragen. Der Behandlungserfolg konnte annS~hernd gehalten werdem Die Patientin gibt aber

an, da[3 die Ziihne ihre Stellung verg, ndern, vor allem '1, wenn die Sehiene naehts nieht getragen wird. 25 " F o r t s c h r i t t e der K ie f~ , ro r thop i id i e ]3d. 03 H . 3 u. 4

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378 Fortschritte der Kieferorthop~die Bd. 23 I-I. 3 u. 4 (1962)

Die Sorgen, die wir beziiglich der Rezidivgefahr bei den Fallen der Klasse I I /1 und Klasse I I / 2 haben, bestehen nicht bei den Fallen mit vcrkehrtem Schneide- zahnfiberbi~, auch wenn eine Tendenz zur Progenie besteht. Wenn die ~ber- stellung der Schneidezahne gelingt, ist die Rezidivgefahr nahezu ausgeschlossen. Wie ich bereits eingangs erwahnte, sind ausgesprochene Falle der Klasse I I I beim Erwachsenen chirurgisch zu behandeln und die Beurteilung dieser Falle in bezug auf das Rezidiv gehSrt nicht in den Rahmen meiner Ausfiihrungen.

~2

35

33 36

34

Abb. 32 bis 34. Pa t i en t in D., zu Beginn der Be- Abb. 35 bis 37. Pa t ient in M., zu Bcginn der handlung 35 Jahre, Klasse I I /2 (atypisch) Bchandlung 21 Jahre, Klasse I

Die nachsten Abbildungen zeigen einen Fall aus dieser Gruppel Der progene Charakter, der sich im Laufe der Jahre gerade in diesem Fall zusehends mehr aus- pragt, geht aus den Abbildungen deutlich hervor.

P a t i e n t i n M. (Abb. 35 bis 37). Zu Beginn der Behandlung 21 Jahre, Klasse I. Ver- kehrter Schneidezahnfibelbil~ mit LatelalveIschiebung des Unteikiefeis nach rechts und

geringem ~esialbil] bei 16 ; Seitenz~ihne im rechten Ob~rkiefer nach mesial, Liicke ffir 3_]

geschlossen, 6] extrahieit.

37

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Sch6nherr, Rezidiv u. seine Verhfitung bei der kieferorthop. Behandhmg Elwaehsener 379

Beginn der Behandlung: 1956 (Abb. 35). Aktive Betmndlurtg beendet (Extraktion von 41, Ubers~etlung s. ModetI) : 1957 (Abb. 36). Le~zte Kontrollaufnahme: 1961 (Abb. 37).

Die Verhi i tung eines Rezid ivs bei der k ieferor thop~disehen Behandlung der Erwaehsenen ist aber n ieht nur abhs yon einer exak ten kieferorthopS, disehen Diagnose, sondern aueh yon der in tens iven Mitarbe i t des Patienter~ und e inem regelm/tBigen Tragen der en tspreehenden Behelfe. Darfiber hinaus bin ieh abet aueh der Meinung, dab der behande lnde Zahnarz t mi t allen 3[e thoden der mo- dernen Kieferorthopfidie ve r t r au t sein muff, wenn der Prozentsa tz der Rez id ive m6gliehst, n iedr ig gehMten werden soll. Die g e t e n t i o n s a p p a r a t e mtissen un te r allen Umst/~nden 1/inger ge t ragen werden als bei der kieferor thop/ idisehen Behand- lung im fibliehen Alter. Un te r Ber t ieksieht igung der angegebenen Fak to ren ist t rotz der ungfinst igeren Prognose die Gefahr des Rez id ivs bei der kieferor tho- p/tdisehen Behandlung des Erwaehsenen n ieh t gr6Ber als bei der des Jugendl iehen .

Sehrittum

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A n s ( ' h r i f~ d. V e r f . : :Dr. E r i ( ' h S c h 6 n h e r l ' , l l a d e l : e M V , \ V i l h e l n i - F i e ( k - S t r . 71

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